CARITAS Nr. 6 / Dezember 2019
Magazin
Kinderarmut Schweiz. Das darf nicht sein! Seite 6
Brennpunkt
Migration
Schweiz
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Schule dank Hühner- Abenteuerliche Rechtswidrige Flucht aus Venezuela Inkassogebühren zucht in Uganda
Offener Brief
Veränderungen selbstbewusst gestalten Liebe Spenderinnen Liebe Spender Die Entwicklungszusammenarbeit verändert sich rasant. Ursachen dafür sind der Klimawandel, die erneute Ausweitung des weltweiten Hungers, die zunehmende Migration zwischen und innerhalb der Länder des Südens, aber auch die Kritik an der Entwicklungshilfe. Gleichzeitig ändert die Deza, die Entwicklungsagentur des Bundes, ihre Politik und zieht sich in den nächsten vier Jahren aus Lateinamerika zurück. Was sind die Folgen für die Hilfswerke? Während mehr als fünfzig Jahren hat sich die Hilfswerksbranche institutionell wenig verändert. Jetzt hat jedoch ein grosser Wandel eingesetzt. Verschiedene Hilfswerke fusionieren, andere werden schliessen, weil sie ihre finanziellen Probleme nicht lösen können. Wie bewältigt Caritas die neuen Herausforderungen? Caritas ist finanziell kerngesund. Es hat sich gelohnt, dass wir immer sorgfältig gewirtschaftet haben. Wir verfügen deshalb über die notwendige Kraft und Substanz, um auch neue Erwartungen selbstbewusst angehen zu können. Inhaltlich bleibt die Armutsbekämpfung unser oberstes Ziel. Menschen, die weni-
«Die Caritas baut seit Jahren ihre Kompetenzen in Klimafragen systematisch aus.»
ger als 1.90 Dollar pro Tag verdienen, gelten als extrem arm und brauchen unsere Unterstützung. Die meisten von ihnen leben in Afrika. Wir werden unsere Aktivitäten deshalb noch stärker auf diesen Kontinent ausrichten. Dazu kommt, dass die gravierenden Folgen des Klimawandels – Dürren, Orkane und Fluten – insbesondere in den afrikanischen Ländern enorme Schäden anrichten. Caritas baut seit Jahren ihre Kompetenz in Klimafragen systematisch aus. Zu diesem Zweck haben wir mit der UN-Organisation für Meteorologie in Genf einen Zusammenarbeitsvertrag abgeschlossen. Unsere Mittel konzentrieren wir auf fünfzehn Länder, um noch mehr Wirkung zu erzielen. In der Katastrophenhilfe bleiben wir jedoch weiterhin weltweit tätig. Dass wir die bedeutenden Veränderungen souverän und selbstbewusst gestalten können, haben wir insbesondere Ihnen, sehr verehrte Spenderinnen und Spender, zu verdanken. Ihre Treue, aber auch Ihre kritischen Rückmeldungen halten uns fit. Gerade jetzt, wo Weihnachten vor der Türe steht, möchten wir Ihnen herzlich danken – im Namen all der Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen. In Dankbarkeit
Hugo Fasel, Direktor Caritas Schweiz
Bild: Priska Ketterer
Inhalt
Kinderarmut in der Schweiz Linn lebt mit ihren beiden Kindern Liam und Kim in einer kleinen Dreizimmerwohnung. Die Kinder wissen, dass sie keine Ansprüche haben dürfen, denn sie müssen mit dem Minimum auskommen. Linn arbeitet Teilzeit, ihr Mann ist verschwunden. Liams und Kims Wünschen sind inzwischen verstummt. Nicht einmal Fussballspielen liegt drin. Nur dank der KulturLegi von Caritas können sie ab und zu ins Kino oder ins Museum gehen. Seite 6
5 Brennpunkt: Hühner bringen Fortschritt
In Uganda kann ein Vater seine Kinder dank der Hühnerzucht in die Schule schicken. In einem Caritas-Projekt hat er gelernt, wie man die Hühner impft.
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M igration: Abenteuerliche Flucht aus Venezuela
Yohana flüchtet aus Venezuela, gebärt ihren Sohn in Peru und findet Zuflucht bei einer Partnerorganisation von Caritas.
13 Schweiz: Rechtswidrige Inkassogebühren
Krankenkassen verdienen mit Schuldnern Geld: Sie verlangen zu hohe Inkassogebühren und treiben ungerechtfertigt hohe Schulden ein.
IMPRESSUM Das Magazin der Caritas Schweiz erscheint sechsmal im Jahr. Herausgeberin ist Caritas Schweiz, Kommunikation und Marketing, Adligenswilerstr. 15, Postfach, CH-6002 Luzern, E-Mail: info@caritas.ch, www.caritas.ch, Tel. +41 41 419 22 22 Redaktion: Lisa Fry (lf); Fabrice Boulé (fbo); Stefan Gribi (sg); Anna Haselbach (ah); Vérène Morisod Simonazzi (vm) Das Abonnement kostet fünf Franken pro Jahr und wird einmalig von Ihrer Spende abgezogen. Grafik: Urban Fischer Titelbild: Alexandra Wey Druckerei: Kyburz, Dielsdorf Papier: 100 % Recycling Spendenkonto: PC 60-7000-4
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Echo
Medienecho
Freiwillige Helferinnen und Helfer setzten sich mutig gegen das Feuer ein.
