Bodensee Magazin Spezial - Kirche, Klöster & Konzil 2018

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Kirchen, Klöster & Konzil Zisterzienserkloster

Salem

Konzilstadt

Kloster St. Georgen

Stein am Rhein

Konstanz

Kartause

Ittingen

Bodensee Kirchenbesucher

Westlicher Bodensee Klosterinsel

Kirchen und Klöster

Thurgau

Reichenau

Himmelreich des Barock

Oberschwäbische Barockstraße Stiftsbezirk Klosterstadt St.Gallen Meßkirch

NEU D/A 5,– EUR CH 6,– CHF

TIPPS · TERMINE · ROUTEN


Basilika Weingarten, Foto: Andreas Riedmiller

Impressum ISBN 978-3-944741-53-6 Bodensee Magazin spezial „Kirchen, Klöster & Konzil“ ist eine Publikation der Labhard Medien GmbH Max-Stromeyer-Straße 116 D-78467 Konstanz Tel. +49 (0) 7531 9071-0 verlag@labhard.de www.labhard.de Geschäftsführung Thomas Willauer twillauer@labhard.de Gabriele Schindler gschindler@labhard.de

Autoren Wenn nicht anders vermerkt, wurden uns die Texte von den beteiligten Projektpartnern zur Verfügung gestellt. Layout Brigitte Otto büro 46 Produktion Stephan Bickmann sbickmann@labhard.de

Vertrieb Katharina Schlude kschlude@labhard.de Kartografie map solutions © GmbH, Karlsruhe Druck Druckerei Ferdinand Berger & Söhne GmbH A-3580 Horn

Titelbild Münster Unserer Lieben Frau Konstanz Foto: Achim Mende, Überlingen Bild Rückseite: Klosterkirche Kartause Ittingen Foto: Sandro Schmid Fotos Wenn nicht anders vermerkt, wurden uns die Fotos von den betreffenden Projektpartnern zur Verfügung gestellt.

Wir bedanken uns bei allen Projektpartnern. Die Seiten der Interreg-Projektpartner 7 bis 77 und 93 bis 97 sind gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.

© Labhard Medien, 2018


Editorial

Inhalt

Editorial / Inhalt ................................ 1 Einführung ........................................ 3 Klösterregion Bodensee – Wiege europäischer Kultur

Orte der Gottsuche ............................... 7 Über alle Landesgrenzen hinweg ist die Bodenseeregion in ihrer Gesamtheit von Kirchen und Klöstern geprägt. Kirchen und Klöster waren von je her Zentren der Macht, nicht nur aufgrund ihres finanziellen Reichtums, sondern vor allem wegen ihrer geistigen Werte. Mit ihrem in Bibliotheken dokumentierten Wissensschatz, ihren ebenso unterschiedlichen wie eindrucksvollen Bauwerken, war die Region rund um den Bodensee Ausgangspunkt europaweiter kultureller und politischer Entwicklungen von wirklich historischer und schließlich europäischer Dimension.

Klöster am Bodensee

Mönche, Nonnen und ihre Klöster haben seit dem frühen Mittelalter die Landschaft rund um den Bodensee maßgeblich gestaltet. Ihre besondere Wirtschafts- und Lebensweise hat hier nicht nur eine einzigartige Kulturlandschaft geschaffen, sondern auch wichtige Impulse für gesellschaftliche Neuerungen gegeben.

Bodensee Kirchenbesucher

Die Welt heute ist schnelllebiger, die Zeiten hektischer. Immer mehr Menschen fragen nach ihren Wurzeln. Aus diesem Grund haben die Touristiker der Bodenseeregion in enger Kooperation mit den katholischen Diözesen und den evangelischen Landeskirchen in Baden-Württemberg ein von der EU gefördertes Interreg-Projekt „Kirchen, Klöster und Konzil“ initiiert. Das kulturelle und architektonische Erbe der Region ist ein wahrer Schatz und auf den Spuren von Klosterbewohnern und Pilgern finden sich auch heute noch Antworten auf so manche Fragen des Lebens. Mit dem Projekt werden spannende Themen, kulturelle und architektonische Kostbarkeiten einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

UNESCO-Weltkulturerbe – Stiftsbibliothek

Mit vielen aktuellen Terminen, Tipps und Routen können sich Gäste und Einheimische auf Spurensuche begeben. Dabei können sie in Konstanz das Münster „Unserer Lieben Frau“, die UNESCO-Welterbestätten Klosterinsel Reichenau und Stiftsbezirk St.Gallen, das Zisterzienserkloster Salem, die Kartause Ittingen, barocke Baukunst in Oberschwaben und Spuren des Mittelalters im Thurgau entdecken. Viele Kirchen und Klöster öffnen ihre Türen und Tore und bieten abwechslungsreiche Programme und spannende Veranstaltungen an. Es gibt viele Gründe die Kirchen, Klöster und Kapellen der Bodenseeregion zu besuchen. Die Bodenseelandschaft auf den Spuren von Mönchen und Nonnen, von Pilgern und Wallfahrern neu zu entdecken, ist ein besonderes Erlebnis.

Konstanz ..........................................10 Stadt der Kirchen, Klöster und des Konzils

Klosterinsel Reichenau .......................22 UNESCO-Weltkulturerbe, Eiland mit Geschichte

Westlicher Bodensee ...........................32 Thurgau .......................................... 42 Kartause Ittingen – Klosteranlage St. Katharinental

St.Gallen ..........................................58 Oberschwäbische Barockstraße ........... 68 Himmelreich des Barock

Salem...............................................78 Das Zisterzienserkloster Salem

Klosterstadt Meßkirch........................ 88 Campus Galli – Karolingische Klosterstadt Meßkirch

Stein am Rhein ................................. 90 Museum Kloster Sankt Georgen

Urlaub im Kloster .............................. 93 Übernachten in Klöstern, Urlaub für die Seele

Karte ............................................... 98 Touren............................................100 Chronologie..................................... 110 Glossar ............................................112

Ihr Team von Labhard Medien Stephan Bickmann

Editorial | Bodensee Magazin Spezial

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Klösterregion Bodensee

Wiege europäischer Kultur

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önche, Nonnen und ihre Klöster haben seit dem frühen Mittelalter die Landschaft rund um den Bodensee maßgeblich gestaltet. Ihre besondere Wirtschafs- und Lebensweise hat eine einzigartige Kulturlandschaft geschaffen. Mit der landwirtschaftlichen Erschließung der seit der Römerzeit teilweise verödeten Gegenden, mit dem Wiederaufleben von Schriftlichkeit in den Klosterschreibstuben, mit dem Aufblühen der Wissenschaft, ja nicht zuletzt mit der Verbreitung des Christentums und der damit verbundenen geistigen und geistlichen Erneuerung geht ein enormer wirtschaftlicher und kultureller Aufschwung einher, der weit über die Region hinaus wirkte: Mit gutem Recht darf die Bodenseeregion als Wiege mitteleuropäischer Kultur gelten!

