Kinder
März 2013
Bericht für die Patinnen und Paten
Kinder in die Schule: «...Mein Glück»
Kinder von der Strasse: Sind Kinder Unrat?
Lebensmut für Kinder: Raum und Vertrauen geben
Inhalt 4 ■ Bangladesch Das kleine Wunder von Malabor 6 ■ Kolumbien «Die Schule, mein Glück» 7 ■ Uganda Vom Musterschüler zum Sorgenkind 8 ■ Haiti und Tschetschenien In der Schule auf die Beine kommen 11 ■ Äthiopien «Wie unterrichte ich 60 Kinder in einem Raum?» 12 ■ Nicaragua Mehr Schule, weniger Arbeit 14 ■ Spenderporträt «Ein kleines Stück Gerechtigkeit» 15 ■ Bolivien «Ich will weg von der Strasse» 16 ■ Brasilien Sind Kinder Unrat? 18 ■ Ruanda Zurück zur Familie 20 ■ Interview «Jedes Kind braucht Liebe und Sicherheit» 22 ■ Kuba «Mein Kind gehört dazu» 24 ■ Philippinen Der Albtraum hat ein Ende 26 ■ Tadschikistan «Behinderte Kinder? Das gab es nicht» 28 ■ Bolivien «Eine Familie ist das Wichtigste» 29 ■ Palästina Angst und Armut fressen die Seele auf 30 ■ Kolumbien «Für dich gibt es kein Zurück» 32 ■ Paten fragen – Kinder antworten 2 Caritas «Kinder» 2013
Die Welt aus der Sicht eines ruandischen Strassenkindes. Titelbild: Pia Zanetti; Redaktion und Gestaltung: Caritas Schweiz; Papier: Carisma Silk, 100 % recycling
Stück für Stück eine gere chtere Welt Liebe Patin Lieber Pate Zu welchem Baum wächst ein Setzling heran, auf dem Tag für Tag herumgetreten wird? Zu welchen Erwachsenen werden Kinder, die Hunger leiden, Gewalt erleben, die Schule nicht besuchen und erfahren, dass sie nichts wert sind? Elend und Not fressen sich tief in die Seelen dieser kleinen Menschen ein – Menschen, die ihr Leben doch einmal in die eigenen Hände nehmen und für sich und ihre Familien sorgen sollen. «Was für eine Zukunft bieten wir Kindern, die ausgegrenzt werden und in Armut aufwachsen müssen?», fragt die vierfache Mutter, fünffache Grossmutter, Hebamme und Ständerätin Liliane Maury Pasquier in diesem Heft. Und sie ergänzt: «Armut ist eines der grössten Verbrechen, das man an Kindern begehen kann.» Sie, liebe Patin, lieber Pate, haben eine Antwort auf Frau Pasquiers Frage gefunden. Sie wollen es nicht zulassen, dass Kinderseelen verletzt werden. Mit einer oder sogar mit mehreren Patenschaften setzen Sie sich dafür ein, dass Kinder Schutz, Liebe und Hilfe erfahren. Die Welt der Caritas-Kinderprojekte ist vielfältig und voller Leben. Genau so soll auch der Einblick sein, den wir Ihnen mit diesem Bericht ermöglichen. Kinder berichten über ihre eigene Geschichte, Mitarbeitende geben Auskunft über die Herausforderungen und Erfolge in ihren Projekten. Es ist ein buntes Heft, das Ihnen das Leben dieser Kinder zeigt – auch ihre Freuden, ihr Leid, ihre Zuversicht. Ich freue mich, dass Sie so am Leben Ihrer Patenkinder teilnehmen können und erfahren, was wir mit Ihren Patenschaftsbeiträgen machen. Für Ihre grosszügige Unterstützung danke ich Ihnen von ganzem Herzen. Therese Burach Kinderpatenschaften 3
«Kinder» 2013 Caritas
Kinder in die Schule ■ Bangladesch
Das k leine Wunder vo n Malabor Die Tage von Surji Rani sind lang: Von 7 bis 9 Uhr morgens näht sie Kleider, von 10 bis 15 Uhr besucht sie die Schule, danach widmet sie sich der Produktion des Wurmkomposts. Ihren Tag beschliesst sie wieder am Nähtisch. «Gute Arbeit zu leisten ist eine Herausforderung, die mit Erfolg belohnt wird», meint die 15 Jahre alte Unternehmerin aus Malabor in Bangladesch.
im Alter von elf Jahren fand Surji Aufnahme in einer von den Caritas-Patinnen und -Paten unterstützten Schule von CMES (Center for Mass Education in Science). Die Schule veränderte ihr Leben. «Es ist keine gewöhnliche Schule», betont Surji. «Ich habe dort gelernt, dass auch Mädchen selbstständig sein können. Und dann habe ich gelernt, Kleider zu fertigen und mit der Zucht von Würmern Dünger für die Landwirtschaft herzustellen.» Weg aus der Armut
Siebzig Franken pro Monat verdient Surji Rani mit ihrem Nähatelier und mit der Produktion von organischem Dünger. Das ist in Bangladesch ein stolzer Betrag. Einen Teil davon investiert das Mädchen in ihr Geschäft, schafft sich eine neue Nähmaschine an und bestellt bei einem Händler aus der Stadt Meterware für das kleine Tuchlager. Einen weiteren Teil investiert sie in ihre eigene Bildung: Das Schulgeld für die Oberstufe berappt sie selber. Vorbild für junge Frauen im Dorf: die 15 Jahre alte Unternehmerin Schliesslich unterstützt Surji Rani. sie ihre Familie – mit einem monatlichen Beitrag von zwölf Franken. «Inzwischen fragen mich meine Eltern um Rat, bevor sie eine grössere Anschaffung tätigen», erzählt Surji stolz. Der Wert eines Mädchens
Dabei war Surjis Lebensweg anders vorgezeichnet. Als Tochter eines armen Bauern, der seine neunköpfige Familie kaum ernähren konnte, hatte sie wenig Chancen, dem Teufelskreis von Armut und Not zu entgehen. Doch 4 Caritas «Kinder» 2013
Neben dem Lesen, Schreiben und Rechnen waren es diese praktischen Kurse, die Surji auf den Weg der Unternehmerin brachten – ein Erfolgsweg, wie sich bald zeigte. «Von meinem Vater wusste ich, wie viel Geld er für chemischen Dünger brauchte. Dabei wirkt der Wurmkompost-Dünger, den ich in der Schule herzustellen gelernt habe, genauso gut. Und er ist viel günstiger. Zwar war meine Grossmutter, die mir das Geld für die erste Produktion geliehen hat, zuerst skeptisch. Aber es funktionierte, und ich kann den Dünger gut verkaufen.» Als Unternehmerin denken
Auch ihr Nähatelier hat Surji mit viel unternehmerischem Talent aufgebaut. Sie hat sich mit der Frage der Konkurrenz auseinandergesetzt und über die Bedeutung von Mode nachgedacht: «Die Reise in die Stadt ist teuer, aber nur dort bekommt man Kleider in modernen Farben und Mustern. Ich kaufe schönen Stoff ein und stelle diese Kleider für die Frauen hier im Dorf her.» Mit ihren fünfzehn Jahren ist Surji Rani für viele junge Frauen und Mädchen in ihrem Dorf ein Vorbild. Und es wirkt alles andere als altklug, wenn sie sagt: «Ich ermutige sie alle, in die Schule zu gehen und ihre Fähigkeiten zu entwickeln.» ■ Eigenes Nähatelier, eigene Kompostproduktion: Surji Rani hat ihr Leben gepackt. Text: Jörg Arnold; Bilder: Maja Hürlimann / Caritas Schweiz
Bangladesch: Ihr Stück gerechtere Welt
Die kleinen Unternehmerinnen Die Caritas-Kinderpatenschaften unterstützen die Schulzentren des «Center for Mass Education in Science» (CMES). Dank dieser Bildungsinitiative des Physikers Ibrahim Mohammed haben heute rund 20 000 Schülerinnen und Schüler aus ärmsten Verhältnissen einen Zugang zu Bildung. In einem einzigartigen Lehrgang erhalten sie eine schulische Grundbildung und eine praktische Ausbildung, dank der sie eine eigene Existenzgrundlage aufbauen können.
Gut zu wissen: – Im Jahr 2012 wurden an den beiden von Caritas unterstützten Schulzentren in Jaldhaka und Malgara insgesamt 1042 Kinder und Jugendliche ausgebildet. – Die Schülerinnen und Schüler aller CMES-Schulen engagierten sich im letzten Halbjahr mit insgesamt 1430 Theatern und Aktionen für soziale Gerechtigkeit in ihren Gemeinden. – 90 Franken je Grundschuljahr kosten Schulbücher, Hefte und Stifte für 30 Kinder.
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«Kinder» 2013 Caritas
Kinder in die Schule ■ Kolumbien
«Die Schu le, m ein Glück » Er ist zehn Jahre alt, ein geschäftiger junger Mann und stolz darauf, zum Volk der Páez zu gehören: Yesid Giovanni Trochez besucht die Landwirtschaftsschule Juan Tama. Ein grosses Glück, wie er meint.
Warum bist Du so glücklich, dass Du die Schule Juan Tama besuchen kannst?
Weil sie für mich wie ein zweites Zuhause ist. Hier treffe ich andere Schüler, auch aus anderen Kulturen, zum Beispiel Afrokolumbianer und Mestizen. Wir spielen, haben Spass miteinander und können viel lernen.
Kolumbien: Ihr Stück gerechtere Welt
Was lernst Du genau?
Lernen fürs Leben
Wir haben einen normalen Schulunterricht, mit Mathe und so, das ist ja klar. Ich lerne aber auch biologische Landwirtschaft, und dass wir zur Mutter Erde Sorge tragen müssen. Was gefällt Dir am meisten?
