AUSSTELLUNGEN
MATISSE IN BASEL, MODERN
TIMES IN FREIBURG
MATISSE IN BASEL, MODERN
TIMES IN FREIBURG
HENRI MATISSE IN EINER GROSSARTIGEN WERKSCHAU IN DER FONDATION BEYELER
Dvon Erika Weisser
Matisse: Im selben Jahr (1905) enstanden, weisen die „Badenden mit Schildkröte“ (r.) und „Das offene Fenster“ große Unter schiede im Umgang mit Form und Farbe auf.
ie Fondation Beyeler hat einmal mehr ein „Glanzlicht im internationalen Kunstkalender“ geschaffen, wie Galeriechef Sam Keller zur Eröffnung der Ausstellung „Matisse – Einladung zur Reise“ nicht ohne Stolz bemerkte. Die in vier Jahren vorbereitete Retrospektive, die bis zum 26. Januar mehr als 70 Werke aus allen Schaffensphasen des vor genau 70 Jahren verstorbenen Künstlers zeigt, ist nach Kellers Worten aber auch ein „Höhepunkt in der Geschichte des Hauses“.
Das Eingangsportal zu den neun lichten Sälen, in denen Matisse’ Reise durch 60 Jahre Kunstgeschichte und eigenes Kunstschaffen nachzuvollziehen und zu bewundern ist, ziert eine Wiedergabe von Charles Baudelaires Gedicht „Einladung zur Reise“. Es ist nicht nur Leitmotiv für die Ausstellung, es war auch oft Leitmotiv für die Gemälde von Matisse: Der Refrain „Luxe, calme et volupté“ ist eines der Themen, die er immer wieder variierte. Und es ist der Titel des 1904 in pointillistischer Maltechnik entstandenen Bildes, von dem
man gleich im ersten Saal förmlich angezogen wird.
Ist auf diesem Bild die Farbe – wenn auch schon zerlegt – noch an die dargestellte Figur gebunden, so ist einen Schritt (oder einen Saal) weiter schon zu erkennen, wie sich die Farbe allmählich verselbstständigt, wie sie „vom Motiv befreit wird“, wie Kurator Raphaël Bouvier erläutert. Das nur ein Jahr später gemalte „La fenêtre ouverte“ zeigt einen wahren Farbenrausch, bei dem erst auf den zweiten Blick überhaupt erkennbar wird, dass es sich um die Aussicht aus einem geöffneten Fenster handelt.
In weiteren Schritten ist die Entwicklung dieses bedeutenden Malers des 20. Jahrhunderts vom Figürlichen zum Abstrakten auch für Kunstlaien nachzuvollziehen; nach Bouviers Worten wurden die Werke aus diesem Grund chronologisch gehängt. Ein Besuch lohnt sich also nicht nur für Insider.
Mehr Infos: www.fondationbeyeler.ch
Im Museum für Neue Kunst ist eine Ausstellung zu sehen, die in Teilen sehr aktuell anmutet – obwohl die Bilder, Holzschnitte, Grafiken und Kleinskulpturen vor 100 Jahren entstanden sind. Die Werke von Max Beckmann, Otto Dix, Conrad Felixmüller, George Grosz, Lea Grundig, Käthe Kollwitz, Hanna Nagel, Karl SchmidtRottluff und vielen anderen kritischen Künstlern jener Zeit spiegeln eine durch Kriege, Krisen, soziale Unsicherheit, drohende Rechts
radikalisierung und andere Faktoren verursachte Zerrissenheit der Gesellschaft der angeblich „goldenen“ 1920erJahre wider.
Die nach sechs Themenschwerpunkten sortierten Kunstwerke reichen vom Expressionismus bis zur neuen Sachlichkeit; die meisten davon gehören zur Sammlung des LindenauMuseums Altenburg (Thüringen) und sind nun bis zum 16. Februar 2025 zu Gast in Freiburg. Um die anhaltenden Kriegstraumata geht es, um Utopien, um gescheiterte und erhoffte Revolutionen, um den Wider
spruch von Kapital und Arbeit, um Armut und Reichtum, um Verelendung und Radikalisierung, um reale oder vermeintliche Unvereinbarkeiten. Aber auch um demokratischen Aufbruch, um das Frauenwahlrecht und die neue Rolle der Frauen, um Freiheit und Individualität. Und die Rolle der Cafés und Kneipen als Orte des künstlerischen und politischen Diskurses, als Umschlagplätze für Informationen und neue Ideen.
Viele Künstler, auch das wird deutlich, führten ein Leben am Existenzminimum. Das öffnete ihren Blick für
andere Menschen, die trotz schwerer Arbeit am Rande der Gesellschaft vegetierten. Und auf die ungerechte Verteilung des Wohlstands. Aber auch auf jene, die diese Ungleichheit bekämpften, wie etwa der Verleger und politische Agitator Max John. Von ihm sind gleich zwei Porträts in der Ausstellung zu sehen: von Otto Dix und Conrad Felixmüller. Eine Ausstellung mit vielen Denkanstößen.
Mehr Infos: www.freiburg.de/museen
Der Bund wird mit seinem Kultur-Invest-Programm die Restaurierung und Wiederaufstellung des 280 Quadratmeter großen Freiburger Bildes von Horst Antes mit der durchaus erstaunlichen Summe von 500.000 Euro fördern. „Seit fast 30 Jahren ist der ‚Antes‘ eingemottet. Ich freue mich, dass dieses herausragende Kunstwerk wieder der Öffentlichkeit zugänglich wird“, so die Freiburger Bundestagsabgeordnete Chantal Kopf (Grüne). An einem Parkhaus der Uni an der Breisacher Straße.
