Mediendienst 4 20. März 2014
Zum Enabling Environment Index von Civicus
Kein günstiges Umfeld für die Zivilgesellschaft Geert van Dok
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Zum Enabling Environment Index von Civicus
Kein günstiges Umfeld für die Zivilgesellschaft Am hochrangigen Forum zur Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit Ende 2011 in Busan wurde seitens der teilnehmenden Staaten allenthalben betont, wie wichtig die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen als Entwicklungsakteure sei. Es brauche daher günstige Rahmenbedingungen für deren Arbeit. Damit bekräftigten sie die Stossrichtung des im Herbst 2008 beschlossenen „Aktionsplan von Accra“. Seit September letzten Jahres liegt dazu nun ein Index vor, der die tatsächlichen Bedingungen länderweise beurteilt. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können den Machthabenden bisweilen etwas lästig sein, wenn sie die Stimme im Namen marginalisierter und benachteiligter Menschen erheben oder auf soziale und politische Missstände hinweisen. Gleichzeitig werden sie aber als wichtige Entwicklungsakteure anerkannt. Am Forum in Busan fand dies seinen Ausdruck in der in der „Busan Partnerschaft für wirksame Entwicklungszusammenarbeit“ aller relevanten Akteure: Geber- und Empfängerländer, multinationale Institutionen, NGOs und Privatsektor. Allerdings waren die Busan-Ergebnisse höchst unverbindlich. Viele erhofften sich von den Aussagen zur Zivilgesellschaft – die NGO-Arbeit solle durch ein günstiges Umfeld unterstützt werden – wenigstens in dieser Hinsicht eine Verbesserung für die Zukunft. Doch wie gesagt, NGOs sind bisweilen lästig.
Faktoren für ein günstiges Umfeld Was gegeben sein sollte, damit NGOs mit ihrer Arbeit eine positive Wirkung entfalten können, liegt auf der Hand. Dazu gehört zweifellos die Einhaltung von Menschenrechten, das Recht auf Meinungsäusserung, die Möglichkeit politischer Teilhabe, eine gesicherte rechtliche Grundlage für die Arbeit, ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten und allgemein gesagt: eine Anerkennung der Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen als eigenständige, relevante Akteure. So einfach dies klingen mag, so weit davon entfernt ist in vielen Entwicklungsländern die Realität. Civicus, die „World Alliance for Citizen Participation“, ist der Frage nachgegangen, wie sich die Situation nach Accra und Busan in den einzelnen Ländern entwickelt hat, wo Defizite feststellbar sind und wo Fortschritte beobachtet werden konnten. Die Ergebnisse führten zum „Enabling Environment Index 2013“ (EEI), den Civicus im September 2013 veröffentlichte – Indizes mit ihren Rankings sind mittlerweile beliebte und anschauliche Instrumente zur Darstellung verschiedenster Sachverhalte. Einfach war die Aufgabe nicht, und einfach haben es sich die Civicus-Fachleute auch nicht gemacht. Sie entwickelten einen breiten Katalog mit insgesamt 17 Faktoren zum sozioökonomischen und soziokulturellen Umfeld sowie zur Regierungsführung, um den Index zu berechnen. So fragten sie beispielsweise nach der Bildungssituation, nach der sozialen Gleichheit, nach der Partizipationsmöglichkeit und nach rechtlichen und politischen Verhältnissen. Genauso schwierig war dann das Sammeln der relevanten, möglichst aktuellen Daten. Insgesamt über 70 Datenquellen wurden verwendet. Es wurden schliesslich nur Länder berücksichtigt, zu denen Daten zu mindestens 14 der 17 Faktoren vorlagen. Dadurch fielen alleine in Afrika 25 Länder aus der Betrachtung. Insgesamt schafften es 109 Länder auf die EEI-Liste.
Caritas Schweiz, Mediendienst 4, 20. März 2014
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Die Ergebnisse des EEI Gesamthaft birgt das Ranking nur wenige Überraschungen. Die EEI-Werte bewegen sich auf einer Skala von null bis eins. An der Spitze liegen zahlreiche Industriestaaten mit Werten zwischen 0,87 und 0,70, am schlechtesten schneiden arme und/oder totalitäre Entwicklungsländer ab. Das Schlusslicht bildet die Demokratische Republik Kongo (0,26) hinter Burundi und Usbekistan. Aus Sicht der Entwicklungszusammenarbeit ist es alarmierend, wenn Länder wie Äthiopien und Vietnam zu den zehn schlechtesten Platzierungen gehören. Dies zeigt, dass auch Länder, die viele Entwicklungsgelder erhielten oder weiterhin erhalten, nicht unbedingt eine gute Atmosphäre für die Zivilgesellschaft schaffen. Solches muss zu denken geben. Entweder ist es den Gebern bisher im Politikdialog nicht gelungen, die Bedingungen für die Zivilgesellschaft zu verbessern, oder aber es interessiert nicht wirklich. Letzteres ist zu befürchten – die wirtschaftliche Dynamik solcher Länder verdrängt die Frage nach einer Verbesserung der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Obwohl also viele Regierungen seit dem Aktionsplan von Accra 2008 und den Busan-Beschlüssen 2011 versprechen, die Zivilgesellschaft zu schützen und die Rahmenbedingungen zu verbessern, lebt gemäss Civicus-Generalsekretär Danny Sriskandarajah „die Mehrheit der Bürger weltweit in einem Umfeld, das ihnen nicht die Möglichkeit gibt, sich in Aktivitäten, Organisationen und Bewegungen zu engagieren, die ihre Lebenslage verbessern könnten“. Entwicklungsakteure tun gut daran, die Förderung günstiger Rahmenbedingungen für die Zivilgesellschaft weit oben auf der Agenda ihres Politikdialogs mit den Partnern in den Empfängerländern zu belassen. Dank Civicus verfügen sie dabei mit dem Enabling Environment Index über ein Instrument, das für diese Diskussionen äusserst dienlich sein kann – auch wenn das Fehlen zahlreicher fragiler Staaten auf der Liste ein Manko darstellt, das die Expertinnen und Experten von Civicus bei künftigen EEI-Ausgaben hoffentlich schrittweise werden beheben können. Geert van Dok, Leiter Fachstelle Entwicklungspolitik, Caritas Schweiz, E-Mail gvandok@caritas.ch, Tel. 041 419 23 95
Caritas Schweiz, Mediendienst 4, 20. März 2014