Mir gefällt, dass ich hier viele Dinge lerne, die ich in Zukunft brauchen kann. Ich möchte zum Beispiel später ein guter Leader in meiner Gemeinschaft werden. Ich gehöre dem Volk der Páez an und werde meinen Leuten alles, was ich lerne, weitergeben. Gibt es etwas, das Dir überhaupt nicht gefällt?
Wir haben kein Internet. Deshalb können wir gewisse Aufgaben fast nicht lösen. Manchmal müssten wir nach Informationen suchen, und ohne Internet ist das mühsam. Ich wünschte, wir hätten Computer und Internet in der Schule. ■
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Im Departement Cauca bietet die Landwirtschaftsschule Juan Tama mehrheitlich indigenen (indianischen) Kindern einen Sekundarschulabschluss sowie eine Ausbildung in ökologischer und nachhaltiger Landwirtschaft. Durch die konsequent neutrale Haltung der Schule gegenüber bewaffneten Para militärs und Rebellen und dank viel Verhandlungsgeschick ist hier eine Art Friedensinsel entstanden. Gut zu wissen: – Im Jahr 2012 haben 240 Kinder und Jugendliche die Schule besucht. – Die Schülerschaft setzt sich aus verschiedenen indigenen Ethnien (zum Beispiel Páez und Wounaan) und aus Schülerinnen und Schülern mit afrokolumbianischer und weisser Herkunft zusammen. – Eine Schuluniform kostet 10 Franken.
Text: Dominique Schärer; Bilder: Juan Tama
Kinder in die Schule ■ Uganda
Vo m Mus ters chüler zum Sorg enkind Uganda war einst Musterschüler im Kampf gegen HIV und AIDS. In den letzten Jahren aber wendete sich das Blatt, und die Infektionsraten stiegen erneut an. Besonders für Kinder ist diese Entwicklung fatal.
Die Zahl der AIDS-Waisen beläuft sich nach Schätzungen der UNO auf erschreckende 1,2 Millionen. Im Sommer 2012 haben neue Zahlen aufgezeigt, dass sich dies in absehbarer Zeit nicht ändern dürfte. In fünf Jahren ist die Quote der von HIV und AIDS Betroffenen von 6,4 auf 7,3 Prozent angestiegen. Fachleute sind besorgt über die hohe Zahl von Neuinfektionen. Was offizielle Statistiken für das ganze Land zeigen, ist auch auf der Ebene des von Caritas Schweiz unterstützten Kinderpatenschaftsprojekts sichtbar. «Wir stellen fest, dass zunehmend mehr AIDS-Waisen zu uns kommen. Sie klopfen bei uns an die Tür und bitten um finanzielle Unterstützung», sagt Sister Liliane von der Caritas-Partnerorganisation «Sisters of Our Lady of Good Counsel» in Mbarara. Was sind die Gründe dafür, dass es nach den in den 1990er Jahren erzielten Erfolgen in der AIDS-Prävention in Uganda nun auf einmal eine solch negative Entwick-
lung gibt? Eine Ursache liegt darin, dass vor zehn Jahren die Aufforderung, enthaltsam und treu zu sein, zur zentralen Botschaft der AIDS-Prävention erhoben wurde. Die Aufforderung, Kondome zu benutzen, trat vor allem in Präventionsprogrammen, die mit US-Geldern finanziert wurden, in den Hintergrund, dies unter dem starken Einfluss von evangelikalen Kreisen. Aber auch die zunehmende Verfügbarkeit von Medikamenten gegen AIDS führte dazu, dass die Angst vor der Krankheit sank und viele Leute vor Risikoverhalten nicht mehr zurückschreckten. «Die Menschen gehen nicht rücksichtsvoll mit ihrer Gesundheit um», meint Sister Liliane dazu. «Was AIDS-Waisen brauchen, ist Behandlung und Beratung. Wir ermutigen sie aber vor allem, zu sein wie andere Menschen, ihr Leben mutig in die Hand zu nehmen und zur Schule zu gehen», sagt Sister Liliane. ■
Uganda: Ihr Stück gerechtere Welt
Eine Chance für AIDS-Waisen Die Caritas-Partnerorganisation «Sisters of Our Lady of Good Counsel» macht es AIDS-Waisen möglich, trotz Armut die Schule zu besuchen. Die Kinder und ihr familiäres Umfeld werden sozialpädagogisch beraten und unterstützt.
Text: Stefan Gribi; Bild: Sisters of Our Lady of Good Counsel
Gut zu wissen: – 140 Waisen können die Schule besuchen und werden von einer Sozialpädagogin betreut. – In Workshops lernen die Kinder, Armut, Krankheit und psychische Belastungen besser zu meistern. – 15 Franken kostet die Schuluniform für ein Kind.
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«Kinder» 2013 Caritas
Kinder in die Schule ■
Haiti: Ihr Stück gerechtere Welt
Mit Bildung gegen die Armut In Haiti lebt die Hälfte der Bevölkerung in grösster Armut. Die beiden Caritas-Patenschaftsprojekte engagieren sich für eine bessere Schulbildung. So unterstützen die Patinnen und Paten die Schule von Trou Sable, die im Elendsviertel von Gonaïves den ärmsten Fami lien einen Kindergarten, eine Primarschule und eine bis zum Abitur reichende Oberstufe anbietet. Auch in Les Cayes im Südwesten von Haiti unterstützt Caritas 15 Schulen und fördert die Ausbildung der Lehrkräfte.
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Gut zu wissen: – Insgesamt werden in Trou Sable im Moment rund 1500 Kinder und Jugendliche unterrichtet. – 2400 Kinder besuchen im Südwesten die Schulen von Les Cayes. – 450 Franken kostet ein Tageskurs mit professio neller Betreuung zur psychischen Unterstützung von 10 Kindern.
Kinder in die Schule ■ Haiti und Tschetschenien
In der Schu le auf d ie Bein e ko m m en Kinder sollen sich gesund und unbeschwert entwickeln können. Nur so profitieren sie von der Schule und können ein stabiles Fundament für ihr späteres Leben bauen. In Haiti und Tschetschenien untergräbt nicht nur die Armut die psychische Gesundheit vieler Kinder. Sie leiden auch unter den traumatisierenden Folgen von Naturkatastrophen und Krieg. Wirksame Hilfe ist möglich – im Kindergarten und in der Schule.
750 000: das ist die erschreckend hohe Zahl der Kinder, die nach Angaben der haitianischen Regierung vom verheerenden Erdbeben im Januar 2010 in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Befürchtung, dass sie alle traum atisiert sind, trifft in der Realität glücklicher weise nicht zu: «Viele dieser Kinder hatten die persönliche Stärke und das notwendige Umfeld, um nach dem Schock in kurzer Zeit wieder zu einem normalen Leben zurückzukehren», erklärt Dr. Jeanne Marjorie Joseph, Koordinatorin der Caritas-Partnerorganisation Uramel, die auf Traumabewältigung spezialisiert ist. Sorgen m achen der Ärztin jene Kinder, die tiefe Verletzungen erlitten haben und deren Probleme nie richtig erkannt wurden. «Die häufigsten Symptome sind Konzentrationsschwierigkeiten und eine verminderte schulische Leistung. Manche Kinder werden misstrauisch und nervös. Sie wenden viel Energie dafür auf, nicht an die schlimmen Ereignisse zu denken», führt Dr. Joseph aus. Kopfund Bauchschmerzen, Angstzustände, grosse Trauer und Hyperaktivität sind weitere Symptome, unter denen
die Kinder leiden. Lange nicht alle Traumatisierungen lassen sich durch das Erdbeben erklären, hat Uramel festgestellt. Nicht selten sind sie auch auf Gewalt in der Familie zurückzuführen. Bedürfnisse der Kinder verstehen
Im Patenschaftsprojekt in der haitianischen Stadt Gonaïves hat Caritas die Organisation Uramel beigezogen, um die Kinder zu stärken. Die Schule im Armenquartier Trou Sable hat Kinder aus Familien aufgenommen, die nach dem Erdbeben aus Port-au-Prince geflohen sind. «Zuerst haben wir mit den Lehrerinnen und Lehrern an einer positiven Einstellung gearbeitet. Unser Ziel war es, dass sie die Bedürfnisse der Kinder verstehen und dass sie erkennen können, welche Kinder besondere Unterstützung brauchen.» In den Kursen mit den Kindern ging es dann spielerisch zu und her: Über Zeichnen, Theater und Singen konnten die Kinder Gefühle über schwierige Erfahrungen ausdrücken. Die Kinder lernten dabei auch, wie sie Stress abbauen und sich entspannen können. «Ein Mädchen, das zuvor über mehrere Monate immer wieder das Essen verweigerte, hat nach einer unserer Veranstaltungen zurück zu einer normalen Ernährung gefunden», erzählt Dr. Joseph. Es sind solche Erfolge, die ihr zeigen, dass sie sich mit ihrer Arbeit auf dem richtigen Weg befindet.
