Stein 06/2018

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STEIN

S 06 | 2018

ZEITSCHRIFT FÜR NATURSTEIN

SPEZIAL

MATERIALIEN, VERARBEITUNG, PFLEGE

KERNGESCHÄFT KÜCHE APULIEN

SCHNEIDIG

START ME UP

Aus einer italienischen Masseria wird ein Luxushotel. Man setzt auf Stein aus der Region

Der Markt für Küchenarbeitsplatten wächst, mit passenden Maschinen wachsen Sie mit

Die Schnittstelle zum Kunden wird digital. Lernen Sie als Unternehmen von Start-ups


INHALT

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Moderne Elemente Was es mit dem können alte Friedhöfe Nachwuchsproblem auflockern, wenn sie insich, derwie Branche auf hier in Altdorf bei Nürnberg, zurücksich hat: ein Blick in nehmen und nicht die Zukunft des in den Vordergrund Gewerks. drängen.

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Küchenarbeitsplatten aus Natur- und Kunststein sind ein Markt mit großem Wachstumspotenzial. Im Lebensmittelbereich gibt es zu Schutz und Pflege einiges zu beachten.

Ein„Masserie unter DenkmalIm Masseca“ schutzdurch stehender wurde respektBunker in München vollen Umgang mit dem wurde behutsam renohistorischen Gebäude viert und innen mit der Ursprungscharakter demEnsembles Natursteinerhal„Fade des to Grey“ ausgelegt. ten. Kalkstein spielt dabei eine Hauptrolle.

STEIN ONLINE

CHANCEN NUTZEN

STEIN – auf Facebook Wissenswertes rund um das Thema Naturstein gibt es auf facebook.com/stein.magazin

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Der Steinmetz von Morgen Lehrlinge, Ausbilder und Schulverantwortliche erklären, woran die Nachwuchssuche scheitert.

STEIN – die Webseite Fachliches, Interessantes, aber auch Skurriles finden Sie auf unserer Homepage stein-magazin.de

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Der Nachwuchs auf der Leitmesse STEIN bietet eine Übersicht über Termine für Azubis und Berufseinsteiger auf der stone+tec.

STEIN – der Newsletter Regelmäßig Neues aus der Stein-Welt, zu abonnieren auf stein-magazin.de

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„Ich bin beängstigt von der Schönheit des Berufs“ Wie ein junger Steinmetzgeselle, der bereits diverse Preise gewonnen hat, auf seinen Beruf schaut.

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Der Steinmetz in Zahlen Warum die Natursteinbranche in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen stehen wird.

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Steinmetz ist ein Beruf mit Zukunft Ein Berufsschullehrer erklärt, wie der Fachkräftemangel jungen Steinmetzen in die Hände spielt.

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Aufbruchstimmung Drei Steinmetze beschreiben ihren Werdegang nach der Ausbildung.

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Ab in die Alpen Wie die Steinmetzausbildung in Südtirol aussieht und was in Laas für den Nachwuchs angeboten wird.

ZUM SAMMELN Die neue STEINKUNDE In dieser Ausgabe: Untererlbacher Burgsandstein KUNDE

Handelsname:

UNTERERLBACHER BURGSANDSTEIN Petrografische Familie:

Sandstein Typische Farbe:

Überwiegend rötlich, gemischtfarbig Herkunftsort:

Untererlbach/Bayern/ Deutschland Liefernachweis:

Stein Müller/ Kleinlangheim

GEOLOGIE/PETROGRAFIE Bei der Bezeichnung Burgsandstein handelt es sich um eine geologische Formation. Es wird nach oberem, mittlerem und unterem Burgsandstein unterschieden. Untererlbacher zählt zu dem mittleren Burgsandstein. Eine andere Bezeichnung für derartige Sandsteine ist Stubensandstein. Die Bezeichnung rührt daher, dass es sich um einen Sandstein mit scharfkantiger Körnung handelt. Lagen mit geringem Bindemittelanteil konnten leicht zerrieben werden und dienten als Scheuersand für Bodenbeläge. Bei Sandsteinen handelt es sich um Sedimentgesteine. Sie sind durch Ablagerung entstanden. Beim Untererlbacher deuten sowohl die Grobkörnigkeit, als auch die Scharfkantigkeit der Quarze sowie das Vorhandensein von Feldspäten darauf hin, dass der Transport der Sedimente nur über eine kurze Strecke erfolgte. Vermutlich stammt

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das Ursprungsgestein aus dem heutigen Gebiet zwischen München und Regensburg.

