CARITAS Nr. 6 / Dezember 2023
Magazin
Ernte im Griff: Kambodscha
Seite 6
Menschen
Brennpunkt
Schweiz
Seite 10
Seite 11
Seite 13
Gabriella Tau vereint Familien
Überleben in Syrien
Kampf gegen Mädchenbeschneidung
Offener Brief
Liebe Spenderin, lieber Spender In den vergangenen Monaten erreichen uns gefühlt täglich Meldungen von Naturkatastrophen, blutigen Anschlägen oder neuen lokalen Konflikten. Und das, während die Folgen der Pandemie, des Klimawandels, des Nahostkonflikts und des Kriegs in der Ukraine die Menschen auf der ganzen Welt langfristig in Bedrängnis bringen. Die weltweite Armut steigt wieder, nachdem sie Jahrzehnte zurückgegangen ist. Das wollen und dürfen wir nicht hinnehmen. Weder als Individuum noch als Organisation, die seit über 120 Jahren an der Seite von Menschen in Not steht. «Ja zu einer Welt ohne Armut» ist unser unverrückbares Credo bei Caritas Schweiz. Mit unseren Projekten im In- und Ausland stehen wir jeden Tag dafür ein. Zum Beispiel in Kambodscha. Armut treibt viele Menschen als Arbeits migrantinnen und -migranten ins angrenzende Thailand. Die Klimakrise belastet die Landwirtschaft zusätzlich: Ungewöhnlicher Starkregen vernichtet die Ernten. Mit einem neuen Projekt unterstützen wir Bauernfami-
«Ja zu einer Welt ohne Armut» ist unser unverrückbares Credo bei Caritas Schweiz.
lien dabei, die Folgen dieses Klimaphänomens zu bewältigen. Einen regelrechten Krisenherd treffen wir in Syrien an. Die Bevölkerung lebt seit Jahren im Kriegszustand, ein Grossteil der Infrastruktur liegt in Trümmern. Das Erdbeben Anfang des Jahres verschlimmerte die humanitäre Lage noch zusätzlich. Mit Nothilfe und Bildungsprojekten sind wir vor Ort und setzen alles daran, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Inmitten dieser unsicheren Zeit geht die Schweiz schwer nachvollziehbare Wege: In der neuen Strategie für internationale Zusammenarbeit ab 2025 will der Bundesrat die Entwicklungsgelder kürzen, trotz Mehrfachkrisen und steigender Armut. Wir fordern in Anbetracht der Lage das Gegenteil: mehr Mittel, nicht weniger. Wie prekär die Lage auch sein mag – wir bleiben dran, gemeinsam mit Ihnen, liebe Spenderin, lieber Spender. Ihre Unterstützung ist enorm wichtig und ich danke Ihnen von ganzem Herzen. Gemeinsam mit Ihnen kommen wir unserem Ziel näher, einer Welt ohne Armut und mit mehr Gerechtigkeit!
Peter Lack Direktor Caritas Schweiz
2
Bild: Alexandra Wey
Inhalt
So reicht das Wasser für alle
10
Bauernfamilien in Kambodscha ringen mit der Wasserverteilung. Durch den Klimawandel kommt es jetzt auch noch zu unüblichem Starkregen. Was es langfristig braucht, ist ein gemeinsames Wassermanagement und Alternativen zum Reisanbau. Ein partizipatives Projekt der Caritas bringt alle Beteiligten an einen Tisch, um gemeinsam Lösungen zu finden. Seite 6
Menschen: Grundrechte von Migrierenden sichern
Die Juristin Gabriella Tau bringt von der Flucht zerrissene Familien wieder zusammen.
11
rennpunkt: Schule B im Ausnahmezustand
Fatima hält ihre Familie im syrischen Kriegsalltag kaum über Wasser. Bei der Bildung macht sie keine Kompromisse.
13 Schweiz: Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung
Bella Glinski erzählt aus ihrem Alltag als Botschafterin im Kampf gegen weibliche Genitalbeschneidung. In der Schweiz sind an die 22 000 Mädchen und Frauen betroffen oder bedroht.
IMPRESSUM Das Magazin von Caritas Schweiz erscheint sechsmal im Jahr. Herausgeberin ist Caritas Schweiz, Kommunikation und Marketing, Adligenswilerstr. 15, Postfach, 6002 Luzern, E-Mail: info@caritas.ch, www.caritas.ch, Tel. +41 41 419 22 22 Redaktion: Laura Scheiderer (ls); Livia Leykauf (ll); Vérène Morisod (vm); Chiara Achermann (ca); Daria Jenni (dj); Fabian Saner (fs); Fabrice Boulé (fb); Nicole Lehnherr (nl); Niels Jost (nj); Stefan Gribi (sg) Das Abonnement kostet fünf Franken pro Jahr und wird einmalig von Ihrer Spende abgezogen. Grafik: Urban Fischer Titelbild: Nicolas Honoré Druckerei: Kyburz, Dielsdorf Papier: 100 % Recycling Spendenkonto: IBAN CH69 0900 0000 6000 7000 4 Nachhaltig produziert Ihre Daten werden bei uns geschützt. Informationen zum Datenschutz der Caritas Schweiz finden Sie unter www.caritas.ch/datenschutz
3
Echo
Weniger Entwicklungsgelder trotz steigender Armut?
