CARITAS Nr. 2 / April 2018
Magazin
Aleppo: Die zerstörte Heimat Seite 6
Am Puls
Brennpunkt
Schweiz
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Bildung für Kinder in Not
Gegen den Hunger in Mali
Armut in der reichen Schweiz
Offener Brief
Leben in Ruinen Liebe Spenderinnen Liebe Spender Ich habe vor einigen Wochen Syrien besucht. Meine Eindrücke von der Reise in dieses geschundene Land möchte ich heute gerne mit Ihnen teilen. Wir waren unter anderem in Homs – eine einst blühende Stadt im Westen von Syrien. Nach den Zerstörungen des Krieges ist davon nichts übriggeblieben. Auf den Strassen gibt es kein Durchkommen mehr, überall stehen Berge von Schutt und immer noch sind unschuldige Opfer des Krieges unter den Trümmern zerbombter Häuser begraben.
Die Menschen kämpfen jeden Tag um das Überleben und sind froh, wenn sie nicht täglich hungern und dursten müssen – zum Beispiel die siebenköpfige Familie, die wir getroffen haben: Die Mutter versorgt die Kinder alleine, denn ihr Mann wurde vor drei Jahren verhaftet und seitdem hat sie nie mehr etwas von ihm gehört. Der Sohn hat im Krieg ein Auge, eine der Töchter ein Bein verloren. Die älteste Tochter ist traumatisiert. Sie zieht sich immer mehr zurück, weil sie das Grauen des Krieges direkt vor ihrer Haustür nicht mehr erträgt und sie die schrecklichen Bilder nicht aus ihrem Kopf bekommt. Die Familie wohnt in einem Unterstand und ist dankbar, dass Caritas sie mit dem Lebensnotwendigsten versorgt.
Die Situation für die Menschen in Homs scheint ausweglos. Doch ihr Lebensmut versetzte uns immer wieder in Staunen. Sie geben nicht auf und kämpfen unermüdlich für ihre Zukunft und für ihre Kinder. Woher sie die Kraft dazu nehmen? Ich weiss es nicht. Es übersteigt bei Weitem mein Vorstellungsvermögen. Nach ihren Bedürfnissen und Wünschen befragt, haben wir von den Menschen in Homs klare Antworten erhalten: Sie möchten, dass ihre Kinder nach sieben Jahren Krieg endlich wieder in die
«Die Menschen kämpfen jeden Tag um das Überleben und sind froh, wenn sie nicht täglich hungern und dursten müssen.» Schule gehen können, sie wünschen sich eine einfache Unterkunft, die sie nach ein paar Tagen nicht wieder verlassen müssen und viele von ihnen haben uns beim Abschied drei Worte mit auf den Weg gegeben, die uns unter die Haut gegangen sind: «Vergesst uns nicht». Genauso viele Menschen haben mich gebeten, Ihnen, liebe Spenderinnen und Spender, ihren tiefen Dank zu überbringen. Es ist wichtig, dass die Caritas die Hilfe für die Betroffenen des Syrienkriegs über die letzten Jahre ohne Unterbruch weitergeführt hat. Wir werden es mit Ihrer Unterstützung, liebe Spenderinnen und Spender, auch weiterhin tun. Ihre Hilfe wirkt! Herzlich
Hugo Fasel Direktor Caritas Schweiz
Video: caritas.ch/syrien
Bild: Franca Pedrazzetti
Inhalt
Wie weiter?
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In Aleppo ist die Zeit vorbei, als sich die Menschen unter der Treppe vor Bomben und Graten verstecken oder mit nichts als ihren Kleidern am Leib aus ihren Wohnungen flüchten mussten. Doch das Leid ist geblieben. Viele Frauen wie Hanan al-Youssef und Amal Mahmoud stehen alleine vor den Trümmern ihrer Heimat. Obwohl der Krieg ihnen fast alles genommen hat und ihre Kräfte erschöpft sind, kämpfen sie unermüdlich weiter um das Überleben. Seite 6
Am Puls: Kinder haben ein Recht auf Bildung
Ihre Schulen liegen in Trümmern, der Unterricht wurde eingestellt, das Bildungssystem lahmgelegt. Caritas unterstützt weltweit Kinder, die durch Krisen, Kriege und Naturkatastrophen in Bildungsnot geraten sind.
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Brennpunkt: Jeder Wassertropfen zählt
Der Klimawandel brachte die Dürre und die Dürre brachte den Hunger. In Mali hilft Caritas den Kleinbauern, auch mit wenig Wasser viel zu ernten.
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Schweiz: Was heisst hier arm?
Armut existiert – auch in der Schweiz. Sie fällt nicht auf, weil sie sich in der Öffentlichkeit kaum zeigt. Aber wie arm ist arm in einem reichen Land?