ARCHITEKTUR In den letzten Jahrzehnten war in Deutschland ein wahres Steinbruchsterben zu beobachten. Auch der Untererlbacher Sandstein wurde nicht mehr abgebaut. Umso erfreulicher, dass es sich in Untererlbach um einen Neuaufschluss handelt. Dieser Stein wurde bereits im Mittelalter in Franken sehr viel verbaut. Aus diesem Grund wird es sicherlich eine große Nachfrage aus dem Bereich der Denkmalpflege geben. Vor allem Bauteile, die der Witterung ausgesetzt sind, weisen im Laufe der Jahrhunderte naturgemäße Schädigungen auf. Dieser kraftvolle und ausdrucksstarke Stein ist aber auch für moderne, naturnahe Gestaltungen im Innenbereich, wie

Wandbekleidungen in Restaurants, massive Stollenwände in Verkaufsräumen et cetera bestens geeignet. Aufgrund seines grobkörnigen Gefüges entspricht er dem derzeitigen Wunsch vieler Gestalter nach plastischen Wandbekleidungen. Durch Einbindung zusätzlicher, dreidimensionaler Massivbaubauteile, in Verbindung mit einer effektvollen Beleuchtung, lässt sich dieser Stein als Highlight der Raumgestaltung in Szene setzen. Hierbei unterstreichen die unregelmäßig verteilten Farbvarianten den Charakter des Naturprodukts. Natursteine wie der Untererlbacher Burgsandstein, mit einer langen Tradition müssen nicht ausschließlich der Denkmalpflege vorbehalten bleiben. Durch zeitgemäße Interpretationen wird der Fortbestand handwerklicher Fähigkeiten gesichert.

SCHÖNE WELT DER STEINE 20

Von der italienischen Sonne geküsst Wie eine alte Farm aus lokalem Naturstein in ein Luxushotel verwandelt wurde.

Dipl.-Ing. (FH) Detlev Hill www.steinkultur.eu

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Innovative Ideen für kreative Grabmalgestaltung

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Start-ups zeigen, wie Unternehmen in Zeiten der Unsicherheit erfolgreich agieren. Dazu gehört vor allem Innovationskultur, die Neues ausprobiert und aus dem Scheitern lernt.

STEINE BEARBEITEN 26

Arbeitsplatte statt Grabmal Die Küche ist ein attraktives Arbeitsfeld für den Steinmetz: wenn er die richtigen Maschinen besitzt.

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Keramikboom Wo bleibt der Steinmetz im Spiel der Kräfte zwischen Engineered Stone, Naturstein und Keramik?

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Molekularküche Wie man Küchenarbeitsplatten mit den passenden Präparaten schützt, pflegt und reinigt.

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Untererlbacher Burgsandstein Die STEINKUNDE stellt einen Sandstein aus Bayern vor, der nach Jahren wieder abgebaut wird.

KUNDEN GEWINNEN 48

Besuchen Sie uns auf der

13. bis 16. Juni 2018 Halle 11, Stand 131

Von Start-ups lernen Was etablierte Steinmetzbetriebe sich von jungen Gründern abschauen können.

PANORAMA 56

Naturstein-Fassadentage Frankenschotter

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Hausmesse Just Naturstein

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Lübeck: Netzwerk „Steine in der Stadt“

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Seminare/Vorschau

RUBRIKEN 64 74

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Impressum Seitenblicke Alles neu macht der …

shop.strassacker.com


CHANCEN NUTZEN

AUSBILDUNG SPEZIAL

Die Azubis in der Natursteinbranche werden jährlich weniger. Dabei bietet der Beruf die seltene Verbindung von Kreativität und Technik, davon sind auch diese Azubis vom Bildungszentrum Ingolstadt überzeugt

Ausbildung im Überblick Steinmetze und Natursteinbetriebe suchen händeringend Nachwuchs – gleichzeitig sinkt die Zahl der Ausbildungsverträge jedes Jahr. Wie entsteht dieses Ungleichgewicht? Wie lässt es sich auflösen? STEIN fragt Lehrlinge, Ausbilder und Schulverantwortliche. Von Anne Fischer