2025 tritt die neue Strategie für Internationale Zusammenarbeit in Kraft. Der Bundesrat will die Beiträge für Entwicklungszusammenarbeit nicht erhöhen. Im Vergleich zum Bruttonationaleinkommen sollen sie sogar sinken. Das ist ein Problem, denn die weltweite Armut steigt. Der Krieg in der Ukraine, die Klimakrise, oder die weltweite Inflation: Von der gravierenden Mehrfachkrise sind vor allem Menschen im Globalen Süden stark betroffen. Vor diesem Hintergrund wäre ein Ausbau der Entwicklungsgelder an-
gezeigt. Caritas Schweiz fordert zusammen mit anderen entwicklungspolitischen Organisationen, dass mehr Mittel für die weltweite Armutsbekämpfung bereitgestellt werden – nicht weniger. Bei der regionalen Ausgestaltung ist aus Sicht von Caritas Schweiz eine Priorisierung auf die am wenigsten entwickelten Länder vordringlich. Die Hilfe für die Ukraine ist wichtig und soll beibehalten werden, darf aber nicht auf Kosten der ärmeren Länder gehen. Die internationale Zusammenarbeit darf zudem nicht für eine Abwehr von Migration instrumentalisiert werden. Caritas kritisiert ausserdem, dass der Bund für die Klimafinanzierung das Budget der Entwicklungszusammenarbeit belastet. (sg) Vernehmlassungsantwort von Caritas Schweiz auf die Botschaft des Bundesrates zur Internationalen Zusammenarbeit 2025–28
Sozialökologischer Wandel Armutsbekämpfung kann nicht mehr als rein materielle Existenzsicherung verstanden werden. Armut muss in der Energieund Mobilitätswende mitgedacht werden und gleichermassen ökologische Nachhaltigkeit bei sozialen Fragen. Mit diesem sozialökologischen Wandel beschäftigt sich der Sozialalmanach 2024. Wie können Emissionen reduziert werden, ohne dass es wieder die Schwächsten am härtesten trifft? Wie können die vorhandenen Ressourcen gerechter in der Gesellschaft verteilt werden? Auf diese und andere Fragen suchen die Fachautorinnen und -autoren Antworten. Die Lösungswege führen über gesellschaftliche und politische Teilhabe,
4
eine inklusive Klimapolitik, genossenschaftliche Ansätze sowie eine zeitgemässe Raumplanung oder Alterspolitik. Sie fordern teils radikale Systemwechsel wie ein Basiseinkommen, evaluieren aber auch, wie wir mit bewährten Vorgehensweisen aus dem Vollen schöpfen können. (fs)
Bestellung unter: 041 419 24 19 oder online: caritas.ch/shop
Medienecho Südwest Presse | Wenn Mord und Chaos Alltag werden | 17. 8. 2023 «Man kann sich in Port-au-Prince heute nicht mehr frei bewegen», sagt Martina Weber, Verantwortliche für den Bereich Haiti bei Caritas Schweiz. «Für uns als Organisation wurde die rote Linie erreicht. Wir konnten nicht mehr sicherstellen, dass wir unsere internationalen Mitarbeiter im Extremfall evakuieren können, beziehungsweise die nationalen einen sicheren Arbeitsort haben». Deshalb wurde das rund 15-köpfige Team von der Hauptstadt nach Les Cayes verlegt. watson | Diese zehn Krisen sorgen für extremes Leid – und du hast sie gar nicht auf dem Schirm | 27. 7. 2023 Das «Norwegian Refugee Counsil» (NRC) gibt jedes Jahr ein Ranking der zehn am meisten vernachlässigten und vergessenen Krisen heraus. (…) watson hat mit Franziska Koller, Projektleiterin im Bereich Internationale Zusammenarbeit bei der Caritas, gesprochen. Dürren und Teuerung machen den Burkinabe das Leben schwer: «Im Vergleich zur Schweiz muss die ärmste Bevölkerungsgruppe zum Überleben rund 80 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel ausgeben.» Tagesanzeiger | Kein Kino für die Kinder und die Eltern gehen nicht zum Arzt | 27. 9. 2023 «Die steigenden Krankenkassenprämien sind ein grosses Problem. Sie belasten die Menschen stark, die zu uns in die Sozialberatung kommen», sagt Andreas Lustenberger, Geschäftsleitungsmitglied beim Hilfswerk Caritas. (…) Wenn die Politik hier nicht gegensteuere, komme es zu einer immer stärkeren Segmentierung der Gesellschaft mit Reichen und Armen (…). Caritas schlägt daher Ergänzungsleistungen für Menschen in prekären Situationen vor, insbesondere für Familien.
Am Puls
Vom Wunsch, ein Mechaniker zu sein Der Tschad zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Vielen Menschen fehlt der Zugang zu einer Berufsbildung, dabei wäre das ein Weg aus der Armut. Caritas Schweiz unterstützt junge Menschen mit Ausbildungen dabei, ihre Perspektiven zu verbessern. Alain Mendjiormel ist 30 Jahre alt und hat einen Plan: Er will Motorradmechaniker werden. In seinem Wohnort Timbéri und der umliegenden Gegend gibt es aber keine entsprechende Ausbildung. Mehrere Jahre schlägt er sich als Bauer durch und versucht alles, um seine Frau Olive und die vier Kinder zu ernähren. Doch das Geld reicht selten bis zum Ende des Monats. Die Felder sind längst nicht mehr so fruchtbar wie früher und Ochsen, die die Arbeit erleichtern würden, teuer.
Caritas Schweiz füllt Lücken im Ausbildungssystem Die beruflichen Möglichkeiten für junge Menschen wie Alain sind im Süden des Tschads begrenzt. Ein Grossteil der Bevölkerung kann weder lesen noch schreiben. Zudem sind lokale Ausbildungszentren rar und kostspielig. Eine feste Anstellung zu erhalten, ist unter diesen Umständen schwierig. Caritas Schweiz schafft in drei südlichen Provinzen Möglichkeiten für eine Berufsbil-
dung und einen verbesserten Zugang zum Arbeitsmarkt. Jugendliche und junge Erwachsene können eine dreimonatige Ausbildung zum Schneider, zur Schreinerin, in Motorradmechanik oder Stricken absolvieren. Im Anschluss erhalten sie eine Grundausstattung an Werkzeugen und Material, um selbst ein Geschäft zu eröffnen. Das benötigte unternehmerische Wissen eignen sie sich in Trainings an. Alain wird Motorradmechaniker – und Geschäftsmann Als die Caritas im Frühjahr 2021 junge Menschen für die Ausbildung zum Motorradmechaniker suchte, nutzte Alain Mendjiormel die Chance: «Ich meldete mich umgehend an und absolvierte die dreimonatige Ausbildung kurze Zeit später. Seither repariere ich die Motorräder der Landwirte in Timbéri in meiner eigenen Werkstatt. Das Einkommen reicht endlich, um meine Familie zu ernähren.»
«Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich sogar etwas Geld zur Seite zu legen.» Das Projekt hat in Alain einen grossen Geschäftssinn geweckt. Seither nutzt er jede Gelegenheit, um zusätzliche Gewinne zu erwirtschaften. Beispielsweise mit dem An- und Verkauf von Motorrädern, dem Handel von Hirse und bald auch mit der Zucht von Ziegen. «Zum ersten Mal in meinem Leben kann ich sogar etwas Geld zur Seite legen», erzählt der Familienvater mit grossem Stolz. Er und seine Frau konnten bereits das Strohdach ihres Hauses durch ein Blechdach ersetzen und eine Ziege kaufen. Das Ehepaar hat grosse Pläne für die Zukunft und sie möchten ihren Kindern bestmögliche Lebensbedingungen bieten. (dj) Alain Mendjiormel (30): «Ich wollte schon lange Mechaniker werden, aber das war nicht möglich. Heute habe ich meine eigene Werkstatt.»
Bild: Simon Huber
5
Reportage
Kambodscha: Wie gelingt eine faire Wasserverteilung? Text: Nicole Lehnherr Bilder: Nicolas Honoré
Früher baute Savoeuy Phon nur Reis an, doch das reichte nicht zum Leben. Heute hat sie Alternativen, aber auch wieder neue Herausforderungen.
Reportage
Der Hauptkanal versorgt die Nebenund Kleinkanäle, damit alle genügend Wasser auf ihren Feldern haben.
Bauernfamilien in Kambodscha ringen seit jeher mit der Wasserversorgung. Die Reisernte reicht deshalb nicht als Lebensgrundlage. Kaum hat ein erstes Caritas-Projekt das Wasserproblem teils gelöst, stellt die Klimakrise die nächste Herausforderung. Die Sonne scheint auf die Reisfelder in Mongkolbori und lässt das Grün der Pflanzen leuchten. Bald färben sich die Halme gelblich und dann ist es Zeit, den Reis zu ernten. Umringt von dieser üppigen Farbenpracht öffnet die Bäuerin Savoeuy Phon (52) das eiserne Tor zu ihrem Garten: Papaya, Guava, Cassava, Gurken, Kokospalmen, Bananen, Zitronengras und viele weitere Sorten spries-
Myanmar
Laos
Thailand
Kambodscha Vietnam
sen aus dem fruchtbaren Boden. Alles hat seine Ordnung in diesem kleinen Paradies, das ist Savoeuy wichtig. Früher baute Savoeuy, wie viele Kleinbäuerinnen in Kambodscha, ausschliesslich Reis an. Wegen der schlechten Wasserversorgung konnten sie aber nicht genug produzieren, um davon zu leben. Das Problem war, dass sie das Wasser während der Regenzeiten nicht richtig speichern konnten. So reichte es nur für eine Ernte pro Jahr – zu wenig zum Überleben. Die Familie Phon musste sich nach weiteren Einnahmequellen umsehen. Und die fanden sie, wie viele Menschen in Kambodscha, im angrenzenden Thailand. Savoeuy und ihr Mann blicken auf lange Jahre der Arbeitsmigration zurück. Ihre Kinder mussten sie bei den Grosseltern zurücklassen: «Es war sehr schwierig für mich, meine Kinder zu verlassen. Doch wir waren als Erntehelfer den ganzen Tag auf den
Feldern und da ist kein Platz für Kinder», erinnert sich Savoeuy. Glücklicherweise änderte sich ihre Lebenssituation vor ein paar Jahren und sie konnten wieder dauerhaft in die Heimat zurückkehren. Den Ausschlag gab das erste von zwei Projekten von Caritas Schweiz in der Region. Wie eine zweite Reisernte möglich wurde Das Projektteam der Caritas suchte gemeinsam mit dem örtlichen Wasserkomitee nach besseren Bewässerungsmöglichkeiten. Auch Savoeuys Ehemann Savath war mit von der Partie. Strahlend erzählt er vom Ergebnis: «Dank des Projekts konnten wir den Hauptwasserkanal in Stand setzen und weitere kleine Kanäle von diesem ableiten, damit noch mehr Felder mit Wasser versorgt werden können.» Heute erntet Familie Phon zweimal im Jahr Reis. Nebst neuer Wasserinfrastruktur lernten die Bauernfamilien auch, alternative Einnahmequellen zu nutzen: «Früher konzentrierten wir uns ausschliesslich auf den Reisanbau. Im Rahmen des CaritasProjekts nahmen wir an Schulungen zu
7
Reportage
Manchmal gibt es Fisch aus dem Wasserauffangbecken zum Abendessen.