Dem Erdbeben von 2010 entkommen: Jessica (11) verarbeitet ihr Trauma mit kreativen Tätigkeiten. Text: Stefan Gribi; Bild: Simon Degelo / Caritas Schweiz
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«Kinder» 2013 Caritas
Tschetschenien: anders und doch gleich
Zehntausend Kilometer weiter östlich, in Tschetsche nien, ist zwar die Situation ganz anders, aber die Bedürfnisse der Kinder bleiben die gleichen. «Die Kinder interessiert es wenig, warum in ihrer Familie Unruhe oder gar Gewalt herrscht», sagt Peter Staudacher, Projekt verantwortlicher der Caritas. Die Kinder können sich an den Krieg, der 30 000 Menschenleben forderte und 2009 nur formell beendet wurde, selbst nicht erinnern, und trotzdem leiden sie unter seinen Folgen. Es sind ihre
Eltern, die unter Stress stehen. Sie behalten die Kinder lieber im Haus, weil sie den öffentlichen Raum aufgrund ihrer Erfahrung als gefährlich betrachten. Die CaritasKindergärten wirken dem entgegen und ermöglichen den Kindern eine ganzheitliche Entwicklung. Märchen, Lieder, Rollenspiel, Handarbeit mit verschiedenen Materia lien: der konkrete Alltag sieht sehr ähnlich aus wie in einem Kindergarten in der Schweiz. «Unser Ziel ist es, dass sich die Kinder möglichst unbeschwert entwickeln können», fasst Peter Staudacher zusammen. ■
Tschetschenien: Ihr Stück gerechtere Welt
Selbstbewusst ins Leben Caritas setzt sich dafür ein, dass tschetschenische Kinder eine frühkindliche Förderung nach den Grundsätzen moderner Pädagogik erhalten. Eine ganzheit liche Förderung der Kinder unterstützt die friedliche Entwicklung der kriegsversehrten Gesellschaft. Die Kindergarten-Lehrpersonen erhalten die dazu notwendige Weiterbildung.
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Gut zu wissen: – In vier Dörfern können derzeit 320 Kinder einen Kindergarten der Caritas besuchen. – 1600 Kinder haben seit 2006 einen Caritas-Kindergarten erfolgreich durchlaufen. – Auch Kinder mit körperlichen oder geistigen Behinderungen finden in den Caritas-Kindergärten Platz. – Für 50 Franken kann eine grosse Kiste mit HolzBauklötzen aus einer tschetschenischen Schreinerei gefüllt werden.
Bild: Initiativa /Grosny
Kinder in die Schule ■ Äthiopien
«Wie unterrichte ich 60 Kinder in einem Raum ?» Zwei Luzerner Lehrerinnen, Andrea Bühlmann und Anita Rüegg, unterrichteten Englisch an der von den Caritas-Patinnen und -Paten unterstützten Schule im ostäthiopischen Bergdorf Midagdu. Ein Abenteuer.
der älteren Generation im Dorf hat kaum jemand eine Schule besucht. Früher hatte eine Frau nur die Möglichkeit, früh zu heiraten und Kinder zu kriegen. ■
»
In der St. Mary School «unterrichten 14 Lehrer über 800 Schüler. Es ist schwierig, für die länd liche Schule Lehrer zu finden, denn die Löhne sind sehr tief. Der Schuldirektor stellt uns den Kindern vor und erklärt auf Amharisch, dass wir die nächsten fünf WoUnterrichteten in der Schule im ostäthiopischen Dorf Midagdu: chen Englisch unterrichAnita Rüegg (links) und Andrea ten. Wir blicken in die Bühlmann (rechts) mit einer der Klasse und merken erst, lokalen Lehrerinnen. dass sie aus mehr als 60 Kindern besteht. Die Schülerinnen und Schüler sitzen teils zu viert an einer Schulbank, bis zu acht teilen sie sich ein Schulbuch. Die Schule kostet pro Semester einen Franken, die Hefte zehn Rappen, die Bücher 50 Rappen und die Schuluniform
«Wir sind immer wieder froh zu sehen, dass es in Midagdu überhaupt eine Schule gibt.» sechs Franken. Das können sich nicht alle Eltern für ihre Kinder leisten. Obwohl es an der Schule vieles zu ver bessern gäbe – mehr Bücher, kleinere Klassen –, sind wir immer wieder froh zu sehen, dass es in Midagdu überhaupt eine Schule gibt und wie viele Kinder schon zur Schule gehen. Dies ist nicht selbstverständlich, denn von Text: Anita Rüegg, Andrea Bühlmann; Bilder: Schule Midagdu
Äthiopien: Ihr Stück gerechtere Welt
Schule für Bauernkinder Auch Kinder auf dem Land sollen Zugang zu einer Schule haben. Das ist das Ziel der von Caritas geführten Schulen im Osten und Norden Äthiopiens. Sie ergänzen das Angebot der Regierung, das bei weitem noch nicht flächendeckend ist. Gut zu wissen: – In Ostäthiopien unterstützt Caritas Schweiz acht ländliche Primarschulen und einen Kindergarten für 3000 Kinder. – In der nördlichen Region Tigray fördert Caritas 18 Primarschulen, eine Sekundarschule und drei Kindergärten. Davon profitieren 3800 Kinder und Jugendliche. – Zehn Volleybälle für den Sportunterricht kosten 150 Franken, acht Volleyballnetze für die acht Schulen 65 Franken.
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Kinder in die Schule ■
Nicaragua: Ihr Stück gerechtere Welt
Den Anschluss nicht verpassen In Nicaragua sorgt Caritas in San Lucas und Posoltega zusammen mit lokalen Partnerorganisationen dafür, dass arbeitende Kinder die Schule besuchen können. Beide Projekte können die Kinderarbeit zwar nicht kurzfristig abschaffen, diese aber einschränken und weniger gefährlich machen.
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Gut zu wissen: Dank den Partnerorganisationen Instituto de Promo– ción Humana (INPRHU) und Asociación Los Quinchos können 860 Kinder die Schule besuchen. – 350 Eltern werden in die Aktivitäten einbezogen. – Ein Basispaket mit Stiften, Heften und Schulranzen kostet rund 13 Franken.
Kinder in die Schule ■ Nicaragua
Mehr Schu le, wenig er Arbeit In Nicaragua ist Kinderarbeit Alltag. Dank Caritas können Kinder trotz Arbeit die Schule besuchen. Lígia Moreno, Caritas-Koordinatorin in Managua, erklärt, warum sich Schule und Arbeit nicht ausschliessen.
Kinderarbeit in Nicaragua – gibt es Zahlen dazu?
Es wird geschätzt, dass in unserem Land rund 240 000 Kinder unter 15 Jahren einer Arbeit nachgehen. Das sind 15 Prozent aller Kinder. Damit ist Nicaragua eines der Länder mit dem höchsten Anteil an Kinderarbeit in Lateinamerika. Welche Arbeiten verrichten die Kinder?
Kinderarbeit ist vor allem in armen ländlichen Regionen ein Problem. Da müssen Kinder in der Landwirtschaft Schwerstarbeit leisten: sie ernten Mais oder Kaffee, hüten Vieh oder hacken Brennholz. Die grossen Plantagen dürfen zwar keine Kinder unter 14 Jahren anstellen, doch die Kontrollen sind dürftig. In den Städten wiederum sind sie als fliegende Händler oder auf Märkten tätig, wo das Umfeld oft alles andere als kindergerecht ist. Was unternimmt die Regierung dagegen?
Nicaragua hat 1990 die Kinderrechtskonvention unterzeichnet und damit anerkannt, dass die Menschenrechte auch für Kinder gelten. In der Folge wurde ein gutes Gesetz erarbeitet, und die Regierung setzte es sich zum Ziel, die Kinderarbeit bis 2020 abzuschaffen. Doch in der Praxis fehlt es an Investitionen in Bildung sowie an Harte Arbeit auf einer Zuckerrohrplantage: der Alltag vieler Kinder in Nicaragua. Text: Dominique Schärer; Bilder: Elba Ileana Molina/Kanal 10, zVg
Aufklärung und Weiterbildung für die Eltern – denn Kinderarbeit ist nicht nur armutsbedingt, sondern auch ein kulturelles Problem. Wie wirken Caritas und ihre Partnerorganisationen der Kinderarbeit entgegen?
Wir arbeiten mit den Familien sowie mit Schulen und Behörden zusammen. Die Kinder sollen Erwerbstätigkeit und Schule kombinieren können, indem sie die Arbeitsstunden reduzieren und Schulstunden nachholen. Wir geben auch Schulmaterial wie Hefte, Stifte und Schulranzen ab und bieten Mittagstische an. Solche Mass nahmen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder die Schule kontinuierlich besuchen. Wie sieht die Zusammenarbeit mit Behörden und Schulen aus?
Unsere Partnerorganisationen qualifizieren so genannte «ländliche Ausbildner», welche die Arbeit der Lehrer ergänzen, Elternarbeit leisten und den Kindern die Möglichkeit geben, tagsüber verpassten Unterricht abends nachzuholen. Denn gerade auf dem Land ist die Situation in den Schulen prekär – auf einen Lehrer kommen bis zu 120 Schüler. Es geht also nicht darum, Kinderarbeit ganz abzuschaffen? Widerspricht Caritas damit nicht den eigenen Grundsätzen?