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Foto: Friederike Voigt

DER STEINMETZ VON MORGEN

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CHANCEN NUTZEN

AUSBILDUNG SPEZIAL

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igentlich, so sind sich zumindest im Fazit immer alle einig, ist der Beruf Steinmetz der schönste der Welt. Und doch scheint er allmählich auszusterben. Denn vor diesem Fazit stehen verschiedene Probleme. Geld spielt eine große Rolle – aber nicht die einzige. Manche Unternehmen haben keine wirkliche Ausbildungskultur oder wecken bei der Azubi-Akquise falsche Erwartungen. Die Politik wälzt die Integration von Flüchtlingen als Lehrlinge zu sehr auf Schulen und Betriebe ab. Und die Gesellschaft schätzt berufliche Bildung kaum wert.

WENN DER KREATIVITÄTSWUNSCH MIT DER BAUSTELLENREALITÄT KOLLIDIERT Natascha Otterbach, 22 Jahre alt und im dritten Lehrjahr auf dem Weg zur Steinbildhauerin, lernt im baden-württembergischen Obersontheim. Ihren Chef Klaus Otterbach – mit dem sie nicht verwandt ist – und dessen Firma Otterbach Natursteine hat sie bei einem Praktikum kennengelernt. Mit dem Handwerk selbst kam sie zum ersten Mal auf einem Mittelaltermarkt in Kontakt: „Ein Steinmetz dort hat ein Einhorn gehauen. Allerdings nicht besonders gut.“ Ihre Motivation, es besser zu machen, war geweckt. Auf dem Weg zu einer Freundin fuhr sie immer bei dem Betrieb vorbei und fragte deshalb beim Chef nach – so einfach kann Azubi-Akquise gehen. Wobei, so richtig gesucht hat Klaus Otterbach damals nicht nach einem Lehrling: „Natascha ist der sechste oder siebte Lehrling, den ich ausbilde. Zwei davon hatten stark begonnen und dann schnell abgebaut. In solchen Fällen ist die Frage: Was macht man mit denen? Viele Azubis haben entweder Talent, oder Willen – Natascha hat beides.“ Acht Mitarbeiter hat sein Betrieb, die Aufträge sind „querbeet“, so der Chef, der ihn in vierter Generation führt.

Natascha Otterbach ist im dritten Lehrjahr, bald fängt sie als Gesellin bei ihrem Ausbilder an – auch, weil beide eine gute finanzielle Lösung gefunden haben

TALENT DER LEHRLINGE FÖRDERN Im Alltag hilft Natascha Otterbach deshalb auch mal auf der Baustelle aus, versetzt mit ihren Kollegen Treppen oder Fensterbänke. „Wir sind ein kleiner Betrieb, und es ist als Abwechslung nicht schlecht, im Baubereich Erfahrungen zu sammeln. Aber ich bin zu 80 Prozent mindestens künstlerisch tätig“, sagt sie. Dafür sei sie sehr dankbar. Klaus Otterbach hat nicht immer passende Bildhauerarbeiten im Auftragsbuch stehen. Wenn das der Fall sein sollte – und das ist ein Unterschied zu manch anderen Ausbildern –, gibt er Natascha Otterbach eine andere Aufgabe. „Ich achte darauf, dass sie das ganze Spektrum, das ein Steinbildhauer können muss, kennenlernt. Sie soll ja bildhauerisch vorwärtskommen.“ Das kann sie dank seiner Unterstützung auch schnell: Schon im zweiten Lehrjahr hat sie beim Europäischen Steinfestival den dritten Platz mit einem Flachrelief der Rathausfassade der ungarischen Stadt Kiskunfélegyháza – 2017 Festival-Austragungsort – belegt. Beim Austausch mit anderen Lehrlingen hört sie oft, dass das mit der Vermittlung der praktischen Inhalte nicht in allen Betrieben gut läuft: „Es gibt schon schwarze Schafe unter den Ausbildern, die anfangs damit locken, was man als Lehrling alles machen darf, und ihre Azubis in der Realität dann fast nur als Baustellenhelfer einsetzen.“

