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Das Magazin für angewandte Filmkunst


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Zum Geleit

Liebe Leser,

Foto: Sabine Felber

mit einer kinematografischen Sensation kann die Berlinale ihr 60. Jubiläum feiern: Anläßlich der Filmfestspiele wird in Berlin und Frankfurt Metropolis in einer nahezu vollständig restaurierten Fassung präsentiert. Zum ersten Mal seit 80 Jahren ist damit Fritz Langs monumentaler ScienceFiction-Klassiker wieder so zu sehen, wie er 1927 in den Kinos anlief, floppte und doch Maßstäbe für ein ganzes Genre schuf. Die spannende Geschichte von der Wiederentdeckung verschollener Teile und der nicht weniger monumentalen Restaurierung durch die Friedrich-Wilhelm-MurnauStiftung erzählen wir in dieser Ausgabe. Nicht unerwähnt soll dabei aber bleiben, daß der Griff nach den Kinosternen auch damals schon mit härtesten Arbeitsbedingungen am Set verbunden war und die Produktionsgesellschaft beinahe ruiniert hätte. Einer, der sich seit Jahren für die Belange der Filmschaffenden stark macht, ist Jost Vacano. Als Director of Photography war er maßgeblich für den Erfolg einer anderen großen deutschen Produktion verantwortlich, die ebenfalls ein Wagnis war: Unzählige Filme hatte Vacano schon fotografiert, etliche Preise gewonnen, als er die Bildgestaltung für Wolfgang Petersens Kriegsdrama Das Boot übernahm. Was ihn schließlich nach Hollywood brachte, wo er mit Paul Verhoeven einige der

bekanntesten Science-Fiction-Filme realisierte. Im März wird Vacano für sein Gesamtwerk mit dem »Marburger Kamerapreis« geehrt. Wir haben mit dem DoP gesprochen und analysieren seinen bekanntesten Film. Damit können wir Ihnen in dieser Ausgabe die beiden wohl berühmtesten deutschen Leinwandwerke präsentieren, bleiben aber nicht nur bei den Klassikern. Sondern stellen wieder viele junge, neue und zukünftige, Filmemacher vor. Benjamin Heisenberg etwa, der gut drei Jahre an seinem zweiten Film Der Räuber gearbeitet hat. Die Mühe (und zwölf Drehbuchfassungen) haben sich offenbar gelohnt: Im Januar hat er dafür einen »Bayerischen Filmpreis« erhalten (wie übrigens auch Lancelot von Nasos Debüt Waffenstillstand, das wir in XL012 vorgestellt hatten). Und im Februar läuft Der Räuber im Wettbewerb der Berlinale. Herzlichst, Ihr

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Inhalt 14

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Und Action… Denkste! Jost Vacano hat noch ganz andere Filme fotografiert. Darum erhält er ja im März auch den »Marburger Kamerapreis«.

32 Vollendet Der berühmteste deutsche Film war 80 Jahre lang nur verstümmelt zu sehen. Zur Berlinale erscheint das Epos endlich in seiner alten Pracht. 42 Rauben, Rennen, Filmen Wenn einer seinen Beruf wie Leistungssport betreibt, kann er schon mal vergessen, worum es eigentlich geht. 68 Mit den Ohren sehen Mut zeigte die Bavaria, als sie in Angriff nahm, woran zwei HollywoodProduktionen gescheitert waren. Es wurde ein Welterfolg. Aber warum? 82 14 Semester Wer meint, Frieder Wittich habe als Debüt so eine Art College-Klamotte gedreht, sollte besser mal mit ihm reden. Oder sich den Film ansehen. 88 Die nächste Generation Ich hatte einen Traum… bloß welchen? Wir fragten angehende Filmemacher aus aller Welt auf dem Hochschulfilmfest in München.

Als vor zwei Jahren eine fast komplette Kopie von Metropolis entdeckt wurde, war das eine kleine Sensation. Die leider nicht jeder mitbekam. Warten wir mal ab, wenn nun die restaurierte Fassung in die Kinos kommt.

Foto: Murnau-Stiftung, Uwe Dettmar

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Zum Geleit Die Autoren Impressum

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Technik Weite Welt Ruhm & Ehre

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Auf der Couch Das wahre Leben Gesetze der Serie Casting

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Letzte Bilder Vorspann Mein Arbeitsplatz Lexikon Stills Statistik Tip 3 Parallelmontage Rätsel

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Vorspann | Die Autoren

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Texte & Bilder

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Christoph Gröner (links) hat beim Filmkritikstudium (so etwas gibt es!) an der HFF München gemerkt, daß er ins Kino gehört: Als Journalist, Moderator und als Programmer des Filmfest München. Michael Stadler (rechts) studierte nach dem Amerikanistik-Magister Kulturkritik an der Bayerischen Theaterakademie in München. Und lernt weiter: seit einem Jahr Schauspiel in Paris.

Christoph Brandl ist Drehbuchautor, Dokumentarfilmer, Journalist. Er lebte in Tokio und in New York und arbeitet seit Mitte der 1990er wieder in Berlin.

Wer dieses Magazin gemacht hat:

Ian Umlauff ist Diplom-Kameramann und schreibt und fotografiert für diverse Zeitschriften. Zuletzt arbeitete er am Curriculum für den Studiengang Kamera an KHM und IFS in Köln mit.

Sabine Felber mag eigentlich das Mittelformat, macht für uns aber auch mal eine Ausnahme. Ihre Fotos erschienen unter anderem in FAZ, Taz und Süddeutscher Zeitung. Noch mehr Bilder zeigt sie regelmäßig in ihrem Blog:

Jan Fedesz schrieb Filmkritiken, bis er den Bösewicht noch vor Ende des Vorspanns identifizieren konnte. Sein Rekord liegt bei zwölf Sekunden (Draculas Rückkehr), sein größter Flop bei 63 Minuten (Das Dschungelbuch).

www.see-the-story.blogspot.com

Karolina Wrobel gibt in unseren PDF-Nachrichten regelmäßig den Überblick, was im Kino und rundherum läuft. Sie arbeitet als freie Kulturjournalistin und Reporterin in Berlin. Tina Thiele hat das während des Studiums im Casting gearbeitet und das gleichnamige Fachbuch geschrieben. Sie ist Chefredakteurin der Internetplattform www.casting-network.de, die 2006 mit dem »Innovationspreis« des BKM ausgezeichnet wurde. Alexandra Wesolowski, Zarah Schrade und Alireza Golafshan befragten Studenten auf dem Hochschulfilmfest in München. Die drei kennen sich aus: Sie studieren selbst Spiel- und Dokumentarfilmregie an der HFF.

Jana Cerno hat mit ihrem Kollegen Christian Aichner schon vier »Red Dot Awards« und weitere Preise gewonnen. Vor sechs Jahren hatte die Münchner Grafikerin das Layout für cinearte XL entwickelt und uns dann einfach machen lassen. Höchste Zeit, daß sie in dieser Ausgabe wieder c für Ordnung sorgte.

Foto: Sabine Felber | Martin Ernst | privat [6]

Romain Geib ist gebürtiger Luxemburger, lebt in München und schreibt quer durch die Republik für technische Fachpublikationen und Kulturmagazine.

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Impressum Ausgabe 014 vom 31. Januar 2010 Anschrift: cınearte Peter Hartig Friedrichstraße 15 96047 Bamberg Redaktion: Peter Hartig (verantwortlich); Tel. 0951-29746955. Anzeigen: Michael Wesp-Bergmann (verantwortlich); Tel. 089-5529 8563. Redaktionsschluß ist vier Wochen vor Erscheinen der Ausgabe. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernehmen wir keine Haftung.Namentlich gekennzeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung der Redaktion. Nachdrucke, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion. Gerichtsstand ist Bamberg. Es gilt die Anzeigenpreisliste 8 vom 1. Januar 2009. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Christoph Brandl, Jan Fedesz, Sabine Felber, Romain Geib, Alireza Golafshan, Christoph Gröner, Michael Kitzberger, Zarah Schrade, Michael Stadler, Tina Thiele, Ian Umlauff, Alexandra Wesolowski, Karolina Wrobel. Dank an die Mitarbeiter des »Marburger Kamerapreises« für die Bildscans. Soundtrack bei der Erstellung dieser Ausgabe: Ryuichi Sakamoto, David Byrne und Cong Su: The Last Emperor (Virgin, 208749-630); Jan Delay: Mercedes Dance (Universal, B000GNOS2M); Blur: The Great Escape (Parlophone, B000024J7B). Layoutkonzept: ac.cc aichner cerno corporate communications www.web-ac.cc. Druck: Creo-Druck, 96050 Bamberg Vertrieb Einzelverkauf: VU Verlagsunion KG, 65396 Walluf cınearte xl erscheint viermal jährlich und wird herausgegeben von Peter Hartig in Kooperation mit www.crew-united.com. Der Einzelverkaufspreis beträgt 5 Euro. Diese Ausgabe wird allen Mitgliedern der Filmberufsverbände BVK, SFK, BFS und BVB im Rahmen ihrer Mitgliedschaft ohne besondere Bezugsgebühr geliefert. Keine Haftung bei Störung durch höhere Gewalt. cınearte xl wird gefördert von der Kulturwerk der VG Bild Kunst GmbH, Bonn.

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Vorspann | Technik

Neue Welten

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Was hier so klein und blau durch den Urwald stapft, ist nichts weniger als der neue Hoffnungsträger des Großraumkinos. Wie einst Ton und später Farbe soll nun die dritte Dimension das Publikum im Kino faszinieren. In Deutschland wetteifern die beiden größten Kinoketten darin, ihre Säle stereoskopietauglich aufzurüsten, die großen Animationsstudios fertigen regelmäßig eigene dreidimensionale Versionen ihrer neuen (und vergangenen) Abenteuer an, und sogar das ehrwürdige Festival in Cannes eröffnete im vorigen Jahr mit einem solchen Trickfilmwerk. Das ist lustig, aber nicht genug, weil die bunten Späße nicht jeden ansprechen. Aller Augen richteten sich daher kurz vor Weihnachten auf die Leinwand, als James Camerons Avatar anlief: Der erste Spielfilm der neuen Generation, der echte Schauspieler aus der Projektionsfläche treten läßt. Ganz stimmt das nicht, denn auch Avatar ist zum größten Teil ein Animationsfilm. Cameron scheint aber mehr als andere begriffen zu haben, wie die neue Technik am besten wirkt. So richtig zur Geltung kommt der Zauber nämlich erst in ruhigen, langen Totalen in prächtiger Natur. Davon gibt es in Avatar reichlich zu sehen. Das Ökomärchen könnte genausogut am Amazonas spielen, weil er sich da aber nicht so gut auskennt, verlegte der Schöpfer des Terminator die Handlung auf den fernen Planeten Pandora, was sein raffinierter Kunstgriff ist, um die Zielgruppe zu überlisten: Zwischen den üblichen Action-Szenen ist der Science-Fiction-Film nichts anderes als eine überwältigende Naturdokumentation. Und offenbar gefällt das: Avatar hat in vier Wochen weltweit schon 1,6 Milliarden Dollar eingespielt und ist damit der zweiterfolgreichste Film aller Zeiten – hinter Titanic. Über Fortsetzungen wird nachgedacht. c

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Vorspann | Technik

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Foto: 20th Century Fox


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Vorspann | Weite Welt

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Foto: Archiv

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Vorspann | Weite Welt

Savoir vivre Keiner konnte die unerträgliche Leichtigkeit des Seins so schön auf die Leinwand bringen wie er: Wenn zwei Französinnen stundenlang und ohne Ziel durch einen Park schlendern, sich in endlos scheinenden Dialogen verlieren bis schließlich eine von beiden einen Satz sagt wie »Ich werde Jean-Luc verlassen« oder »Ich weiß nicht, ob ich jemals lieben kann« – ja, dann waren wir uns ziemlich sicher: Wir sind in einem Film von Eric Rohmer. Und da mußten wir auch sein, wenn wir die hübsche Kommilitonin aus der Mensa rumkriegen wollten, selbst wenn im anderen Kinosaal Terminator 2 lief. Ganz so schlimm war das nicht, auch wenn die Figuren des Eric Rohmer vor allem eines gemeinsam hatten: Sie redeten end- und grübelten pausenlos, aber handelten wenig. Etwa in der ersten Hälfte der 1980er Jahre im Zyklus »Komödien und Sprichwörter«, zu dem auch Die schöne Hochzeit links im Bild gehört. Da hat eine junge Kunststudentin genug von ihrem Dasein als Geliebte eines verheirateten Malers und beschließt, ihn zu verlassen. Oder will wenigstens darüber reden. Die kopflastige Geschwätzigkeit seiner Helden setzte Rohmer jedoch mit so viel Ironie, Gefühl und Lokalkolorit in Szene, daß seine Werke eine Zeitlang die Vorstellungen vom französischen Kino prägten und in Cannes, Berlin und Venedig ausgezeichnet wurden. Mit Jean-Luc Godard und François Truffaut galt Rohmer als einer der wichtigsten Vertreter der Nouvelle Vague, wie sie fand er als Filmkritiker den Weg auf den Regiestuhl und leitete einige Jahre lang als Chefredakteur die legendären Cahiers du cinéma. Zuletzt hatte er das Historiendrama für sich entdeckt, noch 2007 drehte er, inzwischen 87 Jahre alt, Les amours d’Astrée et de Céladon. Am 11. Januar ist Eric Rohmer in Paris gestorben. c

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Vorspann | Ruhm & Ehre

Publikum 2.0

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Die Berlinale dürfte in diesem Jahr noch größer, bunter, starträchtiger werden als üblich – das 60. Jubiläum steht schließlich an. Fast zur gleichen Zeit läuft das 39. Filmfestival in Rotterdam, das in diesem Jahr neben der A-Konkurrenz aus Deutschland wohl noch mehr um Aufmerksamkeit buhlen muß. Dabei ist Rotterdam eine aufregende Kinostadt. Wie kaum ein anderes weltweit hinterfragt das Festival die Grenzen des Kinos. In den Straßen erleuchtet Kunst im öffentlichen Raum die Häuser, vor den Kino-Leinwänden sind fast alle Plätze auch bei Avantgard-Filmen voll – etwa 350.000 Tickets wurden im Schnitt in den vergangenen Jahren gelöst. Cinephile erleben einen kleinen Coup: Mit »Cinema Reloaded« hat Festivaldirektor Rutger Wolfson die Produktion in die Hände des Publikums gegeben. Drei Projekte von Unmade-Beds-Regisseur Alexis Dos Santos, der links im Bild seine Grußbotschaft als Videostream verschickt, Pipilotti Rist und Ho Yuhang sollen einfach mal übers Internet finanziert werden. Eine verrückt einfache Idee: Jeder kann »Produzent« werden, wenn er mindestens 5 Euro spendet. Die Abspänne der fertigen Filme dürften ziemlich lang werden – denn jeder, der mindestens 25 Euro zuschießt, soll dort einmal namentlich genannt werden. Anfang Dezember ist das Projekt auf der Website www.cinemareloaded.com angelaufen, bis Ende des Monats hatte das Treatment von Dos Santos schon mehr als 1.000 Euro an Land gezogen. Es geht bei ihm um eine Liebe an zwei Enden der Welt, die das Internet zusammenhält. Das paßt natürlich zum Konzept von »Cinema Reloaded«, beschränkt sich aber nicht auf den einen Filmemacher: Alle drei Grußbotschaften der Regisseure, die im Internet zu sehen sind, sind schöne, verquere Einladungen an das Kinopublikum 2.0. c

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Vorspann | Ruhm & Ehre

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Foto: Archiv

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Interview | Jost Vacano

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Foto: Archiv Jost Vacano, Karlheinz Vogelmann

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Interview | Jost Vacano

. Und Action.. Ac Denkste! Jost Vacano hat noch ganz andere Filme fotografiert. Darum erhält er ja im März auch den »Marburger Kamerapreis«. Zeit also, sich mit ihm zu unterhalten. Und nein, wir fragen als erstes nicht nach seinem bekanntesten Film. Interview Peter Hartig

Herr Vacano, ich habe Showgirls nur zum Teil gesehen. Habe ich etwas verpaßt? Nein. Obwohl ich den Film wegen der Fotografie mag. Diese Verbindung von Bühnenlicht, Farben, Tanz und Bewegung in Las Vegas ist fotografisch sehr ergiebig. Auch von der Machart ist der Film sehr gut. Und war dennoch ein Flop. Das Problem waren die Nacktszenen. So etwas war damals in den USA nicht sehr beliebt. Showgirls spielt ja in Las Vegas, wo alle mal hinwollen. Aber sie wollen es eben nicht vor der Haustür haben, links, wo der Kirchenausgang ist. Und so kamen die Leute auch aus dem Kino raus: die Hand vorm Gesicht, wie früher bei uns vorm Beate-UhseShop… Und wegen der Nacktszenen wurde der Film ab  eingestuft, was bedeutet, daß keine der großen Zeitungen Werbung dafür druckte. Auf Video lief Showgirls übrigens sehr gut. Das alles wußten Sie vorher nicht? Paul Verhoeven, der Regisseur, hatte selbst Zweifel, ob das geht. Er vertraute aber völlig seinem Drehbuchautor Joe Eszterhas, der ihm vorher den Erfolg Basic Instinct geschrieben hatte. Schließlich ist Eszterhas Amerikaner und kann die Mentalität

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Interview | Jost Vacano

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besser einschätzen. Die Quittung kam auch gleich: Drehbuch, Regie und Hauptdarstellerin bekamen die »Goldene Himbeere«… …die alljährlich parallel zu den »Oscars« für die schlechtesten Leistungen vergeben wird. Fühlt man sich da mißverstanden? Filme werden nun mal nicht nach ihrer künstlerischen oder handwerklichen Qualität beurteilt, sondern nach ihrem Inhalt. Und den Darstellern. Das zeigt sich, wenn man über die nächsten Projekte spricht. In Europa folgt dann normalerweise die Frage: Wer ist der Regisseur? In den USA heißt es: Wer spielt mit? Der Erfolg ist also eine Frage der Stars? Die Besetzung war bei Showgirls sicherlich ein Problem. Es ist die Geschichte eines Mädchens, das in die Stadt kommt, um Tänzerin zu werden und in einer Stripshow landet. Dort steigt sie auf, indem sie der Konkurrentin ein Bein stellt und sich durch die Betten schläft – eine moderne Version von Alles über Eva. So eine wollte natürlich keine etablierte Schauspielerin verkörpern. Und nackig schon gar nicht. Zudem mußte sie auch noch tanzen können… So kam Elizabeth Berkley an die Rolle, eine verhältnismäßig kleine Darstellerin mit ein paar Auftritten im Fernsehen. Schon hatte sie mit dem Vorurteil zu kämpfen, naja, das Mädchen spielt sich selbst… Mit Paul Verhoeven haben Sie in Hollywood lange zusammengearbeitet – allerdings in einer seltsamen Konstellation: Sie haben sich mit Jan de Bont als DoP abgewechselt. Jan und Paul kennen sich schon seit dem Kindergarten. Nach Türkische Früchte, dem großen Durchbruch, hatten sie Das Mädchen Keetje Tippel zusammen gedreht, und da geschah etwas Merkwürdiges: Jan verliebte sich in die Hauptdarstellerin und weigerte sich, Nacktszenen mit ihr zu dre-

hen. Von denen es einige gab. Was die Zusammenarbeit erstmal unterbrach. Paul suchte verzeifelt nach einem neuen Kameramann, als Rutger Hauer ihm Supermarkt empfahl, den ich gerade fotografiert hatte, und wir machten Soldaat van Oranje zusammen, ein Widerstandsdrama aus dem Zweiten Weltkrieg. Zur Premiere  kam die ganze königliche Familie. Bei uns gab es nicht mal eine synchronisierte Kinofassung. Als nächstes kam Spetters, danach war ich schon beim Boot eingebunden und lange weg. Inzwischen hatten sich Paul und Jan auch wieder vertragen und drehten zusammen Fleisch und Blut und Der vierte Mann, bis er von der Filmkritik in die USA vertrieben wurde. Wie das? Paul mag es drastisch. Er mag Blut. Einmal zum Beispiel hatte die Maskenbildnerin einen Darsteller kunstvoll zurechtgemacht. Blut im Gesicht, ein paar Spritzer am Ohr, lag er auf dem Boden. Paul besah sich das aufmerksam, deutete dann auf einen Drei-Liter-Eimer mit Kunstblut, der danebenstand und fragte die Maskenbildnerin: »Damit hast Du das gemacht?« Sie nickte, und Paul griff sich den Eimer und schütte ihn über dem Darsteller aus. Die ganzen drei Liter. Und er holte Sie dann auch nach Hollywood? Nein, mein erster Film dort war mit John Frankenheimer. Paul und ich haben uns zufällig wiedergetroffen, und ihm gefiel der Gedanke, abwechselnd mit zwei Kameramännern zu arbeiten. Wir haben ja auch zwei sehr gegensätzliche Stile: Bei Jans Fotografie schieben sich die Bilder sehr in den Vordergrund, während ich lieber versteckt arbeite. Später wechselte Jan auf den Regiestuhl, und ich machte die weiteren Filme mit Paul. Sie haben in den USA fast ausschließlich mit ihm gearbeitet.

Fotos: Archiv Jost Vacano | 20th Century Fox

»Wenn man in Europa über nächste Projekte spricht, folgt normalerweise die Frage: Wer ist der Regisseur? In den USA heißt es: Wer spielt mit?«


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Bilder aus der Neuen Welt: In Hollywood traf Jost Vacano den Regisseur Paul Verhoeven wieder, mit dem er in Europa zwei Filme gedreht hatte. Mit dem Zukunftskrimi Robocop begann eine neue Phase der Zusammenarbeit.

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»Die Arbeit an einem Effektfilm macht keinen so großen Unterschied, wie man glauben möchte: Ich drehe die Realität so, wie ich sie in meiner Fantasie sehe. Die Effekte kommen erst später dazu.«

Mit Verhoeven drehte Vacano mehrere Klassiker des effektgeladenen Science-FictionKinos, wie es ab den 1980er Jahren populär wurde (von oben): Hollow Man (2000), Starship Troopers (1997), Robocop (1987) und Total Recall – Die totale Erinnerung (1990). Von der Action auf der Leinwand sollte man sich aber nicht täuschen lassen: Hinter den knalligen Effekten spielten sich menschliche Dramen ab, gegen die selbst die Showgirls (1995) blaß aussehen.

Fotos: Columbia Tristar | Buena Vista | 20th Century Fox | Kinowelt | Tobis

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Das hat sich so ergeben. Dazwischen gab es auch Filme mit anderen Regisseuren, die wurden aber nicht so bekannt. Man ist dort als DoP stärker in ein Projekt eingebunden als hier. Die Vorbereitungszeit ist sehr lang und intensiv – etwa noch einmal die Hälfte der Tage, wie sie für den eigentlichen Dreh kalkuliert werden. Ich habe also immer zwischen einem halben und einem dreiviertel Jahr an einem Film gearbeitet und stand für anderes nicht zur Verfügung. Für mich ist außerdem wichtig, was ich mit meinem Leben anstelle, jenseits der Arbeit. Ich bin nie nach Los Angeles umgezogen, sondern bin immer gependelt. Ich will auch mal eine Pause machen und muß nicht immer noch mehr Geld verdienen. Das haben meine Agenten nie begriffen, daß ich zwischen zwei Filmen nicht mal eben noch schnell einen Werbeclip machen wollte. Ergebnis der Zusammenarbeit waren Filme wie Hollow Man, Starship Troopers, Total Recall oder Robocop – allesamt heute Klassiker des Effektkinos. Wie anders arbeitet man für solche Spektakel? Der Unterschied ist nicht so groß, wie Sie glauben. Ich drehe die Realität so, wie ich sie in meiner Fantasie sehe. Die Effekte kommen erst später dazu. Gerade bei einem Film wie Starship Troopers stelle ich mir das schwierig vor. Die »Bugs«, gegen die die Menschen den ganzen Film über kämpfen, kommen erst im Rechner hinzu. Wie richtet man da das Licht ein? Das ist eigentlich kein Problem. Visualisierung bedeutet ja, daß man ein fertiges Bild im Kopf hat, und da muß ich als DoP auch gar nicht rumprobieren, sondern leuchte praktisch die Luft ein, so daß es später paßt, wenn die Bälle kommen. Die Bälle? Damit hält die VFX-Abteilung die jeweilige Lichtsituation am Set fest. Wenn das Licht gesetzt ist, wird jede Leuchte in einem Plan eingetragen, dann werden drei fußballgroße Kugeln an die Stelle gehalten, wo später der animierte Charakter sein soll. Eine graue, auf der man die Lichtverteilung und den Kontrast erkennt, eine weiße für die Farbe des Lichts und eine silberne, auf der sich die einzelnen Lichtquellen spiegeln. Mit speziellen Computerprogrammen kann dann die Lichtsitua-

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tion für die Animation berechnet werden: Wo fallen Schatten? Wo sind die Spitzlichter? Wie intensiv ist das Licht? Wie sieht es da mit der Kadrierung aus – gerade in Szenen mit viel Action? Da muß der Schwenker tatsächlich umdenken – wenn vorne im Bild nur ganz klein ein Darsteller zu sehen ist und hinten noch ein Riesenmonster eingesetzt werden soll, muß man aufpassen, daß dem nicht der Kopf abgeschnitten wird, weil nicht genug Luft über dem Darsteller gelassen wurde. Die größere Schwierigkeit ist bei solchen Szenen aber sicherlich die Schauspielerführung, daß die Darsteller auch in die richtige Ecke gucken, wenn sie sich erschrecken. Erst recht bei Menschenmassen. Dafür hält man dann meistens etwas als Fixierpunkt ins Bild. Und die ganze Zeit über hat man das fertige Bild im Kopf? Im Kopf oder als Storyboard. Bei so komplizierten Sachen wie Schlachtenszenen arbeitet man natürlich immer mit einem detaillierten Storyboard. Zum einen wegen der Kommunikation zwischen den Abteilungen, zum anderen für die Kalkulation. Es gibt komplizierte, sehr komplizierte und relativ einfache Effekteinstellungen. Wenn die komplizierten, sagen wir mal, . Dollar kosten, die leichten ., kann ich mir ausrechnen, wieviel ich mir von jeder Sorte mit meinem Budget leisten kann. Hollow Man, Starship Troopers, Total Recall, Robocop – durch die Zusammenarbeit mit Verhoeven galten Sie Effekt-DoP. Schon vorher. Das ging mit der »Oscar«-Nominierung für Das Boot los. Dann kam Die unendliche Geschichte. Schon steckte ich in den Schubladen »Action« und »Fantasy«. Mit Showgirls kam noch »Nacktheit« dazu. Als kurz darauf Striptease mit

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Demi Moore geplant wurde, hatte man natürlich gleich an mich gedacht. Frankenheimer, mit dem ich meinen ersten Film in den USA drehte, steht auch für Action, und Verhoeven steckt in der gleichen Schublade. Und man macht in Hollywood ja nur die Filme, die einem angeboten werden. Ich hätte gerne auch mal große Gefühle fotografiert. »Normale« Geschichten hatten Sie doch früher auch gedreht – mit vielen Regisseuren des Jungen Deutschen Films. Mir war früh klar, daß ich Kameramann werden wollte. Darum zog ich , gleich nach dem Abitur, nach München, weil das die Filmstadt war. Ich rief die berühmten Leute an und fragte nach einer Assistenz – Filmschulen gab es ja noch keine. Die fragten, was ich denn schon gemacht hätte, ich erwiderte, nichts, sei aber zu allem bereit, und bekam die Standardantwort, die ich heute selber gebe: Mach erst mal etwas und melde dich dann. Irgendwann besann ich mich auf meine anderen Talente und schrieb mich an der Universität für Elektrotechnik ein. Das betrachtete ich aber als ein Parkstudium – ich wollte ja zum Film. Ich suchte weiter Kontakte und besuchte dafür sogar eine Schauspielschule, Ruth Zerboni in Gauting. Nicht, weil ich das Metier wechseln wollte, sondern um etwas über die Schauspielerei zu erfahren. Und da saß noch einer, der auch nur gucken wollte: Peter Schamoni. Wir haben uns rasch angefreundet, und eines Tages kam Peter mit einer irren Idee an. Damals gab es die Weltjugendfestspiele, die jedes Jahr in einer anderen Stadt des Ostblocks stattfanden. 1957 in Moskau. Peter kannte einige Exilrussen, die die Kontakte herstellten, denen wir ein Filmprojekt anpriesen. Wir hatten eine alte FederwerksBolex, ein Märchenfilmproduzent in München spendierte uns fünf Rollen Schwarzweiß-Material,

Foto: Archiv Jost Vacano

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Interview | Jost Vacano

Erste Kameraarbeit: Auf der Suche nach dem Einstieg in die Filmwelt stieß Vacano auf Peter Schamoni. Mitten im Kalten Krieg reisten die beiden Twens nach Moskau. Aus dem Dokumentarfilm wurde zwar nichts, aber nun kamen erste Aufträge.

