Gesundheit dank sauberem Wasser
Reportage Das Richtige tun
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orgens um Viertel nach sieben Uhr ist das Licht in den bolivianischen Anden klar und die Luft flirrend. Für die Zweitklässlerin Mariluz Mamani und ihre Schwestern Aracely (9) und Noelia (12) hat der Tag schon begonnen. Auf dem kleinen Hof sorgen sie für lebhaftes Treiben: Türen werden aufgerissen, Schulsäcke und Kleider zusammengesucht, alles begleitet von lautem Lachen und Schwatzen. Die Mutter Vicenta Mamani (35) bleibt trotz des Trubels die Ruhe in Person. Sie kämmt ihren Töchtern liebevoll die langen Haare und flicht sie zu kunstvollen Zöpfen, hilft beim Ankleiden der Schuluniform. Und als die Mädchen sich dann endlich auf den Weg machen wollen, ruft Vicenta Mamani in Aimará, der indigenen Regionalsprache: «Zuerst noch die Füsse waschen!» Eine Oase ohne Trinkwasser
Für die Menschen im bolivianischen Dorf Candial haben sich Beharrlichkeit und harte Knochenarbeit gelohnt: Seit Anfang Jahr verfügen sie über eigene Trinkwasser-Anschlüsse. Dies ist möglich geworden dank Eigeninitiative, konstruktiver Zusammenarbeit mit der Gemeinde und der lokalen Caritas – und auch dank Spenden aus der Schweiz. Dominique Schärer (Text), Alexandra Wey (Bilder)
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«Früher gingen meine Kinder dreckig zur Schule und wir hatten auch kein sauberes Wasser zum Trinken», sagt die Mutter, nachdem auf ihrem Hof Ruhe eingekehrt ist. Sie vergisst ihre anfängliche Scheu vor dem Besuch aus der Schweiz etwas, wenn sie vom Wasser spricht. Die Bäuerin zeigt auf ihre Mais-, Kartoffel- und Salatfelder im fruchtbaren Tal, umgeben von kargen Felsen und hohen Bergen. «Das Wasser des Flusses reicht für unseren Bewässerungskanal, doch als Trinkwasser ist es zu schmutzig. Auch die Tiere trinken daraus», erklärt Vicenta Mamani, während sie sorgfältig verschiedene Sorten Kartoffeln fürs Mittagessen auswählt und in eine blaue Schüssel legt. Zwar gab es im Dorf früher drei öffentliche Wasserhahnen, doch die Quelle versiegte oft. Vicenta Mamanis Miene verdüstert sich kurz. «Um das Trinkwasser gab es häufig Streit. Weil das Wasser so spärlich floss, musste man lange anstehen und die Hintersten in der Schlange erhielten gar nichts mehr.» Darum holte die Familie das Wasser in der Trockenzeit vom Bewässerungskanal. «Wir liessen es eine Weile in einem Kanister stehen, damit sich die grösseren Dreckteile auf den Boden senken konnten.» Ganz ungeniessbar wurde das Wasser, wenn der Fluss bei starkem Regen verschlammte – dann sammelten Mutter und Töchter Regenwasser auf dem Dach.
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Noelia hilft ihrer Mutter, das Mittagessen zuzubereiten – mit sauberem Wasser.
Vor dem Schulbeginn: Die Mädchen waschen sich die Hände.
Obwohl der Bewässerungskanal eigentlich der Landwirtschaft dient, holte die Bevölkerung auch das Wasser für Wäsche und Körperpflege aus dem Kanal. Vicenta Mamani erinnert sich nicht gern daran: «Damals konnten wir nicht auf Hygiene und Gesundheit achten, und meine Töchter hatten oft Durchfall.» Wenn möglich behandelte die Mutter den Durchfall selbst mit Heilkräutern, ansonsten mussten sie zur nächsten Gesundheitsstation, anderthalb Stunden zu Fuss. Wenn bei starkem Regen das Dorf wegen reissenden Flüssen oder Erdrutschen von der Aussenwelt abgeschnitten war, wurde der Arztbesuch unmöglich. Das alles hat sich verbessert, seit die Dorfbewohner, mit Unterstützung der lokalen Caritas und von Caritas Schweiz, ein Trinkwassersystem für 64 Familien errichtet haben. Vicenta Mamani führt uns im Garten zum neuen Wasserhahn mit Spül becken, den sie sich mit ihrem Vater auf dem
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leinen Grundstück teilt. Während sie dort k die vorbereiteten Kartoffeln wäscht, sagt sie: «Heute haben wir genug Wasser zum Kochen, zum Trinken und sogar für die Wäsche und die Körperpflege.» Die Töchter
Hygiene gehört dazu
Es ist unterdessen Viertel nach zehn Uhr; in der kleinen Dorfschule läutet eine Glocke die Pause ein. Die Schülerinnen und Schüler erhalten ein Frühstück, bestehend aus
«Heute haben wir genug Wasser zum Kochen, zum Trinken und sogar für die Körperpflege.» sind gesünder und können sauber zur Schule gehen, und die Bäuerin hat mehr Zeit für die Arbeit auf dem Feld und für die wöchentliche sechsstündige Fahrt nach La Paz, wo sie ihre Produkte verkauft. Zeit ist ein wichtiges Gut, denn auf den Schultern der alleinerziehende Mutter – über diese Geschichte spricht sie nicht gern – lastet gleichzeitig die Verantwortung für die drei Mädchen, den Haushalt sowie den kleinen Hof und die Existenz der Familie.
