Ausgabe September 12. Jahrgang / #112
Ausgabe 09- 10/15 2,50 Euro
Was da wieder los ist: Termine & Partys 01.09. – 18.10.15
Ab 24. September im Kino
mit T hemen H EF T Bauen & Wohnen
NAH AM Notstand
Wie die Flüchtlingswelle die Integrationsarbeit verschluckt
PLEITE!
Die seltsamen Vorgänge bei der Passage 46
PECH?
Botschafter-Blamage bei Rothaus
PANNE!
Facebook-Star hinter Gittern
CHILLI EDITORIAL
HERZLICH WILLKOMMEN!
CHILLI BEGRÜSST FLÜCHTLINGE, ZOCKT HEADIES UND TRIFFT GESCHEITERTEN SOCIAL-MEDIA-STAR
Foto: © bar
Mit Provisorium die Flüchtlingswelle auffangen: Bau der bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle (BEA) in Haslach.
Liebe Leserin & lieber Leser, 500 bis 600 Asylsuchende kommen momentan nach Baden-Württemberg – nicht pro Monat, nicht pro Woche, sondern pro Tag. Es ist eine enorme Flüchtlingswelle, die da auf uns zu kommt und von der niemand weiß, ob wir ihr Herr werden können. Die Menschen, die zu uns kommen, haben Furchtbares hinter sich: Folter. Hunger. Verfolgung. Todesangst. Umso wichtiger ist es, dass wir sie mit offenen Armen empfangen. Das chilli hat Südbadener getroffen, die genau das tun. Sie engagieren sich in ihrer Freizeit, um Flüchtlingen das Einleben in ihrer neuen Heimat zu erleichtern. Was diese Menschen leisten, ist nicht selbstverständlich. Ihnen gilt unser Respekt. Respekt hatte auch chilli-Redakteur Till Neumann, und zwar vor Freiburgs neuer Trendsportart „Headies“. Mit Köpfchen wird hier Fußball gespielt – im wahrsten Sinne des Wortes. „Wer Tischtennis und Fußball spielen kann, bekommt auch das gut hin“, berichtet Neumann nach dem Probezocken. Die Bilder, die er in die Redaktion mitbringt, sprechen eine andere
Sprache: Das jüngste Mitglied der Headies-Szene wird noch die eine oder andere Trainingsstunde absolvieren müssen. Ein bisschen Training würde auch der Brauerei Rothaus nicht schaden – und zwar in Sachen Marketing: Erst groß ankündigen, eine Freiburger Bierbotschafterin nach New York zu schicken, nur um dann am Visum zu scheitern – das ist schon peinlich. Noch mehr Pannen gibt es bei Facebook-Star Hans Entertainment. Der hat nicht nur, obwohl er schon fleißig Karten verkauft hat, sein So-True-Festival in den Sand gesetzt, sondern muss jetzt auch noch in den Knast. Wenig harmonisch geht es in diesen Tagen auch bei der Freiburger Handwerkskammer zu: Der Vorstand hat den Hauptgeschäftsführer Johannes Burger radikal entmachtet. Der will sich dagegen nun zur Wehr setzen. Wir wünschen anregende Lektüre. Bleiben Sie, bleibt uns gewogen. Herzlichst, Ihre Tanja Bruckert, Redakteurin & die chillisten
September 2015 CHILLI 3
TITEL Flüchtlinge
Nah am Notstand
Die Flüchtlingswelle schwillt weiter an – gelingende Integration wird schwerer Von Tanja Bruckert und Lars Bargmann
Fotos: © dpi, tbr, zvg
D
ie Flüchtlingswelle rollt immer stärker auf Städte und Landkreise zu. Allein im August kamen 189 neue Hilfesuchende in Freiburg an, mit ihnen sind es knapp 2000, die das städtische Amt für Wohnraumversorgung (AWV) unterbringen muss. Ob die Prognose der Landesregierung, dass bis Ende des Jahres rund 54.000 Asylsuchende versorgt werden müssen, noch stimmt, ist mehr als fraglich. Im Moment kommen täglich bis zu 600 nach Baden-Württemberg. Wie groß die Not mittlerweile ist, zeigt der Bau der bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle (BEA) für 500 Asylanten auf dem Gelände der Polizeiakademie in Haslach. Zudem wird die Stadthalle schon als Notunterkunft vorbereitet. Die Wucht der Welle macht die vielfältige Integrationsarbeit immer schwerer. 8 CHILLI September 2015
So hat der Arbeitskreis Integration des Freiburger CDUKreisverbands zehn Forderungen formuliert, um die Unterbringung in der BEA „menschenwürdig und möglichst konfliktfrei“ zu gestalten. Die Fehler, die in vergleichbaren Einrichtungen etwa in Mannheim oder Heidelberg gemacht worden seien, dürften sich in Freiburg nicht wiederholen, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Christdemokraten fordern unter anderem Verfahrens- und Sozialberatung sowie professionelle Dolmetscher „vom ersten Tag an“, eine unabhängige Beschwerdestelle für Anwohner und Flüchtlinge, eine deeskalierende Raumplanung, den besonderen Schutz von alleinstehenden Frauen, die häufiger von Gewalt in Unterkünften betroffen seien, sowie Sprachkurse und Arbeitsmarktintegration für Asylsuchende mit dauerhafter Bleiberechtsperspektive.