IMPRESSUM Das Magazin der Caritas Schweiz erscheint sechsmal im Jahr. Herausgeberin ist Caritas Schweiz, Kommunikation und Marketing, Adligenswilerstr. 15, Postfach, CH-6002 Luzern, E-Mail: info@caritas.ch, www.caritas.ch, Tel. +41 41 419 24 19 Redaktion: Sabine Schaller (ssc), Leitung; Jörg Arnold (ja); Fabrice Boulé (fbo); Stefan Gribi (sg); Anna Haselbach (ah); Vérène Morisod Simonazzi (vm); Odilo Noti (on) Das Abonnement kostet fünf Franken pro Jahr und wird einmalig von Ihrer Spende abgezogen. Grafik: Urban Fischer Titelbild: Alexandra Wey Druckerei: Kyburz, Dielsdorf Papier: 100 % Recycling Spendenkonto: PC 60-7000-4
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Echo
Hilfe für Bondo Die Caritas stellt der Bündner Gemeinde Bondo aus ihrer Spendenaktion einen ersten Beitrag von einer Million Franken zur Verfügung. Eine Kommission, der unter anderem Vertreter der Gemeinde und des Kantons angehören, soll die Gelder dort einsetzen, wo sie am dringlichsten sind. Sie kann nach eigenem Ermessen entscheiden. Die Caritas wünscht aber eine Berichterstattung über die geleistete Hilfe. Auf dem Gebiet der Gemeinde hatte im August 2017 einer der grössten Bergstürze seit 130 Jahren stattgefunden. (on) Wie hängen Nationalismus und Armut zusammen? Diese Frage diskutierten Martin Flügel, Martine Brunschwig Graf, Moderator Daniel Binswanger und Nenad Stojanovic am Podiumsgespräch.
Caritas-Forum: Der Nationalis mus und seine Folgen Der amerikanische Präsident Donald Trump weilte gerade am Weltwirtschaftsforum in Davos, als am Caritas-Forum in Bern über die sozialpolitischen Auswirkungen des Nationalismus diskutiert wurde. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst in der Schweiz. Was sind die Folgen der sozialen Polarisierung? Leistet sie rechtspopulistischen und nationalistischen Positionen Vorschub und wie verändert sie die Gesellschaft? Darüber debattierten am Forum unter anderem Martine Brunschwig Graf, Präsidentin
der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Martin Flügel, Leiter Politik der Caritas Schweiz, und Philosophieprofessor Georg Kohler. 170 Fachleute haben an der sozialpolitischen Tagung der Caritas teilgenommen. Stefanie Egli
Interview mit Martin Flügel im «Echo der Zeit»: caritas.ch/forum
KulturLegi immer beliebter Ende 2017 waren 93 034 Personen im Besitz einer KulturLegi – das sind 7972 mehr als noch im Vorjahr. Sie konnten trotz kleinen Budgets ins Museum gehen, im Sportverein mitmachen, eine Zeitung abonnieren oder einen Sprachkurs besuchen. Nutzerinnen und Nutzer der Kultur Legi profitieren schweizweit von 30 bis 70 Prozent Rabatt auf über 2900 Angebote aus den Bereichen Kultur, Bildung und Sport. Die steigende Nachfrage zeigt, dass die Teilnahme am sozialen und
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kulturellen Leben ein grosses Bedürfnis ist. Ab Sommer 2018 ist die Karte neu auch im Kanton Jura erhältlich. Damit baut Caritas die KulturLegi in der Westschweiz weiter aus. (ssc)
Mehr Infos: kulturlegi.ch
Onlinespende: caritas.ch/spenden
Die geflüchteten Menschen in Como sind weiterhin auf Unterstützung angewiesen.
Como nach wie vor unter Druck Caritas Como setzt sich weiterhin dafür ein, den Menschen zu helfen, die auf ihrer Flucht nach Europa in Como gestrandet sind. 2016 war die lombardische Stadt an der Grenze zur Schweiz mit der Versorgung der Geflüchteten überfordert. 2017 sind weitere 6000 Personen in Como angekommen. «Heute sind wir alle besser vorbereitet», erklärt Roberto Bernasconi, Direktor der örtlichen Caritas. Dank der finanziellen Hilfe von Caritas Schweiz in den vergangenen zwei Jahren konnte eine zweite Tageskantine in der Stadt eingerichtet werden. Auch drei Zelte wurden aufgebaut und mit Feldbetten sowie einer Heizung ausgestattet. 50 Migrantinnen und Migranten, die anfangs Winter auf einem Parkplatz im Freien lebten, fanden hier eine Unterkunft. (fbo)
Bilder: Nique Nager, Mattia Vacca
Am Puls
Endlich wieder Unterricht: In Nepal können immer mehr Kinder in die von Caritas wiederaufgebauten, erdbebensicheren Schulen zurückkehren.
Lernen trotz Krieg und Krisen Krieg, Flucht und Naturkatastrophen verhindern, dass Kinder und Jugendliche zur Schule gehen können. Ohne Ausbildung haben sie kaum eine Chance auf ein besseres Leben. Caritas setzt sich dafür ein, dass sie trotz Krisen und Katastrophen nicht auf Bildung verzichten müssen. 75 Millionen Kinder und Jugendliche in Notsituationen gehen nicht zur Schule. Ob das Schulsystem in einem vom Krieg zerrütteten Land komplett zusammengebrochen ist, die Kinder auf der Flucht nicht gefördert werden können oder die Schulinfrastruktur durch eine Naturkatastrophe zerstört wurde: Wenn Kindern und Jugendlichen das Recht auf Bildung genommen wird und
«Die Schule bietet mehr als Lesen, Schreiben und Rechnen.» sie der Schule jahrelang fernbleiben, erwartet sie eine Zukunft ohne Hoffnung und Perspektiven. Besonders für die, die in Armut leben, ist eine Ausbildung oft der einzige Weg in ein besseres Leben. Doch die Schule bietet mehr als Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Kinder können sich an einem sicheren Ort entfalten, sie stärken ihr Selbstbewusstsein und finden Freunde.