Nach den Bränden im Amazonas Im Spätsommer brannten grosse Flächen des Amazonasgebietes lichterloh. Im bolivianischen Teil wurden 3 Millionen Hektaren Urwald und Weideland zerstört, viele Tausende Menschen verloren ihre Existenzgrundlage. Vor allem die indigene Bevölkerung war stark betroffen, da sie in unzugänglichen Gebieten wohnt. Caritas Schweiz hat 250 000 Franken für Nothilfe zur Verfügung gestellt. In enger Zusammenarbeit mit lokalen Partnern hat sie Atemmasken für die Feuerwehr, weitere Schutzausrüstung sowie Verpflegung für
die mutigen freiwilligen Helferinnen und Helfer zur Verfügung gestellt. Das Feuer hat 80 Prozent der Ernte vernichtet. Zudem haben die Kleinbauern Kleintiere wie Schweine, Hühner und Enten verloren. Caritas Schweiz wird die ländliche Bevölkerung dabei unterstützen, ihre verlorene Lebensgrundlage möglichst rasch wiederaufzubauen. (lf)
Mehr Informationen unter: caritas.ch/amazonas
Cumulus-Punkte für die Caritas Seit Kurzem können Sie mit jedem Einkauf bei der Migros Cumulus-Punkte für die Caritas sammeln und so Menschen in Armut helfen. Statt Ihre Cumulus-Punkte als Gutschein zu beziehen, können Sie diese spenden. Dies geht ganz einfach online über die Seite caritas.ch/cumulus. Melden Sie sich an, drücken Sie den Spendenknopf – und ab sofort werden Ihre gesammelten Punkte an die Caritas
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überwiesen. So unterstützen Sie kontinuierlich die Projekte der Caritas – in der Schweiz und im Ausland. Mit kleinen Beträgen helfen Sie Menschen, für die der Einkauf von Lebensmitteln nicht selbstverständlich ist. (lf)
Blick / «Viele Betroffene suchen erst nach Jahren Hilfe» | 7.10.19 Die neuen Krankenkassenprämien flattern bis Ende Oktober ins Haus. Zeit also, die Kasse zu wechseln, wenn man Prämien sparen will. (…) Erstens müssen sämtliche Ausstände (…) bei der alten Kasse bezahlt sein. Zweitens muss die Kündigungsfrist eingehalten werden (…) So befanden sich 2017 einige Tausend Versicherte in einer Doppelversicherungssituation. (…) Wie es trotz des Verbots so weit kommen konnte, ist unklar. (…) «Offenbar funktioniert die Kommunikation zwischen den Krankenkassen nicht immer», sagt Claudia Odermatt (40), Rechtsanwältin bei der Caritas-Schweiz. Moneycab / «Twint und RaiseNow digitalisieren den Spendenmarkt» | 25.9.19 Spenderinnen und Spender der Caritas Schweiz erhielten per Post einen Spendenbrief, in dem zum ersten Mal auch der Twint QR-Code integriert war. (…) «Für uns (…) war klar, dass wir Twint als Zahlungsmittel integrieren wollen. Dadurch wird es für Spenderinnen und Spender noch einfacher, ihre Spende abzugeben», erklärt Christoph Keiser, Verantwortlicher Online-Fundraising bei Caritas Schweiz. Keystone-SDA / «Caritas Schweiz fordert eine umfassende Afrika-Strategie» | 11.9.19 Caritas Schweiz sieht in der Afrika-Politik der Schweiz grundlegenden Handlungsbedarf. (…) Die Schweiz brauche eine Afrika-Strategie, die über die klassische Entwicklungszusammenarbeit hinausreiche. (…) eine departementsübergreifende Politik (…) muss aus Sicht von Caritas vorliegen, bevor das Parlament im kommenden Jahr über die Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit 2021– 2024 berät.
Spenden Sie Ihre Cumuluspunkte: caritas.ch/cumulus
Bild: Carlos Sanchez
Brennpunkt
Nach dem beschwerlichen Weg zum Arzt auf einem Motorradtaxi badet Alfreds Frau Veronica das zwei Wochen alte Neugeborene.
Alfred Alupo beim Füttern der Hühner. Dereinst möchte er 200 Tiere besitzen.
Wenn das Einkommen steigt, können die Kinder zur Schule Mit 19 übernahm Alfred Alupo im Osten Ugandas den Hof seines Vaters. Die Aufgabe war schwierig, die Familie litt oft Hunger. Zehn Jahre später haben sich die Perspektiven für ihn, seine Frau und die drei Kinder um einiges verbessert. «Das sind Kuhbohnen. Die Blätter kochen wir als Gemüse und die Bohnen verkaufen wir», erklärt Alfred Alupo stolz beim Rundgang auf seinem kleinen Hof in der Provinz Teso im Osten Ugandas. In drei Rundhüt-
«Wir sind sehr froh, dass wir jetzt die Schulkosten für unsere Tochter bezahlen können.» ten wohnen 14 Personen: Alfreds Frau Veronica, ihre drei Kinder, seine Mutter, zwei Schwestern und sechs Kinder. «Heute haben wir genügend zu essen für alle. Wir bauen neben Hirse, Maniok und Erdnüssen auch Gemüse und Bohnen an», erläutert Alfred. «Das bringt mehr Ertrag.» Als sein Vater an Krebs starb, verstand Alfred nicht viel von der Landwirtschaft. Trotzdem musste er die Verantwortung für Hof und Familie übernehmen. Es herrschte
Bilder: Fabian Biasio
Bürgerkrieg, jeder war auf sich allein gestellt. «In der ersten Zeit assen wir oft nur einmal pro Tag und mussten hungrig zu Bett.» Auch heute ist der Ackerbau immer noch risikoreich. «Das Klima hat sich verändert. Man kann das Wetter nicht mehr voraussagen. Manchmal kommt der Regen, manchmal bleibt er aus und die Trockenheit zerstört alles.» Hühnerzucht, eine Einkommensquelle unabhängig vom Klima Auf dem säuberlich gepflegten Grundstück gackert und flattert es. Früher starben die Hühner an Krankheiten dahin, deshalb gab niemand Acht auf sie. Seit Alfred sie impfen lässt, konnte er seinen Bestand ausbauen. Bald sollen es 200 Tiere sein, hofft der junge Bauer. Die Hühner kann Alfred für rund fünf Franken verkaufen, und zwar genau dann, wenn er das Geld benötigt. Die Hühnerzucht ist
