ein etwas anderer blick auf die steiermark
DIE STEIRISCHE KREATIVWIRTSCHAFT IN ZAHLEN Die Kreativwirtschaft gehört global zu den am stärksten wachsenden Wirtschaftszweigen. In Österreich beträgt ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung der Gesamtwirtschaft 3,8 Prozent. Im Vergleich dazu liegt er im Tourismus bei 4,0 Prozent, im Hoch- und Tiefbau bei 2,9 Prozent und in der KFZ-Branche bei 2,1 Prozent. Die steirische Kreativwirtschaft ist besonders dynamisch und liegt bei allen Indikatoren über dem Österreichschnitt.
1.246.395
Stand 1.1.2021
EinwohnerInnen hat das Bundesland Steiermark.
294.236
Stand 1.1.2021
EinwohnerInnen hat die Landeshauptstadt Graz.
1.300 Mitglieder umfasst das Membership-Programm der Creative Industries Styria. Stand April 2020
4.800 00
2.500 Newsletter-Abos
beträgt das Wachstum der steirischen Kreativwirtschaft im Zeitraum 2010 bis 2018.
beträgt die Steigerung der Beschäftigten in der steirischen Kreativwirtschaft im Zeitraum 2010 bis 2018.
Netzwerk der Creative Industries Styria.
+47,3 %
2018
+63,1 %
der steirischen Unternehmen. € 1,3 Mrd. 2010
2/3
€2,0 Mrd.
beträgt die Steigerung der Umsätze im Zeitraum 2010 bis 2018.
in der Steiermark tätig, das sind 9 %
der österreichischen Kreativwirtschaft haben ihren Unternehmenssitz in der Steiermark.
+29 %
6.600 Kontakte befinden sich im
Kreativwirtschaftsunternehmen sind
11 %
+13%
der steirischen Kreativen sind im Großraum Graz angesiedelt, 1/3 in den anderen steirischen Bezirken.
beträgt die Steigerung der Bruttowertschöpfung im Zeitraum 2010 bis 2018.
23 %
der steirischen Kreativwirtschaftsunternehmen werden von einer Frau geführt, im Sektor Design sind es 32 %.
10 %
der Bruttowertschöpfung der gesamten österreichischen Kreativwirtschaft werden in der Steiermark erzielt.
47,3 %
beträgt die Steigerung des Umsatzes der Creative Industries im Zeitraum 2010 bis 2018.
768
nationale und internationale Calls für Wettbewerbe/ Projekte wurden von der Creative Industries Styria seit 2007 publiziert.
200
Netzwerkevents, Qualifizierungsveranstaltungen, Workshops, Cross-Cluster-Aktivitäten etc. wurden von der Creative Industries Styria seit 2007 durchgeführt.
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Ausstellungen mit 324.000 BesucherInnen zählt das Designforum Steiermark seit 2010.
100
Produkte von 60 steirischen Unternehmen und 50 Designstudios vereint aktuell das Programm Styrian Products.
793.129 BesucherInnen in 920 Programmpunkten mit 794 nationalen und internationalen Programm- und ProjektpartnerInnen zählt der Designmonat Graz seit 2009.
5.500 Medienberichte thematisierten zwischen 2009 und
2019 den Designmonat Graz. Der Designmonat Graz wurde in den Online-Magazinen Dezeen 2018 sowie Contemporary Lynx 2019 als Best Design Event bzw. als eines von neun „Must visit“-Festivals gelistet.
40 UNESCO Cities of Design Die Creative Industries Styria ist international vernetzt, unter anderem im UNESCO Creative Cities Network mit ´40 Cities of Design sowie 246 Creative Cities in 7 Disziplinen.
ECBN
Sie ist Gründungsmitglied des – European Creative Business Network mit 148 Mitgliedern aus 40 Nationen.
5%
10 und mehr Beschäftigte
56 %
EPU
7%
5 bis 9 Beschäftigte
32 %
2 bis 4 Beschäftigte
Unternehmensstruktur der Kreativwirtschaft
17.500 17.5 Personen arbeiten in der Kreativwirtschaft, das sind 4 % aller Beschäftigten der Steiermark.
€ 538 Mio. 2010
€ 680 Mio. 2012
€ 771 Mio. 2014
€ 834 Mio. 2016
€ 984 Mio. 2018
3,5 Mio. Menschen besuchten seit 2009
Erlebnistouren bei über 50 Unternehmen der Erlebniswelt Wirtschaft und erhielten exklusive Einblicke hinter die Kulissen erfolgreicher steirischer Betriebe.
»Design is the intelligent management of chaos to create results of order« EBERHARD SCHREMPF
EDITORIAL
Ein etwas anderer Blick auf die Steiermark
Die Steiermark ist eine der innovativsten und kreativsten Regionen Europas. Die F&E-Quote ist konstant hoch. Forschung und Entwicklung führen zu wirtschaftlichen Top-Performances. Produkte und Dienstleistungen werden international nachgefragt. Allein 10 Prozent der Bruttowertschöpfung der gesamten österreichischen Kreativwirtschaft werden in der Steiermark erzielt. An weiteren Daten und Fakten zur Untermauerung der Kreativität des Landes herrscht kein Mangel. Das beeindruckende Bild, das sich mit ihr zeichnen lässt, bleibt aber ein monochromes. Das Klima ist weltweit hart, herausfordernd und digital – radikale Veränderungen sind gefordert, sowohl was gesamtgesellschaftliche als auch ökonomische Prozesse angeht. Designer und Designerinnen sind es gewöhnt, sich mit intellektuellen und gestalterischen Herausforderungen auseinanderzusetzen, wenn Lösungen in der Zukunft liegen und daher noch nicht greifbar oder sichtbar sind. Avancierte Denkweisen machen nicht an der Traditionsgrenze halt. Und anders werden die nötigen Veränderungen sich dann nicht umsetzen lassen: anderer Konsum, anderes – inklusiveres – Mindset, größerer Zeithorizont, anspruchsvollere Lebenseinstellung. Diese immensen Herausforderungen und die damit verbundenen Fragen beschäftigt auch die kreative Community der Steiermark. Eine Runde renommierter internationaler JournalistInnen aus den Bereichen Design, Kunst, Kultur und Architektur unternahm recherchierend eine Expedition in die Kreativwirtschaft des Landes und fragte nach. Die Publikation der Creative Industries Styria – „Creative. Sustainable. Innovative. Ein etwas anderer Blick auf die Steiermark“ – bündelt die Antworten steirischer Kreativer, UnternehmerInnen, WissenschaftlerInnen und Lehrender und gibt damit einen anderen Blick auf die Steiermark. Sie zeichnen eine lebhaftes Bild, eine inspirierende Mischung von Tradition, Innovationsgeist, Diskussionskultur, Austausch mit anderen kulturellen Einflüssen und Selbstbewusstsein. Kreativität als einer der wichtigsten Rohstoffe ökonomischer und soziokultureller Entwicklung: Darauf hat man sich in der Steiermark schon vor Jahrzehnten verständigt und fördert unter anderem Design gezielt durch zahlreiche hochqualitative und praxisorientierte Ausbildungsangebote. Als konsequent erscheint da die Zusammenarbeit mit dem Lead Partner dieser Publikation, dem Institut für Design und Kommunikation der FH JOANNEUM Graz. Unter der Leitung von FH-Lektor Tomislav Bobinec entwickelten zwei Studentinnen des Bachelor- und Masterstudienganges das Kreativkonzept von „Creative. Innovative. Sustainable. Ein etwas anderer Blick auf die Steiermark“ und sie zeichnen auch für dessen grafische Umsetzung verantwortlich. Im Sinne eines ernsthaften Bekenntnisses zu Kreativität und Design ist dieser Schritt nur konsequent und gelungen.
Anna M. Del Medico Chefredakteurin
INHALTSVERZEICHNIS
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Tanja Paar über die Bedeutung von Kultur und Kreativität in der Entwicklung einer Region
Robert Haidinger im Gespräch mit Karl Stocker – Historiker, Kulturwissenschafter, multipler Buchautor und Leiter des Instituts für Design und Kommunikation – über Sozio-Design, Politik und die Welt
GESTERN. HEUTE. MORGEN.
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URBANE VORBILDER – DIGITALE PROVINZ?
Susanne Karr. Akteure und Akteurinnen der steirischen Kreativwirtschaft zeichnen das Bild einer dynamischen Region.
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HÖCHST KREATIV UND ZUKUNFTSFÄHIG
Anna M. Del Medico im Gespräch mit Barbara Eibinger-Miedl, Eibinger-Miedl Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus, Regionen, Wissenschaft und Forschung der Steiermark
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WERTE SCHAFFEN UND DABEI DIE WELT VERBESSERN
Thomas Edelmann Edelmann. Design lebt davon, ein relativ unbestimmter Begriff zu sein. Beteiligten geht er mühelos über die Lippen, allen anderen auch. Doch selten ist klar, was tatsächlich gemeint ist.
IN KOOPERATION MIT
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DESIGN – POSE ODER HALTUNG?
Susanne Karr unternahm eine aufschlussreiche Expedition zu den gestalterischen Beweggründen steirischer Designschaffender.
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MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG
DESIGN + KOMMUNIKATION
Manfred Zechmanns Antwort auf die Frage: Kommunizieren wir wirklich noch mit den Menschen? I M PR E S S U M United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
UNESCO Creative Cities Network Member since 2011
Herausgeber: Creative Industries Styria GmbH, Marienplatz 1, 8020 Graz, +43 316 890 598, office@cis.at, www.cis.at, Geschäftsführung: Eberhard Schrempf, Redaktion: Anna M. Del Medico, Lektorat: ad literam, Koordination: Barbara Nußmüller, Design & Editorial Design: Institut für Design & Kommunikation / FH JOANNEUM: Isabelle Auer, Rosalie Siegl, Tomislav Bobinec, Druck: Gugler GmbH, Melk/Donau ©2021 Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung reproduziert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. ISBN 978 3 200 07613 6
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QUERDENKEN MIT SYSTEM
Viele spannende Stimmen, höchst spezifische Zugänge und eine gemeinsame Agenda. Anna M. Del Medico im Gespräch mit Heinz M. Fischer, Karl Stocker, Daniel Fabry und Thomas Feichtner, die am Institut für Medien & Design der FH JOANNEUM Graz lehren
DESIGN ODER DESASTER?
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A CITY FULL OF DESIGNERS
Thomas Edelmann geht der Frage nach, was Graz, die UNESCO City of Design, für Designer und Designerinnen bedeutet.
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KUNST VERSUS DESIGN
Bettina Krause. An der Schnittstelle der Disziplinen agieren immer mehr innovative Akteure, die sich aus beiden Richtungen bereichern und sich nicht in altgewohnte Schubladen stecken lassen.
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DAS URBANE KULTIVIEREN
Maik Novotny. Novotny Die Kreativwirtschaft kann als Motor und Herz der Stadtentwicklung fungieren. Auch in Graz gibt es Akteure der Creative Industries, die sich mit guten Ideen für neue Quartiere auf die grüne Wiese wagen.
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LEADERSHIP IN SACHEN WIRTSCHAFT UND DESIGN
Anna M. Del Medico im Gespräch mit Eberhard Schrempf, Schrempf Geschäftsführer der Creative Industries Styria
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DIE MENSCHEN DAHINTER
• GestalterInnen, WissenschafterInnen und Lehrende, die für Creative. Innovative. Sustainable Einblicke in ihr Denken gaben • AutorInnen, Gestalterinnen und MacherInnen von Creative. Innovative. Sustainable
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GESTERN. HEUTE. MORGEN. „Musik ist nicht nur Unterhaltung“, sagte Riccardo Muti in seiner Rede beim Neujahrskonzert 2021, „Musik ist eine Mission, die Gesellschaft besser zu machen.“ Erstmals mussten die Wiener Philharmoniker vor einem leeren Musikvereinssaal spielen. Grund für den berühmten Dirigenten, auf die Bedeutung von „Kunst und Kultur als eines der Hauptelemente für eine bessere Gesellschaft“ hinzuweisen. Wie ist es aber tatsächlich bestellt um die Bedeutung von Kultur und ihrer kreativen Köpfe für die Entwicklung einer Stadt oder einer ganzen Region? Und welche Rolle spielt dabei die Kreativwirtschaft?
