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CARSTEN KRAUSE
Die Töchter Adrans Runen aus Blut und Asche LESEPROBE Fantasy-Serie Band 1
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Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig.
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Für Ragnar
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Die grüne Bogenschützin trat aus ihrem Versteck. Spannte an und schoss. Der Pfeil traf den Späher mitten in die Stirn und durchschlug sein Hirn. Es war die Rache für Elbur, dachte die Schützin und lautlos wie sie aus ihrem Versteck kam, verschwand sie in der Dunkelheit. Der Späher lag blutüberströmt auf dem Moos des Waldbodens, die Augen vor Schreck geweitet. Sein Mund zum Schrei geöffnet, als wollte er sagen: „Krieg! Krieg den Kämpfern vom eisernen See!“ Nie wieder würden seine Lippen diese Worte Formen, aber sein stummer Schrei hallte durch die Finsternis des Waldes wie ein Gespenst aus den Tiefen Morons. Noch ehe der Morgen erwachte, würde die Welt nie wieder so sein, wie vor Anbeginn der Nacht. Ein neues Zeitalter brach mit den ersten Morgenstrahlen hervor. Ein Zeitalter aus Asche, Blut und Stahl. Die grünen Bergwälder von Adran schimmerten feucht in der Morgenröte. Nebelschwaden stiegen dampfend die Hänge em5
por und Gunnvarr erwachte schweißgebadet. Ihre fiebrigen Augen schmerzten und wie betäubt nahm sie ihre Umgebung wahr. Schatten vor ihren Augen verschwammen mit den erwachenden Rufen des Nebelwaldes. Das Fieber hatte Gunnvarr seit Tagen auf ihr Schlaflager gefesselt. Ihre Lippen waren trocken und durstig suchte sie nach dem Krug den ihre Sklavin an ihr Lager gestellt hatte. „Wo ist mein Kind?“, war ihr erster Gedanke. Gunnvarr wollte schreien, aber ihre Kehle war so trocken, dass kein Laut zu hören war. Nur ein leises Röcheln durchströmte den abgedunkelten Raum. War es Tag oder Nacht? Sie wusste es nicht. Eine Kerze an ihrem Lager flackerte und die Schatten ihrer Rüstung tanzten an der Wand. Wie viele Tage waren vergangen? Sie wusste es nicht. Gunnvarr nahm das leise Öffnen der Tür ihres Gemachs wahr. Jemand schlich zu ihr 6
ans Lager. Jemand presste seine Hand auf ihre Lippen damit sie schwieg. Schweigen für immer? Gunnvarr merkte, wie ihr langsam die Luft zum Atmen fehlte. Langsam öffnete sich die Hand auf ihrem Mund. „Wer bist du?“ wollte Gunnvarr fragen, aber ihre Stimme versagte. „Dein Vater schickt mich. Er möchte, dass du wieder zu ihm nach Hause kommst. Zurück zu deiner Familie. Zurück in deine Heimat und die deiner Vorfahren.“ „Niemals!“ dachte Gunnvarr. Sie versuchte, die Hand an ihrem Mund zu ergreifen, war aber zu schwach. „Dein Kind ist tot und du bist in großer Gefahr, als Nächste zu sterben.“ Eine Träne lief ihr heiß die Wange herunter. Warum sollte sie leben, wenn ihr Kind tot war? „Das Fieber hat dich geschwächt, aber ich denke, du kannst reiten. Das Lager Godefrods liegt flussabwärts hinter den Bergwäldern Adrans. Dort wartet dein Vater auf dich und ich soll dich dorthin begleiten.“ Gunnvarr sah im Schein der Kerze die verschwommenen Umrisse der Person, die sie begleiten sollte. Sie erkannte lange blond7
gelockte Haare und zwei hervorstechende blaue Augen im Schein der Flammen. Aber zurück zu ihrem Vater wollte sie niemals. Jetzt erst recht nicht nachdem sie die Nachricht vom Tod ihres Kindes bekam. Sie hörte dumpfe Schritte die Stufen heraufkommen. Ihr vermeintlicher Befreier zuckte und seine freie Hand umklammerte sein Schwert. Er ließ von ihrem Mund ab und huschte hinter die verschlossene Tür. Sie öffnete sich knarrend einen kleinen Spalt. „Seid ihr erwacht Herrin?“ Die Stimme erkannte Gunnvarr sofort. Es war ihre Sklavin Aruba. Timball hatte sie ihr nach der Plünderung ihres Dorfes geschenkt. Gunnvarr verabscheute es, Sklaven zu halten. Aber gegen Timballs Worte wagte sie es nicht, sich zu stellen. Heimlich schmiedete sie Pläne, wie sie Aruba aus ihrer Gefangenschaft befreien könnte und jetzt wartete ihr unbekannter Befreier hinter der Tür, um Aruba mit dem Schwert zu erschlagen. Gunnvarr musste sie warnen, aber wie? 8