Bild: Hemanta Chemjong
Caritas setzt Projekte für Tausende Kinder und Jugendliche in Not um – zum Beispiel im Libanon, wo 450 000 syrische Kinder in das Schulsystem integriert werden sollen, oder in Nepal, wo während des Erdbebens 2015 fast 8000 Schulen zerstört wurden. Nicht nur mangelnde Infrastruktur ist ein Bildungshindernis: Traumatische Erlebnisse im Krieg und auf der Flucht sowie anhaltender, negativer Stress mindern die Lernfähigkeit und -bereitschaft der Kinder. Um diese wiederherzustellen, hat Caritas eine Methode entwickelt, die pädagogische und psychosoziale Komponenten verbindet. Sie wird in Gaza und im Westjordanland eingesetzt mit dem Ziel, die Kinder in ihre Schulen zu reintegrieren. Patricia Kröll, Olivia Mathys Video: Das syrische Mädchen Yara (11) vermittelt Einblicke in das Schulprojekt im Libanon. dasrichtigetun.caritas.ch/yara/
Nepal: Sichere Schulen nach dem Erdbeben • W iederaufbau von 31 erdbebensicheren und kinderfreundlichen Schulen • Lehrertrainings zur Steigerung der Qualität von Bildung • Kampagne gegen Schulabbruch Libanon: Bildung für libanesische und syrische Kinder auf der Flucht • Nachhilfeunterricht für benach teiligte syrische und libanesische Kinder • Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen, um Kinder besser zu fördern • Entwicklung eines Ausbildungsmoduls für angehende Lehrpersonen Gaza: Krieg verarbeiten, um lernen zu können • Errichtung von drei sicheren, kindergerechten Zentren • Umsetzung strukturierter Lernunterstützung («Essence of Learning»-Methode) • Sensibilisierung von Lehrkräften für die Arbeit mit traumatisierten Kindern
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Reportage
Überleben zwischen Trümmern Text: Anna Haselbach Bilder: Alexandra Wey
Nichts als Zerstörung: Von ihrem renovierten Balkon aus blickt Hanan al-Youssef auf die Verwüstung, die der Krieg in ihrer Strasse angerichtet hat.
Reportage Aleppo ist zum Symbol des Kriegsgrauens in Syrien geworden. Für Hanan al-Youssef und Amal Mahmoud ist die Stadt mit den vielen Gesichtern aber vor allem eines: ihre Heimat. Über ein Jahr nach dem Ende der Kampfhandlungen kämpfen sie ums Überleben, zwischen Trümmern – und für eine Zukunft für ihre Kinder. An der Strassenecke hat sich ein grosses Geschoss in den Asphalt gebohrt. Niemand hat seine Überreste weggeräumt. Daneben herrscht das normale Verkehrs chaos einer Stadt von Aleppos Grösse, zwei Männer unterhalten sich vor einem
« Genau durch unsere Strasse verlief die Front. » Imbiss. Die Häuser sind fast alle intakt. Ein dunkler Korridor führt ins Hausinnere und ein enges Treppenhaus, wie fast überall ohne Licht, in den ersten Stock, wo uns Hanan al-Youssef* die Tür öffnet. «Willkommen in meinem Haus» «Herzlich willkommen in Syrien, herzlich willkommen in meinem Haus», sagt sie, und serviert Kaffee und Gebäck. Wir sind im Quartier Ashrafieh im Norden Alep-
pos (siehe Punkt A auf Karte). Die Wohnung umfasst zwei Räume und eine winzige Küche. Hier ist Hanan mit ihren drei Kindern Hassan* (18), Ibrahim* (17) und Yasmin* (10) vorübergehend untergekommen. Hanan ist um die vierzig Jahre alt. Entbehrung und Mühsal stehen ihr ins Gesicht geschrieben, aber auch Stärke und Entschlossenheit. Ihr Mann ist vor Langem an einem Hirnschlag gestorben. Ein Verwandter hat ihr die Wohnung für einige Monate gratis überlassen. «Er hat mir einfach die Schlüssel übergeben, Gott sei Dank!», sagt Hanan. Sobald er zurückkommt, wird sie sich jedoch eine neue Bleibe suchen müssen. Eigentlich besitzt Familie al-Youssef eine eigene Wohnung. Sie liegt nur einige Minuten Fussweg entfernt. Aber dort scheint die Stadt eine andere zu sein. «Genau durch unsere Strasse verlief die Front», erzählt Hanan. Wir stehen vor dem, was einmal ihr Wohnhaus
Übersichtskarte Aleppo Aleppo SYRIEN
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ungefähre ehemalige Frontlinie Ashrafieh Ard al-Hamra
war. Die Zerstörung ist gigantisch. Dieser Teil Ashrafiehs war während der letzten fünf Jahre immer wieder heftig umkämpft. Von den Wohnungen blieben nur gähnende Löcher zurück. In den zerbombten Häusern liegen zwischen Trümmern wie Mahnmale die Überreste des Lebens, das die Menschen zurückliessen: ein Telefon, ein Schuh, Familienfotos. Der Stras senrand ist gesäumt von Schutt und Abfall, Sonnenstoren hängen in Fetzen von den Trümmern. Ein paar Kinder spielen in einer Pfütze. Sonst aber ist das Alltagsleben weit entfernt. Der Traum vom Wiederaufbau Doch Hanan hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass der Alltag wieder einkehren wird. Ihr grosses Ziel: In ihre Wohnung zurückzukehren und endlich ein richtiges Zuhause und ein Stück Normalität zurückzugewinnen. Mit beeindruckender Entschiedenheit steckt sie ihre ganze Energie, ihr ganzes Geld in dieses Unterfangen. «Zusammen mit Hassan habe ich aufgeräumt», sagt sie, «wir haben den unteren Teil des Treppenhauses und die Wohnung vom Schutt befreit und geputzt». Mit Hilfe der Caritas konnte Hanan einen Maurer bezahlen, der den Balkon wiederaufgebaut und die Wände geflickt sowie neu verputzt hat. Es ist ein erster Schritt. Jetzt ginge es ans Renovieren der Fenster und Türen. Doch die Preise der Handwerker sind in astronomische Höhen gestiegen. Trotz Arbeit nicht genug zum Leben Der wirtschaftliche Zusammenbruch, der «Krieg von innen», wie ihn der Caritas-Mitarbeiter Sarkis Khaloyan nennt, macht den Neuanfang vielen Menschen unendlich schwer. Im Schnitt haben sich die Preise seit Ausbruch des Kriegs ungefähr verzehnfacht. Hanan verdient als Angestellte bei einem Telefonunternehmen rund 40 000 syrische Pfund im Monat. Das sind ungefähr 70 Franken. «Vor dem Krieg verdiente ich etwa 27 000 syrische Pfund», erzählt sie. «Das hat mehr als gereicht. Jetzt reicht es nirgendwo hin.»