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»Der DoP ist in Hollywood wesentlich stärker in ein Projekt eingebunden als hier. Die Vorbereitungszeit ist sehr lang und intensiv.«

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wir kauften eine rote Fahne und fuhren nach Moskau. Dort bekamen wir natürlich einen »Übersetzer«, der auf uns aufpassen sollte. Aber in Moskau waren Hunderttausende Jugendliche versammelt. Es herrschte ein ziemliches Gedränge und mit nur wenig Mühe konnte man seinen Aufpasser verlieren. Abends taten wir dann immer ganz enttäuscht, zwischenzeitlich hatten wir aber auch ganz andere Teile der Stadt gesehen. So kamen wir mit zwei Filmen zurück – einem offiziellen und einem inoffiziellen. Wurden die je aufgeführt? Nicht richtig. Aber der Märchenfilmproduzent war überrascht, daß wir heil zurückkehrten. Ich übernahm dort kleinere Werbeaufträge. Daneben drehte ich mit Peter Schamoni Kurzfilme, etwa über die Anfänge des Massentourismus in Spanien. Damals hatten die sogenannten Kulturfilme im Kino einen festen Programmplatz vor dem Hauptfilm. Zum Fernsehen kam ich in dieser Zeit durch den Theaterregisseur Hansgünter Heyme. Der war der Stiefsohn eine Produzenten, für den ich eine Werbespot-Reihe für 4711 fotografiert hatte, und sollte kleine Einakter für den Saarländischen Rundfunk inszenieren. 1966 hatten Sie und Schamoni mit Schonzeit für Füchse dann ihr Kinodebüt – inzwischen ein Klassiker des Jungen Deutschen Films. Ja, und danach wollten viele Regisseure mit mir drehen. Schon damals hatte ich viel Handkamera eingesetzt, weil diese Bewegung im Bild etwas Menschliches hat, als wäre der Zuschauer als Beobachter direkt dabei. Die Zuschauer werden dadurch in die Handlung gezogen. Und ich hatte meine erste Kreisfahrt. Kreisfahrten sind ja heutzutage sehr beliebt. Ja. Man kann sie auch nur des Effekts wegen

einsetzen. Besser ist natürlich, wenn sie eine Bedeutung haben. Wie bei Mord in Frankfurt, Rolf Hädrichs Fernsehspiel von 1968 über die Auschwitzprozesse? Wir hatten diese lange Szene im Gerichtssaal. In der Mitte sitzt der Zeuge, umgeben von Richtern, Verteidigern, Staatsanwälten. Er war hierhergekommen, um endlich seine Geschichte zu erzählen. Aber jetzt scheint ihm keiner richtig zuzuhören, man läßt ihn nicht aussprechen, alle reden auf ihn ein, über ihn hinweg… Um diesen Eindruck am besten darzustellen, fand ich die Kreisfahrt ideal. Der Zeuge wird von der Kamera umkreist, wie er es in diesem Moment von seinen Gegenübern empfindet. Wir sehen, was sich in seinem Gesicht abspielt, im Hintergrund sind die Redner zu sehen – mal unscharf, mal in den Fokus geholt. Und der Zeuge, obwohl im Mittelpunkt, wird an den Bildrand gedrängt. Haben Sie das in einem Stück gedreht? Ja. Leider hatte der Cutter Angst vor der eigenen Courage und hat das im Schneideraum auseinandergenommen. Wie haben Sie das choreografiert? Gar nicht. Es ist ja nicht zwingend der jeweilige Redner im Bild, nur wenn es wichtig ist – zum Teil kommt der Ton aus dem Off. Die Handlung lief ab, ich drehte und sah zu, daß ich mit Zoom und Schärfe es so hinbekomme, wie ich mir das vorgestellt hatte. Dafür gab’s dann auch meinen ersten Preis, beim Fernsehfestival in Prag. Später folgte der »Deutsche Filmpreis« für Die verlorene Ehre der Katharina Blum unter der Regie von Volker Schlöndorff und Lieb Vaterland, magst ruhig sein von Roland Klick. Eine völlig andere Art Filmwelt betraten Sie dann aber mit den beiden Großproduktionen Das Boot und Die unendliche Geschichte.


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Interview | Jost Vacano

Zur Person.. Jost Vacano

Obwohl ich mit meiner Arbeit an der Unendlichen Geschichte nicht sonderlich zufrieden bin. Vieles steckte noch in den Anfängen. Motion-ControlAufnahmen etwa, also Einstellungen, bei denen Effekte in eine Bewegung eingebaut sind, waren nur mit erheblichem Aufwand möglich – wenn überhaupt. Ständig hieß es »Geht nicht!«, bei Tricksequenzen mußte das Bild immer statisch sein und so wurde der ganze Film für mich zu statisch. Danach war Hollywood wohl der einzig mögliche Weg. Große Action- und Fantasy-Projekte gab es ja nach Das Boot und Die unendliche Geschichte in Deutschland nicht mehr. Oder wie wäre es weitergegangen, wenn Sie geblieben wären? Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, daß alle Beteiligten hinterher sagten: »Nie wieder!« Beim Boot ging alles Erdenkliche schief – bis hin zu dem großen Modell, das eine Fehlkonstruktion war. Beim Dreh vor La Rochelle brach es auseinander und sank. Die Bavaria hat das Abenteuer wohl auch nur deshalb überstanden, weil vieles ganz neu konzipiert im Studio gedreht wurde – übrigens damals eine völlig neue Arbeitsweise – und das U-Boot und alle Modelle schon vorhanden waren und bezahlt. Grundstock für die Verfilmung waren ja zwei Versuche von US-Produktionen, den Bestseller von Lothar-Günther Buchheim zu adaptieren. Unter anderem wollte John Sturges die Geschichte mit Robert Redford verfilmen. Sie kamen aber mit Buchheim nicht klar. So standen in den Bavaria-Studios Modelle in verschiedenen Maßstäben mit Motor und ein lebensgroßes Spielmodell, in dem der Großteil der Innenszenen gedreht wurde – und alles war schon bezahlt. Verlockende Aussichten – und gut für Ihre Karriere: Das Boot wurde einer der erfolgreichsten deutschen Filme und in sechs Kategorien für den

wurde zwar mit dem Boot auf dem Weltmarkt bekannt, da hatte er aber schon gut 35 Kino- und doppelt so viele Fernsehfilme fotografiert und 1976 den »Deutschen Filmpreis« (damals noch »Bundesfilmpreis«) erhalten: Für seine Arbeit an Lieb Vaterland, magst ruhig sein von Roland Klick und Die verlorene Ehre der Katharina Blum von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta. Den Regisseur Peter Schamoni hatte er früh auf seinem Weg in die Filmwelt kennengelernt. Nach vielen gemeinsamen kurzen Dokumentationen machten die beiden 1966 mit dem Spielfilm Schonzeit für Füchse auf sich aufmerksam und Vacano, Jahrgang 1934, fotografierte auch für andere Regisseure des Jungen Deutschen Films. Das Boot und Die unendliche Geschichte ermöglichten dem DoP eine zweite Karriere in Hollywood, die vor allem durch die Arbeit mit dem Regisseur Paul Verhoeven geprägt ist. Vacano ist Mitglied des US-Verbands ASC und des deutschen BVK, wo er sich für die Urheberrechte der Bildgestalter einsetzt – wenn nötig, auch vor Gericht.

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»Nach dem Boot steckte ich in der Action-Schublade. Und man macht in Hollywood ja nur die Filme, die einem angeboten werden. Ich hätte gerne auch mal große Gefühle fotografiert.«

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Den Weltmarkt im Blick: Für Regisseur Wolfgang Petersen (rechts neben der Kamera) fand Vacano die richtigen Bilder im U-Boot. Der Erfolg spülte beide nach Übersee.

»Oscar« nominiert – unter anderem für die Kamera. Heute wird wohl in jedem Artikel über das Projekt auch Ihre Bildgestaltung erwähnt, besonders Ihre Konstruktion der Kreiselstabilisatoren. Das Boot ist ein Paradebeispiel dafür, was ein Kameramann macht. Es war das bis dahin größte deutsche Projekt. Ein Film für den Weltmarkt sollte Das Boot werden! Konkurrenz zu Hollywood! Das Problem war nur: Sowas hatten wir noch nie gemacht. Im Gegensatz zu den US-Produktionen hatten wir keinerlei Erfahrung mit U-Boot-Filmen, nun sollten wir es sogar besser machen. Hollywood zu imitieren, mit Spitzlichtern und heroischer Ausleuchtung, konnte sicherlich nicht der richtige Weg sein, überlegte ich mir. Wie würde ich das machen, wenn ich nicht dauernd an den Weltmarkt denken müßte? Und worum geht es in der Geschichte eigentlich? Um einen Kriegsberichterstatter, der in den Strudel der Ereignisse gerissen wird. Spannend wäre das, wenn es wie ein Dokumentarfilm wirkt. Keine Schienen, keine tausend Leuchten und keine Sprungwände an den Kulissen – die Kamera sollte nur da sein, wo sie auch in Wirklichkeit sein konnte. Damit konnten Sie sich durchsetzen? Als ich es Wolfgang Petersen, dem Regisseur, vorschlug, machte der erstmal große Augen: »Hast du den Weltmarkt vergessen?« Ich erwiderte, der Film funktioniere nur, wenn wir ihn so drehen, wie wir wollen und können. Und es bringt nichts, wenn wir irgendwas kopieren, was wir vielleicht nicht einmal richtig verstanden haben. Die Idee gefiel ihm. Also gingen wir zu Günther Rohrbach, dem Produzenten. Wenn ich je so etwas wie einen Mentor hatte, dann hätte er das sein können – er hat mich mit vielen Leuten zusammengebracht. Rohrbach hörte sich das an und sagte: »Weißt du, daß wir für den Weltmarkt drehen?« Er erinnerte mich an das Risiko, wie viele Arbeitsplätze bei der Bavaria auf dem Spiel stehen… Letztlich habe ich beide überzeugt. Das gesamte visuelle Konzept ist also von Ihnen? Das kann man so sagen. Zum dokumentarischen Stil hätte aber gepaßt, direkt aus der Hand zu drehen. Stattdessen haben Sie mit Kreiselstabilisatoren die natürliche Bewegung eliminiert.

Foto: Archiv Jost Vacano, Karlheinz Vogelmann

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Für Volker Schlöndorffs Die verlorene Ehre der Katharina Blum (1975) erhielt Vacano den »Bundesfilmpreis«.

Mario Adorf (links) stand 1977 vor seiner Kamera im historischen Kostümdrama Tod oder Freiheit – Regie: Wolf Gremm.

Für Die unendliche Geschichte (1984), arbeitete Vacano noch einmal mit Wolfgang Petersen (rechts) zusammen, Mit dem Ergebnis ist er nicht zufrieden: Die Technik stand am Anfang, in den Trickszenen durfte sich die Kamera kaum bewegn. Wodurch der ganze Film zu statisch sei.

Der Action-Spezialist John Frankenheimer war vom Boot so fasziniert, daß er Vacano nach Hollywood rief. Hier begann die zweite Karriere mit 52 Pick-up [1986).

Fotos: Archiv | Archiv Jost Vacano [2] | Karlheinz Vogelmann

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»Der Druck am Set ist heute größer. Wenn bei den Daily Soaps an einem Tag 30 Minuten gedreht werden, gibt das falsche Maßstäbe vor.« Nicht eliminiert – nur abgeschwächt, so daß es nicht stört. Wir hatten auch das Grundprinzip, daß die Kamera nie den Raum verlassen sollte, wo sich ein Mensch auch physisch aufhalten kann, und ließen die Sprungwände sogar wieder festschweißen. Wenn man einfach mit einer normalen Kamera in der Hand durch die engen Kulissen läuft, entsteht zu viel Unruhe, die nicht mehr natürlich wirkt. Kein Mensch hoppelt durchs U-Boot. Außerdem brauchten wir einen künstlichen Horizont: Das Spielmodell stand im Studio auf einer hydraulischen Bühne, die in alle Richtungen bewegt werden konnte, um die Auf- und Abwärtsbewegungen und das Kippen des Boots realistisch darzustellen. Das wird im Bild natürlich nur erkennbar, wenn die Kamera sich nicht mit der Dekoration bewegt, sondern wie ein Kreiselkompass ruhig bleibt. Mit den Stabilisatoren hatten wir einen künstlichen Horizont. Das Prinzip hatten Sie aber schon 1973 für Supermarkt verwendet. Ja. Für Das Boot hatte ich das noch verfeinert und setzte zwei ein – für die Senkrechte und Waagrechte. Nächstes Problem: Der Kameraassistent mußte an diesem äußerst bewegten Gerät die Schärfe ziehen – Funkschärfen gab es noch nicht, also habe ich etwas Ähnliches mit Bowdenzügen gebaut. Ich hatte halt früh Interesse an der Technik und wohl auch ein wenig Geschick. Wenn sich ein Problem ergibt, für das es noch keine technische Lösung gibt, habe ich das selbst entwickelt. Supermarkt zum Beispiel sollte ganz ohne künstliches Licht gedreht werden. Es gab aber zu der Zeit weder High-Speed-Filmmaterial noch entsprechende Objektive. Also habe ich einfach eines selbst gebaut. Wie haben Sie die Lichtsituation im Boot in den Griff bekommen?

Auch das Licht sollte natürlich wirken. Wenn ein U-Boot auf Tauchfahrt ging, konnte es die Dieselmotoren nicht mehr benutzen, alles lief über Batterie, weshalb Strom gespart werden mußte. Also besorgte ich mir einige original Schiffslampen und verstärkte sie an den strategisch sinnvollen Stellen im Schiff. Etwa  Prozent aller Aufnahmen machten wir ohne zusätzliche Lichtquellen. Über dem Offizierstisch installierten wir eine Hängelampe, die mit den Bewegungen des Boots schaukelt und die Gesichter um sie herum abwechselnd in Licht und Schatten taucht. So gaben wir die Bewegungen des U-Boots auch übers Licht wieder. Das visuelle Konzept, das den Film bestimmt, ist also eine Kombination aus beruhigter Kamera, künstlichem Horizont und available light. Und übrigens ohne Originalton: Wegen der Hydraulik der Bühne und weil wir in einer Stahlröhre drehten, mußte alles nachvertont werden. Sind diese Einfälle damals wahrgenommen worden? In den USA wurde die Machart sehr diskutiert. Vor allem zu dem Lauf durch die ganze Länge des Boots gab es immer wieder die Frage, wie wir das gemacht hätten. Und letztlich hat John Frankenheimer mich  wegen dieser Arbeit nach Hollywood geholt. Und da, beim Dreh von 52 Pick-up, gab es eine wunderbare Episode: Der Film spielt in einem Halbwelt-Milieu, und Frankenheimer ließ das mit echten Leuten aus der Pornofilm-Szene besetzen. Er hatte die schöne Angewohnheit, sich und das Team zum Drehbeginn vorzustellen. Als ich an der Reihe war, erwähnte er nur Das Boot, und schon brach Beifall aus. Die Porno-Leute kannten alle den Film! Das klingt nach einem traumhaften Einstieg. Das Boot hat sicherlich viele Türen geöffnet. In Hollywood läuft ja nichts ohne Agenten, und die

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eigentliche Schwierigkeit ist, überhaupt erstmal in eine Kartei zu kommen. Die großen Agenten nehmen gerne bekannte Namen auf, aber ungern Neulinge, weil die nur Arbeit machen. Nun nahm uns Rohrbach alle mit zur Preisverleihung nach Hollywood. Und solange die »Oscars« noch nicht vergeben sind, sind ja alle Nominierten irgendwie wichtig. Wir wurden tagelang herumgereicht, von einem Empfang zum nächsten, wo mich irgendwann einer der entscheidenden Agenten ansprach. Worum man sonst jahrelang kämpfen muß, war plötzlich ganz einfach. Der Start selbst war es weniger, denn ich bekam erstmal kein Visum, weil die Gewerkschaft Einspruch einlegte: Man habe ja keine Zweifel daran, daß ich gut und wichtig sei, aber zur geplanten Drehzeit seien  DoP verfügbar, die in der Gewerkschaft sind, da brauche man keinen von außerhalb. Am Ende ging es doch, indem der Dreh nach San Diego verlegt wurde und kein Union-

Film war, also keiner, der unter den Abkommen mit der Gewerkschaft stand. Eigentlich sollte eine derart starke Kontrolle durch die Gewerkschaft doch ein erstrebenswertes Ziel sein. Gerade, wenn man die gegenwärtige Situation in Deutschland betrachtet. Nur bedingt. Unter sozialen Gesichtspunkten sicherlich. Die US-Gewerkschaften verfolgen ein Closed-Job-Prinzip. Sie schließen Verträge mit den Studios, nach denen diese nur Gewerkschaftsmitglieder beschäftigen dürfen, und zwar zu festgelegten Bedingungen. Das verhindert Lohndumping. Andererseits hatte ich in meinem Kamerateam plötzlich Leute, die nicht ihren eigenen Namen trugen. Als Gewerkschaftsmitglieder dürfen sie nämlich nicht für eine Non-Union-Produktion arbeiten. Mußten sie aber, weil sie den Job brauchten. Mir würde es ja reichen, wenn in Deutschland die geltenden Gesetze eingehalten würden.

Kino Kino lesen! Kinolesen! lesen!

256256 S.,S., Pb.,Pb., zahlr. zahlr. Abb, Abb, 25619,90/SFr S., Pb.,34,50 zahlr. Abb, " 19,90/SFr " 34,50 UVP UVP 172172 S.,S., viele. viele. AbbAbb " 19,90/SFr 34,50 UVP ISBN ISBN 978-3-89472-690-4 978-3-89472-690-4 17222,90/SFr S., viele. Abb " 22,90/SFr " 39,40 39,40 350350 S.,S., Pb.,Pb., zahlr. zahlr. Abb, Abb, ISBN 978-3-89472-690-4 240240 S.,S., zahlr. zahlr. Abb. Abb. " 22,90/SFr 39,40 ISBN ISBN 978-3-89472-691-1 978-3-89472-691-1 350 S., Pb., zahlr. Abb, 240 S., zahlr. Abb. " 29,90/SFr 49,90 49,90 UVP UVP " 24,90/SFr " 24,90/SFr 42,80 42,80 UVP UVP Andreas Andreas Dresen Dresen (HALBE (HALBE TREPPE TREPPE , , " 29,90/SFr ISBN 978-3-89472-691-1 " 29,90/SFr 49,90 UVP " 24,90/SFr 42,80 UVP ISBN 978-3-89472-681-2 978-3-89472-681-2 ALBE TREPPE Andreas Dresen ISBN ISBN 978-3-89472-558-7 978-3-89472-558-7 SOMMER SOMMER VORM VORM BALKON BALKON , (H W,OLKE WOLKE 9, 9, , ISBN Die Die faszinierende faszinierende GeschichGeschichISBN 978-3-89472-681-2 ISBN 978-3-89472-558-7 SWOMMER VORM ALKON ,einer Weiner OLKEder 9,der Zum Zum Start Start vonvon HISKY MITMIT WODKA WBODKA ) ist ) ist WHISKY faszinierende Geschichte Die te desdes Animationsfilms Animationsfilms fürfür Zum von Rudolf Thome Thome ist ist einer einer derder ) deutschen ist einer der Rudolf WHISKY MIT WODKA KASABINETT KStart ABINETT DES DES DR.DPR.ARNASSUS PARNASSUS DASD interessantesten interessantesten deutschen te des Animationsfilms für Erwachsene Erwachsene vonvon denden Anfängen Anfängen Rudolf Thome ist einer der AS K ABINETT DES D R . P ARNASSUS D international international geachtetsten geachtetsten interessantesten deutschen Bildgewaltig, Bildgewaltig, opulent, opulent, märchenmärchenRegisseure. Regisseure. In In seinen seinen semisemiErwachsene von zeigt den Anfängen bis bis zur zur Gegenwart Gegenwart zeigt die die international geachtetsten Bildgewaltig, opulent, märchendeutschen Filmemacher. Filmemacher. In In denden haft-bizarr; Regisseure. In seinen semihaft-bizarr; effektbeladener effektbeladener dokumentarischen dokumentarischen Filmen Filmen verver- deutschen bis zur Gegenwart zeigt die Surrealismen, Surrealismen, grellen grellen ÜberÜberdeutschen Filmemacher. In haft-bizarr;überbordende effektbeladener frühen 60er 60er Jahren Jahren begann begann er den er Fiebertraum, dokumentarischen Filmen ver- frühen Fiebertraum, überbordende bindet bindet sich sich eine eine ungeschönte ungeschönte Surrealismen, grellen Überspitzungen spitzungen gesellschaftlicher gesellschaftlicher frühen 60er Jahren begann er Fiebertraum, überbordende in in Bonn Bonn als als Filmkritiker, Filmkritiker, drehte drehte bindet sich eine ungeschönte Bildfantasie, Bildfantasie, leinwandsprenleinwandsprenSicht Sicht aufauf diedie gesellschaftliche gesellschaftliche spitzungen gesellschaftlicher Zustände und und die die verfremdete verfremdete in bald Bonn als Filmkritiker, drehte gende Bildfantasie, aber aber bald seine seine ersten ersten Filme, Filme, Sicht auf die gesellschaftliche gende Bilder: Bilder: SoleinwandsprenSo lässt lässt sich sich Terry Terry Zustände Realität Realität mitmit einem einem hinterhinterZustände undGenres. die verfremdete Ästhetik Ästhetik dieses dieses Genres. aber bald seine ersten Filme, gende Bilder: So lässt sich Terry u.a. u.a. 1969 1969 R R OTE OTE S ONNE S ONNE . Zu . Zu Thomes Thomes Realität mit einem hinterRAZIL RAZIL , K , ÖNIG K ÖNIG Gilliams Gilliams Kino Kino (u.a. (u.a. B B gründigen gründigen Humor. Humor. DerDer Autor Autor Ästhetik dieses Genres. u.a. 1969 R OTE S ONNE . Zu Thomes RAZIL , K ÖNIG Gilliams Kino (u.a. B bekanntesten Filmen Filmen gehören gehören DERDER gründigen Humor. Der Autor bekanntesten FISCHER FISCHER , 12, 12 MONKEYS MONKEYS , FEAR , FEAR ANDAND verfolgt verfolgt seinen seinen Weg Weg zum zum bekanntesten Filmen gehören DER FIN ISCHER 12 , FEAR AND DETEKTIVE , B,ERLIN BERLIN CHAMISSOPLATZ CHAMISSOPLATZ , , verfolgt seinen Weg zumund LINAS,LVAS EGAS VM EGAS ,ONKEYS B,ROTHERS BROTHERS LOTHING LOTHING anerkannten anerkannten Filmemacher Filmemacher und DETEKTIVE ETEKTIVE ,HILOSOPH BPERLIN C, HAMISSOPLATZ , D IN LAS VEGAS, BROTHERS LGOTHING TAROT , D,ERDPER HILOSOPH D,ASDGASEHEIMNIS GEHEIMNIS anerkannten Filmemacher und TAROT GRIMM RIMM ) charakterisieren. ) charakterisieren. lässt lässt ihnihn in in Interviewpassagen Interviewpassagen , DER PPINK HILOSOPH TAROT www.schueren-verlag.de www.schueren-verlag.de undund zuletzt zuletzt P.INK. , DAS GEHEIMNIS GRIMM) charakterisieren. lässtzuihn in Interviewpassagen selbst selbst zu Wort Wort kommen. kommen. www.schueren-verlag.de und zuletzt PINK. selbst zu Wort kommen.


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Bis dahin hatten Sie Ihre Filme selbst geschwenkt. Da dürfte die Umstellung in den USA schwer gefallen sein. Ich habe auch dort die ersten Filme noch selbst geschwenkt. Die Position des Operators muß besetzt werden, aber es reicht, wenn er nur in Bereitschaft steht, aber bezahlt wird. In den Regelungen geht es nur um den Arbeitsplatz, der auf jeden Fall erhalten werden soll. Und Frankenheimer hatte mich ja gerade wegen der Arbeit direkt an der Kamera gewollt. Später haben Sie sich an den Operator gewöhnt – welches ist die bessere Methode? Ich muß nicht 26 Einstellungen lang auf dem Kran sitzen. Früher war die Arbeit mit Operator auch in Deutschland üblich. Der schwenkende Kameramann ist erst mit dem Jungen Deutschen Film entstanden – man machte Handkamera und hatte eh kein Geld. Wenn man so in einer Einheit mit der Kamera aufwächst, findet man den Operator schrecklich. Ich hatte in Deutschland alles selbst geschwenkt – bis auf Die unendliche Geschichte. Da drehten wir parallel in mehreren Studios, wo es viele Umbauarbeiten gab und immer wieder probiert wurde, ohne daß man die Kamera brauchte. Durch den Operator war ich unabhängiger, ich konnte zwischendurch ins Nachbarstudio gehen und die nächste Szene vorbereiten. Beim Boot wiederum, in dieser Enge, ging das gar nicht. Auch Robocop habe ich noch selbst geschwenkt, bei Total Recall aber hatten wir mehrere riesige Studios. Da mußte viel vorbereitet werden. Paul Verhoeven wollte zuerst nicht, daß ich mit Operator arbeite – er war es auch noch anders gewohnt. Im Laufe des Films hat sich das zunehmend geändert. Für mich war es auch viel wichtiger, neben dem Regisseur zu sitzen, die Eindrücke zu besprechen, als an der Kamera zu kleben. Paul hat sich auch daran gewöhnt und es schließlich selbst als Bereicherung empfunden. Die Videoausspiegelung war da ein großer Fortschritt. Ich richte das Licht ein, probe selbst an der Kamera, und der Operator beobachtet am Monitor, was ich mache. Dann tauschen wir. Nur für manche Szenen habe ich mir die Freiheit genommen, auch mal selbst Hand anzulegen – bei uns Europäern ist man da in Hollywood nachsichtig.

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»Ich muß nicht ständig auf dem Kran sitzen«: Beim Dreh von Total Recall lernte Vacano die Arbeit mit einem Operator schätzen – was sowohl für ihn als auch seinen Regisseur eine Umstellung war. Aus Europa waren sie es anders gewohnt.