Die Präsidentin des baden-württembergischen Landtags, Muhterem Aras, übernimmt die Schirmherrschaft des Dokumentationszentrum Nationalsozialismus in Freiburg. „Wir müssen alles dafür tun, auch zukünftigen Generationen zu vermitteln, zu welchem Elend, zu welchem Leid, zu welcher Gefahr antidemokratische Indoktrination und vermeintlich leichte Antworten auf politische Fragen führen. Es ist gut, dass diese so wichtige politische Bildungsarbeit auch kommunal verankert ist“, so Aras. „Die jüngsten Wahlergebnisse haben gezeigt, wie wichtig es ist, sich jeden Tag für unsere Demokratie starkzumachen“, so Oberbürgermeister Martin Horn.
Der Freiburger nonsolo Verlag ist Ende September mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet worden. Als einziger Freiburger unter 80 ausgezeichneten Verlagen. Geführt wird er von Alessandra Ballesi-Hansen.
Iris Wolff auf der Shortlist
Eine Freiburgerin hat es in die letzte Runde geschafft: Iris Wolffs Roman „Lichtungen“ ist unter den sechs Nominierten für den deutschen Buchpreis 2024. Laut Jury ist ihr Buch ein „poetischer Widerstandsakt“; in „ungewöhnlich starken Bildern“ erzähle die Autorin von einer Kindheit und Jugend in einer Diktatur. Die Preisverleihung ist am 14. Oktober, zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse. bar/ewei
In Liebe, Eure Hilde
Deutschland 2024
Regie: Andreas Dresen
Mit: Liv Lisa Fries, Johannes Hegemann, Lisa Wagner, Alexander Scheer, Emma Bading u.a.
Verleih: Pandora Films
Laufzeit: 124 Minuten
Start: 17. Oktober 2024
AUF HILDE COPPI
von Erika Weisser
Hilde Coppi gehört nicht zu denen, die lautes Aufhebens um ihre Gegnerschaft zum Naziregime machen. Und nicht nur, weil dies in der herrschenden lückenlosen Bespitzelung äußerst gefährlich wäre: Sie weiß, dass in diesen verräterischen Zeiten das heimliche Hören von „feindlichen Sendern“, die Verbreitung aufklärender Flugschriften, die Frage nach „verschwundenen“ Nachbarn zur sofortigen Verhaftung führen würde. Und damit zu gnadenlosen Gestapo-Verhören, zu KZ-Haft, oft auch zum Todesurteil.
Sie ist ihrem Wesen nach eine zurückhaltende junge Frau, die ihre Überzeugung, ihre Begeisterung für eine Sache sowieso nicht an die große Glocke hängt. Eine, die von ihrem Weg nicht so leicht wieder abzubringen ist. Oder eher gar nicht: Als sie im Sommer 1942 wegen „Vaterlandsverrats“ verhaftet und verhört wird, denkt sie nicht daran, sich von der Berliner Widerstandsgruppe um Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack zu distanzieren, in der sie und ihr Mann Hans engagiert waren.
Der Film beginnt mit dieser Verhaftung, mit der sie schon gerechnet hat, seit Hans, Harro und Arvid festgenommen wurden. Und so geht sie – zumindest äußerlich – gefasst und ruhig mit den Gestapomännern mit. Dass sie Angst hat, ist Liv Lisa Fries’ ausgezeichnetem Spiel in Hildes Rolle dennoch anzumerken: Schützend hält sie die Hände über ihren Bauch und ihre Mimik verrät, wie sie fieberhaft darüber nachdenkt, was sie preisgeben kann, ohne den anderen zu schaden, dabei aber sich – und vor allem ihr ungeborenes Kind – nicht zu gefährden.
Sie schafft es – und durch ihre Ernsthaftigkeit verschafft sie sich im Frauengefängnis Barnimstraße bei manchen
Aufsehern einen gewissen Respekt. Es wird deutlich, dass es für sie das Selbstverständlichste der Welt ist, gegen ein Unrechtsregime vorzugehen, und dass es dazu keine Ideologie, sondern einfach nur Menschlichkeit braucht. Und Liebe: Als sie gefragt wird, warum sie ihren Mann und dessen illegale Betätigung als Funker nicht gemeldet habe, sagt sie nur: „Weil ich ihn liebe.“
Diese Liebe, diese immer wieder aufscheinende Unbeschwertheit der beiden wird in vielen Rückblenden dokumentiert. Hier sind sie einfach junge Leute, die mit ihren Freunden zelten, schwimmen, wandern gehen und feiern, die sich verlieben, die Sex haben und leidenschaftlich vom Leben in Selbstbestimmung und Freiheit träumen. Und die sich deshalb in geheimen widerständigen Zirkeln engagieren.
Diese Liebe ist es auch, die Hilde Coppi in den Monaten vor ihrer Hinrichtung im August 1943 Lebenskraft gibt: zu ihrem im November 1942 geborenen Sohn Hans, zu ihrem Mann, den sie kurz vor seiner Ermordung im Dezember 1942 noch einmal sehen kann. Zu ihrer Mutter, der sie nach einem von Hitler persönlich abgelehnten Gnadengesuch ihren Sohn anvertraut. Er ist heute 81 Jahre alt und „froh über diesen Film, der zeigt, welch liebende Menschen meine Eltern waren“ – und alles andere als unerreichbare Helden.