Gemüseanbau und Kleintierzucht teil», erzählt Savath weiter. Den Gewinn aus der zweiten Ernte haben sie in eine Hühnerzucht und in den
« Was es langfristig braucht, ist ein gemeinsames Wassermanagement.» Gartentraum von Savoeuy investiert. Neben dem Garten liegt zudem ein Wasserauffangbecken, in dem Fische leben. Savath wirft immer mal wieder das Netz aus
Savoeuy kümmert sich um die Pflanzen in ihrem schönen Gemüse- und Früchtegarten.
für ein leckeres Abendessen. So kann sich die Familie heute wieder selbst versorgen und ist nicht mehr gezwungen, als Tagelöhner die Heimat zu verlassen – eigentlich. Jetzt bringt die Klimakrise die nächste Herausforderung Kaum hat sich Familie Phon wieder in der Heimat eingelebt, macht sich die Klimakrise bemerkbar und bedroht den erzielten Fortschritt in der Region: «Zum Ende der letzten drei Regenzeiten war der Niederschlag jeweils so heftig, dass die Kanäle übergelaufen sind. Wir mussten alle Schleusen öffnen und das ganze Wasser
auf die Reisfelder abfliessen lassen. Sonst hätten wir schlimme Überschwemmungen der Dörfer riskiert», berichtet Set Runn, ein Vorstandsmitglied eines Wasserkomitees. Die erste Aussaat wurde weggeschwemmt und es blieb kaum mehr Wasser übrig für den zweiten Anbau. «Wenn das Wetter weiter verrücktspielt, reichen unsere Erträge bald wieder nicht mehr zum Leben», sagt Savoeuy nachdenklich. Überschwemmungen in der Regensaison und längere Trockenphasen gab es auch in der Vergangenheit, doch der Starkregen am Ende der Saison ist neu. Und hier setzt wiederum das zweite Projekt an, das Caritas Schweiz soeben in der Region gestartet hat. Partizipativer Lösungsansatz Die Wasserverteilung ist allein mit der verbesserten Infrastruktur nicht abschliessend gelöst. Das Problem verschärft sich mit jedem neuen Starkregen. Was es langfristig braucht, ist ein gemeinsames Wassermanagement. Die einzelnen Flussläufe versorgen jeweils mehrere hundert Familien und gehen durch verschiedene Bezirke. Daher ist es notwendig, dass die Wasserverteilung zusammen erarbeitet wird. Ausserdem sollen die Bäuerinnen und Bauern in der ganzen Region Alternativen zum Reis anpflanzen. Das neue Projekt wird zusammen mit HEKS, dem Hilfswerk der Evangelisch-
Gemeinsam gegen Armut und für mehr Klimagerechtigkeit Das oberste Ziel von Caritas Schweiz ist es, Armut zu bekämpfen. Das hat direkt mit der Klimakrise zu tun, denn diese bringt Millionen von Menschen weltweit in Not. In den Projektländern ist unübersehbar, wie sich Hunger und Armut verstärken. Tropische Stürme und andere Extremwetterereignisse häufen sich, anhaltende Dürren entziehen den Menschen in dramatischer Weise die Lebensgrundlage und treiben sie in die Flucht. Das ist ungerecht, denn die Menschen im globalen Süden tragen am we-
8
nigsten zur Klimaerwärmung bei. Im Gegensatz dazu verursacht die Schweiz überdurchschnittlich viele Emissionen. Deshalb übernimmt Caritas Schweiz Verantwortung und führt weltweit Klimaprojekte durch, die den Menschen ins Zentrum stellen und die Armut bekämpfen. Sie tragen dazu bei, dass sich betroffene Bevölkerungsgruppen besser an klimatische Veränderungen anpassen können, zeigen Lösungen für die Zukunft auf und tragen so zur Klimagerechtigkeit bei.
Im Inland setzt sich die Caritas dafür ein, dass die Schweiz einen gerechten Anteil an internationaler Klimafinanzierung leistet und Entschädigungsbeiträge an Entwicklungsländer zahlt. Gleichzeitig muss die Schweiz ihren eigenen CO2Ausstoss senken und sich von fossilen Treib- und Brennstoffen verabschieden. Und das, ohne Armutsbetroffene im Inland zu belasten, denn ein sozialverträglicher Klimaschutz ist möglich. (ls)
Reportage reformierten Kirche Schweiz, realisiert und verfolgt einen partizipativen Ansatz: Die Bauernfamilien werden mit ihren Wasserkomitees zusammen mit den Behörden an einen Tisch gebracht. Dort legen sie gemeinsam die Verteilung des Wassers fest und klären Alternativen zum Reisanbau ab – mit verbindlichen Vereinbarungen. Als strategisches Werkzeug steht ihnen dabei die sogenannte IM-Toolbox zur Verfügung. Mit diesem systematischen Lösungsansatz werden Bauernfamilien dabei unterstützt, trotz Klimakrise ihre Ernährung zu sichern. Mehr Eindrücke der Familie Phon unter: www.caritas.ch/phon
Mit Hilfe der IM-Toolbox suchen die Bauernfamilien mit der Caritas nach Lösungen gegen die Überschwemmungen.
Wie funktioniert der Prozess mit der IM-Toolbox? Der ganze Prozess startet mit einem Workshop, der von Caritas-Mitarbeitenden und den verantwortlichen Regierungsstellen veranstaltet und geleitet wird. Die Teilnehmenden sind alle Bäuerinnen und Bauern aus dem Einzugsgebiet eines Wasserlaufs. Der Workshop startet mit einer Befindlichkeitsrunde. Was läuft gut? Was weniger? In Vorbereitung auf den Workshop erstellt die Caritas Anbaupläne pro Einzugsgebiet eines Wassersystems. Darauf ist das Wasserbedürfnis der einzelnen Bauern offengelegt. So lassen sich Versorgungsengpässe bei bestimmten Feldern gut aufspüren. Anhand des Nutzungsplanes diskutieren die Teilnehmenden den Wasserfluss, wie gut die Verfügbarkeit ist und wie zielführend die Struktur verwaltet wird. Alle Akteure, die das verfügbare Wasser und die Wasserinfrastruktur beeinflussen, werden aufgelistet und die Beziehungen zueinander grafisch dargestellt. Die Gruppe diskutiert nun die vorhandenen Probleme und evaluiert daraus die dringlichsten.