Alwin Linge ist 17 Jahre alt und im ersten Lehrjahr – bei der Berufswahl spielte für ihn die wichtigste Rolle, praktisch zu arbeiten und in der Heimat zu bleiben

Fotos: Natascha Otterbach; Anne Fischer

BETRIEBLICHE UND ÜBERBETRIEBLICHE AUSBILDUNG Das mag auch daran liegen, dass nicht jeder ausbildende Betrieb die gesamte Bandbreite der Steinmetztätigkeiten im Berufsalltag abbilden kann. Und dass manchen Betrieben eine Ausbildungskultur fehlt, konkrete Zuständigkeiten, mitunter auch die Zeit. Und schließlich, auch das ist ein Argument, ist für Bereiche, die ein Betrieb nicht abdeckt, ja die überbetriebliche Ausbildung da, die Unternehmen genau deshalb mitfinanzieren. Sonst könnten schließlich nur noch Firmen mit großer Auftragsbandbreite ausbilden. Der Werkstattunterricht während der Berufsschule sei allerdings wenig praxisnah und zeitgemäß, sagt Natascha Otterbach, und sie steht mit dieser Meinung nicht alleine da. Andererseits: Wie gut kann diese ergänzende praktische Ausbildung sein, wenn Lehrlinge aus verschiedensten Betrieben mit unterschiedlichen Vorkenntnissen zusammenkommen, um mal eben in ein paar Wochen zu lernen, was im Berufsalltag auf der Strecke bleibt?

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SCHÖNE WELT DER STEINE

Perfektes Ambiente zum Entspannen: Der Beckenrand des Pools besteht aus Ostuni, einem Kalkstein aus der Region

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SCHÖNE WELT DER STEINE

VON DER ITALIENISCHEN SONNE GEKÜSST

Foto: Antonio Fatano

Kalkstein aus dem Süden Das Hotel Masserie Maresca befindet sich in Apulien – einer Gegend, die von Naturstein geprägt ist. Viele Jahre lag die ehemalige Farm brach, bis die Anlage saniert wurde. Es entstand auch ein Anbau: Durch den respektvollen Umgang mit dem Bestand lag der Fokus auf lokalem Naturstein; er stammt aus höchstens 100 Kilometern Entfernung. Wo nötig, wurden die Gebäudeteile durch zeitgenössische Materialien ergänzt. Von Maike Burk

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STEINE BEARBEITEN

ARBEITSPLATTE STATT GRABMAL Fertigung von Küchenarbeitsplatten Als Haupteinsatzgebiet des Steinmetzen hat die Küche den Friedhof abgelöst. Kann er nun dauerhaft darauf vertrauen, bei der Arbeitsplatten-Fertigung ein einträgliches Auskommen zu finden? Und, falls ja, wie muss er sich ausrüsten, um am Markt bestehen zu können?

Naturprodukt? Der österreichische Naturmöbel-Hersteller Team 7 bewarb seine filigno-Küche auf der diesjährigen imm cologne als Kombination der Naturmaterialien Holz und Keramik

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er sich mit der Fertigung von Küchenarbeitsplatten intensiv auseinandersetzt, benötigt einen hierfür geeigneten Maschinenpark. Firmen wie beispielsweise Naturstein Wagenleitner im niedersächsischen Bohmte oder BeBeTe Natursteinbearbeitung in Ulm haben sich hierfür mit einer 5-AchsWasserstrahlanlage gewappnet, zufälligerweise beide mit einer Maschine von CMS Tecnocut. Dank des IKC-Winkelfehlerausgleichs gelingen an der Wasserstrahlanlage perfekte Gehrungsschnitte in allen Stärken sämtlicher Materialien. Bei Naturstein Wagenleitner erlaubt eine Wasserniveauregulierung sogar noch das Schneiden unter Wasser, wovon Steinmetzmeister Johann Hübert ausgiebig Gebrauch macht – außer bei Platten mit bereits angebrachter Unterkonstruktion.