Deutschland 2024
Regie: Marcus O. Rosenmüller
Mit: Vanessa Loibl, Vladimir Burlakov u.a.
Verleih: Camino
Laufzeit: 131 Minuten
Start: 14. Oktober 2024
Kunst auf Augenhöhe
(ewei). „Gabriele Münter war mehr als Kandinskys Schülerin und Muse“ titelte die NZZ anlässlich ihrer großen Wiener Retrospektive 2023. Das weiß Drehbuchautorin Alice Brauner schon lange: Die Geschichte der Malerin, die zur Gruppe der Blauen Reiter gehörte und ein eigenständiges Werk schuf, ist für sie „symptomatisch für die mangelnde Anerkennung von Frauen in der Kunst“.
So wird in dem mit viel großartiger Kunst und wunderschöner oberbayrischer Landschaft komponierten Film zwar die wechselhafte Beziehung der beiden thematisiert, doch steht Münter deutlich im Fokus. Wassily Kandinsky wird indessen zur Nebenfigur verdammt; die beiden sind in künstlerischer Hinsicht auf Augenhöhe.
Der Film beginnt im Jahr 1942, mit der Durchsuchung ihres Hauses in Murnau, von Agenten der Reichskunstkammer, die nach seiner „entarteten Kunst“ fahnden. Und entwickelt von dort eine Retrospektive auf das längst beendete gemeinsame Leben, das 1901 begann und 13 Jahre dauerte.
Luxemburg/Österreich 2024
Regie: Eileen Byrne
Mit: Luna Wedler, Edgar Selge u.a.
Verleih: Alamode Film
Laufzeit: 86 Minuten
Start: 7. November 2024
(ewei). Die erste Begegnung von Paula und Helmut ist auf dem Friedhof: Die junge Frau, die seit dem Ertrinkungstod ihres kleinen Bruders Tim Albträume von der Finsternis im Marianengraben hat, zieht es mitten in der Nacht zu seinem Grab. Und der alte Mann gräbt gerade die Urne seiner verstorbenen Frau aus: Er will ihre Asche bei sich in Südtirol haben und nicht im fernen Deutschland.
Als Paula hört, dass sein Reiseziel Italien ist, hilft sie ihm beim Graben – in der Hoffnung, dass er sie ein Stück mitnimmt auf ihrem Weg nach Triest, wo Tim vor einem Jahr starb und wo sie hofft, ihm nahe zu sein. Sie werden indessen von Friedhofsarbeitern entdeckt und müssen fliehen –mitsamt der Urne in Helmuts Wohnmobil in Richtung Süden.
In einem abenteuerlichen und oft unverhofft situationskomischen Roadtrip, der auch eine innere Reise ist, werden die beiden zutiefst depressiven Menschen allmählich zu Freunden, überwinden Schuldgefühle und spüren neue Lebensfreude
voll von der
Gute Nachrichten für den Freiburger Arthaus-Kino-Herbst: Der Friedrichsbau ist nach der endgültigen Rettung mit neuer Lüftung und umgestaltetem Foyer umfassend modernisiert. In den kommenden Monaten gibt es nun nicht nur einige vielversprechende Filmstarts, sondern auch das vielfach ausgezeichnete Sonderprogramm.
Zudem gilt nun dort – auch im Kandelhof und der Harmonie – neben den üblichen Eintrittspreisen eine neue Flatrate-Karte: das Cineville-Ticket, das zu einem unschlagbaren Sparpreis unbegrenzten Zugang zum gesamten Filmprogramm dieser drei Kinos ermöglicht. Ab 20 Euro monatlich ist es zu haben; wer ein Jahresabo abschließt, zahlt 240 Euro. In der Mindestlaufzeit von vier Monaten zahlen Erwachsene bis 26 Jahre 88 Euro, über 26-Jährige 92 Euro. Die Cineville-Karte, die nicht einfach und jederzeit an der Kinokasse gekauft werden kann, sondern online gebucht werden muss, ist nicht nur in Freiburg gültig. Auch in Hamburg, Köln, Nürnberg und Berlin können Kinobegeisterte damit beliebig oft in die 29 unabhängigen Arthouse-Filmtheater, Programmkinos, Filmkunstkinos und Kiezkinos gehen, die an dem neuen Bezahlformat beteiligt sind.
Ludwig Ammann, einer der Initiatoren dieses in den Niederlanden bereits „sehr erfolgreich erprobten“ Gemeinschaftstarifs, rechnet damit, dass weitere Städte dazukommen. Mit Einnahmeverlusten rechnet er hingegen nicht. Denn das neue Angebot wird gut angenommen. ewei
Erfolgreiches Duo aus
Freiburg: Kasi (links) und sein Producer Antonius
SÄNGER KASI ÜBER SEINEN KOMETENHAFTEN AUFSTIEG
Vor zwei Jahren kannte kaum einer den Freiburger Musiker Kasi. Heute ist der Mittzwanziger einer der Indie-Newcomer des Jahres. Im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann erzählt Kasimir Herbst aka Kasi mit seinem Produzenten Antonius vom Aufstieg, surrealen Momenten und der nächsten Tour.
cultur.zeit: Kasi, du nennst dich auf Social Media weiterhin keinerkenntkasi. Wann änderst du das?