IRISCHE WANDERMÖNCHE AUF ALTEN HANDELSSTRASSEN Was machte die Region für die Mönche so interessant? Der Bodensee war bereits seit frühester Zeit eine Drehscheibe für Handel und Verkehr. Seine günstige Lage am Nordrand der Alpen mit den Zugängen zu den wichtigsten Alpenquerungen und seine Anbindung an die nach Norden, Osten und Westen führenden Verkehrswegen machten ihn seit der Zeit der Römer zu einem der wichtigsten Verkehrswege der Region. Der Wasserweg bot die Möglichkeit, auch größere Mengen von Gütern kostengünstig zu transportieren. Dabei nahm Konstanz mit dem bis ins frühe Mittelalter zurückreichenden Bischofsitz eine zentrale Rolle ein. Das Bistum Konstanz, das sich von Brienz im Süden bis kurz vor Backnang im Norden, von Kempten im Osten bis Breisach im Westen erstreckte, war bis zu seiner Aufhebung 1821 eines der größten Flächenbistümer im Heiligen Römischen Reich. Die zentrale Lage von Konstanz war auch noch im Spätmittelalter unangefochten und dürfte einer der entscheidenden Gründe dafür gewesen sein, dass Konstanz von 1414 bis 1418 Konzilstadt war. Zwei Voraussetzungen machten die Ansiedlung von Mönchen und den Aufschwung der Bodenseeregion erst möglich: zum einen die Eingliederung der alemannischen Stämme und Stammesführer in das Frankenreich, zum andern die von den Frankenkönigen geförderte Missionstätigkeit iro-schottischer Mönche. Bereits Anfang des 7. Jahrhunderts gelangte der Ire Columban in die Schweiz und an den Bodensee, wo er in Bregenz ein Kloster gründete, das allerdings bald wieder aufgegeben wurde. Columban selbst blieb nicht in der Region, sondern zog nach Italien weiter. Entlang der alten Verkehrswege im Rheintal und entlang der alten Römerstraßen schritt die Christianisierung voran. Den Anfang bildeten Einsiedeleien im 7. Jahrhundert, wie jene des (irischen?) Mönchs Gallus im damals unwirtlichen Hinterland des südlichen Bodenseeufers (heute St.Gallen). Gallus war im Gefolge des Columban an den Bodensee gekommen. Auf den Wandermönch und Missionar Pirmin wird eine ganze Reihe von Klostergründungen oder Klosterwiederherstellungen zurückgeführt. Sein Weg lässt sich von Neuweiler über Weißenburg, Maursmünster und Murbach im Elsass bis zur 724 gegründeten Reichenau verfolgen. Die geschützt auf einer fruchtbaren Insel im Gnadensee

gelegene Reichenau gelangte rasch zu großer Blüte. Das Kloster entwickelte sich zu einem geistlichen und kulturellen Zentrum. Von den klösterlichen Bauten blieben auf der Insel bis heute drei große Kirchen und die frühbarocke Klosteranlage von Mittelzell erhalten. KLÖSTER ALS KULTURELLE UND GEISTLICHE ZENTREN IM KAROLINGERREICH Als Reichskloster war die Reichenau in die Verwaltung des karolingischen Reichs eingebunden. Vergleichbar dem in Rätien gelegenen Müstair und dem von der Reichenau aus besiedelten Kloster Pfäfers im Bistum Chur bildete es eine wichtige Station am Weg vom fränkischen Reich nach Italien. 819 wurde auch das an der Stelle der Einsiedelei des Hl. Gallus von dem Hl. Otmar gegründete Kloster St.Gallen Reichskloster. Wohl in diesem Kontext entstand auf der Reichenau der für St.Gallen bestimmte St.Galler Klosterplan. Auf der Reichenau und in St.Gallen entstanden wichtige Bibliotheken, und in den Skriptorien der beiden Klöster wurden Handschriften geschaffen, die zu den bedeutendsten des Mittelalters zählen. Die St.Galler Bibliothek blieb bis heute erhalten und besitzt unter anderem bedeutende Fassungen der Regeln des hl. Benedikt aus dem frühen 9. Jahrhundert. In ihrem Bestand wurden auch wichtige spätantike Manuskripte, wie Vitruvs „de re aedificatoria“ (Über die Baukunst) überliefert, das im 15. Jahrhundert „wiederentdeckt“ wurde und die Architekturtheorie von der Renaissance bis heute beeinflusst hat. KONSTANZ – BISCHOFSITZ, STADT DER KLÖSTER UND STIFTE Kirchliches Zentrum bildete bis ins Spätmittelalter der Bischofsitz in Konstanz, der sich bis in die Zeit um 600 zurückverfolgen lässt. Den Dienst in der Kathedrale versah das Domstift, von dessen Gebäuden heute nur noch Teile des hochgotischen Kreuzgangs, der Kapitelsaal und die Domschule erhalten sind. Bischof Konrad I. (amt. 934–975) gründete noch das Mauritiusstift, für das die im Kern bis heute erhaltene Mauritiusrotunde nordöstlich des Münsters erbaut wurde. Dabei bestanden oft enge Verbindungen zwischen den Konstanzer Bischöfen zu den bedeutenden Abteien im Bodenseeraum. Wiederholt waren Konstanzer Bischöfe zugleich Äbte in St.Gallen oder auf der Reichenau. Die Kathedrale des Bistums, das Münster in Konstanz, wurde im 11. Jahrhundert weitgehend neu errichtet. Die unter den Bischöfen Lambert und Rumold ausgeführten östlichen Bauteile, die 1058 geweiht wurden, sowie das etwas jüngere, 1089 geweihte Langhaus sind bis heute in großen Teilen erhalten. Sie zählen zu den bedeutendsten Bauten dieser Zeit im Bodenseeraum. Zur Infrastruktur der Bischofstadt gehörte auch eine Reihe von Klöstern und Stiften, die als Abbild der Hauptkirchen Roms interpretiert werden. Das 983 von Bischof Gebhard II. gegründete Kloster Petershausen (in dessen barocken Klostergebäude heute das Archäologische Landesmuseum untergebracht ist), war Teil dieses ‚Konzepts’ nach dem Vorbild der römischen Hauptkirchen.