Die IM-Toolbox bietet für verschiedene Probleme mehrere Lösungsvorschläge. Diese helfen der Gruppe, die für sie spezifischen Lösungen zu finden. Zum Beispiel evaluieren und erschliessen unsere Projektmanagerinnen und -manager mit den betroffenen Familien neue Einnahmequellen, wie den Getreide- oder Gemüseanbau, der weniger Wasser verbraucht. Zudem werden die Bauernfamilien dabei unterstützt, gezielt Geschäftsbeziehungen mit dem Zwischenhandel und Dienstleistungsunternehmen oder Lieferfirmen, etwa für Getreide, aufzubauen. Gemeinschaftlich erlangen sie bessere Konditionen. Die Teilnehmenden stellen einen Aktionsplan zusammen, mit welchen Schritten sie die Probleme angehen wollen. Coaches begleiten die Bäuerinnen und Bauern auf ihrem Lösungsweg auch in der Umsetzungsphase. Regelmässige Treffen helfen den Wasserkomitees den Fokus zu behalten und bieten eine Plattform, um Hürden anzusprechen.
9
Brennpunkt Menschen sie die Rechte von Asylsuchenden im Asylverfahren. Sie kümmert sich um Anträge auf Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen, Familiennachzugsanträge oder Gesuche um einen Kantonswechsel. Ihr ist es wichtig, dass die Rechte bestimmter vulnerabler Gruppen konsequent durchgesetzt werden. Dazu gehören Minderjährige, junge Erwachsene in Ausbildung oder vorläufig aufgenommene Menschen mit einer Behinderung. Zudem bemüht sich ihr Team um die Regularisierung des Aufenthalts von Männern und Frauen, die in der Schweiz zwar gut integriert sind, aber über keinen rechtlich geregelten Status verfügen.
Nach zwölf Jahren Arbeit im Asyl- und Migrationsbereich im Ausland ist Gabriella Tau jetzt in Fribourg, an der «Basis».
Wenn die Flucht Familien zerreisst, schreitet sie ein Gabriella Tau ist Juristin und leitet seit 2011 die drei Rechtsberatungsstellen der Caritas in der Westschweiz. Menschenrechte von Migrierenden müssen kompromisslos eingehalten werden – dafür setzt sich die Juristin ein. «Wenn Familien durch Flucht voneinander getrennt werden, betrifft mich das ganz besonders. Dann kämpfe ich für einen möglichst raschen Familiennachzug», erklärt Gabriella Tau. Die Juristin setzt
«Wenn Familien durch Flucht voneinander getrennt werden, betrifft mich das ganz besonders.» sich mit unermüdlichem Engagement für die Verteidigung der Grundrechte von Migrierenden in der Schweiz ein. Das prägt ihre ganze berufliche Laufbahn: Zuerst im Ausland beim UNHCR, danach in Bern bei der Eidgenössischen Kommis-
10
sion gegen Rassismus, dann in Genf und schliesslich in Freiburg. Seit 2011 leitet sie die Rechtsberatungsstellen (BCJ) der Caritas für die Westschweiz. «Nach vielen Jahren im Ausland arbeite ich jetzt in Freiburg an der Basis. Das gefällt mir sehr», sagt sie lächelnd. Gabriella Tau ist als Tochter eines italienischen Vaters und einer bulgarischen Mutter im Kanton Zürich aufgewachsen. «Ich bin eine Seconda», sagt sie. Sie wurde also praktisch ins Thema Migration hineingeboren. Somit war auch die Berufswahl naheliegend, und sie setzt sich mit Herzblut für das Thema ein. Verbesserung des Rechtsstatus Mithilfe ihres elfköpfigen Teams in Freiburg, Neuenburg und Delsberg verteidigt
Sieg vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Der 4. Juli 2023 war ein ganz besonderer Tag für Gabriella Tau – geprägt von Emotionen und grosser beruflicher Zufriedenheit. Sie verteidigte eine Mutter, die aus Eritrea geflüchtet war und ihre Tochter in die Schweiz holen wollte. Das Kind war zwölf Jahre alt, als die Mutter das Land verliess, danach waren sie zehn Jahre getrennt. Die Schweiz hatte den Familiennachzug verwehrt, weil die Mutter von der Sozialhilfe abhängig war. Dass diese an einer Krankheit litt, rechtfertigte offenbar nicht, dass sie Sozialhilfe bezog. An diesem Julitag siegten Gabriella Tau und ihre Klientin im Kampf um Gerechtigkeit: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gewichtete das Recht auf Achtung des Familienlebens stärker und stufte den Entscheid der Schweiz als nicht rechtens ein. Vor dem EGMR Recht zu bekommen, ist zweifelsohne eine starke Leistung und eine Genugtuung für jede Juristin. Für Gabriella Tau und ihr Team war es die Belohnung für viele Jahre harter Arbeit. Hinter den vielen Akten, Fällen und Verfahren, mit denen sie täglich arbeiten, stehen immer Menschen: Kinder, Frauen, Männer. Ihre Zukunft liegt in den Händen von Gabriella Tau und ihrem Team, Tag für Tag aufs Neue. (fb)
Bild: Nicolas Brodard
Brennpunkt
Fatima reicht das tägliche Geld nur für eine kleine Portion Reis oder Bulgur, sowie etwas Brot und Tomaten. Und dafür arbeiten die Kinder mit.
Said (12) besucht den Zusatzunterricht von Caritas.