Kasi: Gar nicht. Ich find den Namen super. Auch weil es jetzt größer wird, ist das witzig irgendwie.
cultur.zeit: Kommst du noch unerkannt durch Freiburg?
Kasi: Ich kann ganz normal rumlaufen, kein Problem. Ich werde ab und zu angesprochen, aber nicht so, dass es einen einschränken würde. Manchmal beim Feiern ist es kritisch, wenn man in einem Club ist und du wirst schon in der Schlange 30-mal angeschaut. Dann gehst du nicht mehr so befreit dancen.
cultur.zeit: Im Oktober kommt das Mixtape harddrive2024. Auch als Vinyl. Euer erster handfester Tonträger.
Kasi: So geil, Digger. Krass, wir freuen uns hart darauf. Wir haben uns einen kleinen Traum erfüllt.
cultur.zeit: Mitte Oktober geht es auf Tour. Die meisten Shows sind ausverkauft. Wie fühlt sich das an?
Kasi: Geil. Unsere erste Tour letztes Jahr waren vier Städte. Dieses Jahr sind es 24 Städte. Ein geisteskranker
Sprung. Wir hatten monatelang schlaflose Nächte, weil wir dachten: Verdammte Scheiße, wie sollen wir das alles verkaufen? Aber es hat geklappt. Wir haben die Tour von 13.000 auf 18.000 Tickets hochverlegt. Die Leute kaufen Tickets. Wir sind mega happy.
cultur.zeit: Ihr habt im Juli ein Video gepostet vor dem Superbloom-Festival, wo ihr euch fragt, ob überhaupt jemand kommt. Dann war um 11.30 Uhr bei eurer Show die Hölle los.
Kasi: Ja, es ist völlig surreal. Ich glaube, es wird auch erst real, wenn man es dann gemacht hat. Das ist das erste Mal, dass wir auf so eine große Tour gehen. Es wird heftig. Ich habe Respekt davor und auch ein bisschen Angst. Aber vor allem einfach nur mega Bock.
cultur.zeit: Könnt ihr euch erklären, warum es so steil geht?
Kasi: Da haben wir oft drüber geredet. Ich glaube, das ist gerade generell so die Musik, die im Trend liegt. Da haben wir Glück gehabt, als wir das schon vor zwei Jahren gemacht haben. Nicht, weil es im Trend liegt, sondern weil wir darauf Bock hatten. Wir sind keine krassen Ausnahme-Musiker. Das ist kein Hexenwerk, aber ich glaube, wir machen es gut. Wir machen es authentisch und ich glaube, die Leute checken das.
Antonius: Ich kann es mir auch nicht erklären. Wie Kasi gesagt hat: Indie ist gerade trendy. Wir machen das gerne und irgendwie finden das Leute cool. Dafür sind wir sehr dankbar.
cultur.zeit: Gab es den Moment, an dem ihr gemerkt habt, dass es groß wird?
Kasi: Alles ist irgendwie organisch gewachsen. Dieses Jahr Festivalsaison war krank, da standen halt teilweise 5000 bis 6000 vor der Bühne. Wenn ich mir die Videos anschaue, sage ich mir: Du heilige Scheiße. Jede Show gibt es den Moment, wo man einmal kurz die Inear-Kopfhörer rausmacht und sich denkt: Was ist passiert? Aber es fühlt sich jetzt nicht an nach: Okay, wir haben es geschafft. Weil dann ist der Hunger weg und du hörst auf.
cultur.zeit: Wie viele Gedanken machst du dir über das, was du schreibst?
Kasi: Das ist alles spontan. Manchmal denkt man sich: Bro, jetzt habe ich den zehnten Song, wo ich immer genau dasselbe singe. Aber im Endeffekt machen das ja alle. Ich versuche einfach nur, irgendwie das zu erzählen, was bei mir gerade abgeht. Wenn es nach anderthalb Jahren immer noch Liebesschmerz ist, dann ist es so.
cultur.zeit: Du erzählst viel von gebrochenen Herzen, Partys, Melancholie, Kater.
Kasi: Komplett so ist auch mein Leben.
cultur.zeit: Ich habe rausgelesen: Du bist eine romantische Nachteule, die ab und zu eine Kippe raucht.
Kasi: Ich schwöre, das ist genau mein Leben. Ich bin jemand, der oft sehr melancholisch ist. Ein sehr gefühlvoller Mensch, krass nah am Wasser gebaut. Ich heule dreimal die Woche.
cultur.zeit: Ihr arbeitet täglich zusammen. Kasi, was zeichnet Antonius aus?
Kasi: Ich schätze ganz viel an Antonius. Also erst mal sind wir einfach beste Freunde. Ich schätze seine Ehrlichkeit und Integrität. Ich kenne niemanden, der so real ist als Person. Auf Arbeitsebene ist Antonius ne Maschine, genau das Gegenteil zu mir. Unfassbar pflichtbewusst. Antonius arbeitet 24/7, wenn er eine freie Minute hat, dann macht er was Produktives, auch alles Visuelle bei uns. Ohne Antonius hätte das niemals so gut funktioniert.
cultur.zeit: Und was schätzt du an deinem Kollegen?
Antonius: So wie Kasi gesagt hat: Er ist ganz anders, viel mehr so intuitiv: Fühlt sich gut an, lass machen. Ich glaube, das ist das, was es auch so gut macht.