TITEL Flüchtlinge
Zusammenfinden Wie ein Ehepaar durch eine Flüchtlingshelferin wiedervereint wurde
Ein sonniger Garten mit Trampolin direkt am gluckernden Dorfplatz – Idylle pur. Doch von ihrem Garten aus blickt Carolin Mayer seit dem Frühjahr auf eine Flüchtlingsunterkunft. Eines Tages geht sie den kurzen Feldweg bis zu den grauen Containern neben dem Sportplatz in March-Buchheim und klopft an die Türen: Hier bin ich, wie kann ich helfen? Eine der Türen öffnet Loza Hailemariam. Die 24-Jährige aus Eritrea will vor allem eines: wieder mit ihrem Mann zusammenkommen. Nach ihrer Ankunft in der Landeserstaufnahmestelle in Karlsruhe wurden sie getrennt. Sie wurde in die March geschickt, ihr Mann ins bayerische Traunstein. Mayer verspricht, zu helfen – und findet sich in einem Behördendschungel wieder. Sie telefoniert mit dem Landratsamt Traunstein, schreibt an die Regierung Oberbayern, reicht Atteste und eidesstattliche Erklärungen ein, die dann noch an die Erstaufnahmestelle in Karlsruhe müssen, nur um dann am Landratsamt Freiburg zu scheitern. Ohne Heiratsurkunde sei nichts zu machen, heißt es dort. Doch die hat das Mittelmeer verschluckt. Loza Hailemariam und Hayle Abraha heiraten im Mai 2012 im Sudan. Beide sind im Kindesalter aus Eritrea geflohen – vor Folter, Unterdrückung und Armut. Ihre Flucht geht über Äthiopien in den Sudan, durch die Sahara nach Libyen, wo sie mit einem Boot das Mittelmeer überqueren wollen. Ein Sturm bringt das Boot zum Kentern. Nachdem sie zwei Tage lang an Wrackteile geklammert im Meer getrieben sind, rettet sie die italienische Küstenwache. Hailemariam erleidet eine Fehlgeburt. Ausweise und Dokumente gehen im Meer verloren. Mayer gibt nicht auf, recherchiert stundenlang im Internet und findet einen Ausweg – den Paragraphen 51 Absatz 1 des Asylverwaltungsgesetzes. Demnach habe ein Ehepaar auch ohne Urkunde das Recht, zusammenzuleben. Dass Hailemariam und Abraha jetzt gemeinsam auf einer beigen Couch im Buchheimer Flüchtlingscontainer sitzen, verdanken sie dem ehrenamtlichen Engagement der dreifachen Mutter.
Nach Monaten der Trennung wieder vereint: Die Eheleute Loza Hallemariam (li:) und Hayle Abraha (re.).
„Es ist besonders wichtig, dass in der BEA eine gute Sozialbetreuung stattfindet“, weiß auch Rathaussprecherin Edith Lamersdorf. Es sei aber klar, dass die BEA „nur ein Provisorium“ ist, das so schnell wie möglich durch die Landeserstaufnahmestelle (LEA) ersetzt werden muss, die Ende 2016 betriebsbereit und auf 1000 Menschen ausgerichtet sein soll. Mit der BEA entfällt „bis auf Weiteres“ die Aufnahmeverpflichtung für neue Flüchtlinge. Das habe das Staatsministerium der Stadt zugesichert. Wenn die LEA fertig ist, wird die Stadt von ihrem Recht einer dauerhaften Freistellung Gebrauch machen. Der Gemeinderat will nach zwei Jahren LEA-Betrieb entscheiden, ob wieder weitere Flüchtlinge aufgenommen werden.
Anschluss bekommen Ein Schwarzwälder Metzgersohn und ein ehemaliger Flüchtling räumen als Rapper-Duo mit Vorurteilen auf
Sich integrieren, Anschluss finden, Freundschaften schließen – nicht einfach, wenn man als Flüchtling abseits der Einheimischen in einem Wohnheim lebt. Auch die Freundschaft zwischen Leo Fairii und Essa Suwareh begann eher zufällig: Fairii – der eigentlich Christoph Seger heißt und Sohn eines Metzgers in Zell ist – leistete damals Zivildienst im Krankenhaus. Als ihn eines Abends ein Afrikaner bittet, ihn zur Flüchtlingsunterkunft zu fahren, hilft Fairii und betritt so zum ersten Mal ein Asylbewerberheim. Dort trifft er Suwareh, einen Flüchtling aus Gambia, mit dem er sich gleich gut versteht. Mittlerweile sind die beiden nicht nur beste Freunde, sondern seit 2008 auch als das Duo „Mulattenpack“ unterwegs. Mit ihrer Mestizo-Musik und ihren kritischen Texten wollen sie mit Vorurteilen gegenüber Flüchtlingen aufräumen. Das kommt meist gut an – sogar bei älteren Dörflern, wie Fairii schmunzelnd erzählt –, geht ab und zu aber auch voll daneben. So hagelte es nach dem Lörracher Stimmen-Festival Beschwerdemails, als das Duo im Vorprogramm von Jamie Cullen aufgetreten war. „Als würde man Rammstein in eine katholische Dorfkirche stellen“, erklärt Fairii, warum das nicht gepasst habe. Dass Flüchtlinge und Einheimische sich oftmals fremd bleiben, daran sind die seltenen persönlichen Begegnungen schuld, ist sich Fairii sicher. Er nimmt deshalb auch mal Freunde aus dem Asylantenheim mit an den Stammtisch, wo aus den ersten Begegnungen meist Akzeptanz werde – und manchmal eben auch Freundschaften. September 2015 CHILLI 9
TITEL Flüchtlinge
Dennoch werden weitere Flüchtlingsunterkünfte gebaut. Die Stadt hat dem Land zugesagt, bis zum Jahresende noch 200 jesidische Frauen aufzunehmen, die besonders von der Terrorgruppe Islamischer Staat verfolgt werden. Zudem musste das AWV in den vergangenen Monaten aufgrund der Welle in den bestehenden Wohnheimen die Menschen verdichtet unterbringen. Da es deswegen bereits die ersten Konflikte gab, etwa in St. Christoph, wo die Polizei anrücken musste, braucht es dringend zusätzlichen Raum.