Oberschwaben, Deckenfresko Basilika Weingarten

Einführung | Bodensee Magazin Spezial

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Fotos: Achim Mende


U N E S CO - W E LT K U LT U R E R B E

Klosterinsel

Reichenau Die Klosterinsel Reichenau wurde im Jahr 2000 in die Liste der Welterbestätten aufgenommen und von der UNESCO zum Kulturerbe der Menschheit erklärt. Die drei erhaltenen romanischen Kirchen sind heute noch sichtbarer Ausdruck der großen Vergangenheit der Abtei. Mit ihrer Architektur und den einzigartigen, sorgfältig restaurierten Wandmalereien von St. Georg in ReichenauOberzell gehören sie zu den Meisterwerken der europäischen Kunstgeschichte.



St. Peter und Paul ist eine im Jahre 799 durch Bischof Egino von Verona erbaute Säulenbasilika im Ortsteil Reichenau-Niederzell. Die Kirche, wie sie heute besteht, ist eine dreischiffige Basilika. Sie wurde im 11. Jahrhundert nach dem Abbruch der alten Peterskirche zum Teil auf den alten Grundmauern wieder errichtet.


Foto: Theo Keller


Eiland

mit Geschichte

Die Reichenau ist heute nicht nur als geschichtsträchtige Klosterinsel, sondern auch als Gemüse- und Ferieninsel bekannt. Mit einer Länge von 4,5 Kilometern und einer Breite von 1,5 Kilometern ist sie die größte der drei Bodenseeinseln. Auf der Hochwart, dem höchsten Punkt der Insel – 440 Meter über dem Meeresspiegel, aber nur 45 Meter über dem Seespiegel – genießt man die beste Rundumsicht.

i

m Süden bildet der Seerhein die Grenze zur Schweiz. Am gegenüberliegenden Ufer erhebt sich der thurgauische Seerücken, in der Ferne erkennt man bei Föhnwitterung deutlich die Alpen. Im Westen schließen sich die Halbinsel Höri und der Zeller See an. Bei klarem Wetter reicht die Sicht bis in den Hegau mit seinen Vulkankegeln und weiter bis in die Ausläufer der Hegaualb. Richtet sich der Blick nach Norden, haben wir den Gnadensee vor Augen, dahinter die Hügellandschaft des Bodanrücks. Im Osten schließlich verbindet das Band der Pappelallee die Insel mit dem Festland. Sie durchzieht das Schilfmeer des Wollmatinger Rieds mit seinen vorgelagerten Flachwasserzonen.

DIE KIRCHEN ST. GEORG Anlass für den Bau der St. Georgskirche war ein Reliquiengeschenk. Abt Hatto III., der 896 im Gefolge König Arnulfs zu dessen Kaiserkrönung nach Rom gereist war, erhielt dort von Papst Formosus das Haupt des hl. Georg. Hatto ließ die kostbare Reliquie auf die Reichenau bringen, wo sie ihren Platz in der Krypta der neuerrichteten Kirche fand. Mit dem heutigen schlichten Bau stehen noch große Teile der Basilika, wie sie im 9. Jahrhundert errichtet wurde.

Inmitten des Untersees erhebt sich die Insel mit ihren drei Ortsteilen, die sich um die drei erhaltenen Kirchen herum gruppieren. Südlich des ehemaligen Klostergeländes, in Reichenau-Mittelzell, liegt zwar schon seit Jahrhunderten das gemeindliche Siedlungszentrum, dennoch ist auffällig, dass die Insel keine geschlossene Siedlungsform besitzt. Die über viele Generationen hinweg erfolgte Realteilung hat die Siedlungslandschaft in kleine Parzellen gegliedert. Einzelhöfe, Weiler und Glashausflächen wechseln sich mit unbebauten Freiflächen ab. Sanft geschwungene Rebberge und in verschiedenen Grüntönen leuchtende Gemüseanbauflächen bestimmen das Erscheinungsbild.

DIE ABTEI Zur Zeit der Karolinger und Ottonen war das Inselkloster eines der bedeutendsten geistigen und kulturellen Zentren im Reich. Von adligen Stiftern mit großzügigen Schenkungen ausgestattet, besaß das Kloster eine ausgedehnte Grundherrschaft. Seine Äbte gingen als hochrangige Politiker in die Geschichte ein. Über Jahrhunderte fungierten sie als Berater der Könige und Kaiser, als Diplomaten und Gesandte. Häufig waren sie Erzieher oder Vertreter der minderjährigen Königssöhne. Abt Hatto III. beispielsweise war zeitweise Erzkanzler des Reichs und Vormund des sechsjährigen Königs Ludwig des Kindes. Ebenso gewichtig waren die Leistungen der Abtei auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Dichtung, der Kunst und der Architektur. Bedeutendster Vertreter der lateinischen Literatur war Walahfrid Strabo. Aus seiner Feder stammen zwei heute noch berühmte Werke. Die „Visio Wettini“ schildert in Hexametern die Jenseitsvisionen des Mitbruders Wetti; der „Hortulus“, eine lateinische Dichtung über den Gartenbau, gibt Einblick in die mittelalterliche Kräuterheilkunde. Im ehemaligen Klosterbezirk der Insel wurde ein „Kräutergärtlein“ angelegt, in dem die von Walahfrid beschriebenen Pflanzen zu sehen sind. Auf dem Gebiet der Buchmalerei erreichte die Klosterschule höchstes Niveau. Besonders die für Kaiser Otto II., Otto III. und Heinrich II. illustrierten Prachthandschriften erlangten weltweite Beachtung. Die wenigen erhaltenen, reich verzierten Codices werden in den jeweiligen Bibliotheken als unschätzbare Kostbarkeiten gehütet. Die zehn berühmtesten gehören seit 2003 zum Welterbe „memory of the world“.