Leben, wo der Krieg kein Ende findet Das Leben in Syrien kennt keine Stabilität. Der Krieg im Land findet seit 12 Jahren kein Ende, es herrschen Armut und galoppierende Inflation. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung hat kaum das Nötigste zum Überleben. Auch Fatima nicht. In dem notdürftig renovierten Haus der 36-jährigen Fatima gibt es kein Spielzeug, obwohl hier fünf Kinder leben. Kein Bild hängt an der Wand. Tisch und Stühle
Fatima investiert in die Zukunft ihrer Kinder, denn die Gegenwart in Syrien ist einfach nur bitter. sucht man vergebens. Strom- oder Wasseranschlüsse sind nicht vorhanden. So wie Fatima und ihre Familie leben Millionen von Menschen in Syrien. Die Kriegsschäden im Land sind nicht zu übersehen, ganze Gebiete liegen in Schutt und Asche. Die Wirtschaft kommt nicht auf die Füsse, noch immer gibt es schwere militärische Auseinandersetzungen und in den letzten Monaten kam es vermehrt zu Demonstrationen. Die zweifelhaften Interessen der nationalen und internationalen Machthaber zwingen die Bevöl-
Bilder: Hasan Belal
kerung in die Knie. Und dann erschütterte im Februar 2023 auch noch ein Erdbeben das Land. Seither liegt kein Stein mehr auf dem anderen. Was vom Erdbeben zerstört wurde und was im Krieg, wissen nur Einheimische: «Die Kriegstrümmer sind älter, deshalb wächst schon Gras darüber». Die Kinder sollen lernen, das ist Fatima das Wichtigste Woher Fatima die Kraft nimmt, jeden Tag aufs Neue zu beginnen, weiss sie selbst nicht so genau. Sie ist Witwe, seit ihr Mann bei einem Busunfall ums Leben kam. Ihre Kinder, sagt sie, die geben ihr Kraft. «Sie sind die Hoffnung meines Lebens.» Für sie nimmt sie jede noch so schlecht bezahlte Arbeit an, verarbeitet Gemüse oder Obst für einen Hungerlohn. Zwei der Kinder verdienen nach der Schule in einer Flipflopfabrik etwas dazu. Das gesamte Geld des Tages reicht dann jeweils für eine kleine Ration Reis oder Bulgur, für Brot oder Tomaten für die Familie.
Trotz aller Einschränkungen hat es für Fatima höchste Priorität, dass ihre Kinder zur Schule gehen, denn davon hängt ihre Zukunft ab. Ihre Hausaufgaben müssen die vier Jungen und das Mädchen zwar auf dem Fussboden machen, doch das ist für die Mutter nicht wichtig. Sie selbst hat nur einige Jahre den Unterricht besucht – ihre Kinder sollen aber die Chance haben, einmal eine Ausbildung zu machen. Fatima investiert in die Zukunft, denn die Gegenwart ist einfach nur bitter. Umso dankbarer ist sie, dass die Familie ins Caritas Programm in ihrem Quartier Jabal Bedro aufgenommen wurde. Die Kinder besuchen Förderunterricht in Mathematik, Arabisch und Englisch. Regelmässig treffen sie sich auch, um gemeinsam zu malen, tanzen oder singen. Die Mutter erhält über sechs Monate einen kleinen Bargeldbetrag, um zu kaufen, was ihr besonders wichtig erscheint: Medikamente, Kleidung, haltbare Lebensmittel und, wen wundert es, Schulbücher. (ll) Mehr Eindrücke von Fatimas Familie unter: www.caritas.ch/fatima
11
Brennpunkt Schweiz
Pflegefamilie – eine Herzensangelegenheit Erleben Kinder oder Jugendliche eine Problemsituation, kann etwas Abstand zum gewohnten Umfeld helfen. Deshalb vermittelt die Caritas Pflegefamilien, seit 20 Jahren. Heute sind sie gefragt wie nie: Die psychische Gesundheit von Jugendlichen in der Schweiz verschlechtert sich. «Das oberste Ziel ist das Kindeswohl», so Barbara Kaiser, Leiterin von CaritasFamilienplatzierung in der Westschweiz. Wenn sich Kinder oder Jugendliche in
«Die Pflegefamilien sind wichtiger denn je.» iner schwierigen Lebenssituation befine den, kann ihnen eine Pflegefamilie Stabilität und Geborgenheit bieten. Alois und Vreni Gisler bringen es auf den Punkt: «Es ist schön, die jungen Menschen ein Stück auf ihrem Weg begleiten zu können, ihnen dabei ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln und ein familiäres
Umfeld zu bieten.» Die Gislers betreiben einen Bauernhof in den Urner Bergen, sind selbst Eltern von sieben Kindern und nehmen seit über 20 Jahren Jugendliche in schwierigen Situationen bei sich auf. Die Stärken fördern «Als Pflegefamilie braucht es Offenheit gegenüber Unbekanntem und Geduld», erzählen Vreni und Alois Gisler. «Für uns sind es die persönlichen Begegnungen mit Menschen unterschiedlichster Herkunft, die die Aufgabe als Pflegefamilie so spannend machen. Wir versuchen, die Stärken der jungen Menschen zu spüren und sie gezielt zu fördern», sagt Alois Gisler.