Der Ökonom Richard Florida spricht in diesem Zusammenhang von einer kreativen Klasse. Wen genau meint er damit? „Dafür muss man zuerst die Definition dieses Begriffs hinterfragen“, sagt Michael Steiner, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Graz und Experte für Regionalentwicklung: „Die ‚kreative Klasse‘ nach Richard Florida meint weniger bestimmte Sektoren als einzelne Personen, die kreativ sind. Er verortet das meist im urbanen Milieu, es bedürfe eines toleranten Umfeldes.“ Klassisch gedacht ist es also das Urbane, das Kreativität fördert – oder zumindest zulässt. Was aber macht die Stadt zur Stadt? Zuerst einmal eine gewisse Größe: Von einer „Großstadt“ spricht man in Europa ab 100.000 EinwohnerInnen. Graz wächst, mehr als 300.000 Menschen leben hier, im „Speckgürtel“, also dem Umland und Einzugsgebiet, sind es nochmals 460.000, bis zum Jahr 2050 wird die Hälfte aller Steirerinnen und Steirer im Grazer Becken wohnen. Im Regionalmanagement operiert man schon jetzt mit dem Begriff Steirischer Zentralraum. Die Stadt ist also ein weites Feld. Im „Cultural and Creative Cities Monitor“ der Europäischen Kommission, der einen Städtevergleich auch nach Einwohnerzahl möglich macht, liegt Graz seit Jahren unter den besten zehn. Eine weitere gute Nachricht: Die meisten der hier Lebenden sind kulturaffin – oder geben zumindest an, es zu sein. Das zeigt sich einerseits in repräsentativen Umfragen der Firma m)research, die das Kulturjahr 2020 begleitete: Vom Kulturjahresprogramm selbst hatten Ende des Vorjahres 70% aller Grazerinnen und Grazer einen positiven Eindruck, 81% des Publikums wollen unbedingt weitere Veranstaltungen besuchen, 94% begrüßen den Ansatz, Kunst, Kultur und Wissenschaft direkt zu den Menschen zu bringen, und weitere rund 75% wünschen sich, dass diese Programmansätze auch nach dem
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TEXT: TANJA PA AR
Kulturjahr fortgesetzt werden. Sogar 81 % der Grazerinnen und Grazer stimmen der Feststellung „Kunst und Kultur sind unverzichtbar für eine Gesellschaft“ zu. „Gerade in diesem Corona-Jahr zeigte sich die überwältigende Kreativität und Flexibilität der Grazer Kunst- und Kulturschaffenden“, sagt Andreas R. Peternell vom Multiplikator TRAFO – developing arts & audiences. „Der Großteil der Projekte war in seiner künstlerischen oder wissenschaftlichen Arbeit direkt betroffen, sie mussten ihre Arbeit teils von vorne beginnen, Formate grundlegend umarbeiten – es gab viele Adaptierungen und Ideen. Zahlreiche Projekte wanderten in den digitalen Raum: allerdings auch hier partizipativ und interaktiv und nicht als ‚passive‘ Streamingangebote, andere reduzierten ihre Kapazitäten – und hatten genau deshalb noch intimeren Kontakt und Austausch mit den Grazerinnen und Grazern – und wieder andere übersiedelten in den öffentlichen Raum“, zählt er die Vielfalt der 94 Projekte rund um das Thema „Wie wir leben wollen“ auf.
»Der soziale Akt, etwa im gemeinsamen Musizieren im Volkskultur-Steiermark-Projekt oder im Theaterspiel mit Seniorinnen und Senioren beim ›The Chorus Project‹, wird von den Menschen als besonders wertvoll empfunden. Dabei sollen wirklich alle Grazerinnen und Grazer, nicht nur Kunst- und Kultur-Interessierte, eingebunden werden.« CHRISTIAN MAYER
Welche Rolle Kultur und Kreativität für die Entwicklung einer Region spielen
Europaweites Best-Practice-Beispiel
Gibt es auch so etwas wie einen kleinsten gemeinsamen Nenner der ausgewählten Projekte? „Die große Gemeinsamkeit, die sämtliche Projekte auszeichnet, ist der Aspekt des Verbindenden, ist ihr Ansatz, einer Fragmentierung etwas entgegenzusetzen“, sagt Kulturjahr-Graz-Programm-Manager Christian Mayer. „Der soziale Akt, etwa im gemeinsamen Musizieren im Volkskultur-Steiermark-Projekt oder im Theaterspiel mit Seniorinnen und Senioren beim ‚The Chorus Project‘, wird von den Menschen als besonders wertvoll empfunden. Dabei sollen wirklich alle Grazerinnen und Grazer, nicht nur Kunst- und Kultur-Interessierte, eingebunden werden.“ So erarbeiteten im Projekt „Häfntheater“ etwa Strafgefangene der Justizanstalt Karlau gemeinsam ein Theaterstück und im Rahmen von „Kultur:Inklusiv“ werden inklusive Maßnahmen für das Kulturprogramm
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in Graz entwickelt. Ziel ist die internationale Positionierung der Stadt Graz als inklusive Kulturstadt und als europaweites Best-PracticeBeispiel. Wie wichtig Kunst und Kultur ist, zeigte sich auch hier wieder in der Befragung: Die Aussage „Kunst und Kultur haben die Möglichkeit, der Bevölkerung Mut und Zuversicht zu vermitteln“ bejahen 76% der Bevölkerung.
»Der britische Städteforscher und Publizist Charles Landry geht ja – quasi in Opposition zu Richard Floridas ›kreativer Klasse‹ – davon aus, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt zu kreativen Leistungen fähig sind, egal ob Künstler, Designer, Unternehmer, Sozialarbeiter oder Beamter.« CHRISTIAN MAYER Im jährlichen Regionenranking belegte Graz (Umgebung) österreichweit den erfreulichen Rang zwei. Die Kultur bzw. Kreativwirtschaft findet sich in den Auswahlkriterien allerdings nicht explizit: Bewertet werden demografische Aspekte wie Fertilität sowie die Altersstruktur der Bevölkerung (Anteil der Jugend 15 bis 29 Jahre), am Arbeitsmarkt u. a. die Frauenerwerbsquote und Bildung, in den Bereichen Wirtschaft und Innovation der Unternehmensbestand sowie die Gründungsquote. Unter „Lebensqualität“ werden zwar Kriminalitätsrate, Schulen, Ärzte und Kindertagesheime aufgezählt, nicht aber Kultureinrichtungen oder Aspekte, die die eingangs erwähnte Creative Class anlocken könnten. Ein methodisches Problem? „Der britische Städteforscher und Publizist Charles Landry geht ja – quasi in Opposition zu Richard Floridas ‚kreativer Klasse‘ – davon aus, dass alle Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt zu kreativen Leistungen fähig sind, egal ob Künstler, Designer, Unternehmer, Sozialarbeiter oder Beamter“, erklärt Christian Mayer. Ganz in diesem Sinne agiere auch das Graz Kulturjahr: Es sei kein reines Kunstfestival, sondern stelle sich gesellschaftlichen Fragestellungen und Entwicklungen der städtischen Zukunft. Als Ausgangspunkt zu diesen Überlegungen wählte es bewusst einen breiten Kulturbegriff, die Kultur, „die uns als Gesellschaft ausmacht und die wir aktiv gestalten“. Und: Auch die Ausschreibung richtete sich nicht nur an Künstlerinnen und Künstler, sondern an alle Grazerinnen und Grazer.
Index of creativity
In eine ähnliche Kerbe, aber die Betriebe betreffend, schlägt der Ökonom Steiner: „Wir haben uns gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler und Direktor des Zentrums für Klima, Energie und Gesellschaft LIFE von Joanneum Research, Franz Prettenthaler, die Frage gestellt: Welche Unternehmen sind kreativ? Unser Index of creativity ist transsektoral und ermöglicht Abstufungen, ist dadurch breiter und offener als bisherige Ansätze.“ Dieser „Index of creativity“ soll ein neues Maß für die Bewertung von Kreativität schaffen: Nicht mehr bestimmte Wirtschaftssektoren sind in diesem Modell kreativ, sondern grundsätzlich alle können in diversen Abstufungen kreativ tätig sein. Eine der zentralen Fragestellungen dabei ist: Wie viel Flexibilität haben sie in der Entwicklung von Lösungen?
GESTERN.
HEUTE. MORGEN.
betont Steiner: „Er wird sehr stark auf Design bezogen im Sinn von Behübschung. Kunst und Kultur sind aber nicht nur Beschönigung. Kreativität braucht ein Umfeld: Kunst und Kultur sollten als Anregung, als Bestandteil von Lebensqualität, gedacht werden.“ Er unterstreicht dabei die Bedeutung der Digitalisierung: „Ich meine damit sowohl die materielle, harte Infrastruktur – da krankt es in der Steiermark noch, wir haben noch ‚weiße Flecken‘ – als auch die Soft Skills; Menschen, die diese Infrastruktur bedienen können. Dabei sind Schule, Weiterbildung, aber auch lebenslanges Lernen von Bedeutung, wenn wir uns die demografische Entwicklung ansehen. Die Welt nach Corona wird seiner Meinung nach nicht radikal anders aussehen als davor. „Entwicklungen werden sich dadurch beschleunigen: die Digitalisierung, die Dekarbonisierung.“
»Ohne den Rang ›Kulturhauptstadt Europas‹ wäre die Stadt Graz heute nicht, was sie ist. Nicht bezogen auf die Infrastruktur, die sehr wichtig ist, sondern auf das Mindset. Die Stadt hatte früher eine Art Minderwertigkeitskomplex, und zwar durch und durch. Insofern war dieses Prädikat die beste Therapie, die der Stadt und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern passieren konnte.« EBERHARD SCHREMPF „Historisch gesehen“, betont Kulturkommunikator Peternell, „haben Künstlerinnen und Künstler, Kulturarbeiterinnen und Kulturarbeiter in Graz durch ein hohes Maß an Durchhaltevermögen zur hohen Dichte an kulturellen Hervorbringungen als auch zur hohen Akzeptanz in der Bevölkerung beigetragen.“ Die ersten zeitgenössischen Veranstaltungen und Initiativen in den 1950er- und 60er-Jahren (Trigon-Ausstellungen, Forum Stadtpark, steirischer herbst) hatten ja über Jahrzehnte gegen ein stark beharrendes gesellschaftliches Klima zu kämpfen, sie ließen sich dadurch aber weder beirren noch entmutigen und fanden so immer mehr Mitstreiter und Kunstbegeisterte. Ein weiterer Boost war sicher die Auswahl der Stadt als „Kulturhauptstadt Europas“ im Jahr 2003: „Ohne den Rang ‚Kulturhauptstadt Europas‘ wäre die Stadt Graz heute nicht, was sie ist. Nicht bezogen auf die Infrastruktur, die sehr wichtig ist, sondern auf das Mindset. Die Stadt hatte früher eine Art Minderwertigkeitskomplex, und zwar durch und durch. Insofern war dieses Prädikat die beste Therapie, die der Stadt und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern passieren konnte“, sagt Eberhard Schrempf, Geschäftsführer der Creative Industries Styria, und fügt hinzu: „Davor war die Haltung eher so: Hilfe, es ist ,steirischer herbst‘, das ganze Jahr. Bleibt zu Hause, es kommt die Kunst! Das hat sich tatsächlich um 180 Grad verändert. Darauf folgten eine tiefe Depression, ein schwarzes Loch und die Frage: Was machen wir jetzt?“ Das hat sich geändert: Die Steiermark, so Ökonom Steiner, habe sich in den letzten Jahren von einem „Land am Rand“, bedingt durch den Eisernen Vorhang, zu einer für Wissensaustausch offenen, selbstbewussten Region entwickelt.
Damit wird die klassische Denke, wer oder was die „Kreativwirtschaft“ sei, erweitert. „Der Kreativsektor leidet an zwei Dingen“,
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URBANE VORBILDER, DIGITALE PROVINZ? Weit über die Grenzen pulsierender Metropolen hinaus steigert Digitalisierung Lebensqualität. Akteure und Akteurinnen der steirischen Kreativwirtschaft zeichnen das Bild einer dynamischen Region.
Was ist Provinz? Dieses Klischee wird häufig von größeren Städten an kleinere herangetragen – etwa von Wien an Graz. Oder auch von Graz an kleinere Städte in der Steiermark. Aber abgesehen davon, dass dieses Vorurteil in seinem Hochmut für eine Art urbane Verblendung steht und nie realistisch war, kann gerade in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung keine „Provinz“ im Sinne von Abgeschnittenheit und „Hinterwäldlertum“ mehr deklariert werden. Im Falle der Design City Graz geht es zudem um internationale Kooperationen und gleichzeitig eine große Eigenständigkeit. In diesem Zusammenhang lässt sich die Frage nach urbanem resp. kreativem Umfeld erörtern: Was passiert in den Ateliers und Studios der steirischen Kreativwirtschaft? Statements von hier tätigen Akteuren und Akteurinnen zeichnen das Bild einer dynamischen, kreativen Region. Hintergrund sind Überlegungen zu urbanen Vorstellungen bzw. Vorurteilen, die Fragen, wo Inspiration entsteht und wo sie die einzelnen Player hinführt, wie Kooperation gelebt wird und was der Ausgangspunkt damit zu tun hat.
TEXT: SUSANNE K ARR
Städte gelten in vielen Narrativen als Hotspots für Kreativität. Unterschiedliche Lebensstile treffen hier aufeinander und inspirieren sich wechselseitig. Menschen verschiedener Herkunft lassen ein buntes Zusammenleben entstehen – häufig begegnet einem das Wort „pulsierend“ in Verbindung mit Metropolen. Genau hier passieren angeblich die wichtigen Innovationen, Trends entstehen, Moden werden entworfen, das Leben ist rasant und abwechslungsreich. Als Gegenbild gilt das beschaulichere oder, weniger fein ausgedrückt, langweiligere Leben in der Provinz, das in diesem Szenario immer als ein wenig zurückgeblieben gedacht wird. Aber trifft das überhaupt (noch) zu? Bzw. ist dieses Konzept nicht überholt? Die Frage ist ja:
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Moodley design group/Mike Fuisz Mike Fuisz ist Mitbegründer der Designagentur Moodley mit Kunden in zahlreichen internationalen und nationalen Projekten und damit Teil eines mehrfach international ausgezeichneten Kreativteams aus Strategieberatern, DesignerInnen und Engineers. Die Agentur kooperiert mit ihren KlientInnen bei der Entwicklung eindrucksvoller Markenpersönlichkeiten, Repositionierungen und dem Sichtbarmachen von Start-ups. Unter den Kunden finden sich prominente internationale Namen, aber auch exquisite Neuentdeckungen. Viele kommen aus der Großstadt, manche aus einem kleinen Weinbaudorf – also von überall zwischen Metropole und Provinz.
