STUDI VERSUM NUMMER 43 | 2012.03
neu : studikrakel und extrem 08 | 33 Leben ohne Ende? 12 Hinter dem Blitzgewitter 30
Ewig
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EDITORIAL | INHALT
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Liebe Leserinnen und Leser,
Ewig hab ich rumstudiert, was man zu diesem Thema schreiben könnte. Ich habe versucht, mir die Ewigkeit vorzustellen – unmöglich. Woody Allen fand einst treffende Worte: «Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende.» Nicht nur Regisseure, auch andere Künstler und viele Philosophen beschäftigen sich gerne mit diesem Thema. So auch in Sydney: Jahrelang hat ein unbekannter Obdachloser und (Lebens-) Künstler den Begriff «eternity» in der Stadt verbreitet. Er hat ihn vor allem auf Gehsteige gekritzelt, damit er gut sichtbar war. Eines Abends lief ihm ein Minister über den Weg und lüftete das Geheimnis von «Mr. Eternity»: Sein bürgerlicher Name ist Arthur Malcolm Stace. Die Stadt ehrte den Künstler beim Feuerwerk zum Millennium: Sie hing «eternity» in grosser Leuchtschrift an die Sydney Harbour Bridge und machte seine Aktion damit unvergesslich. Ewiges Leben? – Stellt euch vor, wir könnten nach dem Hirntod eingefroren und wieder geweckt werden. Der Kryoniker und Molekularbiologie, Patrick Burgermeister, glaubt daran. Claudia Piwecki war neugierig. Ewige Stille – Wie langsam vergeht die Zeit, wenn man alleine ist? Eine gefühlte Ewigkeit? Melanie Keim war bei Schwester Maria Baptista, der ersten Eremitin der Einsiedelei Tschütschi im Kanton Schwyz. Ewig gezeichnet? – Muss nicht sein. Alles wird schneller vergänglich. News sind schneller veraltet, aber auch Geschmäcker. Jonas Frehner hat mit einem ehemaligen Tätowierer geredet, der weiss: Auch wenn’s unter die Haut geht – ein Tattoo ist restlos entfernbar. Ewig skandalisiert? – Bleibt das mediale Bild von Zuppiger, Hildebrand, Wulff und Co. für immer erhalten? Dominic Illi suchte das Gespräch mit Publizist Peter Studer unter anderem über Elisabeth Kopp und das Recht auf Vergessen. Gerne stellen wir euch die neue Rubrik «Extrem» vor: Ein Redaktor übt eine Tätigkeit extrem aus und führt darüber Buch. Ebenfalls neu ist der Comic zum Titelthema: «StudiKrakel» von Gregor Schenker. Wir wünschen viel Spass beim Entdecken! Diese Ausgabe sei ganz besonders allen ewigen Studierenden gewidmet. Guten Semesterstart!
Eure Raffaela Angstmann 3 STUDIVERSUM | 2012.03
04 LIEBLINGSDING Warum ich mein Prägegerät liebe 05 UMFRAGE Was tun vor dem Weltuntergang? 06 AUS DEM LEBEN Set the trend 08 DAS UNIKAT | Studikrakel Für die unendlichkeit 09 WISSENSCHAFT unbeliebtes Papier? 10 ATELIER Zwischengenutzt mit Kunst
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Warten im «Gefrierfach» 16
Doch nicht für immer? 20
Allein in der Stille 24
Schlechtere Karten für VIPs 28 UNIPOLITIK Lernen auf Distanz 30 reportage Unter Geiern 32 UNTERHALTUNG impressum, denkspiel 33 extrem touristin in der eigenen stadt 34 WIE ANNO DAZUMAL Diese Suppe ess ich
LIEBLINGSDING
Warum ich mein Prägegerät liebe
Laura Ferrara, 26 Jahre alt, studiert Grafikdesign in Leipzig «Das erste Mal verliebt habe ich mich im Büro meines Vaters, nämlich in ein Prägegerät. Es war sozusagen meine erste Schreibmaschine im Kleinformat. Dieses alte Dymo-Prägegerät ist aus dem Brocki. Leider werden die Prägebänder für dieses Gerät nicht mehr produziert. So mache ich mich manchmal auf die Suche nach alten Beständen in verstaubten Lädeli.»
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UMFRAGE
Was tun vor dem Weltuntergang? Am 21. Dezember 2012 ist es laut dem Maya-Kalender soweit: Die Welt geht unter. Vielleicht? Endlich? Wir haben bei Studierenden der Universität Luzern nachgefragt, mit welchen Reaktionen sie dieser Prophezeiung entgegentreten. r Text und Bilder Nora Lipp
Basil Allemann, Vergleichende Medienwissenschaft «Ich baue mir eine magische Höhle, setze mich rein und warte auf den Weltuntergang.» Esther Suter, Kulturwissenschaften «Warum ist diese Frage nicht im Konjunktiv gestellt? Falls es tatsächlich einen Weltuntergang geben sollte, dann gehe ich Basil in seiner Höhle besuchen.» Mohena Hungerbühler, Gesellschafts-und Kommunikationswissenschaften «Ich glaube nicht an den Weltuntergang. Aber ich glaube daran, dass ich jeden Tag bis dahin geniessen soll.» Simon Meister, Soziologie «Ich will das Welthungerproblem lösen. Das reicht vorerst, ich bin nicht so anspruchsvoll.» Marc Andereggen, Kulturwissenschaften «Ich entführe einen Bagger, fahre mit dem durch die Stadt, bis zu einer Deponie, und dort baggere ich mich ein. Das ist dann mein Schutzwall. Alle anderen Bagger sind herzlich dazu eingeladen! Wo das Ganze stattfinden soll, können wir noch diskutieren.» Martina Gassner, Gesellschafts-und Kommunikationswissenschaften «Ich kaufe mir einen Landrover und fahre damit vor dem Weltuntergang davon. Dazu packe ich in meinen Koffer: Michelle und Fabienne – für den neusten Klatsch und Tratsch.» Michelle Heinrich, Gesellschafts-und Kommunikationswissenschaften «Ich würde eine grosse Seifenblase aufblasen – damit müsste ich natürlich schon morgen anfangen – und mich, wenn sie dann gross genug ist, da reinsetzen. Wichtig dabei ist, dass sie möglichst bunt ist, damit man die Welt nicht sieht. Dann würde ich Zeus auf seiner Wolke besuchen: Ich wollte schon immer wissen, wie das Wetter gemacht wird. Wenn die Welt dann untergeht, sehe ich überall nur Farbe.» Fabienne Huber, Gesellschafts-und Kommunikationswissenschaften «Da mich Martina zwingt, muss ich im Landrover mitfahren. Dafür nehme ich ganz viel Proviant und das Spiel ‹Trivial Pursuit› mit. Aber wenn die Zeit reif ist, klettere ich zu Michelle in die Seifenblase.» Michael Meier, Rechtswissenschaft «Uff... Kein Plan – alles so weitermachen wie bisher. Vielleicht ein bisschen mehr feiern.»
5 STUDIVERSUM | 2012.03
AUS DEM LEBEN
Mitte zwanzig und in der Quarterlife Crisis Ja, den Begriff gibt’s wirklich! Das erste Mal darauf gestossen bin ich im Buch «Wachstumsschmerz» von Sarah Kuttner – ihr neuer Roman über die Schwierigkeit erwachsen zu werden. Text Claudia Piwecki
Die Ausgangslage im Buch ist in erster Linie die Liebe. Mit Anfang 30 sollte man als Paar zusammenziehen, denken sich Luise und Flo, die beiden Hauptakteure. Das ist aber erst der Anfang vom Übel. Eine durchaus realistische Situation auch für unseren Alltag. Unsere Generation ist so frei, dass wir erschlagen werden von den Möglichkeiten, die irgendwann zu viel werden und uns in die Krise stürzen. Ich habe den Begriff «Quarterlife Crisis» gegoogelt. Es gibt nicht nur Bücher dazu, sondern auch einen Eintrag auf Wikipedia. Drei Lebensbereiche sind von der besagten Krise besonders betroffen: Beruf, Beziehungen, das Selbst. Finde ich einen Job nach dem Studium? Welchen Job will ich überhaupt? Wie geht es nach dem Studium weiter? Wie viel sollte ich verdienen? XY ist zwei Jahre jünger und hat schon viel mehr erreicht! Ist der Job gut genug, sollte ich nicht mehr wollen? Ich hab doch so lange studiert. Bin ich gut genug dafür? Was erwarte ich überhaupt vom Leben? Während des Studiums war alles einfacher. Will ich mit meinem Freund Bett und Tisch und Wohnungsmiete teilen? Sollte ich schon ans Kinder-Kriegen denken oder lieber doch erst mit 44? – Uns steht alles offen! Eine Häufung dieser Symptome ergibt sich, wenn junge – speziell akademisch gebildete – Menschen mit der «realen Welt» in Kontakt kommen und sich nach ihrer Ausbildungszeit bewähren müssen, meint Wikipedia. Demnach sind wir alle Zielgruppe für diese Krise. Natürlich, wir leben in einer Zeit, in der jede Übermüdung schon als Vorstufe zum Burnout angesehen wird und jede Verstimmung schon eine Depression sein könnte. Aber ich gebe zu, identifizieren kann ich mich schon mit dem einen oder anderen Problem und finde es nicht übertrieben. Auch mit Luise aus Kuttners Roman. Vielleicht liegt das daran, dass ich bald mein Studium abschliesse und auf eigenen Beinen in der «realen Welt» stehen muss – was mich jetzt aber noch gar nicht so erschreckt. Ausser wenn ich genau drüber nachdenke… Sitze ich jetzt unter der Wo-
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che um zehn noch am Frühstückstisch, bin ich eine Studentin, die kein Geld eintreibt, weil noch Seminararbeiten geschrieben oder Vorlesungen besucht werden müssen. Mache ich das nach meinem Abschluss noch,bin ich arbeitslos! AH!
Set the Trend Hip zu bleiben kann anstrengend sein. Neue Kleidungsstile kommen und gehen im Minutentakt, daher hier ein brühfrischer Tipp aus Übersee. Text Filip Dingerkus
Falls ihr stylischen Studenten zum Semesterstart den modischen Anschluss an den neuesten New Yorker Trend nicht verpassen wollt, müsst ihr nun unbedingt aufpassen. Zeigt euren Freunden an der Uni, dass ihr kleidungsmässig noch lange nicht auf Grund gelaufen seid, sondern immer noch mit dem Kreuzfahrtschiff «Totally In» die Weltmeere überquert. Neueste Recherchen und qualitative Verfahren der teilnehmenden Beobachtung haben ergeben, dass ein beträchtlicher Teil der jungen Menschen im «Big Apple» mit einem Hut auf dem Kopf herumlaufen. Es handelt sich aber nicht um gewöhnliche Hüte oder gar «Basecaps», sondern vielmehr um eine Hommage an den kultivierten New Yorker der 30er-Jahre. Naja, Hut ist doch Hut und eigentlich total lahm, oder? Keineswegs. Obwohl im ersten Moment eine leichte Enttäuschung angesichts des unspektakulären Trends nicht ungewöhnlich ist. Immerhin wurde man die letzten Jahre mit einer Flut ganz exquisiter Modeerscheinungen, wie zum Beispiel den hochgekrempelten Hosen oder den Hornbrillen mit Null Dioptrien, durchaus verwöhnt. Aber der Hut ist ein schlichtes und doch sehr zweckmässiges Utensil, das den Vergleich mit an-
deren Objekten der individuellen Verschönerung, sei es ein iPhone, eine LongchampTasche oder gar der geschulterte Fuchs (auch der kommt wieder), nicht scheuen muss. Also fix in den Hutladen des Vertrauens, um sich noch im Sinne der Innovationsforschung zu den «Early Adopters» zählen zu können. Und in ein paar Monaten wird man sich bereits, entzückt über das nächste Accessoire, die Lippen lecken. Psst, nicht weitersagen, aber ein Informant einer Schweizer Bank in den USA hat es uns bereits verraten: Es werden bunte Spazierstöcke sein. Sie helfen nicht nur beim Laufen eine gute Figur zu machen (weibliche Anerkennung ist gewiss), sondern können den betrunkenen Studenten auf dem Nachhauseweg stützen oder als schwingendes Unterhaltungselement eingesetzt werden (ersetzt beispielsweise den völlig unzeitgemässen iPod). Selbstverständlich finden sie auch als gestikulatives Stilmittel und nicht zuletzt als Zeigestock Verwendung. Psychologen sind sich einig, dass der Spazierstock ausserdem einen enormen Schub an Selbstbewusstsein für das angekratzte Ego liefert, da es, ähnlich wie die Keule in der Steinzeit, den Mann zum «richtigen» Mann machen wird.