Sprache lernen Warum ein Flüchtlingsmädchen dank eines Freiburger Vereins das Gymnasium besuchen kann
wird stets nur um drei Monate verlängert. Doch ihr schulischer Erfolg könnte das ändern: Eine der Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis von Jugendlichen ist ein vierjähriger erfolgreicher Schulbesuch in Deutschland. Für Erijana steht ihre Zukunft schon fest: Sie will hier bleiben und als Rechtsanwältin anderen Flüchtlingen helfen. Die Stadtverwaltung hat deshalb eine Planungsperspektive bis Mitte 2016 erstellt. „Alles andere wäre fahrlässig“, so Lamersdorf. Aktuell werden neue Kapazitäten an der Bötzinger Straße 50 und 50a, in der Kaiservilla in St. Georgen, am Bahnhof Littenweiler, auf St. Christoph, an der Neunlinden-, der Lörracher und der Basler Straße geschaffen. Zudem wird das marode Flüchtlingswohnheim an der Hammerschmiedstraße neu gebaut. In den Fokus geraten ist auch die Stadthalle am Messplatz, die als Notunterkunft dienen wird. Die Bürgermeisterrunde entschied, dass das allemal besser ist, als Turnhallen für die Flüchtlingsunterbringung zu nutzen. Das ist richtig, denn die bisher hohe Akzeptanz in Freiburg würde durch die Zweckentfremdung der Sportstätten sicher nicht befördert.
Jobs finden Wie eine Internetplattform und eine neue Gesellschaft Flüchtlinge in Lohn und Brot bringen wollen
Erijana ist klug, wissbegierig und engagiert. Für die meisten deutschen Mädchen wäre das Voraussetzung genug, um ein Gymnasium zu besuchen. Dass Erijana nun die fünfte Klasse des St. Ursula-Gymnasiums besuchen kann, ist jedoch alles andere als selbstverständlich. Die 12-Jährige stammt aus Mazedonien, seit drei Jahren ist sie in Deutschland. Mit ihrer Familie wohnt sie in einem Flüchtlingswohnheim, Deutsch wird dort kaum gesprochen. Erijanas Deutsch war daher anfangs schlecht, ihre Noten bei Weitem nicht gut genug für eine höhere Schulbildung. Doch ihre Lehrer erkannten ihr Potenzial und wandten sich an Marita Steinberg-König. Die pensionierte Lehrerin ist ehrenamtliches Mitglied des Vereins MiKiXX, der begabte Migrantenkinder sprachlich fördert. Einmal die Woche gab Steinberg-König dem Mädchen Deutschunterricht, nach einem Jahr war Erijana Klassensprecherin, heute geht sie aufs Gymnasium und hat einen Notenschnitt von 2,2. Es ist eine Erfolgsgeschichte, wie sie der Verein oft schreibt: 18 Helfer betreuen momentan ehrenamtlich 64 Kinder, von denen es rund zwei Drittel aufs Gymnasium schaffen. Weitere Helfer mit pädagogischen Erfahrungen werden ständig gesucht. „Es ist wichtig, dass die Kinder merken: Es gibt da jemanden, dem ihr Erfolg am Herzen liegt“, weiß Steinberg-König, die mit den Kindern auch mal ins Theater, ins Schwimmbad oder ins Kino geht. Dass Flüchtlingskinder betreut werden, ist in dem Verein die Ausnahme, die meisten Kinder kommen aus Migrantenfamilien mit geklärtem Aufenthaltsstatus. Denn so sehr sich Erijana engagiert: Ihre Familie ist momentan nur geduldet, ihr Aufenthalt 10 CHILLI September 2015
Burger King sucht eine Küchenhilfe, die Medienberatung VM sucht Flyerverteiler, und die Kommunikationsagentur Kultwerk braucht einen Web-Entwickler. Was sie alle gemein haben: Flüchtlinge sind herzlich willkommen. Über die neue Onlinejobbörse workeer, die sich speziell an Flüchtlinge wendet, suchen die drei Freiburger Unternehmen Mitarbeiter. Für Kultwerk-Geschäftsführer Stefan Vomstein ist die Plattform zum einen eine Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen, zum anderen aber auch die Chance auf interessante Bewerbungen – Entwickler sind rar am Arbeitsmarkt. Eine andere Idee der Jobvermittlung hatte die Gemeinde March. Bürger hatten bei der Ortsverwaltung immer wieder angefragt, ob sie Flüchtlinge für kleine Arbeiten im Haushalt wie putzen, einkaufen oder entrümpeln beschäftigen dürfen. Dafür ist eine Arbeitserlaubnis nötig, für die man sich erst durch einen Behördendschungel kämpfen müsse, wie Marchs Bürgermeister Helmut Mursa weiß: „Das schreckt jeden hilfsbereiten Bürger ab.“ Auf die Lösung kam Gemeinderätin Claudia Probst: Eine Gesellschaft müsse her, bei der die Flüchtlinge nur einmal als beschäftigt angemeldet werden müssen. Kommt ein Auftrag rein, können den die Angestellten ohne weitere Formalitäten ausführen. Die Gründung ist mittlerweile im Gang, die Gesellschaft soll so schnell wie möglich an den Start gehen. Mursa hofft, dass es Ende September so weit ist. Schon heute sind sich nicht alle der humanitären Verantwortung bewusst. Auf Facebook gibt es nun auch die Seite „Nein zum Heim in Freiburg“, die sich gegen die BEA richtet. Betreiber ist der in Eichstätten ansässige Kreisverband Breisgau der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Bis zum Redaktionsschluss hatte sie 354 Freunde.