einem Brötchen und einem Beutel Milch. Danach strömen sie in Gruppen zur Was serstation des Schulhauses. Unter ihnen ist auch Mariluz, die wie ihre Freundinnen ein Set mit Zahnbürste, Zahnpasta, Seife und Frotteetuch auspackt. Sie drückt die Zahnpasta auf die Bürste und zeigt vor, wie man die Zähne putzt. Und sie erklärt lebhaft, was sie alles gelernt hat: «Am Morgen, vor jedem Essen, nach jedem Gang auf die Toilette und am Abend – immer dann sollten wir uns
die Hände waschen.» Hygiene gehört in der Grundschule von Candial zum Pflichtstoff. Eine Caritas-Sozialarbeiterin hat das Thema während 15 Monaten in Workshops mit den Schülern und der ganzen Dorfgemeinschaft behandelt. Denn sauberes Wasser bringt keine bessere Gesundheit, wenn gleichzeitig nicht auch die wichtigsten Grundregeln der Hygiene beachtet werden. Wie das Wasser und das neue Wissen das Leben im Dorf verändert haben, zeigen die Schülerinnen und Schüler nach der Pause in einem Theaterstück auf dem Platz vor dem Schulhaus. Noelia, die grosse Schwester von Mariluz, übernimmt die Rolle der Mutter: Verwendet sie beim Kochen Wasser vom Bewässerungskanal, so werden die Kinder krank und werfen sich mit Bauchweh auf den Boden. Verwendet die Mutter sauberes Wasser und wäscht sich selbst die Hände vor dem Kochen, so bleiben die Kinder gesund und gehen voller Elan zur Schule. «Die Zahlen sprechen für sich», sagt Noemi Ylimori, die Ärztin der zuständigen Gesundheitsstation: «Früher behandelten wir rund 190 Durchfall-Patienten pro Quartal. Seit dem Bau der ersten Trinkwasserversorgungen haben sich die Behandlungsfälle halbiert.»
Wasser als Menschenrecht
Wasser ist ein zentrales Thema im Bezirk Sapahaqui südöstlich von La Paz, wo sich auf 2600 Metern Höhe auch das Dorf Candial befindet. Mehr als 95 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze und nur 23,5 Prozent der Gemeinden verfügen hier über ein Trinkwassersystem mit Hausanschluss. Caritas unterstützt acht Dörfer des Bezirks, um den Zugang zu Trinkwasser zu gewährleisten (siehe Kasten Seite 10). Zum Beispiel das weiter unten gelegene Dorf Poopo, wo die Landschaft noch karger ist und das Projekt erst gerade begonnen hat. Denn in Poopo ermöglicht der Sapahaqui-Fluss den Bauern zwar die Bewässerung ihrer Felder, aber das Wasser ist wegen seines Gehalts von Salpeter ungeniessbar. Die Menschen fahren bis zu acht Stunden im öffentlichen Nachtbus, um Trinkwasser aus La Paz zu holen. Trotzdem können die Bauern ihren Durst während der strengen Feldarbeit nicht löschen, und die unhygienische Körperpflege mit Salzwasser begünstigt Krätzemilben, die sich unter der Haut der Menschen einnisten. Die Regierung unter Präsident Evo Morales hat das Wasser-Problem erkannt: Die Anfang 2009 verabschiedete Verfassung hält fest, dass der Zugang zu Wasser ein Grund-
Mariluz kann sich in der Schule konzentrieren, seit sie nicht mehr so oft Durchfall hat.