„Trösten
GANTER LEGT TRANSIT VOR
Neues Album, neue Tour. Die Schwarzwälder Sängerin Magdalena Ganter veröffentlicht mit Transit ihr zweites Soloalbum. Es verbindet Retro und Rhetorik, Melancholie und gnadenlosen Optimismus. Zu hören gibt’s das bald live im Jazzhaus. Das Leben der Sängerin Magdalena Ganter ist im Wandel. Nach vielen Jahren in Berlin ist sie zurück im Schwarzwald und mittlerweile Mutter. Am Musikmachen hindert sie das nicht: Am 27. September hat das wortgewandte Multitalent mit Herz für Chanson und Variété ihr Album „Transit“ veröffentlicht.
Die Platte ist eine vielschichtige Reise durch Gefühlswelten. Ganter erzählt vom Tod, aber auch von Leichtigkeit und Weiblichkeit. Ihrem Idol Josephine Baker widmet sie einen ganzen Song. Zu einem hüpfenden Piano, das ordentlich knistert, singt sie eine Ode an „ihre Heldin“. Die Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin hat sie auch wegen ihres Kampfs für Frauenrechte beeindruckt.
Das Album ist im Schwarzwald entstanden, Ganter hat co-produziert: „Transit steht speziell auch für die rasanten Veränderungen sowohl in meinem persönlichen Leben als auch in der Welt da draußen.“ Es gehe um den Umgang mit Umbrüchen, aber auch um Selbstermächtigung und Emanzipation.
Das hat auch düstere Facetten. Die erste Zeile der Platte lautet: „Der Tod ist ganz ungefährlich hat er mir gesagt“. Im Song „Zwei Erbsen“ verarbeitet sie die Fehlgeburt ihrer Zwillinge. „Kaum wart ihr da, seid ihr gegangen“, singt Ganter. Wer den Hintergrund kennt, kann da gerne mal eine Träne verdrücken. Doch Ganter singt auch von Liebe und kann darin Stärke finden: „Das Lied ist ungemein positiv geworden.“
Die Schwarzwälderin entertaint und bietet zugleich Tiefe. Um die zu entdecken lohnt es sich, genau hinzuhören. Mit ihrem Debütalbum „Neo Noir“ 2021 hat sie den renommierten Preis der Deutschen Schallplattenkritik bekommen. Daran könnte sie mit ihrem bunt zerbrechlich-kraftvollen Retro-Werk anknüpfen. Dem Mainstream trotzt sie erfolgreich – und wird Fans finden, die Musik mögen, die anders ist.
Ganter will Hoffnung schenken, wenn Krisen toben: „Trösten und trotzen“ nennt sie das. Wie gut das klappt, zeigt sie am 18. Oktober im Jazzhaus Freiburg.
Till Neumann
Erzählt vom Wandel: Magdalena Ganter
Fotos: © Marcus Engler
Der Organist Niklas Jahn startet durch. Schon während seines Studiums an der Musikhochschule Freiburg gewann er Preise. Jetzt wird der 27-Jährige ab Dezember Organist der Dresdner Frauenkirche. Im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann erzählt er, was ihm das bedeutet.
Du wirst Organist der Frauenkirche. Wow? Wow, trifft es gut. Das ist auch für mich eine große Überraschung. Da ich frisch vom Studium komme, ist das eine Hausnummer. Ich freue mich unglaublich, dass die Kommission mir da das Vertrauen gibt.
Was erwartet dich da ?
Zum einen werde ich im liturgischen Bereich eingebunden sein. Es gibt täglich Wort- und Klangandachten. Außerdem werde ich bei Gottesdiensten eingespannt sein. Der andere Aufgabenbereich ist das Konzipieren von Orgelkonzertreihen, die ich bespiele und Gäste einlade. Also die besten Organisten weltweit. Ich möchte zudem kreative Ideen einstreuen. Zum Beispiel habe ich die Vision eines Improvisationsfestivals mit Stummfilmabenden oder einem Comiczeichner. Meine Vision ist, Brücken zu schlagen zwischen alter und moderner Kunst.
Wie wirkt sich der Schritt auf die Karriere aus?
Die Karriere hat natürlich einen unglaublichen Boost erfahren. Ich merke das allein durch unzählige Konzertanfragen für die nächsten Jahre. Mit der Stelle steht man im Fokus der internationalen Szene. Ich habe jetzt schon Connections aufbauen können.
(tln). Erst seit rund einem Jahr veröffentlicht alvva Songs. Das Debüt „nuages“ der Freiburgerin klang nach verträumtem Retro-Elektropop und steht mittlerweile bei 200.000 Spotify-Streams. Ein starker Auftakt auf Englisch und Französisch. Dazu ging die Freiburgerin auf Tour als Support-Act von Zimmer90. Unter anderem im Jazzhaus Freiburg stand sie so auf der Bühne.
Im September hat die Klangkünstlerin jetzt ihre dritte Single rausgebracht. Entspannt geht es zu bei „i follow you“. Die Musikerin setzt auf synthielastigen Elektrosound. Der klingt dieses Mal deutlich moderner als noch bei „nuages“. Auch Französisch ist nicht mehr zu hören. Dafür gibt’s englischsprachige Lyrics.
„I follow you until the sky is gettin golden“, singt alvva. Man fühlt sich durch butterweiche Wolken segeln, während gerade die Sonne am Horizont aufgeht. Ein Liebeslied? Vielleicht auch eine Botschaft für Frieden. „Make music not war“, schreibt die Künstlerin auf ihrer Instagramseite ganz oben. Entschleunigend wirkt das in jedem Fall.