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Reportage Amal Mahmoud* mit ihren drei Töchtern, ihrer Schwiegertochter, einer Enkelin und ihren Eltern das getan, wovon Hanan träumt: Sie ist in ihr Haus zurückgekehrt. Doch die Rückkehr war auch ein Abschied von einem Leben, das nicht mehr wiederkommt.
Das Haus von Familie Mahmoud ist schwer beschädigt. Es zieht durch alle Ritzen.
Langfristig Miete zu bezahlen – das kann sich Hanan, die ja eigentlich eine eigene Wohnung besitzt, auch nicht leis-
« Caritas unterstützt bedürftige Familien bei Reparaturarbeiten. » ten. Überhaupt ist erschwinglicher und menschenwürdiger Wohnraum sehr knapp geworden. Über 950 000 intern
Vertriebene, die alle Schutz und eine Unterkunft brauchen, leben im Moment in Aleppo, während gemäss UN-Schätzung ungefähr ein Drittel der Stadt zerstört ist. Die Caritas hilft bedürftigen Familien dabei, ihre Mieten zu bezahlen, und unterstützt sie bei Reparaturarbeiten. Verlust und Trauer: nichts ist, wie es war Im Quartier Ard al-Hamra im Osten der Stadt (siehe Punkt B auf Karte), etwa 15 Autominuten von Ashrafieh entfernt, hat
Heimkehr in Trümmern «Der Krieg hat mir den Mann und das Haus genommen», sagt die 43-jährige Amal. Ihr kommen die Tränen. Wir sitzen im zweiten Stock ihres Hauses, in einem kargen Raum fast ohne Möbel. Eine Tür fehlt, die Fenster sind behelfsmässig vernagelt. In der Wand klafft ein grosses Loch. Es ist kalt. Amal ist das Gas zum Heizen ausgegangen und sie hat kein Geld, um neues zu besorgen. «Zum Schlafen legen wir uns alle eng beieinander in den Raum im Erdgeschoss», sagt ihre Schwiegertochter Noura*. «Es ist die einzige Möglichkeit, uns warm zu halten.» In Ard al-Hamra fehlt es an allem. Die Architektur verrät, dass das Quartier schon vor dem Kriegsausbruch arm war. Hier reihen sich kleinere Steinhäuser aneinander. «Die Menschen hatten ein einfaches, aber würdevolles Leben», erzählt uns Magi Tabbakh, die das Caritas-Programm im Quartier koordiniert (siehe
Die Frauen von Aleppo Frauen spielen die Hauptrolle in dieser Geschichte. Das ist kein Zufall. Allein in Ostaleppo bestehen ungefähr 70 Prozent der Haushalte aus Familien mit mehreren Kindern, in denen eine Frau Familienoberhaupt ist. Die meisten Männer zwischen 18 und 50 Jahren sind umgekommen, im Gefängnis oder noch irgendwo am Kampf beteiligt. So müssen die Frauen zusätzlich zu Pflichten wie Haushalt und der Familienarbeit weiterhin Aufgaben übernehmen, die traditionellerweise in den Verantwortungsbereich der Männer fallen.
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Dazu gehört besonders die Erwerbsarbeit. Viele Frauen haben uns erzählt, wie schwer diese doppelte Last und die alleinige Verantwortung auf ihren Schultern lastet. Gerade in den ärmsten Bevölkerungsgruppen sind sie häufig in keiner Weise auf diese zusätzlichen Aufgaben vorbereitet. Vielen fehlt auch ein Schulabschluss und damit die Grundvoraussetzung für eine gute Arbeitsstelle. Die Verschiebung der Rollen stärkt zwar die Frauen und ihre Position in der Gesellschaft. Gleichzeitig erhöht sie
aber auch die Gefahr, dass Frauen Opfer von Gewalt werden. Denn Witwen und alleinstehende Frauen sind Stigmatisierung ausgesetzt. Die Frauen, die wir getroffen haben, haben uns ausnahmslos beeindruckt. Auch wenn ihnen Wissen und Mittel fehlen, sie erschöpft von der A rbeit, zermürbt von der schwierigen Ausgangslage sind und sie den Verlust ihrer Liebsten noch lange nicht verarbeitet haben: Mit unglaublichem Willen kämpfen sie alle für ihre Familien.
Reportage
Seit ihr Mann im Krieg gestorben ist, kümmert sich Amal Mahmoud alleine um ihre Familie.
orträt Seite 10). Der Krieg bereitete dem P ein Ende. Besonders als die Regierung Ende 2016 den von den Rebellen kontrollierten Ostteil Aleppos mit intensivem Beschuss und Belagerung zurückeroberte, litten die Bewohnerinnen und Bewohner, die geblieben waren, unvorstellbar. Fast alle Häuser wurden beschädigt, Raketen machten mehrere Häuserzeilen dem Erdboden gleich, Wasser- und Stromversorgung brachen zusammen. Die Menschen verloren alles.