Bolivien BRASILIEN PERU
BOLIVIEN La Paz Candial Sucre
CHILE
ARGENTINIEN
PARAGUAY
Indigene Bevölkerung 49 %, insgesamt 36 Ethnien Amtssprachen Spanisch und seit der neuen Verfassung von 2009 auch die indigenen Sprachen Ketschua und Aimará sowie weitere 34 Regionalsprachen Reduktion der extremen Armut Von 38 % (2005) auf 21 % (2014) Zugang zu Trinkwasser in der Stadt 96 % Zugang zu Trinkwasser auf dem Land 70 %
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«Wir können unmöglich alles allein machen» Bei der Armutsbekämpfung kann Entwicklungszusammenarbeit einen wichtigen Beitrag leisten. Dies sagt Germán Chino, Gemeindebezirkspräsident von Sapahaqui. Sapahaqui ist ein armer Bezirk mit vielen dringenden Bedürfnissen. Was sind die Prioritäten?
Es gibt viele wichtige Themen, etwa in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Aber eines der allerwichtigsten Themen ist Wasser. Besonders froh sind wir, dass Caritas einen Weg gefunden hat, Regenwasser zu sammeln, wo keine Brunnenbohrungen möglich sind. So verfügen auch Familien in besonders trockenen Gebieten über Trinkwasser. Unser Ziel ist es, möglichst alle der insgesamt 115 weit verstreuten Gemeinden in unserem Bezirk mit Trinkwasser zu versorgen. Wie teilen sich der Bezirk, die Dörfer und die Caritas die Arbeit?
Weiter unten im Tal, das Dorf Poopo: Aus dem Fluss können die Bauern ihre Tomatenfelder bewässern – aber das Wasser ist salzig und eignet sich nicht zum Trinken.
Das Wasserprojekt in Kürze Gemeinsam mit Caritas Corocoro ermöglicht Caritas Schweiz im Bezirk Sapahaqui zwölf Gemeinden den Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das Dorf Candial gehört zu jenen vier Gemeinden, wo das Projekt schon umgesetzt wurde. In Gemeinschaftsarbeit werden nun in fünf zusätzlichen Dörfern Wassersysteme via Bohrungen mit Hausanschlüssen gebaut. In drei weiteren Gemeinden ist der Boden zu mineralhaltig für Bohrungen, weshalb hier Systeme für die Sammlung von Regenwasser installiert werden. In den zwölf Gemeinden erhalten insgesamt fast 3000 Menschen sauberes Trinkwasser. Das Projekt wird unterstützt von der Leopold
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Bachmann-Stiftung und Medicor Foundation. Sauberes Trinkwasser ist ein Schwerpunkt von Caritas Schweiz – in Bolivien wie auch in anderen Ländern. Im Herbst 2015 findet ein Treffen zwischen einer Caritas-Wasserspezialistin aus Nairobi und Partnerorganisationen in Bolivien statt. So können die Fachleute gegenseitig von ihren Erfahrungen profitieren. Das Resultat des Treffens wird in die künftige Arbeit von Caritas Schweiz in Bolivien einfliessen. www.dasrichtigetun.caritas.ch/daner www.caritas.ch/eza
recht sei. Seither arbeitet Bolivien am landesweiten Ausbau der Wasserversorgung. Doch die Herausforderungen sind für das ärmste Land Südamerikas riesig und die Unterschiede zwischen Stadt und Land immer noch erheblich: Während 96 Prozent der urbanen Bevölkerung heute über Zugang zu Trinkwasser verfügen, sind es bei der ländlichen Bevölkerung nur 70 Prozent, von denen nur etwa 50 Prozent einen direkten Hausanschluss haben. Dank dem nationalen Wasser-Programm (MI agua, Phase I–III) haben Gemeindebezirke Zugang zu staatlichen Zuschüssen, wenn sie in ihren Haushaltsplänen eigene Gelder für Investitionen für Wasserversorgung budgetieren. Auch das Departement La Paz, zu dem Sapahaqui gehört, führt ein Programm zur Unterstützung von Trinkwassersystemen. Beide Programme beschränken sich aber auf das Bohren von Brunnen, das
Installieren von Wasserpumpen und auf den Bau von Wassertanks. Nicht dazu gehören direkte Hausanschlüsse, der systematische Einbezug der Bevölkerung und Fragen rund um die Hygiene.