Pirmin, der Klostergründer Im Jahr 724 erschien der Wanderbischof Pirmin, um auf der bis dahin unbewohnten, unwirtlichen, von dichtem Gestrüpp bewachsenen Insel Reichenau ein Kloster zu gründen. Aus Meaux bei Paris kommend und mit einem Schutzbrief des karolingischen Hausmeiers Karl Martell ausgestattet, wurde er in dessen Auftrag von den einheimischen Grafen auf die Insel geleitet, die ihm zum Wohnen geschenkt worden war. Der Legende nach hausten dort in sumpfigem Gelände wilde Tiere, Kröten und giftige Schlangen. Kaum aber, so heißt es in dem Bericht, berührte Pirmin den Boden des Eilands, da verließ das scheußliche Getier fluchtartig die Insel und stürzte sich ins Wasser. Drei Tage und drei Nächte soll die Flucht gedauert haben. Danach habe Pirmin mit vierzig Helfern begonnen, die Insel von dem dichten Gesträuch zu befreien, um sie in eine bewohnbare Stätte zu verwandeln.

Ankunft Pirmins auf der Insel, Gemälde von 1624 (oben). Wandmalereien in St. Georg (unten)

Insel Reichenau | Bodensee Magazin Spezial 29


Foto: Achim Mende


Himmelreich

des BAROCK Der Oberschwäbische Barock ist ein einzigartiges Phänomen! In einem Zeitraum von rund 150 Jahren, zwischen dem Ende des Dreißigjährigen Krieges und dem Auftreten Napoleons, zwischen Renaissance und Klassizismus, entstanden in Oberschwaben eine Welt und ein Kunstschaffen, das die Region bis heute prägt und den Besucher immer wieder aufs Neue staunen macht.

s

ichtbarste Monumente der Epoche sind die in der Region zwischen Wiblingen und St.Gallen so beeindruckend erhaltenen Residenzen, Klöster und Kirchen und ihre so grandios mit Malereien und Skulpturen, mit Stuck und Kunsthandwerk ausgeschmückten Innenräume. Aber nicht nur: Im Dienst des katholischen Glaubens entstehen musikalische und literarische Werke, die nicht nur die Schöpfung feiern, sondern zugleich dem Menschen Sinn und Ordnung der Welt und seines Daseins erklären. Das barocke Oberschwaben als Gesamtkunstwerk!

UNTERWEGS ENTLANG DER OBERSCHWÄBISCHEN BAROCKSTRASSE Innerhalb von sechs Themenwelten lässt sich auf den Spuren des BAROCK die Region von Wiblingen bis St.Gallen (CH) bereisen. Besucher können BAROCK bestaunen, BAROCK erleben, BAROCK entspannen, BAROCK erlauschen, BAROCK genießen und sogar BAROCK erschaudern.

A8

Diese Welt des barocken Oberschwabens ist aber kein lebloses historisches Überbleibsel. Sie lebt bis heute fort – nicht nur in der Landschaft und ihrer Gestaltung, in Architektur, Kunst und Musik, sondern auch und ganz speziell in der lebensfrohen Mentalität der Menschen. Die Freude am Leben, am leiblichen Genuss, an Musik, Fest und Spiel wurzelt, da besteht kein Zweifel, tief im Barock. Für die Oberschwaben, die mit dem Barock aufwachsen, ist er ein „Stück sichtbar gewordenes Seelenleben. So ähnlich wie die Butterbrezel und das Fasnetstreiben“ (Thomas Moritz Müller, Künstler und Journalist). So betrachtet ist der Barock – gerade in Oberschwaben – nicht nur ein akademischer Kunststil, nach dem eine Epoche benannt wurde, sondern eben auch eine Lebenseinstellung, die es ermöglicht, in der Welt beheimatet zu sein und sich seines Daseins zu erfeuen. Das steckt an! Man muss nämlich nicht in dieser gesegneten Region geboren sein, um dieses Lebensgefühl zu erfahren, ja sich ihm zu ergeben. Eine Fahrt entlang der Oberschwäbischen Barockstraße, ein Besuch in einem der Schlösser und Klöster, in einer der großartigen Stadt- oder Dorfkirchen, der Genuss eines Orgelkonzerts oder eines Festes, vielleicht in Verbindung mit einem guten Bier oder einem wunderbaren Wein vom Bodensee, eignen sich bestens, um in jedem Gast die „Oberschwäbin“, den „Oberschwaben“ zu wecken. Und so ist das barocke Oberschwaben vor allem eine Einladung, eine Einladung zu vielfältigem Kunstgenuss und entspannter, hoffentlich seligmachender Lebensfreude!

Ulm

Hauptroute Ostroute Südroute Westroute Verbindungsroute

A7

Kloster Wiblingen Kloster Roggenburg Ehingen Munderkingen Veringenstadt Riedlingen

Kloster Heiligkreuztal Sigmaringen Leibertingen

Donau

Biberach Bad Buchau

Mengen

Inzigkofen

Oberstadion Gutenzell-Hürbel Ochsenhausen

Steinhausen Rot an der Rot Bad Saulgau Bad Schussenried Kürnbach Aulendorf Bad Waldsee

Kloster Sießen Meßkirch Kloster Habsthal Kloster Wald Pfullendorf

A96

Memmingen Kartause Buxheim

Ottobeuren

Bad Wurzach i. A. Leutkirch i. A. Weingarten

Hilzingen

Basilika Birnau Insel Mainau Konstanz

Wolfegg Ravensburg

A96

Kißlegg i. A. Kloster und Schloss Salem Neues Schloss Wangen i. A. Argenbühl Meersburg Neues Schloss Tettnang Isny i. A. Friedrichshafen

Kempten i. A. A7

Schloss Achberg

Langenargen Bod ense e

SCHWEIZ

Bregenz

St. Gallen

ca. 20 km

Trogen

ÖSTERREICH

Ulf Hailer Links: Wallfahrtskirche Steinhausen

Oberschwäbische Barockstraße | Bodensee Magazin Spezial 71


Foto: Frank MĂźller, Bibliothekssaal im Kloster Wiblingen


Große und kleine

Kunstschätze erkunden Adelspracht und Kirchenprunk – diese Stichworte stehen für pompöse Architektur mit üppigen Formen und lebendigen Farben und werden sofort mit der Epoche des BAROCK in Verbindung gebracht. Viele Kirchen, Klöster und Schlösser im Himmelreich des BAROCK lassen den Besucher sofort erkennen, dass es sich hier um barocke Architektur handelt. Wer jedoch mit offenen Augen die Oberschwäbische Barockstraße bereist, wird auch die kleinen Kostbarkeiten entdecken.


