StudiVersum 41

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STUDI VERSUM NUMMER 41 | 2011.11

Die Kunst der guten Rede 09 Der Weg zum Prof 28 semestra.ch feiert jubiläum! 30

International


Mehr Menschlichkeit f端r Tiere

W端rden Sie Ihren besten Freund kastrieren? Wir schon. Streunerhunde brauchen Hilfe. Bitte unterst端tzen Sie uns: www.facebook.com/4PFOTEN


EDITORIAL | INHALT

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Moin moin, liebe Leserinnen und Leser,

so grüssen übrigens die Hamburger. Aber wirklich viel «Hamburgisch» hab ich in meinem Erasmussemester eigentlich nicht gelernt. «Geschnackt» (geschwatzt) haben wir vor allem auf Englisch, obwohl viele durchaus gut Hochdeutsch sprachen. «Hamburgisch» ist übrigens auch das Titelbild dieser Ausgabe. Heitere kulturelle und sprachliche Missverständnisse gab es im Erasmussemester zuhauf. Eines Abends in unserem Irish Pub erlaubt sich Mike (aus Australien) einen kleinen Scherz mit mir: «Weisst du, in Australien sagen wir beim Anstossen ‹Up yours!›.» Hier soll angefügt werden, dass ich sehr müde war und nicht wirklich nachdachte. In voller Überzeugung jetzt also «Prost!» zu sagen, dreh ich mich zu Olly (aus England), heb mein Bier und sag: «Up yours!»… Bis zum Ende des Semesters war das der Trinkspruch unserer fast zehnköpfigen Clique. Auch Martina Zimmermann und Julia Krättli haben sich mit Erasmus – dem Humanisten und dem Austauschprogramm – auseinandergesetzt. Vier Studierende erzählten ihnen von ihren Erfahrungen im Ausland. Einige Missverständnisse erlebte auch einer unserer Redaktoren auf seiner Reise: Filip Dingerkus erzählt von seinem Solotrip durch China. Hundefleisch schmeckt dem Gourmand übrigens gar nicht! Das andere Englisch? Im Trend sind neben Englisch auch Sprachen wie Russisch und Chinesisch. Gibt es heute tatsächlich mehr Studierende, die diese Sprachen lernen wollen? Uli Hahn hat mit den Dozenten gesprochen. Inter-Nationen – wer schmuggelt was? Melanie Keim führt mit einem Zollbeamten eine kleine Stichprobe am Flughafen Kloten durch und macht dabei eine spannende und zugleich erschreckende Entdeckung auf ihrer Banknote. Und dann noch etwas in eigener Sache: Diesen November feiert semestra.ch (ehemals StudiSurf.ch) sein 10-jähriges Bestehen! In der Reportage gibt Nora Lipp einen spannenden Einblick in die Gründerjahre. Dämfall wünschi oi vil Spass bim Läse und Entdeckä vo dä Sprache i däm Heft! Buon divertimento!

La vostra, Raffaela Angstmann (Zürcherin und Süditalienerin) 3  STUDIVERSUM | 2011.11

04 LIEBLINGSDING Warum ich meine Gitarre liebe 05 UMFRAGE Was willst du noch lernen? 06 AUS DEM LEBEN We no speak Economicano 08 ATELIER Manufaktur – mon amour 09 WISSENSCHAFT Reden ist Gold? 10 DAS UNIKAT Go for the theme! 11

Erasmus’ Nachkommen 14

Zoll – Douane – Dogana 20

Sprachen in Mode 24

Reisefieber grassiert 28 UNIPOLITIK Für immer Prof? 30 reportage Dare to try! 32 UNTERHALTUNG impressum, denkspiel 33 Die flotte 3er-WG Spontanität ist lernbar 34 WIE ANNO DAZUMAL Kein Frust im Frost


LIEBLINGSDING

Warum ich meine Gitarre liebe

Manuel Büchel, 23, studiert Jazz an der Hochschule Luzern «Ich liebe meine Gitarre, weil sie mein perfekter Begleiter ist. Denn durch Musik kann ich mit jedem reden und so auch viele interessante Menschen kennenlernen.»

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UMFRAGE

Was willst du noch lernen? Ausgelernt hat man nie. Auch nach Bachelor, Master und Doktortitel gibt es für jeden und jede noch viel Neuland zu entdecken. Denn trockene Theorie alleine bringt keinen durchs Leben. StudiVersum hat an der PH Zentralschweiz und an der Hochschule Design & Kunst in Luzern nachgefragt, was die Zukunft noch lehrt. r Text und Bild Jonas Frehner Daria Naunheim, 19, Primarlehrerin «Ich möchte eine heilpädagogische Ausbildung mit Hunden machen. Dabei lerne ich gemeinsam mit dem Tier, Kindern und behinderten Menschen zu helfen.» Olivia Konrad, 19, Primarlehrerin «Spanisch, weil ich mich für die Kultur und Menschen Südamerikas interessiere.» Raphaela Häfliger, 22, Graphic Design «Salsa-Tanzen.» Marco Spieser, 23, Graphic Design «Besser Pingpong zu spielen, um beim Rundlauf während der Pause zu dominieren!» Thomas Probst, 19, Graphic Design «Ich will lernen bei Velorädern die Speichen einzuspannen.» Luca Gräni, 21, Kunst & Vermittlung «Damit es sich morgens nicht immer so schrecklich anhört, möchte ich lernen unter der Dusche fehlerfrei zu singen.» Benedikt Steiner, 21, Materialdesign «Da ich dazu neige, ungeduldig zu sein, möchte ich lernen grundsätzlich ein wenig geduldiger zu sein. In allen Lebensbereichen.» Tirza Matter, 20, Kunst & Vermittlung «Ich will lernen als Chaotin durch das Studium und Leben zu kommen.» Ramon Hungerbühler, 22, Kunst & Vermittlung «Da sie ein gutes Fundament ist, um andere Sprachen zu lernen und sich auch einfach gut anhört, will ich die spanische Sprache erlernen.» Lucius Fekonja, 23, Illustration Non Fiction «Fliegen, weil ich es als eine grosse Herausforderung ansehe und es mich schon seit längerer Zeit fasziniert.»

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AUS DEM LEBEN

We no speak Economicano Issue Manager, Fraud Analyst, Human Ressource Developer – wenn man beim Stelleninserat nur Bahnhof versteht und sich nach den guten alten Zeiten sehnt, die auch nicht besser waren. Text Melanie Keim

Als Studentin solch zukunftsnebulöser Studienrichtungen wie Germanistik und Philosophie ist die Stellensuche generell schon schwierig. Gesucht wird hauptsächlich nach BWL-Abgängern, Jusstudenten oder Ingenieuren – Romantiker und Weltverbesserer: unerwünscht. Doch sieht man grosszügig von dieser einen Schwierigkeit ab, bleibt dennoch ein grosses Problem: Wie nur soll man verstehen, welche Stellen überhaupt angeboten werden? Dass fast alle Berufsbezeichnungen in Englischer Sprache sind, kann man schlucken, schliesslich klingt der Job so einfach wichtiger. Doch selbst wenn man die Titel übersetzt hat, ist man nachher nicht schlauer. Soll ich mich nun besser für die Stelle als Key Acount Manager (Schlüsselberichtschefin), Supply Chain Manager (Angebotskettenverwalterin) oder doch als Medical Liaison Manager (medizinische Liierungsleiterin) bewerben? Wirft man einen Blick ins Telefonbuch des Kantons Zürich aus dem Jahr 1964, so wird einem nach den Wirren der heutigen Berufsbezeichnungen richtig wohlig ums Herz. «Amacker, Erika: Serviertochter» steht da, «Wiedergrün, Agnes: Glätterin». Auch beim «Eberle, Arno: Gürtler» kann man sich vorstellen, was dieser beruflich machte. Verlockend erscheint auch Bruno Canepas Beruf als Bierführer. Da wusste man wenigstens noch, was man war! Doch beim Weiterblättern verschwindet diese Klarheit plötzlich, mysteriöse Berufe tauchen auf, wie der Galvaniseur oder der Kalkulator. Unklar ist mir zum Beispiel, wo genau Ernst Häberlis Arbeitsort als Ofenarbeiter war. Ebenso bleibe ich im Ungewissen, ob die Naef Annemarie, mit Beruf Stepperin, nun eine brave Näherin oder ein Kind der Bühne war. Gar nicht weiter komme ich aber beim Ammann Arnold. Seine Berufsbezeichnung: Clichés. Was dieser den lieben langen Tag trieb, kann ich mir partout nicht vorstellen. Vielleicht war er aber auch einfach seiner Zeit voraus und wusste schon damals, wie man sich wichtig

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macht. Ich bin auf jeden Fall froh, dass ich die Stellensuche noch etwas herausschieben kann, bis zu meinem Studienabschluss in zwei Jahren. Pardon, ich meinte Master of Arts (Meister der Künste).

Personal Stock Manager Der Weisskopfseeadler aus der Dose analysiert keine Aktienkurse. Dafür riecht er nach Lavendel und hilft beim Waschen. Text Dominic Illi

«StockStar, Personal Stock Manager» – die Bezeichnung selber überrascht mich nicht im Geringsten. Ich habe genügend Wirtschaftsvorlesungen besucht, um zu erahnen, worum es sich bei einem «Stock Manager» handeln könnte. Es wird eine Software sein, welche die Entwicklung des Aktienportfolios übersichtlich darstellt und mit den gewünschten Kennzahlen ausschmückt. Nur: Warum befindet sich diese Bezeichnung auf einem konservenbüchsenähnlichen Behälter – und vor allem: Warum steht dieser Behälter prominent im Badezimmer? Ich habe mich verlesen. Die englischsprachigen finanzwissenschaftlichen Texte ziehen nicht spurlos an mir vorbei und beginnen schleichend meinen Alltag zu infiltrieren. «Personal Sockmanager» also. Leider bin ich jetzt auch nicht schlauer, will endlich wissen, was dahinter steckt – was darin steckt. Ich öffne die Dose und weiche sogleich vor einem penetranten Lavendelduft zurück. Darin stapeln sich fla-

che Plastikclips, deren Form mich entfernt an das US-Wappentier, den Weisskopfseeadler, erinnert. Hat Lavendel eine halluzinogene Wirkung? Ein stolzer Brustkorb, zwei kraftvoll geschwungene Flügel und ein zur Seite gerichteter Kopf mit spitzem Schnabel. Die Gebrauchsanleitung gibt Aufschluss: Mit diesen violetten Designerdingern lässt sich das Leben wesentlich effizienter gestalten. Bevor die dreckigen Socken in den Waschkorb wandern, sollen sie vom Benützer zwischen den Flügeln festgeclippt werden. Beim Waschgang bleiben so Herr und Frau Socke zusammen, das Sortieren nach der turbulenten Wäsche entfällt. Schwupps, und schon klammert sich der Adler mit seinem Schnabel an die Leine, unter ihm baumeln die Socken. Es ist ein Geschenk, wie sich später herausstellt. Nicht für mich, denn wer mich kennt, der weiss: Ich habe meine Socken unter Kontrolle. Weil sie alle identisch aussehen: schwarz. Ohne weissen Kopf.


AUS DEM LEBEN

Intern Koldt – Innere Kälte Wer den Herbst für zu lau hält und sich gelangweilt nach rauherem Klima sehnt, dem bietet das Winterkino gleich drei emotionale Leckerbissen. Text Filip Dingerkus

«A Dangerous Method»: Eine Geschichte über den Schweizer Arzt Carl Gustav Jung, seine russischen Patientin und den Mentor Sigmund Freud. Die psychisch kranke Sabina Spielrein, gespielt von Keira Knightley, verdreht dem Psychologen Jung (Michael Fassbender) den Kopf und sie beginnen eine gefährliche Liebschaft. Knightley fällt zwar gegen die beiden männlichen Hauptdarsteller ab, «stört» aber weniger als sonst. Ein gekonnt inszenierter Film von Kultregisseur David Cronenberg. Kinostart: 10. November 2011 «Melancholia»: Der Filmtitel ist Dreh- und Angelpunkt dieser vielschichtigen Produktion. Aufhänger der Geschichte ist der drohende Weltuntergang durch eine Kollision mit einem anderen Planeten namens Melancholia. Der Film beginnt mit einer ausgelassenen Hochzeit – die Gäste ahnen nichts vom drohenden Unheil. Justine (Kirsten Dunst) sollte als Braut eigentlich glücklich sein, sie ist jedoch der Melancholie verfallen und so ein düsterer Vorbote. Mit Bildern, inspiriert von Künstlern wie Caspar David Friedrich, zeichnet Lars von Trier eine bedrückende Stimmung und schafft eines der intelligentesten Werke des Jahres. Kinostart: 17. November 2011 «Drive»: Wie Lars von Trier ist auch Nicolas Winding Refn dänischer Abstammung, was womöglich die Fähigkeit erklärt, sich mit skandinavischer Leichtigkeit den langsamen und schwerverdaulichen Themen anzunehmen und einen Film über einen vermeintlich gefühlskalten und wortkargen Stuntfahrer (Ryan Gosling) zu drehen. Dieser begibt sich auf einen beispiellosen Rachefeldzug, bleibt dabei aber immer die personifizierte Coolness. Gosling verzieht keine Miene – brillant interpretiert. Die filmische Orientierung Refns an David Cronenbergs visuellen Umsetzungen ist unverkennbar. Brutal, stylish, eindrücklich. Kinostart: 05. Januar 2012 Es schliesst sich der Kreis um das Regietrio, das mit diesen Werken abgründige Figuren

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porträtiert, die ganz besondere Charaktereigenschaften aufweisen. Ein leichtes Frösteln im Nackenbereich auszulösen, bleibt hingegen bloss «Melancholia» vorbehalten.