Die Dorfchefs kommen zu uns und teilen uns ihre Bedürfnisse mit. Dann schlies sen wir mit Caritas einen Vertrag ab. Bei der konkreten Umsetzung übernimmt der Bezirk 30 Prozent der Finanzierung, die Caritas 60 Prozent und die Dörfer zehn Prozent. Die Bevölkerung stellt ihre Arbeitskraft zur Verfügung.
Die Bevölkerung übernimmt das Wasser
Das Caritas-Wasserprojekt ist eine wichtige Ergänzung zur staatlichen Arbeit. «Ein Brunnen, bei dessen Bau und Wartung die Bevölkerung nicht einbezogen wird, hat meist eine kurze Lebensdauer», sagt Caritas-Sozialarbeiterin Soledad Limachi, die in den Dörfern den Aufbau von Wasser-Komitees begleitet. Sie führt zum kleinen Büro von Teófilo Cruz Calle (39), dem hochgewachsenen Präsidenten des Wasserkomitees von Candial. Der engagierte Bauer und Wasserchef erzählt, wie das Projekt begann. «Wir litten unter dem Wassermangel und beschlossen, das Problem anzugehen.» Das
Welche Rolle haben aus Ihrer Sicht Organisationen wie Caritas für die Entwicklung Ihres Bezirks?
Germán Chino, Gemeindebezirkspräsident von Sapahaqui
Schweiz und der Schweizer Bevölkerung viel zu verdanken. Sie können sicher sein, dass ihre Mittel hier gut investiert sind. Auch auf nationaler Ebene ist die Bekämpfung der Armut eines der wichtigsten Ziele der Regierung. Sieht man in Sapahaqui Ergebnisse dieser Bemühungen?
Ja, wir sehen eindeutig Verbesserungen. Die Dörfer sind heute besser zugänglich, es gibt mehr Strassen. Es werden Schulen und Gesundheitsstationen eingeweiht. Dies ist unter anderem dadurch möglich, dass wir von der Zentralregierung mehr finanzielle Mittel erhalten, um solche Projekte in unserer Region umzusetzen.
Eine sehr wichtige Rolle, denn wir können unmöglich alles allein machen. Caritas ergänzt unsere Arbeit und leistet wichtige Unterstützung für Dörfer, die dringend Hilfe benötigen. Auch die Caritas-Fachkräfte wie Sozialarbeiterinnen und Ingenieure sind wichtig, denn wir haben nicht genügend finanzielle Mittel, um alles nötige Personal selbst anzustellen. Wir haben Caritas Corocoro, Caritas
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Das Richtige tun Reportage
Perspektiven Das Richtige tun
Entwicklungsagenda 2015: ehrgeizige Ziele, steiniger Weg
Mariluz, ihre Schwester Aracely und Cousin Daner vergnügen sich am neuen Wasserhahn vor dem Haus.
Dorf wandte sich einerseits an den Gemeindebezirk Sapahaqui – dieser hatte schon Vorarbeiten für die Infrastruktur geleistet – und gleichzeitig an die lokale Caritas in Corocoro. «Von da an arbeiteten alle zusammen», sagt der Wasserchef stolz. Unter Anleitung
gewählte Komitee haben gelernt, kleinere Schäden zu reparieren und gemeinsam mit der ganzen Dorfgemeinschaft einen monatlichen Preis von zehn Bolivianos (ca. 1.40 Franken) für drei Kubikmeter Wasser festgelegt, über dessen Zahlungen sie Buch führen.