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Was ja, nach allgemeiner Vorstellung, die Position des Kameramanns ist. Der Mensch, der an der Kamera aufs Knöpfchen drückt, ja. Zum Glück setzt sich auch bei uns allmählich der Begriff »Director of Photography« durch, wenn es um die Bildgestaltung geht. So, wie das in den meisten anderen Ländern selbstverständlich ist. In der deutschen Bezeichnung »Kameramann« stecken ja drei verschiedene Berufe, die im englischen Sprachraum auch drei verschiedene Bezeichnungen haben: Der cameraman jagt mit dem Camcorder den Nachrichten hinterher oder schiebt die Kameras durchs Studio, der cinematographer arbeitet dokumentarisch, und der director of photography gestaltet die Bilder für szenische Filme, ist also schöpferisch tätig. Was hat solch ein DoP mit den Acht-Uhr-Nachrichten zu tun? Da nähern wir uns der Diskussion ums Urheberrecht. Das ist aber doch inzwischen für Ihren Berufsstand zufriedenstellend geregelt? Nicht ganz. Schon allein deshalb, weil da »Kameramann« im Gesetz steht. Und die Regisseure und Produzenten haben lange Zeit unsere Urheberschaft massiv bestritten. Die wollen uns in der technischen Ecke haben – das ist billiger. Wenigstens werden Kameraleute als Miturheber am Film aufgeführt. Bei »Filmwerken«, wie sie das Urheberrechtsgesetz behandelt, hat sich das inzwischen durchgesetzt. Das deutsche Recht entscheidet in seiner Struktur jedoch nach dem Einzelfall, es gilt nicht pauschal für Berufsgruppen. Lediglich die Regisseure werden in ihrer Gesamtheit durch EU-Recht als Urheber anerkannt. Der Rest wird durch die einzelnen Nationen bestimmt, und da gibt es gravierende Unterschiede. Der französische Kameraverband AFC verzichtet zum Beispiel kategorisch auf die Urheberschaft für seine Berufsgruppe. Die Kollegen wollen keinen Ärger mit ihren Produzenten und Regisseuren. Sie haben Angst, daß es andernfalls an ihre Gagen geht. Angeblich sind die Honorare für französische DoP die höchsten in ganz Europa. Es gibt da einen Zusammenhang. Auch die DoP in den USA sehen sich mehr als Techniker, denn als Künstler, die einen kreativen Beitrag zum Film leisten und damit einen Anteil

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an der Urheberschaft beanspruchen könnten. Dafür verdienen sie aber auch drei- bis fünfmal soviel wie hier. Der Buy-out ist also nicht so schmerzlich. Die Rechtslage ist allerdings auch anders: In Deutschland kann man sein Urheberrecht nicht abtreten, man kann lediglich ein Nutzungsrecht einräumen. Und dazu hat das Urheberrecht in seiner neuen Fassung von  den schönen Satz, das eine »angemessene Vergütung für die Nutzung der Werke« gezahlt werden muß. Weshalb Sie nun gegen die Bavaria und andere wegen der Verwertung von Das Boot klagen. Eine Erfolgsbeteiligung war aber nie vereinbart? Nein. Ich hatte einen ganz normalen Vertrag, wie er für Fernsehproduktionen üblich ist. Und eine Bestsellerregelung… …die Buchautoren eine Beteiligung am Gewinn sichert, falls der Verkaufserfolg und das ursprüngliche Honorar deutlich auseinanderklaffen… …war für die Filmbranche bis  explizit ausgeschlossen. Ein großer Teil des Umsatzes beim Boot wurde aber in dieser Zeit vor der Neufassung des Gesetzes gemacht. In meiner Klage gegen die Bavaria ging es zunächst um die Auskunft, wie hoch diese Erlöse überhaupt waren. Und Sie haben Recht bekommen. Vor dem Landgericht, ja. Jetzt geht es in die Revision vor dem Oberlandesgericht, und ich nehme an, daß danach eine weitere Runde vor dem Bundesgerichtshof folgt. Insgesamt sind dann vier Jahre vergangen, bis ich tatsächlich auf eine Auskunft hoffen kann. Und wir kennen ja die Situation in der Branche – auch die größten Erfolge machen meist keinen Gewinn (schmunzelt). Quersubvention nennt man das wohl oder »kreative Buchführung«. Wenn alles gut geht, folgt die zweite Stufe, in der es eigentlich ums Geld geht. Insgesamt dürfte es also etwa acht bis zehn Jahre dauern. Und ich bin jetzt … Warum tun Sie sich das an? Einer muß es ja machen. Das geht aber nur mit einem bekannten Namen, der nicht erpreßbar ist und einen guten Fall hat – wie Das Boot, das die meisten kennen. Ich mache das für meinen Berufsstand, nicht nur für mich. Erstens haben wir ein Gesetz, das die angemessene Beteiligung festschreibt, es wird aber nicht angewandt. Zweitens


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muß, weil das deutsche Recht ja nach dem Einzelfall entscheidet, zuerst juristisch geklärt werden, ob DoP Miturheber sind und überhaupt einen Prozeß in dieser Sache führen dürfen. Das habe ich schon mal erreicht. Es ist ja auch gar keine Frage: Filme ohne Bilder sind Hörspiele. Im Rückblick auf ein halbes Jahrhundert Filmarbeit auf beiden Seiten des Atlantiks – was hat sich verändert? Die Geschichten jedenfalls nicht. Die Technik schon. Es ist faszinierend, was heute alles an Bildern möglich ist durch Remotekräne, Fingerkameras, ferngesteuerte Modellhubschrauber, oder die Kamera, die im Fußballstadion an Seilen hinter den Spielern herjagt. Die Kameras sind entfesselt worden – das ist all das, was wir früher mit der Handkamera versucht haben. Ein großer Fortschritt ist die Digitalisierung der Postproduktion. Nicht die der Aufnahmetechnik, da geht es nur um ständig neue Hardware, ein Prozeß, den die Industrie steuert, um neue Produkte auf den Markt zu bringen. Aber das Digital Intermediate ist dagegen eine echte kreative Bereicherung. Früher bedeutete jeder Kopiervorgang einen Verlust an Qualität, und Sachen wie Bleichbadüberbrückung oder Entsättigung waren nur Behelfe, um das Bild anders aussehen zu lassen. Das digitale Color Grading bietet viel mehr Möglichkeiten als photochemische Prozesse. Ein Problem entsteht nur, wenn das nicht mehr diejenigen in der Hand haben sollten, die auch die ursprünglichen Bilder gemacht haben. Und in den Arbeitsbedingungen? Es herrscht auf jeden Fall heute ein größerer kommerzieller Druck. Wenn bei den Daily Soaps an einem Tag  Minuten Programm gedreht werden, gibt das falsche Maßstäbe vor, die sich auch auf andere Erzählformate auswirken. Die Drehzeiten bei Fernsehspielen sind fast auf die Hälfte geschrumpft. Früher hatten wir  bis  Drehtage – bei weniger Einstellungen. Ich hatte in Deutschland acht, in Ausnahmefällen mal zwölf Stunden am Tag gearbeitet. Inzwischen bewegen sich Filmschaffende am Rande der Selbstausbeutung. Unter den heutigen Bedingungen wollte ich nicht mehr arbeiten. Ich bewundere meine Kollegen, die da trotzdem noch tolle Filme hinbekommen. c

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Vollendet Das Schlüsselwerk der deutschen Filmkunst war jahrzehntelang nur ziemlich verstümmelt zu sehen. Dann wurde in Südamerika eine vollständige Kopie entdeckt. Zur 60. Berlinale wird Metropolis nun endlich in alter Pracht erstrahlen.

Text Romain Geib | Foto Uwe Dettmar

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Fritz Langs Stummfilmklassiker begann stets mit einer Enttäuschung: »Von dem Film sind nur ein unvollständiges Original-Negativ und unvollständige Kopien gekürzter und veränderter Fassungen erhalten. Über ein Viertel des Films muß als verloren gelten«, hieß es über Jahrzehnte im Vorspann zu Metropolis. Um den Film, der Maßstäbe für die gesamte Filmkunst weltweit gesetzt hat, hat sich ein wahrer Mythos gebildet. Was einst von der Ufa als teuerster deutscher Film und Großangriff auf Hollywood geplant war, endete als kommerzielles Fiasko für die Universum-Film Aktiengesellschaft. Denn der bildgewaltige Stummfilm fiel nach seiner Uraufführung am 10. Januar 1927 im Berliner »Ufa-Palast am Zoo« bei Kritik und Publikum durch. Gerade mal 15.000 Zuschauer innerhalb von fünf Monaten wollten die fast dreieinhalbstündige Langfassung in der


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Durch den Fund von Buenos Aires im Jahr 2008 läßt sich die lang verschollene Originalfassung von Metropolis nahezu wiederherstellen. Im Bild: Die 16-MillimeterKopie, die vorigen Sommer im Deutschen Filmhaus (Wiesbaden) vorgestellt wurde.

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Metropolis war buchstäblich ein Monumentalfilm: mit aufwendigen Spezialeffekten, Kulissenbauten, mehr als 27.000 Statisten und 200.000 Kostümen. Die Dreharbeiten von 1925 bis 1926 dauerten insgesamt 310 Tage und 60 Nächte und kosteten die Ufa damals mehr als fünf Millionen Reichsmark. Für die Aufnahmen hatten Lang und seine beiden Kameramänner Karl Freund und Günther Rittau ursprünglich mehr als 500.000 Meter Film belichtet. Es war der bis dahin teuerste deutsche Film – und inspiriert bis heute den »Look« der Zukunftsvisionen im Kino.

Fotos: Murnau-Stiftung

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Hauptstadt sehen, woraufhin die bereits finanziell angeschlagene Ufa den Film zurückzog, und eine deutlich gekürzte Fassung herstellte – für die deutschlandweite Aufführung im Sommer 1927 und den Export. Dabei orientierte man sich an der bereits 1926 erstellten amerikanischen Verleihfassung der Paramount, die um fast ein Drittel auf gängige Kinolänge gekürzt und dabei inhaltlich verstümmelt wurde. Die Handlung wurde extrem vereinfacht, Schlüsselszenen herausgeschnitten. In der Folge des Ufa-Niedergangs schien die ursprüngliche Langfassung seitdem als verschollen. Erst in den 1970er Jahren erwachte neues Interesse an Fritz Langs stilbildendem Meisterwerk, es zählt heute weltweit zu den zeitlosen Klassikern der Filmgeschichte. Außerdem gilt dieser Stummfilm als eines der einflußreichsten Werke des deutschen Expressionismus. Als erster Film überhaupt wurde Metropolis von der Unesco 2001 in das Weltdokumentenerbe aufgenommen – neben den Nachlässen von Goethe und Schiller, Beethovens Neunter Symphonie, Grimms Märchen und dem Nibelungenlied. Jahrzehntelang fahndeten Filmhistoriker und Archivare nach den geschnittenen Szenen der ursprünglichen Langfassung, die für die Nachwelt verloren schienen. Entsprechend groß war in deutschen Fachkreisen der Rummel, als im Sommer 2008 eine Nachricht aus Buenos Aires vom Sensationsfund eines 16-Millimeter-Negativs von Metropolis mit den verschollen geglaubten Szenen bekannt wurde. Die Rückverfolgung der historischen Spur liest sich wie eine spannende Schatzsuche, die über 80 Jahre zurückreicht: Unmittelbar nach der Berliner Welturaufführung von Metropolis im Januar 1927 erwarb der südamerikanische Filmverleiher Adol-

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fo Z. Wilson eine Fassung des Films, die noch von den kurz darauf erfolgten drastischen Verleihkürzungen verschont geblieben war. Er brachte den Film im Mai 1928 in der ursprünglichen Langfassung mit mäßigem Erfolg in die argentinischen Kinos. Wenig später gelangte der Filmkritiker Manuel Peña Rodríguez an die Rollen und bewahrte das Filmmaterial vor der sicheren Zerstörung am Ende der Auswertungszeit, indem er es in seine private Sammlung aufnahm. In den 60ern verkaufte Peña Rodríguez die Filmrollen an den staatlichen Nationalen Kunstfonds Argentiniens. Noch immer ahnte offenbar niemand etwas vom wahren Wert der Metropolis-Filmkopie. Doch das 35-Millimeter-Filmmaterial aus Nitrozellulose galt als tickende Zeitbombe, weil es leicht entflammbar war. In den 70er Jahren wurde deshalb von der inzwischen stark beanspruchten Nitrokopie eine, aus heutiger Sicht nicht sehr fachkundige, Dup-Sicherheitskopie auf 16-Millimeter-Negativ gezogen, und das Nitromaterial vermutlich vernichtet. Während die Filmhistoriker weiter in den Archiven der Welt, von Moskau bis New York, nach den verschollenen Metropolis-Szenen suchten, schlummerte der Filmschatz weiterhin in den Beständen von Buenos Aires. Erst 1992 wurde das 16-Millimeter-Negativ als Teil der einstigen Sammlung von Manuel Peña Rodríguez in Buenos Aires dem Filmmuseum übergeben. Die hauptstädtische Kinemathek, die dürftig ausgestattet vor sich hindümpelte, zeigte sich über Nachforschungsanfragen nicht eben begeistert. Auch Fernando Martín Peña, Leiter der Filmabteilung des Museums für Lateinamerikanische Kunst, klopfte auf seiner Suche nach dem Verbleib einer Metropolis-Filmkopie aus den 60er Jahren vergeblich an diese Tür.

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Seit Jahren schon verfolgte Peña den Hinweis eines ehemaligen Kinoclub-Betreibers, der sich daran erinnerte, einst eine besonders lange Metropolis-Version gespielt zu haben. Als im Januar 2008 dann Paula Félix-Didier in der argentinischen Hauptstadt die Leitung des kleinen Filmmuseums »Museo del Cine Pablo C. Ducros« übernahm, kam der Stein ins Rollen. Die neue Direktorin verschaffte ihrem Ex-Mann, dem »Jäger des verlorenen Schatzes« Fernando Martín Peña, nach jahrelangen vergeblichen Bemühungen Zugang zu den Filmbeständen. Die gemeinsame Begutachtung der Sammlung förderte dann die 16-Millimeter-Sicherheitskopie von Langs Schlüsselwerk zu Tage – in der Originallänge von 1926 mit den vermißten Szenen. Als die Museumsleiterin die filmhistorische Tragweite des Fundes erkannte, nahm sie im Juni 2008 sofort Kontakt nach Deutschland auf. Der Journalistin Karen Naundorf vom Zeit-Magazin, die sie kurz zuvor kennengelernt hatte, erzählte sie von der Entdeckung, um die Nachricht in Deutschland publik zu machen. Hier war ihr größere Aufmerksamkeit für den Fund gewiß als in ihrem Heimatland. Schließlich sollte der Filmschatz in die richtigen Hände gelangen und nebenbei der kleinen Kinemathek über Nacht zu einiger Reputation verhelfen, ja ihr vielleicht sogar die für ihren Neuaufbau dringend nötige Unterstützung verschaffen. Doch in Deutschland hielt man sich erst einmal vorsichtig bedeckt. Zu oft war man schon Falschmeldungen erlegen. Daraufhin wandte sich Fernando Martín Peña in Madrid an den renommierten spanischen Filmexperten Luciano Berriatúa. Der Stummfilmspezialist, der mit der FriedrichWilhelm-Murnau-Stiftung schon zusammengear-

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beitet hatte, räumte die letzten Zweifel aus – auch bei seinem deutschen Kollegen Martin Koerber. Alle Experten waren sich bald sicher, daß sich unter den nun entdeckten Szenen gleich mehrere Teile fanden, die sich für das Verständnis des Films als essentiell erwiesen. Mit großer Spannung erwartet und nach einem Verhandlungsmarathon auf höchster politischer Ebene, trafen schließlich im Juli 2009 die kostbaren Filmrollen bei der Stiftung in Wiesbaden ein. Vorausgegangen war in Buenos Aires die Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem argentinischen Stadtminister für Kultur und der MurnauStiftung, mit der die Überlassung des wiedergefundenen Materials besiegelt wurde. Im Gegenzug erklärte sich die Stiftung bereit, die Übertragung des gefundenen Filmmaterials auf sichere neue Datenträger zu finanzieren. Als zeitaufwendiger Schritt stellte sich der Abgleich des bisher bekannten Materials mit der neuen ramponierten, aber rund 30 Minuten längeren Fassung aus Buenos Aires heraus. »Schließlich hatte man in der Vergangenheit ja diese 30 Minuten nicht am Stück herausgeschnitten, sondern innerhalb zahlreicher Szenen des Films gekürzt«, erläutert die Filmwissenschaftlerin Anke Wilkening von der Murnau-Stiftung. Sie gehörte dem Restauratoren-Team aus Stummfilm-Koryphäe Martin Koerber und dem musikalischen Verantwortlichen und Dirigenten Frank Strobel an. Koerber hatte bereits neun Jahre zuvor maßgeblich zur ersten digitalen Rekonstruktion von Langs Weltklassiker beigetragen, basierend auf der Schnittfolge und der Zwischentitelplazierung von Enno Patalas’ vorausgegangener Version am Münchener Filmmuseum. Beide hatten jeder für sich die Überlieferung des Films erforscht und mit dec


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tektivischer Akribie in mehrjähriger Kleinarbeit der Verbreitung der drei Metropolis-Originalnegative (Ufa, Paramount, Auslandsvertrieb) nachgespürt, von denen alle späteren Kopien und natürlich auch restaurierte Fassungen abstammten. Anders als Patalas griff Koerber soweit wie möglich auf das Paramount-Originalnegativ aus dem Bestand des Bundesfilmarchivs zurück, wegen dessen besserer Bildqualität und größerer Originaltreue zu Fritz Langs ursprünglichem Schnitt. Das nach all den Jahren verbliebene deutsche UfaOriginalmaterial habe nach Koerbers Auffassung zudem nicht mehr aus Aufnahmen erster Wahl bestanden: weil das Original mit der Zeit verschlissen war, sei damals bei vielen Szenen das KameraOriginal durch Kopien aus Dup-Negativen ersetzt worden. Bei anderen Szenen habe man sogar das von Fritz Lang ausgewählte Material ausgerechnet durch vorher bereits ausgemusterte Aufnahmen ausgetauscht. So habe die »originalere« amerikanische Paramount-Fassung in manchen Fällen die Takes mit den deutlich besseren schauspielerischen Leistungen beinhaltet. Als Summe zahlreicher Fragmentfunde aus der ganzen Welt entstand im Auftrag der Stiftung die bis dahin werkgetreueste und vollständigste Wiederherstellung des monumentalen Filmwerks mit einer Gesamtlaufzeit von 147 Minuten. Was aber nach dem Sensationsfund bei der dreimonatigen Puzzle-Arbeit zur neuesten Wiederherstellung entscheidend half, war die Verbindung der Arbeitsschritte Rekonstruktion der Kopie und Adaption der Musik. Die komplett erhaltene Originalmusikpartitur von Gottfried Huppertz lieferte bei der Wiederherstellung von Langs ursprünglicher Montage große Orientierungshilfe: Der Klavierauszug zählte neben Zensuraufzeichnungen,

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Kritiken und Patalas’ Studienfassung zu den wichtigsten erhaltenen Quellen des RestauratorenTeams, weil sie hilfreiche Informationen zu Szenenlänge oder Dramaturgie lieferten, in manchem präziser als Thea von Harbous Drehbuch, von dem Lang bei den Dreharbeiten bisweilen abwich. Frank Strobel, der die Live-Aufführung auf der Berlinale dirigiert und die neue DVD-Einspielung von Huppertz’ Originalmusik adaptiert hat, lieferte den Filmhistorikern die fachliche Unterstützung als Musiker.

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Noch vor Beendigung einer groben Arbeits-Fassung konnte sich Koerber als Leiter des Filmarchivs der Stiftung Deutsche Kinemathek ziemlich sicher sein: Mit den neuaufgetauchten Szenen war nun endlich die Chance gegeben, Langs Originalfassung von einst zu realisieren. Kulturstaatsminister Bernd Neumann erklärte sich umgehend bereit, die »große Lücke im Filmerbe Deutschlands zu schließen« und stellte 200.000 Euro aus dem Fördertopf seines Hauses bereit. Allerdings blieben bis zur feierlichen Weltpremiere der vollendeten Fassung auf der Berlinale 2010 nur wenige Monate. Der Zeitplan sei »recht ehrgeizig«, räumte man im Sommer bei der Murnau-Stiftung mit einer Portion Zuversicht ein. Allein schon rettungstechnisch blieben extreme Hürden zu überwinden. Die größte Herausforderung des Restaurierungsprojektes stellte der problematische Zustand des gefundenen Materials dar. Im wiederentdeckten 16-Millimeter-Dup-Negativs waren sich zahlreiche Schäden und Laufschrammen der alten 35-Millimeter-Nitrokopie miteinkopiert. Für die anspruchsvollen digitalen Korrekturen und Retuschen, die den Rahmen jeder üblichen Filmrestaurierung sprengen sollten, wurden zunächst fünf ausgewählte Spezialfirmen

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konsultiert und um Testvorschläge gebeten. Die für September 2009 erwarteten Versuchsergebnisse sollten das weitere Vorgehen bestimmen. Oft gehen die zur Anwendung vorgeschlagenen Techniken und Vorgehensweisen auseinander – je nach »Philosophie« der Restauratoren. Die Herangehensweise an das stark beschädigte 16-Millimeter-Material aus Argentinien habe eine heikle Gratwanderung dargestellt, meinten Beteiligte. Es galt minutiös abzuwägen, wie weit man in das kostbare Material »eingreifen« konnte, ohne zusätzlich Artefakte zu produzieren. Den in das 16Millimeter-Material einkopierten Schäden sei durch traditionelle Methoden wie Reinigung oder Wet-Gate-Abtastung oder herkömmliche Korrekturtools nicht beizukommen gewesen, so Thomas Bakels, Betriebsleiter von Alpha-Omega Digital. Die vorhandenen extremen Bildbelastungen hätten die Entwicklung einer gänzlich neuen adäquaten Software erfordert. Die spezialisierte Münchner Firma verfügt über einmaliges Know-how bei der Rettung historischer Filme und hatte dies bereits bei der vorangegangenen Metropolis-Grundrestaurierung bewiesen. Die Murnau-Stiftung ließ sich überzeugen: mit der im Hause eigens programmierten Restaurations-Software Rett Magic habe man es geschafft, die ursprünglich als »unrestaurierbar« geltenden verlorenen Szenen »hinter dem ›Vorhang‹ der im Übermaß prasselnden Kratzer hervorzuholen«, freut sich der kreative Filmretter. Allerdings geht jeder geglückten Filmrestauration und Retusche als grundlegender Sicherungsschritt stets ein hochqualitativer Scanprozeß des wertvollen Originalmaterials voraus. Dieser verantwortungsvollen Aufgabe verpflichtete sich das Münchener Filmunternehmen Arri Film & TV. Am


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Die Tausenden Komparsen rekrutierten sich aus Arbeitslosen, die billig und in großer Zahl verfügbar waren. Ein tägliches Drehpensum zwischen 14 und 16 Stunden unter schwersten Studiobedingungen war keine Seltenheit für das Filmteam. Viele fielen wegen Krankheit aus. Meist erging es den tyrannisch geführten Komparsen und Teammitgliedern nicht viel besser als den Arbeitssklaven im Film, die für ein monu-

Fotos: Murnau-Stiftung

mentales Kunstwerk des Herrschers schwer arbeiten und leiden mußten. Auf dem großen Foto ist Fritz Lang links neben der Kamera zu sehen, die auf einer Plattform auf zwei Booten steht.


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Der Torso nimmt Gestalt an und Szenen und Einstellungen werden wiederentdeckt: Wie das Mädchen, das in den »Ewigen Gärten« geschminkt wird (oben), oder »Der Schmale«, der Freder überwacht (unten). Allerdings zeigen die Bilder aus dem in

Arriscan wurde dabei Bild für Bild hochaufgelöst in 2K abgetastet. Zum Einsatz kam ein neuartiges Doubleflash-Scanverfahren, das mittels zweier unterschiedlicher Abtastdurchgänge insbesondere bei kontrastreichen Schwarzweiß-Materialien aus Lichtern und Schatten ein Höchstmaß an Zwischentönen herauszuholen vermag. Auch angesichts der Eingeschränkungen des 16-Millimeter-Formats schien die Technik besonders angebracht, um im eigenen Hause eine bestmögliche spätere Ausbelichtung auf 35-Millimeter-Film zu gewährleisten. Zuvor hatte sich das Arri-Team (in Zusammenarbeit mit Bavaria Cinepostproduction) unter anderem erfolgreich dem Remastering von R. W. Fassbinders 16-Millimeter-Fernsehproduktion »Berlin Alexanderplatz« (1978) gewidmet, das 2008 schon auf der großen Berlinale-Leinwand zu bewundern war. Weiterhin kam es der Berliner Firma Trickwilk zu, für die wiedergefundenen (spanischen) Passagen entsprechende deutsche Zwischentitel-Tafeln und Inserts in stilechter Typografie zu realisieren. Sicher war, daß trotz modernster Restaurierungstechnik die ergänzten Teile im Vergleich zur Fassung von 2001 stets qualitativ erkennbar bleiben würden. Doch sei es anhand des Neumaterials, berichten Vertreter der Murnau-Stiftung, im Ergebnis gelungen, »die bisherige Struktur des Films wesentlich zu verändern und den Rhythmus des Films wiederherzustellen.« Auch für den »normalen« Zuschauer werde jetzt die ursprüngliche Intention des Films mit allen Nebenfiguren und Nebenhandlungen »wieder erfahrbar«.

Argentinien entdeckten 16-Millimeter-Dup-Negativ auch, vor welcher Aufgabe die Restauratoren standen.

Durch das Einfügen der neuen Szenenteile erscheinen nun einige Szenen dramatischer und einzelne Figuren verständlicher: So wird die Rivalität zwischen dem Erfinder Rotwang (Rudolf

Fotos: Murnau-Stiftung, Museo del Cine | Bildbearbeitung: Dennis Neuschäfer-Rube für Zeit-Magazin

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Klein-Rogge) und dem Herrscher Fredersen (Alfred Abel) um eine geliebte Frau, die beiden dann verlorengeht, jetzt transparenter. Somit erhält der bedeutsame Akt der Erschaffung des Maschinenmenschen Maria (Brigitte Helm) seine Motivation

bringlich verloren geglaubte Originalfassung von Metropolis zu restaurieren, steht symbolisch für die Verpflichtung der Murnau-Stiftung, unser reiches filmisches Erbe zu pflegen und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.«

viel differenzierter aus seinem Verlust der Frau heraus. Dies treibt ihn dazu sich »seine« Hel als weibliches Kunstwesen neu zu erschaffen.

Fritz Langs epochales Meisterwerk hat bis heute nicht aufgehört, Inspirationsquelle für Filmemacher und Kreative der Popkultur zu sein – ob nun kontrovers, als abendfüllender kolorierter Kino-Musikclip mit Giorgio Moroders Popklängen als Soundtrack (1984), kultig, als Vorlage für Videoclips von Madonna und Queen, oder stilbildend, für das futuristische Design von Ridley Scotts Blade Runner (1982), George Lucas’ Krieg der Sterne (1977-2005) und den »Look« neuester Comics-Verfilmungen. Zuletzt hatte der ehemalige EichingerWeggefährte Thomas Schühly (Alexander) 80 Jahre nach der Welturaufführung vom Wiener SesslerVerlag die Neuverfilmungsrechte an Metropolis erworben, um mit dem US-Erfolgsproduzenten Mario Kassar (Total Recall) als Co-Produzent ein Remake zu wagen. Trotz weltweiter Verhandlungen mit namhaften Regisseuren ist das Ergebnis dieser Suche noch offen. Eins ist sicher: der Mythos lebt weiter. c

Einher mit der neuen finalen Bildfassung ging natürlich auch eine entsprechende Neu-Edition der kompletten Originalfilmmusik von Gottfried Huppertz aus dem Jahre 1927, die Frank Strobel mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin adaptierte. »Insgesamt«, so die erfreuliche Bilanz der Restauratoren, »läßt die fertiggestellte Version den Film ein gutes Stück mehr Fritz Lang sein und bringt uns der Erstaufführung von 1927 so nahe wie noch nie.« Für Eberhard Junkersdorf, den Kuratoriumsvorsitzenden der Murnau-Stiftung, geht mit der Restaurierung und Wiederaufführung von Metropolis ein großer Traum in Erfüllung: »Der über Jahrzehnte nie aufgegebene Wunsch und die unermüdlichen Anstrengungen, Fritz Langs unwieder-

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Rauben, Rennen, Filmen Benjamin Heisenberg hat seinen zweiten Film über einen Serienbankräuber, Marathonläufer und verdammt modernen Menschen gedreht. Die Geschichte eines Drehs auf Adrenalin.

Text Christoph Gröner Fotos Michael Kitzberger

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Foto: Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion – Peter Heilrath Filmproduktion


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Drei Jahre lang arbeitete Benjamin Heisenberg hauptsächlich an seinem zweiten Film. Mit erstem Erfolg: Sein Räuber rennt im Wettbewerb der Berlinale.


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Marathonläufer kennen das Gefühl, wenn sie im Fluß sind. Wenn es wie von selber läuft. Es geht weiter, so weit die Beine tragen; die Gedanken sind ausgeschaltet. Johann Kastenberger war so einer, der nicht anhalten wollte und konnte. Als erfolgreicher Läufer – und als Räuber, der  Österreich in Atem hielt. Er wurde als »Pumpgun Ronnie« bekannt, denn er trug bei fast allen seinen Taten eine Gummimaske mit dem Konterfei Ronald Reagans. Ein Getriebener. Wieder und wieder: Rennen. Geld einsacken. Und nicht nachdenken, wieso. Der österreichische Autor Martin Prinz hat über den Fall vor wenigen Jahren den Roman Der Räuber geschrieben. Er ist selbst Ausdauersportler und hatte den Schwerverbrecher als Jugendlicher flüchtig bei einem Lauf kennengelernt. Später erkannte er den Mann, der in Österreich einen der größten Polizeieinsätze überhaupt auslöste, auf Zeitungsfotos wieder. Am Ende war der Bandit tot, und Prinz ließ die Geschichte nicht mehr los. So viel zu den Fakten. Benjamin Heisenberg hat aus diesem Buch seinen zweiten Film gemacht. Er ist mit den Fakten frei umgangen, hat sich den Stoffe einverleibt und ins Heute übersetzt. Sein Räuber ist ein Actionfilm, ein Psychogramm, eine ausweglose Liebesgeschichte, und ein Film – der zur richtigen Zeit kommt. Er wirkt, als ob er die Krise unserer ganzen Arbeits- wie Wertesystems in einer Figur verdichten wollte. Konzentrierte Beobachtung und rasende Kamera greifen hier ineinander, immer bereit, an diesem Haken schlagenden Charakter dran zu bleiben. »Er ist ein Tier«, sagt Benjamin Heisenberg über seine Filmfigur. Einer, der seine Emotionen nicht verbal, sondern nur in Handlungen ausdrücken könne. Seinen Film wollte Heisenberg deshalb auch phasenweise wie eine Tierdokumentation anlegen, eher die Beobachtung eines Phänomens als eine psychologische Ausdeutung anbieten. Er zieht Parallelen zu Der Fremde von Camus, in seiner Hybris sei Rettenberger auch Raskolnikov in Schuld und Sühne ähnlich. Vor allem ist Rettenberger eines: ein moderner Mensch. Es liegt nahe, die Situation des Filmhelden mit heutigen Arbeitssituationen abzugleichen. Hier

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»Ein Tier«, nennt der Regisseur seinen Helden. Weswegen er den Film auch phasenweise wie eine Naturdokumentation anlegte. Der Räuber wurde zum großen Teil außen gedreht – in zwei Teilen im Sommer und Winter. Die Drehtage waren lang, mit drei bis vier Motivwechseln am Tag.