wetterunabhängig und damit eine gute Antwort auf den Klimawandel. All dies hat Alfred im Rahmen eines Projektes gelernt, dass Caritas Schweiz zusammen mit der «Teso Initiative for Peace» durchführt. Diese fokussiert immer stärker auf die Hilfe zur Selbsthilfe für die lokalen Bauernfamilien. Mit dem kranken Baby zum Arzt Gregory, das jüngste Familienmitglied ist gerade mal zwei Wochen alt. Wegen einer Kolik mussten Alfred und Veronica das Baby vor Kurzem in die Krankenstation in der Provinzhauptstadt bringen. Zum Glück geht es dem Jungen wieder gut. Früher konnte Alfred die Kosten für einen Arztbesuch nicht bezahlen. Dank dem ertragreicheren Anbau und der Hühnerhaltung verfügt er nun über ein kleines, stetiges Einkommen. «Wir sind sehr froh, dass wir jetzt die Schulkosten für unsere Tochter bezahlen können», sagt Alfred. Er braucht weitere Einnahmen, denn er hat ja nun drei Kinder. Und der nächste Krankheitsfall kommt bestimmt. (sg)
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Reportage
Unsichtbare Not – Kinderarmut in der Schweiz Text: Stefan Gribi Bilder: Alexandra Wey
Die siebenjährige Kim gehört zu den über 100 000 Kindern in der Schweiz, die als arm gelten.
Reportage In einer kleinen Dreizimmerwohnung irgendwo in der Schweiz lebt Linn mit ihren beiden Kindern Liam (13) und Kim (7)*. Sie müssen mit sehr wenig Geld zurechtkommen. Wie viele armutsbetroffene Menschen in der Schweiz achten sie darauf, dass die Armut der Familie möglichst unsichtbar bleibt. Deshalb erzählen sie ihre Geschichte anonym. «Meine Kinder wissen, dass wir uns wenig leisten können, weniger als andere Familien», sagt die alleinerziehende Mutter. Auch wenn sie bescheiden sind, manchmal ist es schwierig für sie, damit zurecht zu kommen. Etwa dann, wenn die Ferien-
«Ich hätte nicht gedacht, dass es Armut in der Schweiz gibt, bis ich es selbst erlebt habe.» zeit zu Ende ist. Dann fragen die anderen Kinder regelmässig, wie denn Liam und Kim ihre Ferien verbracht hätten. «Was soll ich darauf antworten», fragt Liam seine Mutter. Sie versucht ihm Tipps zu geben, weiss aber auch, dass diese Fragen sehr unangenehm sind, wenn die anderen von erlebnisreichen Tagen am Meer erzählen. In die Ferien hat Linn mit ihren Kindern noch nie fahren können. «Im Dezember überlegen wir zusammen, was die Kinder als Weihnachtswünsche nennen können, wenn sie danach gefragt werden», erzählt Linn. Weihnachten ist für die Familie ein ganz normaler Tag. Für Geschenke und Dekoration fehlt das Geld.
Ehemann gewalttätig. Nicht nur gegenüber seiner Frau, auch gegenüber seiner Kinder. Als Linn ihn verliess, stand sie auf einmal vor dem Nichts: «Ich wurde krank, verlor meine Stelle, musste aus der Wohnung ausziehen.» Seither kämpft sie um die Rückkehr in die Arbeitswelt und versucht gleichzeitig, so gut wie möglich für die Kinder zu sorgen. «Ich hätte nicht gedacht, dass es Armut in der Schweiz gibt, bis ich es selbst erlebt habe», sagt Linn. Damit ist sie in der gleichen Situation wie viele Familien in der Schweiz. Mehr als 100 000 Kinder sind gemäss den neusten Zahlen des Bundesamtes für Statistik von Armut betroffen. Die Angst etwas falsch zu machen Armut bedeutet wenig Geld zu haben. Aber es ist mehr als das. Armut bedeutet auch, an vielen gesellschaftlichen Aktivitäten nicht teilhaben zu können. Linns Kinder beklagen sich nicht, die beiden sind sich gegenseitig die besten Freunde und spielen viel miteinander.
Die kleine Kim ist stolz auf ihren grossen Bruder Liam (13). Kontakte ausserhalb der Familie haben sie kaum. Die Familie hat sich nach der schmerzlichen Trennung vom Vater zurückgezogen. «Wenn man in der untersten sozialen Schicht ist, spürt man das sehr gut. Man wird anders behandelt. Früher kannte ich dieses Gefühl nicht», sagt Linn. So wurden sie schon beschimpft, als ihr Sohn auf ihrem Handy an der Bushaltestelle etwas nachschaute. Das Handy hätten sie sicher vom Sozialdienst geschenkt bekommen, lautete der haltlose Vorwurf. Die Schule meldet zurück, der Bube sei zu zappelig. Linn denkt, dass bei anderen Familien nicht gleich die Alarmglocken geläutet würden, wenn etwas nicht ganz rund läuft. Sie aber habe Angst, etwas falsch zu machen. Angst, dass es dann heissen würde, sie könne ihre Verantwortung für die Kinder nicht wahrnehmen. Nach der Trennung, als es ihr psychisch schlecht ging, wurden die Kinder für einige Wochen fremdplatziert. Das sitzt tief in ihr drin, Linn möchte dies nicht noch einmal erleben. Es ist verständlich, dass die Armut möglichst unsichtbar bleiben soll. Für die Kinder sei das besser, ist Linn überzeugt.