Für die Pflegeeltern ist das aber auch eine besondere Situation, schliesslich öffnen sie ihr Familienleben für ein fremdes Kind. Barbara Kaiser betont, dass man diese Aufgabe aus Überzeugung machen sollte, und nicht aus anderen Gründen: «Es handelt sich um eine Herzensangelegenheit». Schliesslich kann es zu herausfordernden Situationen kommen, das wissen auch die Gislers. Doch die Familie kann auf die Unterstützung der Caritas zählen. Dank dem 24-Stunden-Notfalltelefon ist rund um die Uhr jemand erreichbar. Das Team von Caritas-Familienplatzierung besteht aus Fachleuten aus der Sozialarbeit, Sozialpädagogik oder Psychologie. Die Pflegefamilien werden bei einer Platzierung eng begleitet, mit Weiterbildungen, Debriefings und regelmässigen Rückmeldungen. Pflegefamilien sind gefragt wie nie Caritas-Familienplatzierung ist stets auf der Suche nach neuen Pflegefamilien, die Nachfrage ist gross. Interessierte müssen bereit sein, Zeit zu investieren, in stabilen Verhältnissen leben und ein echtes Interesse an erzieherischen Fragen haben. Die Familien durchlaufen einen professionellen Bewerbungsprozess mit Gesprächen zu Hause und einer Beurteilung der Familiensituation. Die dabei gewonnenen Informationen werden an den Kanton weitergeleitet, der dann eine Bewilligung erteilt. Die psychische Gesundheit der Jugendlichen verschlechtert sich Im Jahr 2022 hat Caritas-Familienplatzierung 150 Kinder und Jugendliche begleitet und stellte dabei eine Zunahme komplexer familiärer Krisensituationen fest: «Insbesondere seit der Pandemie ist eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen festzustellen», bemerkt B arbara Kaiser. (vm)
Wenn sich ein junger Mensch in einer schwierigen Lebenssituation befindet, kann ihm eine Pflegefamilie Stabilität und Geborgenheit bieten.
12
www.caritas.ch/ familienplatzierung
Bild: Priska Ketterer
Schweiz
«Gefährdete oder betroffene Frauen hören mir zu und verstehen mich besser, weil ich aus der gleichen Kultur komme», erklärt Bella Glinski, Leiterin der Anlaufstelle Mädchenbeschneidung Ostschweiz und Liechtenstein.
Mädchenbeschneidung: So helfen regionale Anlaufstellen In der Schweiz sind viele Frauen und Mädchen von weiblicher Genitalbeschneidung betroffen, trotz Verbots. Caritas Schweiz unterstützt den Aufbau regionaler Anlaufstellen, die Betroffene und Fachpersonen kompetent begleiten und beraten. Geschätzte 22 000 Mädchen und Frauen sind in der Schweiz von weiblicher Genitalbeschneidung (FGM/C) betroffen oder davon bedroht. Der Eingriff gilt in einigen kulturellen Gemeinschaften als
«Der Umgang mit dem Trauma wird häufig unterschätzt.» Ritual und wird meist ohne Betäubung und unter unhygienischen Bedingungen vorgenommen. FGM/C verstösst gegen die Menschenrechte und ist in der Schweiz verboten. 2016 hat Caritas Schweiz im Auftrag des Bundes mit anderen Organisationen das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz gegründet. Es unterhält ein
Bild: Marlieke Van der Willik
an spezialisierte Fachpersonen verwiesen werden. Zum Beispiel, wenn es einen medizinischen Eingriff braucht: «Bei wem sich betroffene Frauen Hilfe suchen, ist matchentscheidend. Eine sogenannte Defibulation, also die Rückbildung einer Beschneidung, ist kein Standardprozedere und sollte nur von spezialisierten Fachpersonen vorgenommen werden. Zudem muss die Patientin von einer kompetenten kulturellen Vermittlerin begleitet werden. Der Umgang mit dem Trauma wird häufig unterschätzt.» Bella Glinski stammt selbst aus einer Gemeinschaft, in der FGM/C Tradition hat. Die Präventions- und Aufklärungsarbeit ist viel wirkungsvoller, wenn betroffene Menschen selbst sprechen können, als wenn über sie gesprochen wird: «Gefährdete oder betroffene Frauen und Mädchen hören mir zu und verstehen mich besser, weil ich aus der gleichen Kultur komme», erklärt Glinski. Das Thema ist innerhalb der betroffenen Bevölkerungsgruppen genauso ein Tabu wie in der Schweizer Gesellschaft. Umso wichtiger ist ein sensibler Umgang damit auf Augenhöhe. (ls)
Aktuelle Massnahmen gegen Mädchenbeschneidung
Informationsportal zu FGM/C und berät Betroffene sowie Fachpersonen. Vor allem aber unterstützt es den Aufbau regionaler Anlaufstellen, inzwischen gibt es in fast jedem Kanton eine.
Im August 2023 hat das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz ein Dokument mit Empfehlungen im Umgang mit FGM/C für Fachpersonal im Gesundheitswesen publiziert.
Wenn der Kampf gegen FGM/C aus der Community selbst kommt Bella Glinski ist Mitinitiantin der regionalen Anlaufstelle Ostschweiz und Liechtenstein und leitet diese heute. Sie sensibilisiert und berät Fachpersonen im Gesundheitsund Sozialwesen sowie pädagogisches Personal und begleitet betroffene und gefährdete Mädchen und Frauen. Zudem ist sie als Dolmetscherin tätig. Nebst der Präventionsarbeit ist eine weitere wichtige Funktion der Anlaufstelle laut Glinski, dass betroffene Frauen
Weitere Informationen unter: www.maedchenbeschneidung.ch
13
Service
Schulden vermeiden – mit diesen fünf Grundsätzen Weil die Kosten für Essen, Miete und Krankenkassen steigen, bleibt weniger im Portemonnaie – die Gefahr einer Verschuldung steigt. Viele Personen holen sich aber erst nach mehreren Jahren professionelle Hilfe. Diese fünf Tipps helfen, einer Verschuldung vorzubeugen.
1 2 3 4 5
Eine Million Sterne 9. Dezember 2023, ab 16 Uhr Kerzen anzünden als Zeichen der Solidarität. Finden Sie den Standort in Ihrer Nähe unter www.einemillionsterne.ch Verleihung youngCaritas-Award 9. Dezember 2023, 18 Uhr, Neubad Luzern
Ausgaben planen
Sich informieren und Entscheide bewusst fällen
Caritas-Forum 2024: Sozial ökologische Wende und Armut 26. Januar 2024, 9.30 Uhr, Bern
Überblick behalten
Informationsanlass Pflegeeltern werden 27. Februar 2024, 19 Uhr, Luzern
Anspruch auf finanzielle Unterstützung prüfen
Veranstaltungen der Regionalen Caritas-Organisationen Finden Sie Veranstaltungen in Ihrer Nähe: caritas-regio.ch/agenda
Bei finanziellen Schwierigkeiten frühzeitig Unterstützung holen
Mit den «Fünf Grundsätzen im Umgang mit Geld» vermittelt die Caritas praktische Tipps, um eine Verschuldung zu vermeiden.