AUS DEM LEBEN
FORSICHT FCB Transfers im Fussballgeschäft lassen die Anhänger ihrer Clubs zu Höchstformen auflaufen. Von Fanatismus zu reden, wäre aber übertrieben. Text Ueli Güggel
Zu Beginn eine Warnung: Die kommenden Zeilen malen das Bild eines an Unzufriedenheit, Grössenwahnsinn und Realitätsverlust leidenden Autors. Daher wird gebeten, den Text mit diesem Vorwissen gnädig einzuordnen. Ich liebe den deutschen Fussball. Aber: Den FCB Deutschlands kann ich nicht ausstehen. Und deshalb ist der Match (grossartiger Helvetismus) gegen den kleinen FCB ein für mich sehr emotionaler. Ja, ich gehöre zu den Personen, die, selbst wenn sie Deutsche wären, auch in der Champions League nicht hinter den Bayern stehen wollten. Sie hätten es in den letzten Jahren fast geschafft, Sympathiepunkte von mir zu bekommen – was immer sie sich damit auch hätten kaufen können –, aber dann kam Arjen Robben. Und – nehmen wir mal an, ich wäre Schwabe – was für mich bedeutend schlimmer war: Mario Gomez verliess den VFB Stuttgart, um bei den Bayern noch erfolgreicher zu werden. Internationale Vereinsriesen wie der grosse FCB aus Spanien oder Real Madrid, aber allen voran der Traditionsklub Manchester United, hatten damals um die 30 Millionen Euro für ihn geboten. Vielleicht ahnte Mario ja, dass er mit ManU irgendwann gegen so einen Vogel und dessen Bebbi aus der Champions League geschossen würde. «Die Hoffnung stirbt zuletzt», denke ich als Bayern-Antipathisant (dieser Neologismus drängt sich hier geradezu auf) und wünsche dem übermächtigen Riesen aus der Wiesn-Stadt denselben Untergang, der den Red Devils im St. Jakobs Park den Einzug in die Europa- respektive «Verlierer-League» beschert hatte. Dass die Bayern nun auch den MuskelZwerg Xherdan Shaqiri für sich beanspruchen, führt sie in meiner Beliebtheitsskala auf eine Platzierung zwischen FC Cristiano Ronaldo und Sportfreunde Mark van Bommel. Welch Freude und Genugtuung, wenn Shaq-Attack als Dankeschön für die Ablöse die Bayern ins Tal der Tränen – nämlich das Nicht-Erreichen des Champions League-Finals im eigenen Stadion – schiessen würde und der Transfer dadurch platzen, der kleine FCB den grossen FCB aus Spanien eliminieren und dem FC Basel als erstem schweizerischen Champions LeagueSieger der Beitritt in die Bundesliga gewährt
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würde. Denn: Was Vaduz darf, muss auch Basel dürfen. Das Problem an der Sache: Die Super-League hätte keinen Vertreter mehr, welcher Berechtigung für eine Beteiligung im internationalen Fussball hätte. Ausser vielleicht Xamax.
Werbung mal besser… Ob man sie nun mag oder nicht: Werbung ist omnipräsent. Aber warum eigentlich einen Bogen um Reklame machen, wenn man sich genauso gut darüber freuen kann? Text Evelin Meierhofer
Schon als kleines Mädchen war ich absolut fasziniert von Werbung. Ich konnte mir stundenlang Werbesendungen auf Teleshop und Konsorten ansehen, ohne dass mir dabei langweilig geworden wäre. Ob Fitnessgeräte, die das Körperfett in einer Woche um die Hälfte reduzieren, Gemüseschneider und Dampfkochtöpfe, die das Zubereiten von Mahlzeiten zu einer wahren Freude für Hausfrauen und Profiköche werden lassen, oder auch Putzmittel, die Windschutzscheiben nicht nur glänzend, sondern auch resistent gegen Maschinengewehrkugeln machen sollten: Die Auswahl war und ist grenzenlos. Nun schauen sich die meisten Menschen verständlicherweise nicht gerne Dauerwerbesendungen an, schliesslich wird jeder Film mindestens dreimal für zehn Minuten unterbrochen, um uns die Vorteile der neusten Zahnpasta, Milchschnitte oder Slipeinlage (bisher warte ich noch auf eine erfolgreiche Kombination dieser beiden Produkte, die vermutlich aber auch nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen wird) näherzubringen. Der Reklame zu entfliehen, indem auf einen anderen Sender ausgewichen wird, ist meist unmöglich: Irgendwie scheinen die Werbefenster aller Programme zur selben Zeit zu laufen – man könnte beinahe ein Kartell dahinter vermuten…
Da ich keinen Fernseher mehr habe, komme ich nur noch sehr selten in den Genuss von Werbespots. Wenn mir auch sonst nicht viel fehlt: Die herrlich skurrilen Werbeblöcke auf TeleZüri vermisse ich hin und wieder schon. Weil wir aber ohnehin alle, wohin wir auch gehen und sehen, mit Reklame bombardiert werden, ist dies nicht weiter schlimm. Der täglichen Dosis ganz normalen Unsinns entkommt man nicht, ob man will oder nicht. Wer die Augen und Ohren (ich bin stolze Besitzerin einer Reihe wunderbarer Werbesongs, in denen mehr oder weniger stilvoll Lebensmitteln, Tätowierern oder Zahnärzten gehuldigt wird) offen hält, wird hin und wieder auf wahre Perlen der Werbekunst stossen. So bekam ich kürzlich unverhofft ein wahres Meisterwerk an Absurdität zu Gesicht: ein Plakat der Marke Malbuner. Darauf sind zwei Gummibärchen abgebildet, die gemeinsam einen Fleischriegel tragen. Darüber heisst es: «Powerriegel. Mal besser.» Was sich die Fachleute der Medienabteilung dabei überlegt haben, ist und bleibt für mich absolut schleierhaft. Die Verbindung von Hackfleisch und Gummibärchen ist so ungefähr die abartigste Mischung, die ich mir überhaupt vorstellen kann. Mach mal besser, Malbuner!
Das Unikat
für die Unendlichkeit Durchzwei rechnet und StudiVersum zählt nach: ein Shirt für die Ewigkeit. Hol dir das T-Shirt zum T-Thema! Es gibt viele graphische Lösungen, um die Ewigkeit aufzuzeigen. Durchzwei hat sich für die mathematische entschieden: ∞ . Das Symbol für die Unendlichkeit wurde erstmals vom englischen Mathematiker John Wallis benutzt. Angeblich hat er es von den Römern übernommen. Unendlichkeit + StudiVersum = EWIGE Freude am Durchzwei-Shirt! Was währt für dich ewig? Schreib deine Antwort an shirt@studiversum.ch und schon bald könnte das Unikat in deinem Schrank hängen. r Kreation Durchzwei, Text Raffaela Angstmann
studikrakel
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Papierrecycling eigentlich sehr einleuchtend: Die Herstellung von Recyclingpapier braucht dreimal weniger Energie und Wasser als die Herstellung von «neuem» Papier, sogenanntem Frischfaserpapier. Durch die Wiederverwendung von Altpapier werden ausserdem die Wälder geschont: Für eine Packung Frischfaserpapier werden fünf Kilogramm Holz benötigt.
WISSENSCHAFT
Wer hat Angst vor Ökopapier?
unbeliebtes Papier? In der Schweiz wird tonnenweise Altpapier gesammelt, doch nur die Hälfte davon wird wiederverwendet. Gleichzeitig halten sich Märchen über die schlechte Qualität von rezykliertem Papier hartnäckig. Eine Bestandsaufnahme. Das Handy piepst, ein SMS ist da. «Am Montag, 5. Februar ist in Ihrem PLZ-Gebiet Papiersammlung!» Ein Blick auf den Altpapierstapel verrät, dass ich mindestens die letzten zwei SMS dieser Art ignoriert habe. Da türmt sich neben Zeitungen und ungeöffneten Werbesendungen, Briefumschlägen und Seminarskripten nämlich
noch Geschenkpapier mit Weihnachtsmotiven. Ich reisse mich zusammen und verarbeite den Stapel zu fünf Bündeln, die ich vor unserer Haustüre auf das Trottoir stelle. Pro Einwohner werden in der Schweiz laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) 165 Kilogramm Altpapier gesammelt. Diese 165 Kilogramm entsprechen in etwa 85 Prozent unseres gesamten Papierverbrauchs – keine schlechte Bilanz wenn man bedenkt, dass sich beispielsweise WC-Papier gar nicht rezyklieren lässt.
Sammeln ist das eine
Wer aber glaubt, dass diese insgesamt 1'298'000 Tonnen Altpapier in rezyklierter Form zurück in die Schweizer Haushalte und Firmen fliessen, täuscht sich gewaltig. Das Bafu schätzt, dass 2010 nur etwas mehr als die Hälfte des gesammelten Papiers wieder eingesetzt werden konnte. Es wird vor allem als Zeitungspapier oder für das Herstellen von Wellpappe benutzt. Druckerpapier, Schulheftpapier und anderes grafisches Papier, das einen Anteil an rezyklierten Papierfasern enthält, ist hingegen bei der breiten Bevölkerung offenbar unbeliebt. Der Konsumanteil solchen Papiers liegt Schätzungen des Verbandes der Schweizerischen Zellstoff-, Papier- und Kartonindustrie (ZPK) zufolge bei nur etwa fünf bis sieben Prozent. Dabei sind die Vorteile von
Erreicht rezykliertes Papier aber wirklich die gleiche Qualität wie Frischfaserpapier? Der ZPK fragt die Papierkonsumenten auf seiner Homepage: «Ist es Ihnen egal, wenn dieses Papier dauernd im Kopierer stecken bleibt? Oder ist es Ihnen egal, wenn der Sechsfarbendruck auf dem sogenannten ökologischen Papier einfach nicht schön aussieht?» Barbara Würmli, Geschäftsleiterin des Fördervereins für umweltverträgliche Papiere und Büroökologie Schweiz (Fups) ist schockiert: «Es ist schade, dass solche Ammenmärchen immer noch kursieren. Recyclingpapiere müssen längst genau die gleichen DIN-Normen für technische Laufeigenschaften erfüllen wie Frischfaserpapiere und können problemlos im Drucker eingesetzt werden.» Ein Versuch des Instituts für Umweltwissenschaften der Uni Zürich bestätigt dies: Entgegen der landläufigen Meinung seien Störungen in Kopiergeräten unabhängig vom verwendeten Papier. Auch was den Farbendruck betrifft, ist die Homepage des ZPK offenbar nicht auf dem neusten Stand. Die leicht graufarbenen Recyclingpapiere stellen für die Schaffenden in der Grafikbranche zwar insofern eine Herausforderung dar, als dass Farben auf einem dunkleren Hintergrund anders wirken und die Farbgebung entsprechend angepasst werden muss. Seit Jahren gibt es aber auch eine breite Palette an hochweissen Recyclingdruckpapieren. Wieso verbreitet der ZPK also diese Fehlinformationen? Vielleicht ist die Ursache ein Interessenskonflikt: Der ZPK will Schweizer Papier verkaufen, aber in der Schweiz wird kein rezykliertes grafisches Papier hergestellt. Wer also mehr Wert auf Nachhaltigkeit als auf Nationalökonomie legt, kann getrost Recyclingpapier verwenden. r Text Marina Lienhard, Illustration Melanie Imfeld
StudiVersum goes Öko Ab dieser Ausgabe wird das StudiVersum neu auf Papier mit dem Label FSC Recycled gedruckt, das zu 100 Prozent aus Altpapierfasern besteht. Sarah Huber, Verlagsleiterin von Campus Lab meint: «Uns allen liegt die Umweltverträglichkeit am Herzen und wir hoffen, dass unsere Leser die Anpassung schätzen werden.»
