Beobachter: Die Beinahe- Kreditkarte

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52 ratgeber PREPAID-ANGEBOTE

AM TELEFON

Die BeinaheKreditkarte Sie sehen aus wie normale Kreditkarten und funktionieren auch so. Doch Kredit gibts mit ihnen nicht: Prepaid-Karten, ideal für Heranwachsende, Nichtkreditwürdige und Ängstliche. Text: Martin Müller

Kalter Entzug im Pausenraum

I

m riesigen Kreditkartenmarkt sind Prepaid-Karten zwar ein Nischenprodukt, aber besonders für zwei Zielgruppen sind sie attraktiv und nützlich. Erstens für Jugendliche, um sie an die Welt der bargeldlosen Zahlungsmittel heranzuführen. Und zweitens für Erwachsene, die – etwa wegen früherer Betreibungen – keine «normalen» Kreditkarten erhalten. Mit einer Prepaid-Karte können auch sie alltägliche Dinge tun, die sich ohne Kreditkarte nur noch sehr schwer erledigen lassen. Zum Beispiel einen Mietwagen reservieren oder im Internet einen Flug buchen.

«Muss man verpasste Arbeitszeit nachholen?», fragt eines Morgens eine junge Stimme an der Beratungshotline des Beobachters. «Kommt darauf an, warum Sie die Arbeitszeit verpasst haben. Wenn der Grund dafür beim Arbeitgeber lag, müssen Sie nicht nachsitzen. Wenn Sie aber zu spät zur Arbeit kamen, dann schon.» «Ich habs doch gewusst», sagt der Anrufer. «Ich bin halt zu lang in der Pause gewesen.» – «Wie lang denn? Wenn es bloss fünf Minuten waren, müssen Sie noch nicht mit Konsequenzen rechnen», meine ich. «Hm», seufzt er: «Es war weit mehr als das – tatsächlich waren es drei Stunden.» «Wow!», höre ich mich ausrufen, «das ist natürlich eine ganz andere Ausgangslage.» – «Bevor sie mich verurteilen, müssen Sie noch den Rest der Geschichte kennen», verteidigt sich der junge Mann.

Vor allem Junge nutzen die Prepaid-Karte Allein Viseca, die für Kantonalbanken, Bank Coop, Migrosbank und Raiffeisen das Kartengeschäft abwickelt, hat 200 000 Pre-

Prepaid-Karten im Vergleich: Das kann teuer werden Anbieter

Cornèr Bank

Credit Suisse

Paysafecard

Produktname

Cornèrcard Reload

MasterCard Prepaid

Yuna To Go

Auch erhältlich bei

ILLUSTRATION: SAMUEL JORDI

Wer nicht hören will… «Klar bin ich immer einen Tick zu lange in der Pause geblieben.» Und natürlich habe ihn sein Chef wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass es irgendwann mal «chlöpfe», so à la: Wer nicht hören will, muss fühlen. «Aber er hätte mich ja nicht gleich im Pausenraum einsperren müssen.» «Was…?», frage ich entsetzt. «Und jetzt will er auch noch, dass ich die verpasste Arbeitszeit nachhole. Glauben Sie mir, diese paar Stunden zwischen Kaffeemaschine und Putzlumpen und vor allem ohne Smartphone waren schon Strafe genug.» Anne Sciavilla

paid-Karten im Umlauf. Der Hauptteil davon gehört Studenten – die meisten erhalten die Karte über ihre Bank gratis. Postfinance zählt weitere 70 000 Prepaid-Karten-Kunden, Tendenz auch hier steigend. Für den Zürcher Erziehungsfachmann Urs Abt ist klar: «Prepaid-Geldkarten für Jugendliche sind eine gute Sache. Sie bieten wie beim Prepaid-Handy einen Schutz, weil kein Kontoüberzug möglich ist.» Abt findet den Wechsel von der Mittel- zur Oberstufe den geeigneten Zeitpunkt, Kindern mehr Verantwortung zu übertragen. «Die Eltern sagen dem Heranwachsenden damit: ‹Wir haben Vertrauen in dich, und du hast die Kompetenz zu entscheiden, wofür du dein Geld einsetzen willst.›» Einige der Prepaid-Karten sind ab dem 12. oder 14. Altersjahr erhältlich, wobei die