Über Geld spricht man nicht. Über Schulden noch weniger. Doch finanzielle Not kann alle treffen. In der Schweiz ist jeder achte Haushalt davon betroffen. Die
In der Schweiz ist jeder achte Haushalt verschuldet. Ursachen können häufig einschneidende Ereignisse wie der Jobverlust, ein Unfall oder eine Krankheit sein, aber auch äussere Einflüsse wie die allgemeine Teuerung. Die Caritas unterstützt Betroffene nicht nur mit Sozial- und Schuldenberatungen, sondern macht auch Präventionsarbeit.
14
Agenda
Mittels Informationen auf Online-Kanälen oder Aktionen wie der Swiss Money Week soll die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert werden. Vermittelt werden beispielsweise die «Fünf Grundsätze im Umgang mit Geld» (siehe Grafik). Sie regen an, sich mit dem eigenen (Konsum-)Verhalten auseinanderzusetzen und liefern praktische Tipps für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld im Alltag. Neues Unterrichtsdossiers für Schulen Dieser Umgang will früh gelernt sein. Deshalb führen Fachpersonen von youngCaritas regelmässig Workshops zum Thema Jugendverschuldung in Schulen durch.
Auskünfte und Anmeldung E-Mail: event@caritas.ch Telefon: 041 419 24 19 Online: caritas.ch/veranstaltungen
Zudem wurde ein neues Unterrichtsdossier zum Umgang mit Geld und Schulden erarbeitet. Das Dossier richtet sich an Lehrpersonen und soll Anregungen liefern, um mit Schülerinnen und Schülern ihr eigenes Konsumverhalten und die Folgen einer Verschuldung zu diskutieren. Zudem erhält das Dossier wertvolle Tipps, wie Schulden verhindert werden können. (nj)
Weitere Informationen zu den fünf Grundsätzen im Umgang mit Geld
youngCaritas
Aufklärungsarbeit ist wichtig
Lia (25), Luzern
die Org stellten unter anderen Am MigrAction-Weekend ihre Arbeit vor. Free Iran Switzerland
anisationen Alarmphon
e und
Migration bewegt: 23 junge Menschen besuchen Weiterbildungsweekend Am MigrAction-Weekend von youngCaritas können sich junge Menschen vier Tage lang zu den Themen Migration, Flucht und Asyl weiterbilden. Dieses Jahr gab es unter anderem Inputs von der Seenotrettung im Mittelmeer und feministischem Engagement im Iran. Im September nutzten 23 junge Menschen die Gelegenheit, sich vier Tage lang rund um das Thema Migration weiterzubilden. Das MigrAction-Weekend fand zum zehnten Mal statt und ist wichtiger Bestandteil der Sensibilisierungs arbeit von youngCaritas zum Thema Migration. Das Programm wird zu grossen Teilen von einem Team aus jungen Erwachsenen organisiert, die sich ehrenamtlich engagieren. Geschichten von Seenotrettung bis Lokalpolitik Ein Höhepunkt war der Vortrag von «Alarmphone»: Freiwillige bieten eine 24 Stunden-Hotline an, bei der Menschen in Seenot anrufen und ihren Standort mel-
Bilder: youngCaritas, zVg
den können. Das Team organisiert dann Hilfe – sofern dies möglich ist. Luca und Balz, beides Freiwillige, berichteten von Nächten, in denen bis zu zehn Anrufe eingingen. Ihre Erlebnisse haben sie in der Publikation «Voices of Struggle» festgehalten. Berührt haben auch die Erzählungen von Sepideh und Saghi von «Free Iran Switzerland». Die Aktivistinnen organisieren Kundgebungen und Veranstaltungen, um in der Schweiz auf die Situation von Frauen im Iran aufmerksam zu machen. Ebenso beeindruckend war die Geschichte von Islam Alijaj. Als Person mit Migrationserfahrung und einer schweren körperlichen Behinderung hat er viele Hürden überwunden und ist heute Ge-
«Das MigrAction-Weekend von youngCaritas war eine Möglichkeit, junge Menschen weiter zubilden, die an der heutigen Weltgeschichte interessiert sind. Aufklärung ist essenziell, um jungen Leuten Fakten zu vermitteln, sodass sie sich eine eigene Meinung bilden können. Obwohl es zum Teil schwere Themen waren, ist es wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten. So sind neue Kontakte entstanden, mit denen spannende aber auch lustige Themen besprochen werden konnten. Alles in allem war es ein sehr gelungenes Weekend mit super Essen, gemeinsamen Freizeitaktivitäten und Referaten! 10/10.» meinderatsmitglied in Zürich und Nationalrat. So machte das Wochenende gesellschaftliches und soziales Engagement in verschiedenen Facetten sichtbar. Und natürlich kam auch der Spass beim Tischtennis oder am Lagerfeuer nicht zu kurz. Die Teilnehmenden konnten ihr Wissen erweitern, neue Kontakte knüpfen und viel Motivation für ihr eigenes Engagement gewinnen. (ca)
Weitere Informationen: youngcaritas.ch/migraction
15
Nein, das ist keine Ernte
Unsere Projekte schaffen Beschäftigung und Einkommen und führen Menschen aus der extremen Armut.
Ja zu einer Welt ohne Armut
caritas.ch/ja