9 STUDIVERSUM | 2012.03
ATELIER
Zwischengenutzt mit Kunst Projekt Schwarzwaldallee
Fünf junge Leute haben sichin Basel gruppiert, um der Kunst einen Präsentationsraum zu geben. «Schwarzwaldallee» heisst ihr noch junges Kind. Durch Zufall betritt man die zwei Räume der Schwarzwaldallee eher nicht – zumindest nicht im Winter, denn sie befinden sich in einem Fabrikgebäude auf dem nt/Areal in Basel. Der ehemalige Güterbahnhof wird seit etwas mehr als zehn Jahren durch Gastrokultur, Nachtleben, Ateliers und Büros zwischengenutzt und zieht mit Freiluftbars vor allem im Sommer viele Leute an. Bei kalten Temperaturen hält er jedoch so etwas wie Winterschlaf. Vermeintlich. Fünf verschiedenfarbige, schrägstehende Quadrate, die übereinander neben einer blauen Schiebetür angebracht sind, deuten im Fall der Schwarzwaldallee darauf hin, dass es hier auch während der kalten Jahreszeit etwas zu sehen gibt. Während der Art Basel im Juni 2011 war die Schwarzwaldallee zum ersten Mal geöffnet. Gezeigt wurde ein Wandbild, eine Installation und eine Musikperformance verschiedener Künstler, worin sich bereits das Anliegen ausdrückte, das diesem Ausstellungsraum später zugrunde liegen würde: Die Vernetzung von Ausstellung, Performance, Film, Konzert und Lesung. Drei Monate nach dieser Premiere begannen die beiden Grafiker Dominique Berrel und Karin Borer, der Künstler und Musiker Daniel Karrer und die zwei Kunstgeschichtsstudenten Sophia Megert und Lorenz Wiederkehr damit, in ihren Räumen regelmässig den verschiedenen Künsten (und Künstlern) eine Plattform zu geben. Keine grosse, aber dafür eine feine, die kreativen Charme versprüht. Und mit den wärmeren Temperaturen wird sich wohl auch vermehrt unwissende Laufkundschaft zum informierten Vernissagenpublikum gesellen und sich von dieser Kunstoase überraschen lassen.
Im März zeigt die Schwarzwaldallee Bilder des Künstlers Thomas Hauri (Vernissage am 16. März ab 19 Uhr). Surfen: www.thomashauri.ch
r Text Julia Krättli, Bild Thomas Hauri:
Ohne Titel, 2011
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Was wann sonst noch in der Schwarzwaldallee passiert und wo genau ihr sie findet: www.schwarzwaldallee.ch
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the house agency
wa n t e d
Warten im «Gefrierfach» Geburt – Leben – Tod. Einfach gesagt, sieht unser Schicksal so aus. An der Sterblichkeit führt kein Weg vorbei und die Menschheit tut ihr Bestes, mit der Angst vor dem Tod umzugehen. Was, wenn wir einfach die Pause-Taste drücken könnten? Wir frieren täglich Lebensmittel ein, um sie länger zu erhalten, wieso also nicht auch Menschen?
In den Sechzigerjahren entstand eine Idee. Krankheiten könnten dank dem wissenschaftlichen Fortschritt geheilt werden, in ferner oder naher Zukunft. Bis es so weit ist, wird der Körper konserviert und danach neu gestartet. Dieses Verfahren nennt sich Kryonik und basiert auf den Erkenntnissen des Physikers Robert Ettinger. Der 1918 geborene Amerikaner studierte Mathematik und Physik. Gestützt auf wissenschaftliche Fakten veröffentlichte er 1962 sein Buch «The Prospect of Immortality». Den ersten Menschen, den er kryokonservierte, war seine verstorbene Mutter. Sein Buch erweckte weltweites Interesse und das erste Kryonik-Institut wurde gegründet. Am 23. Juli 2011 starb Ettinger selbst und liegt nun tiefgefroren in den Hallen des Cryonics Institute Michigan neben seinen beiden ExFrauen.
Aus den USA
Das zweite Institut in den USA nennt sich Alcor und ist bereits seit über 30 Jahren im
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Einsatz. Dann gibt es noch ein drittes in Russland. Alle sind Non-Profit-Organisationen. Europa ist noch nicht so weit mit den tiefgefrorenen Friedhöfen, was aber nicht heisst, dass Kryonik ein amerikanisches Phänomen ist. Auch in Europa gibt es Kryoniker, die sich in Vereinen zusammentun und die Organisation des Transports eines toten Körpers in die USA anbieten. Die deutsche Vereinigung nennt sich Biostase und zählt etwa 40 Mitglieder. Darunter ist auch ein Schweizer, der Basler Molekularbiologe Patrick Burgermeister. Er interessiert sich vor allem aus wissenschaftlicher Perspektive für die Kryonik. Er ist sich bewusst, dass die Idee nach Science Fiction klingt, kontert aber mit einem Kryonikerwitz: «Kryonik ist das Zweitschlimmste, was uns passieren kann.» Wenn wir tot sind, spielt es keine Rolle, ob wir begraben, verbrannt oder eben eingefroren sind. Das Letztere lässt aber noch eine kleine Wahrscheinlichkeit, irgendwann weiterleben zu können.
Gefrorene Adern
Einfrieren ist aber nicht ganz richtig. Es handelt sich bei Kryonik nicht um einen grossen Kühlschrank, in den man tote Menschen steckt, so wie man ein Poulet ins Tiefkühlfach legt. Dahinter steht eine ausgearbeitete Methode, die laufend verbessert wird. Medizinisch gesehen galt bis vor etwa 60 Jahren der Herztod als das biologische Lebensende. Heute gilt der Gehirntod als medizinisches und juristisches Ende eines Menschen. Nach dem Hirntod leben die Zellen ein paar Stunden weiter, sogar Haare wachsen in dieser Zeit weiter. Das ist ein Zustand, in dem der Körper theoretisch wieder animiert werden könnte, ohne dass irreparable Schäden am System zustande gekommen wären. Wie ein Programm, das angehalten wurde. Das ist der
Im Moment sind nur 937 Menschen eingefroren.
Zeitpunkt für die Kryonisierung. Dazu ersetzt man das Blut durch eine Konservierungslösung. Robert Ettinger entwickelte in den letzten zehn Jahren eine Methode, die einen grossen Fortschritt bedeutete. Wasser hat die besondere Eigenschaft, beim Gefrieren Eiskristalle zu bilden, die das Gewebe zerstören. Im Blut ist zu viel Wasser, weshalb es durch eine Lösung ersetzt wird. Eine Art Frostschutzmittel für die Adern, wenn man so möchte. Dieses Vorgehen nennt sich «Vitrifikation». Dadurch wird der biologische Zerfall gestoppt und der Körper konserviert. Dass Kälte unseren Organismus erhält, ist nicht ganz neu. Es gibt Gletscherverunfallte, die Stunden nach ihrem Sturz in Gletscherwasser reanimiert werden konnten. Ein berühmtes Beispiel ist die Schwedin Anna Bågenholm. In den USA hat man sogar begonnen, Patienten bei Gehirnoperationen massiv herunterzukühlen, denn dadurch laufen die körperlichen Prozesse, inklusive der Zellprozesse, langsamer. Kryonik stoppt diese Prozesse ganz. Dann wird der Körper auf minus 130 Grad Celsius gekühlt, worauf im Menschen keine chemischen Reaktionen mehr stattfinden. Im Laufe der nächsten Tage wird auf minus 196 Grad Celsius gekühlt und der Körper wird in einen Tank umgelagert, der mit flüssigem Stickstoff gefüllt ist.
Teures Unterfangen
Ein Haufen Fragen kommen auf. Ethische, soziologische, politische, wirtschaftliche – alles würde sich ändern, wenn sich die Lebenserwartung der Menschen auf 1000 Jahre erhöht oder sogar unendlich wäre. Damit setzt sich die Technologiefolgenabschätzung von Biostase auseinander. Im Moment sind nur 937 Menschen eingefroren. Ein erfülltes Leben hängt auch massgeblich von dem individuellen sozialen Umfeld ab, das in 200 Jahren so nicht mehr existieren
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Als einziges Lebewesen kann der Homo sapiens seinen Tod antizipieren.
würde. Patrick Burgermeister denkt, es würde dann eine Art Resozialisierungscenter geben, wo die Menschen in die neue Zeit eingeführt würden. Sässe Newton heute wieder unter uns, müsste auch ihm jemand erst einen Computer erklären. Natürlich ist Kryonik auch nur etwas für den reicheren Westen. Für einen Europäer kämen die Kosten im Moment auf etwa 100’000 Franken, inklusive Notfallteam, das einen nach dem Tod sofort in die USA zur Kryonisierung und Lagerung fliegt. Stirbt man nicht unter medizinischer Aufsicht, dann können auch die Kryoniker nicht helfen. Wann die kryonisierten Menschen wieder aufgetaut werden, liegt in den Händen der Institute, denn noch weiss niemand,
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wann man so weit sein wird. Das Auftauen muss erst noch erforscht werden. Patrick Burgermeister hat keine Angst davor. Herausfordernd sagt er: «Was ist die Alternative?» Stimmt, sterben müssen wir, dem können wir – noch – nicht ausweichen. Wieso nicht die Möglichkeit haben, irgendwann wieder aufzuwachen?
Die «letzte Wette»
Für Patrick Burgermeister ist es das wissenschaftliche Interesse, das ihn für die Kryonik begeistert. Schon immer war er wissenschaftlich interessiert, was ihn dann auch zu seinem Biologiestudium bewegte. Das Thema Alterung fasziniert ihn, der Prozess, wie und warum der Körper langsam kaputtgeht.
Kryonik ist in seinen Augen die ultimative Reparatur-Idee: Wenn die Maschine versagt hat, was dann? Oder kann man das eventuell doch noch korrigieren? Es geht dabei weniger um das Streben nach ewigem Leben. «Ewig», das sei viel zu sehr mit Religion behaftet und für Burgermeister, wie für so viele Wissenschaftler, hängt Glaube von Daten ab. Deshalb sieht er die Kryonik auch realistisch und weiss, dass auf dem heutigen Wissensstand die Möglichkeit eines Auftauens und Weiterlebens schwindend gering sind. Dennoch sind sie «höher als Null», als wenn man einfach stirbt. Trotzdem oder gerade deshalb wäre er bereit, die «letzte Wette», wie er es nennt, mit dem Tod einzugehen. Um Mitglied in einem Kryonik-Verein zu werden, muss man einen jährlichen Beitrag bezahlen, wie in jedem anderen Verein auch. Den Vertrag für die Kryonisierung hat Patrick Burgermeister noch nicht unterschrieben. Es wäre für ihn, als ob er sein Testament schreiben würde, und dafür fühlt er sich noch zu jung. Vielleicht sei die Kryonik sein Trostpflaster, um mit dem Tod umgehen zu können, bei anderen ist es die Religion. Er hofft auch noch immer auf einen Lagerungsort in Europa, um nicht in den USA eingefroren zu werden.
Können wir dem Altern entkommen?
Vielleicht müssen wir irgendwann gar nicht mehr sterben. Patrick Burgermeister hat das Buch des kontroversen Altersforschers Dr. Aubrey de Grey übersetzt. De Greys Buch «Ending Aging» (2007) zeigt auf, welche Schäden den Körper altern und schliesslich sterben lassen und wie diese Schäden rückgängig gemacht werden könnten. Der Körper besteht aus verschiedenen Systemen, die sich immer wieder erneuern. Ausser den Neuronen im Gehirn und den Herzmuskelzellen sind alle Zellen im menschlichen Körper ersetzbar. Deshalb gibt es auch Menschen, die die billigere Variante wählen und nur ihren Kopf kryonisieren lassen. Patrick Burgermeister macht gerne folgendes Gedankenspiel: Es gibt keinen Teil unseres Körpers, der nicht ersetzbar oder reparierbar ist, zum Beispiel erneuern sich die roten Blutkörperchen alle 120 Tage. Setzt man diese sich erneuernden Systeme zusammen, entsteht ein ewig lebender Mensch. 2006 hat der japanische Wissenschaftler Yamanaka entdeckt, wie man erwachsene Zellen zurückprogrammieren kann. Damit falle auch das Problem der Abstossung von fremden Organen nach Organtransplantationen weg, wenn man körpereigene Zellen
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einfach neu programmieren könnte. Nach de Grey müsste der Mensch regelmässig in den Service wie ein Auto, um von den Abfallstoffen befreit zu werden und die Zellen neu programmieren zu lassen. Natürlich steckt diese Forschung noch in den Kinderschuhen, aber für Patrick Burgermeister ist es nur eine Frage der Zeit, bis Fortschritte gemacht werden. Unsterblichkeit fasziniert die Menschen seit Urdenken. Als einziges Lebewesen kann der Homo sapiens seinen Tod antizipieren. Die Menschheit wehrt sich gegen das Altern, gegen den Tod. Krebs, Demenz – das alles sind inakzeptable Dinge, die umgangen werden möchten. Die Kosmetik beisst sich seit Jahrzehnten die Zähne aus,
um die Ursachen des Alterns zu bekämpfen. Patrick Burgermeister verweist wieder auf Aubrey de Greys Ingenieur-Ansatz. Anstatt die Ursache zu suchen, sollten die (Folge-)Schäden behoben werden. Jeder, der gesund und fit ist, möchte nicht sterben. Die Wissenschaft ist auf dem Weg, das zu ermöglichen, aber gerade in der Biologie gehen Erkenntnisse schleppend voran. Kryonik setzt das Leben auf «Pause», in der Hoffnung irgendwann ein «Reset» zu erhalten und damit womöglich Unsterblichkeit. Die Angst vor dem Tod können auch Kryoniker nicht mindern, denn um in den Jahrhundertschlaf zu fallen, müssen auch sie juristisch gesehen erst sterben. r Text Claudia Piwecki, Bilder Daniele Kaehr, Maya Wipf
schmökern Aubrey de Grey: Niemals alt!: So lässt sich das Altern umkehren. Fortschritte der Verjüngungsforschung. SURFEN www.biostase.de www.alcor.org
Doch nicht für immer? Tätowierungen sind zu einem Lifestyle-Phänomen geworden. Individuell ist man schon lange nicht mehr mit dem Körperschmuck, der unter die Haut gestochen wird. Seit Kurzem gibt es auch Möglichkeiten, um Tattoos, die früher als «ewige Begleiter» galten, restlos zu entfernen.