Foto: Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion – Peter Heilrath Filmproduktion

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Der Regisseur ging frei mit den Fakten um. Sein Titelheld betreibt seine Raubzüge wie einen sportlichen Wettkampf – bis ihn die Liebe zum Straucheln bringt. Andreas

wie dort zählt Effizienz und Gefühlskontrolle. Rettenberger ist eigentlich die Fleisch gewordene Rationalisierung. Stets kontrolliert er seinen Puls, registriert die Daten seines Körpers und das Adrenalin, das er so ausschüttet, beim Rennen und Rauben. Damit alles noch besser, noch schneller, noch öfter geht. Was ihn dann doch ins Straucheln bringt, ist natürlich die Liebe, mit der er, so sagt der Rettenberger im Film, »nicht gerechnet« hat. Sie ist Sand im Effizienzgetriebe. Heisenberg erzählt von der entscheidenden Hürde des Films. Diesen Charakter so für die Leinwand zu erschaffen, daß er den Film trägt, eine Figur, die kaum Ausdruck haben darf, weil die Emotionen nicht nach außen dringen, bei der zugleich aber jede Bewegung wichtig wird, weil jede Handlung die Innenwelt mit erzählt. Andreas Lust meisterte diese Hürde, und trainierte hart dafür. Der Wiener Schauspieler hatte zwar auch vorher schon in Revanche einen Läufer gespielt, hier aber trainierte er noch einmal mit dem Autor Martin Prinz zusammen – vier Monate lang. »Ein fettes Pensum«, sagt Benjamin Heisenberg, aber Lust wurde darüber zum Leinwand-Marathonmann. Der Schauspieler läuft mit blassem, kantig ausgezehrten Gesicht extrem überzeugend durch den Film – die Drehtage waren lang. Einer der Produzenten des Films, Michael Kitzberger, dazu: »Sein physischer Zustand und das, was er spielen sollte, haben sich gut getroffen«. Lust schlief wenig und lief viel. Franziska Weisz als die Frau, die sich in ihn verliebt, wirkt hier um so sinnlicher, weil er wie Draht ist.

Lust bereitete sich hart für die Rolle vor. Vier Monate lang trainierte der Wiener Schauspieler für seinen Auftritt als Marathonmann.

Welche aktuelle Bedeutung so ein Leben ohne Ruhe haben könnte, konnten der Regisseur und seine Produktionsfirma am Anfang noch gar nicht ahnen. Ende  wurde der Film von der österreichischen Nikolaus-Geyrhalter-Filmproduktion optioniert, auf der Berlinale  trafen sich die Produzenten mit Heisenberg – lange, bevor die aktuelle Finanzkrise um sich griff. Aber die Produktionsfirma, die für bittere, genaue dokumentarische Beobachtungen (Unser täglich Brot) steht, und der Regisseur, der einen genau fotografierten Film über Überwachung und die Unsicherheitsgesellschaft als Debüt vorgelegt

Foto: Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion – Peter Heilrath Filmproduktion

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hatte (Schläfer), erkannten da einen zeittypischen Charakter, der wie eine Art Blaupause ist für ein Denkmuster, daß Erfolgsmenschen ausmacht. Jetzt, nach allen Renditeversprechen, Immobilienblasen und Billionenschulden hat das Porträt noch weiter an Brisanz gewonnen. Heisenberg hatte sich eigentlich schon vor dem Treffen für den Stoff entschieden, er las ihn auf dem Weg zur Berlinale im Flugzeug: »Mit vielen psychologischen Eigenheiten konnte ich mich gut identifizieren.« Natürlich ist da die Verbindung von Alltag und Wahnsinn, die ihn bewegte: »Menschen, die unter einem hohen Druck stehen, ob in der Wirtschaft oder eben Bankräuber, leben einfach kein normales Leben«, sagt Heisenberg. Und natürlich ist auch das Leben als Regisseur alles andere als normal. Von  bis  ließ er sich hauptsächlich auf diesen Film ein. Von seiner Frau

Alexandra und seinen zwei Kindern, das jüngste nun gerade mal wenige Monate alt, hat er in manchen Drehphasen nicht viel mitbekommen. Heisenberg, dem als Regisseur und Mit-Herausgeber der Filmzeitschrift Revolver immer daran gelegen ist, Zeit und Gesellschaft im Kino zu spiegeln, konzentrierte sich damit auf einen Film zu einem großen psychologischen Thema. »Sich selbst spüren in einer Gesellschaft, die so abgefedert ist, ist ein riesiges Thema. Wann kommt man wirklich in Kontakt mit seinen Gefühlen?« Mit Martin Prinz schrieb Heisenberg von  bis  an dem Drehbuch, um diese Fragen anzugehen – die zwölfte Fassung schaffte es in den Dreh. Er hat das Pathologische seiner Hauptfigur dabei reduziert, das Vitale seines Räubers betont. »Das Faszinierendste ist: Rettenberger schiebt das Geld unter das Bett und schaut es nicht mehr an«, sagt

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Der Räuber kommt nicht zur Ruhe. Die Beute interessiert ihn nicht. Für Heisenberg ist er ein Symbol für den Zeitgeist, für Menschen, die nur für den Wettbewerb leben – ganz gleich, ob Banker oder Bankräuber.

Foto: Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion – Peter Heilrath Filmproduktion

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Heisenberg. Das stete Beschleunigen sei »das Zeitgemäße« der Figur. Was weitere Fragen provoziert, nicht nur beim Filmemacher: »Wie leben wir in dieser hochtechnologischen Welt, durch die wir ständig jetten: Wo kommen wir eigentlich an? Wo sind wir zuhaue? Wann kommen wir zur Ruhe in diesen überzüchteten Gesellschaften?« Der Räuber hat keine Ruhe. Es war klar, daß dieser Film auch nicht viel mit Innehalten zu tun haben würde, und an vielen Drehorten in Bewegung bleiben mußte. Nicht zuletzt wegen dieses Aufwands wurde der Film als Koproduktion angelegt. Geyrhalter Film einigte sich mit dem Koproduzenten des ersten Heisenberg-Films, Peter Heilrath, auf ein deutsch-österreichische Zusammenarbeit.  Prozent der Mittel kamen aus Österreich,  aus Deutschland.

Über die Zusammenarbeit äußeren sich Peter Heilrath wie Michael Kitzberger positiv: Insgesamt , Millionen Euro trieben sie auf. Es ist ein immer noch mickriges Budget für den aufwändigen Dreh, auch wenn künstlerische Filme oft mit solchen Limits leben müssen. »Für uns als Firma, die bisher nur Dokumentarfilme produziert hat, war es eine spannende Herausforderung, nicht mit einem Kammerspiel, sondern mit einem so aufwändigen fiktionalen Projekt zu starten«, sagt Michael Kitzberger. Die österreichische Produktion koordinierte zwar schon oft auch internationale Drehs, die Teams blieben dort aber klein und flexibel. Hier wurde ein große Maschinerie bewegt. Ein ziemliches »Challenge« nennt das Kitzberger, und auch Heisenberg spricht von vielen »Challenges«: Das Budget, die vielen Außenaufnahmen, bei denen das Team dem Wetter

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Die Geyrhalter Filmproduktion betritt mit dem Drama Neuland: Bislang hatten die Österreicher Dokumentarfilme hergestellt. Für ihr Spielfilmdebüt setzten sie ein Budget von 2,8 Millionen Euro ein – und einiges an Technik: Neben DoP Reinhold Vorschneider war eine zweite Kameracrew im ständigen Einsatz. Gut zu tun hatte auch Steadycam Operator Matthias Biber.

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ausgeliefert war, drei oder vier Motivwechsel pro Tag. Netto blieben für einen Drehort an solchen Tagen nicht mehr als eineinviertel Stunden übrig, schätzt Heisenberg. Die Belastung sei doppelt so groß wie bei Schläfer gewesen. Denn es wurde in zwei Hälften, im Sommer und Winter  gedreht – in der Vorbereitung war es fast so, als ob für zwei eigene Filme gearbeitet wurde. »Die Phase der Raubzüge und die Phase der Flucht sollte zu unterschiedlichen Zeiten spielen, in zwei Temperaturen sozusagen«, begründet Heisenberg den Schritt. Im fertigen Film sind diese Zeiten nun stärker verschmolzen, gehen dynamisch ineinander über. »Es gab bei insgesamt  Drehtagen im ersten Teil etwa  Drehorte, im zweiten weitere «, erläutert Michael Kitzberger. Eine logistische Großherausforderung, auch für Heisenberg, der immer wieder

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selber als Locationscout unterwegs war und dabei Wien teils neu entdeckte, wie sein Produzent findet. »Er ist jemand, der auch sehr stark auf Realitäten des Drehorts eingeht«, erzählt er. Heisenberg habe eine klare Vision, arbeite sehr stark mit Emotion und zugleich starkem Wirklichkeitsbezug. Am innigsten berühren sich dabei Fiktion und Realität bei Aufnahmen vom Wiener Stadtmarathon . Das Team war vor Ort, als . Läufer auf die Strecke gingen. Zehn Kameras wurden an diesem Tag eingesetzt, gedreht wurde vor und im Feld. Immer wieder sprang die Crew aus ihren Wägen und ließ Lust alias Rettenberger laufen. Am Ziel überlappte sich dann Fiktion und die Wahrheit. Rettenberger wurde als schnellster Österreicher ausgerufen, das nicht eingeweihte Publikum jubelte wirklich, und Lust hatte Gänsehaut.

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Foto: Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion – Peter Heilrath Filmproduktion

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Im fertigen Film wirkt die Montage aus Fernsehbildern des echten Marathons und den Aufnahmen des Teams täuschend echt. »Ein oder zwei Takes, das ist schon eine ähnliche Situation wie ein Bankräuber, der auch nur einen Versuch hat. Im Endeffekt war es eine große Konzentrationsleistung des ganzen Teams«, erinnert sich Heisenberg. Im ersten Drehblock war es die größte Herausforderung, meint Kitzberger. »Wir hatten nur dieses eine Mal.« Wenn Kameramann Reinhold Vorschneider, von der Ästhetik des Films spricht, dann redet auch er zuerst von Engpässen – der Zeit, des Budgets, der Technik. Ihm und Heisenberg war klar: »Wir müssen das rocken, sonst ist der Film nicht zu schaffen.« Es war ein ganz anderes Arbeiten für Vorschneider, der nicht nur in Heisenbergs Schläfer sehr ruhige, intime Bilder gedreht hatte. Hier dominieren rauhe, schnelle Aufnahmen. Eine zweite Unit war im ständigen Einsatz und ein Steadycam Operator, Matthias Biber; Vorschneider mußte die Kamera – ungewöhnlich oft für ihn – aus der Hand geben, für Helikopteraufnahmen oder für wilde Hetzjagden mit der Pogo-Cam. Der Räuber sei schon »stilistisch untypisch« in seinem Œuvre, sagt der Kameramann, ein Spiel mit dem Genre. Vorschneider drehte den Film auf Super-Scope Perf. Damit konnte er gegenüber 3Perf noch einmal viel Material sparen. Eine Arri LT und eine Arri 235, die wegen des leichten Gewichts besonders flexibel eingesetzt werden konnte, wurden dabei verwendet. Der Dreh mit mindestens zwei Kameras eröffnete dem Team viele Freiheiten für Reaktionen auf den Drehort. Die Realität ist spürbar in den Details, in der Ausstattung, den Kleidern, in der Musik. An einer Bankraubszene wird das besonders deutlich: Da schafft es eine Kassiererin nicht, Rettenberger eine Geldtasche über eine Schalterwand zu werfen. Die Szene stand nicht im Drehbuch, sie war ein glücklicher Set-Zufall, den das Team sofort ausbaute. Der Sommerdreh war voller positiver Überraschungen, aber auch übervoll – danach war das

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Reinhold Vorschneider hatte schon Heisenbergs Erstling Schläfer in ruhige, intime Bilder gefaßt. Für den neuen Film mußte er ganz anders arbeiten – Der Räuber hat’s eilig. Vorschneider drehte die rastlose Jagd auf Super-35Scope 2Perf mit leichten Kameras.


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Budget bereits leicht überzogen, erzählen die Filmemacher.

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Heisenberg justierte nach: »Nach so vielen Drehorten in so kurzer Zeit haben wir gemerkt: Wenn wir das beim zweiten Mal genau so machen, werde wir Federn lassen.« Er reduzierte den Aufwand des zweiten Teil etwas. Und trotzdem blieb der Druck hoch. Das Team inszenierte im November einen eigenen Bergmarathon, eine Polizeifahndung mit über  Statisten, die einen Berghang durchkämmen, und eine letzte Flucht im Auto, die besonders nervenaufreibend war, wie Heisenberg berichtet. »Ich erinnere mich besonders an den Tag, als wir die allerletzte Szene auf der Autobahn drehten. Unser Filmauto, ein Citroën, hatte eine bestimmte Zahlenkombination, um es überhaupt zu starten. Irgendjemand hatte dreimal den falschen Code eingegeben. Und dann sprang dieser Wagen nicht mehr an. Wir steckten vier Stunden, bevor wir drehen wollten im Regen an diesem Parkplatz fest.« Viele Mitarbeiter erklärten das Auto schon für schrottreif, einer aber sagte, er habe schon erlebt, daß sich die Sperre nach drei Stunden von selbst abschaltet. »Wir gaben den Code ein, der Wagen funktionierte wieder«, erzählt Heisenberg. Aber das Team war mittlerweile weit hinter dem Drehplan. Die letzte Szene des Films entstand in wenigen Minuten, mit nur zwei Takes. »Da mußte ich Andreas Lust einfach vertrauen«, sagt Heisenberg. Das dann auch die Außenaufnahmen alle noch klappten, waren »absolute Glücksfälle«. Es war wie so oft ein Dreh auf Adrenalin, aber sowohl mit dem Wetter als auch mit der komplizierten Logistik der letzten Szenen hatte das Team immer wieder Glück. Die Filmautos, darunter ein echter Polizeikorso, drehten bei dem letzten Dreh immer wieder Runden auf der A nähe Wien. Anfangs fuhr das Team sehr langsam auf die Autobahn und hoffte, daß kein Raser mit  auftauchen würde. Später ließ man Blocker einen Kilometer hinter dem Filmteam auffahren, die den Verkehr herunterbremsten, während weiter vorne gedreht wurde. Sperren ließ sich die Autobahn nicht, der Dreh fand im fließenden Verkehr statt. Im ursprünglichen Skript

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standen auch noch ein Durchbruch durch eine Polizeisperre in dieser Phase, die dem Umschreiben aber zum Opfer fiel. Dem Film kam das zugute, denn nun liegt das Ende der Geschichte gleichsam im Körper des Räubers. Heisenberg hat es weiter auf Rettenberger zugespitzt und ein letztes Ausatmen inszeniert: Das Tier ist am Ende eines langen Weges angelangt. Sein Film ist eine ganz konkrete Räubergeschichte geworden, passagenweise sogar ein »Actionfilm«, wie Heisenberg sagt. Aber er strebt in jeder Szene auch die Mythologisierung, die Überhöhung des Themas an – etwa in der Maske des Bankräubers, die eben nicht mehr an Ronald Reagan erinnert. Heisenberg veranstaltete ein regelrechtes »Maskencasting« dafür. »Widerständig, brutal, regungslos« beschreibt er das Gummigesicht: irgendwie kann jeder hinter dieser gleichmütigen Maske stecken. Auch der Sound des Films ist konkret und allgemein zugleich: Ständig dudelt Dance-Musik aus dem Radio. Die Platzhaltermusik umfaßte zunächst so ziemlich alle derzeitigen Welt-Hits – und Heisenberg konnte sich nur schwer davon trennen. Mit der EMI und mehreren Musikberatern fanden Peter Heilrath und der Filmemacher einen Mittelweg. Stück für Stück wurde ersetzt, dort, wo Originalsongs unerschwinglich waren, spielte die Londoner Band »The Chap« (einer der Musiker, Johannes von Weizsäcker, ist ein Cousin von Heisenberg) kurzfristig Ersatz ein. Heilrath sagt über Heisenberg, er sei da beharrlich geblieben: »Er ließ sich nicht von seiner Vision abbringen«. Das galt auch für den Schnitt: Direkt nach dem Dreh fühlte sich Heisenberg »zu ausgelaugt«, um den Film schnell mit seiner Cutterin Andrea Wagner fertigzustellen. Am Ende zog er sich sogar einen Monat selbst mit dem Material zurück. »Ich hatte das Gefühl, daß ich so gefangen war durch den inneren Streß des Drehs, daß ich den Film noch nicht gefunden hatte«, erinnert er sich. Auf die Einreichung in Cannes im Frühjahr  verzichtete das Team deshalb. Heisenberg war noch nicht glücklich damit, aber der Schnitt wurde mit jedem Tag besser. Am Ende steht nun ein Film, der von mehreren renommierten Festivals eingeladen


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wurde – und für den sich die Jubiläumsberlinale extrem früh als Wettbewerbsbeitrag entschied. Natürlich ist das ein Grund zur Freude, aber Heisenberg sagt auch. »Der sehr große Teil des Glücks ist schon passiert.« In dem Moment, als es im Schneideraum Klick machte. Von dem Film geht eine beunruhigende Energie aus, weil er einen Mythos zerstört: Den des Räubers als romantischen Helden. Kein Spur von Schillers gleichnamigen Vorgängern, von Michael Kohlhaas oder vom gewalttätigen Träumer Clyde Barrow. Nicht Ideale, sondern selbstzerstörerischer Trieb sind Rettenbergers Motor. »Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?«, heißt ein berühmter Brecht-Satz. Das Unerhörte hier ist: Rettenberger trägt die Bank in sich. Er will immer mehr, ohne Ziel und ohne Ruhe. c

Der Räuber Österreich/Deutschland 2010 Regie Benjamin Heisenberg Drehbuch Benjamin Heisenberg, Martin Prinz Bildgestaltung Reinhold Vorschneider Szenenbild Renate Schmaderer Kostüm Stephanie Riess Maske Wiltrud Derschmidt Montage Andrea Wagner, Benjamin Heisenberg Ton Marc Parisotto Licht Herbert Kohlhammer Herstellungsleitung Michael Kitzberger Produktionsleitung Gerhard Hannak Produzenten Nikolaus Geyrhalter, Markus Glaser, Michael Kitzberger, Wolfgang Widerhofer, Peter Heilrath Musik Lorenz Dangel Sounddesign Veronika Hlawatsch Tonmischung Bernhard Maisch Dramaturgie Wolfgang Widerhofer Casting Markus Schleinzer Darsteller Andreas Lust, Franziska Weisz, Markus Schleinzer, Max Edelbacher Produktion Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion, Peter Heilrath Filmproduktion Koproduktion ORF, ZDF, Arte Drehorte Wien und Umgebung.

Heisenbergs erster Film Schläfer ist am 15. Februar 2010 auf dem ZDF in der Reihe »Die Welt aus erster Hand« zu sehen. Der Räuber läuft Mitte Februar im Wettbewerb der Berlinale.


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001 :: Interview. Gert Wilden Produktion. Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen Analyse. Ronin Porträt. Maggie Peren Report. Der neunte Tag Interview. Alan Parker Essay. Die Zukunft des Films? 002 :: Interview. Drehbuch: Johannes W. Betz Interview. Kamera: Robby Müller Produktion. Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders Interview. VFX: Thomas Haegele Porträt. Sounddesign: Michael Kranz Interview. Montage: Evelyn Carow Interview. Musik: Robert Papst 003 :: Interview. Achim Höppner Produktion. Alatriste Analyse. The Last Samurai Portfolio. Kamerastills: Fotos vom ASC Report. Casting-Portal 004 :: Interview. Veit Helmer Produktion. Der Rote Baron Analyse. Der Soldat James Ryan Portfolio. Szenenbilder: Silke Buhr 005 :: Interview. Marcus H. Rosenmüller Produktion. Max & Co. Analyse. The Sixth Sense Essay. Stunts Portfolio. Storyboards: Guillermo del Toro 006 :: Interview. Fatih Akin Produktion. Der goldene Kompaß Analyse. The Abbyss Portfolio. Kunstschnitte: Hansjörg Weißbrich 007 :: Interview. Todd Haynes Produktion. 10.000 BC Analyse. Gladiator Porträt. Sonja Heiss Report. Flowline Portfolio. Maßgeschneidert: Colleen Atwood 008 :: Interview. Renato Berta Produktion. Die Jagd nach dem Schatz der Nibelungen Analyse. Matrix Porträt. Neele Leana Vollmar Report. Villa Aurora 009 :: Interview. Olaf Hirschberg Produktion. Der Mongole Analyse. Heat Porträt. Gereon Wetzel und Jörg Adolph Report. cc Portfolio. Krabat: Christian Goldbeck 010 :: Interview. Erwin Wagenhofer Produktion. Der Spirit Analyse. Die Bartholomäusnacht Porträt. Emily Atef Report. Drehbuchschule Portfolio. Setfotografie: Nadja Klier 011 :: Interview. Jolanta Dylewska Produktion. Hilde Analyse. Panic Room Porträt. Sven Taddicken Report. Filmprojektion Portfolio. The International: Uli Hanisch 012 :: Interview. Sebastian Thümler Produktion. Waffenstillstand Analyse. Schindlers Liste Porträt. Marc Rothemund Report. Musikrechte Portfolio. Nordlichter: Jim Rakete 013 :: Interview. Alex Lemke Produktion. Henri IV Analyse. Angel Eyes Porträt. Alain Gsponer Report. Synchronregie Portfolio. 24h Berlin

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In der Tiefe des Rauschs Wieder nichts zu kritisieren und zu viel Zeit: Stadler und Gröner haben Durst. Na, dann Prost!

Text Michael Stadler und Christoph Gröner

Foto: Archiv

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Verrauchte Atmosphäre. Gläserklirren. Gemurmel. Eine Bar. Nicht die beste. Zwei Männer, eine Frau, der Barmann. Stadler und Gröner treten ein und gehen an die Theke. Der Barmann putzt die Gläser. Stadler: Das Übliche, Herr Kellner. Barmann: Kenn’ ich euch? Gröner: Na klar. Barmann: Zwei Milch? Gröner: Ja, aber mit Wodka und Kahlua. Einen White Russian für mich, Dude. Stadler: Für mich ein Hefeweizen. Das ist so gut wie ein halbes Brot. Meint Herr Lehmann. Barmann: Na, wenn er das meint. Er geht an den Zapfhahn. Gröner und Stadler schauen sich um. Coolness. Orientierungslosigkeit. Gröner: Und, was machen wir jetzt? Stadler: Wir machen uns rar und warten, bis uns eine anspricht. Gröner schaut sich um, stößt Stadler in die Rippen. Gröner: Du schau mal, die Dunkelhaarige da hinten, am anderen Ende des Tresens.

Stadler: Hmm, Sandra Bullock in 28 Tage. Gröner: Der Zombie-Film? Stadler: Alkoholiker-Drama. Eine Frau trinkt rot. Gröner: Na, dann hast du vielleicht Chancen. Der Barmann bringt die Getränke. Stadler: Kellner, einen Tequila Sunrise für die Schönheit da hinten. Dann geht hier mal die Sonne auf. Wie bei Kathleen Turner. Barmann: Das war Michelle Pfeiffer. Und Michaela dahinten, die trinkt nur Cola-Kirsch. Stadler: Dann das, mit extra Kirsch. Barmann mixt, wirft einen Shaker zweimal in die Luft. Stadler: Schau mal, wie Tom Cruise. Gröner: Top Gun! Barmann: Nein. Cocktail! Stadler: Was konnte der schäkern. Barmann stellt den Drink zu Michaela. Stadler und Gröner prosten aus der Ferne zu. Michaela: Ich trinke das. Aber mehr ist nicht. Trinkt das Glas in einem Zug aus.


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Auf der Couch

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Stadler: Bitte noch ein Cola-Kirsch für die Dame! Aber nicht so viel Eis. Barmann: Ich glaub’, Michaela hat genug. Von euch. Staunen bei Gröner und Stadler. Dann stoßen sie miteinander an. Gröner: Daß du immer noch Bier trinkst. Werd endlich erwachsen. Das Bierfest ist vorbei. American Pie war gestern. Stadler: Aber der Bierkampf geht weiter. Gröner: Stimmt. »Die einzigen wahren Dinge sind das Bier und die Einsamkeit«, meint der Achternbusch. Stadler: Stimmt auch. Immer wenn ich was trinke, werde ich einsam. Prost Michaela! Von der anderen Seite der Theke: Stille. Stadler: Siehste. Gröner (zeigt auf Stadler): Noch einen Drink für Mr. Barfly hier. Der Mann auf dem Nebenhocker dreht sich ihnen zu. Barfly Klaus: Barfly, das bin ich. Gröner: Charles Bukowski? Barmann: Das ist der Klaus. Wenn’s ans Zahlen geht, macht der gerne mal die Fliege. Barfly Klaus: Bzzzzzt. Und weg. Gröner: Bei Bukowski ging’s länger. Wenn er über Alkohol geschrieben hat. Barfly Klaus: »Whiskey makes the heart beat faster but it sure doesn’t help the mind and isn’t it funny how you can ache just from the deadly drone of existence?« Gröner: Gute Frage. Barfly Klaus: Gutes Zitat. Dafür krieg ich ’nen Drink von Euch. Leo, das Übliche. Barmann Leo: Dreifacher Bourbon, kommt sofort. Gröner: Was kostet das eigentlich? Barfly Klaus: Weniger als ein Vierfacher. Stadler: Aber im Western trinken die nur Doppelte. Wirkt männlich, schnell bestellt, in einem Zug gekippt. Reicht doch. Barfly Klaus bekommt seinen Dreifachen. Er hält ihn in Augenhöhe, peilt ihn kurz an und stürzt ihn in einem Zug runter. Barfly Klaus: Noch Fragen? Gröner: Wissen Sie, Sie sollten nicht so schnell trinken. Das kann schnell in die Hose gehen.

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Stadler: Denken Sie an Nicolas Cage. Leaving Las Vegas. Böses Ende. Barfly Klaus: Hat einen »Oscar« gewonnen. Michaela: Eines sag’ ich euch: Elisabeth Shue hätte auch einen verdient. Allein für den Körpereinsatz. Alle Männer schauen auf Michaela. Stille. Barfly Klaus kippt um. Schläft. Stadler: Ich glaub’, ich schmeiß ’ne Runde. Whiskey. Michaela: Cola-Kirsch. Mehr ist nicht. Stadler: Aber Michaela. Die Szene mit Salma Hayek in From Dusk till Dawn, als sie Bourbon über ihren Fuß laufen läßt. Findest du die auch »oscar«verdächtig? Von der anderen Seite der Theke: Stille. Barmann Leo: Ich glaube, Michaela… Gröner und Stadler: …hat schon wieder genug. Der zweite männliche Gast kommt aus seiner Ecke. Manfred: Aber ich noch nicht. Leo, mach mir noch ein schönes Glas von dem Roten. Barmann Leo: Kommt sofort, Manfred. Gröner: Ah, Wein, ein Kenner. Savoir vivre, Eric Rohmer, die Nouvelle Vague. Kellner, einen Chabrol bitte. Barmann Leo: Chabrol ist aus. Ich habe nur noch Chablis. Gröner: Ist mir zu trocken, Herr Kellner. Dann zwei Pinot. Der Barmann bringt zwei Pinot. Gröner steckt seine Nase ins Glas und atmet ein wenig Wein ein.. Gröner: Ahhh, Pinot. Eine sensible Traube, dünnhäutig, temperaturempfindlich. Um den Pinot muß man sich dauernd kümmern. Sagen die in Sideways. Manfred (trinkt das Glas leer): Ach, um den Pinot habe ich mich jetzt mal richtig gekümmert. Gröner: Banause. Stadler: Sei doch nicht so dünnhäutig, alte Traube. Gröner (wütend): Wenn jetzt noch irgendjemand Merlot bestellt, bin ich raus. Manfred: Dann mal Tschüß. Für mich bitte noch einen Wodka Martini. Der Barmann mixt Manfred seinen Martini. Wodka. Einen Schuß Gin. Auf Eis. Nichts anders. Barmann Leo: So, hier. Geschüttelt. Manfred: Ich bin gerührt.