Die Last auf Amals Schultern Familie Mahmoud floh vor fünf Jahren, als eine Rakete ganz in der Nähe ihres Hauses einschlug. «Sie brachte alle Fenster unseres Hauses zum Bersten. Da wussten wir, dass wir weg müssen». Eines Tages, nicht lange nach der Flucht, kehrte ihr Mann kurz ins Haus zurück. «Er wollte ein paar Habseligkeiten holen. Da wurde er von einer Rakete getroffen», erzählt Amal. Auch Amals Brüder wurden Opfer des Kriegs. Jetzt waren die Frauen auf sich allein gestellt. Als Amal nach Ard al-
Hamra zurückkehrte, wusste sie, dass es nun in ihrer Verantwortung liegen würde, die Familie zu versorgen. Amal arbeitet nun zwei bis drei Tage die Woche als Hausangestellte bei einer Familie, die sie schon lange kennt. Einen Schulabschluss hat sie nicht. Ihr Einkommen muss die ganze Familie ernähren. Das sind acht Personen. So kämpft sie jeden Tag für das Überleben ihrer Familie. «Ich muss nun Vater und Mutter sein», sagt sie mit fester Stimme. Von der Caritas bekommt die Familie immer wieder Hilfsgüter wie kürzlich Kleider oder Nahrungsmittelpakete. Dafür ist Amal sehr dankbar. Sie fühlt sich stärker: «Seit ich von der Caritas unterstützt werde, weiss ich, dass ich nicht alleine bin». Insgesamt über 475 000 Opfern der Syrienkrise in Syrien selbst, aber auch in den Nachbarländern Libanon und Jordanien, ist die Hilfe der Caritas bisher zugutegekommen. Auch im anbrechenden achten Kriegsjahr führen wir die dringend nötige Unterstützung weiter. *Namen zum Schutz der Personen geändert
Erfahren Sie mehr über Amal Mahmoud: dasrichtigetun.caritas.ch
Die Menschen in Syrien brauchen unsere Hilfe Schenken Sie einer Familie ein Nahrungspaket oder ein sicheres Dach über dem Kopf und ermöglichen Sie syrischen Flüchtlingskindern, in die Schule zu gehen.
Helfen Sie mit einer Spende! Spendenkonto: 60-7000-4 Vermerk: «Syrien»
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Menschen Alltagsfragen
Madeleine Diakité, Mali
«Jeden Tag überlege ich, wie ich meinen Garten noch besser bewirtschaften kann.» Magi Tabbakh koordiniert die Caritas-Hilfe in Ostaleppo.
«Wir können das Leid nicht einfach geschehen lassen» Magi Tabbakh koordiniert für Caritas Syrien, die Partnerorganisation von Caritas Schweiz in Syrien, das Nothilfeprogramm im Osten von Aleppo. Wer mit Magi Tabbakh durch das Quartier Ard al-Hamra in Ostaleppo geht, der kommt nicht weit: Überall bleiben die Menschen stehen, tauschen ein paar Worte mit ihr, erzählen von ihren Sorgen. Und Magi nimmt sich für alle Zeit. Sie informiert über die nächste Teppichausgabe, erkundigt sich nach dem Befinden des kranken Vaters, wird deutlich, wenn eine Mutter ihre Kinder barfuss und ohne Aufsicht auf Schutthaufen spielen lässt – und verspricht auch einmal, eine Salbe von zuhause mitzubringen, um einen entzündeten Finger zu verarzten. «Mamma Magi», wie die Leute im Quartier sie nennen, ist das Herz der Caritas-Hilfe in Ostaleppo. «Ja, ich mache meine Arbeit sehr gerne. Anders ginge es nicht», sagt Magi. Auch sie verliert angesichts der menschenunwürdigen Umstände, in denen viele Einwohnerinnen und Einwohner im kriegsversehrten Ard al-Hamra leben, manchmal die Fassung. «So etwas können wir nicht einfach geschehen lassen», sagt sie, die selbst in Aleppo geboren ist, dann bestimmt.
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Und ebenso bestimmt und energisch, aber mit viel Herz und Humor, leitet sie ihr junges Team. «Mamma Magi» ist für ihre Mitarbeitenden «Madame Magi». Vom Caritas-Büro in Ostaleppo aus, wo die Leute aus dem Quartier jeden Tag
«Ich mache meine Arbeit sehr gerne. Anders ginge es nicht.» z wischen neun und zwei Uhr Schlange stehen, um Gutscheine für Hilfsgüter wie Decken oder Haushaltsartikel zu beziehen, beantwortet sie Fragen, weist ein, koordiniert. Immer wieder klingelt ihr Handy. Weder den Überblick noch die Nerven scheint sie je zu verlieren: Sie ist in ihrem Element – immer mittendrin, immer engagiert für die Menschen, die so viel durchgemacht haben. (ah)
Erfahren Sie mehr über die Caritas-Hilfe für Syrien: www.caritas.ch/syrien
Wie sieht Ihr Alltag aus? Ich stehe mit der Sonne auf und mache Frühstück. Anschliessend machen sich die jüngeren Kinder auf den Schulweg, die älteren gehen auf die Felder zum Arbeiten. Was arbeiten Sie? Ich darf auf den Feldern, die mit Unterstützung der Caritas angelegt wurden, Gemüse anbauen. Dadurch kann ich auf dem Markt mehr verkaufen. Früher fehlte es häufig an allem und ich hatte keine ander Wahl, als in den Goldminen zu arbeiten. Was wünschen Sie sich? Dass es regelmässig regnet und wir gute Ernten erzielen können. Um die Pflanzen das ganze Jahr hindurch bewässern zu können, müssten die Brunnen noch tiefer gegraben und Pumpen installiert werden – denn wir können nicht Eimer um Eimer Wasser aus einer Tiefe von zwanzig Metern mit unseren blossen Händen heraufziehen. Aber leider fehlen uns die Mittel dazu. Mit welchen Schwierigkeiten kämpfen Sie? Bei starker Dürre müssen wir in die Stadt fahren, um Gemüse zu kaufen, das wir dann auf dem Land weiterverkaufen. Das ist eine verkehrte Welt! (fbo)
Bilder: Alexandra Wey, Fabian Biasio
Brennpunkt Landwirtschaft und ländlicher Entwicklung werden die Kleinbauern beraten und bei der Umstellung auf die neuen Arbeitsweisen unterstützt.