Wünsche verstummen «Ich wünsche mir für meine beiden Kinder, dass sie Freizeitaktivitäten nachgehen können. Aber Fussballspielen oder Musikunterricht sind nicht günstig. Für zwei solche Hobbys reicht es einfach nicht, und ich kann nicht nur ein Kind berücksichtigen. Das wäre nicht gerecht», sagt Linn. Liam hatte vor einiger Zeit den Wunsch, in den Fussballclub zu gehen. Dieser Wunsch ist inzwischen wieder verstummt. Nach der Trennung kam die Armut Die Familie stand früher recht gut da, Linn arbeitete Vollzeit. Dann aber wurde der
Kim hat keine aufwendigen Hobbies. Am liebsten bastelt sie.
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Reportage
«Meine Kinder wissen, dass wir uns wenig leisten können, weniger als andere Familien», sagt Mutter Linn.
Arbeit auf Abruf verursacht Stress Die Familie lebt von Linns Einkommen aus Teilzeitarbeit und von der Sozialhilfe. Vom Vater erhält sie keine Unterstützung; er lebt nicht mehr in der Schweiz und hat jeglichen Kontakt abgebrochen. «Ich habe immer sehr gerne gearbeitet. Es brauchte dennoch unzählige Bewerbun-
«Wenn man in der untersten sozialen Schicht ist, spürt man das sehr gut. Man wird anders behandelt.» gen, bis ich nach der Trennung eine Teilzeitstelle fand», berichtet Linn. Flexibilität wir gefordert, in einem Ausmass, das ihre Möglichkeiten überschreitet. An ihrer letzten Stelle bestand die Erwartung, dass sie bei Bedarf abends länger arbeiten kann und auch auf Abruf an einem zusätzlichen Tag einspringt. Das erzeugt grossen Druck, besonders wenn sie weiss, dass ihre Kinder bereits von der Schule heimkommen und sie nicht recht-
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zeitig zuhause sein kann. «Was, wenn etwas passieren würde?», fragt sie bange. Linn hat eine Lehre absolviert und viele Jahre als Sachbearbeiterin gearbeitet. Bezüglich einer Stelle ist sie nicht wählerisch. «Ich gehe auch Couverts einpacken, Hauptsache, ich verdiene etwas dabei. Mein grösster Wunsch wäre es, dass ich finanziell wieder eigenständig durchkommen und für meine Kinder sorgen könnte. Wie früher.» Kein Handy, keine Hausaufgaben Mit der finanziellen Notlage hat Linn einen Umgang gefunden. «Ich überlege immer sehr gründlich, bevor ich Geld ausgebe. Ich frage mich: Brauchen wir das wirklich?» Eine solche Anschaffung war ein Pult für das Zimmer der Kinder, damit sie nicht mehr am Esstisch ihre Hausaufgaben machen müssen. So können sie konzentriert lernen. Sohn Liam möchte aufs Gymnasium gehen. Nach einer schwierigen Phase ist er jetzt schulisch wieder gut unterwegs. Die Hürden sind jedoch manchmal unerwartet: Anders als die Klassenkameraden besitzt er kein eigenes Handy. Da die Lehrpersonen ab und
zu Hausaufgaben per Whatsapp schicken, ist das ein Problem. «Als ich das merkte, musste ich anrufen und darum bitten, dass sie die Meldungen auf meine Nummer schicken.» Etwas Entlastung findet sie in den Angeboten der Caritas: Mit der KulturLegi kann sich Linn für die beiden Kinder einen Pass für das Museum leisten, das fünfmal im Jahr Filmabende für Kinder anbietet. «Darauf freuen sich die Kinder immer lange im Voraus», erzählt sie. Und ganz neu hat Kim ein «Gotti», vermittelt über das Caritas-Projekt «mit mir», das Patenschaften für benachteiligte Kinder vermittelt. Die Patin unternimmt mit Kim Dinge, für die ihre Mutter keine Zeit hat, und erweitert so ihre Erfahrungswelt. Auch wenn Kim ihr gegenüber noch etwas schüchtern ist, freut sie sich auf diese Ausflüge. * Alle Namen geändert
In unserem Positionspapier erfahren Sie mehr über die Kinderarmut in der Schweiz: caritas.ch/kinderarmut
Reportage
«Es gibt wirksame Massnahmen gegen Kinderarmut» Armut in der Schweiz trifft insbesondere Kinder. Was sagen Sie zu dieser Tatsache? Dass es in der reichen Schweiz Kinderarmut gibt, ist ein Skandal. Betroffen sind gemäss den Erhebungen des Bundesamtes für Statistik über 100 000 Kinder. Doppelt so viele leben in prekären Lebensverhältnissen, nur knapp oberhalb der Armutsgrenze. Das Problem ist allseits bekannt. Trotzdem wird Kinderarmut in der Schweiz vielerorts einfach hingenommen und bleibt bis heute ohne Antwort. Wie wirkt sich Armut auf die Entwicklung von Kindern aus? Sie beeinflusst die Lebensläufe der betroffenen Kinder sehr stark. Wer arm ist, muss sich mit schlechten Wohnungen an verkehrsreichen Strassen begnügen. Das schränkt den Bewegungsradius der Kinder empfindlich ein. Auch Freizeitaktivitäten, Hobbies oder Sport in Vereinen können sich die Eltern armutsbetroffener Kinder häufig nicht leisten. Oft sparen sie auch an den Ausgaben für eine gesunde Ernährung. Das alles hat Folgen: Wer als Kind von Armut betroffen ist, ist es oft auch im Erwachsenenalter.
den, ist dieses Risiko in der Schweiz sehr schlecht abgesichert. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Schweiz sehr wenig in Kinder und Familien investiert, deutlich weniger als der Durchschnitt der europäischen Länder.