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Hinzu kommen bei beiden Familienunternehmen Brückensäge, CNC-Bearbeitungszentrum sowie Kantenautomat. Die Kundenstruktur ist ebenfalls vergleichbar: Küchenstudios und Möbelhäuser mit Küchenabteilungen; und bei beiden Firmen ist ebenfalls gleich, dass sie sich nicht ausschließlich des Küchenthemas annehmen, sondern die Firma auf weitere profitable Geschäftsfelder ausgerichtet haben – bei Wagenleitner zum Beispiel auf frei tragende Bolzentreppen, bei BeBeTe auf hochwertigen Bäderbau. Und nicht von ungefähr nimmt bei beiden Unternehmen der Anteil keramischer Materialien in den Stärken zwölf sowie sechs Millimeter stark zu und hat den Naturstein anteilig bereits überholt. Dies liegt möglicherweise an einer weiteren auffälligen

Gemeinsamkeit: Beide Firmeninhaber kommen nicht aus der Branche und haben keine Steinmetzausbildung genossen. Während in Bohmte im Norden der gelernte SHK-Installateur Valeri Wagenleitner als Geschäftsführer sowie sein Cousin und Betriebsleiter Waldemar Wagenleitner, ein ausgebildeter Großhandelskaufmann, die Firmengeschicke leiten, hat im Süden Gezim Berisha mit der Firma Marmor Schick den Betrieb übernommen, in dem er zuvor seit 1992 beschäftigt war – in 2008 zunächst mit dem Partner Walter Goller und seit 2017 alleinverantwortlich. Berisha ist von Beruf her allerdings eigentlich Lehrer. „Wir haben immer anders gearbeitet als die Steinmetze und immer wieder Neues ausprobiert“, nennt der 54-Jährige einen

Foto: Michael Spohr

Von Michael Spohr

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STEINE BEARBEITEN

vermeintlichen Baustein für seinen Erfolg. Berisha bezeichnet sich selbst als Tüftler und arbeitet am liebsten mit anderen experimentierfreudigen Mitarbeitern zusammen, die durchweg nicht aus der Steinverarbeitung kommen. Seit einem Jahr unterstützt ihn sein Sohn Zamir, und neuerdings ist auch seine Tochter Kaltrina mit von der Partie. In diesem Punkt unterscheidet sich Naturstein Wagenleitner, allerdings auch wegen des erst vor 18 Jahren gegründeten und somit gerade volljährigen Betriebs: Die Wagenleitners haben sich Steinverarbeitungssachverstand durch entsprechendes Personal eingekauft, etwa mit Steinmetzmeister Johann Hübert und Steinmetz Gerhardt Geisler. Und auch Valeris 19-jähriger Sohn Florian ist als frisch gebackener Steinbear-

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beitungstechniker ins Unternehmen eingestiegen. In der Fertigung von Küchenarbeitsplatten jedenfalls haben sich Naturstein Wagenleitner ebenso wie BeBeTe dank ihrer Maschinenausstattung, ihrer Innovationskraft und ihrer vertrieblichen Orientierung gleichermaßen einen guten Ruf erarbeitet. Im Folgenden stellen wir zwei weitere Firmen

vor, die anders und unterschiedlich an das Thema herangehen – beide erfolgreich. Während die eine Küchenarbeitsplatten erst seit Kurzem in ihr Produktportfolio aufgenommen hat, kann die andere auf die vielleicht längste Erfahrung in Deutschland zurückgreifen und beeinflusst als Branchenvorreiter mittlerweile Trends mit.

STEIN stellt folgende Firmen vor: 1. Monte Graniti Naturstein GmbH, Geilenkirchen-Niederheid www.monte-graniti.de 2. Schwanekamp GmbH, Gescher www.schwanekamp.de 3. Naturstein Wagenleitner GmbH, Bohmte www.naturstein-wagenleitner.de 4. BeBeTe Ulm Natursteinbearbeitung - Wasserstrahl-Technik GmbH, Ulm www.bebete.de

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STEINE BEARBEITEN

KERAMIKBOOM Küchen und Arbeitsplatten In STEIN-Ausgabe 10/2015 hatten wir noch getitelt „Kampf um die Küche – Naturstein versus Engineered Stone“. 2017 berichteten wir dann bereits darüber, wie neue Werkstoffe – allen voran die Keramik – die Branche unter Zugzwang setzen. Mittlerweile hat die keramische Oberfläche sowohl Naturstein als auch Engineered Stone in der Küche überholt. Zudem schreitet die Automatisierung der Arbeitsplattenfertigung aus allen drei Werkstoffen immer schneller voran. Wo bleibt in diesem Spiel der Kräfte der Steinmetz? Von Michael Spohr