Verspätet, aber immerhin Gewisse Briefe sollte man einfach schreiben und abschicken, anstatt sie nur in der Vorstellung zu schreiben. Ein nachgeholter Brief: Text Julia Krättli (zur Hälfte nordseetauglich, CH/D)

Liebes Nivea-Entwicklungsabteilungsteam Ich komme gerade aus der Dusche. Und zwar so gerade, dass ich noch nicht einmal angezogen bin. Eingewickelt in ein Badetuch (es ist kalt!) und mit tropfenden Haaren (kalt tropfend!) sitze ich nun also vor meinem Computer, um diese E-mail zu schreiben. Ich schildere ihnen meine Situation, damit sie sich ungefähr vorstellen können, in welcher Gemütsverfassung ich mich befinde und vor allem wie dringlich die ganze Angelegenheit ist. Nun, ich stand also unter der Dusche und freute mich darauf, diese frisch duftend wieder zu verlassen. Dieses Gefühl erfüllte mich aber wohlgemerkt, bevor ich zu einer neuen Flasche «Nivea Natural Oil for Dry Skin» griff. An dieser Stelle sollte ich nun meine langjährige Beziehung zu diesem Duschgel beziehungsweise -öl offenlegen: Es ist tatsächlich so, dass ich dieses seit sieben Jahren benutze. Ausschliesslich dieses! Im Unterschied also zu anderen Kunden, die immer mal wieder Duschgelhopping betreiben – wahrscheinlich weil sie noch nicht ihr Traumduschgel gefunden haben –, war ich

dem «Nivea Natural Oil for Dry Skin» treu. Und dies nicht etwa, weil es «for Dry Skin» ist, sondern weil es einfach soooo gut riecht. Verzeihung – roch! Was hat sie um Himmels willen dazu veranlasst, den Geruch eines Duschöls demjenigen eines Badezimmerputzmittels anzunähern? Gab es Testpersonen? Und wenn ja: Weshalb riechen die gerne nach einem frisch geputzten Plattenboden? Waren die auch wirklich repräsentativ ausgewählt? Und – denken Sie daran, ich sitze frierend vor meinem Computer – ist es möglich, dass Sie das «Natural Oil» wieder in seinen ursprünglichen Geruchszustand versetzen? Für den Fall, dass meine letzte Frage verneint werden sollte, möchte ich Sie bitten, mir die Restposten des alten Duschöls zukommen zu lassen. Die sind ja sicher noch in einer solchen Menge vorhanden, dass ich einige Jahre versorgt wäre und Sie könnten sich die Entsorgung sparen. Was sagen Sie? Freundliche Grüsse Julia Krättli PS: Wird das Öl mit der Zeit ranzig?


ATELIER

Manufaktur – mon amour Projekt von Sarina Pfluger

Sarina Pflugers Hände sprechen mit dem Material, formen es zu Gebrauchsgegenständen und Kunstobjekten. Als Gymnasiastin besucht Sarina Pfluger einen Keramikkurs und formt eine lebensgrosse Figur. Danach beginnt sie ein Medizinstudium in Fribourg. Der praktische Teil in der Anatomie sagt ihr am meisten zu. Sie wechselt nach Bümpliz, entdeckt im gestalterischen Vorkurs Ton als Material und tritt nach bestandener Aufnahmeprüfung in die Fachklasse Keramikdesign in Bern ein. Vor zwei Jahren hat sich Sarina Pfluger in Gänsbrunnen (Kanton Solothurn) ein Atelier eingerichtet. Sie nimmt private Aufträge entgegen, stellt auf Wunsch vom Service über die Vase bis zum Kunstobjekt alles her. Sie betreut aber auch regelmässig Menschen in schwierigen Lebenssituationen und bringt ihnen ihr Handwerk bei. Der Respekt der betreuten Personen vor dem plastischen Material erinnert sie an ihre anfängliche Scheu. Sarina mag das sinnliche Material, wagt vieles mit ihm. Manches gelingt ihr sofort, anderes nach langem Experimentieren. Sägemehl, Fasern von Osternestchen, Holzschnitzel, sogar Kakteendornen vereint sie mit Ton, der eigens für dieses Vorhaben entwickelt wurde. Die Cellulose verbrennt bei 600 Grad, zurück bleiben die Struktur und die Spuren des einst Vorhandenen. Einfach ist es nicht, Keramik schwindet beim Brand, Holz oder andere Magerungsstoffe reagieren anders, verursachen Risse. Ihre Formen seien gewöhnungsbedürftig, kommentierte ein Dozent einst ihre Arbeit. Sarina sieht darin ihre Sprache. Aus dem Spiel mit Proportionen entstehen spannende Kunstobjekte. Sie hängen zum Beispiel an der Wand, hinterfragen das Innen und Aussen. Mit grossem Respekt vor Material und Handwerk kreiert Sarina Pfluger Produkte mit «Seelenwert» und einer eigenen Geschichte. Sie kommen frisch daher und laden den Betrachter ein, zum Staunen und Anfassen. r Text Martina Zimmermann (Mal da- mal dortheim), Bilder Sarina Pfluger

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BESUCHEN Aktuelle Ausstellung «Precious Products» von Sarina Pfluger & Steintopf im Keramikmuseum in Matzendorf (Kanton Solothurn) vom 5. bis 27. November 2011 SURFEN www.steintopf.ch


und schon im ersten Semester gelehrt – ist das «Aptum», die Angemessenheit. Zwar besteht die Kunst der Rhetorik nach Protagoras darin, «das schwächere Argument zum stärkeren zu machen». Oft erleben wir aber zum Beispiel in der Politik, dass das schlechtere zum besseren Argument gemacht wird. Der Rhetorik wird immer wieder vorgeworfen, manipulieren zu wollen. Diesen Vorwurf relativiert Laura Esser insofern, dass die Rhetorik nur ein Mittel des Redners – zu Latein Orator – ist, der Vorwurf also an ihn selbst gerichtet werden muss. Ein Streitpunkt, der von Vertretern der Disziplin unterschiedlich betrachtet wird. «Die einen sagen, Ethik und Moral haben nichts mit Rhetorik zu tun. Die anderen meinen: ‹Das gehört in den Verantwortungsbereich des Orators.›»

WISSENSCHAFT

Natürlich reden

Reden ist Gold? Spitzenpolitikern sagt man nach, gute Rhetoriker zu sein. Sie vermögen das Volk von ihrer Meinung und später vom Gegenteil zu überzeugen. Dass gute Rhetorik mit mehr als nur unserer Sprache zu tun hat, erklärt die Rhetorik-Studentin Laura Esser. Die Rhetorik hat ihren Ursprung im fünften Jahrhundert vor Christus im antiken Griechenland. Damals mussten Konflikte zwischen zwei Personen wie beispielsweise der Streit um ein Grundstück persönlich vor Gericht vorgetragen werden. Klar, dass

hier der bessere Redner am längeren Hebel sass, was dazu führte, dass sogenannte «Logographen» angeheuert wurden, um Gerichtsreden zu schreiben.

Ursprung in der Antike

Dass bis heute die Rhetorik, die «Kunst des Überzeugens», immer noch Teil unserer Gesellschaft ist, sieht man tagtäglich in den Medien. Aber: Die Rhetorik ist keinesfalls nur Gegenstand der grossen Öffentlichkeit, sondern auch in unserm Alltag allgegenwärtig. «Jede Art von Kommunikation zwischen zwei Menschen beinhaltet Rhetorik», meint Laura Esser. Sie studiert Rhetorik im dritten Master-Semester an der Eberhard Karls Universität Tübingen und hat dort auch schon das Bachelor-Studium mit dem Hauptfach Rhetorik absolviert. Sie hat sich für dieses Studium entschieden, weil es für sie fast nichts Wichtigeres gibt als die Kommunikation. Und rät jedem, zumindest einmal einen Rhetorik-Kurs zu besuchen. «Reden ist immer mit Überzeugen verbunden. Und viele Personen scheuen sich, öffentlich oder auch privat aufzutreten. Das kann eine einfache Entschuldigung sein oder der Versuch, die Zustimmung eines Publikums zu erlangen.» Wichtigste Kategorie der Rhetorik –

Neben kommunikationswissenschaftlichen Inhalten und geschichtlichem Hintergrundwissen sind Praxisseminare wichtiger Bestandteil des Studiums. So ist jeder Student relativ frei, seine Schwerpunkte zu setzen. Und natürlich: Die Seminare verbessern die Fähigkeit, sich gut zu artikulieren und Reden oder Geschichten zu schreiben. Laura verweist aber auch auf Cicero, nach dem man es nicht bis ins kleinste Detail lernen kann, Redner zu werden. Es muss eine gewisse Naturanlage (ars naturae) vorhanden sein. Nun ist aber nicht jeder der 25 in Tübingen zugelassenen Master-Studenten der geborene Redner. Doch das ist kein Grund, schlechte Berufsaussichten zu haben. Sie sind vielfältiger, als man denkt. Neben der Politik ist auch die Wirtschafts- oder Medienwelt ein mögliches Arbeitsfeld. Aber: Die Rhetorik wird in anderen Ländern viel bewusster zum Einsatz gebracht. Speziell Deutschland hat durch seine Vergangenheit einen schweren Stand. Walter Jens, Schriftsteller, Literaturhistoriker und Gründer des Lehrstuhls für Rhetorik an der Universität Tübingen fordert ein Umdenken: «Es wird Zeit, dass die Rhetorik als alte und neue Königin der Wissenschaften endlich auch in unserem Lande aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht und ihr Geschäft betreibt.» r Text Uli Hahn, Illustration Melanie Imfeld

Die Eberhard Karls Universität Tübingen ist die einzige Hochschule Europas, an der Rhetorik als BachelorHauptfachstudium angeboten wird. Das erklärt auch den hohen Zulauf an Studierenden. SURFEN An der Universität Zürich bietet ein Verein Rhetorik-Workshops an. Weitere Infos siehe www.rhetorikforum.uzh.ch.

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Das Unikat

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Erasmus’ Nachkommen Wegen seiner Aufenthalte in ganz Europa benennt man heute andere Vagabunden nach ihm: die ErasmusStudenten. Wir stellen euch vier davon vor. Erasmuksen jälkeläiset Ristiin rastiin Eurooppaa kiertäneen tiedemiehen mukaan nimitetään tämän päivän yliopistomaailman kulkureita Erasmusopiskelijoiksi. Me esittelemme tässä heistä neljä.

Über 210'000 Studierende waren in den Semestern 2009/2010 innerhalb des ErasmusProgrammes in ganz Europa unterwegs, um an einer Gastuniversität zu studieren. Das waren so viele wie noch nie, die dieses seit über zwanzig Jahre bestehende Angebot genutzt haben. Jeder dieser Austauschstudenten hat wahrscheinlich auch Negatives erlebt, aber die schönen Erinnerungen scheinen deutlich zu überwiegen. Katrin, Hanna, Liv und Manuel erzählten uns von ihrer Zeit in der Provence, in Rom, in Utrecht und in Stockholm.