Marianne Hochuli ist Leiterin des Bereichs Grundlagen der Caritas Schweiz
Was sind die Gründe für Kinderarmut? Ein zentraler Grund sind tiefe Löhne: Die Mehrheit der betroffenen Eltern geht einer Arbeit nach, verdient dabei aber zu wenig. Hinzu kommt, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Schweiz mangelhaft ist. Besonders heikel wird es bei Scheidungen. Obwohl zwei von fünf Ehen geschieden wer-
Was ist zu tun, dass die Kinderarmut in der Schweiz zurückgeht? Die Verantwortung in der Bekämpfung der Kinderarmut wurde zwischen Bund und Kantonen stets hin und her geschoben. Eine zielgerichtete Armutspolitik fehlt in der Schweiz. Die Kantone Waadt, Tessin, Solothurn und Genf zeigen aber: Es gibt wirksame Massnahmen gegen Kinderarmut. Eine davon sind Familien ergänzungsleistungen. Es gilt, diese Unterstützungsleistungen schweizweit einzuführen und damit allen Kindern und Familien die gleichen Rechte zuzusprechen. Dafür muss das neue Parlament Verantwortung übernehmen. Kinder besonders zu schützen und zu fördern ist Verfassungsauftrag.
Helfen Sie, Kinderarmut in der Schweiz zu bekämpfen Mit Ihrer Spende helfen Sie Kindern in Armut, wieder Freude am Leben zu haben.
Helfen Sie mit einer Spende! Spendenkonto: 60-7000-4 Vermerk: «Kinderarmut in der Schweiz»
Bild: Franca Pedrazzetti
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Migration
Matías kam zwei Monate zu früh zur Welt, doch dank der Caritas geht es ihm und seiner Mutter jetzt gut.
Eine lange und gefährliche Reise durch Südamerika Yohana (27) verliess vor fast zwei Jahren ihre Heimat Venezuela. Die Lebensbedingungen waren einfach unerträglich geworden. Nach einer langen Reise und der Geburt ihres Sohnes ist sie in La Paz gelandet, wo sie und ihr Kind bei einer Partnerorganisation der Caritas Zuflucht gefunden haben. «Am 7. Dezember 2017 verliess ich Venezuela. Ich begab mich auf eine lange und anstrengende Reise. Die erste Etappe endete in Bogota. Damit ich das B usticket dorthin bezahlen konnte, verkaufte ich das Inventar meines kleinen Esslokals,
«Mit der harten Arbeit hatte ich das Leben meines Kindes gefährdet. Fast hätte ich es verloren.» das viel zu wenig einbrachte. Ich musste für meine Geschwister und für meine Eltern sorgen. Die Verdienstmöglichkeiten in Venezuela wurden jedoch immer schlechter, sodass es kaum zum Leben reichte. So entschied ich mich, diese Reise zu wagen, obwohl ich schwanger war. Da die medizinische Versorgung im
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Land schlecht ist, hatte ich Angst, meinen Sohn in Venezuela zu gebären. Es fehlt an allem. Zudem wird mir alles vorgegeben: wie ich lebe, wie ich denke, wie ich abstimme. Das Leben meines Kindes riskiert Von Bogota aus reiste ich auf einem Lastwagen bis nach Salinas in Ecuador. Dort blieb ich vier Monate und schlug mich als Kellnerin durch. Ich arbeitete jeden Tag 17 Stunden und konnte mit dem Lohn knapp überleben. Danach ginge es weiter nach Cusco in Peru. Dort kam mein Sohn Matías zur Welt, fast zwei Monate zu früh. Mit der harten Arbeit hatte ich das Leben meines Kindes gefährdet, fast hätte ich es verloren. Matías musste zwei Monate im Spital bleiben, sein Herz war zu schwach. Mit Gelegenheitsjobs konnte
ich mich schlecht und recht über Wasser halten. Nach einem Jahr reiste ich mit Matías nach Bolivien, weil wir Venezolanerinnen und Venezolaner in Peru nicht sehr willkommen sind. Über eine Million Flüchtlinge – das macht Angst. In La Paz ging ich direkt zur Caritas, weil Freunde mir das geraten hatten. Zum Glück konnten wir ins Zentrum von Fundación Munasim Kullakita einziehen, das von der Caritas unterstützt wird. Das ist ein Heim für junge Mütter mit Kindern, die auf der Strasse leben oder ausgebeutet werden. Hier werden wir mit allem Nötigen versorgt und es geht uns gut. Ich bin sehr dankbar dafür. An die Zukunft mag ich im Moment nicht denken. Ich hoffe immer noch, dass sich die Situation in meiner Heimat verbessert und ich bald zurückgehen kann. Ich möchte, dass mein Sohn seine Grosseltern kennenlernt.» (lf)
Mehr Informationen: caritas.ch/venezuela
Bild: Jules Tusseau
Am Puls
Die Caritas unterstützt Frauen im Tschad bei der Produktion und der Vermarktung von Shea-Butter.
Der Verkauf der Shea-Butter macht die Frauen im Tschad unabhängig.