Grundsätzlich ist Kinderarbeit ein Armutsproblem und eine Verletzung der Menschenrechte, das ist so. Nur dank Bildung können die Kinder ihre Rechte einfordern und der Armut entfliehen. Kurzfristig geht es jedoch darum, dass die Familie ihr Einkommen nicht verliert und die Kinder gleichzeitig die Schule besuchen können. Auch sollen sie ungefährliche, altersgerechte Arbeiten erledigen: also Hühner hüten und Gärten giessen statt mit gefährlichen Macheten Brennholz schneiden. ■ 13
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«Ein k lein es Stück Gerechtigkeit »
Reto Weber finanziert seit 16 Jahren sechs Caritas-Kinderpatenschaften. Er will das Glück teilen. Im Alltag gelebter Umweltschutz, im Spendenverhalten soziales Engagement: dem gelernten Bahnbetriebs disponenten Reto Weber ist beides wichtig. So hatte der 39-Jährige schon immer ein Flair für den öffentlichen Verkehr; er arbeitete als Velokurier und eine Saison lang für die Vierwaldstättersee-Schifffahrt, bevor er vor zehn
liebäugelte er eine Weile mit einem sozialen Beruf und arbeitete während vier Jahren als Teilzeit-Verkäufer im Fairtrade-Laden Unica in Luzern. «Das Verkaufen hat mir schon immer Spass gemacht, und es war schön, für eine sinnvolle Organisation tätig zu sein», blickt er zurück. Via Fairtrade stiess er auch auf die Kinderpaten-
«Ich möchte das Glück etwas ausgleichen, dass ich in der reichen Schweiz geboren wurde.» Jahren zur SBB zurückkehrte, wo er schon seine Lehre absolviert hatte. Heute ist er am Ticketschalter oder im Reisezentrum des Luzerner Bahnhofs anzutreffen – «eine Arbeit am Puls der Zeit und im Strudel des Alltags», wie er sagt. Er sei ein Bewegungsmensch mit Mass, sagt er über seine Hobbies, die vom Velofahren über Wandern bis hin zum Langlauf allesamt in der Natur stattfinden. In die Ferien reisen er und seine Frau nie mit dem Flugzeug: «Auch per Bahn und Schiff schafft man es nach Tunesien oder Marokko», sagt er fröhlich und erzählt von einer Velotour, die ihn von Luzern nach Istanbul führte. Effizientes Spenden
In Webers Herz gibt es neben der Sorge zur Umwelt auch Platz für soziales Engagement: Nach seiner Ausbildung 14 Caritas «Kinder» 2013
schaften; seit 16 Jahren finanziert er sechs davon. «Kinder sind die schwächsten Glieder in der Gesellschaft, insbesondere in Entwicklungsländern», sagt Reto Weber dazu. Mit seiner Unterstützung möchte er das Glück ein wenig ausgleichen, dass er ohne sein Zutun in der reichen Schweiz geboren wurde. Das Spenden beschränkt er aus Effizienzgründen auf die Caritas-Kinderpatenschaften, ohne ihnen inhaltlich viel Aufmerksamkeit zu schenken. «Ich hoffe, dass meine Spende ein kleines Stück Gerechtigkeit schafft, und überlasse den Rest der Caritas – im Vertrauen darauf, dass Caritas effiziente Arbeit leistet», sagt Weber pragmatisch. Und solange es sein Budget zulasse, sehe er auch keinen Grund, daran etwas zu ändern. ■
Text: Dominique Schärer; Bild: Pia Zanetti / Caritas Schweiz
Kinder von der Strasse ■ Bolivien
«Ich w ill weg vo n der Strasse» Elizabeth (17) lebt auf den Strassen von La Paz. Im Zentrum des Caritas-Partners Fundación La Paz fühlt sie sich aufgehoben und sicher. verbringe «ichDiemeistNächte in einer Absteige. Am Morgen suche ich meine Freunde. Wir betteln gemeinsam, stehlen und manchmal bieten wir uns an. Wir brauchen Geld fürs Essen und für Drogen. Alle meine Freunde schnüffeln Von der Strasse wegkommen: ein Leim, wir nennen es «das gemeinsames Ziel von Elizabeth Fliegen». Es hilft uns, den und der Fundación La Paz. Hunger, die Kälte und die Schmerzen zu vergessen. Wenn mir noch Geld übrig bleibt, kaufe ich meinen jüngeren Geschwistern Süssigkeiten. Ich lebe auf der Stras se, seit ich zwölf Jahre alt bin. Meine Mutter hat uns
früh verlassen. Mein Vater ist meist betrunken. Er half mir auch nicht, als sich mein Stiefbruder an mir verging. Deswegen bin ich von zu Hause fortgelaufen. Ich habe mich an das Leben auf der Strasse gewöhnt. Ich bin froh, dass ich im Zentrum der Fundación La Paz ein warmes Mittagessen bekomme und danach Workshops besuchen kann. Wir backen Brot, basteln, lernen unseren Selbstwert kennen und waschen unsere Kleider. Es ist wichtig, dass ich zu meiner Gesundheit schaue, weil ich HIV-positiv bin. Im Zentrum fühle ich mich sicher und ruhig. Ich will weg von der Strasse. Aber ich habe auch Angst davor, denn meine Freunde sind meine Familie geworden. ■
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Bolivien: Ihr Stück gerechtere Welt
Start in ein neues Leben Die Caritas-Partnerorganisation Fundación La Paz gibt Kindern und Jugendlichen, die auf der Strasse leben, eine neue Zukunftsperspektive, indem sie mit ihnen ein «Lebensprojekt» plant und umsetzt. Zum Gesamtprogramm gehören Krippen und Vorschul einrichtungen, Unterkünfte, Workshops sowie Ange bote zur Persönlichkeitsstärkung und zur Schulund Berufsausbildung.
Text: Dominique Schärer; Bilder: Fundación La Paz
Gut zu wissen: – Dank den Kinderpatenschaften von Caritas Schweiz erhalten jährlich rund 1000 Strassenkinder die Chance, ihr Leben zu verbessern. – Bei nur 10 bis 20 Prozent der Kinder, die von ihrer Familie verstossen wurden, ist eine Rückkehr nach Hause möglich. – Die medizinische Untersuchung eines Kindes kostet rund 20 Franken.
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Kinder von der Strasse ■
Brasilien: Ihr Stück gerechtere Welt
Ein Recht auf die Zukunft In Rio de Janeiro schützt Caritas zusammen mit der Organisation São Martinho Strassenkinder und versucht, sie in ein normales Leben zurückzuführen. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter leisten Betreuungsarbeit auf der Strasse. Ein Mittagstisch, Stütz unterricht und verschiedenste Freizeitaktivitäten bieten Struktur. Jugendliche werden auf die Arbeitswelt vorbereitet und in Unternehmen vermittelt. Damit sie nicht auf der Strasse landen, unterstützt Caritas im Norden und Nordosten Brasiliens besonders gefährdete Kinder und Jugendliche mit diversen Freizeitangeboten.
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Ein weiterer Fokus liegt auf der Lobbyarbeit für Kinder rechte. Das Programm stärkt die Kinder und Jugend lichen darin, selbst für ihre Rechte einzustehen. Gut zu wissen: – 240 Franken beträgt der Wochenlohn eines Sozial arbeiters, der mit rund 45 Strassenkindern arbeitet. – Jedes Jahr besuchen bei São Martinho rund 300 Jugendliche den Vorbereitungskurs für eine anschliessende Berufslehre. – Mit 80 Franken kann ein Strassenkind einen Monat lang mit einem Frühstück und einem Mittagessen versorgt werden.
Kinder von der Strasse ■ Brasilien
Sind Kinder Unrat? Es soll ein Fest der Superlative werden. Mit den Fussball-Weltmeisterschaften 2014 und den Olympischen Spielen 2016 will sich Brasilien von seiner besten Seite zeigen. Was die prächtigen Bilder von der Copacabana zu stören droht, wird weggeräumt. Dazu gehören die Strassenkinder.
Costa von der Caritas-Partnerorganisation São Martinho besorgt. «Diese Kinder sind aber vor der Armut und der Gewalt zu Hause geflohen. Sie brauchen eine Alternative, die attraktiver ist als die trügerische Freiheit auf der Strasse. Mit Polizeigewalt zerstört der Staat das Vertrauen der Kinder vollends, dass es diese Alternative überhaupt gibt.» Fliehen und abtauchen
In Brasilien laufen die Vorbereitungen auf die bedeutsamsten Sportereignisse der Welt auf Hochtouren. Die Fussball-Weltmeisterschaften 2014 und die Olympiade 2016 in Rio de Janeiro lösen Investitionen im zweistelligen Milliardenbereich aus. Fieberhaft wird an der Infrastruktur gearbeitet, neue Sportstadien, Hotels und Flugplätze entstehen. Zu den Investitionsbereichen gehört auch die Verbesserung der Sicherheit im öffentlichen Raum. Geschätzte 1,7 Milliarden Schweizer Franken lässt sich das der brasilianische Staat kosten. Die Verdrängung von Strassenkindern aus dem Strassenbild von Rio de Janeiro ist eine der Massnahmen. Denn bettelnde Sechsjährige, drogenabhängige Jugendliche und raubende Kindergangs passen nicht zum Bild von Rio de Janeiro, das man Milliarden von TV-Zuschauern weltweit zeigen will. Aus dem Auge, aus dem Sinn
Mit Unterstützung der Militärpolizei hat die Wohlfahrtsbehörde von Rio de Janeiro damit begonnen, Strassenkinder einzusammeln und sie zwangsweise in Unterkünfte zu verfrachten, die ausserhalb des Stadtzentrums liegen. Dort bleiben sie sich selber überlassen. «Mit Gewalt werden die Kinder von der Strasse vertrieben. Das treibt sie nur noch tiefer ins Elend», sagt Leonardo
Die staatliche Repression hat vor allem einen Effekt: Die Strassenkinder verstecken sich und sind für Hilfsorganisationen wie São Martinho, die sich mit Unterstützung von Caritas für sie einsetzt, immer schwerer erreichbar. «Es ist härter geworden auf der Strasse», berichtet der 17-jährige Strassenjunge Andrea. «Heute sind alle immer auf der Flucht vor der Polizei.» Wichtige politische Arbeit
Auf politischer Ebene setzt sich Caritas zusammen mit São Martinho dafür ein, dass die Strassenkinder durch die repressiven Massnahmen nicht in noch grösseres Elend geraten. Sie engagieren sich in sogenannten «Bürgerräten» und versuchen auf diesem Weg, Druck auf die politischen Entscheidungsträger auszuüben. Es ist das Ziel von Caritas, dass die Rechte der Strassenkinder gewahrt bleiben und sie auch weiterhin eine faire Chance haben, einen Weg aus dem Teufelskreis von Gewalt und Armut zu finden. ■
Immer auf der Flucht vor der Polizei: ein Strassenkind von Rio de Janeiro. Text: Jörg Arnold; Bild: Jaime Silva
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«Kinder» 2013 Caritas
Kinder von der Strasse ■ Ruanda
Zu rück zu r Fam il ie Ruandas Hauptstadt Kigali erlebt dank Investi tionen aus China einen Wirtschaftsboom. Doch der neue Wohlstand ist ungleich verteilt. Immer weiter geht die Schere zwischen Reich und Arm auf. Zuunterst fristen die Strassenkinder ein trauriges Dasein. Caritas hilft ihnen, wieder zurück in ihre Familien zu finden.