Chaotique et drôle comme dans le film «L’auberge espagnole»

Katrin, 23, studiert in Bern Linguistik. Das Herbstsemester 2010 hat sie an der Université de Provence Aix-Marseille I in Aix-enProvence verbracht. Ihren ersten Tag beschreibt sie folgendermassen: «Mein erster Tag an der Uni war sehr chaotisch, da es an der Université de Pro-

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vence kein Online-Vorlesungsverzeichnis gibt, ich also zum Teil noch gar nicht genau wusste, welche Vorlesungen ich wann und wo haben würde. Ausserdem kannte ich mich im riesigen Gebäude der Faculté de Lettres nicht aus und wandelte etwas verloren durch die vielen Gänge. Zum Glück fand ich im internationalen Büro der Uni jemanden, der mir weiterhelfen konnte.» Katrin wohnte in einem Wohnheimzimmer in der Nähe der Fakultät, für welches sie sich schon im Frühjahr beworben hatte. Das Zimmer war klein und notdürftig möbliert, allerdings kostete es auch dementsprechend wenig. Katrin erzählt, dass in den Duschen, Toiletten und Küchen, welche man sich mit anderen Studierenden teilte, eher campingähnliche Verhältnisse herrschten. Für ein Semester sei das Wohnheim aber durchaus akzeptabel. Aix ist nicht gross, jedoch gibt es immer wieder kleine Kulturevents wie Konzerte, Theater oder Märkte. Was das Nachtleben angeht, so hat man keine allzu grosse Auswahl, dafür ein breites Kinoangebot und es findet sowieso immer irgendwo eine Erasmusparty statt. Am besten hat Katrin die Weihnachtszeit gefallen. Die enorm kitschige Beleuchtung und die Weihnachtsmärkte in Aix, Marseille und Avignon, durch welche man bei provenzalischen Temperaturen flanieren konnte, bleiben ihr besonders in Erinnerung. Auch wenn Katrins erster Tag turbulent verlief, gefiel ihr der Aufenthalt so gut, dass sie auf jeden Fall noch ein Mal ein Semester in Aix verbringen würde. Die vielen Erfahrungen rund ums Studium, das südfranzösische Leben und die neuen Bekanntschaften bezeichnet sie als bereichernd. Ausserdem sei Erasmus manchmal so chaotisch und lustig wie im Film «L’auberge espagnole»...


In mezzo delle strade di Roma

Hanna, 25, studiert Kunstgeschichte und Geschichte an der Universität Basel und ging für zwei Semester nach Rom an die Università la Sapienza. Los ging es im Herbst 2009 mit dem Nachtzug. In Rom kam Hanna gegen Mittag an und nahm vom Bahnhof ein Taxi zur Jugendherberge. «Da liess ich mich mit dem Preis gleich mal über den Tisch ziehen, aber immerhin zählte ich dann das Rückgeld genau nach», erzählt sie lachend. Nach der ersten Woche in der Jugendherberge zog sie für zwei Wochen in eine Dreizimmer-Kellerwohnung ohne Fenster – zu sechst! – und fand danach eine schöne WG in Uninähe. Die Zimmersuche fand Hanna allerdings ziemlich schwierig, weil auch hier das Taxifahrerprinzip mit überhöhten Preisen zum Zug kam. Und wie gefiel dir die Uni? «Allgemein war die Uni etwas enttäuschend, weil einerseits das Niveau deutlich unter demjenigen der Universität Basel war und sie andererseits auch so gross war, dass es schwierig war, Anschluss zu finden. Römische Studierende der Gastuni habe ich nicht wirklich kennengelernt. Mein erster guter Freund war dann auch ein Italiener, den ich in der Metro kennengelernt habe. Mit ihm und seinem Freundeskreis haben ich und dann auch die Leute, die ich über Erasmus kennenlernte, häufig etwas unternommen. Wir machten Ausflüge in Rom und in die Umgebung und abends waren wir in einer Bar oder assen Antipasti auf öffentlichen Plätzen. Die Sommerabende draussen gefielen mir überhaupt sehr gut.» Und was sonst noch? «Eine Fahrt im Sommer mit der Vespa quer durch Rom!», antwortet Hanna blitzschnell. «Es gab auch Amüsantes, wie zum Beispiel die Organisation der Prüfungen: Für die zehnminütige mündliche Prüfung musste man den ganzen Tag an der Uni warten, ohne zu wissen, wann man aufgerufen würde.» Würdest du anderen einen Erasmusaustausch empfehlen? «Auf jeden Fall. Um die Sprache zu lernen und die Sehenswürdigkeiten zu sehen, war Rom für mich als Kunsthistorikerin richtig. Den Ort sollte man aber gut auswählen. Wenn man viel lernen möchte, geht man zum Beispiel besser nach England.»

Erasmus in Utrecht: Te gek!

Liv, 24, studierte an der FHNW Olten «International Management» und verbrachte während ihres Studiums fünf Monate an der Hogeschool in Utrecht. «Den ersten Tag habe ich mir definitiv anders vorgestellt. Statt von Basel bin ich schliesslich mit einer Verspätung von acht Stunden ab Zürich geflogen. Um 21 Uhr end-

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Aix-en-Provence

lich in Utrecht angekommen, hat mich mein Vermieter am Bahnhof abgeholt und netterweise meinen etwas zu schweren Koffer gleich in den vierten Stock getragen. Ich habe in einem typischen holländischen Backsteingebäude gewohnt und mir eine Wohnung mit einer Französin, einem Griechen und einem Holländer geteilt. Es hätte für Austauschstudierende aber auch die Möglichkeit gegeben, auf dem Campus etwas ausserhalb der Stadt zu wohnen.» Was war im Nachhinein dein persönliches Highlight? «Es ist schwierig, ein einziges aufzuzählen», meint Liv, «aber das Tollste war generell das Kennenlernen von so vielen anderen Erasmus-Studierenden und sicherlich nie vergessen werde ich den Ausflug zu sechzehnt nach Polen. Neben der Uni blieb überhaupt genug Zeit für Ausflüge, zum Beispiel in die umliegenden Städte Utrechts. Die Hogeschool hat zudem ein eigenes Team, das die Austauschstudierenden betreut und eine Organisation, welche zum Beispiel einen ‹Kennenlerntag› oder einen Ausflug nach München ans Oktoberfest organisierte. Ansonsten hatte die Hogeschool ein riesiges Angebot an Sportaktivitäten und die Abende waren jeweils mit den wöchent-

lichen Studentenpartys schnell verplant. Den grossen Teil meiner Freizeit verbrachte ich deshalb mit anderen Erasmusstudenten, aber durch Gruppenarbeiten lernte ich auch schnell holländische Studierende besser kennen, mit denen ich zum Teil heute noch Kontakt habe.» Würdest du wieder einen Austausch machen? «Ja, definitiv! Die Zeit in Utrecht war die beste des ganzen Studiums und noch heute habe ich regelmässig Kontakt zu den anderen Austauschstudierenden, von denen ich einige bereits besucht habe.»

Lappkärsberget: Mitt andra hem

Seinen Erasmusaufenthalt in Stockholm im Herbstsemester 2008 beschreibt Manuel, 25, als die wohl beste und interessanteste Zeit seines Lebens. Von Mitte August bis Mitte Dezember habe er nicht nur viel erlebt und bereichernde Erfahrungen gemacht, er habe auch sich selbst besser kennengelernt. Bereits vor seiner Abreise in den Norden hatte Manuel auf eigene Faust mit Hilfe eines Lehrbuchs und einigen CDs etwas Schwedisch gelernt. Bei seiner Ankunft verstand er also schon einiges, konnte aber kaum sprechen. Da im Institut für Sprachwissenschaft alle Kurse in der Landesspra-


Rom

Stockholm

Utrecht

che unterrichtet wurden, musste er seine Kenntnisse zwangsläufig vertiefen. Dank den universitären Sprachkursen für Erasmusstudierende und dem Tandem-Programm ist Manuel dies auch gelungen. An seinem ersten Tag in Stockholm konnte Manuel an der Uni seinen Zimmerschlüssel abholen. Sein vorübergehendes Zuhause befand sich in der Studentenwohnsiedlung Lappkärsberget, welche sehr nahe am Campus liegt. Sein Zimmer beschreibt Manuel als ziemlich geräumig. Sogar ein eigenes Bad mit Dusche gehörte dazu und die wichtigsten Möbel waren auch vorhanden. Die Küche und einen Aufenthaltsraum teilte er sich mit rund einem Dutzend anderen Studierenden, welche mehrheitlich auch aus dem Ausland stammten. Das akademische Jahr ist in Schweden anders organisiert als in der Schweiz. Nicht zuletzt weil der Sommer den Schwedinnen und Schweden heilig ist und sie ihn in vollen Zügen geniessen wollen, gibt es keine

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offiziellen Winterferien. Das Herbstsemester dauert von Ende August bis Ende Januar. Gleich darauf fangen die Kurse des Frühlingssemesters an, die Anfang Juni enden. Während des Semesters muss man sehr intensiv arbeiten. Manuel meint, dass für den

Stoff, der in Bern in zirka zwölf Wochen behandelt wird, in Stockholm etwa die Hälfte der Zeit zur Verfügung stand. So richtig kalt wird es in Stockholm nie, beteuert Manuel, allerdings scheine die Sonne im Winter nur zwischen neun und 15 Uhr. Ihm hat der etwas andere Tagesablauf gefallen. Er empfiehlt aber Wintermuffeln eher das Frühlingssemester in Stockholm zu verbringen. r Text Julia Krättli und Martina Zimmermann, Bilder Manuel Widmer, Katrin Rettich

Der niederländische Humanist und Theologe Erasmus von Rotterdam wurde am 28.10.1467 als unehelicher Sohn eines Priesters und einer Arzttochter in Rotterdam geboren. Nach dem Tod seiner Eltern wurde er ins Augustinerkloster Steyn in Gouda geschickt, besuchte Ordensschulen und begann nach seiner Priesterweihe 1492 ein Theologiestudium in Paris. Dort befasste er sich mit der griechischen Sprache, wurde je länger kritischer gegenüber der erstarrten Scholastik. In England begann er das Neue Testament zu studieren. Von 1506 bis 1509 doktorierte er in Italien. Später verweilte er fünf Jahre in London. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Basel, wo er am 12.06.1536 starb. Durch seine rege Reisetätigkeit förderte er den Wissensaustausch zwischen den Universitäten; nicht zuletzt deshalb trägt das EU-Förderungsprogramm für den Hochschulbereich seinen Namen.


Zoll – Douane – Dogana Besuch bei der Zollkontrolle am Flughafen Kloten: ein Kunstschmuggel, gefrorene Affen und wie eine Studentin ihre Partydrogen unbemerkt von Berlin nach Zürich brachte.

Mittwochmorgen am Flughafen Kloten, Ankunft Terminal 2. Die Passagiere aus Istanbul und New York warten auf ihr Gepäck, viele sind nach dem langen Flug müde und ungeduldig. Als das Gepäck endlich ankommt, wollen die meisten so schnell wie möglich nach Hause oder ins Hotel. Doch vor dem Ausgang gibt es noch eine letzte Hürde: die Zollkontrolle, wo ein besonders gemeiner, frustrierter Zöllner das gesamte Gepäck durchwühlen kann, wenn es ihm danach ist. Christophe Strähl ist an diesem Morgen Dienstchef des zehnköpfigen Teams und alles andere als frustriert oder gemein. Er ist bereits 21 Jahre im Dienst der Eidgenössischen Zollverwaltung tätig und dies nicht aus sadistischen Trieben, sondern aus Freude an seiner Arbeit. Denn diese ist alles andere als einseitig, wie sich bei meinem Besuch herausstellt.