Viele Gedanken hatte sich Pedro nicht gemacht, als er sich sein erstes Tattoo stechen liess. Er war jung, vielleicht ein bisschen naiv, offen für Neues und wollte seinen Körper verschönern. Ein guter Freund empfahl ihm einen Tätowierer, der ihm «einen guten Preis» mache. Für Pedro war klar, dass dieser Körperschmuck für immer bestehen bleiben würde. Das wollte er ja auch. Individualität spielte damals eine grosse Rolle für ihn, und durch den chinesischen Drachen, der von seinem Ellbogen bis zur Schulter reichen sollte, konnte er sie erreichen. Das Tattoo würde ihn von der Masse abheben. Das Geld dafür hatte er schnell beisammen. Der Tätowierer schien vertrauenswürdig und professionell. Er erklärte ihm vor dem ersten Stechen genau, was er mache, und dass er nur die besten Farben verwenden würde. Beste Farben! Heute kann Pedro sich nur an den Kopf fassen, wenn er an diese Zeit zurückdenkt. Er wurde, wie so viele andere auch, für dumm verkauft. Die «beste Farbe» stellte sich, schon kurz nachdem er sich sein Tattoo hatte stechen lassen, als schlechte, wenn nicht sogar miserable Farbe he-
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raus. Und zu sagen, der Tätowierer hätte sein Handwerk verstanden und professionell gearbeitet, war eine glatte Lüge. Schon nach kurzer Zeit wurde klar, dass der Drache schlecht gestochen war. Die Linien waren nicht schön aufeinander, die Konturen ausgefranst. Plötzlich war Pedro nicht mehr stolz auf sein Tattoo und schämte sich im Sommer, am See sein T-Shirt auszuziehen. Er wurde immer unglücklicher.
Hinters Licht geführt
Solche Geschichten, wie diese frei erfundene von Pedro, spielen sich leider immer wieder ab in der heutigen Zeit, in der Tattoos zu einem Lifestyle-Produkt geworden sind. Noch immer wird der Beruf des Tätowierers vom Staat nicht anerkannt, was zur Folge hat, dass sich jeder Tätowierer nennen darf, der sich ein Ladenlokal und die nötigen Apparaturen leisten kann. Dies öffnet den Markt für Pfuscher, die auf der Suche nach dem schnellen Geld sind. Patrick Aeberli, der früher selber zwei Tattoostudios geführt hat und heute professionell Tattoos entfernt, sagt dazu: «Wenn ein Kunde mit einem Wunsch für ein Tattoo zu uns kam und wir annehmen mussten, dass er seine Entscheidung später bereuen würde, haben wir ihm vom Stechen abgeraten. Doch beim zweiten oder dritten Tattoostudio fand sich sicher ein Tätowierer, der ihm das Tattoo dennoch gestochen hat.» Das schnelle Geld lockt. Bis sich herumgesprochen hat, dass ein Tätowierer nichts von seinem Handwerk versteht und schlecht arbeitet, dauert es eine Weile. In dieser Zeit kann der Tätowierer viel Geld scheffeln. Und wenn der Ruf wirklich geschädigt ist, schliesst man das Studio und eröffnet an einem andern Ort ein neues, einfach unter einem neuem Namen – und führt weiterhin die gutgläubigen Kunden an der Nase herum.
Die Entfernung eines Tattoos kostet ungefähr fünf Mal so viel wie das Stechen.
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Eine Geschichte erzählen
Für Patrick Aeberli ist das Tätowieren eindeutig eine Berufung und nicht einfach ein Job, um Geld zu verdienen. Unter anderem aus diesem Grund hat er das Tätowieren aufgegeben. Der 31-Jährige entspricht so gar nicht dem Klischee des bärtigen Rocker-Tätowierers. Ursprünglich hat er Wirtschaftsrecht an der Fachhochschule studiert, ist dann aber schnell zum Tätowieren gekommen. Die Eltern eines Studienkollegen besassen ein Tattoostudio in München, das er mehrmals besucht hatte. «Das Tätowieren hat mich, im Gegensatz zur Arbeit im Büro eines Rückversicherers, nicht mehr losgelassen», blickt Aeberli zurück. Begonnen hat er mit Piercen, ist dann aber zum Tätowieren übergegangen. Schon nach kurzer Zeit eröffnete er sein erstes Tattoostudio, das zweite folgte sogleich. Aktiv tätowiert habe er aber nur kurz. «Tätowierer ist man mit Leib und Seele, und diese Prise Künstler hat mir gefehlt», begründet Aeberli seinen
Entscheid, die Führung der Studios zu übernehmen und nicht mehr selbst mit der Nadel zu arbeiten. Wenn er etwas mache, dann richtig. Halbe Sachen gibt es für den jungen Mann nicht. Für ihn ist unverständlich, wie die Leute einfach ins Tattoostudio spazieren und sich «irgendwas x-Beliebiges» unter die Haut stechen lassen. «Spannend finde ich jene Tattoos, die eine Geschichte erzählen. In einer Zeit, in der Tattoos zur Modeerscheinung geworden sind, fallen eher jene auf, die sich kein Tattoo stechen lassen», so der Ex-Tätowierer. Sein erstes Tattoo, ein Tribal auf dem Unterarm, ist sein einziges Tattoo, das keine Geschichte erzählt. Bewusst hat er auch darauf verzichtet, sich die Hände und den Hals zu tätowieren. Bei der Bewerbung um bestimmte Jobs kann ein unpassendes Tattoo nämlich nach wie vor der Grund für eine Absage sein. Aeberlis rechten Arm schmückt ein Tattoo, welches ihn an die Zeit erinnert, in der er ein begeisterter Motorsportler war. Nach ei-
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nem schweren Unfall beendete er 2004 seine Karriere im Rennsport. Würfel und ein Schädel symbolisieren das Spiel mit Leben und Tod. Ein Drehzahlmesser, der die letzte Drehzahl vor dem Aufprall anzeigt, und eine Pokerkarte vervollständigen das Tattoo.
Doch nicht für die Ewigkeit
Vor einigen Jahren hat Aeberli seine Tattoostudios verkauft und in Frauenfeld im Untergeschoss von «Heinz Tattoos» das Tattooentfernungsstudio «Tattoo-Less» eröffnet. Die Technik der Tattooentfernung hat sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. «Früher wurden Tätowierungen weggeätzt, abgehobelt oder noch schlimmer», blickt Aeberli zurück. Heute ist die Lasertechnik so weit, dass Tattoos restlos entfernt werden können. Mit der gebündelten Energie einer sogenannten «Laserpistole» werden die unter der Haut eingeschlossenen Farbpigmente zerstört. Die Zellen und das umliegende Gewebe werden dabei nicht beschädigt. Tattoos halten also nicht mehr für ewig. Doch um ein Tattoo restlos zu entfernen, braucht es acht bis zwölf Lasersitzungen, und die können ganz schön teuer werden: Die Entfernung eines Tattoos kostet ungefähr fünf Mal so viel wie das Stechen. Seit Januar betreibt Patrick Aeberli gemeinsam mit Adrian Gsell, dem Gründer der Putzfrauenvermittlung «putzfrau. ch», die «Tattooenfernungs-Praxis» mit Behandlungsraum in Dietlikon. Bewusst konzentrieren sich die beiden nur auf Tattooentfernungen – und bieten keine anderen Dienstleistungen an. Aeberli begründet: «Wir wollen als Spezialisten auf diesem Gebiet optimale Ergebnisse erzielen und konzentrieren uns daher auf dieses eine Teilgebiet.» Doch, wie man vielleicht vermuten könnte, ist es nicht der Name einer vermeintlich «grossen Liebe», den sich die Mehrheit der Kundschaft entfernen lassen will. «80 Prozent aller Tattoos, die ich bisher entfernt habe, waren schlicht und einfach schlecht gestochen und unschön anzusehen. Einen Namen habe ich bisher erst einmal entfernen müssen.» Für ihn ist nur unverständlich, wie sich Leute einen ganzen Arm tätowieren lassen können, um dann am nächsten Tag bei ihm vorbeizukommen, um einen Termin für eine Tattooentfernung zu vereinbaren. In den meisten Fällen kann er aber den Leuten wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern, indem er ihr störendes Tattoo entfernt, und ihnen damit ein grosses Problem aus der Welt schafft, das sie zuvor stark beschäftigt und das ihr Leben sehr bestimmt hat. r Text Jonas Frehner, Bilder egelmair photography
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Tattooentfernung Grundsätzlich kann jedes Tattoo mit Lasergeräten restlos entfernt werden. Die Behandlungsdauer und -intensität hängt jedoch von unterschiedlichen Faktoren ab. Das Tattoo darf nicht jünger als 30 Tage sein. Je älter eine Tätowierung ist, desto tiefer befinden sich die Farbpigmente in der Haut, und somit sind mehrere Behandlungen notwendig, um diese komplett zu entfernen. Genau so verhält es sich mit sogenannten Cover-Ups (mehrfach überstochene Tattoos). Hier müssen die einzelnen Farbschichten nacheinander abgetragen werden und dies führt ebenfalls zu einem erhöhten Behandlungszeitraum. Die modernste Lasertechnologie schont das Hautbild nachhaltig und ist daher absolut risikolos. Sämtliche Farbpigmente werden dauerhaft und ohne jegliche Rückstände entfernt. Der Laser arbeitet so exakt, dass auch Teilbereiche von Tätowierungen entfernen werden können, ohne die umliegenden Stellen zu beschädigen. Darüber hinaus ist es möglich, Tattoos so aufzuhellen, dass ein neues Sujet darübergestochen werden kann. Ein genügende Aufhellung wird bereits nach drei bis vier Lasertherapien erreicht. SURFEN www.tattooentfernungs-praxis.ch
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allein in der Stille Zurückgezogen – einsam – menschenscheu – unheimlich. Wie steht es um das Klischee des Eremiten als bärtigen Mann, der einsam und fern von der Zivilisation in einer Waldhütte haust? Eine Suche nach dem heutigen «Eigenbrötler» bringt unerwartete Entdeckungen.
«Irgendwo in der Schweiz, in bergiger Gegend, findet sich, zwischen Felsen eingeklemmt und von Tannenwald umgeben, eine Einsiedelei, die so schön ist, dass man, wenn man sie erblickt, nicht an Wirklichkeit glaubt, sondern dass man sie für die zarte und träumerische Phantasie eines Dichters hält.» Die Einsiedelei, die Robert Walser vor 100 Jahren beschrieb, entspringt tatsächlich nicht alleine der Phantasie des berühmten Schweizer Dichters, sondern steht als schmuckes Häuschen am Eingang der Verenaschlucht – ein beliebtes Ausflugsziel in der Nähe von Solothurn. «Es wohnt ein Einsiedler dort. Schöner, feiner und besser kann man nicht wohnen», schreibt Walser ferner über den Bewohner seiner Entdeckung. Doch wie ist das heute, gibt es noch einen Bewohner dieser Einsiedelei – bärtig vielleicht und unfreundlich? «Ihn» gibt es nicht mehr, denn zum ersten Mal seit 1442, als in den Akten von Solothurn ein erster Eintrag zu einem Eremiten gemacht wurde, wird die Einsiedelei heute von einer Frau bewohnt, die erst noch Verena heisst, wie die Heilige, die der Schlucht ihren Namen gab.