URBANE VORBILDER
Beim Thema Provinz fällt mir ein Spruch ein, der vor einiger Zeit beim steirischen herbst affichiert wurde und ungefähr so lautete: „Graz ist nicht der Arsch der Welt, aber von hier aus kann man ihn ganz gut sehen.“ (lacht) Das galt sicher 1999, als wir die Designagentur gründeten. Damals hat man uns als exotisch wahrgenommen, denn es gab nur Werbeagenturen. Auch der Blick von Wien auf Graz war nicht gerade überzeugend, und es war für uns schwer, Kundschaft aus Wien zu rekrutieren. Es herrschte Voreingenommenheit der Großstadt gegenüber der Provinz. Wobei die Vorstellung von Provinz sicherlich eine Frage der Perspektive ist! Für jemanden aus Tokyo mag Paris eine beschauliche kleine Stadt sein, jemand aus London betrachtet vielleicht Wien als Provinz. Und die Frage lautet immer auch: Wie viel Provinz steckt in einem selbst?
DIGITALE PROVINZ?
Dazu kommt, dass Digitalisierung noch mehr Perspektiven ermöglicht. Außerdem trägt die größere Mobilität der heutigen Gesellschaft zu einem anderen Mindset bei. Durch die digitale Transformation entsteht vernetzte Kommunikation. Dennoch hat man in Städten natürlich gemischteres Publikum und mehr unterschiedliche Einflüsse. Das war immer schon so, schön beschrieben etwa in Stefan Zweigs „Die Welt von gestern“. Wenn man sich vorstellt, wer sich in Städten alles getroffen hat! Interessant auch, wo sich die Menschen damals trafen! Da gab es im Wesentlichen zwei Varianten: auf Reisen – obwohl die damals längst nicht so komfortabel waren wie heute – und in urbanen Räumen. Die Menschen wollten einander kennenlernen, man war neugierig und interessiert, hat sich auf Reisen begeben, um einander kennenzulernen. Diese Möglichkeiten der Begegnung kennzeichneten auch den urbanen Raum.
»Wobei die Vorstellung von Provinz sicherlich eine Frage der Perspektive ist! Für jemanden aus Tokyo mag Paris eine beschauliche kleine Stadt sein, jemand aus London betrachtet vielleicht Wien als Provinz. Und die Frage lautet immer auch: Wie viel Provinz steckt in einem selbst?« MIKE FUISZ Für uns war der Ankerpunkt anfangs ganz klar Graz. Trotz der Anlauf Anlaufschwierigkeiten war Auswandern damals nicht wirklich eine Option – Design ist als People’s Business nicht einfach skalierbar. Mittlerweile gibt es uns auch in Wien und München, wir haben Repräsentationen in Detroit und Istanbul und ein Joint Venture in China. Für uns war und ist es essenziell, dass unsere Angebote in verschiedenen Städten funktionieren. Unser Erfolgsrezept? Es beginnt damit, außergewöhnlich gut zu sein.
»Für uns war und ist es essenziell, dass unsere Angebote in verschiedenen Städten funktionieren. Unser Erfolgsrezept? Es beginnt damit, außergewöhnlich gut zu sein.« MIKE FUISZ Ziel des Designers ist jedenfalls die große weite Welt. Für uns als kleines Grazer Designstudio war zu Beginn die große Frage, wie wir international würden Fuß fassen können. Große Agenturen und auf aufregende Aufträge waren in Wien, Hamburg, München, London. Man hat an einem solchen Standort leicht mehr Zugang zu spannenderen Unternehmen, die sich eben in Städten wie London oder New York ansiedeln. Für uns war ein Weg, der Provinz zu entfliehen, auch, unseren lokalen Kunden dabei zu helfen, weltberühmt zu werden.
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© CLEMENS SCHNEIDER
Es hat dann ein wenig gedauert, bis wir aus Graz rausgekommen sind. Mit dem Status „City of Design“ und der Kulturhauptstadt Graz ist viel Bewegung entstanden – auch in den Köpfen. Und die Stadt hat sich sehr gut entwickelt. Früher assoziierte man Graz nicht mit Design – inzwischen ist die Stadt aber eine fixe Adresse in der Designwelt.
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Viereck Architekten/Marleen Viereck Den Bogen spannen zwischen Urbanität und naturnahen Settings – das könnte eine Kurzformel für den Erfolg des Architekturbüros Viereck sein. Das preisgekrönte Studio setzt auf perfekte und sensible Einpassung in örtliche Settings und integriert wie selbstverständlich Licht, Naturmaterialien und angemessene Dimensionen. Das Büro überzeugt bei den unterschiedlichsten Aufgaben – Hotels, Eigenheimen, Wohnbauten, Bürogebäuden, Bankfilialen oder Werkstätten, außerdem Außenraumgestaltungen und Interior Design. Seine Auftraggeber reichen von Konzernen, Klein- und Mittelbetrieben über private Bauherren bis zu öffentlichen Auftraggebern.
URBANE VORBILDER
Unser Architekturbüro kommt aus der „Provinz“. Die Region mit eher industriellem Background und entsprechendem Mangel an fachspezifisch ausgebildeten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist, im Vergleich mit anderen österreichischen Regionen, z. B. Vorarlberg, kein einfacher Ort für Architektur, aber der Standort ergab sich aus der Familiengeschichte. Von Beginn an gab es immer eine Dynamik des Herausgehens, die das Ansinnen bestärkte, nicht nur in der eigenen Region zu bleiben, sondern auch die Qualitäten anderer Regionen zu erkunden. Bald erhielten wir Aufträge in Osttirol, Burgenland, Niederösterreich, später auch im benachbarten Ausland. Das bedeutete für uns auch ein Hinzukommen zahlreicher Einflüsse anderer ländlicher Gegenden und Traditionen.
»Die Pandemie verstärkt die Diskussion um Standort und Wohnort erneut: Vor allem mit der digitalen Vernetzung fallen Informations- und Kommunikationsengpässe ja weg – also kommt nun ›der hochmütige Städter‹ drauf, dass es sich ein bisschen außerhalb vielleicht angenehmer lebt!« MARLEEN VIERECK
DIGITALE PROVINZ?
Unsere Region hat jedoch viel Potenzial! Wir haben den Standort in Kindberg deshalb nach der Eröffnung des Grazer Büros vor über 20 Jahren behalten. Wir setzen damit auch ein Statement – um Leute zu überzeugen, an einem Strang zu ziehen. Die Basis von Viereck bleibt aber in Kindberg. Wir zeigen dort, was uns besonders wichtig ist: regionale, nachhaltige Baustoffe, Holz, Lehmputz, Stampflehmwand. Das Erdige, die Haptik. Verschiedene natürliche Materialien sind im Einsatz. Das Gebäude funktioniert energieautark. Von den Wurzeln her, seit der Kindheit, hatte ich einen guten Bezug zu naturnahen Bauern in der Region. In der Studienzeit in Schweden verstärkte sich dann der Fokus auf Licht und die Präzision, wie man mit der Landschaft sensibel umgeht.
»Viele wollen jetzt wieder aufs Land, raus aus der Stadt, denn die urbane Umgebung bringt in der aktuellen Situation viele Einschränkungen.« MARLEEN VIERECK Die beiden Standorte haben ganz verschiedene Settings. Die MitarbeiterInnen unterscheiden sich: In Graz gibt es mehr Fluktuation und mehr internationale Besetzung, eine Folge der stärkeren Diversität der Kulturen im urbanen Raum. Das Büro in der Stadt ist mit 100 m2 eine kleine Box und folgt einem flexiblen Konzept, das man mitnehmen kann. Es reagiert also stärker auf ein veränderliches urbanes Umfeld. Beide Büros tragen unsere Philosophie nach außen und an die MitarbeiterInnen: Zentral sind Licht, Atmosphäre und Materialien. Der steirische Hintergrund ist im Schaffen kaum repräsentativ. Qualität kann für uns nicht bedeuten, ein vorhandenes Bild zu kopieren, das dann mit seinen Traditionen irgendwohin versetzt wird – ein Negativbeispiel wäre z. B. das Errichten eines Chalets oder einer alpinen Skihütte im Burgenland. Der Ansatz von Viereck ist, die Einzigartigkeit des jeweiligen Ortes in die Architektur zu integrieren und sichtbar zu machen. Örtliche Bezüge herzustellen ist gerade bei starker Bautätigkeit – wie etwa in der Südsteiermark – sehr wichtig, um in die Natur möglichst wenig einzugreifen. Da ist Sensibilität gefragt. Unser Anspruch ist, das Außen in die Landschaft zu integrieren und das typische Eigene des Ortes ins Gebäude zu transportieren. Das ist unser USP.
© TOM LAMM
Viele wollen jetzt wieder aufs Land, raus aus der Stadt, denn die urbane Umgebung bringt in der aktuellen Situation viele Einschränkungen. Vorzüge der Freiheit genießt man eher auf dem Land, im Gegensatz zum früher kaum zu bremsenden Zuzug in die Städte. Die Pandemie verstärkt die Diskussion um Standort und Wohnort erneut: Vor allem mit der digitalen Vernetzung fallen Informations- und Kommunikationsengpässe ja weg – also kommt nun „der hochmütige Städter“ drauf, dass es sich ein bisschen außerhalb vielleicht angenehmer lebt!
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Lena Hoschek/Lena Hoschek Lena Hoschek Fashion ist ein illustres Beispiel dafür, wie eine Modeschöpferin ihren regionalen Hintergrund mit globalen Aspekten vermischt und eine internationale Top-Marke daraus entwickelt. Die Kollektionen sind inspiriert von einer Mischung aus Eleganz und Erotik von 50er-Jahre-Stilikonen und einer textilen künstlerischen Handwerkstradition. Ethnische Einflüsse, Weiterentwicklung traditioneller Bekleidung und eine Prise Ironie – die Designerin bewundert die weiblichen Sexsymbole Marilyn Monroe, Gina Lollobrigida oder Sophia Loren für ihren Humor – führen zum charakteristischen Stil, der Naturverbundenheit, Heimatgefühl und Qualität vereint.
URBANE VORBILDER
DIGITALE PROVINZ?
ein riesiges Inspirationsthema, mit dem sehr viel Stolz verbunden ist – auf die Herkunft und auf das kulturelle Erbe. Ich würde mich mit diesem Kleidungsstück, das wir heute noch leben dürfen, das jahrhundertealt ist, nicht nur auf die steirischen Wurzeln beziehen, sondern auch auf die österreichische Identität. Als Kleidermacherin sehe ich es ein Stück weit als meine Aufgabe, die alte Schneiderkunst hochzuhalten und wiederzuerwecken. Ob man dann Dirndl-Designerin wird oder nicht, hängt meiner Meinung nach nicht von diesem Background ab. Dieser ruft nicht eine bestimmte Stilistik in den Designs hervor, sondern vielmehr eine gewisse Pride und ein Commitment zum Schneiderhandwerk.
»Als kreativer Mensch ist man ja wie ein Schwamm. Man saugt alles an Inspiration auf, aber ein Designer ist man erst dann, wenn man das reduzieren kann.« LENA HOSCHEK
Meine Kollektionen plane ich immer schon einige Saisonen voraus und entscheide dann je nach Gefühl, Inspiration und meinem Zeitgeist, unter welchem thematischen Stern die nächste Kollektion stehen wird. Inspiration finde ich immer und überall. Sei es auf Reisen, in der Natur, in antiker Literatur oder auch auf Flohmärkten. Meine österreichischen Wurzeln sind die Basis, und hinzu kommen die Neugierde auf andere Kultur- und Gesellschaftsformen, Musik, Traditionen und vieles mehr. All das steckt mich an und beeinflusst mich in meiner Arbeit. Manchmal inspirieren mich die Stoffe selbst zu den Entwürfen. Vor allem Musik spielt immer eine wichtige Rolle für mich. Passende Playlists helfen mir, vollkommen in den Designprozess einzutauchen. Während des Kreativprozesses sammle ich meine Ideen auf Moodboards, die sich stetig erweitern. Moodboards sind für mich besonders wichtig, da ich so meine Inspirationen filtern und meine Ideen sortieren kann. Als kreativer Mensch ist man ja wie ein Schwamm. Man saugt alles an Inspiration auf, aber ein Designer ist man erst dann, wenn man das reduzieren kann.