Rot oder Grün ist hier die Frage

Dort, wo man sich für den roten oder grünen Ausgang zu entscheiden hat, ob man Waren zu verzollen hat oder nicht, hängt ein Piktogramm mit einer Flasche und Zigaretten darauf. Die Passagiere erfahren dadurch, welche Mengen Spirituosen und Zigaretten abgabefrei sind, weitere Informationen finde ich auf den ersten Blick keine. «Wenn jemand unsicher ist, ob er etwas zu verzollen hat, so soll er den ro-

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ten Ausgang wählen und uns fragen. So kann man nie etwas falsch machen», gibt Herr Strähl Auskunft. Seit einigen Monaten ist der rote Ausgang regelmässig verstopft, da die eingeführten Waren wegen der tiefen Dollar- und Eurokurse den erlaubten Höchstbetrag schnell einmal überschreiten. Hat man im Ausland für umgerechnet mehr als 300 Schweizer Franken eingekauft, so muss an der Zollkasse die Mehrwertsteuer von acht Prozent bezahlt werden. Dagegen erscheint die Verlockung gross, einfach durch den grünen Ausgang zu gehen. Für den Fall, dass man doch kontrolliert wird, hat man die Quittung des neuen iPads bereits nach Hause geschickt und die neuen Markenkleider mit der dreckigen Wäsche vermischt. Während wir uns unterhalten, laufen wohl einige durch den grünen Bereich, die eigentlich Waren zu verzollen hätten. Erstaunlich ruhig lässt der Zollmitarbeiter am grünen Ausgang einen nach dem andern vorbei ziehen, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Hätte er nicht schon längst eine Menge Zollabgaben eintreiben können und eine saftige Busse obendrauf? Strähl erklärt: «Mit unseren Stichproben können wir so oder so nie alle erwischen. Deshalb haben wir hier auch eher eine Erziehungsfunktion.» Der Betrieb im Reiseverkehr ist nämlich nur gerade kostendeckend, wirklich grosse Einnahmen werden mit Frachtwaren gemacht, durch welche die jährlichen Schweizer Zolleinnahmen auf 23 Milliarden Franken kommen, was einen Drittel der jährlichen Bundeseinnahmen ausmacht. Doch das Eintreiben der Mehrwertsteuer ist nicht die einzige Aufgabe des Flughafenzolls. So soll durch die Kontrollen ebenso verhindert werden, dass gefälschte Markenprodukte, Schmuck oder Medikamente auf den Schweizer Markt


Dass Drogen oft im Körper transportiert werden, macht das Aufspüren für die Zollbeamten natürlich nicht einfacher.

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kommen und verbotene Waffen oder Seuchen ins Land gelangen. Nicht zuletzt trägt die Stelle auch zur Bekämpfung des internationalen Drogenhandels bei. Strähl erklärt, wie so viele Bereiche abgedeckt werden können: «Zu Beginn der Schicht werden jeweils einige Flüge ausgewählt, die wir uns genauer anschauen wollen. Wie wir dann vorgehen, kommt immer drauf an, was wir finden wollen.» Findet in Hongkong eine Schmuckmesse statt, so wird im Gepäck der Passagiere nach wertvollen Uhren gesucht, bei Flügen aus Südamerika ist die Chance hingegen grösser, auf Drogen zu stossen.

Kokain auf meiner Banknote

Christophe Strähl betont, dass die Suche nach Betäubungsmitteln aber sehr schwierig sei. Vor allem, weil die Schmuggler immer raffinierter vorgehen. Entscheidet sich einer der Zollmitarbeiter für die Suche nach Drogenschmuggler, so kann er seinen

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Platz am grünen Ausgang auch einmal verlassen, um sich an der Gepäckausgabe unter die Passagiere zu mischen. Verhält sich eine Person am Band besonders auffällig, hängt etwa beim Warten nervös am Telefon, so wird sie beim Ausgang ziemlich sicher abgefangen. Da Drogen beim Röntgen oder Durchsuchen des Gepäcks jedoch oft übersehen werden, wird der Verdacht vorerst durch Fragen überprüft. Weiss die Person keine klaren Angaben über ihren Zielort zu machen oder ist ihr Reiseweg merkwürdig, das Flugticket womöglich von einer anderen Person gekauft, so geht die Suche bestimmt weiter. Strähl führt mich in einen abgetrennten Raum, wo sich ein Ionenspektrometer befindet, ein Gerät, mit dem kleinste Rückstände verschiedenster Drogen nachgewiesen werden können. Normalerweise wird das Gepäck eines Verdächtigten mit einem kleinen Staubsauger ausgesaugt und die Rückstände im Filter auf Spuren von Drogen untersucht. An diesem Morgen untersuchen wir jedoch eine Note aus meinem Portemonnaie. Sie ist tatsächlich voller Kokain, was für Strähl jedoch voraussehbar war. Dass mein Telefon jedoch keine Spuren aufweist, kommentiert er nur leicht ironisch: «Sie bewegen sich also nicht in diesem Milieu.» Hätte ich das Telefon am Abend vorher auf eine Bartheke gelegt, hätte das Resultat auch anders aussehen können.

Überraschungsei mit Spezialfüllung

Als ich Dorothee* von meinem Besuch bei der Zollkontrolle erzähle, meint sie erstaunt: «Das war mir gar nicht bewusst, dass die an diesem Ausgang auch nach Drogen suchen. Zum Glück habe ich das nicht gewusst, sonst wäre ich am Ende noch nervös geworden.» Die Studentin aus Zürich war im Sommer an der «Fusion», einem Festival in der Nähe von Berlin, wo Drogen gewissermassen zum Programm gehören. Einige Pillen Ecstasy und MDMA blieben übrig, erst auf dem Flughafen in Berlin wurde ihr bewusst, dass sie die Drogen besser nicht einfach so im Handgepäck mitführen sollte. «Irgendwie musste ein kleiner Behälter her, da kam mir das Kinder Überraschungsei in den Sinn», erzählt sie von ihrem Einfall. So steckte sie kurz vor dem Abflug die kleine Plastiktüte mit den Pillen in das gelbe Plastikei, packte dieses wiederum in ein Kondom ein, welches sie für die Reise in der Vagina versteckte. Sie hat Glück gehabt und wurde nicht erwischt. Dass Drogen oft im Körper transportiert werden, macht das Aufspüren für die Zollbeamten natürlich nicht einfacher. Bodypacking, wie diese Methode genannt

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«Mit unseren Stichproben können wir so oder so nie alle erwischen. Deshalb haben wir hier auch eher eine Erziehungsfunktion»

wird, hat zwar den Vorteil, dass man von aussen nichts sieht, jedoch kann sie für den Überbringer lebensgefährlich sein, wenn etwa mit Drogen gefüllte geschluckte Fingerlinge im Magen zerreissen. Gibt es einen begründeten Verdacht auf Bodypacking, so kann als letzter Schritt ein Röntgenbild des Verdächtigten gemacht werden. «Oft erweist sich ein Verdacht auch als Fehlalarm», meint Strähl.

Kunst aus Asien – unverzollt

Strähl wird von einem seiner Kollegen in den Kontrollbereich gerufen, wo eine Gruppe von Asiaten steht, allesamt mit einem Berg Kartonschachteln auf ihrem Gepäcktrolley. Auf den ersten Blick ist für Strähl klar: «Das ist eine grössere Sache.» Die Stimmung im Raum ist ziemlich chaotisch, da von der aus Korea stam-

menden Gruppe niemand Englisch zu sprechen scheint und die Kommunikation deshalb schwierig ist. Die Schachteln müssen einzeln ausgepackt werden, wobei sich herausstellt, dass die sechs Personen Kunstwerke im Wert von mehreren 10‘000, wenn nicht 100‘000 Franken mitführen – und den grünen Ausgang wählten. Auf einer Preisliste steht auch das Ziel der Kunstwerke: die «Art International Zürich», eine Kunstmesse, die an diesem Tag ihre Tore öffnet. Wer für eine Galerie Kunst transportiert, ist sich normalerweise bewusst, dass auf die Kunstwerke eine Zollabgabe bezahlt werden muss, die jedoch rückerstattet wird, falls die Kunstwerke wieder ausgeführt werden. Dieser Fall wird daher wohl schwerwiegende Konsequenzen haben und mit einer ziemlich hohen Busse


enden. Deshalb muss auch jedes Objekt fotografiert und aufgelistet werden. «Einen derart grossen Fall haben wir nur etwa einmal im Monat. Solche administrativen Arbeiten erledige ich eigentlich am liebsten», meint Christophe Strähl, dessen Bild sich immer mehr vom Klischee des fiesen Spürhunds entfernt.

Gruselkabinett im Terminal 1

«Bevor Sie gehen, möchte Ihnen noch etwas im Terminal 1 zeigen», sagt Strähl und führt mich zu einer unscheinbaren Tür oberhalb der Restaurants und Duty-freeShops. Dahinter befindet sich ein kleiner Raum, der einem Gruselkabinett gleicht: ausgestopfte Tiere, Schrumpfköpfe und Waffen hängen an den Wänden. Im kleinen Showroom werden konfiszierte Waren oder besonders raffinierte Schmuggelmethoden gezeigt, in den Vitrinen findet man von Elfenbeinstatuen über gefälschte Markenartikel oder kleine Krokodi-

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le alles Mögliche. Strähl zeigt mir ein Foto von einem Koffer, der mit gefrorenen Affen gefüllt ist und erklärt, dass Bushmeat gar nicht so selten eingeführt werde – zum Verzehr versteht sich. Ein anderes Foto zeigt einen Drogenkurier, dem die Drogen direkt auf die Kopfhaut geklebt wurden. Zu diesem tragischen Fall meint Strähl: «Der hat eigentlich Glück gehabt, dass wir ihn aufgegriffen haben und ihm der Stoff von einem Chirurgen entfernt wurde.» Was sonst mit seiner Kopfhaut passiert wäre, ist eine unschöne Vorstellung. Als wir zum Terminal 2 zurückkommen, gleicht der Raum einer Umzugswohnung; überall liegen Schachteln und Kunstwerke herum. Die Koreaner müssen sich gedulden. Für sie wäre der rote Ausgang definitiv der schnellere Weg gewesen – und der günstigere dazu. r Text Melanie Keim, Bilder Maya Wipf (Wunsch-Französin)

*Name von der Redaktion geändert.

WEITERLESEN Melanie Keim ist auch den Schmuggelmethoden und «Halbschmuggelmethoden» nachgegangen. Die besten «Tipps» findest du unter www.semestra.ch/schmuggeln. BESUCHEN Das Schweizerische Zollmuseum in Cantine di Gandria (Tessin), im Volksmund «Schmugglermuseum» genannt, ist einen Besuch wert. Das Museum ist per Schiff von Lugano erreichbar.

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Sprachen in Mode Fremdsprachenkompetenzen werden immer wichtiger in unserer globalen Gesellschaft. Vier Weltsprachen melden sich zu Wort. Dominar línguas estrangeiras chega a ser mais importante na nossa sociedade global. Quatro «línguas universais» pedem a palavra.

Vier Weltsprachen. Vier Dozenten. Neben Fragen zur Wichtigkeit und Schwierigkeit «ihrer» Sprache zeigen sie auf, mit welcher Motivation die Studierenden diese Sprache lernen, was sie für Vorteile bringt und wieso es unmöglich ist, die Welt auf das Englische zu reduzieren.

Am reichsten?

Russisch wird von etwa 275 Millionen Menschen gesprochen und ist Amtssprache in sieben Ländern. Auch wenn Russland und die angrenzenden Länder gerade einen Prozess der Modernisierung durchlaufen, sind es eher China und Indien, die als die boomenden Wirtschaftsmächte gehandelt werden. Mit Russland und damit auch der russischen Sprache verbindet man hier eher protzige Touristen in der Bahnhofsstrasse oder beim Skiurlaub in St. Moritz, deren Verhalten und die auf den ersten Blick grob wirkende Sprache können dann einen negativen Eindruck auf uns zurückhaltende Mitteleuropäer machen. Dieser Umstand findet interessanterweise seine Erklärung in der Sprache und der Kultur selbst. Dr. Daniel Henseler, Dozent für Russisch am Sprachenzentrum

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der Universität und ETH Zürich, verweist mit folgendem Beispiel auf das Verständnis von Höflichkeit in der russischen Kultur: «Während wir Bitten in höflichen Fragesätzen formulieren und diese mit einem Lächeln auf dem Gesicht begleiten, kann man sich in der russischen Sprache unter Umständen auch eines Imperativs bedienen.» Auch die Tendenz, seinen Reichtum zu zeigen, durch teure Kleidung oder dadurch, sich beim Buffet à discrétion viel mehr auf den Teller zu schaufeln, als man tatsächlich essen wird, sieht ein Russe nicht gleich als dekadent an. Will man also die russische Sprache erlernen, führt kein Weg daran vorbei, sich auch der Kultur anzunehmen. «Die Zahl der Russisch-Lernenden wächst im Moment stark», so Henseler. Die Beweggründe lassen sich aber keinesfalls auf die Wirtschaft reduzieren. Zum einen reize Russisch als Wissenschaftssprache für Physik oder Mathematik, zum anderen seien es ganz persönliche Gründe wie eine russischsprachige Freundin. Dann gibt es beispielsweise auch Jus-Studenten, die im Russischen eine Chance sehen, potentielle Klienten, die in der Schweiz leben, als Anwälte zu bedienen. Berechtigt ist hierbei die Frage, wieso es oft nicht möglich ist, sich auf Englisch mit Menschen aus russischsprachigen Ländern zu unterhalten. Was hierzulande fast eine Selbstverständlichkeit ist, wird in Russland und den umliegenden Staaten nicht einfach so vorausgesetzt. Das heisst aber nicht, dass sie faul im Erlernen neuer Sprachen wären. «Viele Russen sprechen eine Fremdsprache. Das muss nicht Englisch sein, sondern ist in vielen Fällen Deutsch, Französisch oder Spanisch», betont Henseler. Abgesehen davon wird Russisch von so vielen Menschen gesprochen,


Die arabische Sprache ist rein vom Klang mancher Laute nicht so weit entfernt vom Deutschen, speziell vom Schweizerdeutschen.