SZENE Gastronomie
Das Schweigen der Beteiligten
Bei der Passagen-Pleite gibt es Kritik von allen Seiten an alle Seiten
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ie Verantwortlichen bei der nach nur neun Monaten Betriebszeit pleite gegangenen Passage 46 im Theater Freiburg, die in erster Linie eigentlich eine Diskothek ist, geben sich zugeknöpft. Hauptmieter Henrik Springmann will – noch – nichts sagen, Insolvenzverwalter Harald E. Manias kann nichts sagen, die Theatercafé-Pächterin Maria Camino möchte nichts sagen, Passagen-Pächter Wulf Piazolo darf nichts sagen, und KULT-Stadtrat Atai Keller kritisiert das Rathaus, weil es „bei den Zahlen total abwiegelt“. Einer, der was gesagt hat, Ex-Betreiber Christian Matthiessen, bekam eine anwaltliche Verfügung zugestellt, in der im Kern steht, er möge besser nichts mehr sagen, sonst werde es teuer.
Fotos: © ns
Die BZ will wissen, dass Piazolos Passage 46 GmbH monatlich 13.000 Euro Pacht an die Theaterpassage GmbH mit ihrem geschäftsführenden Mehrheitseigner Springmann zu berappen hatte, obwohl diese als Hauptpächterin ans Theater nur 3000 Euro zahlt. Die 3000 Euro bestätigte Intendantin Barbara Mundel, die 13.000 hatte Matthiessen in einem Brief an Stadträte genannt, in dem er zudem kritisiert, dass den Bewerbern um die Passage unterschiedliche Pachtsummen genannt worden seien, die Stadt dem Betreiber für 400.000 Euro eine „steuerfinanzierte Inneneinrichtung“ bezahlt habe. „Die 13.000 Euro stimmen wie vieles andere nicht“, sagt Manias. Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach bezeichnete die Inhalte des Matthiessen-Schreibens gegenüber der Sonntagszeitung als „Konzentrat aus Lügen und Dreck“. Die 400.000 Euro seien in die Heizung und Lüftung, die Verlegung der Garderobe des Kleinen Hauses gegangen. Die Lüftung allein hat offenbar 250.000 Euro gekostet. In der Regel legen Vermieter solche Kosten auf die Pacht um. Auch Springmann ärgern die „absoluten Falschmeldungen“ in der Presse. Er entkräftet sie aber im Gespräch mit den chilli auch nicht. Der in der Kritik stehende Galerist will erst dann an die Öffentlichkeit, wenn „eine ideale Lösung“ für die Passage gefunden wurde.
Geht doch: Freifläche vor der Passage.
16 CHILLI September 2015
Galerie im OG: Springmanns Kunsthandlung in der Schusterstraße.
Sehr wahrscheinlich ist, dass die Passage 46 GmbH abgewickelt wird und deren Gläubiger auf Geld verzichten müssen. Nach chilli-Informationen wird es einen Asset-Deal geben, bei dem wichtige Wirtschaftsgüter aus der GmbH herausgekauft werden. Bis dahin läuft der Betrieb in der ehemaligen Jackson-Pollok-Bar weiter, die Mitte August dann plötzlich auf der Außenfläche an der Bertoldstraße bewirtete. Die fehlende Freiluft-Bewirtung war als ein Grund für die vorläufige Insolvenz genannt worden. Andere Gastronomen kämpfen monatelang um ein paar Quadratmeter, hier ging es nun quasi über Nacht, wundern sich andere Wirte. Die Außenbewirtung sei vom Theater vertraglich zugesichert worden, heißt es von den Betreibern. Mundel meinte, sie sei lediglich in Aussicht gestellt worden. Atai Keller will wissen, dass das nicht stimmt: „Die Frage der Außenbewirtung muss seriös aufgearbeitet werden“, fordert er. Das Rathaus hat derweil das Planungsbüro Faktor Grün beauftragt, eine mögliche Freiterrasse für die Passage bei der Umgestaltung des Theatervorplatzes zu prüfen. Wer an die Laufstrecke von dieser Terrasse an die Theke in der Passage denkt, kann eine Außentheke gleich mit einplanen. Nachdem das Bürgerforum Sedan erfahren hatte, dass für eine solche womöglich die Urban-Gardening-Flächen an der Sedanstraße weichen müssten, haben dessen Sprecher Uli Armbruster, Hanne-Beyermann-Grubert und Christian Dicken in einem Schreiben an die Stadtspitze „gegen diese – nicht öffentliche und intransparente – Planung, einen der wenigen Grünbereiche unseres Quartiers zu kommerzialisieren“ protestiert. Am 22. Oktober steht die Passage auf der Tagesordnung bei der Sitzung des Theaterausschusses. Ob dort öffentlich oder nicht-öffentlich debattiert wird? Wohl eher nicht-öffentlich. Lars Bargmann
SZENE Kolumnen
IN & OUT Friede ist IN, Streit ist OUT? So einfach ist das nicht, ist sich Trendcheckerin Tanja Bruckert sicher. Denn wie langweilig wären das Leben, die Liebe und vor allem die chilli-Lektüre, wenn alle immer einer Meinung wären?
Christiane Eckerfeld über Minigolf am Schlossberg
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chilli: Die Anlage wurde nicht verkauft – lag das am Preis? Eckerfeld: Dazu kann ich nichts sagen. Mein Bruder hat die Verhandlungen geführt. Ich habe in Norddeutschland gelebt und mich damit nicht näher beschäftigt. Es gab zwei Interessenten, von denen einer aus mir unbekannten Gründen ausgestiegen ist. Der andere hatte wohl ein Nutzungskonzept, das mit den Vorstellungen der Stadt als Gründstückseigentümerin nicht vereinbar war. chilli: Warum haben Sie den Betrieb nicht früher übernommen? Eckerfeld: Der passende Zeitpunkt war eben erst im Frühsommer. Meine Kinder hatten gerade ihre Schulabschlüsse gemacht, wir waren nicht mehr ortsgebunden. Meine Mutter wurde krank, brauchte mehr Betreuung. Da wurde der Wunsch, wieder nach Freiburg zurückzukehren, plötzlich ganz konkret. Zumal die Weiterführung der Minigolfanlage unseren Lebensunterhalt sichert. chilli: Welches Konzept haben Sie? Eckerfeld: Das Gelände soll bleiben, was es seit 45 Jahren ist, ein täglich geöffnetes Naherholungsziel für Familien, mit Minigolf, Autoscooter und Tischtennis. Bis zur nächsten Saison werden die Bahnen erneuert. Ich will das Gelände, auf dem ich praktisch aufgewachsen bin, so lange wie möglich in Familienhand halten und bin froh, dass sich alles nun so gut gefügt hat.