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Beruf Einsiedler
Vor drei Jahren, als ihr Vorgänger die Einsiedelei verliess, erschien ein Inserat in der lokalen Presse: Die Bürgergemeinde Solothurn suchte einen Einsiedler oder eine Einsiedlerin, die gegen ein bescheidenes Gehalt zu der Einsiedelei und den dazugehörenden Kapellen schaut und dort wohnt – alleine natürlich. Als ich mich für eine Telefonnummer der Einsiedlerin an die Bürgergemeinde wende, erhalte ich jedoch eine negative Auskunft. Die ausgebildete Religionspädagogin, die aus den rund 20 Bewerbern ausgewählt wurde, möchte keine Interviews führen. Manchmal gleiche ihr Alltag eben fast einem Abwartsberuf, sagt man mir. Da viele Ausflügler vorbei kommen, ist ihr Einsiedlerleben nicht ganz so ruhig, wie sie sich das vorgestellt habe. Ihr Wunsch nach mehr Zurückgezogenheit ist daher verständlich und muss respektiert werden. Dass Einsiedler per Inserat gesucht werden, ist jedoch durchaus keine neue Erfindung. Schon im 18. Jahrhundert gab es in England so genannte Schmuckeremiten, die in prunkvollen Landschaftsparks hausten und sich zu bestimmten Tageszeiten zeigen mussten. Ein Englischer Grossgrundbesitzer suchte in einem Inserat etwa jemanden «der sieben Jahre lang unter der Erde zu leben bereit war, ohne je einen Menschen zu sehen und ohne sich Haar, Bart, Fingerund Fußnägel zu schneiden.» Allerdings hat auch dieses Leben im unmenschlichen Anstellungsverhältnis, das erst 1915 verboten wurde, wenig mit meiner Vorstellung eines Einsiedlerlebens gemeinsam.
Der Eremit – ein Aussteiger?
«Es gibt kaum etwas Unterschiedlicheres als zwei Eremiten», zitiert Bruder Raimund ein altes Sprichwort. Der Franziskanerbruder lebt als Einsiedler in einer Felsenklause über der Kleinstadt Saalfelden in Öster-
«Es reut mich manchmal fast um die Stille, denn durch sie berühre ich ein Stück von der Ewigkeit»
reich. Da die Einsiedelei weder Strom noch fliessendes Wasser hat, wohnt er nur im Sommerhalbjahr dort – als «Teilzeit-Eremit» sozusagen. Sein Weg zum Einsiedler war allerdings eher steinig. Bis zu seinem 53. Lebensjahr lebte er ein «normales Leben» mit Familie und versantwortungsvollem Beruf, bis verschiedene Probleme zu gross wurden und in kürzester Zeit seine ganz «normale Welt» zusammenbrach. Während einer Begehung des Jakobswegs erkannte der heutige Franziskanerbruder, dass ein radikaler Wechsel nötig war. Er habe ganz aussteigen müssen aus diesem Hamsterrad, zu welchem das Leben für ihn geworden war und ging als Vorbereitung fürs Einsiedlerleben ins Kloster. Also stimmt das Bild des Aussteigers, der das Leben in der Gesellschaft nicht geschafft hat und sich nun zurückzieht? «Der Einsiedler ist im Gegensatz zum Aussteiger immer spirituell unterwegs, egal in welcher Kultur oder Religion», widerspricht Bruder Raimund. «Mir ging es darum, diesen Gott einmal besser kennenzulernen.» Auch ist die Vorstellung des Einsiedlers als kontaktscheuem Wesen falsch, denn obwohl der Einsiedler alleine lebt, so wurde er schon immer als Berater aufgesucht. «Der Einsiedler war gewissermassen der erste Psychotherapeut», meint Bruder Raimund. Denn in der Abgeschiedenheit lerne man nicht nur Gott, sondern auch die Seele des Menschen kennen. Ganz alleine sei er sowieso nur bei Schlechtwetter, wenn keine Wanderer vorbeikommen. «Einsam fühle ich mich eigentlich fast nie», sagt Bruder Raimund, der sich früher unter den Menschen oft alleine gefühlt hatte. «Da gibt es in Zürich bestimmt mehr Einsame.»
Eremit – ein kirchlicher Stand
Im Internet findet man eher wenige Informationen über heutige Eremiten. Dennoch nimmt ihre Zahl stetig zu. Vor allem sind es immer mehr Frauen, die in der Abgeschiedenheit leben. «Bevor ich hierhin gekommen bin, meinte ich, das sei eine alte Geschichte», erzählt Schwester Maria Baptista. Vor ihrem Zuhause steht ein gelber Wegweiser, der dem Wanderer seinen Standort anzeigt: Einsiedelei Tschütschi, 702 Meter ü. M. Doch nicht nur die Einsiedelei über Rickenbach im Kanton Schwyz Zwischen der Kapelle und dem Häuschen herrscht Wintertreiben pur
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Schwester Baptista in der Kapelle – Jeden Tag um 12 Uhr wird traditionellerweise von Hand die Glocke geläutet
ist eine offizielle Sache, auch das Eremitentum gilt als rechtmässiger Stand der katholischen Kirche, was selbst Schwester Baptista nicht wusste, bevor sie ins Tschütschi kam. Auch für sie tat sich diese faszinierende Welt der Eremiten erst allmählich auf. Nach vier Jahren im Kapuzinerinnenkloster und 18 Jahren in einer daraus gewachsenen neuen Gemeinschaft habe sie sich gefühlt, wie wenn der Fluss des Lebens stockte, etwas in ihr nicht mehr weiter ginge, erzählt Schwester Baptista. Nach langem inneren Ringen hat sie schliesslich bei der Oberin des Kloster gefragt, ob sie ein Sabbatjahr machen dürfe und zog für ein Jahr ins Bündnerland. In einem Brief an ihren geistlichen Begleiter schrieb sie diesem, es komme ihr vor, als hätte sie eine Eremitage gefunden. Voller Begeisterung erfuhr sie, dass es dies tatsächlich noch gebe und so kam sie als erste Eremitin ins Tschütschi, das seit dem 13. Jahrhundert von Einsiedlern bewohnt wird. «Es ist ein grosses Privileg, an diesem Ort wohnen zu dürfen. Es kommt mir manchmal fast wie ein Traum vor»,
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schwärmt Schwester Baptista, «Am Anfang habe ich mich gefragt, ob das normal ist, dass ich es so geniessen kann in dieser Stille.» Doch es vergeht selten ein Tag, an dem Schwester Baptista mit niemandem spricht. Neben dem kleinen Häuschen steht eine Kapelle, zu der immer wieder Leute vom Dorf kommen. Um für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, gibt sie im Dorf unten Religionsunterricht und übernimmt den Sakristanendienst in Rickenbach. Morgens um sieben Uhr geht sie jeweils zur Heiligen Messe ins Nahe Klösterli. «Es war nie mein Ziel, niemanden mehr zu sehen», sagt die Schwester mit ihren wachen Augen. Schwester Baptista ist keine Egoistin, die nur ihren eigenen Frieden sucht – im Gegenteil. Das Interesse am Menschen zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Geschichte. Obwohl sie mit 22 Jahren schon sehr früh ins Kloster eingetreten ist, hat auch sie, wie Bruder Raimund, das «normale Leben» kennengelernt. Sie besuchte den Vorkurs zur Kunstgewerbeschule, zog als 17-Jährige von zuhause aus, machte ein Praktikum auf einem Bau-
ernhof, lernte Krankenschwester und war in dieser «Sturmzeit», wie sie ihre Jugend nennt, auch nicht die Heiligste. Bei Begegnungen mit Randständigen, aber auch bei so genannt Gesunden, die aus dem Krankenhaus austraten, habe sie oft in Augen geschaut, die wie ausgelöscht waren. Die Frage, was den Menschen froh macht, liess sie nicht los. Die Frage nach dem Wesentlichen, nach Gott, brachte sie schliesslich ins Kloster – und in die Einsiedelei. Ob man nicht auch mit grossen Vorurteilen zu kämpfen habe, als Spinnerin dort oben im Tschütschi gelte, will ich wissen. «Ich bin im Dorf mit viel Wohlwollen aufgenommen worden», verneint Schwester Baptista meine Frage. «Die Leute hier haben schon immer mit den Einsiedlern gelebt. Ich habe das Gefühl, dass sie stolz sind aufs Tschütschi.»
Alleine, aber nicht einsam
«Jetzt müssen wir aber wirklich die Glocken läuten. Es ist schon zwölf Uhr», unterbricht Schwester Baptista unser Gespräch und stürmt hinaus. Auch wenn sie Gebetszeiten und den sonstigen Tagesablauf bei Besuchen anpassen kann, so hält sie das Läuten am Mittag, ein alter Brauch, streng ein. Als ich endlich meine Schuhe angezogen habe, ist sie schon in der Kapelle verschwunden. Es macht Freude, der Schwester zuzusehen, wie sie kräftig an den Seilen zieht – keine Spur von religiöser Weltfremdheit. Natürlich informiere sie sich auch darüber, was in der Welt geschehe, erzählt sie mir, als wir zurück in der gemütlichen Stube sind. «Mir ist nicht einerlei, was jetzt in Ägypten passiert.» Doch ausser um die Nachrichten zu hören, wird das Radio selten benutzt. «Es reut mich manchmal fast um die Stille, denn durch sie berühre ich ein Stück von der Ewigkeit.» Schwester Baptista wählt ihre Worte sorgfältig aus, gerät manchmal ins Stocken, findet es schwer, ihre Erfahrungen, die sie gerne teilt, mit Worten zu beschreiben. «Bei ganz vielen Leuten, die herkommen, und sich in ihrem Leben alleine fühlen, macht es Klick. An meinem Leben sehen sie, dass das Alleinsein keine Last sein muss. Das ist für viele eine Erleichterung.» Einsam fühle sie sich wirklich ganz selten. Sie versuche diese Einsamkeit dann einfach hinzunehmen, lasse sie wie Wolken vorbeiziehen und warte auf die Stille, die bestimmt folge. Ich merke, dass die Zeit schnell vergangen ist und ich aufbrechen sollte, zurück nach Schwyz durch die verschneite Winterlandschaft. Wir hatten lange vom Tee aus selbst gesammelten Kräutern getrunken – schliesslich war ich ja doch bei einer Einsiedlerin zu Gast. r Text Melanie Keim, Bilder Johanna Muther
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«Da gibt es in Zürich bestimmt mehr Einsame»
WEITERLESEN Den ganzen Text «Die Einsiedelei» von Robert Walser und einen Ausflugstipp mit Geschichten rund um die Verenaschlucht, wo die Einsiedlerin Verena lebt, findest du unter www.semestra.ch/einsiedelei.
Schlechtere Karten für VIPs Wenn es um das Recht auf Vergessen und andere Persönlichkeitsrechte geht, hat der Normalbürger für einmal bessere Karten als ein Prominenter. Der muss damit leben, dass seine Taten für immer durch die Medien geistern. Und das völlig zu Recht, findet Medienexperte Peter Studer.
StudiVersum: Peter Studer, Sie bewegen sich in einem bedeutenden Business: Was einmal geschrieben wurde, ist dank Medienarchiven für immer auffindbar. Selbst was scheinbar unbemerkt passiert ist, kann plötzlich in der Zeitung landen. Bruno Zuppiger hat das am eigenen Leib erfahren: Eben noch gefeierter Bundesratskandidat, wurde er nach einem Artikel der Weltwoche der mutmasslichen Veruntreuung einer Erbschaft verdächtigt, die Jahre zurückliegt. Peter Studer: Er hat offensichtlich gemeint, mit einer Stillschweigevereinbarung der Entdeckung der mutmasslichen Veruntreuung den Riegel geschoben zu haben. Wie die Vorwürfe genau an die Medien gelangten, weiss ich nicht. Aber ich kann mir vorstellen, dass sich die NGOs, die eine Schweigevereinbarung über Zuppigers dubioses Verhalten abgeschlossen hatten, wegen der Kandidatur zum Handeln verpflichtet fühlten.