Zwischen Repräsentation

und Askese „Der hochwürdige, des Heiligen Römischen Reiches Prälat und Herr des königlich eximierten, konsistoralen und unmittelbar freien Reichsstiftes und Münsters der allerseligsten Jungfrau Maria von Salem regierender Abt der beiden kaiserlich-königlichen und königlich apostolischen Majestäten wirklicher Geheimer Rat“. So lautete der offizielle Titel von Anselm II. Schwab, 38. Abt in Salem von 1746 bis 1778.

n

och deutlicher hätte er seine politischen Ambitionen als Prälat der Reichsabtei Salem nicht formulieren können. Und eindrucksvoll präsentiert der vom „Bauwurmb“ ergriffene Abt seine Funktion sowie die Stellung Salems im Reich durch seine außerordentlichen Bauvorhaben, mit denen er Salems Erscheinungsbild nachhaltig prägte: Neugestaltung des Münsters mit Alabasterausstattung im klassizistischen Stil, Vierungsturm mit 16 Glocken, der Neubau einer gewaltigen Orgelanlage mit über 7.000 Pfeifen, die Ausstattung des Abt-Appartements mit feinstem Rokoko-Stuck, Einrichtung und Ausstattung der Bibliothek, nicht zuletzt die Verlegung der Marienwallfahrt und Neubau der Wallfahrtskirche Birnau. Allein den Kaisersaal, das Herzstück der Prälatur im repräsentativen Teil des Klosters, ließ Anselm in seiner Programmatik und Ausstattung weitgehend unangetastet. Zu wertvoll hinsichtlich seines Bildschmucks und dessen Bedeutung erschien der Kaisersaal dem Kloster und dem Abt: Als freie Reichsabtei und Konsistorialstift untersteht Salem nur dem Kaiser und dem Papst – jeder Besucher im Kloster musste dies begreifen.

Würde man sich als Gast des Abtes im 18. Jahrhundert der Klosteranlage nähern, fielen sofort Anselms ambitionierte Neu- und Umbauten, Ausdruck seines fürstlichen Repräsentationsbedürfnisses, ins Auge: prächtige, von Alleen gesäumte Chausseen, die zum Kloster führen, der (damals noch stehende) 60 Meter hohe Glockenturm des Münsters, Obstspaliere, mit Statuen geschmückte Brunnenanlagen in den Klosterhöfen und Gartenanlagen – nicht nur die Innenräume, sondern sogar der Pferdestall prächtig ausgestattet; nicht zu vergessen: die ehrwürdige Mönchskirche mit reichstem ornamentalem und figürlichem Schmuck. Dies alles erscheint als Widerspruch zu dem von Askese, Demut und Armut geprägten Lebensideal der Mönche, von dem die Zisterzienser auch Vorgaben für Anlage und Ausstattung ihrer Klöster ableiteten. Doch zurück zu den Anfängen: Wie kamen die Zisterzienser an diesen Ort? Wie entwickelte sich das Kloster im Laufe der Jahrhunderte und wie konnte trotz Armutsbekenntnis der Mönche eine solch „fürstliche“ Anlage mit schlossartigem Erscheinungsbild entstehen?

Foto: Achim Mende

Kloster und Schloss Salem (unten). Portrait Abt Anselm II. Schwab (oben links) Ofenkacheln mit histor. Bildmotiven aus dem Klosterleben (oben rechts)


VON DER EIGENEN HÄNDE ARBEIT LEBEN Der Orden der Zisterzienser hatte sich im 11. Jahrhundert im Burgund als Reformbewegung aus dem Benediktinerorden herausgebildet. Man wollte wieder zurück zum Kern monastischer Lebensformen, wie sie die Regeln des Hl. Benedikt von Nursia beschreiben; diese Regeln sollten „richtig“ interpretiert und wieder streng wortgenau befolgt werden. In offener Kritik an den bestehenden Verhältnissen in den Benediktinerklöstern sollten die Mönche nicht durch Zuwendungen der Weltlichen existieren oder den Zehnten einfordern, sondern „von der eigenen Hände Arbeit leben“. Vorbildliche Lebensweise, die Einführung einer Ordensverfassung (Charta caritatis), effizientes Wirtschaften, vor allem aber auch die charismatische Persönlichkeit des Hl. Bernhard, Abt von Clairvaux (1090–1153) führten zu einer hohen Akzeptanz und damit raschen Ausbreitung des Ordens in Europa. AUS SALEMANSWILARE WIRD SALEM 1134 stiftete Guntram von Adelsreute den Ort Salemanswilare und weitere Güter dem aufstrebenden Orden. Möglicherweise sollte Guntram als Parteigänger der Staufer durch die Klostergründung staufischen Einfluss im Welfengebiet sichern. Jedenfalls war Salem in der weiteren Geschichte den Staufern eng verbunden. 1137 bezog der Gründungskonvent von zwölf Mönchen aus dem Kloster Lützel im Elsass unter Abt Frowin (1137–1165) das neue Kloster. Ob der Ort Salmansweiler damals ein intaktes Dorf oder eine Wüstung war, ist nicht bekannt. Ebensowenig kennt man Aussehen und Ausmaß der ersten mittelalterlichen Klosteranlage. Die Mönche hatten dem Kloster den ‚heiligen‘ Namen Salem (nach dem biblischen „Ort des Friedens“) gegeben, der alte Ortsname Salmansweiler war aber bis ins 19. Jahrhundert als Bezeichnung des Klosters gebräuchlich.