Foto: © tbr
E
r ist von seiner Lage her der ungewöhnlichste Minigolfplatz Freiburgs. An einem schmalen, steilen Stück Westhang des Schlossbergs gelegen, mit schöner Aussicht und üppiger Vegetation. Um das kleine Paradies war es still geworden. Wegen des hohen Alters der Betreiberin Anneliese Baumann war die Anlage oft geschlossen und sollte verkauft werden. Dazu kam es nicht. Jetzt führt Tochter Christiane Eckerfeld das Familienunternehmen weiter, wie sie chilli-Autorin Erika Weisser erzählt.
Treue chilli-Leser werden’s schon wissen: Ein neues Gesetz könnte der Automaten -Emma an den Kragen gehen. Emma-Chef Hans-Ludwig Bahner hat daher nun vorsorglich seinen Mietvertrag gekündigt. Sein Vorschlag in einer Nachricht an die Redaktion: „Zurücksetzen des Ladenschlusses auf 18.30 Uhr. Vorteil 1: Spätes Essen schadet der Gesundheit. Vorteil 2: Gesunder Schlaf. Vorteil 3: Alkoholproblem vor 22 Uhr gelöst. Außerdem, und das Außerdem-Argument kommt immer zuletzt, ist aber das Wichtigste: Emma könnte wieder gut Geld verdienen.“ Selbst schwierigste Situationen mit Humor nehmen: IN.
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Foto: © Erika Weisser
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Mit Humor ärgern
OUT
Ohne Humor streiten
Nachbarschaftsstreits sind ja per se schon mal OUT. Streitthema Nummer Eins ist der Lärm, und da machen auch die Nachbarn SC-Fußballschule und Waldkurbad am Möslepark keine Ausnahme. Die einen wollen kräftig bolzen, die anderen kräftig schwitzen und danach entspannen. Beides durchaus legitim. Doch als beide zu einem Familientag eingeladen werden, will der SC den Veranstalter überreden, den Saunabetreiber auszuladen. Von uns gibt es dafür die rote Karte. Streitigkeiten dort austragen, wo sie nichts zu suchen haben: OUT. Foto: © Stockexchange, istockphoto.com
Paradies am Abhang
September 2015 CHILLI 17
VERANSTALTUNGSKALENDER Foto: © Robert Winter
Termine
Partys 1. 9.– 18. 10.
Leslie Clio Eureka! Tour am 29. September 2015 im Jazzhaus Freiburg, um 20 Uhr
VERANSTALTUNGSKALENDER Dienstag
1.9.2015 Events
Kurpark-Meeting
arty- & Gourmetmeile P Kurgarten am Kurhaus, Baden-Baden ★ 16 Uhr Info: www.badenbadenevents.de
Zirkus Charles Knie
it dem Motto ‚Wetten, dass ... wir Sie m begeistern?‘, 16 & 20 Uhr Messegelände, Freiburg ★ 16 Uhr Info: www.zirkus-charles-knie.de
Götterdämmerung
ie Weinmacher stellen sich vor: D Winzergenossenschaft Glottertal Alte Wache, Freiburg ★ 19 Uhr Info: www.alte-wache.com
Imperio
ommershow mit Tanz & Akrobatik S Piazza Hotel Colosseo im Europa-Park, Rust ★ 21.30 Uhr Info: www.europapark.de
Kino Sommernachts-Kino
ie Entdeckung der Unendlichkeit D Im Schwarzen Kloster, Freiburg ★ 20.45 Uhr Info: www.sommernachts-kino.de
26 CHILLI September 2015
Music
Party
Scherz, Prestige & Puderstaub
Orgelkonzerte 2015
City Beats
ie neue Tour D Am Schwabentor, Freiburg ★ 17 Uhr Info: www.historix-tours.de
E s spielt der Organist Hans Davidsson Freiburger Münster ★ 20.15 Uhr Info: www.muensterorgelkonzerte.de
Anissa Damali
tücke ihres kommenden Albums S ‚Metamorphosis‘ Bird‘s Eye Jazz Club, Basel ★ 20.30 Uhr Info: www.birdseye.ch
Julie Fahrer Quintet
i n der Reihe Jazz ohne Stress Waldsee, Freiburg ★ 21 Uhr Info: www.waldsee-freiburg.de
usic from the Past to the Future M Agar Discothek, Freiburg ★ 23 Uhr Info: www.agar-disco.de
Mittwoch
2.9.2015
Ausstellungen F riedrich Kaiser – Zeitzeuge eines unruhigen Jahrhunderts
Imperio ommershow mit Tanz & Akrobatik S Piazza Hotel Colosseo im Europa-Park, Rust ★ 21.30 Uhr Info: www.europapark.de
Kino Sommernachts-Kino
Oper
onderausstellung zum Lörracher S Künstler, 10.7.-15.11. Dreiländermuseum, Lörrach Info: www.dreilaendermuseum.eu
L e convenienze ed inconvenienze teatrali (Viva la Mamma)
Events
Music
Kurpark-Meeting
Jazz-Stammtisch
pera buffa von Gaetano Donizetti O Volkshaus, Basel ★ 19.30 Uhr Info: www.opera-basel.ch