Im Sommer stand alvva unter anderem auf der Bühne des Konstanzer Campus-Festivals. Da mit zwei Singles zu landen, ist amtlich. Und das Projekt wächst. Aus dem Soloact ist mindestens ein Duo geworden.
(pt). PakChoi haben tierischem Protein abgeschworen. Und zwar lautstark. Auf ihrer allerersten Single „Fleischfresser“ wettert und wirbt, faucht und fleht, höhnt und hadert das Freiburger Metal-Quintett als Venusfalle mit dem Verzehr von Fleisch in Form von Fliegen. Auch mal schnell und experimentierfreudig gegen jeden Rhythmus. Aber mit der ersten Single liefern PakChoi keine Diätkost.
Gemeinsam musizieren die Gemüsefreunde seit mittlerweile drei Jahren. Life-Luft haben sie bereits bei Freiburg Stimmt Ein oder in der KTS schnuppern können. „Oh I don’t want to hurt again / but I’m a slave of my will to survive and I need my proteins / Oh I don’t want to hurt again / cause I’m a peaceful mind / but my fangs are longing for prey“, schmettert Vocalistin Ännie Kin. Die Stimme hält. Gitarren, Bass und Drums halten auch, was Progressive Metal verspricht: Breaks und Rhythmus.
Wie die unstillbare Riesenspinne Ungoliath im Tolkien-Universum verschlingt sich die kleine Freiburger Fliegenfalle im Hunger selbst: „But before one more dies I will rather eat myself." Mit Kohl hat PakChoi nur den Namen gemein. Nicht mild und geschmacklos, aber auch bekömmlich genug für jene musikalischen Gaumen, die sich normalerweise nur bis zum Hardrock durchbeißen.
(tln). Im Oktober 2023 ist das Jan Ullmann Bandcollective in der Lokhalle Freiburg aufgetreten. Der Freiburger Sänger und Pianist hat dabei 50 Musiker·innen auf dem Areal des Aktionstheaters Panoptikum im Südteil des Gebäudes versammelt. Sie kommen aus der Region, aber auch aus Schweden, der Schweiz und den USA.
Zu dem Stelldichein vieler starker Acts gibt’s nun eine Videoserie auf seinem Youtube-Kanal „Jan Ullmann Music“. Das ist sehenswert. Nicht nur, weil sie ansehend gefilmt ist, sondern weil hier viel Virtuoses zu entdecken ist. In für Social Media tauglichen Schnipselportionen gibt es Einblicke in das Können des Sängers Ullmann. Aber auch in rasante Soli der Bläsersection, Beatbox-Einlagen von Acoustic Instinct oder donnernde Drums von gleich zwei Schlagzeugern. Der Musiker investierte viel Zeit ins Projekt. Mit neun Kameras hat er filmen lassen. Ein halbes Jahr Arbeit stecke nun in der Produktion, berichtet er. Wer sich anschauen möchte, wie man musikalische Welten zusammenbringt, wird hier fündig. Ein Gospelchor ist genauso zu sehen wie eine Tänzerin und visuelle Kunst. Darüber hinaus fragt man sich, warum nicht öfter Pop-Rock-Events in der denkmalgeschützten Lokhalle steigen. Cooler Ort in einem der charmantesten Räume der Stadt.
(pt). Für immer Sommer. Pünktlich zum Herbst wünschen sich das die Freiburger Indie-Folker Rehats. Bewaffnet mit Bademantel und Pastelfilter laden die vier Hüte auf ihrer neuen Single Summertime Cries also zur poppigen Poolparty. Im Gepäck: Viel Sonnencreme und noch mehr „Oh Oh Ohs“.
Eigentlich erinnert die handgemachte Musik der Rehats an eine Melange aus Mumford & Sons, The Kocks oder AnnenMayKantereit. Summertime Cries kommt weniger rockig daher und bedient sich mit eingängiger Melodie und kurzweiligem Text eher an Synthie-Pop von Roosevelt oder Poolside. „Good times keep passing, passing us by / I got those summertime, summertime cries“, trällert Frontmann Johannes „Jojo“ Stang in Frottee.
Seine Forderung: nur noch ein wenig Licht, nur noch ein bisschen Zweisamkeit, nur noch ein paar Erinnerungen. Doch die Sonne lässt nicht mit sich verhandeln. „Yeah, we lived without a name, but seasons change like love to pain.“
Die simple wie bittersüße Erkenntnis scheint nicht auf taube Ohren zu stoßen. Mehr als 40.000 Klicks hat das Quartett bis zum Redaktionsschluss auf Youtube gesammelt. Auch, wenn dieser Sommer dann doch recht abrupt endete und Summertime Cries damit den Winterschlaf antreten dürfte.
Die Freiburger Geschmackspolizei ermittelt schon seit 20 Jahren gegen Geschmacksverbrechen, vor allem in der Musik. Für die cultur.zeit verhaftet Ralf Welteroth fragwürdige Werke von Künstlern, die das geschmackliche Sicherheitsgefühl der Bevölkerung empfindlich beeinträchtigen.