Die Bewohner von Sirini stellen selber Dünger her.
Mehr ernten mit weniger Wasser In Mali bleibt der Regen aufgrund des Klimawandels immer häufiger aus. Es wird schwieriger, für die ländliche Bevölkerung, die von ihrer eigenen landwirtschaftlichen Produktion lebt, den Nahrungsbedarf zu decken. Die Menschen brauchen dringend Lösungen – zum Beispiel durch die Einführung neuer Anbautechniken. Das 865-Seelen-Dorf Sirini in Mali liegt 250 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt. Die Menschen, die hier leben, sind in grosser Sorge: Durch die chronische Dürre werden die Ernten dezimiert. Sie haben
«Das Klima verändert sich. Wenn wir unsere Anbaumethoden nicht anpassen, werden wir alle untergehen.» weder genug Lebensmittel für den Eigenbedarf noch können sie mit dem Verkauf von Produktionsüberschüssen ein kleines Einkommen erwirtschaften. Die Regenperiode 2017 war die schlechteste, die Sirini in den letzten fünfzehn Jahren erlebt hat. In 43 Tagen fielen nur gerade 528 Millimeter Regen – in der Vergangenheit waren es durchschnittlich
Bilder: Fabian Biasio
Organischer Dünger: billiger und besser Chemische Dünger werden in Mali staatlich subventioniert. Aber es gibt weit bessere Mittel, um die Produktion zu steigern: Mit vereinten Kräften haben die Männer von Sirini mehrere grosse Gräben ausgehoben und sie mit Pflanzenabfällen, Asche und Tierexkrementen aufgefüllt. Damit die Mischung möglichst schnell vergärt, wird sie mit reichlich Wasser begossen. Die Herstellung von organischem Dünger ist aufwändig und kräftezehrend. Aber er ist kostenlos und nährt den Boden zwei Jahre lang, bis er erneuert werden muss. Und der Dünger ist effektiv: Zwei Gemüsefelder ermöglichen etwa 100 Familien eine ausgewogenere Ernährung mit Tomaten, Salat, Kohl, Zwiebeln, Kartoffeln und anderem Gemüse. (fbo)
Webreportage aus Mali caritas.ch/mali
immerhin 648 Millimeter in 57 Tagen. Viele Früchte auf den Feldern konnten dieses Jahr nicht reifen. Die Herausforderung ist riesig «Das Klima verändert sich. Wenn wir unsere Anbaumethoden nicht anpassen, werden wir alle untergehen», sagt der junge Landwirt Diawélé Coulibaly. In diesem Jahr hat er auf seinen Hirsefeldern die Halbmondtechnik angewendet und über eine Entfernung von Hunderten von Metern Steine in einer Reihe aufgeschichtet, um so das Wasser zurückzuhalten und den Boden vor Erosion zu schützen. Die harte Arbeit hat sich gelohnt. 400 Kilo Kleinhirse konnte er auf einem halben Hektar Feld ernten – ein gutes Ergebnis. Die Anbautechnik hatte er an einem von Caritas organisierten Besuch in einem Nachbardorf gelernt. In diesem wichtigen Projekt zur Förderung von nachhaltiger
Diawélé Coulibaly ist Landwirt. Mithilfe einer neuen, biologischen Anbautechnik konnte er seine Ernteerträge erheblich steigern.
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Weltweit
Hurrikan Matthew hatte Haiti mit voller Wucht getroffen. Felder wurden überschwemmt, Ernten zerstört.
Mehr Sicherheit vor Naturkatastrophen Haiti leidet unter den Folgen der Klimaerwärmung. Eine radikale Abholzung seit der Kolonialzeit macht die karibische Insel besonders verletzlich für die immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen. Dem ärmsten Land der westlichen Hemisphäre fehlt es an Wissen und Mitteln, um sich den veränderten Bedingungen anzupassen. Der Abholzung soll nun entgegen gewirkt werden – mithilfe einer neuen Kochtechnik.
Projekt zur Etablierung einer neuen, umweltschonenden Kochtechnik initiiert: Organische Landwirtschaftsabfälle wie trockene Blätter und Ernterückstände werden als Brennstoff für mobile Pyrolysekocher eingesetzt.