Das Kloster besaß wohl bereits eine recht imposante romanische Kirche; denn zu den ältesten Überresten Salems zählen die mächtigen Dachziegel von der ersten Klosterkirche, die im gotischen Neubau zum Teil wiederverwendet wurden. (Diese ältesten, zum Teil beschrifteten Ziegel sind heute im Münster ausgestellt.) Bereits in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung gelang es dem Kloster durch weitere Stiftungen, aber auch durch Erwerb von Grund und Boden seine Wirtschaftsflächen gewaltig auszudehnen. Zum Klosterbesitz gehörten landwirtschaftliche Güter nicht nur rund um das Klosterareal bis an den Bodensee, sondern auch in weiter entfernten Regionen – im Hegau, im Schwarzwald, in Oberschwaben und auf der schwäbischen Alb. Eine wirtschaftliche Blütezeit erlebte das Kloster unter Abt Eberhard I. von Rohrdorf (1191–1240), der dem Kloster fast fünfzig Jahre vorstand. Das wirtschaftliche Wachstum der Abtei und die Ausdehnung seines Besitzes wurden dadurch begünstigt, dass der Orden im 13. Jahrhundert längst die strengen Vorgaben zur Eigenwirtschaft gelockert und den Lebensverhältnissen angepasst hatte; Grunderwerb war nun erlaubt. So konnte das Kloster seinen Landbesitz arrondieren, weitere Grundstücke kaufen und sogar in den Städten Besitz erwerben. Um 1250 bewirtschaftete das Kloster 22 Grangien (landwirtschaftliche Großhöfe), die Produkte verkaufte man in den Städten in eigenen Pfleghöfen, den sogenannten Salmansweiler Höfen. Neben Land- und Viehwirtschaft war vor allem der Weinbau Erwerbsgrundlage. Zum nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg trug aber auch der Salzhandel bei, den das Kloster seit Eberhards Zeiten erfolgreich betrieb. 1201 hatte der Salzburger Erzbischof den Salemern eine Salzpfanne bzw. einen Salzstock bei Hallein geschenkt.

Salem | Bodensee Magazin Spezial 85



BLÜTE IM MITTELALTER Sichtbarer Ausdruck von Salems Erfolgsgeschichte im Mittelalter ist das gotische Münster, das Abt Ulrich II. von Seelfingen (1282–1311) initiierte. Unter Abt Ulrich erreichte das Kloster nicht nur eine wirtschaftliche und spirituelle Blüte, sondern auch die höchste Mitgliederzahl; nach Quellenberichten bewirtschafteten 310 Mönche und Konversen den Klosterbesitz, was den Neubau der Mönchskirche im gotischen Stil erforderte: In jeder Hinsicht hatte man nun höhere Ansprüche. Zwar erlitt Salem auch Rückschläge und Notsituationen wie z. B. in den Bauernkriegen und im Dreißigjährigen Krieg. Doch die über die Jahrhunderte immer wieder bestätigte Reichsunmittelbarkeit Salems, verbunden mit durch Kaiser und Papst gewährten Privilegien sowie schließlich die Gründung einer „Oberdeutschen Kongregation“ des Zisterzienserordens (1619), der Salem vorstand, veranlassten die Äbte zu repräsentativen Um- und Neubauten. Unter Abt Thomas I. Wunn (1614–1647) erfolgten umfangreiche Baumaßnahmen mit dem kompletten Neubau des Konventsgebäudes und zahlreicher Wirtschaftseinrichtungen (wie z. B. dem heute noch genutzten großen Weinkeller im Oberen Langbau). Als in einer kalten Märznacht 1697 ein explodierender Ofen einen Großbrand auslöste, lieferte besonders die nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Kriegs erfolgte prächtige Ausstattung mit Stuckaturen und Ölgemälden den Flammen Nahrung, wie Augenzeugen berichteten. Von der hohen künstlerischen Qualität der Ausstattung zeugen, abgesehen von Spolien, einige wenige Objekte, die vom Brand verschont geblieben sind, wie zum Beispiel der Marienaltar von Bernhard Strigel (1460–1528). Der Konvent entschloss sich augenblicklich zum Abriss der Brandruine und zum vollständigen Neubau der Konvents- und Abteigebäude. REPRÄSENTATIONSLUST IM BAROCK Die Äbte Emanuel Sulger (1680–1698) und Stephan I. Jung (1698–1725) ließen durch den Vorarlberger Baumeister Franz Beer zwei baugleiche Vierflügelanlagen als Konventsgebäude und Prälatur, verbunden durch einen Mittelbau, errichten. Dass die repräsentative barocke Umgestaltung die gesamte Klosteranlage (und die Landschaft darüber hinaus!) mit einschloss, zeigen eindrucksvoll ideale Ansichten des 18. Jahrhunderts mit symmetrisch angelegten Hof- und Gartenanlagen, neu gestalteten Wirtschaftsgebäuden und repräsentativen Ställen sowie dem Neubau der Bruderschaftskirche mit einer gewaltigen Kuppel (der allerdings nie ausgeführt wurde). Barocke Repräsentationslust und Prestigedenken hatten sich nun endgültig im Zisterzienserkloster durchgesetzt. Auch die nachfolgenden Äbte Konstantin Miller (1725–1745), Stephan II. Enroth (1745–1746), der den Neubau der Wallfahrtskirche Birnau initiierte, sowie Anselm II. Schwab (1746–1778) verfolgten den weiteren repräsentativen Ausbau Salems. Obwohl man versuchte, im Erscheinungsbild dem Anspruch und der Bedeutung Salems als Reichsabtei, als Landesherrschaft sowie als Wirtschaftsmacht gerecht zu werden, so hat man keineswegs zisterziensische Tugenden vernachlässigt; dazu zählen effizientes Wirtschaften sowie Innovationen, vor allem im landwirtschaftlichen Bereich, wie z. B. die Einrichtung einer Obst- und Gehölzbaumschule, die Einführung von Stecklingen „exotischer“ Obstsorten aus dem Ausland oder ein ausgeklügeltes Be- und Entwässerungssystem im Salemertal. Aber auch soziales Engagement wie die Gründung der „Ordentlichen Waisenkassa“ (1746), des Armenhauses Wespach (1784) oder der Bau einer öffentlichen Schule (um 1790) betrachteten die Mönche als ihre Aufgabe. War die repräsentative Erscheinung nach außen in den Augen der Äbte und ihrer Zeitgenossen sicher erforderlich, so unzweifelhaft bestanden die Äbte auf Einhaltung der Ordensregeln nach innen. So hat Anselm längst gelockerte Regeln im Konvent wieder verschärft. Und trotz üppiger Bewirtung hochgestellter Gäste hielten die Äbte persönlich die strengen Fastenvorschriften ein.