Die Tür öffnete sich langsam. Aruba spähte in den halbdunklen Schlafraum, während das Schwert bereits zum Schlag erhoben wartete. Gunnvarr schaute mit weit aufgerissenen Augen zur Tür und wusste, dass sie nicht sprechen konnte, da kam ihr die rettende Idee. Sie erhob einen Arm und warf die brennende Kerze neben ihrem Lager zu Boden. Der Docht erlosch. Ihr Schlafgemach war dunkel. Diesen kurzen Augenblick nutzte Gunnvarr, um ihr Lager zu verlassen und ergriff das Schwert neben ihrer Rüstung. Aruba wich erschrocken zurück und verschloss die Tür. Jetzt waren nur noch Gunnvarr und der Fremde in dem dunklen Raum. Sie konnte ihn nicht sehen, aber sie spürte seine Körperwärme und roch seinen Schweiß. Niemals würde sie mit ihm gehen. Niemals zurück zu ihrem Vater. Ihr einziger Vorteil war, dass ihr Schlafgemach ihr auch im Dunkeln vertraut war. Sie wusste aber nicht, wie sie diesen Vorteil für sich nutzen könnte, denn gegen die vermeintliche körperliche Überlegenheit ihres 9
Gegners schien sie keine Chance zu haben. Sie schlich in Richtung Tür, wo sie ihn vermutete, aber dort stand er nicht mehr. Gunnvarr blieb stehen und lauschte in die Stille. Sie vernahm ihren Herzschlag, der sie an ihren Gegner verraten würde. Das Blut pochte in ihrer Schläfe. Benommen von den Tagen des Fiebers taumelte sie zurück zu ihrem Lager. Wo war er? Kein Bewegungsgeräusch oder Atem drang an ihre Ohren. Auch seine Körperwärme spürte sie nicht mehr. Stand er hinter ihr und wartete bereits auf sie? Ihre Nackenhaare sträubten sich bei diesem unheilvollen Gedanken. Aruba hatte ihr einen Zopf geflochten. Mit einem Mal spürte sie einen Ruck. Der Schwertträger versuchte sie nach hinten zu ziehen. Gunnvarr schlug ihr Schwert über den Kopf nach hinten. Der Fremde ließ los. Sie taumelte mit ihren letzten Kräften zur Tür. Noch bevor sie diese öffnen konnte, hörte sie die drohende Stimme ihres vermeintlichen Befreiers: „Ich komme wieder, Gunnvarr!“ 10
Er öffnete das Fenster und sprang hinaus. Gunnvarr sank langsam zu Boden. Die Tür öffnete sich und Aruba trat mit einer Fackel bewaffnet in den Raum. „Herrin, geht es ihnen gut? Sind sie verletzt?“ Die letzten Worte hörte Gunnvarr kaum, denn sie glitt langsam hinab in eine erlösende Ohnmacht. Aruba vernahm dumpfe Schritte aus dem Hof. Die Wachen Timballs hatten den Tumult bemerkt und näherten sich. Gunnvarr öffnete zum letzten Mal ihre Augen und blickte in zwei strahlende mandelförmige Augen, die sie besorgt anschauten. Aruba hielt ihren Kopf und Gunnvarr glitt in eine tiefe Finsternis. Sie war eine tapfere Kriegerin, dachte Aruba, aber sie wusste nicht wie Gunnvarr ohne ihr Kind weiterleben sollte. Sie streichelte die Wange ihrer Herrin, bevor eine Hand der Wächter sie von ihrer Herrin fortzog. „Wenn ich diesen Versager zu fassen bekomme, spalte ich ihm den Schädel.“ Timball lief mit hochrotem Kopf über den 11
staubigen Boden. Seine roten Haare wehten im Wind und sein langer Bart bebte vor Zorn. „Wir wissen nicht, wie er die hölzernen Verteidigungswälle überwinden konnte Timball, aber schafft es einer von Godefrods Männern, dann schafft es auch sein ganzes Kriegerheer.“ Lefroy versuchte mit Timball schritt zu halten. „Bring mir diesen Handlanger Godefrods, der in das Gemach Gunnvarrs eingedrungen ist und wage es nicht ihm ein Haar zu krümmen, das werde ich höchstpersönlich übernehmen.“ „Aruba sagte, dass er zu Gunnvarr gesprochen hätte, er käme wieder. Wir sollten sie an einen sicheren Ort bringen Timball. Godefrod wird sicher nicht lange mit seinen Männern warten und uns bald überrennen. Ich kenne eine geheime Höhle hinter den Wasserfällen von Arachant. Dort könnte Gunnvarr sicher versteckt sein, bis wir Godefrod besiegt haben.“ Lefroy kam so langsam aus der Puste bei der Geschwindigkeit seines Clanoberhauptes, aber er wagte es nicht, stehen zu bleiben 12