Und: Falls die hochmütige Haltung seitens der Metropole Wien gegenüber einer kleineren Stadt wie Graz jemals begründet gewesen wäre, hätte sie doch in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung ausgedient. Die Einteilung „Provinz“ – im Sinne von Abgeschnittenheit – und „Urbanität“ hat da überhaupt keinen Sinn. Ich würde sagen, Wien ist doch Graz’ schönster Vorort.
»Die Einteilung ›Provinz‹ – im Sinne von Abgeschnittenheit – und „Urbanität“ hat da überhaupt keinen Sinn. Ich würde sagen, Wien ist doch Graz’ schönster Vorort.« LENA HOSCHEK Für mich stand von Anfang an immer fest, nur Naturmaterialien in meinen Kollektionen zu verwenden. Allein schon aus dem eigenen Bedürfnis heraus, da ich selbst auf meiner Haut nichts anderes als Baumwolle, Seide, Leinen, Wolle oder Mischungen aus diesen Materialien spüren möchte. Hinzu kommt, dass die Naturmaterialien, die wir wählen, auch selbstverständlich aus umweltschonenden Gründen den Kunstfasern in jedem Fall vorgezogen werden. Das Material muss aus einem Rohstoff gefertigt sein, der verrotten kann, muss aber auch so robust sein, dass die Kleidung hoffentlich einige Generationen überdauert.
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© LUPI SPUMA
Für mich bleibt ein Dirndl immer ein Dirndl – unantastbar. Tracht hat für mich mit Tradition zu tun – ein Stück Kulturgut, das von Generation zu Generation weitergegeben wird und dessen Handwerk Geschichten erzählt. Für mich war immer die textile Handwerkskunst
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Josef Prödl Tischlerei/Matthias Prödl Die Geschichte der Josef Prödl Tischlerei begann mit einem kleinen Handwerksbetrieb in Kirchberg an der Raab, mittlerweile haben sich die Wirkungsfelder der Tischlerei um Möbeldesign und Innenarchitektur erweitert. Man agiert als Partner der Architektur und geht millimetergenau auf geplanten oder bereits gebauten Raum ein. Mit dem Grundsatz, dass jedes Material genau dort eingesetzt werden soll, wo es am passendsten ist, antwortet das Unternehmen auf Designansprüche und Funktionalitätsanforderungen. Qualität und Ästhetik überzeugen internationale Auftraggeber, die sich von Prödl ihre Wohnung, Kanzlei, Bar, Agentur, Museum oder Geschäftszentrale einrichten lassen.
URBANE VORBILDER
»Die Herkunft aus der ›Provinz‹ erweist sich für uns als Vorteil. [...] Man schreibt uns geschulte und gut ausgebildete Mitarbeiter zu und rechnet mit der Langlebigkeit der Produkte.« MATTHIAS PRÖDL
DIGITALE PROVINZ?
Ich freue mich über das Privileg, Wohn- und Produktionsort „in der Provinz“ zu haben! Unser Unternehmen hat mittlerweile aber auch Dependancen in Wien und Berlin, also in Ballungszentren. Für uns bedeuten die unterschiedlichen Standorte, dass wir die Schnelllebigkeit in der Stadt mitzuleben versuchen, um die Wahrnehmung und ästhetischen Ansprüche zu verstehen. Es gilt, am Puls der Zeit zu bleiben – man muss eben den Spagat finden, dass alle Ansprüche sich im Produkt wiederfinden und am Schluss alle zufrieden sind. Im Handwerk selbst ist von einer wie immer gearteten Schnelllebigkeit jedoch nichts vorhanden, weil Präzisionsarbeit Zeit braucht. Der typische Anspruch heutiger Projektplanung ist bei vielen, man hätte am besten schon gestern fertig sein sollen. Selbst wenn das für die Kunden plausibel wäre – umsetzbar ist es nicht. Wir arbeiten daran, solche ideellen Zeitbarrieren zu durchbrechen. Die unterschiedliche Zeitwahrnehmung könnte etwas mit den Gegensätzen von provinziellen und urbanen Settings zu tun haben. Die Herkunft aus der „Provinz“ erweist sich für uns als Vorteil. Eine Tischlerei aus dem Südosten der Steiermark wirkt authentischer als eine aus der Großstadt. Man schreibt uns geschulte und gut ausgebildete Mitarbeiter zu und rechnet mit der Langlebigkeit der Produkte. Das ergibt sich aus einer Vorstellung unserer Umgebung – die durchaus der Realität entspricht. Wir haben Wälder in direkter Nähe, und sie beeinflussen unser Wesen und Tun, und die Frage: Woher komme ich, wohin will ich? Man kann sich das auch so überlegen: Wenn ich einen Baum umarmen will, gehe ich in den Stadtpark oder in den Wald in der Steiermark? Ohne dem Baum in der Stadt zu nahetreten zu wollen! Zugespitzt könnte man sagen: Es hat eben Konsequenzen, ob man von Natur umgeben ist, nicht von Hochhäusern. Diese Vorteile spiegeln sich in den Produkten wider. Man muss beide Welten kennen, um perfekte Lösungen zu finden, eine Verbindung schaffen zwischen der Ursprünglichkeit der Materialien und dem urbanen Leben, wo unsere Produkte stark nachgefragt sind. Ich beobachte, dass gerade in großen Städten häufig Handwerk aus der „Provinz“ verlangt wird.
»Das Label ›regionale Herkunft‹ zieht, weil es Naturnähe und eine gewisse Zugehörigkeit suggeriert. Betriebe aus der ›Provinz‹ bringen quasi den Rohstoff, die Energie, das ›Erdige‹ in die Stadt.« MATTHIAS PRÖDL
© ULRICH GHEZZI
Je weiter weg von der „Provinz“ man sich befindet, desto mehr werden die Produkte geschätzt, desto höher ist ihre Stellung – etwa in Berlin. Diese Art Handwerk wird im Ballungsraum sehr geschätzt, gewünscht und gefordert – das war eigentlich immer so, zeigt sich aber jetzt verstärkt. Es war immer schon Trend, dass man beides – eigentlich alles – will, also sowohl die Vorteile des urbanen wie des ländlichen Lebensraums. Dieser Zug fährt schon seit Jahren, nimmt aber an Fahrt auf bzw. sind einzelne Themen, allen voran Umwelt und Klima, jetzt tatsächlich angekommen. Das Label „regionale Herkunft“ zieht, weil es Naturnähe und eine gewisse Zugehörigkeit suggeriert. Betriebe aus der „Provinz“ bringen quasi den Rohstoff, die Energie, das „Erdige“ in die Stadt. Externe Einflüsse und interne Bilder werden eingesetzt, und dass hohe Qualität einen Preis hat, wird verstanden. Und es geht immer auch um ideelle Werte.
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Odroważ/Bettina Reichl Die Designerin Bettina Reichl widersetzt sich mit ihren Kollektionen dem klassischen Modebetrieb mit seinen kurzlebigen Trends. Das Design ist keinem Modediktat unterworfen, sondern entwickelt sich völlig frei, abseits des Mainstreams mit einem künstlerischen, philosophischen Ansatz. Neben der Arbeit an ihrem Label Odroważ ist Bettina Reichl Mitbegründerin des Designfestivals „assembly“, das sie von 2003 bis 2011 auch mitorganisiert hat, und kuratiert seit 2004 internationale und interkulturelle Modeprojekte. Marie Maurer von Odroważ war die Großmutter der Großmutter von Bettina Reichl. Sie lebte im 19. Jahrhundert auf dem Gut Glycinen in der Hohen Tatra bei Zakopane in Polen. Sie verliebte sich in einen österreichischen K.u.K.-Offizier und verzichtete dafür auf ihr Erbe. So steht das Modelabel für Weiblichkeit, Selbstständigkeit und Authentizität mit einem Hauch slawischer Seele.
URBANE VORBILDER
Graz als Second City hat sich für mich als fruchtbare Wiese erwiesen. Man hat beides im Blick, Stadt und Land. Mich hat seit jeher die Verarbeitung heimischer Naturfasern interessiert. Immer stärker fließen in meiner Arbeit Design, Forschung, Technologie und handwerkliche Prozesse ineinander.
DIGITALE PROVINZ?
London, Paris oder Mailand geführt, sondern nach Kuba, Niger und in die Mongolei, Orte die man vielleicht nicht auf den ersten Blick mit der Herstellung von Mode verbindet. Heute weiß ich, dass überall auf der Welt, selbst an den entlegensten Orten Mode entsteht, weil sie Teil unserer kulturellen Identität ist. Im Pell Mell Shop bieten wir Platz für nationale und internationale GastdesignerInnen. Das Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen birgt große Chancen für gegenseitiges Lernen, Erhalt von Diversität und Ökologisierung textiler Produktion, gegen die Globalisierung des Geschmacks und das Verschwinden vieler textiler und handwerklicher Traditionen. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Bekleidungskulturen hat mein Interesse für heimische Bekleidungstradition geweckt.
»Zu Beginn meiner Reise als Modedesignerin gab es keine sichtbare steirische Modeszene. Diese Reise hat nicht zu den Laufstegen nach London, Paris oder Mailand geführt, sondern nach Kuba, Niger und in die Mongolei, Orte die man vielleicht nicht auf den ersten Blick mit der Herstellung von Mode verbindet. Heute weiß ich, dass überall auf der Welt, selbst an den entlegensten Orten Mode entsteht, weil sie Teil unserer kulturellen Identität ist.« BETTINA REICHL In Crossing Fashion haben wir z. B. auch mit Weberdörfern in Sri Lanka gearbeitet, die mehr und mehr durch Billigimporte von synthetischen Stoffen aus Ost-Asien verdrängt werden. Die Academy of Design in Colombo hat uns im Zuge eines DesignerInnenworkshops in diese seit Jahren gelebte Zusammenarbeit integriert. DesignerInnen verbinden regionales Know-how mit modernem Designanspruch. Dadurch entstehen hochwertige Produkte, die erfolgreich international vermarktet werden und Einkommen der heimischen WeberInnen sichern. Beim South Asian Sustainable Fashion Summit, zu dem jährlich VertreterInnen aus der ganzen Welt eintreffen, konnten wir im Zuge von Crossing Fashion österreichisches Textil-Know-how und die Kreationen steirischer DesignerInnen präsentieren.
Im Moment beschäftige ich mich mit einem sehr analogen Prozess, einer Modekollektion aus Schafwolle, von der Weide bis zum Lauf Laufsteg. Auf Spaziergängen während des Corona-Lockdowns lernte ich die Familie Machold kennen, die mit Leidenschaft eine kleine Schafzucht am Rande von Graz betreibt. Ich übernahm die Schur der Herde und verarbeite im Freundeskreis die Wolle vom Schwemmen und Filzen bis zur Erstellung einer Kollektion. Bei jedem Modell ist nachverfolgbar, von welchem Schaf die Wolle stammt und welche Menschen mir geholfen haben, die Wolle zu verarbeiten. Es geht im Projekt auch stark um Tierwohl und darum, wie man Tiere so halten kann, dass sie ein gutes Leben haben.
Im Projekt Out of Garbage / Waste to Dress arbeite ich mit einheimischen Frauen, die in einer Schneiderausbildung der one world foundation sind. Angeschwemmtes Meeresplastik, aber auch Naturstoffe wie herunterfallende Blätter der tropischen Gärten und Wälder dienen als Ausgangsmaterial für Mode. Ein Projekt, in dem ich meine Fähigkeiten als Modedesignerin mit meinem zweiten Standbein als Verpackungsdesignerin verbinden kann. Um für die Müllproblematik Bewusstsein zu schaffen, aber auch das Empowerment von Frauen zu fördern.
»Graz als Second City hat sich für mich als frucht fruchtbare Wiese erwiesen. Man hat beides im Blick, Stadt und Land.« BETTINA REICHL Mir ist wichtig, Menschen auf Alternativen zur Massenproduktion gerade im Textilbereich aufmerksam zu machen, der auch für die menschlichen Beschäftigten katastrophal ist. Mein Label verstehe ich als Gegenposition gegen die schmutzige Textilindustrie durch Einsatz von Pflanzenfarben (Forschungsprojekt Colors of Nature der Uni Innsbruck / Institut für Textilchemie und Textilphysik) und Kooperationen mit heimischen Textilherstellern wie Leichtfried Loden, Lenzing AG (Materialien aus Holz) und Fussenegger (Leinen).
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© MARIJA KANIZAJ
Zu Beginn meiner Reise als Modedesignerin gab es keine sichtbare steirische Modeszene. Diese Reise hat nicht zu den Laufstegen nach
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HÖCHST KREATIV UND ZUKUNFTSFÄHIG Barbara Eibinger-Miedl, Eibinger-Miedl Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus, Regionen, Wissenschaft und Forschung der Steiermark, im Gespräch mit Anna M. Del Medico über Herausforderungen und Chancen für die Kreativwirtschaft, den gelungenen Paradigmenwechsel der steirischen Wirtschaft und über Zuversicht in einer global herausfordernden Zeit.
Anna M. Del Medico: Wie lässt sich seitens des Landes der gelungene Paradigmenwechsel der Steiermark (nach dem Zusammenbruch der Schwerindustrie musste sich die Steiermark quasi „neu erfinden“, und dies ist zum Teil gerade durch Akzentsetzung auf Creative Industries gelungen) weiter erfolgreich vorantreiben?