Theater Leben
ach E. St. Smith, inszeniert von Willi N Lieverscheidt Am Waldsee, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.compagnia-buffo.de
edal the World P Im Schwarzen Kloster, Freiburg ★ 20.45 Uhr Info: www.sommernachts-kino.de
arty- & Gourmetmeile P Kurgarten am Kurhaus, Baden-Baden ★ 16 Uhr Info: www.badenbadenevents.de
it den Redhouse Hot Six m Großer Meyerhof, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.grosser-meyerhof.de
Zirkus Charles Knie
Anissa Damali
it dem Motto ‚Wetten, dass ... wir Sie m begeistern?‘ Messegelände, Freiburg ★ 16 Uhr Info: www.zirkus-charles-knie.de
tücke ihres kommenden Albums S ‚Metamorphosis‘ Bird‘s Eye Jazz Club, Basel ★ 20.30 Uhr Info: www.birdseye.ch
› Alle Angaben ohne Gewähr
VERANSTALTUNGSKALENDER Party Move to Groove btanzen mit DJ Jimmy, JoVibe, A Adam Mensa & DJane Conny Waldsee, Freiburg ★ 21 Uhr Info: www.waldsee-freiburg.de
Special Day mit DJ Markus F ür alle, die es härter mögen! EL.PI, Freiburg ★ 22 Uhr Info: www.elpi-freiburg.de
Students College Clubbing est House & R‘n‘B Mix in Town B Schneerot, Freiburg ★ 23 Uhr Info: www.schneerot.de
ie Gemäldesammlung des D Münsterbauvereins
blutspenden
usstellung zum 125. Geburtstag des A Münsterbauvereins, 24.1.-1.11. Augustinermuseum, Freiburg Info: www.freiburg.de/museen
Events Kurpark-Meeting arty- & Gourmetmeile P Kurgarten am Kurhaus, Baden-Baden ★ 16 Uhr Info: www.badenbadenevents.de
Postskriptum uchvernissage von Alain Claude Sulzer B Literaturhaus, Basel ★ 19 Uhr Info: www.literaturhaus-basel.ch
Dichter, Tod & Saufgelage
Foto: © Universitätsklinikum Freiburg
T our mit dem Dichter Joseph von Auffenberg Martinskirche, Freiburg ★ 19.30 Uhr Info: www.historix-tours.de
30 Tage – 3000 Spenden Uniklinik, Freiburg September
Die Werwölfe vom Düsterwald
Theater Leben ach E. St. Smith, inszeniert N von Willi Lieverscheidt Am Waldsee, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.compagnia-buffo.de
Donnerstag
3.9.2015
Ausstellungen Landschaftsbegegnung erke von Wolfgang Mehnert, 30.4.-15.10. W Evangelisches Diakoniekrankenhaus, Freiburg Info: www.diakoniekrankenhaus-freiburg.de
sommershow
rusel-Rollenspiel für Große G Nellie Nashorn, Lörrach ★ 20 Uhr Info: www.nellie-nashorn.de
Imperio ommershow mit Tanz & Akrobatik S Piazza Hotel Colosseo im Europa-Park, Rust ★ 21.30 Uhr Info: www.europapark.de
Kino Sommernachts-Kino onig im Kopf H Im Schwarzen Kloster, Freiburg ★ 20.45 Uhr Info: www.sommernachts-kino.de
Music Money Boy a$h Flow Tour C Schmitz Katze, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.schmitz-katze.com
Gutes tun und Preise gewinnen Um das Spender-Sommerloch zu füllen, geht die Blutspendezentrale der Uniklinik mit einer besonderen Aktion an den Start: Mit 3000 Spenden soll ein neuer Rekord aufgestellt werden. Als Dankeschön gibt es viele Preise zu gewinnen, wie einen 300-Euro-Gutschein vom Modehaus Kaiser, ein Candlelight-Dinner für Zwei in der Zähringer Burg oder Freikarten fürs Theater Freiburg. Blutspender parken kostenlos in der Tiefgarage. Bitte Personalausweis und Impfpass mitbringen. Öffnungszeiten: Mo. & Di. 8–15 Uhr, Mi. & Do. 12–19 Uhr, Fr. 8–13 Uhr und am 1. & 3. Samstag im Monat 8–13 Uhr. www.blutspende-uniklinik.de
Gwilym Simcock Trio
musical
ielseitige & wunderschöne Kompositionen V Bird‘s Eye Jazz Club, Basel ★ 20.30 Uhr Info: www.birdseye.ch
Musical The Lion King as original Broadway-Musical D Musical Theater, Basel ★ 19.30 Uhr Info: www.thelionking.ch
Party Foto: © Nicole Messer
Imperio Hotel Colosseo Europa-Park, Rust
bis 13.9., je 21.30 Uhr
Akrobatisch Der Europa-Park ist längst nicht mehr nur für seine Achterbahnen, sondern auch für seine tollen Shows bekannt. Eine davon: die Sommershow Imperio. Showballett trifft hier Gesang und Akrobatik. Highlight ist die Handstandakrobatik von Clio Togni, die gerade als „Best female artist“ ausgezeichnet wurde.