Tankstellen, Kioske

Mindestalter

12 Jahre

12 Jahre

keines

Bankkonto nötig?

nein

ja

nein

Maximale Ausgaben pro Jahr

Fr. 120 000.–

keine Limite

Fr. 3000.–

Kontoauszug

nur online

nur online

nur online

1

Jahresgebühr

Fr. 25.– / Fr. 50.–

Kosten für Aufladungen

Fr. 2.–

1%

6%

Fremdwährungszuschlag bei Einkäufen in Euro, USD usw.

0,9%

0

2%

Kosten für Bargeldabhebungen 2,5%, mind. Fr. 6.– Reihenfolge alphabetisch nach Anbieter grün: günstige Angebote; rot: teure Angebote Quelle: Angaben der Anbieter

1

0 / Fr. 40.–

2

3,75%, mind. Fr. 5.–

Fr. 25.– für unter 26-Jährige, Fr. 50.– für alle anderen

2

kostenlos mit Viva-BankingPaket

Fr. 15.–

nicht möglich 3

5% via Paysafecard, 6% bei den Verkaufsstellen


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Ein fast anonymes Zahlungsmittel

Die Eltern können aus der Ferne das Konto aufladen: Prepaid-Karte

FOTO: GETTYIMAGES

Erziehungsberechtigten den Antrag unterschreiben müssen. Danach können aber die Jugendlichen selbständig entscheiden, wie viel Geld sie vom Bankkonto auf die Prepaid-Karte laden wollen. «Die Jugendlichen sollen lernen, das Geld einzuteilen. Und sie sollen auch mal

den Schmerz eines Fehlkaufs aushalten», sagt Urs Abt. Das liesse sich natürlich auch mit Bargeld bewerkstelligen – doch Kinder bewegen sich immer mehr im Internet, und dort läuft ohne Kreditkarte praktisch nichts. Zudem lernen sie auf diese Weise gleich den sorgfältigen Umgang mit Sicher-

Prepaid-Karten empfehlen sich für Heranwachsende und Schuldner mit schlechter Kreditvergangenheit, aber auch für eine dritte Zielgruppe: Leute, die befürchten, dass ihre Kreditkartendaten gestohlen oder ihre Einkaufsgewohn­ heiten im Netz ausspioniert werden – sei es von Geheimdiensten oder Gaunern. Die Credit Suisse wirbt ausdrücklich mit dem Argument der «Diskretion», weil auf ihrer Prepaid-Karte keine Kundendaten aufgedruckt sind und keine Kontoaus­ züge verschickt werden. Gegen Internetbetrüger schützt die Prepaid-Karte relativ gut, weil ein all­fälliger Verlust auf den aktuellen Kartensaldo beschränkt ist. Gegen Geheimdienste schützen sie indes nur, wenn sie nicht an ein Bankkonto gekoppelt sind. Solche gibt es zwar (siehe Tabelle) – aber sie sind deutlich teurer als Angebote in Kombination mit einem Konto. Auch beim Kauf einer anonymen Karte muss man sich zwar mit einem Ausweis identifizieren, aber der Name wird nicht auf die Karte aufgedruckt und ist ausser bei der Kaufstelle nirgends gespeichert. Gänzlich anonym bleibt man dennoch nicht: Für den Kauf braucht es zwingend eine Schweizer Handynummer, und die wird ja ebenfalls registriert.