INTERVIEW: ANNA M. DEL MEDICO
Barbara Eibinger-Miedl: Innovation und Kreativität haben in der Steiermark seit langem einen besonderen Stellenwert. Das Land hat dieses Potenzial früh erkannt und 1999 wurde der erste Designstudiengang an der FH JOANNEUM gestartet. Im Jahr 2007 erfolgte mit der Gründung der Creative Industries Styria die Weichenstellung für die strategische Weiterentwicklung dieses wichtigen Wirtschaftszweigs. Die Creative Industries Styria ist das Netzwerk unserer Kreativwirtschaft und trägt dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen Kreativunternehmen und Betrieben aus anderen Branchen voranzutreiben. Neben dem Großraum Graz als kreativem Hotspot gibt es auch reichlich Innovationspotenzial in den Regionen. Das alles hat dazu geführt, dass die steirische Kreativwirtschaft mittlerweile weit über die Grenzen hinaus bekannt ist. Dies verschafft uns einen Wettbewerbsvorteil.
Anna M. Del Medico: Die Kreativwirtschaft gehört zu den am stärksten wachsenden Wirtschaftszweigen weltweit. In den auch im gesamtösterreichischen Vergleich sehr guten Zahlen der Steiermark spiegelt sich diese bemerkenswerte Entwicklung wider. Das Land entwickelt sich zunehmend zu einem dynamischen Raum in diesem Teil der Wirtschaft. Was hat diese Bewegung angestoßen und was macht den Standort Steiermark für die Kreativwirtschaft besonders attraktiv?
Barbara Eibinger-Miedl: Unsere Clusterstrategie, die auch die Creative Industries Styria umfasst, hat wesentlich zum kooperativen Klima in unserem Bundesland beigetragen und den vorherrschenden Innovationsgeist weiter gestärkt. Das Nutzen von Synergien und der Austausch sind von entscheidender Bedeutung, gerade wenn es um Zukunftsthemen geht, etwa Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Design. Die Steiermark setzt auch auf Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg. Die Stadt Graz ist seit 2011 Teil des internationalen UNESCO Creative Cities Netzwerks. Dieses umfasst aktuell 246 Städte, von denen 40 der Disziplin Design angehören. Die Creative Industries Styria fungiert in diesem Zusammenhang als Kompetenzzentrum und als internationale Entwicklungs- und Vernetzungspartnerin. Mit dem Internationalisierungscenter Steiermark (ICS) haben
Anna M. Del Medico: Kreativregionen, und dazu zählt die Steiermark, werden befeuert von einer inspirierenden Mischung aus Tradition, Innovationsgeist, Diskussionskultur, Austausch mit anderen kulturellen Einflüssen und Selbstbewusstsein. Welche Anreize können, aus Ihrer Erfahrung und Perspektive betrachtet, seitens der Politik geschaffen werden, um die Kommunikation zwischen den Regionen innerhalb Österreichs und, wenn wir größer denken, auch europaweit auszuweiten?
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wir eine in dieser Form einzigartige Institution in Österreich, die steirische Unternehmen bei der Erschließung neuer Märkte unterstützt. Meines Erachtens sind unter anderem diese Kooperationen ausschlaggebend, dass unser Bundesland auf etlichen Gebieten eine Vorreiterrolle eingenommen hat. Mit einer Forschungs- und Entwicklungsquote von knapp fünf Prozent zählen wir zu den innovativsten Regionen in Europa. Mir ist wichtig, diese positive Dynamik auch in Zukunft beizubehalten. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur zählt ebenso dazu wie die Qualifizierung oder digitale Transformation in den Unternehmen. Barbara Eibinger-Miedl: Der Steiermark ist es tatsächlich gelungen, sich zu einem High-Tech-Standort zu entwickeln. Die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Auch die Themen Kreativität und Design spielten und spielen dabei eine große Rolle. Heute ist die Kreativwirtschaft ein fixer Teil der steirischen Gesamtwirtschaft und das kann man auch anhand von Zahlen festmachen: In der Steiermark sind derzeit rund 4.800 Kreativunternehmen tätig, die insgesamt 17.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen und einen jährlichen Umsatz von zwei Milliarden Euro erwirtschaften. Die Branche ist in der Steiermark zwischen 2010 und 2018 deutlich stärker gewachsen als im Österreich-Schnitt. So stieg die Zahl der Beschäftigten um 29 Prozent, die Umsätze um 47 Prozent und die Bruttowertschöpfung um 63 Prozent. Die Zahl der steirischen Kreativunternehmen wuchs in diesem Zeitraum um 13 Prozent. Dies alles zeigt, wie wichtig dieser Sektor ist. Wir haben die Kreativwirtschaft zudem als Querschnittsmaterie in der Wirtschaftsstrategie des Landes verankert, weil sie in alle relevanten Bereiche ausstrahlt. Auch in Zukunft wollen wir mit den vielfältigen Angeboten der Creative Industries Styria weiter daran arbeiten, Design in Industrie sowie Handwerk zu etablieren und so mit dieser Vernetzung zum Erfolg der Unternehmen in der Steiermark beitragen.
»Auch in Zukunft wollen wir mit den vielfältigen Angeboten der Creative Industries Styria weiter daran arbeiten, Design in Industrie sowie Handwerk zu etablieren und so mit dieser Vernetzung zum Erfolg der Unternehmen in der Steiermark beitragen.« BARBARA EIBINGER-MIEDL Anna M. Del Medico: Die Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen auf das gesamte Land sind dazu angetan, Menschen resignieren zu lassen oder in einen unproduktiven Zweckoptimismus zu verfallen. Wie gelingt es Ihnen, angesichts dieser Situation zuversichtlich zu bleiben, und welche positiven Signale gibt es für die steirische Wirtschaft?
Barbara Eibinger-Miedl: Ich versuche, auch in schwierigen Situationen immer gelassen zu bleiben und das Positive zu sehen. Die Corona-Krise hat zwar unser aller Leben abrupt geändert und von einem Tag auf den anderen standen wir vor ungeahnten Herausforderungen. Gleichzeitig erleben wir durch die Pandemie aber eine starke Dynamik in vielen Bereichen, etwa in der Digitalisierung. Dieser Schub eröffnet neue Möglichkeiten, zahlreiche Unternehmen konnten etwa mit Onlineshops in der aktuellen COVID-Krise punkten. Die Steiermark als Heimat mutiger Unternehmerinnen und Unternehmer ist übrigens auch in Corona-Zeiten unter den Top 3 bei den Unternehmensgründungen in Österreich. Ebenso positiv ist, dass viele steirische Betriebe zuversichtlich in die Zukunft blicken und Investitionen tätigen, das heißt, sie glauben an den Standort. Ich bin davon überzeugt, dass wir die besten Voraussetzungen haben, 2021 wieder zu wirtschaftlichem Wachstum zurückzukehren. Seitens des Wirtschaftsressorts haben wir dazu ein weiß-grünes Konjunkturprogramm erarbeitet. Wir können mit Zuversicht in die Zukunft sehen.
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WERTE SCHAFFEN UND DABEI DIE WELT VERBESSERN Design lebt davon, ein relativ unbestimmter Begriff zu sein. Beteiligten geht er mühelos über die Lippen, allen anderen auch. Doch selten ist auf Anhieb klar, was tatsächlich gemeint ist, wenn die Rede aufs Design kommt. So eingängig die Vokabel ist, so viele Missverständnisse beschwört sie herauf. Wer meint, Design beträfe eine hübsche Äußerlichkeit, ist in der Regel auf dem Holzweg, doch bleibt dies ein Vorurteil, das kaum auszurotten ist. Das Zauberwort leitet sich vom lateinischen designare ab, also „zeichnen“, „bezeichnen“, „abgrenzen“, „entwerfen“, woraus der prozesshafte Charakter aller Gestalterei deutlich wird. Denn die tatsächliche Gestalt eines Artefakts oder einer Dienstleistung steht bei Design erst am Ende eines iterativen Prozesses, der Alternativen auslotet, erprobt, verwirft, wieder von neuem beginnt und schließlich zu einem Resultat führt.
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TEXT: THOMAS EDELMANN
Zu klären wäre: Worin besteht der Wert von Design? Ist es ein ganz buchstäblicher, in Zahlen ausdrückbarer Wert? Falls ja, entsteht dieser über Umwege? Welche wären das? Braucht ein möglicher Wert, der durch Design entsteht, um zu reifen und sich zu realisieren, Beständigkeit und Dauer? Oder ist er sofort da, digital messbar mit allen ökonomischen Konsequenzen? Kann Design, indem es Unternehmensstrategien langfristig beeinflusst, auch soziale Werte stabilisieren?
Spannende Antworten auf eine Frage
Nach dem Wert von Design fragte ich vier Kreative aus Graz. Bühnenbildnerin Anne nne Marie Schullin-Legenstein realisiert im Traditionsunternehmen ihres Mannes, des Designers und Juweliers Hans Schullin, außergewöhnliche Events, begeistert sich für Beständigkeit und die Freude beim Gebrauch gut gestalteter Dinge. Patrick Haas, der die Kreativagentur En Garde leitet, lässt sich von philosophischen Aspekten bei der Frage nach dem Wert von Design inspirieren. Industrie- und Produktdesigner Johannes Scherr bezieht sich auf die Dauerhaftigkeit nachhaltiger Möbel und den Veränderungswillen der kommenden Designergeneration. Und Michael Ksela, CEO der Marketing- und Technologieagentur Scoop & Spoon, berichtet über die Ansatzpunkte digitaler Ökosysteme, die sein Unternehmen für große, weltweit tätige Unternehmen entwickelt, gestaltet und realisiert. Sie bestehen aus mehreren Apps, Websites und entsprechenden Suchfunktionen. „Design ganzheitlich betrachtet“, sagt er, „formt den Austauschprozess von Unternehmen mit ihren Kunden.“ Für Ksela ist das Zusammenspiel von innen und außen maßgeblich, in Zeiten der Digitalisierung ist damit kein herkömmliches dreidimensionales Produkt gemeint, sondern die durchdachte Verbindung von sichtbarem Front-End und oftmals unterschätztem Back-End. „Sichtbare und unsichtbare Gestaltungselemente“, ist er überzeugt, „vermitteln von exzellenter Systemarchitektur bis zur User Experience emotionale und rationale Werte.“ Während sich in vordigitalen Zeiten Design erst langfristig in Umsatz und Erlös bewerten ließ, wird es in der Epoche des Digitalen sehr wohl messbar. „Wenn Wertschöpfungsketten von Unternehmen beginnen zu kommunizieren, wenn sie designed sind, dann haben sie sehr viele Andockpunkte der Messbarkeit“, resümiert Ksela.
»Wenn Wertschöpfungsketten von Unternehmen beginnen zu kommunizieren, wenn sie designed sind, dann haben sie sehr viele Andockpunkte der Messbarkeit.« MICHAEL KSELA Auch die Systemarchitektur solle in ihrer Ästhetik verstanden werden und designed sein, damit sie mit den sichtbaren Oberflächen zusammenpasse. Zudem müsse man alle Stellgrößen in der Digitalisierung kennen. „Das Innere“, fordert er, müsse man „mit derselben Sorgfalt bauen wie das Äußere.“ Über die Bedeutung von Design kommt dabei kein Zweifel auf: „Messbar und nicht messbar ist Design ein unverzichtbares Instrument, um Marken unverwechselbar und eigenständig auf den internationalen Märkten zu platzieren“, sagt Ksela. Scoop & Spoon hat neben seinem 2005 gegründeten Nukleus in Graz Standorte in Wien, London, Pristina und München. Von der Mode könne man dabei lernen, Werte zu schaffen. Deren digitale Welten führten vor, wie etwa das Beispiel Gucci beweist, dass es sich lohne, „unglaubliche Vorstellungswelten und gesellschaftspolitische Themen ins Design einzubeziehen.“
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Anne Marie Schullin-Legenstein ist Bühnen- und Kostümbildnerin. An bekannten Opern- und Theaterbühnen in Skandinavien, den USA, in Deutschland sowie unter anderem in Linz, Klagenfurt, Wien und Graz schuf sie eindrucksvolle Bilderwelten beachteter Inszenierungen. „Da ist Design eigentlich das falsche Wort“, sagt sie. Bei ihrer Arbeit gehe sie auf die Geschichte ein, überlege sich, „was man erzählen will.“ Dabei folgt sie individuell den Personen der Handlung, abgestimmt mit der Regie. Würde man am Theater das Design des Bühnenbilds hervorheben, würde in der Szene darüber eher die Nase gerümpft. Dennoch sieht sie Parallelen zum Design, das Geschichten und Hintergründe benötigt, um Werte zu schaffen. Sie ist Impulsgeberin im Traditionsunternehmen, das ihr Mann Hans Schullin als Designer und Geschäftsführer leitet. Da kommen Schmuck, Design und Inszenierung zusammen: „Wir haben irgendwann begonnen, mit Veranstaltungen, die wir machen, Geschichten zu erzählen.“ Einmal im Jahr, zum Designmonat Graz, wird die thematisch fokussierte neue Schmuckkollektion präsentiert. In die Gestaltung des zugehörigen Events, der eine Geschichte mit den Schmuckstücken erzähle, „fließt einiges von mir mit ein“, berichtet sie, was für ihren Mann inzwischen selbstverständlich sei, „weil wir es gemeinsam leben.“ Bei Schmuck braucht man über Werte nicht lange zu spekulieren. Sie kommen mit den edlen Materialien, ausgesuchten Steinen und dem Handwerk ins Spiel. Tatsächlich aber kaufen die meisten Schmuck wohl eher aus einem unmittelbaren Impuls, einer Begeisterung für ein bestimmtes Stück denn als kalkulierte Wertanlage.