Die Shea-Nuss wirkt Wunder Zum ersten Mal können die tschadischen Produzentinnen von Shea-Butter, die von der Caritas unterstützt werden, ihre Produkte in die Schweiz liefern. Shea-Butter und Shea-Seife können nun auf der Website von Gebana bestellt werden. Der direkte Export in die Schweiz eröffnet den Frauen im Tschad neue Perspektiven. Bereits im Juni haben wir über die Frauen im Tschad berichtet. Die Caritas unterstützt sie bei der Produktion und der Kommerzialisierung von Shea-Butter. Nun können die tschadischen Produzentinnen ihre Shea-Butter und -Seife direkt in die Schweiz liefern! Gebana, ein Unternehmen, das sich für faire und nach-
Die natürlichen und wertvollen Öle der Shea-Nuss schützen die Haut vor dem Austrocknen. haltige Produkte einsetzt, verkauft die Produkte auf seiner Plattform. Die Bestellungen werden gesammelt und die Produkte –100 % natürlich – erst hergestellt, wenn ein bestimmtes Bestellvolumen erreicht ist. So kann eine Überproduktion und das Wegwerfen von Produkten verhindert werden.
Bilder: Fabian Biasio
Das natürliche und wertvolle Öl der SheaNuss eignet sich bestens für die Hautpflege. Es schützt die Haut vor dem Austrocknen. Die Shea-Butter wird deshalb für Gesichts- und Handcremes sowie für Lippenpomaden verwendet. Die angebotenen Seifen sind mit Aloe Vera, Papayablättern oder Zitronengras angereichert, was ihnen eine spezielle Note gibt. Die Webseite von Gebana informiert ausführlich über die Shea-Nuss, den Herstellungsprozess und über das Leben der Frauen im Tschad. Zudem werden regelmässig Beiträge zum Projektfortschritt veröffentlicht. Die Frauen werden unabhängig Die Herstellung der Shea-Butter im Tschad beginnt im Frühsommer. Zwischen Juni und September ernten die Frauen die Shea-Nüsse – auch Karité-Nüsse genannt. Besonders im Süden
des Landes gibt es viele Karité-Bäume. In den folgenden Monaten stellen die Frauen die Shea-Butter her. Seit 2017 werden sie dabei von der Caritas unterstützt. Die grösseren Verarbeitungsplattformen wurden mit Maschinen ausgestattet, welche die Produktion effizienter machen und die Qualität erhöhen. Auch die Vermarktung der Shea-Butter wurde professionalisiert, vorerst mit dem Fokus auf den lokalen Markt. Der Absatz stieg schnell an, die Frauen konnten ihr Einkommen erhöhen und die Lebensbedingungen ihrer Familien verbessern. Der Export in die Schweiz ist ein nächster, bedeutungsvoller Schritt. Er gibt den tschadischen Frauen neue Perspektiven. Mit dem Kauf dieser ökologischen und fairen Produkte von hoher Qualität helfen Sie den Frauen und Dorfgemeinschaften im Tschad, unabhängig zu werden und einen wichtigen Entwicklungsschritt zu tun. (vm) Bestellen sie unter: gebana.com (Crowd-Projekte)
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Menschen Alltagsfragen
Ruhan Rexhepi, Kosovo
«Wir möchten uns wieder voll integrieren und unseren Teil zur Gesellschaft beitragen.» Rêzan Zehrê ist vor 22 Jahren selber in die Schweiz geflüchtet.
Aus Überzeugung verteidigt er die Rechte der Asylsuchenden Rêzan Zehrê ist politischer Flüchtling, Kurde und Jurist. Sein Fachwissen und die Erfahrungen, die er während seiner Flucht in der Türkei und in der Schweiz gemacht hat, stellt er in den Dienst der Asylsuchenden in der Schweiz. «Ich möchte einen Beitrag leisten zu einer gerechten und würdigen Migrationspolitik in der Schweiz, sowohl auf juristischer als auch auf menschlicher Ebene.» So formuliert der 44-jährige Jurist Rêzan Zehrê sein Engagement. Seit 2012 ist er stellvertretender Leiter der Rechtsberatung von Caritas Schweiz in Freiburg. «Ich habe das gleiche Schicksal erlebt wie die meisten Menschen, die in der Schweiz Schutz vor Verfolgung in ihrem Heimatland suchen», erklärt er. Seine eigenen Erfahrungen liegen über 22 Jahre zurück. Damals sprach er noch kein Französisch. Das Erlernen der Sprache, das Rechtsstudium an der Universität Neuenburg – mit einer vergleichenden Arbeit der Rechte sprachlicher Minderheiten in der Türkei und der Schweiz – sind wichtige Etappen auf seinem Weg. Im Anschluss absolvierte er mehrere Praktika. Schon damals setzte er sich für die Rechte der Sans-papiers ein.
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Schnell Vertrauen schaffen «Mein eigener Werdegang hilft mir, die Lage der Asylsuchenden zu verstehen und sehr schnell ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufbauen. Ich kann sie dabei unterstützen, die notwendigen Nachweise vorzulegen und ihre Erlebnisse, die das Hauptmotiv für die Flucht sind, ausführlich zu schildern», sagt er. Mit seinen Juristenkollegen kann er den geflüchteten Menschen zudem helfen, ihren meist leidvollen Lebens- und Fluchtweg sinnvoll darzulegen. «Die feste Überzeugung, dass man sich Tag für Tag neu für die Verteidigung und die Stärkung der Menschenrechte einsetzen muss, sind für mich jeden Morgen die wichtigste Motivation, wenn ich mich auf den Weg zur Arbeit mache.» (fbo)
Wie sieht Ihr Leben heute aus? Nach unserer Rückkehr aus Deutschland hier im Kosovo wieder etwas aufzubauen, ist hart. Ich sammle und verkaufe Altmetall. Davon müssen wir leben. Aus finanziellen Gründen geht meine Tochter nicht zur Schule. Von der kosovarischen Gesellschaft fühlen wir uns ausgegrenzt. Was schätzen Sie an Ihrer Heimat? Im näheren Umfeld sind alle sehr solidarisch, obwohl alle zu kämpfen haben. Was ist nötig, damit es Ihnen besser geht? Das wichtigste wäre eine richtige Arbeit. Die Sozialberatung der C aritas hilft uns, belastende Situationen zu bewältigen, die wegen der angespannten finanziellen Lage entstehen. Worauf sind Sie stolz? Ich bin stolz, dass wir nicht aufgeben und unermüdlich daran arbeiten, uns einen Ort zu schaffen, an dem es sich zu bleiben lohnt. Was wünschen Sie sich? Meine Kinder sollen eine bessere Schulbildung und ein gutes Leben haben, als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft. Das haben sie verdient. (ah)
Bilder: zVg
Schweiz
Zu hohe Inkassokosten Viele Menschen in der Schweiz können ihre Krankenkassenrechnungen nicht mehr bezahlen. Die hohen Inkassogebühren, welche die Kassen verlangen, stehen in keinem Verhältnis zur ausstehenden Summe und verhindern Schuldensanierungen.