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dass auch ein in beruflicher Hinsicht erfolgreicher Lebenslauf nicht zwingend englische Sprachkenntnisse voraussetzt.

Am wichtigsten?

Chinesisch ist bekanntlich die Sprache mit den weltweit meisten Muttersprachlern. Diese Tatsache und die wirtschaftlich immer wichtiger werdende Rolle Chinas führen zwangsweise zum Schluss: Chinesisch gehört zu den wichtigsten Sprachen der Welt. Mit Chinesisch ist in der Regel Modernchinesisch gemeint, das an das in Peking gesprochene Chinesisch anknüpft und hier in Sprachschulen und Universitäten gelehrt wird. Während die Schrift und die Tonalität der Sprache für uns Europäer schwierig anmutet, ist die Sprache an sich nicht sehr schwierig zu lernen, weiss Dr. Brigitte Kölla, Dozentin für Modernchinesisch an der Universität Zürich. «Es gibt


nesisch immer öfter als Freifach angeboten wird. Der Andrang sei aber nicht in erster Linie durch wirtschaftliche Interessen der Teilnehmer begründet. Oftmals stecke schlicht das Interesse für Land und Kultur dahinter. «Die wenigsten, die ein philologisches Fach wählen, denken daran, nachher irgendein Business zu machen», so Kölla. «Viele Studenten und Schüler wollen sich herausfordern mit einer neuen, sehr unbekannten Sprache.» Klar ist aber auch: Wer nun tatsächlich beruflich mit und in China zu tun haben möchte, kommt an der Sprache nicht vorbei. Lediglich in der höheren Geschäftsebene sei ein «Geschäftsleben auf Englisch» möglich, aber gerade für den Alltag ist der Verzicht auf Chinesisch nicht zu empfehlen.

Am vielseitigsten?

keine Deklination oder Konjugation, sondern die Wortstellung im Satzbau ist entscheidend.» Je nach Sprachbegabung und Motivation kann es durchaus gelingen, nach ein bis zwei Jahren akzentfrei Chinesisch zu sprechen, wobei hierbei ein längerer Sprachaufenthalt in China unabdingbar ist. Den Sinologie-Studienanfängern – deren Zahl an der Universität Zürich seit einigen Jahren konstant bei circa 50 liegt – wird stets nahegelegt, nach dem ersten Studienjahr für einige Wochen nach China oder Taiwan zu reisen. Während die Zahl der Sinologie-Studenten durchschnittlich weder steigt noch fällt, herrscht ein regelrechter Boom in Sprach- und sogar Mittelschulen, wo Chi-

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Die arabische Sprache ist rein vom Klang mancher Laute nicht so weit entfernt vom Deutschen, speziell vom Schweizerdeutschen. Dennoch dauert es einige Zeit, um der Sprache mächtig zu werden, aus der Wörter wie Admiral, Gitarre oder Magazin stammen. «Es braucht viel Zeit, bestimmt mehr als ein Jahr. Aber dann, wenn man den Aufbau der Sprache verstanden hat und Querverbindungen herstellen kann, explodiert es», weiss Dr. Eva Mira Grob, Dozentin für Arabisch am Sprachenzentrum der Universität und ETH Zürich. Am Sprachenzentrum wird Hocharabisch gelehrt, die Sprache, die Al Jazeera und generell die Massenmedien verwenden. Doch: Keiner spricht Hocharabisch, das seine Grundlage im Koran hat, als Muttersprache. Die Dialektvielfalt der arabischen Welt führt dazu, dass zum Beispiel ein Iraker und ein Marokkaner sich nur dann verständigen können, wenn sie das Hocharabische beherrschen oder auf einen gemeinsam verständlichen dritten Dialekt ausweichen können. Bei der Schriftsprache hingegen ist der arabische Raum durch das Hocharabische geeint. Dass die Uni- und ETH-Studenten in Zürich die Sprachkurse für Hocharabisch überfüllen, liegt hauptsächlich am Interesse für Kultur und Religion. Der Islam wie auch die mediale Präsenz der arabischen Länder gewinnen an Bedeutung in unserer Gesellschaft. «Viele Studenten wollen auch eine differenzierte Sicht auf die politischen Ereignisse bekommen», meint Grob. Man bekomme in den westlichen Medien oft nur eine Sicht der Dinge vorgesetzt. So erstaunt es nicht, dass nur wenige der Arabisch-Lernenden Verwandte oder Bekann-


te mit arabischem Hintergrund haben oder aus wirtschaftlichen Gründen Arabisch lernen. Zumal gerade in den wirtschaftlich starken Golfstaaten Englisch wichtiger sei als Arabisch – begründet durch den hohen Ausländeranteil. Dass Arabisch aber zur Modesprache tendiere, sei eher unwahrscheinlich, meint Grob. «Natürlich sind es sehr viele, die neu anfangen. Aber diejenigen, die nach zwei Semestern weitermachen, sind deutlich weniger.»

Am schwierigsten?

Japanisch verfügt über das wahrscheinlich schwierigste Schriftsystem aller heute gesprochenen Sprachen. Es kombiniert die chinesische Schrift mit zwei Silbenschriftsystemen. So ist der Zeitaufwand, um allein Japanisch lesen und schreiben zu lernen, wesentlich höher als bei europäischen Fremdsprachen. «Es ist sehr zeitintensiv und erfordert eine gewisse Frustrationstoleranz», bestätigt lic. phil. Guido Gefter, Japanisch-Dozent am Sprachenzentrum der Universität und ETH Zürich. Eine zu hohe Hemmschwelle scheint das für die Zürcher Studierenden jedoch nicht zu sein: Nur die Hälfte derer, die Japanisch lernen wollen, können auch wirklich zugelassen werden. Auch die Zahl der Japanologie-Studienanfänger ist vor wenigen Jahren sprungartig von 40 auf 60 gestiegen. Das Interesse für die Sprache liegt dabei aber nicht hauptsächlich in der Wirtschaft begründet. Viele seien fasziniert von der japanischen Popkultur mit ihren Manga-Comics und Anime-Zeichentrickfilmen, weiss Gefter. Doch auch in Südostasien ist Japanisch eine beliebte Sprache. Auch deshalb, weil die Schwierigkeiten mit dem Japanischen zum Beispiel für Koreaner und Chinesen durchaus geringer sind als für uns Europäer. Viele Studierende gehen nach Japan, um an einer der hoch angesehenen Universitäten – am besten noch mit Stipendium – zu studieren und ihr angeeignetes Wissen anschliessend im Heimatland einsetzen zu können. Japan hat auch nach der Erdbeben-Katastrophe nicht an Ansehen eingebüsst. Die Wirtschaftskraft und die Tatsache, dass Japan ein hochzivilisiertes Land ist, führen jedoch häufig zu dem Trugschluss, dass die englische Sprache im japanischen Alltag sehr gut verankert sei. Gefter betont aber: «Englisch reicht sicher nicht zur alltäglichen Kommunikation.» r Text Uli Hahn (hat um drei Monate die brasilianische Staatsbürgerschaft verpasst), Bilder Johanna Muther (Kanton Übrig)

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Reisefieber Grassiert Keine Begleitung, kein Chinesisch, keine Chance? Eine abenteuerliche Durchquerung der Volksrepublik China auf der Suche nach einer direkten Begegnung mit den Menschen und ihrer Kultur – trotz grosser sprachlicher Defizite.

Individualreisen erfreuen sich insbesondere bei der abendländischen Jugend und bei Studierenden grosser Beliebtheit. Backpacking hat sich zu einem florierenden Tourismussegment entwickelt und hat vor allem in Australien und Südostasien einen grossen Hype ausgelöst. In China ist dieser Trend noch im Kommen. Grössere Verständigungsschwierigkeiten und ein durch die Medien stark verzerrtes Image schrecken viele vor einer Reise ab. Zu Unrecht, denn die Volksrepublik ist wie jede Kultur weitaus differenzierter, als es im vereinfachten westlichen Bild den Anschein erweckt. Der folgende Text erhebt jedenfalls nicht den Anspruch, die Komplexität zu steigern. Aber die Ansammlung einiger Anekdoten kann vielleicht neugierig machen oder endgültig abschrecken. Zweiteres ist zwar nicht intendiert, auf Beschönigungen wird trotzdem verzichtet.

Gesprengte Dimensionen

China ist mit seinen fast zehn Millionen Quadratkilometern vergleichbar mit den USA, Kanada oder Europa. Besonders spannend ist das abwechslungsreiche und weniger industrialisierte Landesinnere. Authentischer und traditioneller ist das Leben dort. Das Fehlen jeglicher lateinischer Buchsta-

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ben geht mit der Abstinenz des Englischen einher und macht es umso attraktiver. Die 4000 Kilometer von Shenzhen im Süden nach Peking im Norden hinterlassen auf der Karte Chinas den Eindruck eines Katzensprungs. Wenn man im Reich der Mitte «aus der Nähe von Shanghai» kommt, kann es sich spielend um einen 600 Kilometer entfernten Ort handeln. Das entspricht der Distanz von Zürich nach Paris und verdeutlicht das divergierende Verständnis von Dimensionen.

Wie bitte?

Wer sich ohne eine gewisse Basis Chinesisch auf den Weg macht, das Land im Alleingang zu erkunden, wird gemeinhin als leichtsinnig bezeichnet. Mit Chinesisch meinen auch die Chinesen die Amtssprache Mandarin. Kantonesisch wird nur von rund fünf Prozent der Bevölkerung im Süden des Landes gesprochen. Um nicht als völliger Idiot dazustehen, lernt man dann während des Hinflugs schnell noch «Hallo» und «Danke». Für mehr ist meist keine Zeit. Sprachliche Schwierigkeiten werden zwangsläufig in beidseitiger Ratlosigkeit enden. Schon die erste Taxifahrt kann sich schnell zu einer Odyssee entwickeln, wenn man dem Fahrer den Zielort nicht in Chinesisch mitteilen kann. Am besten eignen sich Visitenkarten oder fotografierte chinesische Adressen auf dem Mobiltelefon. Ähnlich verhält es sich beim Kauf eines Tickets: Wer in China Zug fahren möchte, sollte seinen Reise früh genug planen, denn dieses Transportmittel ist in diesem Land ständig ausverkauft. Wer aber am ersten Tag der chinesischen «Fünf-Tage-vor-Reiseantritt»Regel bucht, hat eine kleine Chance seine Fahrkarte zu erhalten. Ob es die gewünschte ist, hängt nicht nur von der Verfügbarkeit ab, sondern auch von der Fähigkeit, sich am Schalter verständlich zu machen. Wieder-


um ist eine lokale Bekanntschaft sehr von Vorteil, um einen Zettel mit den präferierten Sitzklassen – es gibt zehn verschiedene Kategorien – für einen zu notieren. Danach muss man das Papierchen nur noch der Ticketverkäuferin vorweisen und mit etwas Glück händigt sie einem nickend den gültigen Fahrausweis aus. Aber auch kulturelle Traditionen und Gepflogenheiten halten unterschiedlichste Fettnäpfchen bereit.

Dass es sich bei dem vermeintlichen Schweinefleisch dann nicht doch um Hund handelt, ist hingegen nicht gänzlich vermeidbar.