WERTE SCHAFEN
»Wir haben irgendwann begonnen, mit Veranstaltungen, die wir machen, Geschichten zu erzählen.« ANNA MARIE SCHULLIN-LEGENSTEIN
UND DABEI DIE WELT VERBESSERN
Portfolio, deren internes Motto lautet: „Alle unsere Produkte kann man in den Wald stellen und sie werden wieder zu dem, was sie waren.“ Bei komplexen Produkten habe das „Challengen“ der Kunden im ganzen Prozess ebenfalls längst begonnen. Wie Paul Watzlawick feststellte, dass man „nicht nicht kommunizieren“ könne, so sagt Scherr: „Gutes Design kann nicht mehr nicht-nachhaltig sein!“ Noch etwas mehr Weltverbesserung gefällig? Patrick Haas, Geschäftsführer der Agentur En Garde, ist spezialisiert auf „Dinge, die etwas mit dir machen“, wozu im ersten Lockdown die Pro-Bono-Kampagne #stayhappystayhealthy gehörte. Design, sagt er, habe keinen absoluten Wert. Der Wert von Dingen sei schließlich immer relativ. „Aber das, was Design bewerkstelligen kann, kann von großem Wert sein. Und zwar für die ganze Welt.“
»Aber das, was Design bewerkstelligen kann, kann von großem Wert sein. Und zwar für die ganze Welt.« PATRICK HA AS Entsprechend interessiere ihn, so Haas, die Kraft von Design, das er immer nur „als Manifestation, Verkörperung bzw. Form-Werdung von Ideen, Gedanken oder Visionen“ verstehe. Als Erfolgsvorbild sieht er Elon Musk und Tesla. Durch das visionäre Design seiner Autos (sind es überhaupt noch welche?) bringe Musk „die ganze Welt nachhaltig zum Umdenken“ und mache so „unseren Planeten zu einem gesünderen und besseren Ort.“ Ob b Inszenierung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder die Form-Wer Form-Werdung von Ideen: Kreative, die mit ihren Ideen am Besseren arbeiten, finden nden sich auch in Graz, der UNESCO City of Design.
Mit Anne Marie Schullin-Legenstein kann man gut und ausführlich über Dinge reden, die man landläufig für designed hält, vom PhilippStarck-Kunststoff-Stuhl und von Starcks Zitronenpresse, die besser ist als ihr Ruf. Dinge, die gut gestaltet sind, könne man, stellt sie fest, auch nach Jahren wieder hervorholen. Im Gebrauch bieten sie ihre Geschichte dar oder inzwischen vielleicht auch eine ganz andere? Die Zeit, da Designer vorbehaltlos Unternehmensstrategien als Erfüllungsgehilfen folgten, scheint vorbei. Dass sich Unternehmen vom Design in ihren Strategien beeinflussen lassen, ist noch nicht lange so. Inzwischen habe sich die Situation geändert, sagt Designer Johannes Scherr: „Wir DesignerInnen haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Welt gemeinsam mit den Unternehmen ein Stück zu verbessern. Wir dürfen challengen!“
»Wir Designer und Designerinnen haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Welt gemeinsam mit den Unternehmen ein Stück zu verbessern. Wir dürfen challengen!« JOHANNES SCHERR In einigen Branchen gelinge das leichter, in einigen schwerer. Dank Initiativen wie „Fridays for Future“ sei das Thema endlich in der Breite angekommen. „Und das ist gut so“, meint Scherr. Als Lehrender an verschiedenen Ausbildungsstätten erlebt er zudem, dass da „eine großartige Generation an DesignerInnen heranwächst“, nicht nur versuche, sie nachhaltig zu gestalten, „zugleich sehen sie biologische und technische Kreisläufe als Basis für ihre Arbeiten.“ Nicht jede und jeder hat einen „Vorzeige-Kunden“ wie Grüne Erde im
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DESIGN - POSE ODER HALTUNG? Zukunft gestalten, damit sie stattfindet, so könnte die aktuelle Beschwörungsformel lauten. Sie richtet sich an Designschaffende, die sich ihrer Verantwortung in Bezug auf Weltgestaltung bewusst sind und ihren Teil beitragen wollen. Verbesserungen in der Gestaltung der praktischen Realität sind unverzichtbar, damit diese Welt ein lebenswerter Ort bleiben kann – und zwar für alle, nicht nur für ein privilegiertes Häufchen von Erdenbürgern, das zufällig in geografisch begünstigten Gegenden angesiedelt ist. Mehr denn je wird Design in herausfordernden Krisenzeiten auf seine funktionalen und sozialen Aspekte hin beobachtet. Jedenfalls, wenn man Design so versteht, dass das gestaltete Produkt nicht nur der Behübschung dient, sondern auch der Gemeinschaft zugutekommt – ein wiederkehrender Gedanke, egal ob in japanischer Handwerkstradition, Arts & Crafts oder Bauhaus. Kreative Köpfe stellen sich den drängenden Fragen: Welche Veränderungen sind notwendig? Wie können wir die Welt lebenswert erhalten? Welches Mindset wird es uns ermöglichen zu überleben?
Wir haben innerhalb der steirischen Designszene nachgefragt, wie das Verhältnis von innen und außen ist, genauer: ob Design nicht vielleicht nur als coole Pose dient und gar keinen inneren Werten entspricht. Die Fragestellungen beziehen spezifische Themen der einzelnen Designer und Designerinnen mit ein, spannen aber auch einen großen Bogen über die Erforschung der inneren Haltung, die dem kreativen Schaffen zugrunde liegt.
TEXT: SUSANNE K ARR
Eine Expedition zu den gestalterischen Beweggründen 26
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DESIGN
Dynamik und Achtsamkeit zeichnen Susanne Meininger, Meininger Geschäftsführerin des international mehrfach ausgezeichneten VPZ (Verpackungszentrum) Graz, als Protagonistin für innovatives, nachhaltiges Design aus. Hier werden neue ökologische Schwerpunkte in der Produktentwicklung gesetzt und zahlreiche Innovationen im Bereich biogener Alternativen zu Plastik entwickelt: Die Verpackungen kommen mit lässigem Understatement daher und werfen die Frage auf, warum nicht nur noch und ausschließlich diese Materialien zugelassen werden – aus natürlichen Rohstoffen, recyclebar und exzellent designed. Da gibt es Schaumstoff aus Algen, Folien aus Pflanzen und Netze aus Buchenholz. „Wir verbinden Qualität und Ökologie und machen daraus Innovationen“, heißt es auf der Website.
VPZ - Verpackungszentrum Graz
Susanne Meininger: Die Auswirkungen der Plastikflut sind überall, aber vor allem in der vormals unberührten Natur stark wahrzunehmen. Ich bevorzuge einen naturnahen Lebensstil. Er gibt Freiraum für Wahrnehmung, neue Ideen, alternative Konzepte. Wir beweisen, dass es Alternativen gibt, und setzen neue Maßstäbe. Unser Ansatz entspringt nicht primär einem wirtschaftlichen Kalkül, sondern persönlicher Überzeugung, dass es notwendig und möglich ist, die weitere globale Entwicklung mitzugestalten und qualitativ zu beeinflussen. Unser Credo haben wir so formuliert: „Wir wollen Sandburgen statt Müllberge und statt fliegender Plastiksäcke fröhliche Vögel
POSE ODER HALTUNG? Susanne Karr: „Let’s make the world a better place“, hieß es beim 4. Austrian World Summit, an dem Sie letztes Jahr teilgenommen haben. Dabei spielt die Vernetzung von Potenzialen eine große Rolle – sind Sie Netzwerkerin?
Susanne Karr: Welcher Impuls stand am Anfang des VPZ?
am Himmel sehen und in unserem modernen Lebensstil ökologische Errungenschaften feiern. Die 30.000 Tonnen Kunststoffnetze, die in Europa jährlich zum Einsatz kommen, sollten Konkurrenz bekommen, noch besser zur Gänze ersetzt werden.“ Susanne Meininger: Die Vorteile der globalen Vernetzung sollten in Zukunft unbedingt verstärkt mit regionalen Möglichkeiten verbunden werden. Es ist entscheidend, dort die Schwerpunkte zu setzen und zu agieren, wo der Rohstoff anfällt, Arbeitnehmer-Know-how vorhanden ist, europäische Wertschöpfungsketten aufgebaut werden können, Forschungsinstitutionen sitzen, wie die TU Graz, das IFA Tulln, das Institut für Textilchemie und Textilphysik der Uni Innsbruck in Dornbirn. Unser Rohstofflieferant, die Lenzing AG – Weltmarktführer ökologischer Cellulosefaserproduktion – sitzt in Oberösterreich in der Nähe des Attersees. Den Verschluss unseres Packnatur® Pick Pack Mehrwegbeutels erzeugt eine Salzburger Drechslerei im Gasteinertal. Mit einem ehemaligen Verbandsmaterialproduzenten aus Thüringen haben wir begonnen, unsere Packnatur® Netzschläuche zu entwickeln, weil dort noch Maschinen zur Verarbeitung von Naturfasern vorhanden waren. Wir haben die Produktion 2019 um unsere eigene Packnatur®-Fabrik erweitert und als Bekenntnis zur steirischen Wirtschaft in Neudau in der Oststeiermark angesiedelt. MitarbeiterInnen aus der geschlossenen Garnfabrik Borckenstein konnten wir damit eine neue Perspektive geben und wir profitieren von deren Kenntnissen. Regionalität spielt in unserer Philosophie eine elementare Rolle. Gleichzeitig sind wir global sehr vernetzt und verbinden unsere Arbeit mit kultureller Diversität. Wir kooperieren mit Partnern aus Spanien, Kanada, Neuseeland, Australien, Großbritannien ... Unsere Buntheit macht uns aus und das gemeinsame Ziel, unseren Planeten zu schützen, unsere Umwelt intakt zu halten.
»Unser Ansatz entspringt nicht primär einem wirtschaftlichen Kalkül, sondern persönlicher Überzeugung, dass es notwendig und möglich ist, die weitere globale Entwicklung mitzugestalten und qualitativ zu beeinflussen!« SUSANNE MEININGER Susanne Meininger: Meine Schwester Bettina Reichl ist Modedesignerin und im Unternehmen für die Bereiche Design, F&E und Kommunikation verantwortlich. Das hat sicher dazu beigetragen, unsere Kompetenz im Bereich „Textile Verpackungen“ zu stärken. Sie steht in stetigem Austausch mit WissenschaftlerInnen in diversen Forschungsprojekten des VPZ. Mit ungewöhnlichen Marketingansätzen, Events und Kooperationen mit Kunst und Kultur schärft sie unser Profil als kreatives Unternehmen.
© MARIJA KANIŽAJ
Susanne Karr: Wie verbinden Sie ästhetische und ökologische Ansprüche mit Innovation?
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Susanne Karr: Die Frage nach Pose und Haltung im Bereich Design ist aus einer philosophisch angehauchten Perspektive extrem interessant. Pose ist zu verstehen als oberflächliches Vorschützen eines inneren Antriebs, im Gegensatz zu einem echten Dahinterstehen und einer tatsächlich fundierten Haltung, die mit authentischer Gelassenheit einhergeht. Wie gelangt man zu so einer inneren Haltung?
Die Kombination aus Branding, Positionierung und Produktentwicklung gehört zum Erfolgskonzept der Agentur Raunigg & Partner Development, deren Portfolio von Kreation bis zu Vermarktung und Consulting reicht. Die erfolgreichsten eigenen Produkte von RNPD sind im Tableware-Bereich der Getränkekühler Mandahorn® Celsius sowie der Kernölhut und die Steirerkeks der Eigenmarke Ölbaron®, die extravaganteste Erfindung mit Sicherheit das Mäusehotel, eine absolute Innovation gegenüber dem Konzept der Falle. RNPD unterstützt aber primär Klienten dabei, auf die Seele des Unternehmens und die Werte der eigenen Marke zu fokussieren. Philipp Raunigg verrät uns mehr über den Ansatz. Philipp Raunigg: Wir entwickeln Design in starker Zusammenarbeit mit unseren Klienten. Wir sind der Meinung, dass es kontraproduktiv ist, seinen Auftraggebern und deren Marken ein Design oder einen Charakter überzustülpen. Wir haben dazu eine eigene Methode entwickelt, die das Wesen herausarbeitet, die Authentizität erhält und moderne Aspekte von Kommunikation und Design integriert.
Raunigg & Partner Development
Wir analysieren, bevor wir etwas tun, erheben damit die Ist-Situation sowie die Notwendigkeit von Maßnahmen und beweisen am Ende die Richtigkeit der gewählten Maßnahmen zur Verbesserung Ihres Geschäftsgangs als Auftraggeber.