Für Familien, die knapp über der Armutsgrenze leben, sind Krankenkassenprämien immer noch ein Armutsrisiko.
Prämienverbilligungen müssen vor Armut schützen Obwohl die Prämien der Krankenkassen in den letzten Jahren stiegen, kürzten die Kantone gleichzeitig Gelder für die Prämienverbilligungen. Dies führt zu einer immer stärkeren Belastung der Haushaltsbudgets im unteren Einkommensbereich. Schweizer Haushalte geben durchschnittlich 14 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Krankenkassenprämien aus. Für Haushalte mit bescheidenem Budget kann die zunehmende Prämienlast bedeuten, dass sie in die Armut abrutschen. Im Januar 2019 fällte das Bundesgericht einen wichtigen Entscheid: Der Kanton Luzern habe in den letzten Jahren zu wenigen Familien die Prämien vergünstigt. Er gestehe zu Unrecht nur den Haushalten mit den tiefsten Einkommen Prämienverbilligung zu. Krankenkassenprämien sind immer noch Armutsrisiko Einige Kantone senkten seither die Prämienlast gewisser Haushalte. Das ist nicht nur eine Reaktion auf den Entscheid des Bundesgerichts. In manchen Fällen
Bild: Adobe Stock
ging es auch darum, mehr Akzeptanz für die Senkung der Unternehmenssteuern zu schaffen. Viele der rund 600 000 Personen, welche nur knapp über der Armutsgrenze leben, erhielten jedoch keine Vergünstigung. Für sie bleiben die steigenden Krankenkassenprämien ein Armutsrisiko. Damit dies verhindert werden kann, müssen die Kantone und der Bund sich noch stärker engagieren. Die Caritas fordert: Maximal ein Monatslohn für Krankenkassenprämien pro Jahr. Dies sollten Bund und Kantone gesetzlich festlegen und die Prämienverbilligungen entsprechend ausgestalten. Benjamin Diggelmann
Zwei Drittel der verschuldeten Menschen in der Schweiz haben Krankenkassenschulden. Dieser Anteil nimmt seit ein paar Jahren leicht zu. Somit sind die Krankenkassen- nach den Steuerschulden die häufigste Art der Verschuldung von Menschen, die Beratungsstellen konsultieren. Ein Missstand in diesem Umfeld sind die hohen Inkassogebühren der Krankenversicherer. Oft betragen sie 30 bis 60 Prozent oder gar ein Mehrfaches der geschuldeten Summe – und das, obwohl das Bundesgericht Inkassogebühren von 40 bis 50 Prozent als rechtswidrig erklärt hat. Kassen verdienen an Schuldnern Aber es geht noch weiter: Die Krankenkassen generieren sogar darüber hinaus einen Gewinn mit ihren Schuldnern. Die Kantone kommen nämlich für 85 Prozent der ausstehenden Rechnungen auf, trotzdem fordern die Kassen den ganzen Betrag bei ihren Schuldnerinnen ein. Rausan Noori von der Schuldenberatungsstelle Caritas Schweiz erklärt: «Oft verhindern die exorbitanten Inkassogebühren und Betreibungskosten eine Schuldensanierung. Das darf nicht sein.». (lf)
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Service Almanach Entwicklungspolitik 2020
Afrika zwischen Aufbruch und Armut Sechs der zehn am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften befanden sich 2018 in Afrika. Zugleich leben dort mehr als die Hälfte der Menschen, die von extremer Armut betroffenen sind. Die aktuelle Ausgabe des Almanachs Entwicklungspolitik fokussiert auf Subsahara-Afrika und ist unter dem Titel «Afrika zwischen Aufbruch und Armut» erschienen. Der Sammelband durchleuchtet die Chancen und Risiken des Wirtschaftswachstums; neue Kooperationsformen und Wachstum kommen nicht unbedingt den Armen zugute. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Entwicklungen, welche afrikanische Gesellschaften einschneidend prägen – dazu gehören die Urbanisierung, die demografische Entwicklung sowie die Migration innerhalb des Kontinents, die für viele Menschen normaler Bestandteil der Existenzsicherung ist. (lf)
Das Caritas-Jahrbuch zur humanitären Schweiz Afrika zwischen Aufbruch und Armut Caritas-Verlag Luzern, September 2019, 320 Seiten, 39 Franken Online bestellen: shop.caritas.ch
Eine Zukunft für die Sozialhilfe
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14. Dezember 2019 «Eine Million Sterne» – Tausende Kerzen leuchten an über 100 Orten in der Schweiz als Zeichen für die Solidarität mit Menschen in Armut. Veranstaltungsorte: www.einemillionsterne.ch 31. Januar 2020 Caritas-Forum: «Die Sozialhilfe ist unverzichtbar» Eventforum, Bern, 9.30 –15.30 Uhr Anmeldung: caritas.ch/forum oder 041 419 22 22
Sozialalmanach 2020