Haiti kommt nicht zur Ruhe: Kein Jahr vergeht ohne Katastrophenmeldung. Hurrikans haben das Land hart getroffen, Häuser zerstört, Strassen und Felder überflutet und die Ernten der Klein-
Weitere Abholzung verhindern Dieses Verfahren ist für die einkommensschwache Bevölkerung erschwinglich und umweltschonend. Nach dem Kochen bleibt Pflanzenkohle zurück, die als organischer Dünger dabei hilft, den Boden wieder fruchtbar zu machen. Zudem werden Unternehmen und Lernende in der Produktion von Pyrolysekochern und Bio-Briketts geschult sowie in der Unternehmensführung ausgebildet. Ziel des Projekts ist es, weitere folgenschwere Abholzung zu verhindern und die Wiederaufforstung zu fördern. (ssc)
«Heute sind gerade noch zwei Prozent der Landesfläche mit Wald bedeckt.» bauern zunichtegemacht. Gemäss Klima-Risiko-Index gehört Haiti zu den von Extremwetterereignissen am stärksten betroffenen Ländern der Erde. Noch während die Bevölkerung damit beschäftigt ist, die Trümmer des letzten Hurrikans wegzuräumen, kündigt sich oft bereits neue Zerstörung auf dem Wetter-Radar an.
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Die in einer zunehmenden Stärke und häufiger auftretenden Wirbelstürme sind eine Folge des Klimawandels. Aufgrund der radikalen Abholzung ist die Insel besonders verletzlich: Sie ist den hohen Windgeschwindigkeiten und den sintflutartigen Regenfällen schutzlos ausgeliefert. Einst mit Bäumen üppig bewachsen, sind heute gerade noch zwei Prozent der Landesfläche mit Wald bedeckt. Auch dieser ist gefährdet: Holz ist ein günstiger Energieträger. Die Menschen verwenden es zum Kochen und die Holzkohleproduktion bietet Kleinbauern vom Land eine kleine Einkommensmöglichkeit. Die Lösung heisst Pyrolyse Im Einzugsgebiet von Carrefour und Léogâne, wo der Holzkohleverbrauch besonders hoch ist, hat Caritas Schweiz ein
Mehr Infos: caritas.ch/p170007
Bilder: Marie Arago
Schweiz
Lachende Kindergesichter, idyllisches Familienleben: Armut zeigt sich in der Schweiz oft nicht auf den ersten Blick.
Armut direkt vor unserer Haustür Was heisst schon arm? Haben Sie sich das auch schon gefragt? Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass es in unserem Wohlstandsland Menschen gibt, die kaum genug zum Leben haben. Schliesslich schützt ein soziales Netz vor dem freien Fall, wenn die Normalität zerbricht. Trotzdem geht es nicht allen gut. Aus Schwellen- und Entwicklungsländern erreichen uns täglich Bilder von ausgehungerten und von Mangel gezeichneten Menschen. Dieses sichtbare Leid, das den täglichen Kampf um das nackte Überleben dokumentiert, hat sich in un-
«Je länger die Armut andauert, desto mehr richtet sie sich im Menschen ein und verbreitet ein Gefühl der Wertlosigkeit.» ser Gedächtnis eingeschrieben und unser Armutsverständnis geprägt. Doch die Armut in der Schweiz ist eine andere. Man sieht sie den Menschen nicht an. Sie hat mit Ausschluss und Perspektivenlosigkeit zu tun. Betroffen ist, wer sehr viel weniger Geld als die Mehrheitsbevölkerung zur Verfügung hat und sich deshalb kaum am öffentlichen Leben beteiligen kann:
Bilder: Thomas Plain
Der Besuch im Theater, der Vereins sport, in der Stadt gemeinsam mit einer Freundin einen Kaffee trinken, eine Zugfahrt zu den Verwandten oder gelegentlich ein Buch kaufen – für armutsbetroffene Menschen ist das oft nicht möglich. Aber wie schlimm ist das eigentlich? Darüber wird in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Sicher, auch wir kennen finanzielle Durststrecken, müssen mal kürzertreten und lange für den Traumurlaub sparen. Wir schauen beim Einkaufen auf Aktionen und vielleicht drehen wir den Rappen zweimal um – aber am Ende entscheiden wir in aller Regel selbst, ob und wofür wir ihn ausgeben. Wir haben die Wahl. Armutsbetroffene haben diese Freiheit verloren. Jeder Franken zählt. Sie rechnen täglich, ob es reicht, und hoffen, dass keine unvorhergesehenen Kosten anfallen. Die ständige Angst um die eigene Existenz und die Zukunft der Kinder lässt sie kaum zur Ruhe kommen.
Die Welt, in der sie leben wird kleiner, weil der Bewegungsradius eingeschränkt ist und die sozialen Kontakte abnehmen. Und die fortwährende Erfahrung, nicht teilhaben zu können, nicht «normal» zu sein, nagt am Selbstwert. Viele fühlen sich nicht mehr vollständig. Je länger die Armut andauert, desto mehr richtet sie sich im Menschen ein und verbreitet ein Gefühl der Wertlosigkeit. Ihr Problem ist nicht auf den ersten Blick sichtbar, deshalb müssen sich Betroffene erklären – immer wieder. Sind sie selbst schuld, haben sie etwas falsch gemacht, haben sie die Hilfe des Staates verdient? Mit Armut macht man sich verdächtig. Dabei geht leicht vergessen, dass ein Schicksalsschlag, eine Scheidung, eine Kündigung, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder ein kleines Einkommen sie erst in diese Situation gebracht hat. (ssc)
Video: Wie Kinder sich Armut vorstellen: caritas.ch/kinderarmut
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Service
Agenda Wer ist die Caritas und was tun wir? Caritas Schweiz stellt sich vor und informiert über das Thema Nachlassplanung. Mit anschliessendem Museumsbesuch. 24. April 2018 in Zug Bibliothek Zug 27. April 2018 in Basel Historisches Museum Basel jeweils von 13.30 –17.00 Uhr
Caritas-Bergeinsatz bietet neu eintägige Einsätze für Firmen an.