Paysafecard

Postfinance

SBB

UBS

Valora

Viseca

Yuna Card

MasterCard Value

Visa-Prepaid

MasterCard Prepaid

ok.— Prepaid MasterCard

Prepaid-Karte

Kioske

Kantonalbank, Bank Coop, RBA Clientis, Valiant, Migrosbank, Raiffeisen

Tankstellen, Kioske

18 Jahre

12 Jahre

14 Jahre

14 Jahre

14 Jahre

14 Jahre

nein

ja

ja

ja

nein

nein

Fr. 60 000.–

keine Limite

keine Limite

keine Limite

Fr. 2500.–

Fr. 120 000.– 8

nur online

nur online

ja, gratis

ja, gratis

nur online

online gratis, Papier Fr. 1.50

Fr. 39.–

0 / Fr. 50.– 9

5

6

Fr. 25.–

0 / Fr. 25.– / Fr. 50.– 4

Fr. 30.–

0 / Fr. 50.–

5–6% 3

0

1%, mind. Fr. 2.–

0

4%, mind. Fr. 2.–

1%, mind. Fr. 5.–

2%

0,9%

2%

1,75%

2%

1,5%

2,5%, mind. Fr. 5.–

3,5%, mind. Fr. 10.–

2,9%, mind. Fr. 5.–

3,5%, mind. Fr. 5.– 7

nicht möglich

3,5%, mind. Fr. 5.– 7

4

Fr. 25.– mit einem Jugendkonto, gratis mit einem Ausbildungskonto

5

gratis mit einem Generalabo oder Fr. 150.– inklusive Halbtaxabo; für alle anderen: zuzüglich einmalige Aktivierungsgebühr Fr. 30.–

6

inbegriffen in diversen Paketen

7

im Ausland mindestens Fr. 10.–

8

für Studenten: max. 36 000 Fr.

9

gratis, solange in Ausbildung bis maximal 30-jährig (je nach Bank Unterschiede möglich)


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Beobachter

DAS NEUE URTEIL

Nicht alle erhalten einen Assistenten Seit 2012 bietet das IV-Gesetz eine neue Leistung für hilflose Personen an: den Assistenzbeitrag. Damit soll eine Assistenzperson entlöhnt und die hilflose Person in ihrer Selbständigkeit gefördert werden. Das Gesetz sieht den Assistenzbeitrag aber nur für Personen mit einer IV-Hilflosenentschädigung vor. Wer eine andere Hilflosenentschädigung bezieht, etwa von der Unfallversicherung, erhält keinen solchen Beitrag. Das ist insofern nicht logisch, als die Voraussetzung der Hilflosigkeit bei beiden Versicherungen gleich ist. Weil es aber pro Person immer nur eine Hilflosenentschädigung gibt und jene der Unfallversicherung vorgeht, gibt es für Bezüger einer solchen keinen Assistenzbeitrag.