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STEINE BEARBEITEN

Täuschend echt wirkende Massivoptikanmutungen sind dank perfekter Gehrungsverklebungen möglich: hier eine Laminamplatte in zwölf Millimetern Stärke bei Rossittis

Foto: Michael Spohr

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ei den Küchen jenseits der 20.000-Euro-Marke haben sich hochwertige Arbeitsplatten etabliert. Und in diesem Marktsegment haben solche aus keramischen Werkstoffen unzweifelhaft Konjunktur. Dass dies nicht nur an den vorteilhaften Materialeigenschaften, sondern auch am Marketing der Hersteller liegt, darüber hatten wir in STEIN schon mehrfach berichtet. An der generellen Tatsache aber, dass die Keramik im Trend liegt, kommt die Branche nicht mehr vorbei. Allerdings ist Keramik absolut nicht gleich Keramik: Neben den bekannt gewordenen Markennamen Dekton und Lapitec tummeln sich weitere Feinsteinzeughersteller sowie diejenigen, die ihre Platten aus Porzellankeramik fertigen, im Markt. Die Materialstärken variieren zwischen drei und dreißig Millimetern, und die unterschiedliche Rohstoffkomposition sowie die verschiedenen Produktionstechnologien lassen keramische Unmaßtafeln entstehen, die sich nahezu ebenso voneinander unterscheiden wie es diejenigen aus Naturstein tun. Und selbstverständlich kann sich kein Steinmetzbetrieb so breit aufstellen, dass er das komplette Marktangebot abbildet – zumal dieses noch immer wächst. Zwar haben sowohl Maschinen- als auch Werkzeughersteller auf den Keramikboom reagiert und etwa spezielle Keramikprogramme in ihre Maschinen integriert sowie je Werkstoff andersartige Sägeblätter entwickelt. Aber soll sich der Steinmetz jetzt wirklich neben einem Blatt für Granit, einem für Marmor, einem für Kalk- und Sandstein sowie einem für Engineered Stone auch noch eines für Porzellankeramik, eines für dünnes Feinsteinzeug, eines für 12-mm-Material, eines für Lapitec, eines für Dekton und eines für Dekton in Stärken ab 20 mm anschaffen? Wobei er

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dann noch kein Sägeblatt für Glas und keines für Betonwerkstein hätte. Die Antwort lautet: Er muss den Stier bei den Hörnern packen, anstatt sich von diesem durch die Arena schleifen zu lassen. Überall in Deutschland haben Steinmetze mit einer Spezialisierung auf Küchenarbeitsplatten vorgemacht, dass es (mindestens) drei Wege gibt, den Hype nach keramischen Oberflächen für sich auszunutzen: Sie können sich – wie etwa Puzicha in Essen oder Pientka in Düsseldorf – als zuverlässiger Maßkonfektionär für kleine und innovative Küchenmanufakturen abheben, die ebenfalls individuell planen und konzipieren; sie können sich aber auch als Lieferant von Küchenstudios und Möbelhäusern positionieren, wie dies etwa Naturstein Wiebe in Halver, Marmor Freitag in Olfen-Vinnum und BeBeTe in Ulm tun. Oder sie beliefern den Küchenhandel direkt – wie etwa Schwanekamp in Gescher, E & W in Essen oder das Natursteinwerk Vorsfelde. Daneben gibt es spezielle betriebstypische Nischenlösungen: So akquiriert Naturstein Maas in Wesseling etwa überwiegend Endkunden über das Internet. Kaiser Naturstein in Mühlheim am Main hingegen requiriert den größten Teil seiner Kunden über exzellente Architektenkontakte. Und Ulrich Korth von Natursteine Korth in Bonefeld sowie Marvin Puzicha vom gleichnamigen Betrieb in Essen wiederum setzen auf Netzwerke wie das von Rossittis oder diejenigen von Cosentino, von Codex, vom BNI (Business Network International) oder auf private Netzwerkkontakte. Und wer sich derart breit aufstellt wie die Allmendinger GmbH in Ostfildern mit Maxfine, Rex, Neolith, Laminam, Inalco, O-Kera, Dekton und einer Keramikeigenmarke namens Cromo-Cera im Angebot, der kann jeden Marktwunsch bedienen. Dennoch ist

Allmendiger mit zehn bis fünfzehn Küchenkommissionen pro Tag noch kein Industriebetrieb und will auch nicht auf Masse bauen. Bernd Allmendiger setzt auf Qualität und betont, dass er sich „mit jeder einzelnen Arbeitsplatte identifizieren können“ möchte.