Der neue Sozialalmanach von Caritas Schweiz geht der Frage nach, wie die Sozialhilfe in unserem Sozialsystem besser verankert werden kann. Aufgrund der föderalistischen Ausgestaltung und der fehlenden Verbindlichkeit ist eine Reform unbestritten. Aber auch die Tatsache, dass die Sozialhilfe nicht mehr nur letztes Auffangnetz ist, muss beachtet werden. Sie federt heute soziale Risiken ab, die durch keine Sozialversicherung abgedeckt sind. Der Sammelband beleuchtet zudem den öffentlichen Diskurs, der oft diffamierend und abwertend ist (Stichwort «Sozialschmarotzer»). Dies hat letztlich den Boden bereitet für drastische Kürzungsvorschläge des Grundbedarfs in manchen Kantonen. (lf)
Agenda
5. März 2020 um 17.00 Uhr Informationsanlass für unsere Spenderinnen und Spender Caritas Schweiz, Luzern 19. März 2020 um 17.30 Uhr Informationsanlass für unsere Spenderinnen und Spender Lausanne 5. Juni 2020 um 17.00 Uhr Prix-Caritas KKL Luzern 18. und 22. Juni 2020, 14.00 Uhr Informationsanlässe «Selbstbestimmt im Alter» Caritas Schweiz, Luzern Mehr Informationen erhalten Sie bei event@caritas.ch
Das Caritas-Jahrbuch zur sozialen Lage der Schweiz Eine Zukunft für die Sozialhilfe Caritas-Verlag Luzern, Januar 2020, 280 Seiten, 36 Franken Online bestellen: shop.caritas.ch
Gemeinsam
youngCaritas: Deshalb bin ich dabei
Sarah Meienberger (27), Hünenberg, ZG
-Valley. Blick über das Rugova
Unterwegs im Kosovo Die Projektreise der zwei Gewinnerinnen vom youngCaritas-Award 2018 führte in den Kosovo. Hier einige Einblicke. «Mit einer Anreise mit Zug, Fähre und Bus startet unser Abenteuer. In Pristina angekommen, werden wir vom Caritas-Schweiz-Team im Kosovo herzlich begrüsst. Zwei Wochen lang gibt uns das Team Einblicke in seine Arbeit. Eines der Highlights ist der Besuch im Sphrese-Projekt für Vorschulbildung: Die Lehrkräfte halten eine Lektion mit unserem Kinderbuch «Fennek findet ein neues Zuhause». Wir sind sehr berührt von der Inszenierung der Geschichte durch die Kinder. Wer hätte gedacht, dass Fennek weit über die Schweiz hinaus Kindern den Wert von Freundschaft und Offenheit näherbringen kann! Nebst den Caritas-Projektbesuchen erhalten wir auch spannende Einblicke in die Tätigkeiten der Schweizer Regierung sowie von lokalen Organisationen: ein Projekt für die Opfer von sexueller Gewalt während des Krieges, der Besuch eines Jugendzentrums oder eines Spitals. Nach einer ersten informativen und emotional nicht ganz einfachen Woche ziehen
Bilder: zVg
Ich engagiere mich freiwillig für youngCaritas, weil ich ihre Arbeit unterstützen will. Ich möchte die Welt, in der ich lebe, mit meinen Fähigkeiten ein bisschen besser machen und meine Rolle als Teil der Gesellschaft wahrnehmen. Ich bin im Organisations-Komitee des MigrAction-Weekends, welches youngCaritas und Amnesty International jeweils im September durchführen.
wir uns für ein paar Tage in die wunderschöne Natur des Kosovos zurück. Mit Energie für eine bessere Zukunft Die zweite Woche gestaltet sich etwas ruhiger, und wir haben Zeit für persönliche Gespräche. Wir sind fasziniert von der Energie und dem Mut der Menschen im Kosovo, sich unerschöpflich für ihr Land einzusetzen. Auch 20 Jahre nach dem Krieg kämpfen sie für Gerechtigkeit, eine bessere Bildung und eine Zukunft ohne Korruption, aber mit Chancengleichheit für alle. Diese Reise ist ein unvergessliches Erlebnis, welches wir in unserem Herzen und Bewusstsein mittragen. Vielen herzlichen Dank an alle Personen, die wir kennenlernen durften, die uns durchs Land geführt haben und die ihre Gedanken und Geschichten mit uns geteilt haben.» Carol Tanner und Jolyne Löpfe Weitere Infos: youngcaritas.ch
Jennifer Rüegge (21), Wangen, SZ
Seit zwei Jahren bin ich neben dem Studium als Freiwillige für youngCaritas tätig. Ich war Teil des Leitungsteams des interkulturellen Sommerlagers. Im Moment engagiere ich mich im Projekt «Zeit schenken» und organisiere Freizeitprogramme im Caritas Asylzentrum im Biberhof in Bennau. Wir waren schon im Tierpark, im Kino oder haben Weihnachtsguetsli gebacken. Ich schätze den kulturellen Austausch, denn ich kann mich dabei persönlich entwickeln.
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Die von Armut betroffene Kim (7) aus der Schweiz soll nicht noch mehr ausgegrenzt werden
Das Richtige tun
Wenn Armut ihr Gesicht zeigt
nicht zeigen darf
Erfahren Sie mehr Ăźber Kim: www.dasrichtigetun.caritas.ch