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Hat Bruno Zuppiger die Medien unterschätzt? Hier kommt die wichtige Funktion der Medien als Public Watchdog zum Vorschein. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte und später auch das Bundesgericht haben immer wieder bestätigt, dass die Medien die Wachhunde der Demokratie sein sollen. Konkret heisst das: Sie sollen Dinge herausbringen, die an die Öffentlichkeit müssen. Damit das Parlament oder die Stimmberechtigten demokratische Entscheidungen treffen können, müssen sie entsprechende Faktenkenntnis haben. Damals handelte es sich lediglich um Vorwürfe. Es sind Dokumente zitiert worden, die starke Indizien liefern. Verdachtsberichterstattung ist juristisch gesehen unter gewissen Bedingungen durchaus zulässig. Das Bundesgericht hat Regeln aufgestellt: Es muss ein wichtiges Anliegen mit starken Indizien sein, die man zu überprüfen versucht hat. Zudem muss betont werden, dass die Unschuldsvermutung gilt und es sich nicht um ein nicht hieb- und stichfestes Urteil handelt. Noch bevor es zu einem Strafverfahren kommen konnte, fiel die Bundesratskandidatur ins Wasser, dann folgte der Rücktritt als Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands. Zuppigers politische Karriere dürfte nachhaltig, wenn nicht für immer, angeschlagen sein. Sogar was er selber zugegeben hat, ist höchst dubios. Zudem müssen sich VIPs
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«Ein Lieschen Müller hat mehr Recht, sich gegen die öffentliche Darstellung zu wehren, als eine Person, die mit der Öffentlichkeit kokettiert»
aller Art der öffentlichen Diskussion stellen. Ein Lieschen Müller hat mehr Recht, sich gegen die öffentliche Darstellung zu wehren, als eine Person, die mit der Öffentlichkeit kokettiert. In der politischen Debatte müssen sich Politiker vieles gefallen lassen. Wer sich einer politischen Wahl stellt, muss hinnehmen, dass auch seine Vergangenheit durchleuchtet wird. Ein anderer Fall: Elisabeth Kopp, die erste Bundesrätin der Schweiz, ist zwei Jahre vor meiner Geburt zurückgetreten. Ich weiss kaum etwas über ihre politische Arbeit, aber sehr wohl, dass sie in einen Skandal verwickelt war, der einen ungeheuren öffentlichen Druck auf Kopp entfachte und sie schlussendlich zum Rücktritt zwang. Mit geschichtlichem Abstand muss man sagen, dass sehr hart mit ihr umgegangen wurde. Allerdings gab es einen erschwerenden Umstand: Elisabeth Kopp und ihr Ehemann haben den Vorwurf zuerst vehement abgestritten. Wenn sie von Anfang an zugegeben hätte, dass sie ihren Ehemann mit einem heiklen Telefonanruf vor Schaden bewahren wollte, wäre sie vermutlich noch lange Jahre Bundesrätin geblieben. Elisabeth Kopp war eine sehr kompetente und tüchtige Bundesrätin. Daran erinnert sich heute kaum jemand mehr, auch wenn sie schlussendlich freigesprochen wurde. Sie war zuvor auch in den Medien sehr populär und hatte sehr positive Resonanz. Die Bedingungen sehen eben sehr schlecht aus, wenn ein VIP lügt. Trotzdem ist gerade das eine beliebte Strategie. Wie sollte man stattdessen auf Anschuldigungen reagieren, um einen langfristigen Schaden zu verhindern? Man sollte schon zu Beginn möglichst klar
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sagen, was Sache ist und allenfalls mildernde Umstände geltend machen. Vor allem bei Zweifelsfällen. Wenn einer die eigene Mutter umbringt, gibt es natürlich nicht viel zu rechtfertigen. Wie kann sichergestellt werden, dass die Medien objektiv berichten und nicht ungerechtfertigt Politiker «abschiessen»? Ich halte nichts von der Forderung nach Objektivität oder Ausgewogenheit, da diese Kriterien nicht gemessen werden können. Ich verlange stattdessen Fairness und Transparenz: Der von den Vorwürfen Betroffene soll bereits für die ersten Publikation befragt werden und so mit seinen wichtigsten Argumenten zum Zug kommen. Zudem müssen die Beweise und vor allem die Indizienerhebung nachvollziehbar sein. Gibt es weitere Richtlinien für Journalisten? Von enormer Bedeutung für die Qualitätssicherung ist die «Watergate»-Regel: Jeder anonyme Vorwurf muss von mindestens zwei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt werden. Diese Regel hat der damalige Chefredaktor der Washington Post seinen Journalisten auferlegt, die über einen merkwürdigen Einbruch ins demokratische Parteihauptquartier [1972 in Washingtons Watergate-Gebäudekomplex, Anm. d. Red.] geschrieben haben. Weil die Regel eingehalten wurde, konnte der Washington Post nie ein gravierender Fehler nachgewiesen werden. Im Fall Hildebrand wurde diese Regel nicht eingehalten. Die «Weltwoche» hatte offenbar keinen direkten Kontakt mit dem Hauptzeugen. In der Tat, das ist ein Fragezeichen in der Weltwoche-Berichterstattung. Trotzdem hat sie publik gemacht, was die damalige
Bundespräsidentin im Bankrat verstecken wollte und somit den Wachhund der Demokratie gespielt – mit zum Teil schrillem Gebell. Auch hier: Philipp Hildebrand ist unter öffentlichem Druck zurückgetreten. Gefallen sich die Journalisten als vorschnelle Richter? Sie sind keine vorschnellen Richter. Hildebrand hat leider den Unterschied nicht gemacht zwischen striktem formellem Recht und Corporate Governance, die nicht zulässt, dass ein Notenbanker in unmittelbarer Umgebung von Währungsentscheiden Währungstransaktionen macht. Den Rücktritt bewirkt hat der Bankrat. Was ändert sich, wenn sich die Berichterstattung um einen Normalbürger dreht? Es gibt ein Recht auf Vergessen. 1998 hat das «Journal de Genève» in einem Artikel über den Prozess gegen ein Mitglied der sogenannten Fasel-Bande den vollen Namen eines anderen, früheren Mitglieds dieser Bande genannt. Der Mann hatte in den 70er-Jahren Raubüberfälle durchgeführt und zwölf Jahre Zuchthaus abgesessen. Danach hat er sich wieder resozialisiert und als Informatiker eine Kaderstelle in einer amerikanischen Informatik-Unternehmung erlangt. Nachdem der Fall erneut und unnötigerweise mit Namensnennung im «Journal de Genève» aufgegriffen wurde, hat ihn den Arbeitgeber mit folgenden Worten konfrontiert: «Ihre Vergangenheit hat sie eingeholt.» Der Informatiker hat einen Zusammenbruch erlitten und vor Gericht eine Schadenersatz- sowie Genugtuungszahlung erreicht. Weil er kein VIP ist, konnte er sich auf das Recht des Vergessens berufen? Genau. Wobei der Begriff natürlich nicht ganz richtig ist: Es gibt kein Recht, dass Sie
Peter Studer vor dem Hauptbahnhof Zürich und ich etwas vergessen. Aber es darf nach der langen Zeit nicht mehr ausgegraben und publiziert werden. 2010 hat ein Gericht die Schweizerische Mediendatenbank (SMD) zu einer Archivänderung gezwungen. Zur Vorgeschichte lässt sich sagen: In zahlreichen Medien wurde erwähnt, dass unter anderem gegen einen Luzerner Beamten, der zudem in den Regierungs- und Nationalrat strebte, ermittelt werde. Als die Ermittlungen gegen den Beamten eingestellt wurden, hat offenbar nur ein Medium darüber berichtet. Die betreffende Person hat gerichtlich einen Nachtrag in der SMD erwirkt. Archive sind immer auch historische Zeugnisse. Ist es nicht problematisch, wenn nachträglich Archive umgeschrieben werden? Es wurde nichts umgeschrieben oder gelöscht, sondern ergänzt. Im Medienrecht und in der Medienethik dreht sich alles um
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die Güterabwägung. Meistens sind die Fälle nicht schwarz oder weiss, sondern grau. Die Frage lautet: Ist ein Fall derart grau, dass korrigierend eingegriffen werden muss? Oder muss man es sich gefallen lassen? Derartige Eingriffe sind nur nötig, wenn die Journalisten ihren Job nicht richtig machen. Was ist die Alternative? Saubere Recherche ist sowieso erforderlich und Fehler passieren. Eine Löschung zu verlangen, geht zu weit. Die Ergänzung ist ein Mittelweg, die
elektronisch sehr leicht herzustellen ist. Es ist eine kreative Urteilsfindung. Hat sich durch die Digitalisierung die Ewigkeit der Medien gesteigert? Entsteht ein kollektives Gedächtnis? Ein kollektives Gedächtnis entsteht nicht unbedingt. Aber was einmal geschrieben wurde, bleibt potenziell auffindbar. Häufig mit einer gewissen Mühe, manchmal nicht einmal. r Text Dominic Illi, Bilder Maya Wipf
Peter Studer ist Publizist und Doktor der Rechtswissenschaften. Von 2001 bis 2007 präsidierte er den Schweizer Presserat. Zuvor war er Chefredaktor beim Tages-Anzeiger und beim Schweizer Fernsehen.
UNIPOLITIK
Lernen auf Distanz Als Student schaut man ehrfürchtig zu ihnen auf, bewundert ihr Wissen und ist manchmal überrascht, wenn man merkt: Professoren sind auch nur ganz normale Menschen. Der Weg vom ganz normalen Student zum Professor braucht Geduld, Passion, Durchhaltevermögen, aber auch eine Prise Glück. Mal die nächste Vorlesung ausfallen lassen, um mit Kommilitonen Kaffee zu trinken, in einer Uni-Stadt leben und auf WG-Partys spannende Menschen treffen, das ganze Angebot rund um die Uni geniessen: Fernstudierende verzichten auf all das. Was sind das für Leute? Es sind ehrgeizige Menschen. Spitzensportler, Managerinnen, Ingenieure, die keine Zeit haben für all das Drumherum des Studentenlebens. Auch solche, die es schon hinter sich haben und an einem anderen Punkt in ihrem Leben stehen. Diese Menschen sehen im Fernstudium keinen Verzicht auf das Studentenleben, sondern den Gewinn, eine hochwertige Ausbildung mit ihrem knappen Zeitplan koordinieren zu können. «Es geht unseren Studenten nicht um die Wahl eines Studienortes, sondern um die Frage, ob sie aus zeitlichen Gründen studieren können oder nicht. Wir sind keine Konkurrenz zu den Präsenzunis, sondern eine notwendige Ergänzung», erklärt Nathalie Hutter, Verantwortliche Kommunikation und Marketing beim Institut für Universitäre Fernstudien. Die Entscheidung fürs Fernstudium fällt in der Regel wohl bewusster als bei Studierenden, die nach der Matura ein Studium beginnen und vielleicht noch nicht so recht wissen, was sie genau wollen. In meinem Umfeld habe ich etwas zwiespältige Erfahrungen mit dem Fernstudium beobachtet: die Arbeitskollegin, die ihr Fernstudium abbricht und an die Präsenzuni wechselt, weil es ihr zu viel war, neben der Arbeitsstelle
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grosse Mengen an Lernstoff selbstständig zu verinnerlichen, genauso wie die Bekannte, die sich beklagt, dass sie in einer Woche 500 französische Vokabeln büffeln müsse und sich Sorgen macht, ob sie die nächste Runde schafft. Ist das Fernstudium wirklich so dramatisch?
Selbstdisziplin ist wichtig
«Der Sport allein reicht mir nicht», erklärt die Profi-Snowboarderin Patrizia Kummer. Die 24-jährige Walliserin studiert Psychologie am Institut für Universitäre Fernstudien (kurz: Fernuni). Einen normalen Alltag kennt sie nicht. Ihr Leben organisiert sie um den Sport herum. Das Fernstudium ist für sie die einzige Möglichkeit, ihre Karriere im Spitzensport voranzutreiben und gleichzeitig auf einen akademischen Abschluss hinzuarbeiten. Sie studiert im sechsten Semester Psychologie – sie ist damit bloss noch zwei Semester von ihrem Bachelor entfernt. Sie hat es weit gebracht – weiter als viele, die ein Fernstudium beginnen. Die Beispiele aus meinem Bekanntenkreis sind keine Ausnahmen. Im ersten Semester liegt die Drop-out-Quote bei zirka 30 Prozent. Die Studienabbrecher- und Durchfallquoten sind jedoch vergleichbar mit jenen der Schweizer Präsenzuniversitäten. Jeder zweite Student schliesst sein Studium jedoch erfolgreich ab. «Wer ein Fernstudium absolviert, braucht Organisationstalent und Selbstdisziplin», sagt Nathalie Hutter. Der Altersdurchschnitt der Studenten an der Fernuni liegt bei 37 Jahren. Das hat seinen Grund. «Gerade für junge Leute kann der Beginn eines Fernstudiengangs eine grosse Veränderung, etwa im Vergleich zum Gymnasium, bedeuten», weiss Nathalie Hutter. Weiter erklärt sie: «Die meisten Studierenden brauchen ein Semester, um sich einzuleben, und wenn es dann klappt, sind sie vom Studium begeistert und wollen es nicht mehr missen.»