INDUSTRIELLE STEINE INDUSTRIELL VERARBEITET Insbesondere in unserem Nachbarland Niederlande, aber auch hierzulande etablieren sich Großbetriebe mit vollautomatisierten Fertigungsstraßen, die Küchenplatten am Fließband produzieren. Wie Christoph van Doorn vom AKN Natursteinwerk Killing informiert, würden in Holland Hunderte gleiche Platten in die Häuser eingebaut, während die Küchenarbeitsplatte in Deutschland meist eine individuelle Maßanfertigung wäre. Das Zauberwort, um sich bei dieser Marktentwicklung ein Stück vom Kuchen abschneiden zu können, heißt denn auch Individualität. Denn für Serienproduktionen sind Sonderwünsche Gift. „Service, Flexibilität und Qualität sind unser Vorteil gegenüber den Großanbietern“, weiß Friedrich-Jens Thiele vom Ceramic Vertrieb Thiele in Rees. Und Stefan Ogrczall von den Natursteinwelten Zülpich ergänzt: „Wir schaffen durch unseren Full-Service den Küchenstudios Planungssicherheit.“ Außerdem können die kleineren, weniger auf Plattendurchsatz ausgelegten Steinmetzbetriebe ihren Geschwindigkeitsvorteil nutzen und den Kunden oft schon nach wenigen Tagen Arbeitszeit eine maßgeschneiderte Arbeitsplatte aufsetzen – wenn diese sich denn für ein am Lager befindliches Material entscheiden. Und schließlich handelt es sich bei den vom Steinmetz gefertigten Küchenarbeitsplatten meist nicht um 08/15-Aufträge, sondern um verhältnis-

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STEINE BEARBEITEN

Foto: Fila

Ob lösungsmittelhaltig oder wasserbasiert: Präparate für die Pflege und den Schutz von Küchenarbeitsplatten müssen hinsichtlich ihrer Unbedenklichkeit im Kontakt mit Lebensmitteln geprüft und zertifiziert sein. Diese Marmorplatte ist z. B. mit einem Fleckschutz auf Wasserbasis eingelassen

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MOLEKULARKÜCHE Bauchemie Küchenarbeitsplatten aus Naturstein, modernen Kunststeinerzeugnissen und Keramiken sind ein wachsender Markt für Steinmetze und Verlegebetriebe. Neben der petrografischen Expertise und dem Know-how zur Bearbeitung sollten Fachfirmen daher gerade im Lebensmittelbereich bauchemisch auf der Höhe der Zeit sein. Von Philipp Neuman

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KUNDEN GEWINNEN

VON START-UPS LERNEN

Marcus Scheffczyk: „Wir haben uns gefragt, was spricht uns selbst an, was ist uns wichtig und damit haben wir angefangen“

Zukunft des Gewerks Für den Steinmetz werden sich die Geschäftsmodelle ändern. Die Schnittstelle zum Kunden wird digital. Plattformen entstehen. Für Start-ups gehört das zur Unternehmens-DNA. Das können sich etablierte Firmen abschauen. Von Annette Mühlberger

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s wäre nicht das erste Mal, dass ein Handwerk dem technischen Fortschritt zum Opfer fällt. Der Schmied ist so ein Beispiel. Und der Steinmetz? Wird auch er bald zum Fall fürs Museum, weil der Weg zum Kunden über Plattformen und die Arbeit über Maschinen und Lohnarbeit läuft? Oder gelingt es dem Gewerk, die Schnittstelle zum Kunden zu halten? Und, wenn ja, was können Inhaber von Gründern lernen, die naturgemäß anders an ihr Geschäft herangehen als etablierte Unternehmen?