Kinder prägen das Strassenbild von Kigali. Viele von ihnen sind von zu Hause geflohen und kümmern sich selbst um ihr Überleben: leimschnüffelnde Strassenkinder, die schon längst nicht mehr zur Schule gehen. Je länger sie auf der Strasse leben, desto schwieriger ist der Weg zurück in die Familie oder in das verwandtschaftliche Netz.
Schutz und Zuwendung
Mit Unterstützung von Caritas kümmert sich die lokale Partnerorganisation Abadacogora-Intwari um die Stras senkinder. Sie unterhält drei Zentren, in denen Kinder und Jugendliche zwischen sechs und fünfzehn Jahren betreut werden. Ziel ist es, sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern – in die Familie, in die Schule, in den Beruf. Die Kinder nehmen an Alphabetisierungskursen, Nachholoder Fremdsprachenunterricht teil, sie erhalten Mahlzeiten, psychologische und medizinische Betreuung, werden für gesundheitliche Themen wie HIV/AIDS sensibilisiert und profitieren von verschiedenen Freizeitangeboten. Den Jüngeren wird geholfen, den Weg zurück in die öffentliche Schule zu finden, den Älteren werden Lehrstellen in verschiedensten Kleinunternehmen vermittelt.
Spiel und Erholung: Jonathan (Zweiter von links) spielt mit anderen Strassenkindern in einem Zentrum, wo sie Schutz und Betreuung gefunden haben.
18 Caritas «Kinder» 2013
Text: Ulrike Seifart; Bilder: Nadja R. Buser / Caritas Schweiz
Ein wichtiges Ziel ist die Rückkehr in die Familie. Denn trotz Armut bietet sie die besten Chancen für ein stabiles soziales Umfeld. Der zwölfjährige Jonathan Ndagiji mana hat den Weg zurück gefunden.
Klasse: «Jetzt, wo ich nicht mehr auf der Strasse lebe, gehe ich jeden Tag in die Schule. Ich habe Erfolg und meine Mutter ist stolz auf mich», sagt er – und lacht. ■
«In die Schule bin ich kaum mehr gegangen»
Jonathan lebte zwei Jahre lang auf der Strasse. «Ich habe Alteisen gesammelt und damit ein bisschen Geld verdient, um Essen zu kaufen. Für die Schule hatte ich keine Zeit mehr», blickt er zurück. Eines Tages hätten ihn Mitarbeiter ins Nyamirambo-Zentrum eingeladen. «Ich habe gedacht, da kriege ich was, und habe mal vorbeigeschaut. Und dann war es richtig toll dort. Ich habe gespielt und getanzt, und es waren Erwachsene dort, die mich verstanden haben.» Trotzdem dauerte es einige Zeit, bis die Beziehung zu ihm so gefestigt war, dass eine Kontaktaufnahme mit seiner Familie möglich wurde. «Die Wiedereingliederung in die Familie ist ein längerer Prozess», erläutert Gisèle Bankundiye, Projektleiterin von Abadacogora-Intwari. «Zuerst gibt es vorbereitende Besuche bei der Familie,
«Jetzt gehe ich jeden Tag in die Schule. Ich habe Erfolg, und meine Mutter ist stolz auf mich.» dann die Rückkehr des Kindes und die Nachbetreuung durch uns, bis sich die Situation wieder stabilisiert hat.» Manchmal sind sehr intensive Vorbereitungen für eine Rückkehr nötig, da das Verhältnis zwischen Kind und Eltern praktisch neu aufgebaut werden muss. Wieder zuhause
Bei Jonathan kam es zum Happy-End. Als er nach über zwei Jahren Strassenleben endlich wieder vor seiner Mutter Séraphine stand, war diese überglücklich. «Nachdem Jonathan weg war, konnte ich nicht mehr schlafen. Ich habe ihn überall gesucht», erzählt die alleinerziehende Mutter von fünf Kindern. Séraphine unternimmt alles, um ihre Familie durchzubringen, doch das Leben ist hart: «Ich gehe täglich von Haus zu Haus und biete mich als Waschfrau an. Nicht jeden Tag finde ich Arbeit, aber wir schlagen uns durch», meint sie. Heute lebt Jonathan wieder unter einem Dach mit seiner Mutter und seinen vier Geschwistern. Mit Unterstützung von Abadacogora-Intwari besucht er die Schule. Mittlerweile ist er sogar der beste Schüler seiner
Ruanda: Ihr Stück gerechtere Welt
Geborgenheit für Strassenkinder In Ruanda treibt die Armut viele Kinder auf die Strasse. Die Caritas-Partnerorganisation Abadacogora-Intwari nimmt in drei Zentren Strassenkinder auf, wo sie psychologische und medizinische Betreuung, Ausbildung und Mahlzeiten erhalten. Die Kinder spielen in einer sicheren Umgebung und bekommen liebevolle Zuwendung. Gleichzeitig wird versucht, die Kinder wieder in ihre Familien zu inte grieren. Oberstes Ziel ist es, den Kindern ein stabiles Umfeld und bessere Zukunftschancen zu geben. Gut zu wissen: – In Ruanda gibt es gemäss einer neuen Studie zwischen 7000 und 11 000 Strassenkinder. – 500 Kinder werden in den Zentren der Caritas betreut. – 80 Prozent der Kinder, die von den Zentren aufgenommen werden, gehen zur Schule. 100 Franken kosten die jährlichen Sekundar schulgebühren für drei Kinder.
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«Kinder» 2013 Caritas
«Jedes Kind braucht Liebe und Sicher heit »
Hebamme und Ständerätin Liliane Maury Pasquier weiss aus Erfahrung, dass Armut Kinder in ihrer Entwicklung behindert. Frau Ständerätin Maury Pasquier, welches sind aus Ihrer Sicht als Hebamme die Grundbedürfnisse eines Kindes?
Jedes Kind braucht Liebe, das heisst emotionale Sicherheit. Aber auch materielle Sicherheit braucht es. Diese ermöglicht es den Eltern, sich unbelastet ihrem Kind zu widmen. Die materielle Sicherheit ist damit wichtig für eine harmonische Entwicklung durch die ganze Kindheit und bis zur Pubertät. Diese Sicherheit muss man allen Eltern auf der Welt zu geben versuchen, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Standards. Wir müssen zum Beispiel – und das sage ich jetzt als Hebamme – den Frauen zeigen, wie sie gebären können, ohne ihr Leben und das des Neugeborenen in Gefahr zu bringen. Die Reduktion der Mütter- und Kindersterblichkeit ist schliesslich eines der Millennium-Entwicklungsziele. Vorrangig müssen Mütter unterstützt werden, da meistens sie es sind, die für Ernährung, Pflege und Erziehung der Kinder aufkommen.
schaften ihnen einen höheren Wert beimessen. Solche Ungleichheiten gilt es zu bekämpfen. Man muss besonders die Abtreibungen weiblicher Föten verhindern, wie sie in Indien vorkommen. Die Ungleichheiten gehen in der Kindheit weiter, beim Schuleintritt, in der Jugend und dann beim Eintritt in die Berufswelt. Welches sind die dringendsten Themen der Kinder, die in Entwicklungsländern aufwachsen?
In den Entwicklungsländern – da gibt es so viel zu tun. Zunächst einmal müssten sie selber ihren Weg und ihre Bedürfnisse bestimmen. Es ist wichtig, dass die Betroffenen bei ihrer eigenen Entwicklung eine aktive Rolle spielen. Ein grosses Problem ist, dass viele Kinder und Jugendliche kaum Perspektiven haben, kaum Zugang zu Bildung und Arbeit, und damit auch keine Hoffnung auf ein würdiges Leben. Die Herausforderung besteht darin, allen Kindern auf der Welt eine wirklich nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.
Treten Mädchen und Jungen ihren Lebensweg mit denselben Chancen an?
Was können wir tun, um die Perspektiven der Kinder in diesen Ländern zu verbessern?
Laut weltweiten Statistiken werden kleine Jungen länger gestillt als Mädchen, weil unsere patriarchalen Gesell-
Solidarität soll kein leeres Wort bleiben. Sie richtet sich an jede einzelne Staatsbürgerin und jeden Staatsbürger,
20 Caritas «Kinder» 2013
Text: Katja Remane; Bild: Stéphane Maury
aber auch an unsere Politiker, an unsere Wirtschaft und an die globale Ordnung. Um ein Beispiel zu geben: Die von der Welthandelsorganisation durchgesetzte Abschaf-
sich allein gestellt lebten. Es sollte möglich sein, dass verwaiste Geschwister zusammenbleiben können, unter der Verantwortung der ältesten Schwester oder des
«Armut ist eines der grössten Verbrechen, das man an Kindern begehen kann.» fung von Zollgrenzen mag für den internationalen Handel gut sein, aber in den armen Ländern fördert sie vor allem die Exportlandwirtschaft. Nun erzeugt aber kommerzielle Landwirtschaft eine völlige Abhängigkeit der Produzenten von Marktschwankungen und zerstört die Lebensgrundlage von Subsistenzbauern. Sie geht also zu Lasten der Ernährungssicherheit, worunter gerade die Kinder leiden. Man kann in den Ländern des Südens nicht nach denselben Prinzipien verfahren wie im Norden. Als Nationalratspräsidentin reisten Sie zu einem offiziellen Staatsbesuch nach Südafrika. Wie ist die Situa tion der Kinder dort und wie können wir ihnen helfen?