Durch diese vielfältigen Maßnahmen der Äbte erlebte Salem im 18. Jahrhundert eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Ihnen verdankt man nicht nur das heutige bauliche Ensemble mit seinen Kunstschätzen, sondern sie prägen die gesamte Region bis auf den heutigen Tag. VOM KLOSTER ZUM SCHLOSS Kurz vor der Säkularisation wurde Salem noch umfassend im klassizistischen Stil umgestaltet, sogar einige neue Bauwerke errichtet. Doch im Herbst 1802 ging das klösterliche Leben dem Ende zu. Am 4. Dezember 1802 übernahm die Markgrafschaft Baden Salem in ihren Besitz. Der Konvent, der zunächst weiterbestanden hatte, löste sich schließlich aufgrund unüberbrückbarer Differenzen mit der weltlichen Domänenverwaltung am 23. November 1804 endgültig auf, die Mönche gaben ihr monastisches Leben auf und wurden in markgräfliche Dienste übernommen oder sie verließen, abgefunden mit Pensionen, Salem. Nach Auflösung des Klosters hat man in Salem zu jeder Zeit versucht, die Gebäude und Räume angemessen zu nutzen. Dabei blieb der Charakter des Klosterensembles weitgehend erhalten. Das prächtig ausgestattete und bis heute kaum veränderte Sommerrefektorium der Mönche wird seit dem 19. Jahrhundert als Betsaal der evangelischen Kirchengemeinde genutzt. Das Münster ist seit 1808 Pfarrkirche der katholischen Kirchengemeinde Salem. In der Landwirtschaft knüpfte man an die klösterliche Tradition an: Unter den Markgrafen wurde die Land- und Forstwirtschaft, der Wein- und Obstbau nicht nur fortgeführt, sondern modernisiert und die Erträge ausgebaut. Und man besann sich auf eine weitere klösterliche Tradition, nämlich die Bildung und Erziehung. Prinz Max von Baden veranlasste 1906 die Einrichtung einer Gewerbe- und Haushaltsschule, 1919 einer landwirtschaftlichen Winterschule. 1920 schließlich gründete er zusammen mit Kurt Hahn ein Internat für Jungen und Mädchen, die renommierte Schule Schloss Salem, die heute große Teile der Anlage nützt. Birgit Rückert

Der Mönch im Weinfass Eine der bekanntesten Salemer Kloster-Anekdoten verbindet sich mit einem gewaltigen Fass, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts auf Veranlassung von Abt Georg I. Münch (1441–1451) gebaut worden sein soll und eine Füllmenge von rund 40 Fuder (= 60.000 l) aufgewiesen haben soll. Stets mit den besten Weinen befüllt, schöpfte man nur an hohen Festtagen aus dem Fass und der Kellermeister trug die Kellerschlüssel stets achtsam bei sich. Als er jedoch einmal fest eingeschlafen war, stibitzte ihm ein besonders trinklustiger Mönch den Schlüssel. Nach der Abendmesse schlich er sich oft in den Weinkeller und schöpfte aus dem Fass, bis eines Abends der Kellermeister den Zapfhahn ausgetauscht hatte. Also stellte der durstige Mönch eine Leiter auf, stieg auf das Fass und öffnete die Tür des riesigen Spundlochs. Er trank gierig so viel Wein, dass ihm schwindlig wurde, er in das Fass hineinfiel und dort ertrank. Als der Kellermeister mit einer Stange den Füllstand des Fasses prüfen wollte, stieß er auf den Körper des ertrunkenen Mönchs. Der Kellermeister erzählte nichts von seinem Fund, da er befürchtete, der Wein könnte durch den Leichnam bei seinen Mitbrüdern als verunreinigt gelten. Also zog er den ersoffenen Trunkenbold aus dem Fass und begrub ihn heimlich bei Nacht. Erst kurz vor seinem Tod gestand der Kellermeister sein Vergehen, starb aber, ehe er das heimliche Grab verraten konnte. So muss der Mönch bis heute ruhelos im Keller als Gespenst umherirren. Hört der Besucher von heute Sandalenschritte und ein leises Kratzen, als ob jemand mit Fingern über metallene Fassreifen reißt, dann weiß er: Der Mönch ist nicht weit ...

Sommerprälatur Schloss Salem (oben) Salemer Münster innen (unten)

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AUSKUNFT Kloster und Schloss Salem Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg Eingangspavillon Schloss Salem D-88682 Salem Tel. +49 (0) 7553 / 916 53-36 schloss@salem.de www.salem.de

Bodensee-Linzgau Tourismus e.V. Unteres Tor Schloss Salem D-88682 Salem Tel. +49 (0) 7553 / 91 77 15 tourist-info@bodensee-linzgau.de www.bodensee-linzgau.de

ÖFFNUNGSZEITEN/ FÜHRUNGEN Öffnungszeiten 1. April–1. November Mo.–Sa. 9.30–18 Uhr, Sonn- und Feiertage von 10.30–18 Uhr Wintersaison: 2. November–31. März Sa., Sonn- und Feiertage 11–16 Uhr. Klostermuseum geöffnet, Schloss und Kloster geschlossen. Öffentliche Führungen jeden Sonntag um 15 Uhr, Treffpunkt Klostermuseum. Gruppenprogramme und Weinproben auf Voranmeldung unter: Tel. +49 (0) 7553 / 916 53-36 oder schloss@salem.de Besichtigung, Führungen Während der Saison täglich Führungen durch Kloster und Schloss. Münster, Museen und Ausstellungen sind ohne Führung zu besichtigen. Während der Hauptsaison: Erlebnisbus im Stundentakt – verbindet Schloss Salem mit dem Bahnhof Salem, Unteruhldingen (Pfahlbaumuseum) und dem Affenberg.