Fast täglich grüßt das Dienst-Murmeltier der Geschmackspolizei — Malle ist eben nicht nur ein Mal im Jahr, die Wiesn hingegen schon. Nicht auszudenken, wenn dieser Kriminalitäts-Hot-Spot auch das ganze Jahr über seine Pforten geöffnet hätte. Neulich war es aber wieder so weit: Ozapft und alle Schleusen der Geschmacklosigkeit öffneten sich. Zumindest wenn man es nüchtern betrachtet, was dort wie auch auf Malle selten jemandem passiert.
Isi Glück sicherlich auch nicht. Sie tritt für Malle an und zwar mit „Bring mich zurück auf die Mallearen, keine Sau kriegt mich je auf die Kanaren, es ist nur Malle, wenn sie mich nach Hause tragen.“ Eine klare Ansage, das freut immerhin die Anhänger von Gran Canaria, Teneriffa und Gomera. In einem weiteren Glücks-Song namens „Oberteil“ reimt sie sich zu Obergeil, den kümmerlichen Rest können Sie sich selbst zusammenreimen. Ihr Pech.
Die Wiesn steht dem in nichts nach, einziger Makel — sie hat keine 365 Tage im Jahr geöffnet. Diese zwei Schwergewichte in Sachen Schlagerverbrechen schenken sich und uns wirklich nichts. Der Vergleich hinkt etwas, hat aber hier wie da ordentlich Schlagseite. Die Wiesn — nicht nur musikalisch ein zweites Malle. Einige wollen, dass Malle und die Wiesn zum 17. und 18. Bundesland werden. Wir wollen die Wiesn endgültig zusammen mit dem Ballermann zum Mond schießen. Apollo 0815 bitte übernehmen!
(Unter-)Irdisch grüßt Ihre Geschmackspolizei
DIE FREIBURGER LITERATURTAGE SPANNEN EINEN WEITEN BOGEN VOM BEGINNENDEN TAG BIS ZUM STERNENHIMMEL
Es beginnt der Tag“. So lautet das Motto für die 38. Auflage des Freiburger Literaturgesprächs, das vom 7. bis 10. November in zwei Freiburger Theatern, im Historischen Kaufhaus sowie im aktuellen, kürzlich mit dem Zukunftsgut-Preis für innovative Kulturvermittlung ausgezeichneten Literaturhaus stattfindet. Dessen Leiter Martin Bruch und seine Kolleginnen Katharina Knüppel und Birgit Güde freuen sich auf vier Tage der „Begegnung und des Austauschs zwischen Schreibenden und Lesenden, zwischen öffentlichen Personen und Privatmenschen, zwischen neuen und etablierten literarischen Stimmen“.
Der möglicherweise hoffnungsdoch vielleicht auch unheilahnungsvolle Satz, den die Kurator·innen dieses ältesten Literaturfestivals in der Region als Leitmotiv für die diesjährige Veranstaltung gewählt haben, stammt von Anja Utler: In ihrem Lyrikband „Es beginnt. Trauerrefrain“ beginnt jedes der 209 darin enthaltenen, sich am Rand des Sagbaren entlangtastenden Kurzgedichte mit dieser Zeile. Die in Leipzig lebende Lyrikerin bringt dieses Werk, das im
April 2024 mit dem Peter-Huchel-Preis ausgezeichnet wurde, am frühen Samstag um 9 Uhr im Literaturhaus zur Lesung –und ins Gespräch mit Literaturvermittler Thomas Geiger.
Eröffnet wird das Literaturgespräch am Donnerstagabend im Historischen Kaufhaus von einem anderen Huchel-Preisträger: Raoul Schrott. Er erhielt diesen Preis vor genau 25 Jahren, für sein Werk „Tropen. Über das Erhabene“. Nicht weniger erhaben –und passend zum Leitmotiv vom beginnenden Tag – ist sein „Atlas der Sternenhimmel und der Schöpfungsmythen der Menschheit“, den er nun zu einer singulären Vorab-Premiere mit nach Freiburg bringt.
einstigen Partisanen- und späteren Jugoslawienkriegen, von alten und neuen Nazis, von Indianerfilmen und Abenteuerromanen – und verrät dem Feuilletonisten Andreas Platthaus, wo sie zusammenlaufen.
Darin dokumentiert der österreichische Autor und Literaturwissenschaftler das Wissen von 17 über alle Kontinente verteilten Kulturen über die Sterne, die Sonne, den Mond und die Planeten. Und wie die Sternenhimmel und die Sagen seit Jahrtausenden aufs Engste mit den jeweiligen Vorstellungen von der Entstehung der Welt verbunden sind.
Auf die Genesis folgt der Untergang oder zumindest die Krisen, die zu diesem führen könnten: Am Freitagabend präsentiert Clemens Meier seinen Roman „Projektoren“, ein Epos, das „rasant und schonungslos von unserer an der Vergangenheit zerschellenden Gegenwart erzählt“, wie Martin Bruch sagt. Er spinnt darin verschiedene Fäden von den
Nach einer Sonntagsmatinee mit Mithu Sanyals „Antichristie“, in dem es um den fortdauernden Kolonialismus, um den „Appetit auf Rebellion und Halluzination“ und die Frage „des richtigen Widerstands in der falschen Zeit“ geht, neigt sich auch der letzte Festivaltag dem Ende zu: Unter dem Titel „Vertrauen in das Wort“ untersuchen die israelische Dramatikerin Sivan Ben Yishai und die schweizerische Schriftstellerin Ivna Žic, wie ein Krieg – nicht nur der seit einem Jahr im Nahen Osten wütende – die Sprache verändert, was die Taten, die Bilder mit der Wahrnehmung und damit dem Denken und Handeln der Menschen machen. Denn für viele beginnt der Tag mit blanker Gewalt.