Bei Tisch

In China ist die möglichst geräuscharme Nahrungsaufnahme bekanntermassen kein erstrebenswerter Zustand. Und doch beeinflusst der chinesische Verhaltenskatalog das tägliche Leben weitaus umfangreicher als bei uns. Die Tischsitten sind zum möglichen Erstaunen einiger «Westler» komplexer als unsere. Bereits die Platzwahl am Esstisch birgt ein erhöhtes Risiko. Der Stuhl gegenüber der Tür ist bei Anlässen immer dem Gastgeber oder höchsten Statusträger vorbehalten. Gesäumt wird dieser von den rangfolgenden Gästen. Mit der ersten Tasse Tee wird traditionellerweise das eigene

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Geschirr ausgeschwenkt und symbolisch gereinigt. Die zweite ist dann für den eigenen Genuss bestimmt. Tee ist das konventionelle Getränk zum Essen. Bestellt man Wasser, erhält man Tee. Auf nochmaliges Nachfragen erhält man einen verdutzten Blick. Aussichtslos. Das verlangt nach härterem Geschütz, wie beispielsweise Bier in Literflaschen! Andere alkoholische Getränke haben den Vorteil, meist in kleinen Gläsern serviert zu werden. Falls das Wort «Gambe» fällt, sollte der Trunk unverzüglich geleert werden. Übrigens wird in Chi-

na jeder Alkohol als Wein bezeichnet, was für einige Konfusion sorgen kann. Wünscht man sich, dass nachgefüllt wird, muss man mit dem Finger auf den Tisch tippen. Dies sollte nur mit einem geschehen, ausser man ist verheiratet, was zum gleichzeitigen Tippen mit Zeige- und Mittelfinger berechtigt. Doch das ist erst der Anfang einer Reihe von mehr oder weniger verheerenden Fettnäpfchen, in die man garantiert treten wird. So sagen die Chinesen auch lachend, dass ein Ausländer kulturell eigentlich nie zu einem vollwertigen Chinesen werden kann,


da er unmöglich alle Eigenheiten und Bräuche verstehen, geschweige denn kennen kann. Ob sie selbst alles kennen, sei dahingestellt. Nach diesem ersten schweisstreibenden Abendessen mit seinen chinesischen Gastgebern kann man in leichten «Lernunmut» verfallen. Ganz so, wie wenn der Professor einen Monat vor der Prüfung eine Kiste voller prüfungsrelevanter Bücher überreicht und einem mit verschmitztem Grinsen viel Erfolg beim Lernen wünscht. Naja, einfach nicht so ernst nehmen. Niemand erwartet, dass man sich gänzlich den chinesischen Normen entsprechend verhält.

Überraschungsspeise

Übrigens wird in China jeder Alkohol als Wein bezeichnet, was für einige Konfusion sorgen kann.

Die kleinen Strassenimbisse – vor denen die Phobiker ständig warnen – sind kulinarisch meist sogar besser als viele Restaurants. Und dazu noch viel günstiger. Zwischen 50 Rappen und zwei Franken kostet eine Mahlzeit. Einen Haken hat die Sache dann doch. Die kleinen Strassenrestaurants haben meist keine Karten mit Bildern, geschweige denn Übersetzungen ins Englische. Man sagt deshalb: «Ich hätte gerne... ähm...» und zeigt mit dem Finger auf die dritte Zeichenfolge auf der Karte. Hoffentlich wird es gut und nicht wieder ein undefinierter gedämpfter Haufen Knochen! Wer nicht restlos auf Überraschungen steht, hat dagegen eine andere Möglichkeit zu bestellen. Es ist gut, ein Restaurant zu finden, in dem bereits einige Personen mit vorgesetzten Speisen sitzen. Man zeigt dann einfach auf das entsprechende Essen am Nachbartisch, das einem optisch zusagt. Wer dann auch noch seine Nachbarn beim Bezahlen der Rechnung beobachtet, kann vermeiden, dass einem der fünffache Touristenpreis aufgedrängt wird – eine Variante, die sich einige Male bezahlt gemacht hat. Dass es sich bei dem vermeintlichen Schweinefleisch dann nicht doch um Hund handelt, ist hingegen nicht gänzlich vermeidbar. Geschmacklich macht sich der Vierbeiner und bester Freund des Menschen jedenfalls deutlich bemerkbar, denn sein Fleisch hat einen sehr eigenen, unverwechselbaren Gout und Geruch. Spätestens dann weiss man: das ist kein glückliches Schweinchen, auf das man gerade beisst.

Und es geht doch

Wirklich süss, im Vergleich zum Hündchen süss-sauer, sind die sprachlichen Mängel im Englischen, wenn man von morgens bis abends von den Einheimischen lediglich die Worte «Bamboo boat! Bamboo boat!» zu hören bekommt, weil sich das Dorf auf Flussfahrten im Bambusboot spezialisiert hat. Aber bei all den Widrigkeiten der Kommunikation funktioniert die Hand- und

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Fussverständigung bemerkenswert gut und mit etwas Glück verläuft alles so problemlos, wie an keinem anderen Ort der Welt – ausser vielleicht der Schweiz. Ich komme mit dem Zug in einer Stadt an und habe keinen blassen Schimmer, wo die Bushaltestelle ist. Auf der vergeblichen Suche nach Hilfe, lande ich vor einem Hotel und überlege, ob möglicherweise dort eine Auskunft zu finden sei. Plötzlich hält ein Bus am Strassenrand und mir wird klar, dass es sich hier wohl um eine Haltestelle handeln muss. Den Fahrer anstarrend, nenne ich die Stadt, in die ich weiterfahren möchte. Er grinst mich an, ich wiederhole den Namen. Daraufhin winkt er mich ungeduldig zu sich, also steige ich ein. Nach knapp zwei Stunden kommt der Bus zu meiner Überraschung tatsächlich in die gewünschte Ortschaft, die viel grösser ist als erwartet. Sofort stellt sich mir die Frage, wie hier bloss die Jugendherberge zu finden sein soll, als plötzlich in einer Seitenstrasse ein Schild mit dem Namen des Hostels auftaucht. Ich rufe dem Fahrer etwas Unverständliches zu und er hält an. Ziel erreicht. Wer hätte gedacht, dass China zu bereisen so einfach ist.

Chinas «unaufhaltsames» Wachstum Im Westen hat China immer noch den Ruf des weltweit grössten Billigproduzenten und Warenfälschers. Was das tatsächlich bedeutet, übersteigt hingegen die Vorstellungskraft – ähnlich den Finanzbeträgen, mit denen in der Wirtschaftskrise jongliert wird. Erstaunt ist man auch, dass in China bereits seit Längerem qualitativ hochwertige Fertigung und Präzisionsmanufaktur möglich ist. Die Volksrepublik hat mittlerweile etwa 100 Städte mit über fünf Millionen Einwohnern. Sieht man jedoch den Bauboom, das riesige Wirtschaftswachstum von jährlich konstanten acht Prozent, die industriellen Investitionen sowie die gesamte Errichtung von Reisbrettmetropolen wie Dongguan oder Suzhou, wird schnell klar, dass dies die logische Konsequenz ist. Shenzhen weist sogar ein jährliches ökonomisches Wachstum von 25 Prozent auf. Das begann in den 80er-Jahren und ist bis heute mehr oder weniger stabil. In dieser Art und Weise haben sich innerhalb der letzten 30 Jahre, seit der wirtschaftlichen Öffnung der Volksrepublik durch Deng Xiaoping, viele kleine oder inexistente Orte zu Millionenstädten entwickelt. ANSCHAUEN Die Fotoserie von Filips Reise gibt es unter www.semestra.ch/china-reise zu entdecken.

r Text und Bilder Filip Dingerkus (gebür-

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UNIPOLITIK

Für immer Prof? Als Student schaut man ehrfürchtig zu ihnen auf, bewundert ihr Wissen und ist manchmal überrascht, wenn man merkt: Professoren sind auch nur ganz normale Menschen. Der Weg vom ganz normalen Student zum Professor braucht Geduld, Passion, Durchhaltevermögen, aber auch eine Prise Glück. Der erste Schritt nach dem Studium ist erst mal das Doktorat mit Dissertation. Soweit so gut. In der Schweiz und in Deutschland ist die Habilitation bekannt, ausserhalb des deutschsprachigen Raumes gibt es sie nicht. Die Habilitation berechtigt nicht zum Tragen eines Titels und ist auch keine Garantie für eine Professur. Gibt es keinen einheitlichen Werdegang? Der Reihe nach: Nach dem Studium beginnt die erste Zeit der Forschung, die mit der Dissertation endet. Mit dem Doktortitel in der Tasche spalten sich dann die Wege.

Berufen zur Berufung

Der nächste Schritt, damit man – nach erfolgreich abgeschlossenem Doktorat – im akademischen System bleibt, ist eine Postdoc-Stelle. Nach einiger Zeit Forschung bewirbt man sich auf eine Assistenzprofessur, während der man normalerweise die Habilitation schreibt. Die Habilitation ist die formale Berechtigung, an Hochschulen zu unterrichten; sozusagen der Führerschein für die universitäre Lehre. Von

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da an ist man Privatdozent, darf sich aber noch nicht Professor nennen. Hier angelangt, fehlt noch der entscheidende Schritt: auf eine freie Professur berufen zu werden. Bei der Bewerbung hat man es aber oft mit mehr als 50 Mitbewerbern zu tun. Wichtig bei dieser Hürde ist nicht nur die Habilitation, sondern auch Forschungsergebnisse, die im besten Fall die Forschung von anderen beeinflusst, und natürlich Fachpublikationen. So sieht der klassische Werdegang eines Professors in der deutschsprachigen Schweiz, Deutschland und Österreich aus.

Unterschiede zwischen den Ländern

Die Habilitation ist, wie gesagt, ausserhalb der deutschsprachigen Länder nicht von Nöten. Wie lange es dauert, bis man die Habilitationsschrift fertig gestellt hat, ist nicht festgesetzt und hängt von der entsprechenden Forschung ab. Der automatische Anspruch auf eine anschliessende Professur ist nicht gegeben. Anders im angelsächsischen Raum: Da ist der Weg klarer strukturiert, aber nicht einfacher, trotz fehlender Habilitation. In den USA und Grossbritannien wird man nach der Promotion «Assistant Professor». Dabei erhält man den sogenannten «tenure track», der den Weg zur Professur sichert, die man später auch erhält und sich dann «Associate Professor» nennen darf. Am Anfang ist diese Stelle temporär, nach fünf bis sechs Jahren wird man «tenured» und hat diese Stelle theoretisch bis zur Pensionierung auf sicher. In Frankreich und Italien hält man sich auch an die Begriffe «Assistant Professor» und «Associate Professor», Bewerber müssen aber vor jedem Schritt landesweite Auswahlverfahren in Form von Forschungswettbewerben mitmachen. Weitgehend scheint sich eine Präferenz für das angelsächsische Modell durchzusetzen. Mittlerweile ist die Anforderung für eine Bewerbung auf eine Professur auch in unseren Breitengraden «Habilitation oder gleichwertige Qualifikation». Wendy Shaw, Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Bern, zeigt die Unterschiede deutlich. Sie darf sich seit ihrem 29. Lebensjahr Professorin nennen.

Das ist zugegebenermassen auch für amerikanische Verhältnisse früh, wie sie selbst sagt, in Europa aber schlicht undenkbar. Da sich bei beiden Systemen der Aufwand je nach Fach und Forschungsvorhaben beträchtlich unterscheidet, lässt sich nicht genau sagen, wie lange der Weg zur Professorenstelle ist.

Plan vieler Professoren hierzulande. Georg Kreis, emeritierter Professor für Ältere Geschichte an der Universität Basel, findet es ausserdem wichtig mit den jungen Kollegen im Austausch zu bleiben, schliesslich sei es das, was die Forschung weiterbringt.