Im Team für die Bergbauern Sie sind auf der Suche nach einem sinnvollen Teamevent mit sozialer Wirkung? Dann könnte das neue Corporate Volunteering-Angebot von Caritas-Bergeinsatz genau das Richtige sein: Sie und Ihr Team packen einen Tag lang bei einer Bergbauernfamilie mit an. Dies stärkt nicht nur den Teamgeist, sondern leistet auch einen wertvollen Beitrag zur Existenzsicherung der Bergbauernfamilie und zur Pflege der
Kulturlandschaft im Berggebiet. Auch die Bergeinsätze für Einzelpersonen starten nach der Winterpause in eine neue Saison. Informieren Sie sich über unsere einwöchigen Freiwilligeneinsätze und über unser Angebot für Firmen auf unserer neu gestalteten Website. (ssc)
Anmeldungen: Telefon 041 419 22 22 oder event@caritas.ch Die Teilnehmerzahl ist beschränkt. Die Anmeldungen werden in der Reihenfolge des Eingangs berücksichtigt.
Mehr Infos: bergeinsatz.ch
Zuhause gut betreut
Care-Migrantinnen betreuen Senioren zu Hause und unterstützen sie im Alltag.
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Im Alter stellt sich irgendwann die Frage: Pflege im Heim oder zu Hause? Es ist der Wunsch vieler älterer Menschen, so lange wie möglich unabhängig in ihren eigenen vier Wänden zu leben – denn die vertraute Umgebung zu verlassen und Liebgewonnenes aufzugeben fällt schwer. Jedoch kann ein Unfall oder eine Krankheit dazu führen, dass nicht mehr alle Arbeiten im Haushalt selbstständig bewältigt werden können. Für Menschen, die sich in dieser Situation wiederfinden, hat Caritas das Rundum-Betreuungsangebot «In guten Händen» geschaffen. Geschulte und engagierte Betreuerinnen und Betreuer aus dem europäischen Caritas-Netz bieten
in Ergänzung zur Spitex Sicherheit zu Hause und Hilfe bei der Bewältigung des Alltags an. Die Care-Migrantinnen sind zu legalen Bedingungen angestellt. Sie leisten in der Schweiz einen oder mehrere dreimonatige Einsätze, kehren wieder in ihre Heimat zurück und werden so nicht aus ihrem Lebensumfeld herausgerissen. Mit ihrem fairen Gehalt können sie ihre Familie unterstützen und beispielsweise die Ausbildung der Kinder finanzieren. (ssc)
Mehr Infos: caritascare.ch
Bilder: Franca Pedrazzetti, Alexandra Wey
Gemeinsam
Deshalb bin ich dabei
Jean-Daniel (56) und Anne Favre (49)
Wenn Rösti auf Kabuli trifft
«Wir unterstützen das Familienplatzierungsprogramm von Caritas, weil jedes Kind das Recht auf eine Familie hat. Und weil wir mit einer Organisation zusammenarbeiten wollen, die unsere humanistischen Werte und unser Engagement für junge Menschen in Not teilt.»
Du hast im Sommer noch nichts vor? Dann komm mit ins interkulturelle Sommerlager von youngCaritas und verbringe eine Woche voller Abenteuer mit Jugendlichen aus aller Welt. Im vergangenen Jahr sind Schweizer Jugendliche gemeinsam mit geflüchteten Jugendlichen ins Lager in die Flumserberge gefahren. Ob im Seilpark oder in der Badi, beim Ping-Pong oder bei einem gemütlichen Abend am Lagerfeuer – immer war die Luft erfüllt von Lachen und einem bunten Sprachgemisch aus Tigrinya, Farsi und Schweizerdeutsch. Das Lager bietet dir die einmalige Gelegenheit, über den Tellerrand zu blicken. Oder hast du schon mal afghanisches Kabuli gegessen oder zu eritreischer Volksmusik getanzt? Und falls es am An-
youngCaritas-Award Das Projekt AsyLex hat den youngCaritas-Award 2017 für eine innovative Online-Rechtsberatung, die geflüchteten Menschen in der Schweiz kostenlos
Bilder: youngCaritas, zVg
fang mit der Verständigung hapern sollte: Fussball und Freude werden international geteilt und ohne viele Worte verstanden. Wo das interkulturelle Sommerlager 2017 stattfinden wird, verraten wir an dieser Stelle noch nicht. Klar hingegen ist: Du willst das Lager nicht verpassen! Melde dich an und freue dich auf viel Spass, interkulturelle Erfahrungen und neue Freundschaften. Chantal Zimmermann
Kathrin Fankhauser (52)
«Ich habe mich als Pflegefamilie beworben, weil mein Herz für Kinder schlägt, die durch ihre Lebensgeschichte einen schweren Rucksack zu tragen haben.»
Mehr Infos: youngcaritas.ch/sommerlager
angeboten wird, gewonnen. Die Gewinnerinnen reisen 2018 mit youngCaritas nach Kolumbien und erhalten vor Ort Einblick in die Projektarbeit der Caritas Schweiz. Hast du ein eigenes Projekt oder eine Idee? Informiere dich unter www.young caritas.ch/award und melde dich am besten gleich für den Award 2018 an.
Christina (42) und Martin Zahner (43)
«Wir sind dabei, weil wir gerne mit Menschen arbeiten und wir benachteiligten Jugendlichen eine Chance geben möchten. Es ist eine Bereicherung – für uns und die Jugendlichen.»
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Amal Mahmoud (43), Syrien, kämpft um das Überleben ihrer Kinder.
Das Richtige tun
Wenn Armut ihr Gesicht zeigt Erfahren Sie mehr über Amal und ihre Familie: www.dasrichtigetun.caritas.ch