Der Duft von Zimt und Liebe von Carsten Krause

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CARSTEN KRAUSE

DER DUFT VON ZIMT UND

LIEBE ROMAN LESEPROBE

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Für meine Liebe Für mein neues Leben Für Dich Du bist der Zimt in meinem Leben

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Es gab keinen Grund stehen zu bleiben. Schritt für Schritt zum neuen Glück. Ernesto öffnete die Tür. Ein Duft von Kaffee und Zimt strömte ihm entgegen. Er schaute sich vorsichtig um und drehte nervös am Stiel der Rose. Anscheinend war er vor ihr da. Er schaute auf die große Standuhr, die neben den Kuchenplatten stand. 15:53 Uhr. Noch sieben Minuten. „Willst du eine Rose kaufen?“ Ein Mann stand plötzlich vor Ernesto und hielt ihm seinen Rosenstrauch vors Gesicht. „Danke, äh... nein“, seine Finger umkrampften den kleinen Rosenstiel in seinen Händen, „ich habe bereits eine Rose.“ Er musste schmunzeln und unwei7


gerlich an den Kleinen Prinzen denken: „Du bist für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. DU bist für deine Rose verantwortlich.“ Aber ich kenne die Rose doch gar nicht, dachte Ernesto. Vielleicht sollte ich besser nach Hause gehen und meine Rose besser kennen lernen, bevor ich sie einem anderen Menschen gebe, den ich gar nicht kenne und vor allem, dem ich gar nicht trauen kann, weil ich ihn nicht kenne. Nachdenklich ging Ernesto vorbei am Rosenverkäufer und schaute nach einem freien Tisch, aber um diese Zeit war im Café Royal kein Tisch mehr frei. Draußen begann es zu schneien. Die Schneeflocken wirbelten an den Scheiben des Cafés auf und ab. 15:58 Uhr. Noch zwei Minuten und 8


ich habe immer noch keinen Tisch. An der Theke entdeckte er einen freien Hocker. Immerhin besser als nichts. Das Café war voll besetzt. Die Besucher plauderten in voller Lautstärke. Dies war sicherlich neben der U-BahnStation der zweitbeste Ort für eine neue Verabredung. Ernesto setzte sich an die Theke und legte seine Rose neben sich. „Möchten sie ein Glas Wasser?“ Er schaute in die strahlend blauen Augen der Bedienung und lächelte. „Möchten sie vielleicht diese Rose annehmen?“ Ernesto stand auf. Es war 15:59 Uhr. Er ging vorbei an der Standuhr zum Ausgang. Vorbei an einer Frau im roten Mantel mit einer roten Rose in der 9


Hand. 16:00 Uhr. Ernesto stand vor dem Café Royal. Sein Café zum Glück und schaute der Frau mit der Rose in der Hand hinterher, die geradewegs auf die Thekenbedienung mit seiner Rose zuging. Vielleicht schaffe ich die U-Bahn und bin vor dem Feierabend der Pendler zu Hause? Die Schneeflocken tanzten vor seinen Augen auf und ab, wie kleine weiße Engel. Es war genau ein Tag vor Heiligabend und Schritt für Schritt ging er zur U-Bahn. Schritt für Schritt näherte sich Weihnachten. Ein Weihnachten ohne Zimt und Liebe.

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Ob Chris schon losgefahren war wie jedes Jahr, wissen wir nicht. Wir beide jedenfalls saßen gemeinsam im Auto und schauten auf die roten Rücklichter von all den anderen Menschen, die auch losgefahren waren, um ihre Liebsten zu besuchen. Weihnachten, das Fest der Liebe und Familie. Schön und besinnlich unter dem leuchtenden Tannenbaum, leckeres Essen, kleine und große Geschenke und vor allem: STREIT! Jedenfalls war dies in unserer Familie so. Jedes Jahr dasselbe Ritual nach der Bescherung. Der selbstgestrickte Pullover war zu groß, die Theaterkarten mitten in der Arbeitswoche, die CD bereits vorhanden. 11


Ätzend. Dieses Jahr sollte alles anders werden. Francine und ich würden einfach ohne Geschenke zu unseren Eltern fahren. Unsere Idee, keine Geschenke = keinen Streit. So hofften wir es jedenfalls. Dass alles anders kommen sollte als wir dachten, wussten wir im Stau auf der Autobahn noch nicht. Dieses Jahr sollte unser Weihnachten nach Zimt und Liebe riechen. „Francine, mach bitte das Fenster zu, die Schneeflocken wehen schon herein.“ „Wieso, nur weil du keinen Schnee magst, soll ich jetzt darauf verzichten? Danke! Schöne Bescherung!“ 12


Francine schloss das Beifahrerfenster widerwillig. „Ich denke nicht, dass wir das lange diskutieren sollten. Ich bin der Fahrer und friere!“ Juleys Unterarmhaar stellten sich auf. Francine drehte am Sendersuchlauf, um einen neuen Radiosender einzustellen. „Man Francine, jetzt lass bitte den Sender dran. Ich muss wissen wie lange dieser Stau noch ist.“ „Steig doch aufs Autodach und geh gucken!“ Francine lächelte triumphierend. Ihrer Schwester würde sie so schnell nicht klein beigeben. Warum hatte sie sich nur von ihrer älteren Schwester abholen lassen? Sie wusste es nicht mehr genau, wahrscheinlich Geldnot. 13