ZUM THEMA Abt Anselm II., die Musik und der Wein Bereits wenige Jahrzehnte nach der Klostergründung widmeten sich die Salemer Mönche dem Weinbau. Die Kultivierung von 88 Bodensee Magazin Spezial | Salem

Reben war ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschaftstätigkeit der Klöster im Bodenseeraum. Der Seewein war allerdings nicht sehr geschätzt, ein Versuch des Salemer Abtes Anselms II. (17461778) den Seewein am Wiener Hof einzuführen, scheiterte kläglich – er war den kaiserlichen Majestäten zu sauer. Dennoch kam die gute Organisation des Zisterzienserordens und der enge Austausch der Zisterzienserklöster untereinander Salems Weinwirtschaft zugute, denn die Zisterzienser waren Spezialisten im Weinbau. Spätestens seit der frühen Neuzeit bezog Salem, wenn auch in kleinen Mengen, zudem Wein aus dem Burgund – dem Ursprungsland des Zisterzienserordens. Seit seinem blamablen Experiment in Wien war Abt Anselm um Qualitätsverbesserung beim Wein äußerst bemüht. Aber auch in Kunst, Architektur und Musik setzte Anselm höchste Maßstäbe. So beauftragte er im Zuge einer umfassenden künstlerischen Neugestaltung des Münsters einen der berühmtesten Orgelbauer seiner Zeit, Karl Joseph Riepp, mit

dem Bau einer außerordentlichen Orgelanlage. Kosten spielten keine Rolle, höchste Qualität war gefordert. Karl Joseph Riepp war zu dieser Zeit bereits hochangesehener Orgelbauer in Dijon im Burgund, betätigte sich aber nebenbei als Weinbauer und Händler von Wein und Delikatessen. So lieferte er aus seiner Werkstatt nicht nur Orgelpfeifen nach Salem, sondern – wie wir aus dem regen Briefverkehr zwischen Anselm und Riepp wissen – Zitrusfrüchte, Olivenöl, Dijonsenf sowie besten Wein aus Spanien und Frankreich. Doch nicht genug: Mit Riepps Orgelpfeifenlieferung trafen Reben „mit Wurzeln“ aus dem Burgund in Salem ein, die Burgunderreben brachten bald guten Ertrag. Anselms Qualitätsoffensive ist also gelungen – heute noch gedeiht bester Spätburgunder am See.

WAS SONST Weingut Markgraf von Baden Ganz in zisterziensischer Tradition steht der Weinbau in Salem: Was die Mönche über Jahrhunderte pflegten, führte das Weingut Markgraf von Baden zu neuen Höhen. Im 1620 erbauten Weinkeller reifen früher wie heute vorzügliche Weißweine und Spätburgunder Rotweine von den besten Lagen am Bodensee. Weinverkauf im historischen Torkel (alte Weinpresse), ganzjährig geöffnet. Vinothek Schloss Salem www.markgraf-von-baden.de

Schlossgastronomie Markgräflich Badischer Gasthof „Schwanen“ im ehemaligen Postwirtshaus des Klosters; Restaurant, Gästezimmer. Museumscafé im „Feuerwehrmuseum“. Weinstube „Zum alten Gefängnis“ www.schlosshotel-schwanen.de Feuerwehrmuseum Die Geschichte des Feuerwehrwesens und der Löschtechnik im Zisterzienserkloster Salem beginnt mit einem verheerenden Brand im März 1697. Aus dieser Erfahrung heraus wurden die Salemer Zisterzienser Vorreiter in Brandschutz und Löschtechnik. Das neu konzipierte Feuerwehrmuseum in Salem erzählt diese Geschichte vom 16. bis ins 20. Jahrhundert – Spritzen und Geräte, Technik, Innovationen und bahnbrechende Ideen werden mit den Unternehmerpersönlichkeiten und deren Biografien verknüpft. Klostermuseum Das Klostermuseum in der Prälatur mit dem Zweigmuseum des Badischen Landesmuseums präsentiert „Meisterwerke der Reichsabtei“. Das Museum führt den Besucher chronologisch vom Hochmittelalter bis zum Spätbarock durch die wechselvolle Kunst- und Baugeschichte der einzigartigen Zisterzienserabtei. Absolutes Glanzstück der Ausstellung ist der Salemer Marienaltar von Bernhard Strigel, der um 1507/08 den Altar für die Marienkapelle schuf.


Foto: Achim Mende

DER BESONDERE TIPP

Wallfahrtskirche Birnau Die Basilika Birnau ist eine Wallfahrtskirche und ein Barockjuwel am Nordufer des Bodensees ca. 8 Kilometer von Kloster und Schloss Salem entfernt. Sie ist auch eine bedeutende Station der Oberschwäbischen Barockstraße. Zwischen den Jahren 1746 und 1749 wurde sie für die Reichsabtei Salem von dem Vorarlberger Baumeister Peter Thumb errichtet. Die Basilika ist reich an Stuckwerk, Skulpturen, Putten und Altären Joseph Anton Feuchtmayers. Außen relativ schlicht gehalten, beeindruckt die Birnau beim Betreten der Kirche mit den reich verzierten Innenräumen und Ornamenten allerorten. Berühmt geworden ist Feuchtmayers Putto „der Honigschlecker“ links oberhalb des Bernhardsaltars. Der Honigschlecker symbolisiert einerseits das rhetorische Talent des Hl. Bernhard von Clairvaux, des bedeutendsten Abtes des Zisterzienserordens,andererseits die Versuchung als Verfehlung. Die Deckenfresken enthalten zahlreiche Anspielungen und Bezüge auf die Reichsabtei Salem und deren Geschichte. Im Mittelpunkt des Bildprogramms steht die Gottesmutter Maria. Zentrum der Marienverehrung ist das altehrwürdige Gnadenbild des Hauptaltars, eine spätgotische Sitzstatue der Madonna mit dem Christuskind. Von großer Bedeutung ist auch die Darstellung der Maria als „Weib der Apokalypse“, die symbolisch die Schlange, als Urheberin der Ursünde, zertritt. Die Ikonographie in der Basilika Birnau ist im Allgemeinen sehr komplex und erfordert eine eingehende Exegese. Gerade das macht die Birnau so spannend und für Kirchenfreunde zu einer wahren ikonographischen Fundgrube. Der Prälatenweg Auf den Spuren der Zisterzienser von Kloster und Schloss Salem zur Wallfahrtskirche Birnau: Der Prälatenweg verband auf kürzester Strecke das Kloster mit seiner Bootsanlegestelle in Maurach und weiteren Grangien. Mit dem Neubau der Wallfahrtskirche Birnau wurde aus dem Wirtschafts- ein Prozessionsweg. Heute ist der Prälatenweg ein beliebter Wanderweg durch die idyllische Landschaft der Bodenseeregion. Öffnungszeiten der Basilika Sommer: 7.30–19 Uhr, Winter: 7.30–17.30 Uhr

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