Ladies Night J eden Donnerstag mit Damenwahl Heuboden, Umkirch ★ 20 Uhr Info: www.heuboden.de
Party mit Dr. Boogaloo er DJ mit der guten Musik aus den 60er, D 70er & 80er Jahren EL.PI, Freiburg ★ 22 Uhr Info: www.elpi-freiburg.de
Students Day harts, House, Black, Classics ... C Agar Discothek, Freiburg ★ 23 Uhr Info: www.agar-disco.de
Theater Leben ach E. St. Smith, inszeniert N von Willi Lieverscheidt Am Waldsee, Freiburg ★ 20 Uhr Info: www.compagnia-buffo.de
Der Ackermann & der Tod tück nach Johannes von Tepl S Kaltwasserhof, Münstertal ★ 20.15 Uhr Info: www.mtktheater-münstertal.de
Der große Gatsby
www.europapark.de Der Eintritt ist kostenlos
pen-Air-Theater von F. Scott Fitzgerald O Theater der Immoralisten, Freiburg ★ 20.30 Uhr Info: www.immoralisten.de
› Noch mehr Termine auf chilli-freiburg.de
Foto: © Disney
The Lion King Musical Theater, Basel bis 11. Oktober 2015
Serengeti in Basel Wer kennt nicht die wunderschöne Disney-Geschichte rund um Simba, Nala, Timon und Pumbaa? In Basel ist der Musical-Welterfolg seit März 2015 zu sehen, bisher haben 200.000 Besucher die Vorstellungen besucht. Wegen des großen Erfolgs wird das Musical jetzt bis zum 11. Oktober verlängert. Für alle, die das Musical bis jetzt verpasst haben, keine Karten mehr bekommen haben oder nochmal sehen möchten, gibt es jetzt wieder eine große Auswahl an Tickets in allen Preiskategorien. Das Original Broadway-Musical in englischer Sprache begeistert mit fantasievollen Masken und mehr als 700 von Hand gearbeiteten Kostümen, sowie der tollen Filmmusik von Elton John oder Tim Rice. www.thelionking.ch, Karten-Infos: 0761/496-8888 Gewinnspiel auf www.chilli-freiburg.de September 2015 CHILLI 27
Atrium und Augustinerspielplatz: Das Kulturaggregat und Alice Pasquini bringen Farbe nach Freiburg.
Fotos: © tbr
Der Reiz des Vergänglichen Heute hier, morgen dort: Das Kulturaggregat holt die Street-Art-Künstlerin Alice Pasquini in die Stadt
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as Leben ist kurz, die Kunst lang“, sagte bereits Hippokrates. Doch manche Künstler sehen gerade in der Vergänglichkeit den Reiz ihrer Werke. Auf ganz besondere Weise veranschaulicht diese Einstellung das Freiburger Kulturaggregat – acht Künstler, die sich vor rund einem Jahr zusammengeschlossen haben. Sie bringen Kunst und Kultur an Orte, die dem Abriss oder Umbau geweiht sind. Momentan sind sie im Atrium am Augustinerplatz, zu dem die Baukräne bereits auf dem Weg sind. Doch ganz spurlos werden sie nicht von der Bildfläche verschwinden: Alice Pasquini, vom Kulturaggregat als die „momentan spannendste Street-Art-Künstlerin der Welt“ angekündigt, hat auf Einladung der Künstlergruppe eine Wand am Augustinerspielplatz gestaltet. Leichte Ringe hat sie unter den Augen, die junge italienische Sprayerin, die mit untergeschlagenen Beinen auf einem Baumstumpf des Augustinerspielplatzes sitzt. Ringe, die daher kommen, dass sie die halbe Nacht auf war, um Skizzen für ihr Werk anzufertigen. Denn Pasquini ist nicht mit fertigem Konzept nach Freiburg gereist – das Motiv hat sie passend zum Spielplatz gewählt, und auch die Farben sind abgestimmt: Das Orange des Torbogens findet sich in ih54 CHILLI September 2015
rem Blumenmädchen wieder, ebenso wie das zarte Grün der Bäume. „Nicht die Größe der Wand ist wichtig“, erklärt die Street-Art-Künstlerin, deren Graffitis auch auf Sicherungskästen und Regenrinnen zu finden sind, „sondern, welche Inspiration sie bietet.“ Den Ausschlag, der Einladung des Kulturaggregats zu folgen, gab eigentlich eine andere Wand: Ursprünglich sollten ihre bunten Werke am Stadttheater entstehen – doch aufgrund des Denkmalschutzes war hier kurzfristig nichts zu machen. Mit Hilfe des Freiburger Kulturamts ließ sich schnell eine Alternative finden: Die Wand zwischen Augustinerspielplatz und Feierling-Biergarten. Für das komplette Werk hatte die Malerin aus Rom, deren Werke in Sydney, New York oder Moskau zu finden sind, nur zwei Tage Zeit, das Blumenmädchen innerhalb des Torbogens war bereits nach zwei Stunden fertig. „Die Straßenschule lehrt einen Schnelligkeit“, sagt Pasquini schmunzelnd. Dass ihre Werke vergänglich sind, jederzeit überstrichen werden können, Wind und Wetter ausgesetzt sind, stört die Sprayerin nicht. Eine Einstellung, die sie mit dem Kulturaggregat teilt: Der Künstlerzusammenschluss sucht sich immer wieder Räume, die kurz darauf abgerissen werden. An ihrem ersten Standort am Siegesdenkmal entsteht gerade ein Hotel,
das Atrium, das das Kulturaggregat über Monate hinweg in eine bunte Kulturstätte verwandelt hat, wird nach Angaben der Bauträgergesellschaft Unmüssig im Oktober oder November umgebaut. Doch dank der Künstler fristet das Gebäude in seinen letzten Monaten kein tristes Dasein: Als ein Geschäft nach dem anderen geschlossen wurde, übernahm das Aggregat die Räume, gestaltete die Wände, baute Werkräume auf, organisierte Ausstellungen. Künstler, die sich solch eine zentrale Lage niemals leisten könnten, bekommen so die Möglichkeit, mitten in der Innenstadt auszustellen. Laufpublikum, das sonst vielleicht eher nicht mit Kunst in Berührung kommt, wird von den großflächigen, farbenfrohen Graffitis angelockt. „Wir wollen so Kunst und Kultur einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen“, erzählt der 34-jährige Darwin Zulkifli, der für die Organisation des Kulturaggregats zuständig ist. Mit dem Umbau werden die Künstler von der Bildfläche verschwinden, werden ihre Werke einlagern, in Garagen oder ihren Wohnungen weiterarbeiten, um sich dann am nächsten Standort wieder der Öffentlichkeit zu präsentieren. Immer in dem Wissen, dass ihre Kunst vergänglich ist. Tanja Bruckert