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Stadler: Wieso will Bond eigentlich den Martini geschüttelt? Der Barmann holt ein Cocktailbuch unter dem Tresen hervor. Barmann liest. Barmann Leo: »Das Schütteln des Martinis bringt zusätzlich Sauerstoff ins Glas und damit auch in den Körper, wo er bei der Beseitigung der sogenannten Radikalen hilft. Diese ungesättigten Moleküle schwächen das Immunsystem und gelten als Ursache vorzeitigen Alterns.« Gröner: Immer diese Radikalen. Noch einen Pinot bitte. Stadler: Vorsicht Gröner, Gerbstoffe, die machen alt. Barmann Leo: Beim Schütteln wird der Martini auch noch kälter, ganz frisch. Dean Martin hat den oft schon mittags zu Spiegeleiern getrunken. Gröner: Aber der stand auch oft mit Apfelsaft auf der Bühne und tat so, als ob. Manfred: Bei mir ist umgekehrt. Ich tue zuhause so, als tränke ich Apfelsaft. Stadler: Ach, Apfelsaft! W. C. Fields meinte immer, er trinke morgen nichts Härteres als Gin. Barmann Leo: Und Hemingway sagte immer »Drinking is a way of ending the day.« Also, letzte Runde! Manfred: Gib uns das Härteste, was Du hast, Leo. Barmann Leo: Ich habe da einen schönen Absinth aus Prag. Gröner: Ist das legal? Manfred: Ist doch egal. Grün trinken, blau sein. Her damit. Michaela (von hinten): Geht der eigentlich auch mit Cola-Kirsch? Barmann Leo: Ich empfehle ihn mit Zucker. Flambiert. Barmann Leo macht vier Drinks. Er zündet den Zucker an und macht das Licht aus. Romantische Stimmung. Barfly Klaus schnarcht. Stadler (geheimnisvoll): »Absinth ist das Aphrodisiakum des Ich. Die grüne Fee, die im Absinth lebt, will deine Seele.« Gröner (schwärmerisch): Ahh! Coppolas Dracula. Manfred: Olé Olé, die grüne Fee. Sie trinken ihre Gläser aus. Schwarz. *

Gröners und Stadlers Schreibstube, Tag. Sonnenlicht scheint durch ein zerbrochenes Fenster. Überall Flaschen, Kleider, Abfall. Gröner und Stadler nackt auf dem Teppich. Dazwischen Barfly Klaus. Ein Hase hoppelt durch die Schreibstube. Gröner wacht auf. Gröner: Ach du grüne Neune. Stadler, hey, Stadler. Stadler (murmelt): Cola-Kirsch. Aber mehr ist nicht. Gröner: Stadler! Stadler wacht auf und schaut sich um. Plötzlich hält er inne und streckt seine Zunge heraus. Stadler: Ist da was? Gröner: Das sieht wie ein Piercing aus. Laß mal fühlen. Gröner entdeckt einen Ring an seinem Finger. Gröner: Woher kommt denn der? Stadler: Und woher kommt dein Goldzahn? Gröner: Und seit wann bist Du beschnitten? Stadler: Und wem gehört überhaupt der Hase? Manfred kommt aus der Küche. Angezogen und rasiert. Er trinkt einen Martini und ißt ein Spiegelei. Manfred: Mir. Das ist Harvey. Tolle Party gestern. Er kippt den Martini. Spülung im Bad. Michaela kommt heraus. Einen Ring am Finger. Michaela (küßt Gröner): Morgen, Schatz. Kann ich euch was zum Trinken bringen? Gröner und Stadler: Zwei Milch, bitte. Manfred übergibt sich. c

Stadler und Gröner sind Filmkritiker. Beim Schreiben dieses Textes blieben sie nüchtern. Weitestgehend. Vorsicht: Die im Text verwendete Menge an Alkohol kann zu heftigen Kopfschmerzen und ungewollten Schwangerschaften führen.

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Das wahre Leben

Wenn nichts geht: Ein Film geht immer Es gibt eine Welt jenseits der Leinwände. Bilden wir sie ab! Diese Kolumne ist dem Dokumentarfilm gewidmet – Trends und Diskussionen am Beispiel eines aktuellen Werks. Oder mehrerer.

Foto: Playloud! Productions, Saskja Rosset

Text Christoph Brandl

Die Situation ist klar. Den durchgeförderten Dokumentarfilm, der mit ausreichend Geld produziert wird und anschließend eine klassische Kino-, DVDund Fernsehauswertung erfährt, gibt es nur noch ausnahmsweise. Die Regel im Angesicht des drohenden Existenzverlustes ist, an den schlimmen Zuständen – kein Geld und keine Sendeplätze – vorbeizuproduzieren und aus der Not eine Tugend zu machen: »Man schiebt uns immer weiter in noch kleinere Nischen, wie auf den Theaterkanal oder jetzt Neo, wo es immer weniger Geld gibt für das, was wir tun. Und wenn es so wenig Geld gibt, wenn wir uns also selbst ausbeuten müssen, dann machen wir es am liebsten nach unseren eigenen Vorstellungen.« Der, der das sagt, ist aus dem Windschatten der Filmförderungen getreten und hat sich in das Abenteuer Selbstständigkeit gestürzt. Dietmar Post hatte die Ablehnungen durch die Förderer satt und weigerte sich zu akzeptieren, daß irgendwelche Redakteure entscheiden konnten, ob er Filme machen darf oder nicht. Mit seiner Partnerin Lucia Palacios gründete er ein eigenes Label. Label? Das klingt nach Plattenfirma, und tatsächlich ist der Bezug zur Musik ausdrücklich gewünscht. »Wir vergleichen uns gerne mit Musikern. Wir fühlen uns wie Can oder Ton, Steine, Scherben früher und wie Kraftwerk. Die haben in ihrem eigenen Studio völlig autonom alle Produktionsprozesse selbst getätigt. Auch wir können alles selber herstellen und entscheiden, an wen und auf welche Weise wir es dann weitergeben. Weltweit! Denn Deutschland alleine wäre ein zu kleiner Markt.« Playloud! Productions (www.playloud.org) nennt sich Posts und Palacios Firma, die eigene und fremde Filme produziert, DVD herstellt und verkauft, aber eben auch CD und Schallplatten, je nach Bedarf. Finden sich im Internet

Dokumentarfilmer halten den miserablen Arbeitsbedingungen Kreativität entgegen: Dietmar Post (links) und Lucía Palacios (rechts) nahmen sich die Musikwelt zum Vorbild, ihren Protagonisten Gary Burger von der Band The Monks in die Mitte und gründeten ihr eigenes Label, unter dem sie Filme und Schallplatten selbst vermarkten.

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mehr als 50 Interessenten für eine Platte, wird produziert. Der Begriff »Label« hat hier nichts mit Plattenfirma zu tun, sondern bezeichnet vielmehr eine Produktionsstätte, die alle Abläufe unter einem Dach vereint. »Der eigentliche Job des Filmemachers hat sich grundlegend verändert«, sagt Post. »Es ist Quatsch, noch so zu denken wie vor zehn Jahren. Und deswegen sollten wir endlich von den Musikern lernen, die das Geschäft schon lange selbst in die Hand genommen haben.« Post und Palacios produzieren, was ihnen gefällt. Denn für sie ist der Filmemacher kein reiner Auftragsnehmer, sondern »ein Künstler, der ja auch kein Bild, von dem er überzeugt ist, mal anfängt und es dann einfach so liegen läßt. Einen Film nur zu machen, wenn ich gefördert werde, diese Denkweise ist überhaupt nicht mehr aktuell«, sagt Post. »Das ist zu bequem. Wir waren acht Jahre in Amerika und sind dadurch anders geprägt. Da macht man einfach Filme und wartet nicht auf irgendwelche Subventionen.« Playloud! Productions produziert mittels Mischfinanzierung: Ein bißchen Förderung, ein paar Sponsoren und ein bißchen eigenes Geld. Aus der Not eine Tugend machen, so das Credo von Dietmar Post, auch wenn die Tugend bisweilen ein wenig auf sich warten läßt. »Corporate Sponsoring«, »Barter Deals«, »Crowd Financing« und »Crowd Sourcing« – Begriffe aus der Wirtschaft, die mittlerweile Einzug gehalten haben in die Umgangssprache vieler Dokumentarfilmer. »Cinema 2.0« ist das Zauberwort, dann, wenn nichts mehr geht. Auch Anja Fiedler, Produzentin des Independent-Films The Champion Sportsman (Deutschland 2010), kann den Begriff Crowd Financing seit neuestem vor- und zurückdeklinieren. The Champion Sportsman, eine »Doku-Komödie« im Stile eines »Nollywood«Films (also der meist billig mit einfachen DV-Camcordern in nur wenigen Tagen gedrehten nigerianischen Produktionen), die »mit entlarvendem Humor die Hindernisse afrikanischer Migranten in Deutschland zeigt«, und die in Berlin und Nigeria gedreht wurde, wurde von fast allen Förderungen abgelehnt: Für regionale Förderer, die das Projekt durchweg interessant fanden, war es nicht kommerziell genug, für künstlerische Förderungen, Stipendiengeber und Stiftungen war es hingegen viel zu kommerziell. Frau Fiedler lief die Zeit davon, denn der Evangelische Entwicklungsdienst (EED), die einzige Förderung, die Geld gegeben hatte, drohte, dieses zurückzuziehen, wenn Anja Fiedler nicht innerhalb der nächsten zwei Wochen andere finanzielle Mittel in vierstelliger Höhe nachweisen konnte. Ohne EED-Förderung wäre das Projekt gestorben. Frau Fiedler stand vor der Wahl: Entweder die letzten

Fotos: Norma Mack

Das wahre Leben

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drei Jahre Projektentwicklung in den Wind schreiben, oder dranbleiben. Sie entschied, daß es zu schade wäre, ein derart liebevoll und sorgfältig entwikkeltes Projekt einfach so aufzugeben und beschloß, weiterzumachen. Nur: Wie? »Ich hatte die Idee, einfach mal bei Bekannten nach Geld zu fragen«, sagt Anja Fiedler. »Ich kannte Crowd Financing zwar, aber mir ist es in diesem Zusammenhang nicht in den Sinn gekommen. Und später hat mir jemand erzählt, Mensch, was du da tust, das ist doch Crowd Funding. Das haben wir dann auf die Homepage gestellt und ein bißchen größer gemacht.« Der Begriff »Crowd Funding«, oder, wie es auch genannt wird, Crowd Sourced Capital, ist laut Wikipedia »ein Ansatz zur Erhöhung des Kapitals für ein neues Projekt oder ein Unternehmen unter Berufung auf eine große Gruppe von Personen. Während ein solcher Ansatz schon lange im Bereich von Charities bekannt ist, erhält er neue Aufmerksamkeit von Unternehmern wie unabhängigen Filmemachern.« Auf Fiedlers Projekt übertragen bedeutete dies, Freunde und Bekannte und Bekannte von Bekannten per E-Mail aufzurufen, sich mit einer Geldspende an ihrem Projekt zu beteiligen: »Leider muß ich Euch dringend um Eure Hilfe bitten«, schrieb Fiedler, »seit über zwei Jahren arbeite ich […] an dem Nollywood-Filmprojekt The Chamipion Sportsman. Trotzdem steht unser Projekt jetzt kurz vor dem Aus. Mit Eurer Spende dekken wir Kosten wie Catering, Unterkunft und nicht vermeidbare Unkosten ab. Dafür habt ihr die Gelegenheit, heute schon Karten für unsere Filmpremiere zu sichern.« Den Erfolg dieser Mail hätte Fiedler nicht erwartet: »Die größere Mehrheit der Spender waren Leute, die ich überhaupt nicht kannte. Und innerhalb von drei Tagen hatten wir 6.000 Euro zusammen.« Mit den gesammelten Spenden, der Förderung durch den EED, gesponsorten Sach- und Dienstleistungen, sogenannten Barter Deals, sowie mit Hilfe von Rückstellungen konnte der Film, der einen Wert von 100.000 Euro hat, schließlich gedreht werden. Am 13. April 2010 wird er in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin seine Premiere haben (http://web.me.com/davidreuter/Website/The_Champion.html). Crowd Funding ist jedoch nicht immer erfolgreich, und manche Dokumentarfilmer beäugen dieses Konzept äußerst kritisch. Denn der Urheber eines Filmprojekts muß zu einem sehr frühen Zeitpunkt konkrete und manchmal hochbrisante Projektinformationen veröffentlichen, ein gefundenes Fressen für diejenigen, die sich gerne von anderen inspirieren lassen, sprich: Ideen klauen. Spielfilmer haben wieder andere Probleme. Eines der ersten und bekanntesten Filmprojekte dieser Art entstand 2006 unter dem Begriff A Swarm

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So sieht Crowd Funding aus: Azubuike Erinuigha, Jörg Heuer, Anja Fiedler und David Reuter inszenierten The Chamipion Sportsman als Doku-Komödie. Den einen Förderern war das zu kommerziell, den anderen nicht kommerziell genug. Mit einer E-Mail-Aktion riefen die Filmemacher schließlich zu Spenden auf und bekamen so das fehlende Budget zusammen.

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of Angels. Auch hier konnten Interessierte, eben »ein Schwarm von Engeln« nach einem Aufruf im Internet spenden. Matt Hanson, der Erfinder dieser Idee, die er »Cinema 2.0« nannte, erwirtschaftete bis Ende 2008 stolze eine Million britische Pfund. Für diese innovative Idee erhielt er mehrere wichtige Internetpreise, und das Konzept wurde bereits als die zukunftsweisende Art Filme zu machen bezeichnet. Der Unterschied zu anderen Projekten war jedoch, daß die Spender für eines von zwei Filmprojekten abstimmen sollten. Dasjenige, das die meisten Stimmen erhielt, sollte produziert werden. Doch Anfang 2009 geriet die Produktion ins Stocken, und es wurden keine weiteren Spenden mehr angenommen. Es scheint, als ob Hanson den Sprung von der virtuellen in die reale Welt nicht geschafft hätte. Mittlerweile ist auch die Webseite abgeschaltet, Hanson sagt, er sei dabei, sich neu zu positionieren. Doch im Grunde weiß er wohl nicht, wie es weitergeht. Mit seiner Idee, alle 50.000 Spender zwischen zwei Filmprojekten wählen zu lassen und ihnen dazu noch ein kreatives Mitspracherecht am Drehbuch einzuräumen, ist das Projekt A Swarm of Angels grandios gescheitert. Die Rückzahlung der Million steht anscheinend bevor. Es gibt eben keine Demokratie in der Kunst, und Web 2.0, das Mitmachinternet, mag bei Social Media wie Facebook funktionieren, es funktioniert aber sicher nicht bei der Entwicklung eines Films. Doch was passiert, wenn man mithilfe einer Teilfinanzierung nach dem Dreh die finishing funds fehlen? In den USA ist aus dieser Not vieler Filmemacher die Idee des »Completion Moneys« entstanden, die Möglichkeit, einen Trailer oder gar den Rohschnitt zu einer Stiftung zu schicken, die dann entscheidet, bis zu 50.000 Euro als Darlehen oder als Spende hinzugeben (viele weiterführende Informationen stehen auf dieser Website: www.independent-magazine.org/magazine/2008/12/grants) Der schweizerisch-ghanaische Schauspieler und Regisseur Jarreth Merz machte Erfahrungen mit Completion Money in Europa. Die Genese seines Filmprojekts beginnt in Afrika, wo Merz aufwuchs. Irgendwann hatte er die klischeeisierte Sicht der westlichen Medien auf seine Heimat satt und beschloß, nach langer Zeit wieder nach Ghana zu reisen und sich ein eigenes Bild zu machen. Dort standen Präsidentschaftswahlen an, und Merz fand heraus, daß es weltweit noch keinen Film gab, der sich mit demokratischen Wahlen in Afrika beschäftigte. Ein sensationelles Thema, endlich ein Projekt, bei dem ausnahmsweise einmal die Förderer Schlange stehen, könnte man vermuten. Doch weit gefehlt: Nach mühsamen und letztlich vergeblichen Versuchen, weltweit irgendwo Unterstützung für An African Election aufzu-

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treiben, selbst Stiftungen und NGO lehnten ab, war Merz’ letzter Ausweg ein Privatdarlehen, das ihm in allerletzter Minute gewährt wurde. Erst mit diesem Geld in der Hand gelang es ihm, eine Produzentin für den Film zu gewinnen. Und weil sein Bruder Kevin auch Filmemacher ist und auf tarifliche Bezahlung verzichtete, und auch der Rest des siebenköpfigen Teams geringere Gagen in Kauf nahm, konnte Merz seinen Film drehen. Doch 200 Stunden Rohmaterial später begannen seine Probleme erst richtig. Er hatte mittlerweile die Berlinale kontaktiert, und die signalisierte Interesse, der Einreichungstermin rückte näher, aber Merz konnte nicht absehen, wie die Postproduktion zu finanzieren sei. »Wir haben dann einen längeren Trailer zusammengeschnitten, und obwohl wir feststellten, was für einen politischen Thriller wir da gedreht hatten, war es weiterhin unmöglich, für die Postproduktion Geld zu bekommen«, sagt Merz. »Oder einen Sender zu finden. Arte und andere Stationen lehnten das Projekt zum zweiten Mal ab.« Merz wandte sich an einen der kleinsten Schweizer TV-Sender, dem Tessiner Arm des Schweizer Fernsehens. Die beschlossen, 35.000 Euro zu geben, die Hälfte davon jetzt, die andere Hälfte bei Fertigstellung. Mittlerweile hat auch die nationale Schweizer Förderung aufgrund des Trailers den Film als förderungswürdig eingestuft, weitere 20.000 Euro kommen von dort. Dazu wurde der Film, der ursprünglich als TV-Film konzipiert wurde, als Kinoprojekt eingestuft. Merz bekam dadurch Zugang zu Geld, das sonst nur Kinoregisseuren zur Verfügung steht. Und so fehlen ihm mittlerweile noch etwa 15.000 Euro, um den Film planungsgemäß bis Ende Januar fertigzustellen. Am 11. Februar beginnt die Berlinale, und wenn alles gut läuft, wird An African Election dort zu sehen sein. Warum setzt sich ein Dokumentarfilmer immer wieder diesem Kampf um Finanzierung aus? Ganz einfach: Er kann nicht anders. Er muß Filme machen, und zwar diejenigen, die er machen will, und es befriedigt ungemein, wenn ein langer Kampf von Erfolg gekrönt wird. »Ob wir mal von unseren Filmen leben werden, weiß ich nicht«, sagt Dietmar Post. »Aber den Versuch ist es wert. Die Gruppe Can hat es ja auch geschafft. Die sind zwar nicht reich geworden, aber die haben ein Auskommen. Wenn man das hinkriegen könnte, wäre es schön.« Vielleicht ist Post seinem Ziel bereits näher, als er denkt. Kürzlich hat ihn jemand angerufen, der zufällig eine seiner DVD gekauft hatte. Der Anrufer war positiv überrascht, als er erfuhr, wie Post produziert und bot spontan Hilfe an – in Form eines angemessenen finanziellen Investments. Zinslos und ohne weitere Auflagen. c

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Die schweizerisch-ghanaischen Filmemacher Jarreth und Kevin Merz beobachten in ihrem Film demokratische Wahlen in Afrika. Das hat bisher noch keiner gemacht. Trotzdem wollte nicht mal Arte etwas von dem Thema wissen. Ein Kredit und die Opferbereitschaft des Teams ermöglichten schließlich die Dreharbeiten. Mit dem fertigen Trailer (und dem Interesse der Berlinale im Rücken) konnte Jarreth Merz schließlich Geldgeber finden.

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Deutschland, 1979: Erst als Günter Rohrbach Chef der Bavaria wurde und das Projekt einem deutschen Regisseur anvertraute, nahm die Verfilmung des Buch-Weltbestseller Das Boot richtig Fahrt auf. Text Ian Umlauff


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Jürgen Prochnow als »der Alte«: Anfangs sollte Robert Redford unter der Regie von John Sturges die Hauptrolle spielen, dann Paul Newman unter Don Siegel, und auch Regisseur Sydney Pollack versuchte sein Glück – doch schließlich wurde Das Boot mit deutschen Darstellern und deutschem Geld gedreht und ein Welterfolg.

Foto: Bavaria, Karlheinz Vogelmann

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Grün. Dunkles Grün füllt das Bild, scheinbar undurchdringlich. Die »Pings« eines Sonars werden abgelöst durch das tiefe Gurgeln im Wasser aufsteigender Luftblasen. Nur wenige Meter weit kann man sehen. Gebannt stiert man ins Grün. Die Angst steigt. Jeden Moment könnte aus diesem Schleier etwas Grauenhaftes, Bösartiges hervorstoßen. Dann, noch bevor man etwas erkennen kann, nimmt man ein tiefes Grollen wahr, anfangs kaum hörbar, dann langsam immer lauter. Nach scheinbar unendlich langen Sekunden zeichnet sich ein Schatten ab, zuerst kaum auszumachen, fast nur Einbildung. Anstatt wütend hervorzustoßen, schiebt er


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sich unendlich langsam auf uns zu. Wie verstümmelte Tragflächen eines Flugzeuges zeichnen sich die Höhenruder ab. Man begreift: Das tiefe Grollen rührt von einem Motor her, das periodische Flirren stammt von Schiffsschrauben. Gleich einem Buckelwal schiebt sich das unheimliche Monstrum auf uns zu, schwebt majestätisch über uns hinweg, während sich die Musik mit ihrem legendären Motiv zu ihrem ersten Höhepunkt aufschwingt. Die erste Einstellung von Wolfgang Petersens Das Boot ist sicherlich eine der einprägsamsten. Sie ging dem Film voran um die Welt und wurde berühmt. »Killer Atlantik« wäre ein anderer guter Titel für den Film gewesen, meinte Herbert Grönemeyer, der im Film den Kriegsberichter spielt – den IchErzähler in Lothar Günther Buchheims Roman, der dem Film zugrundeliegt. Buchheim selbst hatte auch an einem der diversen Versuche mitgewirkt, ein Drehbuch zu schreiben, aber ohne Erfolg. Als Günter Rohrbach die Produktion übernahm, hielt er Das Boot für eine nicht zu rettende Produktionsruine. Das änderte sich, nachdem er den Roman gelesen hatte: »Ein überraschendes und faszinierendes Erlebnis«, erinnert er sich. Ab da sah er das Projekt als Herausforderung, und er war es schließlich, der das Ganze wieder in Gang brachte. Er entschied, bei diesem für damalige wie heutige deutsche Verhältnisse gigantischen Projekt auf einen amerikanischen Regisseur und Hauptdarsteller zu verzichten. Trotzdem war er sich bewußt, daß der bereits zu Anfang auf etwa 15 Millionen Mark kalkulierte Film seine Kosten nur auf dem internationalen Markt und bei mehrfacher Auswertung wieder einspielen konnte. Rohrbach schlug das Projekt Wolfgang Petersen vor, den er von zahlreichen Fernsehfilmproduktionen des WDR kannte. Im Juni 1979 unterschrieb Petersen seinen Vertrag. Ein halbes Jahr hat er dann gebraucht, um aus Buchheims Tatsachenroman das erste brauchbare Drehbuch zu machen. Für die Bildgestaltung standen nur Wolfgang Treu und Jost Vacano zur Diskussion. »Warum ich ausgewählt wurde, weiß ich überhaupt nicht. Vielleicht, weil ich in München wohnte und man hoff-

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te, Hotelkosten zu sparen«, erinnert sich Vacano heute mit einem Schmunzeln. Vacano, 1934 geboren, hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 80 Fernsehfilme und mehrere Kinoproduktionen hinter sich, unter anderem Die verlorene Ehre der Katharina Blum (Volker Schlöndorff, Deutschland 1975) und Lieb Vaterland, magst ruhig sein (Roland Klick, Deutschland 1975), für die er je einen »Bundesfilmpreis« erhalten hatte. Das Boot bedeutete für ihn – wie für viele andere Mitwirkende – den internationalen Durchbruch. Der Roman des ehemaligen Marinekriegsberichters Buchheim war bereits 1973 bei Piper erschienen. Bis 1980 lag die deutschsprachige Auflage bei 220.000, im westlichen Ausland insgesamt schon bei über zwei Millionen. Auf Deutsch wurde das Buch bis heute eine halbe Million Mal verkauft. Buchheim hat während des Zweiten Weltkrieges bei zwei U-Boot-Einsätzen mitgemacht. Dabei hat er an die 5.000 Fotos aufgenommen, die bei der Produktion von Das Boot dem Szenenbildner Rolf Zehetbauer und der Kostümbildnerin Monika Bauert als wichtige Informationsquelle dienten. Ein Großteil davon wurde bei Piper in mehreren Bildbänden veröffentlicht. Hitler und der Befehlshaber der deutschen UBootflotte, Großadmiral Dönitz, meinten England mit Hilfe der »U-Boot-Waffe« vom amerikanischen Nachschub abschneiden zu können. Die deutschen Jäger aber wurden bald zu Gejagten. Polnische und englische Kryptoanalytiker knackten die geheimen deutschen Funkkodes. Und mit Hilfe des neu entwickelten aktiven Sonars ließen sich auch jene Boote treffsicher mit Wasserbomben bekämpfen, die unter Wasser auf Schleichfahrt waren. So wurden die Feindfahrten zu Todeskommandos, kamen mehr als 27.000 der 42.000 deutschen U-Bootfahrer ums Leben. Bei dem Boot im Film handelt es sich um eines vom Typ VII (C), ein Kampfboot, das »Arbeitstier« im deutschen U-Boot-Krieg, von dem 691 Stück gebaut worden sind. So fasziniert die jungen Seeleute damals von ihrem Boot auch waren: Es entsprach gerade mal dem technischen Stand des Ersten Weltkriegs, war schon bald seinen Gegnern hoffnungslos unterlegen. Überreste von Hunder-

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Der grüne Hai: Die ersten Bilder des Films sind dunkel und undeutlich. Der Ton steigert die Spannung. Dann schließlich schiebt sich der Titelheld durchs Bild. Unterwassermodellaufnahmen am Meeresgrund vor Gibraltar.

Wassereinbruch. Die historischen U-Boot-Feindfahrten waren Todeskommandos: Zwei von drei deutschen U-Bootfahrern kamen ums Leben.

Bei Alarm wurde auf Rotlicht umgeschaltet. Was der Besatzung reale Lebensgefahr signalisierte, suggeriert dem Publikum auch heute große Dramatik. Zusätzlich erhielt das Rotlicht den Seeleuten die Nachtsichtfähigkeit, um im Freien nach feindlichen Schiffen Ausschau halten zu können.

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Regisseur Wolfgang Petersen »kommandierte« die Dreharbeiten auf der U-BootBrücke. Im Vordergrund ist die Kameraaufhängung zu erkennen, mit der das Rollen des Schiffs simuliert wurde.

Der Cutter vor Kartons mit Tönen: Der inzwischen verstorbene Hannes Nikel montierte den Film in zwei Versionen für Film und Fernsehen. Fast zwei Jahrzehnte später übernahm er für den »Director’s Cut« auch die Neuvertonung.

Als erster deutscher DoP außerhalb Hollywoods wurde Jost Vacano für einen »Oscar« nominiert. Besonders beeindruckten die »Fahrten« durch die enge Röhre der Kulisse, die er mit einem selbstkonstruierten Stabilisierungssystem bewerkstelligte.

