Menschenhandel in Naturkatastrophen

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Mediendienst 3 27. Februar 2014

Menschenhandel in Naturkatastrophen

Vom Opfer der Naturkatastrophe zum modernen Sklaven Andreas Psota

Der Mediendienst der Caritas Schweiz ist ein Angebot mit Hintergrundtexten zur freien Verwendung. F端r R端ckfragen stehen die Autorinnen und Autoren gerne zur Verf端gung.


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Menschenhandel in Naturkatastrophen

Vom Opfer der Naturkatastrophe zum modernen Sklaven Die beiden Naturkatastrophen in Indien im Juni 2013 und auf den Philippinen im November 2013 haben auf tragische Weise aufgezeigt, wie ungeschützt grosse Teile der Bevölkerung solchen Launen der Natur ausgesetzt sind. Unzählige Menschen haben ihren Lebensunterhalt zum Teil oder vollständig verloren. Damit aber nicht genug: die aussichtslose Situation der Betroffenen und das mit der Katastrophe verbundene Chaos führen dazu, dass sich das Risiko Opfer von Menschenhandel zu werden massiv erhöht. Nirupa* war 16 Jahre alt, als schwere Regenfälle eine Überschwemmung in ihrem Dorf und der ganzen Umgebung verursachten. Die indische Familie war arm und lebte von den täglichen Einnahmen des Vaters. Durch die Überschwemmung verloren sie Teile ihres Besitzes und, noch schlimmer, der Vater verlor seine Arbeit. Das brachte die Familie in eine schwierige Situation. Kurz nach der Überschwemmung kam ein junger Mann von einem Dorf in der Nähe zu ihnen und bat um die Hand von Nirupa. Wiederwillig stimmten die Eltern einer Heirat zu. Obwohl sie lieber nicht wollten, sahen sie dies als beste Möglichkeit, die eigene Situation zu entschärfen und Nirupa eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Es stellte sich dann heraus, dass der Heiratsantrag nur ein Vorwand war, um Nirupa mitzunehmen und sie dann einem Menschenhändler verkaufen zu können. Zum Glück für Nirupa bekam die Familie davon kund und konnte ihre Tochter, mit Hilfe der Polizei, befreien. Für viele Opfer von Menschenhandel kommt keine Hilfe. Sie landen als Sklaven irgendwo auf der Welt - im eigenen Land, im Nachbarland oder weit weg von Zuhause, je nachdem, was die Händler mit ihnen vorhaben.

Menschenhandel als eine Folge der Katastrophe Nirupa ist mit ihrer Geschichte kein Einzelfall. Der Menschenhandel ist ein weitreichendes Problem mit Millionen von Opfern. Da Menschenhandel im versteckten stattfindet ist es schwierig, die Anzahl der Betroffenen zu beziffern. Es wird geschätzt, dass 21 bis 30 Millionen Menschen als Sklaven oder in sklavenähnlichen Umständen leben, viele davon als Folge von Menschenhandel. Noch viel weniger untersucht ist der Menschenhandel im Zusammenhang mit Naturkatastrophen. Auch wenn es sich bisher nicht mit Bestimmtheit sagen lässt: Vieles deutet darauf hin, dass es in der Folge einer Naturkatastrophe mehr Menschen Opfer von Menschenhandel werden als unter normalen Bedingungen. Dass sich das Risiko, Opfer von Menschenhandel zu werden, nach einer Naturkatastrophe erhöht, hat verschiedene Gründe. Am Beispiel von Nirupa sehen wir, dass der Verlust des Lebensunterhalts durch eine Naturkatastrophe Familien oft in hoffnungslose Situationen bringt. Dadurch, dass die Situation ausweglos erscheint, wird die Bereitschaft zur Migration grösser. Oftmals ist es genau diese Bereitschaft zu Migration − oder genauer gesagt eine Situation, in welcher Migration als die einzige Lösung erscheint − das Erfolgsgeheimnis der Menschenhändler. Die Not der Familien wir ausgenutzt. Man täuschte ihnen vor, dass man ihnen helfen kann.

Caritas Schweiz, Mediendienst 3, 27. Februar 2014


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Von der Katastrophe zur Rekrutierung Man kann sich verschiedene Szenarien vorstellen, in welchen die Effekte einer Naturkatastrophe dazu führen, dass jemand Opfer von Menschenhandel wird. Es gibt aber gewisse Faktoren, welche viele der möglichen Szenarien gemeinsam haben. Einerseits ist es die Erschwerung der Lebensumstände (durch Verlust von Familienmitgliedern, Einkommen, Besitz, Vermögen, Lebensunterhalt usw.). Eine massive Erschwerung der Situation bedeutet für viele Familien, dass sie nicht mehr für alle Familienmitglieder aufkommen können. Als einzigen Ausweg sehen sie die Migration eines oder mehrerer Familienmitglieder. Diese Bereitschaft zur Migration führt dazu, dass die falschen Versprechen der Menschenhändler auf offene Ohren stossen. Es wird darauf vertraut, dass zum Beispiel das Kind der Familie wirklich einen Job unter annehmbaren Arbeitsbedingungen erhält. Es ist die einzige Möglichkeit als Familie überleben zu können und dem Kind eine bessere Zukunft zu bieten. Die Aussichtslosigkeit führt dazu, dass die Hoffnung für eine bessere Zukunft gegenüber den Ängsten überwiegt. Aber auch der Verlust von Schutzmechanismen trägt dazu bei, dass die Menschenhändler in ihrer Rekrutierung erfolgreich sind. In einer Situation wo die Polizeikräfte anderweitig beschäftigt sind und es keine soziale Kontrolle mehr gibt, weil die Dorfgemeinschaft (wo jeder jeden kannte) auseinandergerissen wurde, können Menschenhändler fast unbemerkt zu Werke gehen. Vor allem Kinder sind in diesem Chaos völlig wehrlos. Caritas Schweiz setzt sich dafür ein, die Gefahren von Menschenhandel in Naturkatastrophen zu untersuchen und eigene Erfahrungen und diejenigen von Partnern in die Programme einfliessen zu lassen, mit dem Ziel die Bevölkerung besser auf Naturkatastrophen und all ihre tragischen Auswirkungen vorzubereiten. Andreas Psota, Abteilung Asien/Europa, Caritas Schweiz, E-Mail apsota@caritas.ch, Tel. 041 419 24 91 *Name geändert

Caritas Schweiz, Mediendienst 3, 27. Februar 2014


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