Kultur Erzähltheater
» Peinlich kleiner Topf « Warum Bea von Malchus’ Jubiläumsstück ihr letztes sein könnte
chilli: Für Ihr Jubiläumsstück sammeln Sie per Crowdfunding Geld. Wie läuft’s? von Malchus: Nicht so, dass sich die Kennedys darüber finanzieren ließen. Es ist bei unserem Jubiläumsstück zum ersten Mal so, dass keine Finanzierung bewilligt wurde. Wir haben erwogen, das ganze Projekt abzublasen, wollten uns aber nicht gerade im Jubiläumsjahr spurlos auflösen. Unsere weitere Produktionszukunft aber ist ungewiss. Ich fürchte, qualitätsvolles Theater kann auf Subventionen nicht verzichten. Natürlich kann man nach den Proben nachts an der Tanke arbeiten, aber künstlerische Entwicklung findet in solchem Rahmen nicht statt. Die braucht neben Zeit und Hingabe auch Geld. chilli: Sie haben mal gesagt, dass die Vorarbeiten für ein Stück rund 14 Monate dauern. von Malchus: Oftmals landet man in einer Sackgasse und dann muss man die Möglichkeit haben, die Ideen zu verwerfen. Ich wollte die Kennedys zunächst vor allem über die Frauenfiguren aufziehen. Aber beim Schreiben habe ich gemerkt, dass es – ganz simpel – eine reine Männergesellschaft war, in der sich sowohl die Politik als auch der enorme Reichtum der Kennedys entfaltet hat. Wenn man die Geschicke der Männer nicht anschaut, hat man nicht den ganzen Kuchen. Zudem recher-
Foto: © Britt Schilling
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eit 20 Jahren sitzt die Frau mit den vielen Gesichtern auf der Bühne. Sie sitzt in einem raffinierten Kostüm auf einem Stuhl vor einer schwarzen Wand. Mehr braucht Bea von Malchus nicht, um komplexe Geschichten mit zahlreichen Figuren zum Leben zu erwecken. chilli-Redakteurin Tanja Bruckert hat die 56-Jährige zum Gespräch getroffen, zufälligerweise ebenfalls auf einem Sitzmöbel vor schwarzem Hintergrund. Die Person, die sie zu sehen bekam, ist die einer hingebungsvollen Schauspielerin, die Theater für überbewertet und Sackgassen für notwendig hält.
Bea von Malchus: „Qualitätsvolles Theater kann auf Subventionen nicht verzichten.“
chiere ich ganz viel über Sachen, die nicht direkt mit dem Thema zu tun haben, etwa über die Geschichte Amerikas von den Indianerreservaten über die Einwanderung bis hin zur Entstehung der Mafia. chilli: Flechten Sie all diese Aspekte ein oder brauchen Sie sie als Hintergrund für eine authentische Geschichte? von Malchus: Das weiß man am Anfang eben nicht. Man geht in irgendwas rein und dann entdeckt man: Oh, der Vater von Kennedy hat mit einem mehrfachen Mörder der Mafia Deals gemacht, damit John F. Kennedy gewählt wurde. Wenn man diesen Weg nicht gehen will, muss man eben das machen, was alle kennen: Jackie hatte viele Klamotten, John F. hatte Rückenschmerzen. Aber einfach nur das aufnehmen, was eh schon jeder weiß, daran habe ich kein Interesse. Wenn man Amerika, wie es heute ist, verstehen will, muss man diese Gänge gehen. chilli: Sie schreiben auf Ihrer Homepage: „Theater muss nicht sein. Oft ist es langweilig und aufgeblasen. Man lässt sich zwei Stunden von Schauspielern anbrüllen und hofft, man läge daheim mit einem guten Buch im Bett.“ Wann haben Sie sich das letzte Mal so gefühlt? von Malchus: Ich muss gestehen, ich gehe nicht oft ins Theater, denn mir geht
es oft so. Es gibt Gruppen, die müssen jedes Jahr unzählige Produktionen raushauen, die haben schlicht nicht die Zeit, sich zu irren und alles nochmal über den Haufen zu werfen. Dann ist alles drei plus, aber nichts ist wirklich gut. chilli: Wie vermeiden Sie es, dass es Ihren Zuschauern so ergeht? von Malchus: Ich probe viel vorm Spiegel, und wenn ich merke, ich langweile mich – was ständig der Fall ist –, dann weiß ich, hier ist work to do. Wenn man sehen könnte, wie oft ich an nur einem Satz probe, würde man denken, ich hab keine einzige Tasse mehr im Schrank. chilli: Die Kennedys sind Ihr Jubiläumsstück nach 20 Jahren. Wie hat sich die Freie Szene in diesen Jahren verändert? von Malchus: Durch die Schauspielschulen sind viel mehr Leute auf dem Markt, doch der wachsenden Szene steht ein peinlich kleiner Topf gegenüber. Weil es in Freiburg weder Film noch bedeutende Funkproduktionen gibt, sind die Möglichkeiten, neben freien Theaterproduktionen im eigenen Beruf Geld zu verdienen, sehr gering. Da gehen Leute, die sehr gut sind, fort. Das macht die Entwicklung eines wirklich hohen Levels innerhalb der freien Freiburger Theaterszene unwahrscheinlich. September 2015 CHILLI 55
Dies war eine Leseprobe der September-Ausgabe 2015.
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