LÄUFT ES ZU GUT? Noch fühlt sich das Gewerk vergleichsweise sicher. Anders als bei den Fliesenlegern gilt nach wie vor die Meisterpflicht. Der Markt für Grabmäler konso-

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lidiert sich zwar und damit die Zahl der Betriebe. Dafür kann sich der Innenausbau vor Aufträgen kaum retten. Wo also liegt das Problem? Genau hier. Für einen beherzten Wandel geht es vielen Unternehmen im Moment fast zu gut.

START-UPS RÜCKEN VOR Doch auch im Handwerk rollen Start-ups den Markt auf. Die Gründer sind sich im Gegensatz zur historisch gewachsenen Konkurrenz im Klaren darüber, dass sich jüngere Kunden ein Leben ohne digitale, transparente, einfache und schnelle Abläufe nicht vorstellen können. Die Zalandos, Airbnbs und Ubers dieser Welt zeigen für Mode, Urlaub und Mobilität, was vielen Branchen droht: Ist das Grundbedürfnis der Kunden erst über eine Platt-

form erfasst, wird der Markt für alle anderen ungemütlich.

OFFEN, SCHNELL, AGIL Die deutsche Industrie schnürte deshalb schon vor einigen Jahren die Sneaker. Das Ziel: Gründergeist atmen und den Start-up-Code entschlüsseln. Was Konzerne können, kann das Handwerk auch. Start-ups zeigen, wie Unternehmen in Zeiten der Unsicherheit erfolgreich agieren. Dafür muss man weder eine Firma gründen, noch Tag für Tag Hoddie tragen. Es geht um eine offene Innovationskultur, die Neues schneller ausprobiert und ebenso schnell aus dem Scheitern lernt. Hinfallen, aufstehen, besser machen, das ist eine Devise, die Start-ups – ähnlich wie Kinder beim Laufen lernen – verfol-

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KUNDEN GEWINNEN

Foto: Meilenstein, Marcus Scheffczyk

gen, wenn es darum geht mit Unsicherheit umzugehen. Und die Unsicherheit nimmt zu. Märkte verändern sich rasant. Die Planungshorizonte werden kürzer. Umso wichtiger ist es, die eigene Vision nicht aus den Augen zu verlieren. Auch Kinder würden niemals laufen lernen, würden sie ihre Mission – den aufrechten Gang -- nach dem zehnten Stolperer bereits vergessen haben.

WARUM GIBT ES UNS ÜBERHAUPT? Start-ups haben einen großen Vorteil: Sie haben keine Historie. Damit ist nicht nur die jahrtausendealte Geschichte des Steinmetzhandwerks gemeint, sondern auch die Geschichte des eigenen Betriebs. Start-ups haben zu Beginn keine Produkte,

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keine Kunden, kein Geschäftsmodell. Nur eine Vision, die sich beweisen muss. Diese Suche nach Neuem, das Disruptive, das völlig neue Geschäftsmodelle hervorbringen kann, das können bestehende Unternehmen von Start-ups lernen.

KUNDE, KUNDE, NOCHMALS KUNDE Der Start-up-Coach und erfolgreiche Gründer Johannes Ellenberg beschreibt in seinem Buch „Der Startup Code“ (siehe Buchtipp), was Start-ups anders machen als Firmen mit existierendem Geschäftsmodell (siehe auch Interview ab Seite 52): • Start-ups denken konsequent vom Kunden aus. • Start-ups nutzen alle Möglichkeiten,

die die Digitalisierung bietet. • Start-ups wissen genau, warum sie am Markt sind. • Start-ups begrenzen sich nicht. Alles ist denkbar. • Ziel ist nicht Perfektion, sondern Schnelligkeit. Deshalb entwickeln Start-ups Produkte iterativ und gemeinsam mit Kunden. • Fehler begreifen Start-ups als Chance schnell den richtigen Weg zu finden. • Start-ups bewegen sich in Netzwerken, lernen von anderen und arbeiten mit anderen. Wenn es keine Produkte gibt, keine Ressourcen, keine Mitarbeiter, ist das Einzige, was zählt, die Schnittstelle zum Kunden. Alles andere kann gefertigt, geleast, ausgelagert, beschafft oder angestellt werden.

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