Ich bin nach Südafrika gereist, um zwei Schweizer Ak tionsprogramme zu besichtigen, von denen eines vor allem Kinder unterstützt. Dieses Programm widmet sich dem Kampf gegen HIV/AIDS, der in Südafrika ein Hauptpro blem darstellt und mir als Präsidentin des Schweizerischen Hebammenverbands und ehemaligem Mitglied des Stifungsrats der Stiftung Sexuelle Gesundheit Schweiz ganz besonders am Herzen liegt. Die Situation ist dramatisch; ganze Generationen werden ausgelöscht. In gewissen Dörfern gibt es fast keine Eltern und keine Lehrpersonen mehr. In einem Dorf habe ich eine sterbende Frau gesehen, und um sie herum standen alle ihre Kinder. Ich habe auch Kinder gesehen, die völlig auf
ältesten Bruders vielleicht, aber mit Unterstützung einer Bezugsperson, die den Kindern bei schulischen oder gesundheitlichen Fragen beisteht, und mit der nötigen materiellen Absicherung. Welches sind die Herausforderungen, um allen Kindern, auch in unserem Land, eine optimale Entwicklung zu ermöglichen?
Wir müssen unbedingt die Diskriminierung und die Armut bekämpfen. Was für eine Zukunft bieten wir Kindern, die ausgegrenzt werden, wie den Roma-Kindern zum Beispiel? Die Tatsache, dass Kinder in Armut aufwachsen, in der Schweiz oder anderswo, stellt eine Verletzung der Rechte des Kindes dar. Denn das Risiko ist gross, dass solche Kinder in ihren Entwicklungsmöglichkeiten lebenslang behindert sind. Armut ist eines der grössten Verbrechen, das man an Kindern begehen kann. ■
Liliane Maury Pasquier
Als Hebamme und Präsidentin des Schweizerischen Hebammenverbands engagiert sich Ständerätin Liliane Maury Pasquier für die Rechte der Frauen und setzt sich für Mutterschaftsunterstützung und soziale Sicherheit ein. Von November 2001 bis November 2002 präsidierte sie den Nationalrat. Liliane Maury Pasquier ist 1956 in Genf geboren, hat vier Kinder und fünf Enkelkinder.
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«Kinder» 2013 Caritas
Lebensmut für Kinder ■ Kuba
«Mein Kind gehört dazu » Für autistische Kinder gibt es in Kuba kaum Platz. Betroffene Eltern engagieren sich zusammen mit Caritas für eine individuelle Förderung ihrer behinderten Kinder.
Die dunklen Augen der zwölfjährigen Gabriela schauen ins Leere. Ihr Gesicht bleibt unbewegt. Was denkt sie gerade? Was fühlt sie? Niemand weiss es. Gabriela war drei Jahre alt, als bei ihr Autismus diagnostiziert wurde. Für ihre Mutter Mercedes Castro brach damals eine Welt zusammen: «Ich habe so viel weinen müssen», sagt sie. Keiner hat ihr erklären können, was es mit der Krankheit auf sich hat, was ihr Kind bewegt, wie viel es überhaupt von seiner Umwelt mitbekommt. Mercedes musste ihre anspruchsvolle Arbeit als Pflegefachfrau im weit entfernten städtischen Krankenhaus aufgeben und nahm eine Teilzeitstelle als Gemeindepflegerin an. So hatte sie mehr Zeit, um für ihre kleine Tochter zu sorgen. Während der Arbeit wurde Gabriela im staatlichen Zentrum für Autismus «Dora Alonso» betreut, doch vor einigen Jahren musste die Mutter den Platz für «schwierigere Fälle» freigeben, und sie blieb fortan mit ihrer Tochter zuhause. Zwar zahlt der kubanische Staat Eltern, die ihr behindertes Kind zuhause betreuen, eine kleine Rente, doch kommen Mercedes und ihre Familie mit den rund 30 Franken, die sie pro Monat erhalten, nicht sehr weit. Manchmal helfen bei finanziellen Engpässen Familien angehörige aus, manchmal kann sie mit dem Verkauf von selbstgebackenen Pizzas das Budget etwas aufbessern.
Dort führen ausgebildete Fachkräfte auf freiwilliger Basis Massnahmen zur frühkindlichen Förderung und Verhaltenstherapien durch. Zweimal pro Woche geht nun Gabriela mit 52 anderen Kindern dorthin. Neben den Therapiestunden organisiert das Zentrum für Kinder und Eltern regelmässig kleine Ausflüge. Mercedes legt grossen Wert auf diese Treffen: «Hier bei Caritas sind wir frei, uns so zu organisieren, wie wir es für richtig halten. Es zählt, was für unsere Kinder am wichtigsten ist», sagt sie. Ausserdem könne man bei diesen Anlässen wertvolle Erfahrungen austauschen. Mehr Wissen über Autismus
«Noch wissen wir sehr wenig über Autismus», erzählt Gilliam Gutiérrez, die Koordinatorin des Zentrums in Havanna und Spezialistin für Autismus. Dank Caritas konnte sie an einem Austausch mit Autismus-Selbst hilfegruppen in den USA teilnehmen. Die dort gewonnenen Erkenntnisse werden jetzt im Zentrum Havanna aufgenommen und angewendet. Da die Zahl der Kinder mit Autismus in Kuba zunimmt, plant Caritas Kuba die Eröffnung eines zweiten Autismus-Zentrums in Santiago de Cuba. Für Mercedes sind die Bemühungen ein grosser Fortschritt. Sie selbst lernt noch heute jeden Tag neu hinzu: «Der behutsame Umgang mit Gabriela gibt mir einen Einblick in eine Welt, die vielen fremd ist und bleibt.» ■
Professionelle Hilfe
Mercedes Castro wollte aber mehr tun, als zu Hause zu sitzen. Sie wollte mehr tun für ihre Tochter. Deshalb gründete sie vor fünf Jahren gemeinsam mit anderen betroffenen Müttern und zusammen mit Caritas Havanna ein kleines Tageszentrum für autistische Kinder. 22 Caritas «Kinder» 2013
Platz schaffen für autistische Kinder: Gabriela im Tageszentrum von Caritas Havanna. Text: Ulrike Seifart; Bild: Pia Zanetti / Caritas Schweiz
Lebensmut für Kinder ■ Kuba: Ihr Stück gerechtere Welt
Raum für behinderte Kinder Caritas unterstützt in elf Diözesen Kinder mit Behinderungen, wie Autismus oder Down Syndrom. Die Eltern werden von Fachpersonen begleitet und vernetzen sich, um besser auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen zu können. Die Kinder erhalten psychologische und medizinische Begleitung, eine warme Mahlzeit und einen geschützten Raum, um ihre Fähigkeiten zu entfalten.
Gut zu wissen: – Insgesamt unterstützt Caritas Schweiz in Kuba 1600 Kinder und deren Familienangehörige. – 440 Freiwillige engagieren sich im Programm und erhalten Weiterbildungen. – 60 Koordinatorinnen und Koordinatoren des Caritas-Netzwerks werden fachliche Weiterbildungen vermittelt.
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«Kinder» 2013 Caritas
Lebensmut für Kinder ■ Philippinen
Der Albtraum hat ein Ende Ungezählte Mädchen und junge Frauen werden auf den Philippinen missbraucht. Im Heim der Organisation Preda finden sie Ruhe und einen sicheren Ort. Fachleute helfen ihnen, einen neuen Lebensweg zu finden.
20 Prozent der philippinischen Bevölkerung leben mit weniger als einem Dollar pro Tag, weitere 60 Prozent müssen mit zwei Dollar auskommen. Kinder werden als Arbeitskräfte gebraucht; nicht selten werden Mädchen als Haussklaven oder in die Prostitution verkauft. Verarbeitung durch Therapien
Olongapo City ist eine philippinische Hafen-Stadt – eine Stadt sexueller Ausschweifungen für viele. Hier werden Mädchen angepriesen. Die Stadt ist bekannt für ihre unzähligen Stundenhotels, Bars und Saunas. Laut Schätzungen von Ecpat International, einem internationalen Netzwerk zum Kinderschutz, werden hier rund 500 000 Frauen feilgeboten. Ein Fünftel von ihnen ist minderjährig. Grund für die Prostitution ist die Armut. Mehr als
Im Heim der philippinischen Caritas-Partnerorganisation Preda finden die Mädchen und jungen Frauen Ruhe und Geborgenheit. Preda geht gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern vor. Sie rettet Mädchen, die in Bordellen, auf der Strasse oder in der eigenen Familie missbraucht wurden. So wie Rina, J. B., Jessa, Sheila und Rose. Ihr neues Zuhause befindet sich ausserhalb von Olongapo City, auf einem Hügel, umgeben von vielen Bäumen. Eine Idylle.
Der Start in eine Zukunft: im Heim der philippinischen Caritas-Partnerorganisation Preda.
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Text: Ulrike Seifart; Bilder: Kristine Wee
Ein Ort, an dem die traumatisierten Kinder wohnen, spielen, lernen, sich erholen und vor allem gesund werden können. «Ich war anfangs sehr nervös. Aber jetzt fühle ich mich sehr wohl», erzählt Rina. Sie wurde von ihrem Vater missbraucht und verarbeitet nun bei Preda ihre traumatischen Erlebnisse. In der Befreiungstherapie etwa schreien die Mädchen ihre Qualen regelrecht heraus. Man müsse aber auch die stummen Schreie hören können, sagt María Eresa Catubig, Psychotherapeutin bei Preda. «Ich gebe jeden Tag mein Bestes. Aber die Geschichten der Kinder zu hören, das ist auch für mich schrecklich», fügt die Therapeutin hinzu.