Fotos: Bavaria, Karlheinz Vogelmann [2] | Archiv

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ten vom Typ-VII-Booten liegen auf dem Grund der Weltmeere verstreut, und jedes riß knapp 50 Seeleute mit ins nasse Grab. Zehetbauer hatte neben den Fotos Buchheims weitere Referenzen für seine Arbeit: Das VII-(C)Boot, das in der Nähe von Kiel vor dem Marineehrenmal Laboe als Museumsboot zu besichtigen ist, und ein weiteres deutsches Boot vom Typ IX (C), das sich im Museum of Science and Industry in Chikago befindet. Er hatte bereits 1976 mit seiner Arbeit begonnen, als noch die amerikanischen Regisseure im Spiel waren. Es entstanden verschiedene U-Boot-Nachbauten und Modelle. Ein 67 Meter langes lebensgroßes »Mock-up« von dem Teil des Boots, der über Wasser zu sehen ist, war schwimmfähig, besaß einen eigenen Antrieb und sollte sogar bis zu mittlerem Seegang benutzt werden können. Allerdings hatte es nach nur zwei Drehtagen der erste Sturm zerstört, so daß sämtliche Szenen auf dem U-Boot-Turm später im Studio auf einem zweiten Turm mit Hintergrundprojektion gedreht werden mußten. Als Miniaturen gab es ein elf Meter langes Vollmodell im Maßstab 1:6. Das »Drei-Tonnen-Monstrum«, wie Petersen es nannte, konnte ebenfalls bis zu mittlerem Seegang eingesetzt werden. Es war das größte der nicht-tauchfähigen Modelle. Für die Unterwasseraufnahmen in Bassins gab es verschiedene tauchfähige Modelle unterschiedlichen Maßstabs, darunter ein ferngesteuertes von 5,5 Meter Länge, mit dem auch die beschriebene erste Einstellung des Filmes gedreht worden ist. Der größte Teil der Dreharbeiten fand jedoch in der 55 Meter langen Innendekoration statt. Sie ließ sich in Einzelsegmente zerlegen und war mit diversen Springwänden ausgestattet, war aber sonst, wie die Außenmodelle und »Mock-ups« auch, aus Originalmaterialien so vorbildgetreu wie möglich konstruiert. »Das Boot ist kein Genre-Film«, meinte Rohrbach damals in einem Interview, »das hätte die Bavaria nicht interessiert.« Auch bei ihm habe sich alles dagegen gesträubt, das Genre auf die gewohnte Weise zu bedienen. Petersen schreibt in seiner Biografie: »Der Film wollte ganz einfach zeigen, was Krieg wirklich bedeutet – speziell für jun-

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ge Menschen, denn sie sind es ja, deren Leben im Krieg verheizt wird. Er wollte zeigen, wie leicht diese Menschen durch die propagierte Faszination des Krieges verführt werden.« »Wir waren alle am Zittern. Wie machen wir das denn nun? U-Boot-Filme gab es ja genug. Es war mein erster Film, bei dem ich mit Hollywood konkurrieren mußte«, erzählt Vacano. »Hollywood! Weltmarkt! Ich habe keine Nacht mehr ruhig geschlafen…« Schließlich, so erinnert sich der DoP heute, habe er zu Petersen und Rohrbach gesagt: »Wenn der ›Scheiß-Weltmarkt‹ nicht wäre, würde ich das machen wie einen Dokumentarfilm, mit Handkamera und available light.« Davon sei Petersen, wiederum den Weltmarkt vor Augen, anfangs nicht besonders begeistert gewesen, so Vacano, erschreckt vor seinem eigenen Mut. Schließlich sei es ihm aber gelungen, Petersen und Rohrbach davon zu überzeugen, daß im Zweiten Weltkrieg »niemand mit einem Spitzlicht herumgerannt ist.« Authentizität, Realitätsnähe und starke emotionale Identifikation mit den Charakteren wurden oberstes visuelles Ziel. »Auch wenn es überraschend klingt: Die technischen Schwierigkeiten für die Kamera in der Enge des Bootes, das oft schief liegt, sich abrupt bewegt und schlingert, sind eigentlich nicht so groß wie die konzeptionellen […] Wie geht man an einen solchen Stoff heran, ohne […] ein Schlachtengemälde zu entwerfen?«, hat Vacano damals geschrieben. Die Kamera müsse vielmehr nah heran an die Menschen, die Krieg erleben, an »die Angst, die Enge, die miese Luft, die Klaustrophobie.« Zehetbauer hatte sich bei den Abmessungen der Innendekoration exakt nach den wahren Gegebenheiten gerichtet, eine intensive Nutzung von Springwänden hätte bei den Amerikanern aber von Anfang an zum Konzept gehört. Doch Petersen und Vacano entschieden sich, bis auf eine einzige Ausnahme, gegen Springwände. Die Kamera sollte sich, quasi wie ein Mitspieler, mit dem begrenzten Raum begnügen müssen. Sie beließen es bei der entsetzlichen Enge, die bei den Dreharbeiten noch bedrängender wurde. »Als ich das erste Mal da ’reinging, dachte ich, das überlebe ich kei-

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ne zwei Stunden…, aber dann haben wir da ein Jahr lang drin gedreht«, erinnert sich Jürgen Prochnow, der Darsteller des U-Boot-Kapitäns, heute. »Man kann sich nicht vorstellen, wie eng es war. Die Crew war ja auch da drin. Natürlich sieht man sie nicht, aber das waren noch mal zehn, fünfzehn Leute… Manchmal saßen die Crewmitglieder einander auf den Schultern. Es verlangte alles sehr viel Geduld. Von allen.«

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Die Kamera sollte sich niemals an einem Ort befinden, der von der Geometrie der Räume her nicht plausibel war. Auf diese Weise wurden die Bildausschnitte zwangsläufig eng. Nur bei Blicken entlang der Längsachse des Bootes in den Torpedo- und den Maschinenraum, die beiden einzigen längeren Räume voraus und achtern, kam Vacano auf Halbtotalen. Vorrangig benutzte Optiken waren das 24er und 32er, für Großaufnahmen das 40er und für dramatische Fahrten auch ein 16Millimeter-Objektiv. Gedreht wurde zuerst mit einer Arri 2 C, später mit einem Prototypen der von Vacano zusammen mit Arri extra für diesen Film entwickelten 3 C. Die laute, ungeblimpte Kamera wurde um ihrer Mobilität willen in Kauf genommen, ihr geringes Gewicht war aber auch Grundlage der Handkamera-Ästhetik, die mit einer geblimpten Kamera nicht möglich gewesen wäre. Ohnehin wurde der ganze Film nachsynchronisiert, unter anderem auch wegen der lauten hydraulischen Wippe, auf der die Innendekoration des Bootes montiert war. Sie war nötig zur lebensechten Darstellung sowohl leichter Dünung als auch extremer Erschütterungen durch Wasserbombenexplosionen. Lediglich eine Szene – ein kurzer Dialog zwischen Herbert Grönemeyer und Klaus Wennemann als Leitendem Ingenieur, eine emotional schwierige und sehr eindringliche Szene, die in einer Einstellung aufgenommen wurde – drehte Vacano mit einer Arri 35 BL, damit der sensible Originalton verwendet werden konnte. Die Innenaufnahmen leuchtete er, anders als zu Beginn der 80er Jahre üblich, nur mit Dekorationsleuchten, zumeist original Schiffslampen, also das »natürliche« Beleuchtungssystem des Bootes, mit stärkeren Birnen ausgestattet. Nur

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wenn bei einer Szene wie dem »Absacken« vor Gibraltar das Licht ausfallen mußte, leuchteten die Schauspieler mit umgerüsteten Akku-Taschenlampen, sogar das reichte aus. Verschiedene Stimmungen im Boot wurden durch die verschiedene Licht-Schaltungen unterstrichen: rotes Alarmlicht, Weißlicht, Notlicht, Blaulicht, berichtet Vacano. U-Boote haben keine Bullaugen. Natürliches Tageslicht kann nur ab und zu durch das Turmluk in die Zentrale dringen. Die Farbeffekte, die Vacano durch den szenisch bedingten Einsatz von rotem und blauem Licht erreichte, stellen nicht nur eine interessante und gut motivierte visuelle Variation dar. Beide Farben haben eine praktische Bedeutung als Alarm- oder nächtliches Ruhelicht, aber auch eine starke, fast plakative symbolische Funktion. Beim ersten »Alarmtauchen«, einer Übung, bleibt das Weißlicht an. Beim ersten echten Feindkontakt, einem Zerstörer, werden die verschiedenen Räume gezeigt, fast jeder in anderer Beleuchtung. Manche weiß, andere rot, einige blau. Dem Zuschauer erleichtert das die Orientierung. Rot bleibt der Zentrale oder dem Raum darüber im Turm vorbehalten, da es dort die Adaption der Augen an die nächtliche Außenwelt erleichtert. Bei längerer Unterwasserfahrt wurden im historischen »Boot« alle unnötigen elektrischen Verbraucher abgeschaltet, um Batteriestrom für die elektrischen Antriebsmotoren zu sparen. Auch alles unnötige Licht wurde abgeschaltet – eine gute Motivation für Vacano, um diese Augenblicke höchster Bedrohung noch düsterer auszuleuchten. Das wenige Licht konzentriert sich auf das Mienenspiel der Darsteller, die dann nah an den angeschalteten Schiffsarmaturen stehen. Furore gemacht hat Anfang der 1980er Jahre Vacanos sehr dynamische, aber trotzdem stabile Handkamera, mit der fast der ganze Film gedreht ist. In anderen Momenten ist das Bild bewußt durch ruckartige Bewegungen fast bis zur Unkenntlichkeit verrissen. Berühmt wurde jene Einstellung, in der die Kamera der Besatzung folgt, die vom Heck- in den Bugraum rennen, um das Boot zum schnelleren Abtauchen bei Alarm nach

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So sieht es aus, wenn Wasserbomben detonieren. Eine hydraulische Wippe erzeugte die Erschütterungen, zusätzlich ließ Vacano mit Holzknüppeln gegen die gummigepufferten Stativbeine schlagen, so daß alles wie wild zu zittern begann. Für Augenblicke entstanden Bilder nur aus Bewegungsschlieren, die die ungeheure Wucht extrem naher Detonationen spürbar machen.


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vorne zu neigen. Steadicam gab es 1980 zwar schon, es hätte aber damals wie heute niemals durch die kreisrunden Luken zwischen den einzelnen Räumen des Bootes gepaßt und wäre überhaupt in der Enge des Bootes nicht einsetzbar gewesen. Vacano hatte bereits Jahre zuvor mehrere Kreiselstabilisatoren (eine ähnliche Kreiselkonstruktion hat auch Wolfgang Treu häufig verwendet) aus den USA eingesetzt, wie sie dort zur Stabilisierung von langbrennweitigen Ferngläsern auf Kriegsschiffen benutzt wurden. Vacano baute sich daraus selbst seine berühmte Kreiselstabilisierung. Zwei Kreisel montierte er unter der Kamera, einen horizontal, einen vertikal, im rechten Winkel zueinander. Auf diese Weise wurde die optische Achse in allen drei Raumachsen stabilisiert und die Kamera ließ sich nur noch in Längsrichtung und parallel dazu bewegen, der »Horizont« wurde sogar doppelt stabilisiert. Nur mit großem Kraftaufwand ließ sich die Kamera gegen die Kreiselwirkung verschwenken. 76

Die Konstruktion hatte ein erhebliches Gewicht, war aber kompakt genug, so daß Vacano sie mit beiden Händen vor der Brust tragen konnte. Auf diese Weise konnte die Dekoration von der hydraulischen Wippe auch sehr extrem in alle Richtungen bewegt und die Darsteller realistisch umhergeschleudert werden, die Kamera blieb waagerecht und bot dem Zuschauer, ähnlich einem künstlichen Horizont, eine optimale Orientierung über die Bewegungen des Bootes, die man mit einer festen Kamera sonst gar nicht hätte wahrnehmen können. Mit viel Übung konnte Vacano sehr zügig durch die Kugelschotts durchsteigen, gefolgt von seinem Assistenten, der die Stromversorgung trug und die Schärfe zog. Dafür hatte der findige DoP eine einfache eigene Fernbedienung konstruiert, die über zwei Fahrradbowdenzüge funktionierte, die in einem Kästchen mit Drehknopf mündeten. Kommerziell war so etwas damals noch nicht verfügbar. Um die »dramatischen« Erschütterungen durch explodierende Wasserbomben zu visualisieren, setzte Vacano die Kamera auf ein altes Holzstativ, das mit sehr weichen und langen Gummipuffern

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auf dem Boden montiert war. Im Augenblick der Explosion wurde dann zusätzlich zu der Erschütterung, die die hydraulische Wippe erzeugte, mit dicken Holzknüppeln gegen die Stativbeine geschlagen, die auf den Gummipuffern wie wild zu zittern begannen. So entstanden Bilder, die für kurze Augenblicke nur aus Bewegungsschlieren bestehen, mehr Impressionen als Erkennbares zeigen und so die ungeheure Wucht extrem naher Wasserbombendetonationen spürbar machen. Schließlich hat Vacano auch die später allgemein in Mode gekommene entsättigte Farbgebung eingesetzt, und zwar durch den Einsatz von Fuji-Negativmaterial, das im Vergleich zu Kodak damals noch ein eher pastelliges Bild lieferte. Die Empfindlichkeit war mit 100 ASA damals nur knapp ausreichend, um mit Blende T2,8 bei »available light« zurechtzukommen. Das Boot gibt es in drei Versionen: Die ursprüngliche Kinofassung von 1981 hatte 149 Minuten, der 1985 ausgestrahlte Fernsehmehrteiler insgesamt 360 Minuten (er wurde sowohl in dreimal 90 als auch sechsmal 60 Minuten gesendet). Der 1997 erschienene, völlig neu vertonte »Director’s Cut« ist, was die Laufzeit angeht, ein Kompromiß: 209 Minuten lang, ist aber auch die »Traumfassung« des Regisseurs. Sie hat zudem eine wesentlich verbesserte Bildqualität, da vom Originalnegativ ein neues Interpositiv auf jetzt aktuellem Material hergestellt wurde. Die Herstellung der ersten Kinofassung und des Fernsehmehrteilers kostete Anfang der 1980er Jahre rund 32 Millionen Mark. Das entspricht nach Einrechnen der Inflation seit 1981 heutigen 25 Millionen Euro. Damit ist Das Boot bis heute einer der teuersten deutschen Filme geblieben. Der ungeheure Mut und Durchhaltewillen, mit dem Günter Rohrbach, Wolfgang Petersen, Jost Vacano und ihre Mitstreiter diesen herausragenden Film zum Erfolg geführt haben, war damals und ist heute noch beispielhaft. Wermutstropfen dabei und auch an anderer Stelle schon oft angesprochen: Der Film wurde bis jetzt über 20 Mal im Fernsehen gesendet, und Vacano hat keinen einzigen Cent an Urheberrechtsentgelt dafür erhalten. c


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Gesetze der Serie | Californication

07_Californication Wenn einer fünf Geschichten auf einmal erzählt, sich dafür 1001 Minute Zeit nimmt und trotzdem kein Ende findet, freuen sich die Zuschauer. Fernsehserien wecken Begeisterung wie nur wenige Kinofilme. Warum eigentlich?

Text Michael Stadler 77

Vorspann. Es ist alles eine Frage der Hormone. Mal geht’s Richtung Sex, mal Richtung Liebe, ein ewiges Hin und Her, ähnlich dem Gezeitenstrom am Rand des Strands von Kalifornien. Und weil man damals seine Surferfilme auf Super 8 drehte und das heute noch verdammt gut aussieht, greift sich diese Serie in ihrem Vorspann den alten Homevideo-Look, zeigt Venice Beach und erzeugt immerwährende Good Vibrations. Gleichzeitig läßt sie die städtische Umgebung und das menschliche Strandgut, darunter die obligatorischen Skater, hip-hipperhippest im Zeitraffer durchs Bild

flashen. Auf dem Highway rast die Kamera auf der mittleren Bahn, auf der Soundspur rollt der Rock. Schnelles, schnellebiges Dahinsurfen im Golden State, yeah, ein Leben auf der Überholspur, immer an der Kante entlang. Da gehört Hank Moody hin. Vor sein Gesicht hält er die Zeitung Book Critic und taucht schmunzelnd dahinter hervor, vielleicht weil er und sein Erfinder Tom Kapinos wissen, daß jeder Kritiker (und jede Serie) einen Autor als hintergründige Existenzgrundlage brauchen. Sonst gibt es nix zu glotzen. Rückwärts läuft David Duchovny alias Hank auf ein StoppSchild zu und schaut nur nach vorne. Die Moral errichtet Hal-

testellen, die können ihm den Buckel runterrutschen. Dabei lächeln seine Ex und seine Tochter im Vorspann so nett. Mit Blumen in der Hand stürzt Hank auf den Asphalt, die Liebe bringt ihn ins Stolpern. Ist aber nicht so schlimm, so lange die SexQuote stimmt und die Lockerheit überlebt. Früher war es cool, mit einem Satz über die Tür auf dem Vordersitz seines frisch polierten Sportwagens zu landen. Heute, am Ende des neuesten Vorspanns, bleibt Hank an der Tür seines ramponierten Porsches (absichtlich?) hängen und landet schräg auf den Sitzen. Die alte Pose, angekommen im Zeitalter der Ironie. Noch cooler also.


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Um was geht’s? Fuck. Dieses eine Wort tippt Hank am Ende der Pilotfolge in seinen Laptop. Darum geht’s: Ein Schriftsteller will ran an die Buletten, und es liegt eine Menge auf dem Grill. Zu dumm, daß Hank einer großen Liebe nachhängt: Mit Freundin Karen und Tochter Becca zog er aus New York nach L. A. und erlebt dort eine tiefe Kreativitäts- und Beziehungskrise. Sein letzter Roman wird zur Hollywood-Schnulze verwurstet, Karen hat die Seitensprünge satt und will den biederen Verleger Bill heiraten. Für die zweite Staffel schlägt sie sich zwar wieder auf seine Seite, doch Hanks Sturm-und-DrangPhase nimmt kein Ende. Gleiches gilt für seinen Agenten Charly. Der verliert wegen Permanent-Onanie während der Bürozeiten seinen Job und mutiert zum Autoverkäufer, Pornoproduzenten und Assistenten einer sexhungrigen Agentin. Alle wollen nur das eine, überall. In Staffel drei lehrt Hank an der Uni, wo er mit der Frau des Dekans, seiner Assistentin und einer Studentin schläft. Einmal sitzen drei Geliebte vor Hank in der Klasse, er schreibt mit rotem Stift nur ein Wort an die Tafel: Fuck. Soviel zur Romantik.

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Worum geht’s wirklich? Doch, doch: Unter der Oberfläche wird ganz konventionell, nach dem Liebesglück gesucht. Aber wie gewinnt man seine Freundin zurück und zieht anständig eine Tochter groß, wenn Sex ständig verfügbar ist? Die Treue ist in Californication auf dem Prüfstand – und steht auf verlorenem Posten. Auch, weil die Frauen ähnlich wie die Männer ticken. Selbst wenn sie in der Sex-Industrie Kaliforniens arbeiten (Hanks Studentin strippt, Charlys Sekretärin verkauft ihre Dienste im Internet, und seine Bekanntschaft Daisy macht Pornos), folgen sie nicht nur ihrem kühlen Geschäftssinn. »I love sex«, meint Daisy. Der Trieb regiert in Californication, die Serie kann als Persiflage auf die hedonistische Gesellschaft verstanden werden. Gleichzeitig bedient sie die Voyeure vor dem Bildschirm. Nackte Körper im Mantel der Gesellschaftskritik. Was für ein Paket.

Philosophischer Ansatz. Die Lebensphilosophie von Hank läßt sich auf das gute alte »Carpe diem«, besser: »Carpe noctem« reduzieren. Hank genießt den Augenblick, ähnlich wie Charly, mit dem er eine Freundschaft pflegt, in der die Pubertät kein Ende findet. Dem gegenüber stehen die Ansprüche des Familienlebens: Langzeitplanung wäre hier erforderlich, Kontinuität, Zuverlässigkeit. »There is no always. There is just right now«, meint Tochter Becca einmal trübsinnig zu ihrem Vater: Es gibt kein immer, es gibt nur sofort. Nicht der bürgerlichen Mitte, sondern seiner Körpermitte und dem, was darunter liegt, folgt Hank als Leitstern. »The pussy never lies«, erklärt Kathleen Turner in ihrer Rolle als verdorbene Agentin. Auch eine Philosophie. Wahrheitsfindung, jenseits der üblichen Hierarchie. Von unten halt.

Fotos: Paramount

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Zeit und Ort. Die Moralvorstellungen sind lax, die Frauen sexuell selbst bestimmt und auf Karriere getuned, die unverheirateten Eltern Hank und Karen bemüht um die Erziehung ihrer Tochter, wobei er sein Geld auch mit einem Blog verdient – »Californication« ist up-to-date wie der Mac, auf dem Hank werbewirksam tippt. Zum Basteln der Identitäten bedient man sich aber auch alter Moden: Tochter Becca trägt zunächst Goth-Kleider und begeistert sich für Schweinerock, Hanks Porsche verströmt nostalgischen Playboy-Charme. Die Strecken in Kalifornien erscheinen dabei kurz. Alle sind unvermutet irgendwie vernetzt; man trifft sich bevorzugt zufällig, als ob L. A. sich nicht wie ein Pfannkuchen über ein weitläufiges Gebiet erstreckt, sondern die Törtchengröße eines Dorfes hat. Für Gourmand Hank ein Problem: Man sieht sich oft zweimal, selbst nach einem One-Night-Stand. Das kann peinlich werden.

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Helden. Hank ist nichts peinlich. Für jede Situation findet er das passende Bonmot – die Serie könnte auch Sophistication heißen. Hank stürzt einen Drink nach dem anderen hinunter und bleibt doch situationsmächtig. Seine Melancholie hat Größe, seine Schönheit Bestand, genauso wie seine Potenz, obwohl er bereits Mitte 40 ist (Darsteller Duchovny steuert sogar zielsicher auf gefährliche 50 zu). Daß Hank eins auf andere mit anderen Frauen schläft, hindert Karen nicht daran, an ihrer Liebe zu ihm festzuhalten. Zumindest bislang. Schöpfer Tom Kapinos war zuvor Autor bei Dawson’s Creek und litt danach, verständlicherweise, unter einer Schreibblockade. Er erfand schließlich Hank. Einen Autoren, der all das tut, wovon Männer träumen. Und damit auch noch durchkommt.

Stammpersonal. In der Kürze liegt die Würze: Knapp 30 Minuten dauert jede Folge. Da im Mittelpunkt ein Narziß steht, bleibt wenig Zeit und Raum für andere. Karen, Tochter Becca, Bills Tochter Mia, Agent Charly und dessen Frau Marcy sind stete Pole für Hank, dem in jeder Staffel neue Bettgefährtinnen zugespielt werden. Für eine Serie über den schönen Schein ist das Stammpersonal markant besetzt, Natascha McElhone würzt als Karen die Serie mit leichtem britischem Akzent. Viel mehr als lächeln darf sie jedoch nicht. Der glatzköpfige Evan Handler lädt als Agent Charly in jeder Folge charmant zum Fremdschämen ein. Handler war in seinen Zwanzigern leukämiekrank, was sein Äußeres ähnlich geprägt hat wie die rheumatoide Arthrose, unter der Kathleen Turner Anfang der 1990er litt und die sie in den Alkoholismus trieb. Der heißkalte Star von einst ist nun als Charlys alternde Chefin nicht nur verbal immer geil. Na also! Hollywood vergißt seine Stars nicht. Ob man sie darum beneiden soll?

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Vorbilder. Californication ist die Macho-Variante von Sex in the City. David Duchovny scherzte in Interviews, daß man die Serie auch The Sex Files oder Triple X Files nennen könnte, hoffe aber, daß Zuschauer an die WarrenBeatty-Komödie Shampoo erinnert werden. Vorbild für Autor Tom Kapinos ist Charles Bukowski, der Schriftsteller, Säufer, Frauenheld, dessen semi-autobiografischer Held Hank Chinaski heißt. Karen liest in einer Szene Bukowskis Sifting through the Madness for the Word, the Line, the Way, durch seinen eigenen Wahnsinn scheint auch Duchovny zu waten: Im August 2008 lieferte er sich selbst in eine Klinik wegen Sex-Sucht ein, die Trennung von Gattin Téa Leonie gilt erst seit kurzem als beendet. In Gedanken scheint sie immer bei ihm gewesen zu sein: In der dritten Staffel, nach einem Quickie mit einer spanischen Hausangestellten, nuschelt Hank/Duchovny, daß er Spanglish für einen unterbewerteten Film halte. Eine Komödie, in der Leonie mitspielte. Kostenlose Werbung für die Gattin. Das muß doch Liebe sein.

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Gimmicks. Gigolos gibt es wie Sand am Santa Monica Beach, doch einer, der wirklich jede Frau ins Bett bekommt und das oft nach einem Small Talk von zwei Minuten, hat Seltenheitswert. Da wird selbst Don Juan blaß, und die Prüden erröten angesichts der nackten Haut, die hier gezeigt wird. Bevorzugt Brüste, was schön anzuschauen ist, weil die Bodys gut gebaut sind. Die Freizügigkeit setzt sich in den Dialogen fort: Hier wird kein Feigenblatt vor den Mund genommen. Auch auf weiblicher Seite, wobei dem Zuschauer aktuelle Wortbildungen wie »slunt« (Zusammenziehung von slut und cunt) nahegebracht werden. Der Sex hat auch die Sprache durchdrungen, Wortspiele werden zu Vorspiele für visuelle Höhepunkte. Hank und Charly sind Meister darin. Wenn der Regisseur des von Charly produzierten Films Vaginatown fragt, ob dieser nicht für den erektionsschwachen Hauptdarsteller als »stuntcock« einspringen will, retourniert Charly: »Why don’t you whip out your Hitchcock and give him a cameo?” Filmwissen und Porno finden hier wunderbar zusammen. Fucktastic.

Musik. Neben dem Sex gibt der Rock in all seinen Ausformungen den Lebensrhythmus vor. Becca will Musikerin werden, in einer Folge covert sie mit ihrer Band »Don’t Let Us Get Sick« von Warren Zevon, dessen Songs die Serie regelmäßig begleiten. Nach den Albentiteln der Thrash-Metal-Band Slayer benennt Hank seine Romane. So adeln Zitate literarische Abgründe und launige MoodySprüche; das Plündern kann aber auch die Urheber auf den Plan rufen. Die Red Hot Chili Peppers zogen vor Gericht, immerhin war Californication ihr erfolgreichstes Album. Sänger Anthony Kiedis beklagte bösen Identitätsraub, mußte jedoch zusammen mit der Band feststellen, daß sie den Titel nicht als Marke geschützt hatten. Zudem war bereits 1972 im Time Magazine ein Artikel mit dem Titel The Great Wild Californicated West erschienen. Originalität ist relativ, der Rechtsstreit zieht sich hin. Andere Musiklegenden treten lieber in der Serie auf, wie Rick Springfield, der als drogenabhängige Karikatur seiner selbst durch einige Folgen geistert, als lächerliche Legende.

Fotos: Paramount

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Suchtfaktoren. Sex war immer schon ein gutes Bindemittel, reicht aber in Zeiten des Internets lange nicht mehr aus, um Zuschauertreue zu sichern. »Satisfaction is the death of desire«, erklärt Hank, und so bleibt seine Krise mit Karen einer der Haken, an dem US-Zuschauer hängen bleiben. Die Serie zitiert zudem alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Autor Kapinos wildert dabei in seiner eigenen Biografie: Tom Cruise und Katie Holmes spielen die Hautrolle in der fiktiven Verfilmung von Hanks Roman God Hates Us All. Holmes sprach bereits über die Liebe in Dawsons Creek, die Zeilen wurden ihr von Kapinos in den Mund gelegt. Daß Karen den Nachnamen Van der Beek trägt, ist ebenfalls kein Zufall – James Van der Beek spielte einst Dawson. Wer das nicht weiß, gehört zwar nicht zum neuen Bildungsbürgertum, wird aber vielleicht die Anspielungen auf Fitzgeralds Great Gatsby oder Nabokovs Lolita verstehen. Californication verspricht und gibt jedem seine Befriedigung.

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Visuelle Merkmale. Style does matter in einer Serie, in der es ums Äußere und das mehr oder weniger Tiefe darunter geht. Establishing Shots folgen dem Videoclip-Stil des Vorspanns, Außenaufnahmen leben vom kalifornischen Sonnenlicht. Von der Regie her kann es langweilig werden, Schuß-Gegenschuß, mehr braucht es nicht, weil die Dialoge zählen. Die Regisseure, darunter kinoerfahrene wie John Dahl (Red Rock West), inszenieren unauffällig und elegant. Und Duchovny hält nicht nur vor der Kamera das eine oder andere Ruder in der Hand: Er produziert die Serie mit und hat schon zweimal die Regie übernommen. Zahlen. Californication hat seinen Höhepunkt noch nicht erreicht, zumindest was die Quote anbelangt. Die erste Folge wurde am 13. August 2007 auf dem produzierenden Pay-TV-Sender Showtime ausgestrahlt, bei der Premiere schauten 550.000 Abonnenten zu. In Deutschland zeigte RTL2 die erste Staffel ab dem 29. September 2008, immer montags um 22.15 Uhr. Die Einschaltquoten blieben mau, Comedy läßt sich schwer übersetzen. Die Quoten in den USA steigen jedoch, weshalb Showtime noch vor Ablauf der dritten Staffel eine weitere in Auftrag gegeben hat. Hank wird also noch längere Zeit seinen Trieben folgen dürfen, womöglich nur nicht mehr im deutschen Privatfernsehen. Auf RTL2 zeigt man lieber Big Brother 10.

Einfluß. Daß eine Serie wie »Californication« den Niedergang der Moral verursachen könnte, mag keiner ernsthaft glauben. Manche konservative Gruppen aber schon, besonders in Neuseeland und Australien. Die »Australien Christian Lobby« rief dazu auf, daß Firmen nicht mehr während der Sendung werben sollen, als Reaktion auf eine Szene, in der Hank mit einer Frau unter Marihuana-Einfluß Verkehr hat und danach beide sich übergeben. Die Serie schüttelt Salz in die moralische Wunde, die christlich-fundamentalistische Gruppe der »Salt Shakers« rief ebenfalls zum Werbe-Boykott auf. Mit Erfolg: 49 Gesellschaften entzogen der Sendung in Australien das Sponsoring. Dabei könnte man doch alles positiv sehen! Inspiriert von Tochter Eva Amurri, die in Californicatin glaubwürdig strippt, nimmt Susan Sarandon seit einiger Zeit Unterricht im Pole-Dancing, um fit zu bleiben. Auch sie hält der Serie die Stange. c

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13 Semester? Frieder Wittich hat es sogar noch länger an der Hochschule ausgehalten. Darum ist sein Debütfilm nicht bloß lustig, sondern auch ein wehmütiger Blick zurück, als man im Studium noch was fürs Leben lernte.

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Porträt | Frieder Wittich

Auf der Suche nach den verlorenen Semestern Frieder Wittich hat noch länger studiert als sein Held in 13 Semester. Aber nicht nur deshalb funktioniert seine Studentenkomödie so gut.