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POSE ODER HALTUNG?
Susanne Karr: Das Herausarbeiten einer signifikanten Designsprache in Kooperation mit Ihren Klienten gehört zum Erfolg Ihrer Agentur. Wie finden Sie den Weg zur jeweilig eigenen Sprache? Hat dies mit einer bestimmten Haltung zu tun, mit der Sie den anderen begegnen?
Unsere Klienten sind sehr glücklich, wenn sie erkennen, dass wir nicht aktuelle Trends verwerten, sondern ihnen ein eigenes Designerkleid schneidern, mit dem sie sehr lange Freude und Erfolg haben. Unsere Entwicklungen landen nicht im Folgejahr in der Mottenkiste. Philipp Raunigg: Zu solch einer Haltung gelangt man durch Erfahrung und Reife! Designer und Kreative sind zum großen Teil von Eitelkeit geprägt. Wir haben unsere Eitelkeit abgelegt und nehmen Meinungen unserer Klienten in jeder Phase ernst. Auch wenn es manchmal hart ist. Wir sind aber nicht auf der Welt, um zu bekehren, sondern um zu überzeugen.
»Designer und Kreative sind zum großen Teil von Eitelkeit geprägt. Wir haben unsere Eitelkeit abgelegt und nehmen Meinungen unserer Klienten in jeder Phase ernst. Auch wenn es manchmal hart ist. Wir sind aber nicht auf der Welt, um zu bekehren, sondern um zu überzeugen.« PHILIPP RAUNIGG Susanne Karr: Wie ergibt sich eine individuelle Ästhetik? Muss sie im Zusammenhang mit den Inhalten stehen oder kann man sie von außen hinzufügen?
Philipp Raunigg: Natürlich kann auch ein Hinzufügen von außen funktionieren. Wenn beide Seiten – Designer und Kunde – oberflächlich sind, dann wird sich das automatisch so ergeben. Dann ist es auch richtig für beide. Für uns ist das ein wenig wie Lotto spielen. Unternehmen und Designer, die am Markt reüssieren wollen, werden einen anderen Weg wählen.
Susanne Karr: Hat Pose bzw. Haltung in Bezug auf Design auch Auswirkungen auf Materialien?
Philipp Raunigg: Selbstverständlich. Allerdings brauchen wir uns auch nichts vorzumachen. Wunsch und Realität können in Zeiten wie diesen nicht immer übereinstimmen. Nachhaltigkeit wiederum beginnt bereits dort, wofür man seine Gedanken verschwendet.
© RNPD.COM
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Das beste Produkt nützt allerdings niemandem, wenn es nicht auffällt und begeistert. Sichtbarkeit hat in unserer täglichen Informationsfülle höchste Priorität. Und damit mehr als eine Sekunde Aufmerksamkeit übrig bleibt, sind außergewöhnliche Messages – ob in Worten, Bildern oder Video – gefragt.
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Gutes Design besticht durch innere und äußere Werte. Es ist ästhetisch ansprechend, praxistauglich und aus umweltfreundlichen, stabilen Materialien gefertigt. Jede Tonne Abfall deutet im Prinzip auf schlechtes Design hin. Innovative Geister sind also gefragt, um von einem Ist-Zustand in eine bessere Zukunft zu gelangen. Als Gestalter steht man quasi in der ersten Reihe der Innovatoren, wenn es darum geht, darzustellen, wer man „morgen“ sein will, welche Visionen und welches Entwicklungspotenzial Design bereitstellt. Dabei geht es weniger darum, was, sondern wie etwas entworfen und umgesetzt wird. Der vielfach ausgezeichnete Designer Thomas Feichtner Feichtner, Gründer des Studios Thomas Feichtner (www.thomasfeichtner.com) und Leiter des Studiengangs Industrial Design an der FH JOANNEUM, teilt seine Reflexionen.
POSE ODER HALTUNG? Susanne Karr: Wie ergibt sich eine individuelle Ästhetik? Muss sie im Zusammenhang mit den Inhalten stehen oder kann man sie von außen hinzufügen?
Thomas Feichtner: Ich verstehe Design nicht als nüchterne Dienstleistung in einer Wertschöpfungskette, sondern als die Suche nach Alternativen, nach Autonomie und Identität. Autorenschaft ist dabei nichts Abwegiges, solange sie nicht Selbstzweck ist. Es ist ein Stück weit persönlicher Zugang und Verantwortung.
Susanne Karr: Wie findet man inmitten unterschiedlicher Projekte den Weg zu einer authentischen Design-Sprache? Hat dies mit einer bestimmten Haltung zu tun?
Thomas Feichtner: Gerade in der Frage „Pose oder Haltung“ dürfen wir da nicht übermoralisieren. Es braucht auch ein bisschen Pose, um eine Haltung einnehmen zu können. Kein Thema, natürlich ist Design keine Pose, sondern Haltung, eine Lebenseinstellung, Gegenstände und Prozesse grundsätzlich zu hinterfragen. Gerade die Komplexität sozialer und ökologischer Veränderungen verpflichten Designerinnen und Designer, interdisziplinär zu denken, kritisch zu reflektieren und mutig zu interagieren. Soziale und ökologische Nachhaltigkeit sind dabei die Kernaufgaben der Zukunft.
Susanne Karr: Der Ausdruck Pose beschreibt eine oberflächliche, reine Darstellung, keine gelebte Überzeugung. Im Gegensatz zu einem echten Dahinterstehen, sozusagen, das Teil einer wirklichen Haltung ist: Sie geht sogar mit einer gewissen Würde in der Art und Weise des Arbeitens einher.
Was wären die großen Meilensteine in Architektur und Design ohne Pose gewesen? Es braucht beides, denn Design kann überraschend, raffiniert und geistreich sein und dazu anstiften. Thomas Feichtner: Ästhetik wird nicht nachträglich beigefügt wie der Neuanstrich eines Hauses. Sie entsteht aus dem Designprozess von innen heraus. Im Entwurf, aus der Logik der Konstruktion oder vielleicht auch aus der Geschichte eines Produktes heraus. Das Wort „Ästhetik” ist ja schon fast in Verruf gekommen. Begriffe wie Schönheit und Style, undenkbar. Und dennoch können wir uns dem nicht entziehen. Nicht selten ist das Bestreben der Designerinnen und Designer, Gegenstände zeitlos zu gestalten. In meinen Augen eine Utopie. Historisch gesehen hat Design immer auch den Zeitgeist reflektiert. Selbst die nüchterne und reduzierte Designsprache der Guten Form der 1950er Jahre war damals Zeitgeist.
»Es braucht auch Pose, um Haltung zu kommunizieren! Was wären die großen Meilensteine in Architektur und Design ohne Pose gewesen? Es braucht beides, denn Design kann überraschend, raffiniert und geistreich sein und dazu anstiften.« THOMAS FEICHTNER Susanne Karr: Hat Pose bzw. Haltung in Bezug auf Design auch Auswirkungen auf Materialien?
Thomas Feichtner: Ja. Manche Materialien sind in Verruf gekommen. Andere erleben einen Hype. Nicht immer ist alles nachvollziehbar. Nachhaltigkeit ist nicht nur eine Frage der Materialwahl, sondern wie mit Materialien umgegangen wird. Kreislaufwirtschaft und Circular Design sind dabei ebenso wichtig wie das Thema der sozialen Nachhaltigkeit. Wer macht ein Produkt und wo? Wie wird es transportiert und wie lange benutzt? Was passiert damit, wenn es nicht mehr gebraucht wird usw.? Design ist komplexer geworden und kann nicht auf Funktion und Usability reduziert werden.
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© STUDIO THOMAS FEICHTNER
Studio Thomas Feichtner
Wir kennen das und es ist richtig so. Doch wir dürfen das Thema der Nachhaltigkeit nicht übermoralisieren, sondern sollten es mit Leben erfüllen. Wo bleibt da die Pose? Was wäre, wenn die Pose zu Unrecht nur auf das Oberflächliche und die Haltung zu sehr auf Wahrheit und Moral reduziert wäre? Ist die Pose nicht auch der Spaß und die Freude an Design? Die Frage nach Pose oder Haltung schließt sich nicht gege genseitig aus. Es braucht auch Pose, um Haltung zu kommunizieren!
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Innovatives Design betrifft Optimierung auf mehreren Ebenen: erstens das geistige Level, um sich vom Status quo zu lösen, wenn Verbesserungen gefordert sind; zweitens die materielle Ebene des bestgeeigneten Werkstoffes, um Ressourcen effizienter zu nutzen. Rainer Mutsch lässt sich von der technischen Seite des Designprozesses und seiner Experimentierfreude bezüglich Materialwahl inspirieren. Als wesentlich bezeichnet er die Übertragung der Energie und der Emotionen auf das Werkstück, an dem man arbeitet. Darin kann man die Essenz seiner kreativen Arbeit sehen. Direkte Alltagsnähe zu seinen Objekten zu leben, bevor er sie in die Welt entlässt, gehört zum Designprozess.
Rainer Mutsch: Das Produkt soll eine Geschichte über das Material erzählen. Design als Aufhübschung hat überhaupt keinen Sinn. Das Objekt enthält seine gesamte Entstehungsgeschichte: Wie ist es entstanden, was kann es besonders gut, was sind die Limits? Daraus ergeben sich ästhetische Konsequenzen. Zum Beispiel wie bei Orchid, der Herstellung einer modularen Leuchte für den italienischen Hersteller Axolight. Hier gingen wir nicht vom Material aus, sondern entwickelten ein Baukastensystem, Grundlage war die Idee, eine multidirektionale Leuchte zu schaffen. Die Forderung des Prinzips Modularität ist Grundlage für serielle Produktion. Wir haben also mehrere zusammensetzbare Teile aus Alu-Druckguss entwickelt. Primär war hier für die Formgebung: Welche Kollektion lässt sich aus dem Baukastensystem entwickeln?
Rainer Mutsch: Es entsteht tatsächlich eine Art von Würde in der Art zu arbeiten, weil wir versuchen, das Grundmanifesto des Büros zu befolgen: Jedes Produkt soll evolutionären Fortschritt bringen. Design muss aus meiner Sicht die Frage stellen: In welcher Weise hilft das Produkt den Menschen? Darauf kann es unterschiedliche Antworten geben. Etwa, dass ein Produkt aufgrund von Innovations-
Susanne Karr: Die Überlegungen zu Pose und Haltung im Designbereich spiegeln ein wenig das Misstrauen, das teilweise immer noch gegenüber Design besteht – die althergebrachte Konnotation, Design sei teuer und unpraktisch und mache nur optisch was her. In Ihrem Designprozess steckt eher gelebte Überzeugung, wenn Sie die Objekte auf Ihre Alltagstauglichkeit hin überprüfen. Sie stehen dafür ein, dass die Designs reif für die Welt sind, bevor Sie sie entlassen. Das hat etwas von echter Würde. Wie gelangt man zu so einer inneren Haltung?
»Wenn man also als Designer den Anspruch hat, dass in jedem Produkt Innovation stecken muss, stellt sich automatisch die Frage danach, welches Material am besten geeignet ist.« RAINER MUTSCH Rainer Mutsch: Eine grundlegende Frage ist immer: Welches MaMa terial ist produktionstechnologisch geeignet? Wählt man Eternit oder der Keramik? Es ergeben sich dabei andere Formen und FunktioFunktio nen als etwa bei Spritzaluminium. Bei dieser Entscheidung geht es ja a nicht um die Herstellung eines „one-off“, sondern um ein ProPro dukt, das möglicherweise – wenn es sich bewährt – sehr oft angeange fertigt wird. Wenn man also als Designer den Anspruch hat, dass in jedem dem Produkt Innovation stecken muss, stellt sich automatisch die Frage danach, welches Material am besten geeignet ist. GeGe rade was Nachhaltigkeit betrifft, kann man sagen: Das Optimum ist st erreicht, wenn alle Punkte mit einem Produkt erfüllt werden – Abstimmung von Material- und Produktionsmethode, Kontext zu Funktion und zeitloses Design.
Susanne Karr: Spielen innere Einstellung und Haltung eine Rolle bezüglich der Materialwahl?
© STUDIO RAINER MUTSCH
Susanne Karr: Das Herausarbeiten einer signifikanten Designsprache, emotional aufgeladen und angemessen an human scale, steht im Mittelpunkt Ihrer Arbeit. Sie „werden“ sozusagen das Objekt. Wie finden Sie den Weg zu dieser spezifischen Sprache? Hat dies damit zu tun, wie Sie den anderen begegnen?
Studio Rainer Mutsch
technologie ressourcenschonend hergestellt werden kann; oder es stellt eine Beleuchtungsinnovation dar; oder es stellt Monomaterial mit besonderer Herstellungsweise bereit.
Susanne Karr: Wie ergibt sich eine individuelle Ästhetik? Muss sie im Zusammenhang mit den Inhalten stehen oder kann man sie von außen hinzufügen?