«Dort oben haben auch wir Frauen Gräben ausgehoben, das war die schwerste Arbeit.» von Caritas-Ingenieuren hoben die Familien des Dorfes Gräben aus, schleppten Sand und Zement und verlegten eigenhändig Wasserrohre. «Das war harte Arbeit für uns alle», erinnert sich Teófilo Cruz. Er führt uns zur Bohrstelle am Dorfrand, von wo aus das Wasser mit Hilfe von Elektrizität in ein Reservoir auf einem Hügel geleitet und später in die Haushalte verteilt wird. «Es ist für uns ein riesiger Erfolg, dass nun jede Familie einen eigenen Trinkwasser-Anschluss hat», sagt Teófilo Cruz. Er und das demokratisch
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Die nächsten Projekte warten schon
Es ist Mittag geworden, die Schülerinnen und Schüler kommen heim fürs Mittagessen – auch Mariluz und ihre Schwestern. Zu Hause hilft Noelia der Mutter in der winzigen Küche, das Gemüse zuzubereiten. Während das Essen kocht, spielen die Töchter Fussball mit ihren Cousins von nebenan, deren Vater bei einem Arbeitsunfall gestorben ist. Zusätzlich zu ihrer grossen Arbeitslast betreut Vicenta Mamani auch diese Kinder regelmässig, wenn ihre Schwägerin nach La Paz
auf den Markt fahren muss. Die Bäuerin hat noch einmal einen Moment Zeit, während sich ihr Neffe, der vierjährige Daner, in den rosa Rüschen ihrer weiten Arbeitsschürze versteckt. «Wir sind so glücklich, jetzt Wasser zu haben. Glücklich und auch ein bisschen stolz.» Sie weist hinauf zum Hang, wo das Wasser-Reservoir in den rot-weissen Caritas-Farben leuchtet: «Dort oben haben auch wir Frauen Gräben ausgehoben, das war die schwerste Arbeit.» Wenn sie und die anderen Dorfbewohner vom Wasser sprechen, sind Begeisterung und Elan spürbar. In den Köpfen der Menschen gibt es schon ein nächstes Projekt: Duschen und Toiletten für die Schule und die Häuser – für noch mehr Hygiene und noch bessere Gesundheit. <
Ende September beschliessen die Uno-Mitglieder 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Die umfassende weltinnenpolitische Agenda will bis 2030 Armut und Hunger beseitigen, die Umweltzerstörung aufhalten, für Wirtschaftsregeln sorgen, welche die armen Länder begünstigen, soziale Ungleichheiten reduzieren und den Umweltverschleiss der reichen Länder verringern. Wie die Regierungen dazu gebracht werden können, diese Agenda ernst nehmen, war Gegenstand der kürzlich beendeten Strategiediskussion von Alliance Sud. Die Ausgangslage ist steinig. Kein Staat oder Staatenblock ist heute mehr in der Lage, die internationale Politik allein zu bestimmen. In der Welthandelsorganisation WTO ist der Interessenausgleich zwischen den starken und schwachen Ländern blockiert. Das Klimaabkommen vom Dezember 2015 wird nicht ausreichen, um den Klimawandel in menschenerträglichen Grenzen zu halten. Die G-7, das alte «Zentralkomitee» der Industriestaaten, besitzen nur noch begrenzte Strahlkraft. Und die Europäische Union steckt in einer tiefen Krise. Zwei Szenarien zeichnen sich ab: • Die Blockaden könnten durch die Initiative einzelner machtvoller Staaten oder ganzer regionaler Ländercluster des globalen Südens gesprengt werden. Dies würde zu einer Re- Regionalisierung der Weltwirtschaft führen.
Peter Niggli (65) war bis August Geschäftsleiter von Alliance Sud, der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke. Sein Nachfolger heisst Mark Herkenrath.
reichen Wettbewerb um Ressourcen auslösen. Das zweite Szenario würde zu einer vertieften Spaltung der Welt in Nutzniesser und Habenichtse führen. Beide würden den Klimawandel beschleunigen. Ihre Laufzeit wäre deshalb politisch und geophysikalisch begrenzt.
«Es braucht politischen Druck.» • Die USA und die EU schaffen es, durch umfassende transatlantische und transpazifische Freihandelszonen dem Rest der Länder ihre Regeln aufzudrücken und selbständige Wirtschaftsräume aufzulösen. Ungelöst bleiben bei beiden Szenarien Klima- und Ressourcenfragen. Die Re- Regionalisierung könnte einen konflikt
Bild: Daniel Rihs/Alliance Sud
Einen Ausweg bietet ein drittes Szenario «Erneuerung der internationalen Zusammenarbeit», das wir in der Strategie entwickelt haben und das den SDGs entspricht. Es beruht auf drei Pfeilern: • Einer entwicklungsfreundlichen Regulierung des weltweiten Handels- und Finanzverkehrsregimes
• Einem raschen Ausstieg aus fossilen Energien in allen Produktions- und Energiegewinnungsprozessen • Einem gerechten, nach Kapazitäten abgestuften internationalen Lastenausgleich zwischen globalem Norden und Süden zur Finanzierung globaler öffentlicher Güter. Dazu braucht es politischen Druck zivilgesellschaftlicher Organisationen in Nord und Süd. Welche Zielsetzungen Alliance Sud in diesem Kontext für die Weltinnenpolitik der Schweiz herleitet, ist im soeben erschienenen Buch nachzulesen. Peter Niggli Alliance Sud: Zur Unübersichtlichkeit der Welt – Entwicklungspolitische Analysen und Aktionen, Bern, Lausanne 2015. ISBN 978-2-8290-0525-1
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