Unterschiede heute und früher

Die wenigsten Professoren strebten ihren Werdegang schon während des Studiums an. Im Gegenteil – viele akademische Laufbahnen sind durch Zufälle entstanden. Beispielsweise wird Studenten von dem Professor, der die Masterarbeit betreut, eine Doktorandenstelle angeboten. Aus Mangel an Alternativen und entdeckter Freude an der Forschung, sagt der Student zu. Ist eine Dissertation gut gelaufen und hat ein Doktorand erfolgreich promoviert, kann es sein, dass sich die Forschung ausweitet und in dem entsprechenden Gebiet weitergeforscht werden kann. In den Naturwissenschaften hängt auch vieles vom Glück ab. Läuft ein Experiment sehr gut, kann es passieren, dass sich in kurzer Zeit viel Fachliteratur darauf abstützt. Damit macht man sich natürlich einen Namen. Auf die Frage, was Professoren ihren Studenten raten würden, wenn sie mit diesem Berufswunsch auf sie zukämen, fällt die Antwort einstimmig aus: Fleiss, Leidenschaft für die Forschung und gute Ergebnisse schon während dem Studium. All das ist genauso unerlässlich wie internationales Networking, denn viele Forschungsprojekte und somit auch die Möglichkeit in der «Uni-Hierarchie» eine Stufe aufzusteigen, entstehen durch Kontakte. Sowieso sollte die Forschung im Mittelpunkt bleiben: «Es war kein Problem sich in unserem System zu habilitieren, weil die Forschungsarbeit im Zentrum stand. Der damit erworbene akademische Grad war eine Nebenerscheinung.» Generell gesagt, ist Auslandserfahrung und Offenheit fundamental für angehende Professoren. Das lässt sich in unserer globalen Gesellschaft gerade in der Forschung sowieso nicht vermeiden. r Text

Die meisten Professoren, egal welchen Alters, beurteilen die Chancen für junge Akademiker ähnlich: Heute sei es einfacher und schwieriger zugleich, eine Professur zu ergattern. Einfacher deswegen, weil mehr Forschungsmöglichkeiten, Institute und international vernetzte Projekte zur Auswahl stehen. Schwieriger, weil mit der steigenden Anzahl der Studenten auch die Zahl der Mitbewerber wächst. Mit der Einführung des TTAP, was für «tenure track assistant professor» (nach dem angelsächsischen Modell) steht, können sich Jungprofessoren sicherer sein, eine Professur auch zu bekommen. Früher bestand die Gefahr, dass Postdoktoranden nur unsichere und zeitlich befristete Stellen hatten und manchmal keine Möglichkeit für eine Professur bestand. Dieses Risiko war vor allem dann hoch, wenn ein Forschungsgebiet immer unwichtiger wurde. Heute stehen dank der vielen Möglichkeiten auch mehr Chancen offen. Ein grosser Unterschied zu früher ist ausserdem, dass die Emeritierung zum grössten Teil abgeschafft wurde. Den Professoren-Titel darf man natürlich behalten. «Emeritierung» hiess ursprünglich, keine Vorlesungen mehr halten zu müssen, aber die Rechte als Professor zu behalten. Heutzutage geht ein Professor einfach in Pension. Heute sind ordentliche und ausserordentliche Professoren öffentlich-rechtlich angestellt; ihre Arbeitsverträge sind damit theoretisch kündbar, wie Iwar Werlen, Professor für Sprachwissenschaft an der Universität Bern, weiss. Im englischsprachigen Raum gibt ist die Emeritierung immer noch. Dort nennt sich das «tenure» und wer das erreicht hat, hat eine unkündbare Anstellung. So kann es passieren, dass Leute über 80 noch publizieren und weiterforschen. Weiterforschen ist auch der

Von Glück und Zufall

Claudia Piwecki (in der Schweiz geborene Deutsch-Italienerin), Illustration Melanie Imfeld

Professor zu werden ist kein schnelles Unterfangen. Allgemein sieht der Werdegang ungefähr so aus: Das Doktorat dauert drei bis fünf Jahre. Danach forscht man als «Postdoc» oder Juniorprofessor. Unter Umständen folgen längere Forschungszeiten oder Lehrstuhlmitarbeit. Bis zum Ordinariat (Berufung auf eine Professorenstelle) hat man im besten Fall die 30, meistens aber die 40 schon überschritten.

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REPORTAGE

Dare to try! Erklärtes Ziel eines jeden Unternehmers ist der Erfolg. Um diesen zu erreichen, muss man sich selbst aber auch Fehlschläge erlauben. Die Geschichte von semestra.ch zeigt, dass einen Ausprobieren oft weiterbringt als (zu) langes Grübeln. Am Anfang war da diese Idee. Sie hatten Spass an dieser Idee. Einen Businessplan hatten sie nicht. Erfolg aber, hatten sie trotzdem. Die Rede ist von Fabian Gressly, Marc Isler und Patrick Mollet, den Gründern von StudiSurf.ch. Die Plattform von Studierenden für Studierende ist Ahnin des heutigen semestra.ch und Ursprung der Agentur StudiMedia und des Verlags Campus Lab. «Gegründet ist eigentlich zu viel gesagt»,

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schmunzelt Patrick Mollet, und Marc Isler spitzt seine Erinnerungen an diese Anfänge zu: «Alles was wir brauchten, war das Internet und einen Laptop.»

Kein Gedanke an später

Blenden wir doch kurz zurück ins Jahr 2000: das Internet? Das Internet ist eine grosse Spielwiese, schreiend vor Möglichkeiten. Bis in die Vorlesungssäle der Universität Bern, wo die drei Gründer gemeinsam das Einführungsstudium in Betriebswirtschaft besuchen, dringt der Ruf. Eine «Metaplattform», wie Patrick Mollet sagt, auf der alles fürs Studentenleben Notwendige auf einen Klick zu finden ist – das müsste doch zu machen sein. Und zum Erstaunen der drei ist es tatsächlich zu machen. «Man kann es ja mal probieren» –unter diesem Motto setzt das Projekt StudiSurf.ch Segel. Die Webseite programmieren die drei eigenhändig. «Unser Wissen reichte für das Wichtigste. Es gab ja auch nur einen Browser; eine Technologie, die man beherrschen musste», meint Marc Isler dazu. Die drei Solothurner, die sich schon von der Kantonsschule her kennen, arbeiten von zu Hause aus. «Manchmal kam uns während einer Party eine Idee, wie wir die Seite weiter ausbauen wollten. Die musste dann natürlich sofort umgesetzt

werden – und ‹sofort› heisst: Am nächsten Morgen war das online», gibt Marc Isler eine Anekdote aus den frühen Jahren zum Besten. Unisono meinen Mollet und Isler: «Keiner hätte je gedacht, dass daraus mal ein Unternehmen entsteht.» Doch der Zeitaufwand lohnt sich, der Wind bläst günstig und das Unternehmen nimmt Fahrt auf.

Es wächst

Die ersten Werbekunden buchen Banner auf der Webseite. Die drei Studenten merken: Da steckt mehr in dieser Idee, als sie auf den ersten Blick dachten. «Oops, da lässt sich ja Geld verdienen», fasst Marc Isler die Erkenntnis, die sie damals hatten, kokettierend zusammen. Es geht also weiter. Während Patrick Mollet für sieben Monate in Australien weilt, lanciert Marc Isler die «Studi-WG des Jahres». «Ich habe ein Booklet entworfen, Sponsoren dafür gesucht, das Ganze drucken lassen und am Ende stieg dann diese Party», so Isler. Wenn die beiden Junggründer zurückblicken und erzählen, klingt alles ganz einfach. Das hat nur beschränkt mit Koketterie zu tun, meistens meinen sie das so. Denn: Einen Anfang kann jeder machen. «Ideen hat ja jeder. Dazu braucht es keine hundertseitigen Konzepte. Kreativität reicht. Entscheidend ist, dass man andere Leute davon überzeugen


kann», erklärt Isler seinen Standpunkt. Eine Erfolgsgarantie ist das natürlich nicht: «Wir hatten viel Glück, waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Dafür gibt es keine Patentrezepte. Wir haben wenig geplant, vieles ist gewachsen.» Genau aus diesem Grund spricht Patrick Mollet allen Studierenden Mut zu: «Das Studium ist der beste Moment, um das Unternehmertum auszuprobieren: Man hat sehr viel Zeit, tiefe Fixkosten und rundherum tummeln sich schlaue Köpfe. Wichtig ist, dass man das Ganze nicht mit Fremdkapital aufbläst. Und wenn das Projekt scheitert, hat man mit Sicherheit etwas dazu gelernt.»

Von der Bieridee zum Büro

Ihre Idee ist nicht zum Scheitern verurteilt. Im Gegenteil: Im Jahr 2004, drei Jahre nach dem Aufschalten von StudiSurf.ch, machen die drei Studenten ihr Projekt zur StudiMedia GmbH. Nun geht es Schlag auf Schlag. Aus einer Bieridee wird das deutschschweizerische Hochschulmagazin StudiVersum geboren. «Wir haben gesehen, dass es in Deutschland so etwas gibt. Da dachten wir uns: Eigentlich können wir das auch machen.» Also gehen sie ans Werk, holen mit Valentin Handschin einen erfahrenen Journalisten an Bord, suchen Redaktoren und Layouter. Fündig werden sie an einem naheliegenden Ort: an der Universität. Die Studierenden amten als Journalisten und locken als Zielpublikum zahlungswillige Sponsoren an. «Es gab auch Stimmen, die sagten, das sei nie und nimmer möglich», lobt Marc Isler das Modell, das Studierende zu Mitarbeitern macht und heute noch funktioniert. Doch mit den blühenden Ideen wächst auch der Aufwand. Patrick Mollet, Marc Isler, Fabian Gressly und Valentin Handschin haben ihren Abschluss in der Tasche. Sie stehen vor der Wahl: aufhören oder weitermachen. Sie entscheiden sich mit Vorbehalt für das Zweite. Patrick Mollet schreibt an seiner Doktorarbeit, die anderen wagen den Berufseinstieg, und so delegieren sie die Geschäftsführung an Robert Toth, der sich so als Werkstudent sein Studium finanziert. Ein Büro in Bern wird gesucht und «zum ersten Mal waren wir eine Firma, wie man sich das vorstellt. Wir hatten Büromöbel, Computer, ein Sitzungszimmer und: eine Kaffeemaschine», äussert sich Patrick Mollet zur schleichenden Professionalisierung des Start-ups.

Potenzial wird genutzt

Die Grundsteine für ein «richtiges» Unternehmen sind also gelegt. StudiMedia wagt sich in tiefere Gewässer. Unter der Führung von Robert Toth steigt sie ins Hochschulmarketing ein. 2007, nach zwei Jahren, ist

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das Unternehmen soweit gediehen, dass eine erneute Umstrukturierung ansteht. Die 50 Stellenprozent von Robert Toth reichen nicht mehr aus, um StudiMedia zu führen, er konzentriert sich auf die Mediaplanung und die Finanzen. Patrick Mollet entscheidet sich, nach abgeschlossener Doktorarbeit und ersten Berufserfahrungen, die Vollzeitstelle der Geschäftsführung zu übernehmen. Er sieht Zukunft darin: «Das Hochschulmarketing war eine Branche, die es so noch nicht gab. Wir haben uns selbst einen Markt erschaffen, das war ein sehr kreativer Prozess.» In dieser Zeit stösst Max Meister zu StudiMedia. Er sitzt im Verwaltungsrat ein und übernimmt eine aktive Rolle bei der Strategieplanung: «Trotz der Krise hat StudiMedia funktioniert, und wir haben uns entschieden, das Modell vorwärts zu treiben.» Das Unternehmen wird neu positioniert: Es zieht von Bern nach Zürich und mit der juristischen Trennung von Verlag und Agentur sind aus einem Unternehmen zwei geworden. Die Geschichte von semestra.ch ist im Heute angelangt.

Weitreichende Lerneffekte

Und der Gedanke ans Aufgeben ist nie aufgekommen, Patrick Mollet? «Wir hatten auch mal renditelose Zeiten. Ernsthaft war das Aufgeben aber nie ein Thema. Natürlich, wenn man kein Geld mehr verdient oder sogar verliert, dann fragt man sich:

Warum noch Energie investieren? Aber mir machte das Unternehmertum stets Spass und wir kriegten zu viele gute Reaktionen, um aufzuhören.» Die Verantwortung, die er heute für sich und seine acht festen Mitarbeiterinnen trägt, gehört für ihn zum Wesen des Selbstständigen: «Es bringt nichts, wenn man dauernd nur an das Risiko denkt, das blockiert doch nur.» Im Nachhinein sehen die Gründer schon ein paar verpasste Chancen, doch das Nachhinein ist einfach, das zählt für sie nicht. Die Erfahrung, etwas aus dem Nichts aufgebaut zu haben, möchten sie nicht missen. Sie haben dabei viel gelernt: für spätere Jobs wie auch für sich selbst; über Mitarbeiterführung wie über Finanzbuchhaltung. Sie sehen auch, dass heute vieles anders ist und doch raten sie Studierenden sich ein Herz fürs Scheitern zu fassen. Als «eine eigentümliche Mischung aus Lockerheit und Durchhaltewillen», umschreibt Patrick Mollet den Unternehmergeist. Er rät: «Es braucht auch Flexibilität gegenüber dem eigenen Geschäftsmodell. Chancen soll man packen, auch wenn sie nicht der ursprünglichen Vorstellung entsprechen.» Ihre Idee ist gewachsen und Marc Isler sagt aus dieser Erfahrung heraus: «Ideen sollte man für sich selbst und die Nutzer umsetzten. Auch wenn die Finanzund Investorenwelt gerade anders tickt.» r Text Nora Lipp (Sehnsuchtsisländerin),

Bild Maya Wipf

Keine Patentrezepte von Max Meister (Verwaltungsrat von StudiMedia, Startup-Coach beim «Venture Business Plan»-Wettbewerb von McKinsey, Dozent für Marketing und Kommunikation): 1. Mach vor allem das, was du gut kannst, alles andere vergib an Externe (z.B. Buchhaltung). Viele reiben sich an diesen Dingen auf und vergeuden wertvolle Ressour cen, anstatt sich auf das Wesentliche zu fokussieren. 2. Hole nur Investoren rein, die etwas vom Geschäft verstehen (sog. Smart Money). Sie sollen inhaltlich etwas zu deinem Unternehmen beitragen und echtes Interesse an seinem Gedeihen haben. 3. Falls möglich, umgehe eine frühe Fremdfinanzierung. Faustregel: Mit dem Geld, das du verdienst, musst du überleben können (sog. Bootstrapping). Gehe bei der Geldbeschaffung lieber zuerst auf die drei «Fs» zu: Family, Friends and Fools. 4. Setze dir einen Stichtag: Wenn das Unternehmen bis dahin nicht rentiert, lass es sein. 5. Bewahre dir einen langen Atem: Erfolg braucht Zeit. Setze den Stichtag also nicht zu früh, vier bis sieben Jahre musst du rechnen, bis das Unternehmen nach- haltig profitabel ist. ANSCHAUEN Zum 10-jährigen Bestehen von semestra.ch haben Ivo Kuhn und Filip Dingerkus Eindrücke von ehemaligen Studierenden auf Video festgehalten: www.semestra.ch/10jahre.