Text Christoph Gröner | Foto Sabine Felber

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Wenn es so etwas wie einen idealen Fürsprecher für eine deutsche Komödie gibt, dürfte das Vicco von Bülow sein. Unter seinem Künstlernamen Loriot hat er immer wieder gezeigt, daß deutscher Humor nicht grob sein muß, selbst wenn er mit Grobheiten spielt. Frieder Wittich hat Loriot getroffen, als er an seinem Film 13 Semester schrieb. »Diese sechs Stunden waren wirklich unterhaltsam«, findet der junge Regisseur, ohne groß darüber ins Erzählen zu geraten. Er will mit Loriot nicht für seinen eigenen Film trommeln. Das ist ziemlich anständig, könnte man meinen. Man darf aber auch annehmen, daß Wittich, Jahrgang 1974, ein geerdetes Selbstbewußtsein hat. Schließlich hat er vier lange Jahre am Drehbuch zu seinem Debüt gearbeitet. Und auch davor schon kurze Komödien gedreht. Aus diesem Ein-TagesTreffen wird er deshalb nicht mehr als ein paar An-

regungen mitgenommen haben. Trotzdem: Kein schlechtes Zeichen, wenn ein Botschafter des feinen Humors das Projekt für spannend hält. Dabei hätte 13 Semester als Studentenkomödie auch ziemlich laut und oberflächlich werden können. Der Held, Momo, will bloß nicht die Gaststätte seiner Eltern in Brandenburg übernehmen. Also zieht er nach Darmstadt, um Wirtschaftsmathematik zu studieren. Es folgen unter anderem: eine aufreibende WG-Suche, überfüllte Hörsäle, chaotische Lerngruppen, aber auch Partys, ein HauRuck-Auslandsaufenthalt in Australien, bescheuerte Geschäftsideen, eine Liebesgeschichte. In amerikanischen Collegefilmen würden seltsame Initiationsrituale im Vordergrund stehen. In einem europäischen Studentenfilm wie L’Auberge Espagnole waren es die unterschiedlichen Kulturen von Auslandsstudenten, die überspitzt aufeinander


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prallten. Aber Wittich macht bei diesen Motiven nicht halt. In seinem Film stecken ernste Fragen: Kommt man noch einmal hoch, wenn man als Langzeitstudent feststeckt? Vor allem aber geht es in 13 Semester um Erinnerung an sich, um eine Suche nach verlorener Zeit. Eine Schlüsselsequenz, der Auslandsaufenthalt in Australien, wird nur in Fotos gezeigt. Das ist zunächst eine Frage des Produktionsbudgets (das mit 2,3 Millionen Euro für ein Debüt dennoch üppig ausfiel), aber es paßt auch perfekt zum Thema: Wenn Momo seinem Professor von Australien erzählt, sehen die Erinnerungs-Snapshots natürlich viel braver aus als beim Bericht für den WG-Kumpel, wo die Biere größer waren, die Küsse länger und die Schlägerei erfolgreich. So funktioniert Erinnerung oft: Sie schnurrt auf mehr oder minder wahre Anekdoten zusammen, die immer wieder erzählt werden, mal größer, mal kleiner, bis wir sie irgendwann selber glauben. Dazwischen gibt es viele Leerstellen. Und das ist auch nicht anders in diesem Film, der in 101 Minuten von 6,5 Jahren erzählt – Raum genug für die Erfahrungen der Zuschauer. »Kopfkino«, sagt Frieder Wittich, »das war das Ziel.« Daran hat er knapp vier Jahre mit seinem Autor Oliver Ziegenbalg gefeilt, der wie die Hauptfigur Wirtschaftsmathematik studiert hatte – was die Arbeit an der Studentenkomödie allerdings nicht leichter machte. »Es gab die sprichwörtlichen 1.000 Drehbuchfassungen«, sagt Ziegenbalg. Die dramaturgische Entwicklung »war streckenweise der Ober-Horror« meint Wittich. Zwischenzeitlich spielten die Autoren auch einmal mit dem Gedanken, nur ein Semester zu filmen; dann wieder hätte die ganze Geschichte verschachtelt mit einem Videotagebuch erzählt werden sollen. Am Ende aber standen 13 Semester Erzählzeit, und präzise Szenen, die laut Wittich bei aller Zuspitzung allesamt »erlebt wurden«. »Er ist hartnäckig, nie mit schnellen Lösungen zufrieden«, beschreibt sein Produzent Jakob Claussen den Regisseur. Hartnäckig war der gebürtige Stuttgarter Wittich schon vor dem Abitur, als er schon als Kamerassistent arbeitete, oder später als Koautor und Regieassistent bei Fernseh-

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spielen. Wittich hatte bereits mit 20 Jahren eigentlich einen geraden Weg in die Fernsehbranche vor. Aber er bewarb sich bei der HFF München – und kam tatsächlich in die letzten Auswahlrunde. Und was er davon erzählt, dürfte eine seiner besten Anekdoten über die eigene Studentenzeit sein. Nur eine halbe Stunde hatte er am Auswahltag, um einen Dreiminüter mit Schauspielstudenten zu filmen. Er sollte auf Schnitt drehen – was Wittich »schlicht behämmert« fand. Er wollte lieber eine Choreografie in einem Take. Bei jedem Aufnahmeversuch mußte die Kassette zurückgespult werden, beim fünften Mal klappte die Aufnahme, da waren 20 Minuten vorbei. Die Schauspieler jubelten, aber Wittich sagte: Los, wir machen noch einen. Er spulte zurück. »Es war dann der beste Take«, erinnert er sich. Die Professoren sagten: Echt mutig. Aber sie meinten auch: Hätten sie das nicht geschafft, hätten wir das als unprofessionell gewertet. Wittich wurde aufgenommen und studierte mit heutigen Freunden wie Maren Ade oder Baran Bo Odar. Er redet mit angenehmer Unbekümmertheit von dieser Zeit, von seinen Filmen, und doch merkt man dabei immer wieder, daß er genaue Lösungen sucht. Seine bisherigen Filme wollen zwar keine KinoRevolution, aber sie sind intelligent strukturiert. An seinen Kurzfilmen sieht man, daß er ungewöhnlich erzählen will. Schon sein erster Hochschulfilm Mosquito zeigte das Leben in überraschender Optik – aus der Sicht eines Insekts. Und das Stilmittel der Fotoerzählung aus 13 Semester hat Wittich bereit in Opus verwendet. Der Kurzfilm handelt von den Nöten eines Drehbuchautors mit der verflixten Inspiration. Fiktionale Figuren entstehen da auf der Leinwand, entwickeln ein Eigenleben, geraten in Sackgassen. Wittich schneidet Fotos von verschiedenen möglichen Drehorten hintereinander und läßt sie seinen Helden mit trocken-witzigen Dialogen kommentieren, bis der eine neue Lösung findet. Das hat durchaus mit dem Menschen hinter dem Film zu tun: »Ich bin ein absoluter Teamschreiber.« So entwickelt Wittich bessere Ideen. Und auch am Set pflegt er die Teamarbeit: »Ich bin


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Porträt | Frieder Wittich

Als es noch keine Studiengebühren und Bachelorabschlüsse gab, konnte man noch richtig studieren. Und ausgiebig. Frieder Wittich zeigt es zur Zeit im Kino – mit 13 Semestern in 101 Minuten.

Studentenjob: An der Münchner Filmhochschule drehte Wittich Werbespots – wie die Reihe Keine Gegenfrage für eine FrikadellenFotos: Claussen & Wöbke & Putz [2] | First Steps

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schnellbraterei (unten). Dafür heimste er mehrere Preise ein. Brauchte aber halt auch 14 Semester bis zum Abschluß.

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22–26 MARCH 2010 www.insightout-training.net

Europe’s leading training course on digital cinema and HDTV With hands-on workshops, project consulting, case study Antichrist and lectures such as „VFX for 2012 “ In Opus widmete sich Wittich den Nöten des Drehbuchschreibens – mit seiner Schwester Lisa Martinek und Oliver Korittke prominent besetzt.

HFF Film & Television University “Konrad Wolf” Potsdam-Babelsberg

kein Regisseur der glaubt, er sei der bessere Kameramann oder der bessere Kostümbildner.« Er hört lieber zu, nimmt den Input auf, weil er weiß, daß er davor für sich alle Fragen im Schreibprozeß beantwortet hat und sich im Zweifelsfall daran halten kann. Das Hauptziel am Set sei dann, Leute zu begeistern.Dieses genaue Nachdenken zuvor merkt man auch dem Casting seiner Filme an: Oliver Korittke paßt als zerknitterter Drehbuchautor in Opus; in 13 Semester gruppiert sich ein junges Ensemble um Max Riemelt. Der Regisseur hatte für seine fünf Hauptrollen insgesamt 150 Schauspieler vorsprechen lassen. Riemelt wirkt als Momo nun wie die Quersumme vieler Studentenerfahrungen – der Zuschauer kann an dieser Projektionsfläche anknüpfen. Extremere Charaktere wie Alexander Fehling als WGChaoten setzt Wittich als Sidekicks ein. Und daß er es fertig bringt, den britischen Schauspieler Amit Shah als Austauschstudent mit hessischem Akzent »babbeln« zu lassen, obwohl der seine Textzeilen nur phonetisch auswendig lernte, ist auch eine Regie-Leistung für sich. Bei weitem nicht alles aus diesem Film hat Wittich selbst erlebt – allein die Hörsäle der Münch-


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Fotos: HFF München

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ner HFF haben nichts mit Massenstudium zu tun. Was also hat 13 Semester mit ihm zu tun? »Ich habe die Zeit noch um ein Semester getoppt«, lacht er. Allerdings hat er im Gegensatz zu seinem Helden die lange Zeit doch eher effektiv genutzt: Wittich hat immer wieder Werbung gedreht, unter anderem die Keine-Gegenfrage-Spots für McDonald’s. »Selbe Sportart, andere Disziplin«, umreißt er die Arbeit bei Werbedrehs: »Das sind 100-MeterSprints. Und der Langfilm ist dann wieder wie ein Marathon.« Sein großer Traum wäre, weiterhin die Möglichkeit des Wechsels zwischen diesen Welten zu haben, ergänzt der mittlerweile in Berlin lebende Regisseur. Nicht zuletzt deshalb, weil er so auch viele seiner Mitarbeiter, etwa Kameramann Christian Rein, kennengelernt hat. Natürlich hat er dabei ganz unterschiedliche Werbefilme gedreht, immer aber mit Humor. Und man meint, daß dort auch der präzise, pointierte Blick auf den Alltag zählt, genau wie bei 13 Semester, der ein ziemlich authentischer Blick auf das Studentenleben geworden ist. Zugleich ist das ein nostalgischer Blick in Zeiten von Studiengebühren, Bachelor und Master, das weiß auch Wittich. Ein Blick zurück auf

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Hochschulen, an denen man sich zwar verlieren, aber eben auch selbst finden konnte. »Es kann nicht wahr sein, daß es das nicht mehr gibt«, sagt der Regisseur, der bei Probevorführungen mit Studenten über deren aktuelle Erfahrungen geredet hat. Im Kern sollte auch die Komödie stets ein existentielles Thema haben, findet Wittich, deshalb gibt es auch tragische, ruhige Momente in seinem Film. Er sagt, er wolle auch nicht unbedingt bei der Komödie bleiben. Sein nächster Film werde wohl noch ein wenig ernster. Er hat ihn bereits mit seinen Münchner Produzenten Claussen & Wöbke & Putz geplant. Unabhängig vom Erfolg von 13 Seemester, der mit 150 Kopien gestartet wurde, haben seine Produzenten bereits einen Roman von Benedict Wells optioniert: Ziegenbalg und Wittich schreiben gerade an der ersten Fassung von Becks letzter Sommer. Es soll eine Coming-of-Age-Geschichte eines fast vierzigjährigen Musiklehrers werden, sagt Jakob Claussen – der seinem Jungregisseur da sehr vertraut. Daß er damit Recht haben könnte, zeigt übrigens auch die Reaktion Loriots auf Wittichs fertic gen Film: Er hat sich gut amüsiert dabei.


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Die nächste Generation Seit drei Jahrzehnten, wenn der Herbst zu Ende geht, trifft sich der Nachwuchs aus aller Welt in München zum Internationalen Festival der Filmhochschulen. Prima Gelegenheit, um zu erfahren, was die kommende Generation so treibt. Das fanden auch die Münchner HFF und der Stativhersteller Sachtler, die mit uns fragten.

Protokolle und Fotos Alexandra Wesolowski, Zarah Schrade und Alireza Golafshan Bildbearbeitung Sabine Felber

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Dr. Zyklop. Ausente.


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Name: Jorge Fried Budnik Hochschule: Universidad del Cine; Buenos Aires, Argentinien Studienfach: Spielfilm

Fotos: Internationales Festival der Filmhochschulen | Archiv

Ein Monat, eine einsame Insel und nur ein Video*. Welches? – »Als ich mit elf Jahren meine ersten aktiven Filmerfahrungen machte, dachte ich noch nicht so viel darüber nach wie heute. Mit einem Freund versuchte ich, eine Science-Fiction-Geschichte zu erzählen, ein Roboter und ein Wissenschaftler in der Hauptrolle. Heute, mit 25, habe ich ein halbes Jahr lang am Drehbuch gearbeitet, bevor die Dreharbeiten für meinen Kurzfilm beginnen konnten. Die Erfahrung, mich mit jedem Film immer auch mit mir selbst auseinanderzusetzen und mich mit jedem Projekt weiterzuentwickeln, liebe ich an dem Beruf am meisten. Mein Ziel ist, die Sprache des Films so sicher zu beherrschen, daß ich mich ohne groß zu überlegen, wie in meiner Muttersprache ausdrücken kann.« Ausente, mit dem Jorge auf dem Hochschulfilmfest in München vertreten war, erzählt, durch Türrahmen und Fenster gefilmt, einen wichtigen Moment im Leben eines jungen Paares, das, in Routine erstarrt, *Stromanschluß vorhanden nun eine Entscheidung treffen muß.


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Name: Menno Otten Hochschule: Nederlandse Film en Televisie Academie; Amsterdam, Niederlande Studienfach: Dokumentarfilmregie Ein Monat, eine einsame Insel und nur ein Video. Welches? Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen von Robert Bresson (1956)

»Die Bilder aus Billy Wilders Appartement und Abel Gances Napoleon sind atemberaubend. Sie haben meinen Blick aufs Kino grundlegend verändert. Ich war zwar noch zu jung, um die emotionale Ebene des Films zu verstehen, aber ich verliebte mich in die Schönheit der Bilder und beschloß, Filmemacher zu werden. Ich hatte ja keine Ahnung, daß ich bei minimalistischen Dokumentarfilmen landen würde, die weit von diesen beiden entfernt sind. Aber nach all den Jahren beeindrukken sie mich noch jedes Mal.«

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Auf dem Filmschulfest war Menno zum zweiten Mal mit einer minimalistischen Dokumentation vertreten: Time within Time zeigt Momente, in denen Menschen gedankenversunken die Welt um sich herum zu vergessen scheinen. Gerne würde der 25jährige ein »dokumentarisches Epos« verwirklichen – eine Art Mosaik über die Menschen, die das heutige Amsterdam definieren. »Als würde man auf einer Bank sitzen und den ganzen Tag lang den Leuten zuschauen.«

Time within Time. Das Appartement. Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen.


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Name: Goncalo Miguel Soares Hochschule: Escola Superior de Teatro e Cinema; Lissabon, Portugal Studienfach: Regie und Montage Ein Monat, eine einsame Insel und nur ein Video. Welches? I’m Not There von Todd Haynes (2007)

Fotos: Internationales Festival der Filmhochschulen [2] | Archiv [2] | UIP | Tobis

»Jurassic Park jagte mir als Fünfjährigem so viel Angst ein, daß ich mich heute noch, mit 21, lebhaft an diesen ersten Kinobesuch erinnere. Ich wußte, daß es nicht echt war und nur ein Film, trotzdem konnte ich mich dem Sog der Geschichte nicht entziehen. Damit begann meine Liebe zum Kino und meine frühe Filmkarriere: Ich verschlang einen Film nach dem anderen und experimentierte auf der Oberschule mit Kamera und Schnitt.«

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Auf der Filmschule wurde Concalo klar, wie er Film als persönliches Ausdrucksmittel einsetzen kann. Subtitle Girl, der ihn auf das Hochschulfilmfest brachte, ist ein sehr persönlicher Film über Liebe, Einsamkeit und Frauen. Concalo spielt selbst die Rolle des Louis, der eines Morgens aufwacht und beschließt, sich zu verlieben.

Jurassic Park. Subtitle Girl. I’m Not There.


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Name: Emma de Swaef Hochschule: Hogeschool Sint-Lukas; Brüssel, Belgien Studienfach: Dokumentarfilm Ein Monat, eine einsame Insel und nur ein Video. Welches? Sagan om den lille Dockpojken von Johannes Nyholm (2008) – ein Animationskurzfilm.

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»Mein Vater zeigte mir, als ich gerade mal sechs Jahre alt war, Die zwei Leben der Veronika von Kieslowski. Ich war so berührt, daß er große Probleme hatte, mich wieder zu beruhigen. Gerne hätte ich die Möglichkeit, mein nächstes Projekt mit richtig viel Zeit in einem professionellen Studio zu verwirklichen. Je größer, desto besser – damit ich Wälder und Landschaften mit glaubwürdiger Raumtiefe bauen kann.«

Vor kurzem hat Emma ihren Bachelor-Abschluß gemacht, sich aber nach ein paar klassischen Dokumentationen in Stopmotion-Animationen versucht: Zachte Planten erzählt mit sanftem Humor von den Tagträumen eines gelangweilten Büroangestellten.

Zachte Planten. Die zwei Leben der Veronika. Sagan om den lille Dockpojken.


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Name: Dean Threadgold Hochschule: Westminster Filmschool; Harrow, Großbritannien Studienfach: Film und Fernsehen Ein Monat, eine einsame Insel und nur ein Video. Welches? Die DVD-Box mit den Staffeln 1 bis 4 von Kampfstern Galactica. Aber wenn es nur ein Film sein darf, dann eben Der Stadtneurotiker von Woody Allen (1977)

»Das Kinoerlebnis von Krieg der Sterne zeigte mir schon als Kind, daß Filme mich auf Reisen zu seltsamen, neuen und aufregenden Orten mitnehmen können. Solche kleinen Ausbrüche aus der Realität will ich den Menschen selber ermöglichen.«

Fotos: Internationales Festival der Filmhochschulen [2] | Absolut Medien | Johannes Nyholm | Archiv [2]

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Auf dem Münchner Filmfest war Dean mit einer schrägen Coming-of-Age-Komödie vertreten: In Tears of the Sun glauben zwei Jungs, daß die Tränen des Actionstars Buck Harris ihren todkranken Freund retten können. Noch in diesem Jahr schließt Dean Threadgold sein Studium ab. Vielleicht kann er bald sein Traumprojekt verwirklichen – einen Superman-Film, der sich endlich mal an die Vorlage der Comics hält.

Tears of the Sun. Krieg der Sterne. Der Stadtneurotiker.


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Name: Matthew Grossfeld Hochschule: Boston University; Boston, USA Studienfach: Film Ein Monat, eine einsame Insel und nur ein Video. Welches? Zurück in die Zukunft von Robert Zemeckis (1985) »Ich bekam zufällig die Chance, auf einem Filmset zu helfen. Der Job wurde zu einer seiner intensivsten Erfahrungen – ich beschloß, selbst Filmemacher zu werden. Ich mag Komödien, welche die Zuschauer nicht einfach nur zum Lachen bringen, sondern auch zum Nachdenken. Sie sollen immer einen Teil des Films mit in ihre Welt nehmen.« Auf dem Hochschulfilmfest war Matthew mit der Komödie einer Kommilitonin vertreten, bei der er als Editor mitgewirkt hat. A Simple Taste ist ein witziges Verwechslungsspiel, in dem eine Notiz zufällig in die Hände verschiedener Personen gelangt und verschiedentliches Unheil anrichtet.

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A Simple Taste. Zurück in die Zukunft.


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Portfolio | Studentenfilmer

Name: Susanne Kurz Hochschule: Hochschule für Fernsehen und Film; München, Deutschland Studienfach: Kamera Ein Monat, eine einsame Insel und nur ein Video. Welches? Ich habe keinen Fernseher. Es muß schon Film sein. »Wie ich mich ins Kino verliebt habe? Als ich in der Schule 16-Millimeter-Filme auf Bell-&-Howell-Projektoren vorgeführt habe. Mein Traumprojekt? 7.000 Ritter auf weißen Pferden, die im Mondlicht einen Berg hinunterreiten… und ein waghalsiger Regisseur, mit dem ich dieses Projekt verwirklichen kann.«

Fotos: Internationales Festival der Filmhochschulen [2] | Universal |20th Century Fox

Bis es soweit ist, hetzt Susanne von einem Projekt zum anderen und ist auf dem Filmschulfest München mit 1, 2, 3 zu sehen, einem experimentellen Film ohne Sprache, gedreht vor der weiten, leeren Naturkulisse Australiens. Susanne mag besonders, wie der Film entstanden ist: In einem Zwei-Mann Team haben sie mit den zwei Schauspielern alles improvisiert, die Landschaft auf sich wirken lassen.

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1, 2, 3. Königreich der Himmel.


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Portfolio | Studentenfilmer

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Name: Collin John D’Cunha Hochschule: Film and Television Institute of India; Pune, Indien Studienfach: Montage Ein Monat, eine einsame Insel und nur ein Video. Welches? Ein andalusischer Hund von Louis Buñuel (1929)

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Sein Sinn für Humor hat Collin auch auf das Münchner Filmschulfest gebracht: Mit dem BierWerbespot Take off gewann er den Ersten Preis des »König-Ludwig-Wettbewerbs«. Mit dem Preisgeld von 10.000 Euro kommt er vielleicht seinem Traumprojekt ein Stück näher: Ein Film mit so vielen verschieden Drehorten von der ganzen Welt wie nur möglich, unbegrenztem Budget und der besten Crew und Besetzung.

Take Off. Das Dschungelbuch. Ein andalusischer Hund.

Fotos: Internationales Festival der Filmhochschulen | Walt Disney | Archiv

»Ich bin in Mumbai geboren und aufgewachsen – der ›Bollywood›-Metropole. Also spielte Film von Anfang an eine große Rolle in meinem Leben. Eine meiner frühesten Filmerinnerungen ist die leidenschaftliche Begeisterung, die ich als kleiner Junge für Disneys Dschungelbuch aufbrachte. Humor ist für mich das Wichtigste.«


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Kolumne | Casting-Network

Zu wenig Geld – zu viel Talent Roter Teppich, Glanz und Glamour… Schauspieler haben’s gut! Könnte man meinen, wenn man nur die Fernsehzeitung liest. Denn auch im Licht der Scheinwerfer gibt es Schatten.

Text Tina Thiele

Wie viele Berufsschauspieler es in Deutschland gibt, kann man nur schätzen: Geht man nach den Datenbanken von ZDF und RTL, renommierten Casting Directors und öffentlichen Datenbanken im Netz, kommt man auf etwa 20.000 – erwerbstätige und arbeitslose, Grauer Markt eingerechnet. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA) zählt in seiner Statistik für das Jahr 2007 in der Berufsgruppe Darstellende Künstler 20.141 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, wozu neben Schauspielern auch Bühnenleiter, Regisseure, Sänger, Tänzer und künstlerische Bühnenhilfen gehören. Man kann also von schätzungsweise 10.000 professionellen Schauspielern ausgehen, die auf der Bühne wie vor der Kamera stehen und von diesem Beruf so gut wie möglich zu leben versuchen. Prinzipiell kann sich in Deutschland jeder Schauspieler nennen, der sich dazu berufen fühlt. Anders als in den USA ist die Berufsbezeichnung dieser »künstlerischen Tätigkeit« hierzulande nicht geschützt. Auch eine Gewerkschaft speziell für Filmschauspieler gibt es noch nicht. Neben Verdi, die in einem kleinen Bereich auch Schauspieler vertritt, gibt es die Genossenschaft deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) und den Interessenverband Deutscher Schauspieler (IDS). 1978 gegründet, war der IDS (aktuelle Mitgliederzahl: 166) somit lange Zeit die einzige berufsständische Organisation, die ausschließlich Schauspieler vertrat, bevor im April 2006 der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) auf die Bildfläche trat. Mit über 1.275 Mitgliedern ist der BFFS mittlerweile nicht nur der größte Interessenverband für seinen Berufszweig, sondern auch der gesamten nationalen Film- und Fernsehindustrie. Der Verband selbst schätzt die Zahl der deutschen Schauspieler, die hauptsächlich in Film und Fernsehen arbeiten, auf 5.000.

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Kolumne | Casting-Network

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Der Vorstand strahlt: Seit der Gründung vor vier Jahren steigt die Zahl der Mitglieder im Bundesverband der Filmund Fernsehschauspieler. Mit 1.279 zum Jahreswechsel ist der BFFS die mitgliederstärkste Interessenvertretung in der Branche.

Doch wie kommt ein Schauspieler überhaupt an eine Rolle? Hauptrollen werden in der Regel im Spannungsgeflecht Regisseur, Produzent und Redakteur als Auftraggeber entschieden. Casting Directors genießen hier immer weniger Mitspracherecht, denn es geht nicht darum, die beste Besetzung zu finden, sondern den Star, der die meisten Zuschauer anzieht. Doch anders als in den USA gibt es in Deutschland keine Box-Office-Tabellen, die die Anziehungskraft eines Schauspielers bemessen. Als Währung gelten hierzulande die Einschaltquoten als das Maß aller Dinge. Doch selbst Michael Darkow von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), welche die Quoten ermittelt, antwortet auf die Frage, ob ein berühmter Schauspieler Quote bringt: »Das halte ich für ausgesprochenen Quatsch. Der in einer Sehbeteiligung gemessene Erfolg einer Sendung ist selbstverständlich von Inhalten und Protagonisten abhängig.« Genauso aber vom Marketing, der Vorberichterstattung, den Programmzeitschriften, den Gegenprogrammen – und dem Wetter. Darkow: »Unsere Quoten geben keine Auskünfte über die Motivation der Zuschauer. Das können sie auch gar nicht.« Die »Nebendarsteller« haben es nicht leichter. Hier ist Casting zum reinsten Materialwahn verkommen. Ob analoges Material oder Internetpräsenz: Das Foto als Visitenkarte des Schauspieler, die Vita als Referenz und das De-

Fotos: BFFS | Tina Thiele

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Zu den Zielen des BFFS gehört, faire Arbeitsbedingungen zu schaffen und verläßliche soziale Standards, künstlerische Qualität in Ausbildung und Produktion zu fördern und schützen. Kein leichtes Unterfangen: Die Produktion von Spielfilmen und -serien ist um 20 bis 30 Prozent zurückgegangen. Schauspielergagen befinden sich im freien Fall, Sondervereinbarungen und Buyout-Verträge gehören zum Alltag. Für Filmschauspieler im mittleren und unteren Gagenbereich spricht der BFFS sogar von 50 Prozent Einkommenseinbußen. Liegt das nur an der Wirtschaftskrise? Der Werbeetat der privaten Sender ist in der zweiten Jahreshälfte 2008 um sieben Prozent und im Jahr 2009 um weitere elf Prozent eingebrochen. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender mußten einen Rückgang der Gebühreneinnahmen verkraften: 2008 waren es 38,4 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Allerdings ist dieser Rückgang von rund einem halben Prozent verhältnismäßig gering (das ZDF rechnet sogar wieder mit einem Überschuß im neuen Jahr). Muß das zu Lasten der Eigenproduktionen gehen? Bei der ARD etwa werden 60 Prozent des Budgets in die Verwaltung gesteckt – nur 40 Prozent bleiben für das Programm übrig, einschließlich aller Übertragungsrechte für Sportveranstaltungen, Shows und anderer Formate.