Das ganze Programm: literaturhaus-freiburg.de
FREZI
SCHWARZWALD.
von Wolfgang Schorlau
Verlag:
Kiepenheuer & Witsch, 2024
448 Seiten, Paperback
Preis: 18 Euro
(ewei). Der elfte Fall, den Wolfgang Schorlau seinem Stuttgarter Privatermittler Georg Dengler zuschreibt, führt diesen zurück zu seinen Schwarzwälder Wurzeln: auf den früheren Familien-Bauernhof in Altglashütten, wo seine Mutter Margret allein lebt.
Irgendwas scheint nicht zu stimmen mit der alten Frau: Nachts sieht sie Gestalten ums Haus schleichen, vermisst Gegenstände, spürt eine allgegenwärtige, doch ungreifbare Bedrohung. Bald merkt der Sohn, dass es keine Alters-Hirngespinste sind. Auch er sieht Schatten huschen, hat das Gefühl, dass Unbefugte nach etwas suchen, wird auf der Fahrt durchs Höllental vorsätzlich von einem Sprinter gerammt.
Außerdem erfährt er, dass seine Mutter mitten in den Auseinandersetzungen um einen Windpark am Feldberg steckt: Sie besitzt dort ein Grundstück, das ein Windenergie-Projektentwickler ihr abkaufen will – doch sie findet die Urkunde über die Nutzungsrechte nicht. Auf der anderen Seite rät ihr die Freiburger Heilpraktikerin Karola, bei der sie in Behandlung ist, vom Verkauf ab: Sie ist Wortführerin der Windkraftgegner – und heimlich verbandelt mit skrupellosen Hintermännern eines Fossil-Energieunternehmens, die vor nichts zurückschrecken.
Lesung: 18. Oktober, 19.30 Uhr, Theater Freiburg, Großes Haus
von Dror Mishani
Übersetzung: Markus
Lemke
Verlag:
Diogenes, 2024
216 Seiten, gebunden
Preis: 26 Euro
(ewei). Die Nachricht vom brutalen, für mindestens 1200 Menschen tödlichen Massaker, das HamasAnhänger am 7. Oktober 2023 in Südisrael anrichteten, ging schnell in die Welt. Dror Mishani überraschte sie in Toulouse, wo der international erfolgreiche Krimi-Autor beim Festival des Littératures Noires einige Talkrunden zu absolvieren hatte.
„Scheiße, der große Krieg hat begonnen“, ist sein erster Gedanke, als er das ganze Ausmaß des Anschlags mitsamt seiner seitens der NetanjahuRegierung angekündigten Folgen begreift. Und der zweite: Zurückkehren, bei der Familie sein – Ehefrau Martha und die beiden Kinder haben dauerhaft Zuflucht in einem der Schutzräume gesucht, über die in Tel Aviv jedes Wohnhaus verfügt.
Er bricht seinen Aufenthalt ab, beginnt noch am Flughafen von Toulouse mit einem Tagebuch, das sich nun als persönlich und gesellschaftlich hellsichtiges Zeitzeugnis erweist. Mishani dokumentiert die Ereignisse der folgenden Wochen und Monate, die Diskussionen um eine angemessene Politik, die Ängste, die wachsenden Zweifel an der Richtigkeit der Ankündigung, „die Hamas zu vernichten“ – und dabei Gaza dem Erdboden gleichzumachen. Er gibt seiner – und der vieler anderer Israelis – Unsicherheit und Ohnmacht einen Ort. Und auch der Überzeugung, dass Rache keine Zukunftslösung bietet.
von Hannes Finkbeiner
Verlag:
8grad-Verlag
Freiburg, 2024
208 Seiten, Paperback
Preis: 35 Euro
(dob). Natürlich muss man, wenn man eine kulinarische und kulturelle Hommage an den Schwarzwald verfasst, auch denen über die Schulter schauen, die das Handwerk perfektioniert haben, die zu Ruhm gekommen sind.
So schaut Hannes Finkbeiner, in Baiersbronn geborener Journalist und Autor, der Sulzburger Sterneköchin Douce Steiner über die Schulter und auch Claus-Peter Lumpp vom DreiSterne-Haus Bareiss. Finkbeiner und Baiersbronn, das lässt natürlich aufhorchen, aber mit der gleichnamigen Gastronomen-Dynastie aus dem Tonbachtal, die die Sternerestaurants „Traube“ und „1789“ betreibt, ist er weder verwandt noch verschwägert.
Dennoch scheint Finkbeiner dieses typische Genuss-Gen aus dem Nordschwarzwald in sich zu tragen. Und hat nun ein lesens- und sehenswertes, unterhaltsames Buch geschrieben, das im kleinen, feinen Freiburger 8grad-Verlag erschienen ist. Er beschreibt, was einen guten Zwiebelrostbraten ausmacht und wo man diesen bekommt. Oder was die Forellen aus Buhlbach so besonders macht. Und warum die Maultasche gerne eine schwäbische Erfindung wäre, es aber gar nicht ist.
Dies und anderes garniert der Autor mit Kulturgeschichte, praktischen Tipps und Rezepten. Das Buch macht Lust und ist wunderbar bebildert von den Oberrotweiler Fotografenbrüdern Ralf und Axel Killian.