Die Uni auf dem iPad
Im Jahr 2010 waren 2‘062 Personen für ein Fernstudium an der Fernuni immatrikuliert. Davon waren 444 französischsprachig und 1618 deutschsprachig. Die Fernuni bietet universitäre Studiengänge an, die gleichwertig sind wie jene an den Präsenzunis. Auch fachspezifische Weiterbildungskurse können belegt werden. Die allermeisten Studierenden belegen ein Studienfach, das zu einem universitären Abschluss führt; 207 haben sich im Jahr 2010 für eine Weiterbildung entschieden. Die Studierenden sind nicht ganz auf sich alleine gestellt. Im Rahmen der gewählten Module besuchen sie mehrere Male pro Semester Präsenzveranstaltungen. Patrizia Kummer fährt fünf Mal im Semester nach
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Bern, um Veranstaltungen zu besuchen. Dabei lernt sie natürlich auch ihre Kommilitonen kennen. Dass Fernstudierende nur für sich alleine lernen und gar nichts vom Studentenleben mitbekommen, ist also ein überspitztes Klischee. Ein reger Austausch herrscht auch über das Forum der OnlineLernplattform «Moodle». Auf Moodle finden sich zudem viele Unterlagen. Auf ihrem iPad hat Kummer die Uni so immer dabei. Die Professorinnen und Professoren, die Kummer bei ihrem Studium begleiten, sind alle gleichzeitig auch ordentlich bei den Präsenzunis Bern, Neuenburg, Zürich, Basel und Fribourg angestellt. Der Lehrkörper für den Jus-Bachelor kommt fast ausschliesslich von der Uni Fribourg, genauso wie der Rektor der Fernuni, Professor Marc Bors. «Wir streben eine Zusammenarbeit mit den Schweizer Präsenzuniversitäten an. Alle unsere Professoren sind bei uns im Rahmen eines Lehrauftragsverhältnisses angestellt», erklärt Hutter. Insgesamt beschäftigt die Fernuni 50 Professoren. Die Finanzierung der Bildungsinstitution erfolgt zu 40 Prozent durch öffentliche Beiträge gemäss dem Hochschulgesetz. Ein grosser Teil des Mittelbedarfs wird durch die Studiengebühren abgedeckt. Für die zwei Module, die Kummer pro Semester absolviert, bezahlt sie je 650 Franken, also eine Semestergebühr von 1300 Franken. Das ist im Vergleich zu vielen anderen Unis eher hoch, entspricht aber in etwa den Beiträgen, die Studierende an einzelnen Präsenzunis auch zahlen. Anders als bei Studierenden im Präsenzstudium dürfte der finanzielle Aspekt bei den Fernstudierenden eher kein Problem sein. Viele haben bereits eine Festanstellung und sind finanziell abgesichert.
Wurzeln des Fernstudiums
Die Entstehung des Fernstudiums ist im Zusammenhang mit den Entwicklungen im 19. Jahrhundert zu sehen. Die Industrialisierung stellte höhere Anforderungen an die technische und wirtschaftliche Bildung der Arbeitskräfte. Vor diesem Hintergrund kam
Ende des 19. Jahrhunderts in den USA das Prinzip der «Home Studies» auf. Im deutschsprachigen Raum bot der 1894 gegründete Potsdamer Verlag Bonness&Hachfeld als erster systematisch Material fürs Selbststudium an. Er gab Lehrbriefe nach der Methode Rustin zu geistes- und naturwissenschaftlichen Themen heraus. Die Verleger wählten den Phantasienamen Rustin, weil er in vielen Sprachen leicht auszusprechen ist. Für technische Inhalte entwickelte der Verlag das System Karnack-Hachfeld. Die Methode Rustin umfasste Lehrbriefe, Lehrgespräche sowie Wiederholungsfragen. Das System Karnack-Hachfeld setzte auf bildliche Darstellung und praktisches Denken. Der Verlag prägte damals das Potsdamer Kulturleben und erlangte politische Brisanz. August Bonnes, der Sohn des Verlagsgründers, weigerte sich, faschistische Propaganda zu veröffentlichen. Diese Einstellung wurde ihm zum Verhängnis – er wurde 1944 hingerichtet.
Bildung für alle
Korrespondenzkurs nannte sich das Fernstudium damals. Die Studierenden tauschten sich per Post mit der Lehreinrichtung aus. Heute geht das schneller und unkomplizierter per Internet. Eine besonders internetlastige Form des Fernstudiums ist das Online-Studium. Der Stoff wird dabei per Video, Chat, E-Mails und Lernplattformen in erster Linie per Internet ausgetauscht. Auf dem Online-Studium baut Educatis auf. Educatis bietet Wirtschaftsund Rechtsstudien an. Der aus der Schweiz stammende Wirtschaftswissenschaftler Konstantin Theile hat Educatis mit der Vision einer globalen Universität vor Augen gegründet. Er will jedem Menschen auf der Welt Zugang zu Bildung ermöglichen. Er scheint auf gutem Weg zu sein: Die Studiengänge von Educatis können bereits in Deutsch, Französisch, Englisch oder Spanisch absolviert werden. r Text Myriam Schuler, Illustration Melanie Imfeld
Das Angebot an Fernstudiengängen in der Schweiz ist vielseitig. Das Portal www.bildung.ch gibt eine Übersicht über das Angebot der Fernuni, der Fernfachhochschule und der Klett Akademie. An Fernuni und -fachhochschule können staatlich anerkannte Abschlüsse erlangt werden. Die Klett Akademie bietet Kurse zur privaten und beruflichen Bildung für Erwachsene. Renommierte Anbieter von Fernausbildungsgängen sind auch die AKAD Privatschulen. SURFEN www.fernuni.ch
REPORTAGE
Unter Geiern Promi-Fotografen werden oft als fiese Paparazzi verschrien und haben es nicht immer leicht. Auf der Suche nach dem perfekten Bild ihres anvisierten Fotomodells ziehen sie jedoch alle Register und machen diesem Ruf alle Ehre.
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Im Volksmund ist der Begriff «Geier» durchaus gebräuchlich. Biologisch ist diese Bezeichnung jedoch nicht präzise. Eigentlich stellt sie lediglich einen Sammelbegriff für verschiedene geierartige Greifvogelarten dar, zu denen der in Europa bekannte Altweltgeier zählt. Er ist dabei der am häufigsten mit dem klassischen Geier assoziierte Vogel, welcher in schwindelerregenden Höhen Ausschau nach Kadavern hält. Überwiegend als Aasfresser bekannt und nicht gerade beliebt ist er aber für das Ökosystem von grosser Bedeutung. Sie kreisen bereits Stunden vor dem eigentlichen Ereignis weit über dem ausgespähten Opfer. Langsam ziehen sie ihre Bahnen enger und warten auf einen Moment der Schwäche ihrer Beute – den richtigen Augenblick, in dem sie herabstossen. Ein Entrinnen ist zu diesem Zeitpunkt
nicht mehr möglich. Auch wenn sie oft in Gruppen auftreten, sind Geier doch eher Einzelgänger. Es interessiert sie bloss das eigene Überleben. Meist mit mehr als nur einer Kamera bestückt, gehen sie nicht gerade zimperlich mit ihrem Zielobjekt um. Zudem kommen sich die Kollegen gegenseitig in die Quere und, getrieben von ihrem Drang nach dem besten Foto, werden die Ellenbogen ausgefahren.
Der Paparazzo
Für den Beruf ist ein spezieller Typ gefragt. Durchsetzungsfähig, dreist, aber auch technisch versiert, kreativ und geduldig. Nicht jeder Fotograf hat das gleich ausgeprägte Geltungsbedürfnis, aber die Personen in der ersten Reihe sind nicht überraschend die Lautesten und Mächtigsten. Oft hat man das Gefühl, dass den Paparazzi Unrecht ge-
tan wird und dass gerade Zwischenfälle wie bei dem Tod von Lady Di ein sehr fahles Licht auf die Profession werfen. Ganz unschuldig sind die Sensationsreporter an ihrem Image hingegen nicht. Und wer bereits einmal bei einem Fotoevent mitten unter den «nach-dem-Schnappschuss-ihres-Lebens» lechzenden Jägern stand, der weiss: Hier enden Spass und Kameradschaft. Jeder ist sich selbst der Nächste. Konkurrenzkampf und Selbsterhaltungstrieb lösen aggressive Reaktionen aus. Der Urtrieb wird geweckt und lediglich die zivilisierte Kleidung und der durch die Kamera ersetzte Speer lassen vermuten, dass man sich nicht einige Tausend Jahre zurückversetzt auf der Jagd nach dem Mammut befindet, sondern dem modernen Phänomen des Promis hinterherrennt.
Funkeln in den Augen
«Aus dem Weg, Kleiner!» schallt es hinter mir. Als ich mich umdrehe, stelle ich zu meinem Erstaunen fest, dass ich meinen Blick nach unten schweifen lassen muss, um dem blonden Mittvierziger in die Augen zu blicken. Mit seinen drei umgehängten Nikon-Kameras – jede mit einem anderen Objektiv bestückt, um nicht mühsam wechseln zu müssen, während die Superstars durch das Bild huschen – ist er der vermeintliche König des Dschungels. Ein herausforderndes Funkeln blitzt in seinem Blick auf. «Für welches Medium fotografierst du? Hab dich hier noch nie gesehen.» Selbstverständlich nicht. Sie kennen sich alle. Schliesslich hetzten sie gemeinsam von einer Galaveranstaltung zur nächsten. Bevor ich ihm eine Antwort geben kann, drückt er mich bereits zur Seite und zischt mir lediglich auf Englisch die Buchstaben «AP» entgegen. Klar, Associated Press. Die sind natürlich schon wichtig. Im nächsten Augenblick brüllt er seinem Kollegen schon zu: «Dass ihr kleinen Scheisser von namenlosen Blättern euch auch immer vordrängeln müsst. Hallo? Associated Press! Am Ende sind überall sowieso nur unsere Bilder. Ich wette, eure Fotos erscheinen nicht einmal im Internet.» Er hat es geschafft. Mit einem verächtlichen Lachen schiebt er sich in die erste Reihe. Das Alphamännchen hat seine Stellung erfolgreich verteidigt.
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Sympathiebekundungen
Nachdem sich der Löwe und seine Mitstreiter noch ein paar Nettigkeiten an den Kopf geworfen haben, beginnt das Stolzieren der «Paradiesvögel» auf dem «roten» Teppich – am Zurich Film Festival handelt es sich, ganz individuell, um einen grünen Filzbelag. Alle müssen ihr gefiedertes Kleid präsentieren: e unbekannter die Person umso stärker ihr Bedürfnis, sich in Szene zu setzen. Die Kleider sind zu Beginn am auffälligsten. Dass es sich bei den Persönlichkeiten am Anfang um lokale und nationale Jetsetprominenz handelt, ist vielleicht bloss Zufall. Die Profis an ihren Apparaten sind trotzdem jederzeit zur Stelle, denn auch die «Schweizer Illustrierte» muss mit Bildern versorgt werden. Das Gedränge unter den Zaungästen ist dementsprechend gross. Von überallher wird gerufen. Schubsen von den Seiten und von hinten. Fotografieren ist bei diesem Mehrfrontenkrieg fast unmöglich. Die nötige Konzentration zu erlangen auch. Doch die eingefleischten Knipser sind sich diese Umstände gewohnt und haben sogar noch ein paar Tricks auf Lager, um die gewünschte Fotografie zu erhalten. «Show me your pussy!» Ist dieser Spruch gerade wirklich gefallen? Ohne Zweifel, das hat er gesagt. Doch sie lässt sich nicht beirren. Ob sie sich Derartiges gewohnt ist und es professionell überspielt oder einfach akustisch nicht gehört hat, ist nicht abschliessend zu klären. Auf jeden Fall posiert sie eifrig vor den Linsen der Fotografenmeute. Ein verschmitztes Grinsen des blonden Chefs. Wieder ein Bild im Kasten.