Mit der Hilfe von Fachleuten können die Kinder einen Neuanfang wagen. Aus den traumatisierten Mädchen werden so im Laufe der Zeit selbstbewusste und fröhliche junge Frauen. «Trotz des emotionalen Drucks kann ich am Ende eines Tages lächeln. Denn ich weiss, ich habe nicht nur das Leben eines, sondern vieler Kinder berührt», resümiert Ivy Christine Manzano, Krankenschwester in Preda, stolz. ■
Vertrauen gewinnen
Da ist J. B. (17), deren Leiden mit 12 Jahren begannen. Erst missbraucht durch den eigenen Vater, bot dieser seine Tochter später in Bars an. Drei Fehlgeburten hat das Mädchen hinter sich und eine Vielzahl von Suizidversuchen. Da ist Jessa (15), die von einem Freund der Familie vergewaltigt wurde; Sheila (14), deren Gross vater sich seit ihrem 9. Lebensjahr an ihr verging; Rose, die von Menschenhändlern nach Manila verschleppt und dort zur Prostitution gezwungen wurde. Marilyn Carpio-Richter, Sozialarbeiterin bei Preda, kennt alle Geschichten. Das Vertrauen der Mädchen zu gewinnen, sei die schwierigste, aber auch die wichtigste Aufgabe. Es ist für sie sehr hilfreich, dass sie selber ein Preda-Kind ist. So kann sie den Mädchen ihre eigene Geschichte erzählen. «Ich hoffe, ich kann durch meine Erlebnisse und auch durch meinen Erfolg den Kindern dazu verhelfen, ihre schlimmsten Albträume zu überwinden – so dass sie sich trotz ihrer Vergangenheit auf eine bessere Zukunft freuen.» Selbstbewusste junge Frauen
Marilyns Ansatz scheint aufzugehen: Bei J. B. ist der Genesungsprozess dank Medikamenten und Therapie gut vorangeschritten. Das Mädchen, das bei Ankunft in Preda weder lesen noch schreiben konnte, ist nun eine der Besten in der Schule. «Ich möchte eines Tages aufs College», sagt J. B. Auch Jessa schwärmt: «Jetzt kann ich jeden Tag lernen. Am liebsten habe ich Englisch, und ich weiss, wenn ich darin gut bin, habe ich gute Zukunftschancen.» Die Mädchen werden so auf ihre Wiedereingliederung in die öffentlichen Schulen vorbereitet, die Älteren erhalten zudem Unterricht im Nähen, Backen und Kochen.
Philippinen: Ihr Stück gerechtere Welt
Kinder vor Missbrauch schützen Preda setzt sich auf den Philippinen für sexuell missbrauchte Kinder ein. Mit therapeutischen Massnahmen und Kursen für die Schule und den Beruf werden sie auf ein neues Leben vorbereitet. Zudem unterstützt Preda die Mädchen in juristischen Belangen, etwa wenn gegen die Täter Strafanzeige eingereicht wird. Gut zu wissen: – Das Preda-Heim kann jährlich 70 sexuell aus gebeutete Mädchen aufnehmen. – Rund 60 Mädchen und ihr Umfeld werden während eines Jahres von Preda begleitet. – 100 Franken kostet ein medizinischer Check-up von vier Kindern.
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«Kinder» 2013 Caritas
Lebensmut für Kinder ■
Tadschikistan: Ihr Stück gerechtere Welt
Schule für alle Dank der Unterstützung von Caritas Schweiz nehmen in Duschanbe, der Hauptstadt von Tadschikistan, zwei integrative Schulen und zwei integrative Kindergärten behinderte Kinder auf. Sie lernen dort zusammen mit anderen, gesunden Kindern. Die Kinder und ihre Lehrer und Lehrerinnen werden von vierzehn Spezialisten der NGO Sitorai Umed, der lokalen Partnerorganisation von Caritas, begleitet.
26 Caritas «Kinder» 2013
Gut zu wissen: – Während der Pilotprojektphase von 2007 bis 2011 haben sechzehn Kinder erfolgreich die Primar schule in einer integrativen Klasse beendet. Elf von ihnen wurden in einer weiterführenden normalen Schule aufgenommen. Von sechs Kindern, die den Kindergarten besucht haben, sind drei in integrative Klassen und drei in Klassen der Regelschule übergetreten. – Im Jahr 2012 wurden bereits 86 behinderte Kinder in einer integrativen Schule und 36 Kinder in einem integrativen Kindergarten eingeschrieben.
Lebensmut für Kinder ■ Tadschikistan
« Behinderte Kinder ? Das gab es ni cht» Ein behindertes Kind zu haben, das ist in Tadschikistan noch immer ein Makel. Möglichkeiten für schulische Bildung gibt es für behinderte Kinder kaum. Die integrative Schule von Caritas bietet ihnen neue Perspektiven. Wir haben mit Safargul Kurbanova, der Leiterin dieses Programms, über die Chancen von behinderten Kindern in Tadschikistan gesprochen.
Safargul Kurbanova, welche Bildungschancen haben behinderte Kinder in Tadschikistan?
Vor der Einführung des integrativen Bildungsprojekts von Caritas waren behinderte Kinder in Kindergärten und öffentlichen Schulen schlicht nicht zugelassen. Den Eltern standen nur zwei Möglichkeiten offen: ihr behindertes Kind zu Hause zu verstecken oder es in einem Behindertenheim unterzubringen, wo es keinerlei Bildung erhielt. Ein behindertes Kind zu bekommen, das wird in Tadschikistan als eine Strafe Gottes für die Mutter angesehen. Häufig lässt sich der Ehemann scheiden. Dies führt dazu, dass die Mutter Ressentiments gegen ihr Kind hegt, weil sie seinetwegen aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Wie sieht die Situation heute in der Hauptstadt Duschanbe aus, wo sich Caritas im Bereich der Integra tion von Behinderten schon seit einiger Zeit engagiert?
Dank den integrativen Schulen und der Sensibilisierungskampagne von Caritas hat sich die Situation verbessert. Behinderte Kinder werden besser akzeptiert. Zu Beginn Mirzo (8 Jahre) besucht die erste Klasse der integrativen Schule in Duschanbe. Text: Katja Remane; Bilder: Pia Zanetti / Caritas Schweiz
hatten wir Mühe, die Kinder für unser Programm zu finden. Heute kommen mehr und mehr Mütter zu uns und möchten ihr behindertes Kind in der integrativen Schule einschreiben. Doch wir mussten einen langen Weg bis dahin gehen. Ich habe früher als Gynäkologin im Spital gearbeitet. Kinder, die mit einer Behinderung zur Welt kommen, werden bei uns registriert. Dank einer Spe zialbewilligung bekamen wir ihre Adressen, und wir haben die Familien aufgesucht, um den Eltern zu erklären, dass ihr Kind zu seiner Entwicklung soziale Kontakte benötigt. Bevor die Kinder eingeschult werden, werden sie von unseren Spezialisten untersucht und erhalten eine Therapie. Die Kinder lernen, wie man das Hemd richtig zuknöpft und wie man spielt. Wir hatten mit Kindern zu tun, die nur auf dem Boden herumlagen, und haben Physiotherapeuten zu ihnen nach Hause geschickt, um sie gehen zu lehren. Wie funktionieren integrative Schulen?
Die Idee ist, Kindergärten und Primarschulen für behinderte Kinder zugänglich zu machen und sie in Klassen mit anderen, nicht behinderten Kindern zu integrieren. Kinder lernen sehr viel, indem sie andere Kinder imitieren. Das Lehrpersonal wurde für diese Aufgabe speziell aus- und weitergebildet. Neben den eigentlichen Unterrichtsstunden werden die behinderten Kinder von Pädagoginnen, Logopäden, Musiktherapeutinnen und Psychologen betreut. Was geschieht mit den Kindern später?
Einigen der Kinder gelingt es, in der fünften Klasse in eine normale Schule überzuwechseln. Andere wieder holen die vierte Klasse. Für Kinder mit schweren Behinderungen gibt es Organisationen wie die Vereinigung der Eltern behinderter Kinder APCD. Im Heim der APCD lernen junge Behinderte zum Beispiel auch Kochen und Nähen. ■ 27
«Kinder» 2013 Caritas
Lebensmut für Kinder ■ Bolivien
«Eine Fam il ie is t das Wichtig ste» Die elfjährige Gaby wurde drei Monate nach ihrer Geburt zur Adoption freigegeben – und hatte Glück mit ihren neuen Eltern.