Keine Diskriminierung

ILLUSTRATION: SAMUEL JORDI

heitsmethoden, denn auch Prepaid-Karten Jugendliche in Ausbildung gratis an, unter haben selbstverständlich einen PIN-Code. 18-Jährige mit einem Jugendkonto erhalten Im Prinzip sind Prepaid-Karten nichts sie für 25 Franken. anderes als eine wiederaufladbare Geschenkkarte – mit dem Unterschied, dass Teurer, dafür schneller aufgeladen sie nicht nur in einem einzigen Geschäft Die anderen Prepaid-Karten der Banken eingesetzt werden können. Genau dieser kosten rund ein Prozent bei jeder AuflaUmstand macht die Prepaid-Karte zum dung. Teurer wirds bei den Angeboten der besseren Übungswerkzeug: Wer mal hier, Kioskkette Valora oder der Firma Paysafemal dort etwas ausgibt, verliert schneller card: Bei ihnen frisst das Aufladen bis zu den Überblick, als wer nur in einem einzi- 6 Prozent weg – wer 100 Franken einzahlt, kann nur für 94 Franken gen Laden einkaufen kann. Umgekehrt heisst «Prepaid-Geldkarten einkaufen. Marc Riedi, von Paydas: Wer mit einer Presind für Jugendliche Geschäftsführer safecard Schweiz, bepaid-Karte umgehen eine gute Sache, weil gründet diese hohen kann, kann es vermutlich später auch mit einer kein Kontoüberzug Kosten mit der niedrigen Jahresgebühr und dem echten Kreditkarte. möglich ist.» Umstand, dass an sieben Prepaid-Karten lohUrs Abt, Erziehungsfachmann Wochentagen von 6 bis nen sich auch als Ergän22 Uhr ein rasches und zung zur Maestro-Karte bei Auslandsaufenthalten Heranwachsen- unkompliziertes Aufladen durch Tankstelder (zum Beispiel im Austauschjahr): Die lenshop-Personal möglich sei. Zudem locken diese Anbieter mit soforEltern können aus der Ferne das Konto tiger Aufladung, etwa Valora: «Nach zehn aufladen. Minuten ist das Geld bereits auf der Karte.» Kein Kauf möglich mit veralteten Geräten Wer die Prepaid-Karte einer Bank via eine Beim Einsatz unterscheiden sich Prepaid- normale Banküberweisung auflädt, muss Karten nicht grundsätzdagegen oft einen Werklich von herkömmlichen tag warten, bis das Geld Wer die PrepaidKreditkarten. Man kauft verfügbar ist. Zu den JahKarte oft für interresgebühren und Aufvia Internet im In- oder nationale Zahlungen ladekosten kommt ein Ausland Waren oder dritter wichtiger Kostenzahlt vor Ort die Hoteleinsetzt, ist mit rechnung. Einzige Auseinem tiefen Fremd- faktor: der Fremdwährungszuschlag, wenn nahme: An veralteten währungszuschlag man nicht in Schweizer Bezahlstellen (mit sogebesser bedient. Franken einkauft, sonnannten Ritsch-ratschdern etwa die HotelrechGeräten) funktioniert die Prepaid-Karte nicht, weil diese Geräte kei- nung in Barcelona bezahlt oder bei einem ne elektronische Abfrage des Kontostands deutschen Internetshop bestellt. erlauben, vereinzelt auch nicht an Mautstellen oder in Taxis. Laut MasterCard sind Geld im Ausland abzuheben ist sehr teuer in Europa und Nordamerika aber 90 Pro- Dieser Aufschlag beträgt je nach Anbieter zent aller Bezahlstellen mit elektronischen zwischen 0 (Credit Suisse) und 2 Prozent Geräten ausgerüstet. Weitere Einschrän- (Paysafecard, SBB, Valora) und ist in der kung: Einige Anbieter lassen keinen Bar- Regel gleich hoch wie bei normalen Kreditkarten. Wer die Karte sehr häufig im Ausgeldbezug zu (siehe Tabelle). Für Jugendliche gibt es bei den meisten land einsetzt, für den ist ein tiefer FremdBanken speziell tiefe Jahresgebühren für währungszuschlag entscheidend. Die diessolche Prepaid-Karten. Allerdings ist es mit bezüglich teure SBB-Karte kann das der Jahresgebühr nicht getan – anders als immerhin wettmachen, weil sie für Halbbeim Prepaid-Handy kassieren die Anbie- tax- und Generalabokunden gratis ist. Übrigens: Wie bei normalen Kreditkarter von Prepaid-Karten jedes Mal, wenn sie aufgeladen werden. Einzige Ausnahmen ten auch sind Bargeldabhebungen (etwa sind hier UBS und Postfinance. Postfinance am Automaten im Ferienland) sehr teuer bietet die Karte zudem für Studenten und und nur in Notfällen zu empfehlen.

Eine ehemalige Abteilungsleiterin, die seit einem Gleitschirmunfall Tetraplegikerin ist, hat diese Regelung vor Bundesgericht beanstandet. Das sei eine Diskriminierung der Unfallversicherten, verstosse gegen Verfassung und Menschenrechte. Das Bundesgericht ist anderer Meinung. Der Gesetzgeber habe bewusst auf die Einführung des Assistenzbeitrags in der Unfallversicherung verzichtet, da deren Leistungen insgesamt beträchtlich umfangreicher seien als jene der IV. So ist auch der Betrag der Hilflosenentschädigung höher. Es könne also keine Rede davon sein, dass die Beschwerdeführerin weniger erhalte als andere Hilflose. Regina Jäggi Bundesgericht, Urteil vom 15. April 2014 (9C_757/2013)


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