Blinder Herdentrieb
Dann kommt er, der grosse kleine Mann. Starregisseur Roman Polanski betritt den grünen Teppich. Das Gedränge geht nun erst richtig los. Wie bei einem Punkkonzert
muss man versuchen, sich mit aller Mühe auf den Beinen zu halten. Bloss nicht hinfallen. Weniger die Angst um sich selbst, als vielmehr die Angst um die eigene Fotoausrüstung bricht aus. Schützend klammert man sich an seine Kamera und soll gleichzeitig vorzeigbare Fotos machen. Eine Mammutaufgabe – wieder die Analogie zu den Zeiten der Jäger und Sammler. Es geht alles sehr schnell und plötzlich ist Polanski verschwunden. Die aufgescheuchte Fotografengruppe gerät in Panik. Schnell! Man muss sofort ins Innere des Kinos gelangen, um dort weiter zu fotografieren. Und so stürmen alle hinter dem Regisseur her. Der Eingangsbereich quillt prompt über vor Menschen und durch das Nadelöhr kann sich kein Paparazzo mehr hineinquetschen. In dem Moment erkenne ich, dass mit Laurence Fishbourne der Kopf der Jury auf dem Teppich angekommen ist. Lächelnd blicke ich zum Chaos am Eingang und bringe mich ungehindert in der ersten Reihe in Position. Als Fishbournes Auftauchen zu den kopflosen Reitern von Associated Press, Reuters und Co. vorgedrungen ist, ist es bereits zu spät, denn in dem Pulk geht es weder vorwärts noch rückwärts. Nur eine Handvoll Fotografen macht Bilder von Fishbourne und folgt gemächlich der aufgebrachten Masse in den Kinosaal. Die wenigsten Personen mögen die Promijäger. Peinliche Bilder von Stars und Sternchen wollen viele dann trotzdem sehen. Auf jeden Fall war der Besuch des Zurich Film Festivals 2011 ein lehrreicher Abend. Fast wie ein einstündiger Dokumentarfilm auf dem National Geographic Kanal. Jagdinstinkt, Selbsterhalt, Überlebensdrang und blinder Herdentrieb. Sind wir als intelligente Spezies wirklich den anderen Tieren überlegen? Die Hauptsache ist doch, dass wir davon überzeugt sind, dass dem so ist. r Text und Bild Filip Dingerkus
1914 wurden zwei von Karl Mays Erzählungen «Der Sohn des Bärenjägers» und «Der Geist des Llano Estacado» unter dem Obertitel «Unter Geiern» im Band 35 der Gesammelten Werke herausgegeben. In diesem Buch haben, die später durch diverse Filme bekannt gewordenen Figuren, Winnetou und Old Shatterhand wieder einige spannende Abenteuer zu bestehen. Der Band «Unter Geiern» erzählt in der zweiten Geschichte von der Llano-Gang, «Geier» genannt, welche Reisende gezielt auf einer Route durch die Wüste überfallen und ausrauben. Selbsterklärend, dass die beiden Heldenfiguren das nicht auf sich sitzen lassen können und der Ungerechtigkeit Einhalt gebieten wollen.
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DENKSPIEL | Sieben
HERAUSGEBERIN:
Können wir mit der Zahl 5'929 etwas anfangen? Wohl kaum! Nun, es ist die Quadratzahl von 77. Gewiss fällt es uns leichter, die Zahl 9.647‘347‘6 einzuordnen. Es ist die siebente Wurzel aus 7'777'777.
Campus Lab AG Eschenring 2 6300 Zug CHEFREDAKTORIN:
Raffaela Angstmann REDAKTOREN DIESER AUSGABE:
Raffaela Angstmann, Filip Dingerkus Jonas Frehner, Mario Fuchs Ueli Güggel, Peter Hammer Dominic Illi, Melanie Keim Julia Krättli, Marina Lienhard Evelin Meierhofer, Claudia Piwecki Myriam Schuler LAYOUT:
Aline Dallo BILDREDAKTION:
Patrick Cipriani, egelmair photography Filip Dingerkurs, Laura Ferrara Thomas Hauri, Daniele Kaehr Evelin Meierhofer, Johanna Muther Anika Rosen, Maya Wipf ILLUSTRATION:
Melanie Imfeld, Gregor Schenker FOTOGRAFIE:
Johanna Muther, Maya Wipf LEKTORAT:
Katrin Rychener DRUCK:
Vogt-Schild Druck AG KONTAKT:
Campus Lab AG Lavaterstrasse 71 8002 Zürich Tel: +41 44 201 16 57 Fax: +41 44 201 16 50 www.campuslab.ch info@campuslab.ch
als Querschläger
1 = 1
4 = 4
8 = 4+4
2 = 1+1
5 = 4+1
9 = 9
3 = 1+1+1
6 = 4+1+1
10 = 9 + 1
Liegt die Sieben in unserem Dezimalsystem wirklich so quer in der Gegend, wie Zahlentheoretiker stets behaupten? Eine unübersehbare Tatsache ist, dass von der Sieben öfters sehr eigenwillige Impulse ausgehen. Zum Beispiel ist bereits im 18. Jahrhundert durch Joseph Louis Lagrange (1736 – 1813) bewiesen worden, dass sich jede natürliche Zahl als Summe von höchstens vier Quadratzahlen darstellen lässt. Beanspruchen die Zahlen von eins bis zehn sogar nur höchstens drei Quadratzahl (Tabelle), so ist es die Sieben (7 = 4 + 1 + 1 + 1), die als erster Querschläger die Kapazität von vier Quadratzahlen ausschöpft!
1 = 1
64 = 64
8 = 4+4
125 = 100 + 25
27 = 9 + 9 + 9
216 = ?
512 = ? 729 = ? 1000 = ?
Gibt es eine überraschende, geheimnisvolle Querverbindung zwischen Kubikzahlen (a . a . a) und Quadratzahlen (a . a)? Überprüfen wir dies an den ersten zehn Kubikzahlen (1, 8, 27, …, 1'000), so flackert der verwegene Gedanke auf, dass sich sämtliche Kubikzahlen als Summe von nur drei Quadratzahlen darstellen lassen. Es sei denn, die Sieben (343 = 7 . 7 . 7) schlüpft erneut in die Rolle des Querschlägers. Lösung der letzten Ausgabe (Darts–Lohntüte): «Schlüssel-Linien» sind die Reihen mit den Zweier-Potenzen, also die Reihen mit 8, 16 und 32 Spielern. Die Zwischenwerte werden linear ermittelt und auf ganze Stellen gerundet. Beispielsweise von 240 – 380 (Differenz 140) beträgt der Zuwachs 17.5, gerundet 18. So entsteht die Kolonne 240, 258, 275 (2 . 17.5 = 35), 293 usw. r Kreation Peter Hammer
LESERBRIEFE:
leserbriefe@studiversum.ch StudiVersum erscheint sechs Mal jährlich in einer Auflage von 25 000 Exemplaren an allen Universitäten und Fachhochschulen der Deutschschweiz. Alle Rechte vorbehalten; Nachdruck, Aufnahme in OnlineDienste und Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-Roms etc. nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Herausgeberin.
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T
G
S
B
4
5/6 7/8 9.. 13.. 17.. 25..
8
240 190 150 120 110 100
9 10
258 204 161 129 115 103 100 275 218 173 138 120 105 100
11 12 13
293 231 184 146 125 108 100 310 245 195 155 130 110 100 100 328 259 206 164 135 113 103 100
14
345 273 218 173 140 115 105 100
15
363 286 229 181 145 118 108 100
16
380 300 240 190 150 120 110 100
32
610 480 380 300 240 190 150 120 110 100
EXTREM
Mit Schirm, Charme und Toblerone Da das Auge für das Besondere in der täglichen Umgebung häufig verloren geht, habe ich mir in der ersten Folge von Extrem selbst den Fotoapparat umgehängt und Genf neu entdeckt – einmal Touristin in meiner eigenen Stadt. Es ist nur eine kleine Gruppe, die sich vor dem Office de Tourisme in Genf einfindet, um sich um den Reiseführer zu scharen. Da es bitterkalt ist und auch immer wieder regnet, sind wir alle mit einem Schirm bewaffnet, während wir durch zahlreiche Gässchen gehen und imposante Kirchen bestaunen. Es gibt viel Wissenswertes zu entdecken in der Stadt von Calvin, Rousseau und Dunant. Leider kann ich mich nach dem zweistündigen Rundgang an nichts davon erinnern, ausser dass Genf die weltweit längste Holzbank der Welt beherbergt. Danach treffe ich Mariam, die ihre Freunde und Verwandten in den USA mit Souvenirs überraschen will. Da ihr Budget limitiert ist, endet der Einkauf mit zwei 10erPackungen M-Classic Schokolade, drei Taschenmessern mit eingraviertem Schriftzug und jeder Menge Krimskrams, wie Shotgläsern und Kühlschrankmagneten. Bei meinem anschliessenden Besuch im Musée d’Art et d’Histoire fällt mir eine marmorne Statue von Amor und Psyche auf. Ich trete so nahe an das in Stein gehauene Liebespaar heran, bis meine Nase beinahe die gemeisselten Füsse berührt. Fasziniert davon, dass sich jemand die Zeit und Mühe gemacht hat, jeden einzelnen Zehennagel herauszuarbeiten, bleibe ich solange davor stehen, bis ich per Lautsprecher aufgefordert werde, das Museum zu verlassen. Zuletzt steht das Stück «L’amour de Phèdre» im Theater Grü an, dessen Sinn und Zweck mir jedoch völlig entgeht. Möglicherweise hätte ich das Programm genauer studieren sollen oder meine Konzentrationsfähigkeit ging bei dem ganzen Informationsüberschuss verloren. Alles, was ich schlussendlich noch mitbekomme, ist, wie ein in roter Grütze gewälzter, nackter Mann von einem siebenjährigen Mädchen mit Konfetti beworfen wird. Sowohl verstört als auch erschöpft falle ich ins Bett. Bevor ich einschlafe, wird mir klar: Bei dem, was die Touristen alles durchmachen müssen, bin ich glatt froh, dass ich am Montag wieder an die Uni muss! r Text und
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Bilder Evelin Meierhofer
WIE ANNO DAZUMAL
Kochtipp Diese Suppe ess ich Wilhelm Busch war nicht nur das Thema der Abschiedsvorlesung unseres emeritierten Literaturprofessors Siegrist, nein, als ich beim Apéro neben einigen Erstsemestern stand, war Wilhelm Busch auch hier das Thema, genauer: Wilhelm Buschs Suppenkaspar. Professor Siegrist hatte lebhaft daraus zitiert und nun drehte sich das Gespräch unter den Jungspunden um die Frage, ob einer tatsächlich verhungere, wenn er auf Suppe verzichte. Nach einigem Hin und Her stellte eine junge Frau die These auf: «Der Kaspar ist verhungert, weil er immer nur Suppe gegessen hat. Das viele Suppenessen hat ihn geschwächt.» Alle stimmten zu. Ein allgemeines Suppenmiesmachen begann. Ich schritt ein: «Aber Herrschaften, gegen eine herzhafte Suppe ist doch nichts einzuwenden.» Die Gruppe sah mich ratlos an. «Jetzt, im Winter, ist eine gute Suppe nicht nur gesund, nein, sie ist, auch wenn ihr das nicht glauben wollt, äusserst nahrhaft.» Und dann holte ich aus und begann zu erzählen, von allen Anstrengungen meiner Jugendzeit. «Und immer gab es abends Suppe» schloss ich, «selbstgemachte, versteht sich. Darauf hatte ich mich tagsüber ständig gefreut.» Die jungen Menschen wurden aufmerksamer. Da schlug ich vor, folgendes Rezept (mein Lieblingsrezept) zu notieren und das Suppenmachen selbst auszuprobieren: «Man nehme: eine bis drei Karotten, vier bis sechs Kartoffeln, einen Knollensellerie, ein bis zwei Stangen Lauch, eine Zwiebel, Salz, Pfeffer und Kräuter. Das Gemüse waschen, schälen und in Stücke schneiden. Dann in einer Pfanne mit etwas Wasser kochen. Sobald das Gemüse weich gekocht ist, lässt es sich mit einem Pürierstab zerquetschen. Dann nur noch Wasser und Gewürze beigeben, bis die Suppe die gewünschte Dicke und ein herzhaftes Aroma hat.» Die Studiosi hatten eifrig mitgeschrieben. Sie bedankten sich herzlich und machten sich gleich auf, nach Hause, um Suppe zu kochen. Ich seufzte erleichtert und genehmigte mir zur Feier der gelungenen Bekehrung zwei Gläser Weisswein.
Horst
Horst, 75, ist allzeit bereit: Ob im Haushalt oder in der Garage, beim Einkaufen oder an der Uni, Horst hilft! Als Hörer besucht er regelmässig Vorlesungen und weiss daher bestens Bescheid, was den Jungen von heute unter den Nägeln brennt. Seine Tipps sind längst schon keine Geheimtipps mehr. Deshalb: Horst ausschneiden, an den Kühlschrank oder die Pinnwand heften, dann kann nichts mehr schiefgehen!
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