IMPRESSUM | 2011.11

DENKSPIEL | Bananiertes

HERAUSGEBERIN:

Der beste Kenner von Einöden muss der «Denksport-Ali» sein. Immer und immer wieder wird er von Gedankenjägern in die Wüste geschickt, vorwiegend alleine, mehrheitlich einzig, um ein Rätsel zu lösen. Aus Alis Sicht ist deshalb zur Abwechslung ein zu optimierender Bananen-Transport geradezu eine Erholung, selbst wenn sein Kamel auf dem Wüstentrip fast sämtliche Bananen wegfrisst. Die Oase, in die Ali möglichst viele Bananen bringen will, liegt hundert Meilen entfernt. Sein Kamel Rademort zollt der schweren Last Tribut. Pro zurückgelegte Meile verschlingt es eine Banane. Glücklicherweise verkraftet Rademort trotz grosser Hitze nebst Alis Gewicht eine Ladung von 150 Bananen. So kann Ali voll beladen mit 150 Bananen abreisen, 100 Bananen verfüttern und somit 50 Bananen in die Oase retten. Das grosse Problem ist jedoch, mit nur 50 Bananen lässt sich selbst in einer abgelegenen Oase kein Geschäft machen. Ali entschliesst sich deshalb 450 Bananen in das Wüstenmanöver zu stecken. Das heisst, er startet mit 150 Bananen, macht in der Wüste ein Zwischenlager, kehrt zurück, holt weitere 150 Bananen, kehrt nochmals zurück und holt schliesslich die dritte Ladung ins Zwischenlager. Verfolgen wir hierzu eine Variante: Ali errichtet sein erstes Zwischenlager nach 50 Meilen. So muss er bis ins Lager 50 Bananen verfüttern, dort kann er 50 Bananen deponieren und mit 50 Bananen zum Verfüttern kehrt er ins Ausgangslager zurück. Das zweite Hin und Her liefert ihm weitere 50 Bananen. Dieses Mal kann er sogar 100 Bananen ins Zwischenlager bringen, da er nicht mehr zurückkehren muss. Voll bepackt mit 150 Bananen, begibt er sich auf die restlichen 50 Meilen und bringt so immerhin 100 Bananen in die Oase. Ali wäre nicht der schlaue Ali, würde er nicht immerfort Optimales anstreben. Er will ein Maximum an Bananen in die Oase bringen, wobei durchaus noch ein zweites oder sogar drittes Zwischenlager entstehen darf. An der Kapazität (150 Bananen) und am Futter (eine Banane pro Meile) gibt es indes nichts zu rütteln. Wie viele Bananen kann Ali maximal in die hundert Meilen entfernte Oase bringen?

Campus Lab AG Eschenring 2 6300 Zug CHEFREDAKTORIN:

Raffaela Angstmann REDAKTOREN DIESER AUSGABE:

Raffaela Angstmann, André Bähler Filip Dingerkus, Jonas Frehner Mario Fuchs, Uli Hahn Dominic Illi, Melanie Keim Julia Krättli, Nora Lipp Claudia Piwecki, Martina Zimmermann LAYOUT:

Aline Dallo DESIGN:

Céline Beyeler, Maike Hamacher BILDREDAKTION:

Johanna Muther, Maya Wipf ILLUSTRATION:

Melanie Imfeld FOTOGRAFIE:

Filip Dingerkus, Johanna Muther Katrin Rettich, Manuel Widmer Maya Wipf LEKTORAT:

André Bähler DRUCK:

Vogt-Schild Druck AG KONTAKT:

Campus Lab AG Lavaterstrasse 71 8002 Zürich Tel: +41 44 201 16 57 Fax: +41 44 201 16 50 www.campuslab.ch info@campuslab.ch

Lösung der letzten Ausgabe (Vermessen): Knoten mit einem oder drei Ausgängen sind «kritisch». Mit den vier schwarz gefärbten Zusatzstrecken kann das Problem der kritischen Knoten gelöst werden. Die beiden schwarzen Strecken mit den Längen 4 und 5 müssen doppelt benützt werden. Die gesamte Fehllänge beträgt somit nur 11 (1, 1, 4 und 5), die gesamte Länge 86 (75 + 11). r Kreation Peter Hammer

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LESERBRIEFE:

leserbriefe@studiversum.ch StudiVersum erscheint sechs Mal jährlich in einer Auflage von 25 000 Exemplaren an allen Universitäten und Fachhochschulen der Deutschschweiz. Alle Rechte vorbehalten; Nachdruck, Aufnahme in OnlineDienste und Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-Roms etc. nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung der Herausgeberin.

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Hausaufgabe: Polnisch auf Deutsch übersetzen

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Gdy nie znasz języka danego państwa, podróż może być bardzo kłopotliwa, ale nie musi. Übersetzung: Wenn man der Sprache des Landes nicht mächtig ist, kann die Reise ungeahnt schwierig werden – muss sie aber nicht.

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Die flotte 3 er-WG

Spontanität ist lernbar Text: André Bähler (Alter Schwede)

Rebekka sitzt vor dem Computer und bemerkt nicht, Nimm als Beispiel John: der hat sich letzten Frühling dass Beat ihr über die Schulter schaut: «Du liest Kon- ganz spontan entschlossen, nach Nepal zu reisen…» taktanzeigen, Rebekka? Du hast doch nun wirklich ge«…und weil vor der Abreise keine Zeit mehr fürs nug Männerbekanntschaften!» Impfen blieb, hat er sich dort Hepatitis A geholt und «Ich mache das für eine Seminararbeit in Sozial- noch Wochen später bei jedem Gang auf die Toilette ganz spontane Schmerzenspsychologie. Ich untersuche, welche Charaktereigenschaften sich schreie ausgestossen.» Partnersuchende beim zukünfti«Trotzdem ist Spontanität algen Partner am häufigsten wünles in allem ein wünschenswerter Charakterzug.» schen.» «Ach, komm! Wer sagt, er sei «Und? Was ist dein Resultat?» «An erster Stelle kommt spontan, versucht doch nur sei‹spontan›, an zweiter ‹humornen Hang zu unbedachten Handlungen, als etwas Erstrebenswervoll›.» tes zu verkaufen.» «Kein Wunder sind das gefragte Eigenschaften. Wenn ich «Das ist doch völlig absurd. Was hast du eigentlich für ein morgens um sechs im Tram sitze, ist kein Einziger spontan und huProblem mit Spontanität?» morvoll.» «Weisst du… bereits zwei Frauen haben mich verlassen, «Deine Studie ist auch nicht repräsentativ. Wie ich dich kenne, weil ich ihnen zu wenig spontan Alle 50 bisher erschienen war.» sitzt du pro Jahr höchstens drei Kurzgeschichten der «Das tut mir leid, Beat. Leider Mal um sechs Uhr früh im Tram. zeigen verschieden Studien, dass Und zwar dann, wenn du spät von 3-er wg gibt es nun einer Party heimkommst.» gesAmmelt in einem buch! es sehr schwierig ist, etwas daran zu ändern. Man kann ja nicht auf «Ja, ja. Aber im Ernst: Mich sichere dir jetzt dein erstaunt, dass die Leute glauben, Knopfdruck plötzlich spontaner Spontanität sei eine derart wün- exemplAr für nur 19.90 fr.* sein.» «Nein, da hast du leider recht. schenswerte Charaktereigenbequem per internet: Aber immerhin habe ich mittlerschaft.» www.studiversum.ch/3er-wg weile herausgefunden, wie man «Wieso?» «Na, stell dir mal vor, deine *plus Porto und Verpackung spontan wirkt.» Hausärztin würde ganz spontan «Wie denn?» ein noch nicht zugelassenes Medikament an dir aus«Man macht ganz bewusst einen völlig unüberlegprobieren. Oder ein gelangweilter russischer General ten Scheiss.» wirft spontan eine Atombombe über Washington ab.» «Es ist ja wohl allen klar, dass das nicht so toll wä- Weitere Geschichten der flotten 3er-WG findest du auf re. Aber Spontanität kann doch auch sehr positiv sein. www.semestra.ch/dieflotte3er-wg. Schau doch rein!

Nur eiN Kamel lässt sich das eNtgeheN!

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WIE ANNO DAZUMAL

Alltagstipp Kein Frust im Frost Dies, geschätzte Leser, ist für einmal ein Tipp, den euer guter Horst sich selber gibt. Denn das Leben hat mir übel mitgespielt, mich aufs Glatteis geführt und aufs Kreuz gelegt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Euer väterlicher Freund hat sich vor einigen Tagen guten Mutes auf eine Fahrradtour in den Jura begeben, nicht ahnend, dass in diesen höheren Gefilden bereits Schnee liegt. Das Ergebnis meines jugendlichen Übermuts: ein geprellter Arm, ein gestauchtes Schlüsselbein und zwei Wochen Schonhaltung. Was habe ich also daraus gelernt? Schneit es und der Schnee auf der Strasse ist noch frisch, lässt sich meistens problemlos radeln wie im wärmsten Sommer. Oft aber – wie etwa an besagtem Tag – liegt der Schnee bereits länger und ist gar vereist. Hier gilt es, aufzupassen, langsam zu fahren und vor allen Dingen in Kurven nicht zu treten und zu bremsen. Wer wie ich sturzanfällig ist, tut gut daran, seinen Sattel nach unten zu verstellen, um im Notfall mit den Füssen schneller am Boden zu sein. Auch empfiehlt sich, die Reifen möglichst schwach aufzupumpen – so haben sie mehr Bodenhaftung. Ich habe mich nach meinem Malheur ja dazu entschlossen, spezielle Winterreifen mit so genannten «Spikes» zu kaufen. Diese Metallstifte im Pneu bohren sich bei der Fahrt in die eisige Fahrbahn und geben zusätzlichen Halt. Schliesslich wünschte ich mir, ich hätte meine Bremsen vor der Fahrt kontrolliert: Durch die tiefen Temperaturen waren die Bremszüge eingefroren und um ein Haar hätten sie gar nicht mehr funktioniert. Dann wäre ich bestimmt nicht so glimpflich davongekommen. Fahrrad fahren im Winter ist an sich eine bäumige Sache. Ich werde mich durch mein Stürzchen keinesfalls davon abhalten lassen, auch bei tiefsten Temperaturen mit meinem Drahtesel zur Uni zu fahren – aber ich weiss nun, wo Gott hockt, und ich will mich nicht mehr unnötig mit ihm anlegen.

Horst

Horst, 75, zweifacher Vater, ist allzeit bereit: Ob im Haushalt oder in der Garage, beim Einkaufen oder an der Uni, Horst hilft! Als Hörer besucht er regelmässig Vorlesungen und weiss daher bestens Bescheid, was den Jungen von heute unter den Nägeln brennt. Seine Tipps sind längst schon keine Geheimtipps mehr. Deshalb: Horst ausschneiden, an den Kühlschrank oder die Pinnwand heften, dann kann nichts mehr schiefgehen!

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