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Kolumne | Casting-Network

2009 veranstaltete der Schauspieler und Regisseur Lars von Saldern aus eigenem Bedürfnis heraus und ehrenamtlich im Rahmen der Cologne Conference »Cast in and Find out«: Casterinnen und junge Schauspieler trafen sich

moband als visueller Appetizer sind das Ausgangsmaterial und Sprungbrett eines jeden (unbekannten) Schauspielers, um sich ins Gespräch zu bringen. Während der deutsche Begriff die hierarchische Realität deutlich widerspiegelt, drückt die englische Bezeichnung »Supporting Actor« eine stärkere Wertschätzung für die Kunst der unterstützenden Darstellung aus (bereits 1936

zum persönlichen Kennenlerngespräch – ein hierzulande seltenes Bild.

wurden zwei »Oscars« für die Kategorien »beste Nebendarstellerin« und »bester Nebendarsteller« eingeführt). Anders als in den USA sind persönliche Vorsprechtermine hierzulande selten. Als Gründe werden von Seiten der Caster und Produzenten fehlende Zeit und Budgets für Reisekosten sowie die problematische Dezentralisierung durch die vier Medienstandorte angegeben. Dabei wären Schauspieler – wie sie vielfach öffentlich äußern – durchaus bereit, zum ersten Casting auf eigene Kosten anzureisen. Die Schauspielausbildung an den staatlichen Hochschulen ist nach wie vor theaterorientiert – obwohl immer mehr Schauspieler auch beim Film arbeiten. Bewerber sollten in der Regel nicht älter als 25 sein und Abitur haben. In den Auswahlverfahren müssen sie meist eine klassische, eine moderne und eine weitere, frei gewählte Rolle sowie etwas Gesungenes vortragen. Im deutschsprachigen Raum gibt es zur Zeit 21 staatliche Ausbildungsstätten. An der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin etwa gehen im Jahr durchschnittlich 1.000 Bewerbungen für die maximal 25 vorhandenen Plätze ein. Die drei- bis vierjährige Ausbildung ist klar theaterorientiert und bildet für den Ensemblebedarf aus, nicht aber für das Filmgewerbe. Bislang bildete lediglich die Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« (HFF) in Potsdam eine Ausnahme. Inzwischen bereitet auch der Studiengang Schauspiel Bochum der Folkwang-Hochschule Essen mit einem vom WDR ins Leben gerufenen vierwöchigen Workshop auf das Schauspiel vor der Kamera vor. Und das Max-Reinhardt-Seminar in Wien bietet nun bereits ab dem ersten Ausbildungsjahr eine fundierte Filmschauspielausbildung an. Die Schauspielerin Michaela Rosen, die Lehrauftrag und Konzeption für die Filmschauspielausbildung übernommen hat, legt dabei besonderen Wert darauf, die Leidenschaft für den Film zu wecken und ein grundlegendes Verständnis für die komplexen Prozesse und Strukturen einer Filmproduktion zu schaffen. Andernorts wird, wenn überhaupt, nur ein Wochenendworkshop angeboten. Dieser Ausbildungslücke haben sich vielfach die privaten Schauspielschulen angenommen und tendieren zunehmend zu einer kameraorientierten Ausbildung, mit zumeist staatlich anerkanntem Abschluß. Bundesweit haben

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Kolumne | Casting-Network

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Wovon Schauspielschüler träumen, hat Andres Veiel 2004 im Dokumentarfilm Die Spielwütigen (unten) nachdrücklich geschildert.

Für seinen Auftritt in Inglorious Basterds (oben) erhielt Christoph Waltz die »Silberne Palme« von Cannes und dann den Ruf nach Hollywood. Kurz vorher soll er noch daran gedacht haben, den Beruf aufzugeben.

Für »anerkannte« junge Schauspieler ist unmittelbar nach Abschluß ihrer Ausbildung der Besuch der ZAV-Künstlervermittlung (Zentrale Auslands- und Fachvermittlung) der Bundesagentur für Arbeit ratsam. Das fiktionale Programm habe sich seit 2005 »schätzungsweise halbiert, dennoch werden wir dieses Jahr wieder annähernd gleiche Vermittlungszahlen haben«, sagt Daniel Phillipen, Künstlervermittler bei der ZAV München. Wie kommt das? »Je schwieriger die Zeiten, umso verstärkter greifen Caster auf unseren Pool zu.« An Stelle des klassischen Spielfilms entstünden immer mehr nonfiktionale Formate vom Imagefilm bis zur Dokufiction, »die keinen eigenen CastingEtat haben und sich daher vielfach auf uns berufen.« Im vorigen Jahr wurden insgesamt 178 deutsche Kinofilme produziert. Das waren etwa 178 x 3 = 534 Haupt- und etwa 178 x 10 = 1.780 Nebenrollen. Das macht zusammen 2.314 zu besetzende Rollen. Rechnet man jedes Jahr mit 200 Abgängern von den staatlichen Schulen und rund 600 bis 800 von privaten Schauspielschulen und Coaching-Instituten, kann man sich ausrechnen, daß einfach zu viele Schauspieler für den Markt ausgebildet werden. Die Suche nach der Traumrolle bedeutet somit Warten, Hoffen, Hingehaltenwerden und Absagenwegstecken. Professionalität, Zielstrebigkeit und eine realistische Selbsteinschätzung sind deshalb gefragter denn je. Kurz vor dem Dreh seines Lebens soll Christoph Waltz nahe dran gewesen sein, seinen Beruf an den Nagel zu hängen. Gott sei Dank hat Quentin Tarantino auf seine Casterin Simone Bär gehört und ihn zum Casting eingeladen. Denn nichts geht über ein persönliches Vorsprechen! c

Fotos: Neue Visionen | Universal, François Duhamel

sich etwa 60 dieser Schulen etablieren können, mit durchschnittlich 500 Euro Schulgeld pro Monat. Eine weitere Möglichkeit, das Spiel vor der Kamera zu erlernen, sind Coaching-Studios, die sich gerade in Berlin in den vergangenen fünf Jahren etabliert haben. Doch nur wenige Ausnahmetalente können sich auch ohne eine fundierte Ausbildung auf dem Markt behaupten. Naturtalente wie Jürgen Vogel, Jessica Schwarz oder Heike Makatsch, die keine klassische Schauspielausbildung absolviert haben, mußten hart an sich arbeiten und ihr Können immer wieder beweisen.


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Abspann | Letzte Bilder

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Du sollst mein Glücksstern sein USA 1952 Regie Stanley Donen, Gene Kelly Drehbuch Adolph Green, Betty Comden Kamera Harold Rosson Szenenbild Randall Duell, Cedric Gibbons Kostüm Walter Plunkett Maske William Tuttle Montage Adrienne Fazan Musik Nacio Herb Brown Produktion Arthur Freed

Abspann


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Abspann | Vorspann

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Abstrakte Spannung

Lange Zeit war der Vorspann nur eine Folge von Texttafeln, die auflisteten, wer am Film so mitgearbeitet hatte. Allmählich erhielten sie mehr und mehr dekorative Elemente. Heute ist ein gelungener Vorspann ein eigener Kurzfilm, der in Stimmung und Stil des Hauptwerks einführt. Das ist das Werk von Spezialisten – genannt werden sie allerdings oft nicht einmal im Abspann. Bis jetzt.


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Abspann | Vorspann

Filmstills: DVD Im Netz der Spinne, Paramount 2000

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Along Came a Spider heißt der Film von 2001 im Original, Im Netz der Spinne auf Deutsch, und man bemerkt schon ohne große Fremdsprachenkenntnisse den feinen Unterschied; wie ein harmloser Halbsatz für Spannung sorgen kann. Das greift der Vorspann von Michael Riley geschickt und gewagt auf: Schwarz ist die Leinwand, unbestimmbare blaue und grüne Farbfelder flackern durch die Dunkelheit, die Handlung spielt sich auf der Tonspur ab: Ein Mann und eine Frau, im lüsternen Gebalze auf dem Weg von einer Bar ins Bett. Und wie eine Spinne an ihrem Faden, läßt sich der Buchstabe »A« vom Bildrand herab, um in der Mitte den ersten Credit zu bilden. Weitere »Spinnen« folgen und bilden weitere Nennungen. Das Bild bleibt lange abstrakt. Gut die Hälfte des dreiminütigen Vorspanns bleibt unklar, was man da eigentlich sieht und hört. Erst allmählich erweisen sich die Lichter als die Pixel von Monitoren und Tonband-LED, aus nächster Nähe aufgenommen, das Geplänkel zwischen Mann und Frau als ver-

deckter Einsatz – das Stelldichein einer FBI-Agentin mit einem Serienmörder. Und kaum erkannt, wird das Videobild schärfer und farbig, ein Hubschrauber schiebt sich ins Bild. Im letzten Drittel vereinigt sich der Vorspann mit der Handlung, schon sind die drei Figuren des anstehenden Showdowns vorgestellt, den nur zwei überleben werden. Der Titeldesigner Michael Riley hatte nach Studium und Berufseinstieg mit Kyle Cooper gearbeitet, der den erstaunlichen Vorspann zu Sieben geschaffen hatte (XL 004), und wurde bald Partner in dessen damaliger Firma. »Meine erste Erfahrung mit Titeldesign war während eines Praktikums bei Tibor Kalman« erzählt Riley. »Als ich sah, wie er Typografie als durchdachtes, geschlossenes und ausdrucksstarkes Element in einem Musikvideo einsetzte, hat das meine Sicht völlig verändert.« Seit 1991 hat er unzählige Vorspänne entworfen, von Gattaca bis zu Fernsehserien wie Ally McBeal. Mehrfach ausgezeichnet, gründete er vor fünf Jahren in Los Angeles sein eigenes Studio. Jan Fedesz


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Abspann | Mein Arbeitsplatz

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Mein Arbeitsplatz Protokoll und Foto Karolina Wrobel

Wie arbeitet man eigentlich für den Film? Wir fragten die Maskenbildnerin Charlotte Chang.

Charlotte Chang, Jahrgang

Ich lese als erstes das Drehbuch und schreibe die Besonderheiten heraus. Oft sind die Charaktere schon beschrieben. Das muß umgesetzt werden. »Liebenswürdigkeit« bei einer Schauspielerin Mitte 40: das sind warme Töne, eine frische Gesichtsfarbe, offener Blick, keine harten Linien, auf keinen Fall ein asymmetrischer Haarschnitt. Für die Frau eines Dorfpolizisten in der Serie Mord mit Aussicht überlegten wir uns eine lockige Hochsteckfrisur, mit Dauerwelle. Das sollte modisch ein wenig rückständig aussehen, so als ob diese Frau ihre Haare jeden Morgen mit den immergleichen Handgriffen legt. In der Vorbereitungsphase mache ich auch die Kalkulation und berechne die Materialkosten. Ich bringe mein eigenes Equipment mit, das ich für den Zeitraum an die Produktion vermiete. Im besten Falle gibt es mit dem Regisseur und seinem Assistenten eine Besprechung. Natürlich spreche ich mich mit Kostüm und Szenenbild ab. Meine eigentliche Arbeit beginnt mit dem Maskentest vor Drehbeginn. Hier sieht der Regisseur und der Kameramann, wie ein bestimmtes Maskenbild wirkt, wenn es etwa um bestimmte Wunden geht. Vor dem Dreh räumen wir unsere Plätze im Maskenmobil ein. In Koffern und Taschen halte ich Schminkutensilien, Abschminke und viele Pinsel parat. Ich habe relativ viel – falls etwas kaputtgeht, habe ich sofort Ersatz. Ich habe immer vier Föhne dabei. Einen für das Maskenmobil, einen, falls der kaputtgeht, dann noch einen kleinen für die Set-Tasche und dessen Ersatz. Am Set habe ich immer Zahnseide, Zahnbürsten, Kaugummis, Bonbons und Aspirin dabei. Die Schauspieler haben ja ihr Kostüm an und können nichts verwahren. Die Drehtage fangen früh an – mit der Aufnahmeleitung sind wir meist die ersten am Set. Für Doctor’s Diary mußte ich häufig um fünf Uhr morgens aufstehen. Oft fangen wir zwei Stunden vor Drehbeginn an, die Schauspieler zu schminken. Große Veränderungen, etwa Deformationen oder aufwendige Spezialeffekte, kann ich nicht machen, weil mir die Werkstatt dazu fehlt. In meinen Möglichkeiten liegt aber die Alterung, bei der ich etwa Falten um die Augen und in der Stirn ziehe. Dann kann ich jegliche Arten von kleineren Wunden herstellen: Von Schnitt- über Platzwunden, Hämatome. Auch abgerissene Gliedmaße. Nach dem morgendlichen Schminken packe ich meine Tasche, nehme mir mein Stühlchen und wandere damit zum Set, wo die Proben stattfinden. Anschließend heißt es »drehfertig machen«, dann schaue ich nach, ob die Haare auf »Anschluß« sind, ob das Gesicht glänzt oder der Lippenstift nachgezogen werden muß. Ich springe auch zwischendrin kurz mal hin, wenn etwas nicht mehr sitzt. Feierabend habe ich erst, wenn die Schauspieler gegangen und die Haarteile oder Perücken für den nächsten Tag hergerichtet sind. Natürlich müssen da schon alle Arbeitsmaterialien gereinigt sein.

1980, hat schon in der Schule Balletttänzerinnen für ihren Auftritt fertiggemacht. Weil ihr das so gut gelang, beschloß sie, aus der Nähe von Kassel an die Schweizer Grenze zu ziehen, wo sie die Berufsfachschule für Maskenbildner und Special-Effects besuchte und zudem eine Weiterbildung für das Friseurhandwerk absolvierte. 104

Praktische Filmerfahrung sammelte sie aber erst hinterher, nämlich an der Filmakademie BadenWürttemberg. Dort präparierte sie etwa einen 30jährigen Neugeborenen für den Kurzfilm Heavy Pregnant. Über ihre Assistenz bei der Fernsehserie Verschollen lernte Chang eine Garderobiere kennen, welche die junge Maskenbildnerin an Frauke Horn für den Kinofilm Allein empfahl. Die Arbeit als Zusatzmaske am Tatort – Der doppelte Lott wiederum ergab eine Zusammenarbeit mit Silvia Barthelmeß in Vivian Naefes Die wilden Hühner. Seitdem hat Chang nicht nur an allen Hühner-Folgen mitgearbeitet, sondern auch als Maskenbildnerin für Til Schweigers Zweiohrküken.


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Mein Arbeitsplatz | Vorspann

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Abspann | Musik

Liebe

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Die Liebe ist eine galaktische Macht. Selbst wenn die Katzenaugen der Angebeteten gelb leuchten und die Haut blau, selbst, wenn die Schöne drei Meter mißt, verknallt sich doch ein Mensch in sie. Die Rede ist natürlich vom Blockbuster Avatar, den bei allen Explosionen auf einem fernen Planeten vor allem das Thema Boy-Meets-Girl antreibt. Man könnte streiten, wie weit es mit der Liebe her wäre, wenn diese außerirdische Pocahontas nicht mit solcher Grazie daherschleichen würde, sondern ein intelligenter Schleimblob wäre. In jedem Fall aber zeigt Avatar deutlich, daß die klassische Heldenreise Hollywoods auch Lichtjahre entfernt am besten mit einer Liebesinfusion funktioniert. Die Wissenschaft mag sich an der Liebe als hochkomplexem bio-psychosozialen Phänomen abarbeiten – im Kino wollen wir das gar nicht wissen. Bloß ist die romantische Liebe, in der wir uns auf der Leinwand oft verlieren, leider gar nicht so rein und göttlich, sondern soziokulturell eng vorgeprägt. Das Mainstream-Kino träumt deshalb einen beruhigenden, spießigen Traum von ihr: Heterosexuell, monogam, vom leidenschaftlichen Jäger und seiner gebärfreudigen Beute. Egal, was vorher für ein Patchwork-Brimborium aufgeboten wird, oft genug zielt das Happy End vieler Romantischer Komödien genau darauf. »Eine Liebeskomödie muß zwei Dinge gleichzeitg schaffen: leicht und amüsant sein, aber auch echt und schmerzhaft. Der Schmerz unseres Daseins, die Einsamkeit, muß deutlich werden«, sagt Hugh Grant. Der gefühlte Herzeleid-Weltmeister weiß wohl genau, wann wir mitfühlen – nicht nur

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L seine Liebesfilme funktionieren meist nach gleichem Muster. Der melodramatische Übermoment der Liebe ist freilich lange her: In Casablanca wird selbst der notorische Spieler Humphrey Bogart zum großherzigen Fluchthelfer. Die Liebe macht den Menschen besser, daran wollen wir glauben. Dieser Liebesbonus wird meist schamlos ausgenutzt. Hollywood spült brutalen Kintopp wie Pearl Harbor damit weich, schraubt den Heulfaktor der Love Story ins Unendliche, serviert uns die Liebe in Dirty Dancing ganz verschwitzt. Zu den Millionenerfolgen zählen nun auch die bleichen Twilight-Filme: Nur Schauen, nicht Beißen ist möglich, als sich ein Mädchen in einen Vampir verliebt. Der Vollzug (siehe K wie Koitus) zählt wenig, das keusche Verlangen alles. Eine großartige und heftige Romanze wie Secretary kennen dagegen nur wenige – weil man vielleicht nicht wissen will, daß das Suchen und Finden der Liebe auch in den Sadomasochismus führen kann. Die Affäre zwischen Cowboys am Brokeback Mountain wurde schnell zum Meisterwerk ausgerufen – so erstaunlich ist es, wenn ein Melodram mal ausgetretene Pfade verläßt. An diesen Rändern zeigt sich umso deutlicher, was akzeptiert und vor allem breit vermarktbar ist. Es ist schon eine recht große Mogelpackung, wenn Woody Allen seinen neuen Film Whatever Works nennt: Der Liebesreigen wirkt trotz Dreiecksbeziehungen, schwulem Coming-Out und generationenübergreifendem Sex am Ende ganz klassisch, aufgeräumt und ziemlich harmlos. Dem Schema entkommt auch der alte Großmeister nicht. Hartmut Tabakmann

Fotos: Archiv [2] | HMH

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Space for your Abschlussfest? HomeBase Lounge

HomeBase Lounge | Kรถthener Straร e 44 | 10963 Berlin | Fon +49 (0)30 25 79 38 56 | Fax +49 (0)30 25 79 38 93 www.homebase-berlin.com


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Abspann | Stills

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Auswahl Jan Fedesz | Konzept Michael Stadler

Nichts ist originär! Meint der Regisseur Jim Jarmusch und rät: Klaut, was immer euch inspiriert – solange es euch nur aus der Seele spricht, wird auch das neue Werk wahrhaftig. Das mag ja sein, aber was haben eigentlich alle gegen New York?

Independence Day [1996]

Der jüngste Tag [1951]

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Fireflash – Der Tag nach dem Ende [1983]

Sky Captain and the World of Tomorrow [2004]

Godzilla [1998]

Hellboy 2 – Die goldene Armee [2008]

Fotos: 20th Century Fox [3] | Archiv [3] | Paramount [3] | Columbia Tristar | Universal | Warner Brothers | Buena Vista | MFA

New York, New York


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Abspann | Stills

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Cloverfield [2008]

Armageddon [1998]

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Deep Impact [1998]

Der Planet der Affen [1968]

King Kong [1933]

The Day After Tomorrow [2004]

I Am Legend [2007]

Die Klapperschlange [1981]


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Abspann | Statistik

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Die Welt in Zahlen Besucher der deutschen Programmkinos im Jahr 2008 in Millionen

13,8

Zuwachs der Besucherzahlen gegenüber dem Vorjahr in Prozent

5,8

Zuwachs der Besucherzahlen in allen deutschen Kinos in Prozent

3,2

Zahl der Arthouse-Filme, die 2008 mehr als eine Million Besucher erreichten

7

Zahl der Arthouse-Filme, die 2007 mehr als eine Million Besucher erreichten

0

Zuschauerzahl der 50 besucherstärksten Arthouse-Filme in Deutschland 2008 in Millionen

26,0

Diese Zahl im Jahr 2007

14,8

Zuschauerzahl der 20 besucherstärksten Filme in Deutschland im Jahr 2008 in Millionen

54,7

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Zuschauerzahl der 20 besucherstärksten Filme in Deutschland der 1970er Jahre in Millionen

143,9

Davon Filme aus der James-Bond-Reihe

4

Davon Filme mit Bud Spencer und Terrence Hill

5

Ergebnis Bud Spencer und Terrence Hill gegen James Bond nach Besucherzahlen Geschätztes Gewicht von Carl Fredricksens Haus in dem Animationsfilm Oben in Kilogramm Gewicht, die ein mit Helium gefüllter Luftballon tragen kann, in Gramm Luftballons, die nötig sind, um Carl Fredricksens Haus anzuheben (ohne Berücksichtigung der weiteren Ballons für Herrn Fredricksen und einen Pfadfinder mit Rucksack) Ballons, die in Oben zu sehen sind (hochgerechnet) Zeit, die nötig ist, um diese Menge aufzublasen, in Stunden Stunden, die Carl Fredricksen dafür benötigt [1-8] FFA | [9-12] Filmstarts.de | [13 | 16] James Malibiran | [14 | 17] Die Sendung mit der Maus

3:2 55.000 42

1.309.524 20.622 114 12


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Abspann | Tip 3

Seitensprünge Zwei Menschen und eine Kamera – mehr braucht die Liebe nicht fürs echte Drama. Man muß sich nur trauen. Drei kleine Kammerspiele ohne große Extras.

Nächstes Jahr, selbe Zeit [USA 1978] So schön und unbeschwert kann ein Seitensprung sein: Doris (Ellen Burstyn) und George (Alan Alda) treffen zufällig bei einem Zwischenstop im Motel aufeinander und wachen gemeinsam auf. Und noch mal. Und noch einmal – etwa zwei Dutzend Male, jedes Jahr um die selbe Zeit. In den Pausen zwischen den Akten reden die Hausfrau und der Buchhalter über ihre Ehen, Kindererziehung und Politik, so zieht ein Vierteljahrhundert Zeitgeschichte vorm Lotterbett vorbei. Wenn Hollywood sich im Inhalt was traut und in der Form aufs Wesentliche beschränkt, steckt meist das Theater dahinter: Bernard Slade Lustspiel wurde am Broadway bejubelt, ehe Robert Mulligan es für die Leinwand adaptierte. Conversations With Other Women [USA 2005] So leicht und kompliziert kann ein Seitensprung sein: Der Mann (Aaron Eckhart) und die Frau (Helena Bonham Carter) treffen sich scheinbar zufällig auf einer Hochzeitsfeier und kommen gar nicht erst zum Schlafen. Der Akt ist die Pause, sonst reden sie über ihre Ehe, Beziehungen und Träume. So zieht eine fast ein Vierteljahrhundert alte Liebesgeschichte vorm Lotterbett vorbei. Der Independent-Regisseur Hans Canosa traute sich was und inszenierte das Drehbuch von Gabrielle Zevini in Split-Screen-Technik: Vergangenheit und Gegenwart, Wunschdenken und Wirklichkeit, die unterschiedliche Sicht von Mann und Frau auf die selbe Situation kommen so gleichzeitig auf die Leinwand. Der letzte Tango in Paris [Italien, Frankreich 1972] So aufregend und anstrengend kann ein Seitensprung sein: Der Paul (Marlon Brando) und Jeanne (Maria Schneider) laufen sich zufällig bei einer Wohnungsbesichtigung über den Weg. Das Appartement gefällt beiden, also nutzen sie es zum gemeinsamen Sex, bei dem sie allerlei interessante Praktiken ausprobieren. In den Pausen zwischen den Akten reden der ältere Amerikaner und die junge Französin über alles Mögliche und die Unterdrückung des Individuums durch die Gesellschaft im Besonderen – schließlich hatten wir die 70er. Bernardo Bertolucci traute sich einiges, und deshalb gab’s Theater. Das war aber nicht schlimm: Schließlich hatten wir die 70er, der Skandal sorgte für Schlangen an den Kinokassen und polierte das Image seines Hauptdarstellers wieder ein wenig auf. Jan Fedesz

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Abspann | Parallelmontage

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Irgendwo, über dem Regenbogen, gibt es ein Land, wo die Vögel so blau sind wie der Himmel, der sie umgibt. Waise Dorothy lebt auf einer Farm in Kansas, ihre Familie ist intakt: Ihre Tante und ihr Onkel ziehen sie groß, können ihr aber arbeitsbedingt nicht immer genug Aufmerksamkeit schenken. Dorothy, gespielt von Judy Garland, ist ein anständiges Mädchen, in Sorge um ihren Hund, mit dem sie zu Beginn von Victor Flemings Kinderbuchverfilmung Der Zauberer von Oz (1939) nach Hause rennt. Der Hund hat eine Nachbarin gebissen, die darauf besteht, daß er verschwinden muß. Grund genug für Dorothy, mit ihm davonzulaufen. Realitätsflucht – das ist ein Urtrieb des Kinos, doch die Mühlen bei MGM mahlten langsam: Nachdem Richard Thorpe Testmaterial gedreht hatte und Produzent Mervyn LeRoy damit nicht zufrieden war, übernahm Victor Fleming die Regie. Er begann im Oktober 1938 mit dem Dreh, der über sechs Monate dauerte. Die Kosten eskalierten, besonders wegen des aufwendigen Technicolor-Verfahrens, das es ermöglichte, Oz in knalligen Farben erstrahlen zu lassen. MGM ließ außerdem Szenen mit der bösen Hexe des Westens herausschneiden, weil diese zu beängstigend waren. Der Trip ins Fantasieland ist turbulent, auch für Dorothy: Ein Tornado bringt sie nach Oz, wo die Munchkins wohnen. Die Winzlinge feiern sie als Heldin, weil sie die böse Hexe des Ostens aus Versehen getötet hat. Hier in der Fremde ist sie fremd, etwas Besonderes, und sie muß Verantwortung übernehmen, hilft der Vogelscheuche ohne Hirn, dem Zinnmann ohne Herz und dem Löwen ohne Mut bei ihrer Suche nach dem, was ihnen fehlt. Dorothy gewinnt. Autorität erweist sich als leichtes Spiel mit dem Schein. Zuletzt erkennt sie, daß der Wizard »nur« ein alter Mann ist. Nach einem Abschied mit Tränen führt die Reise zurück in die Arme der Ersatzeltern. Dorothy weiß nun, daß der schönste Ort zu Hause ist.

Fotos: Warner Brothers

Gestern


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cınearte XL 014

25.01.2010

21:05 Uhr

Seite 113

Abspann | Parallelmontage

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Heute Irgendwo, jenseits des Meeres, gibt es ein Land, wo die Monster so braun sind wie die Wildnis, die sie umgibt. Max lebt in einem Haus in Suburbia, seine Familie ist in der Krise: Seine Mutter zieht ihn mitsamt Schwester allein groß und kann ihnen arbeitsbedingt nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Max, gespielt von Max Record, ist ein lebhafter Junge, wild wie sein Hund, mit dem er zu Beginn von Spike Jonzes Kinderbuchverfilmung Wo die wilden Kerle wohnen (2009) herumtobt. Der Junge beißt den Hund, dann seine Mutter, die zu seinem Unmut einen neuen Mann ins Haus bringt. Grund genug für Max, im Wolfskostüm davonzulaufen. Eskapismus – diese Lust treibt das Kino an, doch das finanzielle Risiko ist groß: Nachdem Studios wie Orion und Tristar auf- und wieder absprangen, übernahm für Universal noch vor 2000 Spike Jonze die Regie. Er konnte aber erst 2006 im Auftrag von Warner mit dem Dreh beginnen. Die Kosten eskalierten, besonders wegen der aufwendigen Technik, die es ermöglichte, Pappmaché-FellRiesen mit Gesichtern aus dem Rechner zu kombinieren. Warner ließ angeblich nach Testvorführungen Szenen nachdrehen, weil der Film zu wenig familientauglich sei. Der Trip ins Fantasieland ist turbulent, auch für Max: Ein Boot bringt ihn auf die Insel, wo die wilden Kerle wohnen. Die Monster küren ihn zum Anführer, weil er behauptet, er sei schon mal ein Wikinger-König gewesen. Hier in der Fremde ist er fremd, etwas Besonderes, und er muß Verantwortung übernehmen, befiehlt den Bau eines Forts und lernt, wie schwer es ist, eine Gruppe von Kindsköpfen bei ihre Suche nach Dauer-Spaß zu leiten. Max scheitert. Autorität erweist sich als fragiles Spiel mit dem Schein. Zuletzt erkennt er, daß er »nur« ein Max ist. Nach einem Abschied mit Geheul führt die Reise zurück in die Arme der Mutter. Max weiß nun, wie schwer es ist, aus einem Ort ein schönes Zuhause zu machen. Michael Stadler


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25.01.2010

21:05 Uhr

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Abspann | Rätselraten

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Lebensweisheiten Weniger ins Kino gehen und lieber ein gutes Buch lesen? Die Weisheiten des Lebens lauern mitunter da, wo man sie am wenigsten vermutet. 114

Dreck im Schnellrestaurant! Mancher findet das nicht überraschend, unser Held aber schon. Als Marketingchef ist er für das saubere Image seiner Marke verantwortlich und reist an die Quelle allen Übels, wo ihm schnell der Appetit vergeht. Auf dem Lande nämlich erhält er einen Crashkurs zur Globalisierung – von Agrarökonomie bis Arbeitsschutz. Ein alter Rancher faßt es ihm leichtverständlich zusammen:

Wir wollen wissen: Aus welchem Meisterwerk der Kinematografie stammt dieses Zitat? Wenn Sie die Antwort wissen, schreiben Sie sie bitte auf eine hübsche Postkarte und senden Sie das Ganze an: cinearte – Peter Hartig, Friedrichstraße 15, 96047 Bamberg. Unter allen richtigen Einsendungen verlosen wir gemeinsam mit der Süddeutschen Zeitung 15 Mal je eine DVD aus der Reihe »Screwball Comedy – Hollywoods schönste Beziehungskomödien«. Einsendeschluß ist der 20. März. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen (das müssen wir schreiben). Wonach wir voriges Mal gefragt hatten? American Beauty.

Fotos: Verleih | Süddeutsche Zeitung | Senator

Hier geht es nicht um gute Menschen gegen böse Menschen. Es geht um die Maschine, die dieses Land regiert. Es kommt einem manchmal vor wie Science-Fiction. Das Land, die Rinder, die Menschen – die Maschine interessiert das einen Scheiß. Profit um Profit, Profit um Profit. Die Maschine interessiert nur Geld und wie sie noch mehr Profit machen könnte.


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20.09.2009

1:34 Uhr

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25.01.2010

21:11 Uhr

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