Seit ihrem Medizinstudium war sie notorisch klamm, denn sie hatte keine Zeit zu jobben. Warum auch? Ihre Eltern hatten doch genug Kohle. „Ich habe Hunger, können wir bitte gleich einmal anhalten? Ich muss mal dringend aufs Klo“, fragte Francine missmutig. „Wir stehen bereits Schwesterlein. Wir stehen bereits seit genau 21 Minuten hier im Stau.“ Juley öffnete die Beifahrertür. Sie stolperte durch den Schnee über den Standstreifen in Richtung Toiletten. Sie hatte auch keine Zigaretten mehr. Eigentlich war sie Nichtraucherin, aber ihr letztes männliche Abenteuer war Kettenraucher und sie hatte sich an den Geruch von verbranntem Tabak gewöhnt. 14


„Hast du 50 Cent für mich?“ Sie ging am Standstreifen entlang und hinter ihr tauchte aus dem Schneegestöber ein schwarzer SUV auf, der mit Warnblinklicht hupend hinter ihr herfuhr. „Komm wieder rein Schwesterlein, bis zur Raststätte sind es noch 2 km.“ „Ich muss aber und zwar jetzt!“ Sagt es und stapfte tapfer weiter durch den Schnee auf dem Standstreifen. Mitten auf der Autobahn, 2 km vor der Raststätte, einen Tag vor Weihnachten. „Du bist sowas von peinlich!“ Francine kurbelte das Fenster wieder hoch. Der schwarze SUV hinter Juley hatte angehalten und der Fahrer hatte sein Fernlicht angeschaltet. Juley war dies egal. Sie ging weiter. 15


Doch bevor sie ihren Weg fortsetzen konnte sah sie ein blaues Licht im Schnee blinken. „Die Pipapolizei, unser Freund und Helfer. Immer da, wenn man sie nicht braucht.“ Sie sprang über die Leitplanke und lief einen kleinen Abhang hinunter in Richtung Wald. Francine schaute nur ungläubig aus dem Auto und ärgerte sich ihre Schwester überhaupt abgeholt zu haben. Überall wo sie auftauchte gab es Stress und Ärger. Sie drehte das Radio leiser und hörte das Martinshorn der Blauweißen. Der SUV war bereits über den Schnee des Standstreifens Richtung Rastplatz unterwegs. Gleich würde bestimmt eine Hundertschaft den Wald nach ihrer Schwester durchkämmen, 16


die wahrscheinlich bereits irgendwo gemütlich in einer Waldhütte auf einer Couch saß und heiße Schokolade schlürfte. Während sie in ihren Gedanken versunken war kam Bewegung in den Stau. Sie rollte langsam wieder an. Ihre Schwester aber sah sie nirgends. Juley war sicherlich entlang der Leitplanke, Richtung Raststätte unterwegs. Sie konnte jedenfalls jetzt nicht hier stehen bleiben und hinter ihr herlaufen. Juley war alt genug. Sie schaute in den Rückspiegel, aber keine Schwester weit und breit. Ach, so ein kleiner Sparziergang würde ihr sicher gut tun und ihr Gemüt ein wenig abkühlen. Vor Francine tauchte die Ausfahrt zur Raststätte auf. Sie setzte den Blinker und fuhr rechts raus. An der Tank17


stelle vorbei in Richtung Parkplatz. Neben dem Spielplatz gab es noch einen freien Stellplatz. Francine schaltete den Motor ab und holte ihre Handtasche aus dem Ablagefach. Sie öffnete die Fahrertür. Rumms. Sie hatte die Tür mit zu viel Schwung geöffnet genau in die Beifahrerseite des neben ihr geparkten Autos. Der schwarze SUV vom Standstreifen. „Verdammter Mist, jetzt auch noch das, Schwester weg, Tür zerdetscht, was kommt als nächstes? Der Weihnachtsmann auf einem Motorrad?“ Seit dem spurlosen Verschwinden ihrer Schwester waren mittlerweile 15 Minuten vergangen. Ihr wurde kalt und sie beschloss in dem schäbigen 18


Truckercafé auf Juley zu warten. Was, wenn sie nicht kam? Machte sie sich etwa Sorgen? Würde Francine sich Sorgen um sie machen? Sicherlich nicht. Sie ging weiter. Ein Geruch aus Sauerkraut, vergorenem Alkohol und Zimt stieg ihr in die Nase. Was konnte es schöneres geben als Weihnachten auf der Autobahn? Schritt für Schritt näherte sie sich dem Truckercafé, einen Tag vor Heiligabend. Schritt für Schritt führte kein Weg zurück.

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Leseproben + Verlagsprogramm: http://issuu.com/casimir-verlag www.facebook.com/CasimirVerlag https://twitter.com/casimirverlag

https://www.instagram.com/casimirverlag © by Casimir-Verlag, Carsten Krause, Unkel 2019 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen und fotomechanischen Nachdrucks, vorbehalten. Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Cover-, u. Umschlaggestaltung: ©VercoDesign, Unna Foto: © Carsten Krause, Unkel Lektorat: Andrea Behrendt & Marie Eichenberg Satz & Layout: Carsten Krause Printed in the EU

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Ab Weihnachten 2019 im Casimir-Verlag ISBN 978-3-940877-52-9 www.casimir-verlag.com

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Carsten Krause (Jg. 1976), Verleger, Geschichtenerfinder, Schreib-, Musik- und Theaterpädagoge, Leiter der KinderKunstSchule Unkel und Mitarbeiter des Stadtjugendrings Bad Honnef an der OGS der LÜwenburgschule Bad Honnef.

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