und lief weiter hinter ihm her. „Halbiere die Rationen der Nachtwachen, die diesen Schurken unbemerkt in unser Lager ließen und nimm drei Männer mit, um dich auf den Weg zu machen, ihn zu finden. Ich werde Gunnvarr persönlich zur Höhle hinter den Wasserfällen begleiten.“ „Das könnt ihr nicht machen, ihr könnt eure Männer nicht führungslos hier zurück lassen. Die Vorräte reichen vielleicht noch vier bis fünf Tage. Was sollen wir ohne eure Anweisungen machen Timball?“ „Mein Sohn wird die Männer während meiner Abwesenheit führen und falls nötig auch in den Kampf ziehen lassen gegen Godefrod. Wage es nicht, dich meinen Anweisungen zu widersetzen Lefroy. Ich schätze deine Meinung sehr, aber nur weil wir uns schon als Kinder gejagt haben, heißt es nicht, dass ich dich verschone, auch du wirst mir gehorchen. Vekel wird mich während meiner Abwesenheit würdig vertreten . Ich werde bis zum Neumond wieder zurück sein. Der Schutz Gunnvarrs hat Vorrang vor allem anderen.“ Lefroy versuchte etwas zu erwidern, aber er biss sich auf die Zunge. Widerworte könn13
ten ihm den Kopf kosten. „Dann gebt bitte zu bedenken, dass euer Sohn noch so jung ist und unerfahren in der Schlacht und stellt ihm einen erfahrenen Krieger an die Seite. Dann werden eure Männer auch seinen Anweisungen, sollte es zum Kampf kommen, bedingungslos folge leisten.“ „Und wer sollte dies deiner Meinung nach sein?“ fragte Timball und blieb abrupt stehen. Er stellte sich vor Lefroy auf und überragte ihn um eine Kopfeslänge. Sein langer geflochtener Bart lag auf Lefroys Kopf. „Lass die Krieger selber wählen. So eine Wahl wird von allen anderen, selbst den Uneinsichtigen, anerkannt.“ Timball beugte sich zu Lefroy hinab und schaute ihm tief in die Augen. „Na gut Lefroy, dann organisiere diese Wahl zum Berater meines Sohnes und dann mach dich schnell auf den Weg, um die Spur des Eindringlings zu verfolgen.“ Timball lächelte. Lefroy kannte dieses Lächeln seit vielen Jahren. Er schien zufrieden mit dem Rat seines alten Freundes. „Wird dich deine erste Frau Hulda begleiten 14
Timball?“ „Nein sie bleibt bei meinem Sohn, vielleicht kann sie ihm in schwierigen Zeiten einen vertrauensvollen Rat geben.“ „Wir hätten Tegdaal niemals plündern dürfen alter Freund. Die Götter sind uns seither nicht mehr gewogen.“ „Ich weiß, aber wir konnten außer dem Neugeborenen niemanden opfern, um die Götter gnädig zu stimmen?“ „Bist du sicher, dass dies der richtige Weg war, um die Götter milde zu stimmen?“ Timball schaute Lefroy entsetzt ins Gesicht. „Meinst du sie verlangen nach weiteren Opfern?“ „Nicht Opfern Timball. Versöhnung!“ Timballs Gesicht verfärbte sich blutrot. Er stieß Lefroy in den Staub. „Schweig!“
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Ihre Blicke schweiften umher. Von Baum zu Baum, von Ast zu Ast. Sie wartete schon seit Stunden. Irgendwann musste er hier vorbei kommen. Sie konnte warten. Sie zog den Pfeil aus dem Köcher auf ihrem 15
Rücken. Spannte den Bogen. Zielte und schoss. Der Pfeil schnellte durch die feuchte Luft und traf die Höhle eines Spechts. Die Durchschlagskraft war so gewaltig, dass die Spitze vorne aus dem Baum wieder herausragte. Sie beobachtete genau die Flugbahn. Gab es Seitenwinde? Sie hatte nur diesen einen Schuss. Sie lächelte düster. Wenn er an ihr vorbei geritten kam, gab es für ihn kein Entrinnen. Ihr Pfeil würde todsicher treffen. Von weitem vernahm sie den dumpfen Schlag von Pferdehufen auf dem Waldboden. Zeit genug sich vorzubereiten. Sie nahm erneut einen Pfeil aus ihrem Köcher. Spannte und wartete.
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Autor:
Carsten Krause (Jg. 1976), Papa, Sauerländer, Verleger, Geschichtenerfinder, Schriftsteller, Schreib-, Musik- und Theaterpädagoge, Leiter der KinderKunstSchule – Unkel.
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