«Glückliches Mädchen aus Cochabamba» – so lautet der Steckbrief von Gaby über sich selbst. «Ich tanze und singe oft und gehe gern zur Schule. Doch das Wichtigste ist meine Familie: Meine Eltern und mein Bruder sind das Beste, was ich Gaby: «Das Wichtigste ist, habe.» Gaby wurde in einem Frauenhaus geeine Familie zu haben.» boren und kam mit drei Monaten zu Marcelo und Inés Mejía, die sich seit über zehn Jahren sehnlichst ein Kind gewünscht hatten. Über die Lebenssituation ihrer leiblichen Mutter weiss Gaby kaum etwas. Und bis heute ist Gaby nicht bereit, Genaueres über die Geschichte ihrer Herkunft zu erfahren. Doch seit sie zwei Jahre alt ist, haben ihr ihre Adoptiv eltern immer wieder davon erzählt, wie sie als Pflegekind zu ihnen stiess und sie sie dann adoptieren konnten. «Wir schlossen Gaby vom ersten Moment an ins Herz, und die Liebe ist seither immer stärker geworden», sagen Marcelo und Inés. «Wir sind so stolz auf unsere Tochter und glücklich, sie in jeder neuen Lebensphase zu begleiten.» Und Gaby, die sich auch gut mit ihrem sechsjährigen, ebenfalls adoptierten Bruder Bernardo versteht, ergänzt: «Alle Kinder sind gleich viel wert – egal ob adoptiert oder nicht adoptiert. Das Wichtigste ist, eine Familie zu haben.» ■
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Bolivien: Ihr Stück gerechtere Welt
Das Recht auf eine Familie Die Caritas-Partnerorganisation Infante vermittelt verlassene und vernachlässigte Kinder in ausgebildete Pflegefamilien, damit sie nicht in Heimen untergebracht werden müssen. Wenn sie nicht in ihre Familien zurückkehren können, unterstützt Infante eine Adoption im Land selbst. Zudem leistet die Organisation Lobbyarbeit für Kinderrechte. Gut zu wissen: – Infante bringt in der Stadt Cochabamba jährlich rund 45 Kinder in einer Pflegefamilie unter. – Sechs Kinder konnten im ersten Halbjahr 2012 zu ihrer Ursprungsfamilie zurückkehren. – Mit einer Spende von 100 Franken können sieben Kinder-Badewannen des Projekts finanziert werden.
Text: Dominique Schärer; Bilder: Infante
Lebensmut für Kinder ■ Palästina
Angs t und Ar mut fresse n d ie Seele auf Eigentlich möchte niemand hier wohnen. Das Haus ist von Bomben halb zerstört, die Wohnungen sind feucht, der Hühnerhof verbreitet einen unerträglichen Gestank. Bait Lahia im Norden von Gaza: hier treffen sich Armut und Krieg. Mittendrin der zehnjährige Mohammed.
nach einiger Zeit habe ich erfahren, dass er noch immer das Bett nässt», erzählt Psychologin Zekrayat. Es brauchte viel Geduld, bis die Arbeit mit Mohammed und seinen Eltern Früchte zu tragen begann. «Es ist jetzt schön zu sehen, wie sich das Verhalten der Mutter verändert und wie Mohammed sich in der Schule aufgefangen hat. Langsam kehrt sein Lebensmut zurück.» ■
«Als wir Mohammeds Familie zum ersten Mal besuchten, war es auch für uns nur schlimm: bitterarm, traumatisiert vom Krieg, die Eltern überfordert mit der Erziehung ihrer Kinder, eine enge und dunkle Wohnung, nirgends Hoffnung», berichtet Zekrayat Al-Arini betroffen. Sie ist Psychologin des Caritas-Partners YEC und Betreuerin der Familie. Mohammed ist das älteste von fünf Geschwistern. Eine Hirnhautentzündung hat seinen Start ins Leben belastet, und immer wieder wurde er als Kleinkind von seiner Mutter geschlagen – Schläge, die er bald an seine beiden Schwestern weitergab. In der Schule isolierte er sich mit seinem aggressiven Verhalten, und seine Lernschwäche machte ihn zum Gespött der Kameraden. «Bei unserem ersten Gespräch war er sehr verschlossen. Erst
Palästina: Ihr Stück gerechtere Welt
Der Angst die Stirn bieten Mit Unterstützung der Caritas engagiert sich die lokale Hilfsorganisation YEC (Youth Empowerment Center) in Gaza für Kinder und Jugendliche. Schwerpunkt: psychosoziale Betreuung, öffentliche Gesundheitsprogramme und die Erweiterung des Bildungsangebotes. YEC betreibt in Gaza drei eigene Zentren sowie drei Stationen in Kindergärten und Schulen.
Text: Jörg Arnold; Bild: DCA
Gut zu wissen: – Pro Tag besuchen etwa 600 Kinder die drei Hauptzentren – das sind 187 000 Kindertage pro Jahr. – 356 Buben und 337 Mädchen haben im letzten Jahr ihre Kriegserlebnisse in Gruppentherapien verarbeitet. – Die 100 Kinder des Zentrums in Bait Lahia haben für die neu eröffnete Bibliothek mehr als 6000 Bücher gesammelt.
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«Kinder» 2013 Caritas
Lebensmut für Kinder ■
Kolumbien: Ihr Stück gerechtere Welt
Der Gewalt entkommen Die Partnerorganisation Crear Jugando bietet Kindern in Bogotá einen sicheren Ort, damit sie ihre Freizeit nicht auf der Strasse verbringen müssen. Das zweite Patenschaftsprojekt Combos engagiert sich in den gewaltbetroffenen Armenvierteln von Medellín für Kinder, damit sie die Schule abschliessen können.
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Gut zu wissen: – 150 Kinder und Jugendliche profitieren in Bogotá vom Angebot des Zentrums von Crear Jugando. – Zwei Franken kostet ein warmes Mittagessen für ein Kind. – 170 Kinder und Jugendliche besuchen dank Caritas die Primar- oder Sekundarschule von Combos in Medellín.
Lebensmut für Kinder ■ Kolumbien
«Für d ich gibt es kein Zu rück » In den Armenquartieren der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá ist das Leben hart. Der 14jährige Luís* konnte sich nur dank dem CaritasPartner Crear Jugando aus den Fängen einer bewaffneten Jugendbande befreien.
Rund 61 000 Menschen leben in Bogotás Armenviertel Diana Turbay, das von intern Vertriebenen und Migranten gegründet worden ist. Auch die Eltern von Luís flüchteten sich vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat Tolima hierher. 1997 liessen sie sich in Diana Turbay nieder. Und hier kam bald Luís auf die Welt. Die Familie schlug sich durch: Der Vater fand eine Stelle als Nachtwächter, die Mutter briet Hühnchen an einem Verkaufsstand. Doch wie in allen Armenvierteln Kolumbiens beherrschen auch in Diana Turbay Gewalt und Kriminalität den Alltag. Es fehlt an Spielplätzen, Parks und sicheren Orten, an denen Kinder spielen und sich austoben können. So waren die Eltern von Luís froh um das Angebot des Caritas-Partners Crear Jugando. In dessen Quartierzentrum werden Kinder und Jugendliche ganztägig betreut. Ein kreatives Bildungsprogramm ergänzt das Angebot des Stützunterrichtes, und es werden zahlreiche Spielmöglichkeiten nach einem eigenen pädagogischen Konzept angeboten. Hier verbrachte Luís die Freizeit, wenn seine Eltern arbeiteten.
dass Luís Marihuana rauchte und von einer bewaffneten Jugendbande unter Druck gesetzt wurde. «Wenn ich mit der Bande unterwegs bin, bekomme ich als Lohn einen Joint. Die Kollegen begehen Raubüberfälle, verkaufen Drogen und prügeln sich mit anderen Banden», erzählte Luís schliesslich. Das Geständnis brachte ihn jedoch gleich doppelt in Bedrängnis. Der Vater reagierte mit harten Körperstrafen, und die Anführer der Jugendbande drohten Luís sogar mit dem Tod. Um diesem Teufelskreis ein Ende zu setzen, schickten die Eltern Luís für vier Wochen zu Verwandten aufs Land. Flucht ins Internat
Doch die Probleme waren nicht zu Ende, als Luís zurückkam. «Du bist einer von uns und kannst nicht mehr zurück» – der Anführer der Jugendbande setzte Luís so lange unter Druck, bis dieser nachgab. Schnell war er wieder in Gang-Kämpfe verwickelt. Aufhören konnte er nicht, zu gross war die Angst. Drei Tage lang versteckte er sich zu Hause. Die Mitarbeiter von Crear Jugando, welche die Familie die ganze Zeit über begleitet hatten, wandten sich schliesslich an die Behörden des Distrikts, um eine Lösung zum Schutz des Jungen zu finden. Nur so konnte Luís in ein Internat ausserhalb von Bogotá eintreten, wo er heute in Sicherheit ist und ungestört lernen kann. ■
Drohungen und Prügel
Das änderte sich abrupt, als Luís dreizehn Jahre alt wurde. Der Junge wurde plötzlich aggressiv, und die Eltern wandten sich an Crear Jugando. Bald stellte sich heraus,
Dank Caritas und Crear Jugando aus den Fängen einer Jugendbande: Luís (14). Text: Dominique Schärer; Bild: Luca Zanetti / Caritas Schweiz
* Der Name wurde zum Schutz von «Luís» geändert.
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«Kinder» 2013 Caritas
Pate n frag en – Kinder antworte n Was macht dich froh und glücklich?
Lilo Kunz (53) aus Fajauna, Patin «Kinder in die Schule» von Bangladesch und Tschetschenien, möchte wissen, was die Kinder aus Bolivien, Tadschikistan und Bangladesch am glücklichsten macht.
Cristián (13), Bolivien «Es macht mich glücklich, wenn ich gut behandelt werde, wenn die Erwachsenen mir weder drohen noch mich schlagen. In meiner Freizeit spiele ich am liebsten mit Spielzeugautos.»
Izzatova Shirin (5), Tadschikistan «Am glücklichsten bin ich, wenn meine Mutter bei mir ist, wenn der Himmel blau ist und die Sonne scheint.»
Alpona (17), Bangladesch «Einer der glücklichsten Momente in meinem Leben war jener, als ich meine Familie zum ersten Mal mit selbst verdientem Geld unterstützen konnte. Ich bin stolz auf mein eigenes Nähatelier.»
Was möchten Sie von den Kindern aus den Caritas-Patenschaftsprojekten wissen? Richten Sie Ihre Fragen per E-Mail an kinderfrage@caritas.ch oder schicken Sie uns eine Postkarte. Caritas Schweiz Patenschaften Löwenstrasse 3, Postfach CH-6002 Luzern
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