Rainer Mutsch: Die jeweilige Formgebung entwickelt sich erst nach der Funktionalität, und sie hängt auch mit der Produktionstechnologie zusammen. Das heißt also, Form steht immer im Kontext. Etwa beim Werkstoff Eternit – eines unserer Core-Materialien! Es hat Jahre gedauert, die spezifischen Eigenschaften so gut kennenzulernen, zu wissen: Es ist nicht jede Form herstellbar. Man muss die Limits kennen, dann ist Gestaltbarkeit möglich. Aus der Prozesshaftigkeit entsteht ein Zusammenhang.
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Selbstverständlich kann ein Text zum Thema Design ohne Fokussierung auf die direkten, am eigenen Leib erfahrbaren Benefits von ästhetischen Werten unmöglich funktionieren. Das ist ja gerade die Herausforderung an gutes Design: dass es gutes Aussehen unterstützen, gleichzeitig noch anderes können muss. Seit Ewigkeiten trägt nicht nur die lebensnotwendige Sehhilfe, bekannt als Brille, zur Alltagsbewältigung bei. Auch das für viele unverzichtbare Accessoire Sonnenbrille bestimmt zu einem erheblichen Teil eine coole Erscheinung. In der Steiermark liegen die Ursprünge des internationalen Top-Brillenherstellers Andy Wolf. Andy Pirkheim, Pirkheim CEO, Co-Founder & Namensgeber gab uns einige Insights über die inneren Werte des Erfolgsunternehmens. Andy Pirkheim: Eine klare Haltung! Der damalige Trend in der Brillenindustrie war, die komplette Produktion nach Asien zu verlegen, um möglichst billig Massenprodukte herzustellen. Unsere Vision, lokal zu produzieren, klingt heute nach einer neuen, frischen Idee, war aber schon 2006 der Grundstein für unsere Herzensmarke. Jede ANDY WOLF Brille, ob Sonnenbrille oder optische Fassung, wird mit viel Erfahrung und Herzblut von Hand gefertigt. Und das von Anfang an, und durch und durch lokal in den eigenen zwei Manufakturen in Hartberg in Österreich und im Jura in Frankreich. Viele Brillenteile,
Susanne Karr: Andy Wolf startete mit der Vision, lokales traditionelles Brillenhandwerk mit innovativem zeitgenössischem Design zu verbinden. Welche Haltung steckt hinter diesem Ansatz?
und seien sie noch so klein, produzieren wir möglichst selbst und kaufen sie sonst ausschließlich in Europa zu. Mit der Produktion ums Eck können wir auch die makellose Qualität garantieren, und das spürt und fühlt man in jedem unserer Schmuckstücke.
Susanne Karr: Der gesamte Prozess, vom Entwurf bis zum Design, und die gesamte Fertigung, vom Fräsen, Formen, Schleifen bis zur Auslieferung, erfolgen bei Andy Wolf. Die Firma hat trotz internationalen Erfolges ihren Sitz in Hartberg. Gehört dieser Ort zum kreativen Potenzial?
Andy Pirkheim: Gutes zu tun braucht Leidenschaft und Erfahrung, und davon steckt viel in Hartberg. Die Menschen hinter ANDY WOLF (und zwar alle!) sind mit viel Herzblut mit der Marke verbunden. Das sieht und spürt man in jeder Brille und jedem Tun an jedem Tag – wir sind eine große ANDY WOLF Familie und das macht uns stolz.
Susanne Karr: Zu einer authentischen Haltung in Bezug auf Fertigung und Nachhaltigkeit gehört die Nachvollziehbarkeit, woher Materialien stammen, wie es den Menschen geht, die im Fertigungsprozess mitwirken, und welche Auswirkungen die Produktion auf die Umwelt hat. Sehen Sie diese Punkte als Erfolgsfaktoren?
Andy Pirkheim: Wir leben diese Werte seit unserer Gründung 2006. Was am Anfang auf Unkenntnis und Unverständnis gestoßen ist, hat sich über die Jahre zu starken Erfolgsfaktoren entwickelt. Die Kunden treffen bewusster Entscheidungen. ANDY WOLF ist viel mehr ANDY WOLF EYEWEAR als Brillen, wir sind direkt, ehrlich, transparent. Das wissen unsere Kunden sehr zu schätzen.
Susanne Karr: Die Bienen – Ihre kleinsten Beschäftigen – , die sich dank Wildblumenwiese zahlreich anan gesiedelt haben, sind Mitglieder der Wertschöpfungskette. Gehört für Sie die Bewahrung der Umwelt mit zum gelungenen Designprozess?
Andy Pirkheim: Wir sehen immer das große Ganze, und dazu zählt natürlich auch der Umweltschutz. Wir hüten und sorgen uns im Kleinen wie im Großen, um unsere Bienen genauso wie um unsere (inzwischen) 150 Mitarbeiter. Unsere Produkte, obgleich Fashion, sind hochwertig verarbeitet und daher langlebig und über Generationen tragbar. Übriggebliebenes Material verarbeiten wir zu Schmuck, wir suchen beständig nach neuen, nachhaltige(re)n Materialien und verver suchen, unsere Prozesse zu optimieren. Für uns ist ganz klar: Mit vievie len kleinen und größeren Ideen kann ein jeder etwas bewirken.
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© ALEXANDER GEBETSREUTHER
Andy Wolf Eyewear
»Unsere Vision, lokal zu produzieren, klingt heute nach einer neuen, frischen Idee, war aber schon 2006 der Grundstein für unsere Herzensmarke.« ANDY PIRKHEIM
POSE ODER HALTUNG?
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DESIGN UND KOMMUNIKATION Diese Frage hat ebenso viele Facetten, wie unsere Branche generell zunehmend hinterfragt wird. Zu Recht!
KOMMENTAR: MANFRED ZECHMANN
Kommunizieren wir wirklich noch mit den Menschen? 38
RÜCKBLENDE
Nach fast 30 Jahren Werbung erinnere ich mich noch an die ersten Jahre in Wien. Als Layouts noch von Hand geklebt wurden. Damals sind komplette Kampagnen oftmals in Form von Scribbles auf Pappe gepickt beim Kunden gelandet. War es die BIG IDEA, erkannte das der Kunde auch ohne aufwändige Technik-Shows und Werbesprech. Zeiten, als die Werbekanäle überschaubar, die Werbung selbst aber mehr RELEVANZ hatte.
ZEITSPRUNG
Als ich bei Ogilvy & Mather in NYC begonnen habe, sagte mir David Ogilvy in unserem Einstellungsgespräch „If you’re going to be following the latest trends, then you’ve come to the wrong place. Go out to eat at an immigrant pub, sit in the crowd for a football game, or ride the subway for a day and listen to people.“
STATUS QUO
Schon Werbepioniere wie Henry Ford wussten, wie man potenzielle Kunden erreicht. Anzeigen, TV, Radio, Flyer, Plakate, Probefahrten – damit war das Instrumentarium jedoch weitgehend erschöpft. Inzwischen ist Aufmerksamkeit zu einer der bedeutendsten Währungen in unserer digitalisierten Welt geworden. Während jedoch unsere kognitive Aufnahmefähigkeit nur geringfügig erweiterbar ist, explodiert die Anzahl der Screens und Informationen um uns. Ein „Information overkill“ und die Werbung buhlt in einem zunehmend komplexen Umfeld um ihr seltenstes Gut. Man macht sich neue Technologien zunutze, kommuniziert über immer mehr Plattformen und hofft in dieser Ökonomie der Aufmerksamkeit neben der Wahrscheinlichkeit auch die Qualität eines Kontakts steigern zu können. Zeitgleich stehen wir vor einer extremen Zersplitterung der Kanäle und einem unüberschaubaren Feld an Werbeplätzen. Vormals monolithische TV-Sender gründen Spartenkanäle und reichweitenstarke Print-Titel spalten sich auf in neue Spezialtitel. TV oder Product Placement? Anzeigen oder PR-Artikel? Influencer oder Blogger vor den Karren spannen und auf einen Viralkracher hoffen? Noch nie gab es eine solche Vielfalt an Möglichkeiten für Reklame. Mono-Kampagnen sind in ihrer Wirkung freilich deutlich weniger wirksam als transmediale Kampagnen. Mit einem TV-Spot erreicht man innerhalb nur eines Tages rund die Hälfte der Bevölkerung, während man mit Online-Videos durchschnittlich 50 Tage benötigt und mit einem weiteren Problem konfrontiert ist: Rund 8 Prozent der User, die sich Online-Videos ansehen, sind für durchschnittlich 66 Prozent der Reichweite verantwortlich (Quelle: statista.com). Aber was ist mit den restlichen 92 Prozent? Dazu die Vorsitzende der Organisation Werbungtreibende im Markenverband OWM, der mit rund 100 Unternehmen für ein Drittel der Werbeausgaben mit mehr als 7 Milliarden Euro in Deutschland steht: „Wir kämpfen mit der Komplexität (…) Wir müssen mehr darüber wissen, wie welcher Kanal wirkt im Media-Mix. Doch diese Wirkung ist bislang nicht ausreichend nachweisbar (…).“ Was nichts anderes bedeutet als: Die Fehlerquote steigt. Denn auch das anfängliche Versprechen, dass Online-Werbung die Streuverluste minimiere, weil sie punktgenau wirklich Interessierte erreiche, verliert an Glaubwürdigkeit. Marketingverantwortliche müssen sich bisweilen fühlen wie bei einer Treibjagd. Denn substanziell hat sich im Grunde genommen nichts bewegt.
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BACK TO (ONLINE) EARTH
Der Konsens – die KMUs sollen digitalisiert werden, der Mittelstand müsse digitalisiert werden und alle Unternehmen sollten digitalisiert werden – hat zu einer absurden Reglementierungswut geführt. In Erwartung der unendlich erscheinenden Weiten des Internets wurde der Werbeindustrie und „zum Schutze des Verbrauchers“ (…) seitens der EU eine neue Errungenschaft beschert: die DSGVO. Unterm Strich ein massiver Wettbewerbsnachteil für alle europäischen Unternehmen, allen vor voran für den Mittelstand und Start-ups. Das Resultat: deutlich weniger User, eine Marketing-Automation ist kaum noch möglich, höhere Ad-Kosten und damit entsprechende Umsatzeinbußen. Was sich dahinter verbirgt, ist nicht weniger als der Erguss geistloser Kontrollfreaks. Ein Verbot war freilich immer schon der Porno des Beamten. Auch in diesem Fall war diesen Entscheidern nicht gegenwärtig, was für ein immenser Schaden damit angerichtet wird. Die nackten Kaiser täuschen Überlegenheit vor. Die Frage ist, wie lange die Leistungsfähigkeit der Unternehmen diese Impotenz noch überdecken kann. Ein entsprechender Aufschrei seitens der Werbeindustrie dagegen? Fehlanzeige.
DESIGN UND
KOMMUNIKATION
Werbewelt vorgeführt hat, ohne eine Agentur beauftragt zu haben. Angesichts dieses Erfolgs – politisch wie kommunikativ – sollte uns der Schrecken darüber tief genug sitzen, um die Hintergründe nachhaltig zu thematisieren. Für mich jedenfalls ein Indiz dafür, dass wir in unserer Blase den Bezug zur Realität der Menschen verloren haben. Zu ihren Bedürfnissen, Wünschen und Sorgen. Wenn ich in einer Jury für einen Werbepreis sitze, denke ich mir allzu oft: „Nicht schon wieder etwas mit Kindern oder Hunden. Nicht schon wieder diese Stereotypen.“ Anstatt uns auf unser Bauchgefühl zu verlassen, verstecken wir uns hinter ohnehin wenig aussagekräftigen Umfragen und Tests: Weil wir ZU FEIGE sind, die gewohnten Wege zu verlassen. Die Mehrzahl der TV-Spots und Kampagnen (vor allem in DE und AT) ist ganz einfach SCHEISSE: klischeehaft, uninspiriert und langweilig. Und damit pervertieren wir auch den eigentlichen Zweck dieser Kreativwettbewerbe. Wie in der Politik: Wo einmal eine visionäre Kraft war, ist nur mehr Selbstgefälligkeit, herrscht Kleinmut und regieren Erbsenzähler. Natürlich haben wir das Problem eines übersättigten Marktes und singuläre Produktnutzen sind kaum noch zu finden. Es muss uns aber wieder gelingen, die Menschen emotional zu bewegen und glaubwürdige Nutzen darzustellen, ohne gleich aus jeder Marke ein Lifestyle-Erlebnis machen zu wollen und damit am Leben vorbeizugehen. Und uns nicht auf Tools wie Influencer zu verlassen, deren Auftritte zumeist fragwürdig sind, aber in jedem Fall kaum steuerbar und im Marketing-Mix eine absurde Bedeutung bekommen haben. Wir müssen uns von Konventionen lösen und brauchen wieder mehr RELEVANZ.
ZUM KERNPUNKT
Angesichts dieser Entwicklung frage ich mich: Haben wir Werber aufgrund dieses Information-Overkills nicht eine Kleinigkeit vergessen? Etwa den MENSCHEN? Oder sind wir tatsächlich zur Hipster-Ausgabe von Graf Dracula mutiert: Auf der Suche nach neuen Opfern und nur darauf aus, möglichst schnell Gewinne zu kassieren und uns im Falle fehlender Wirkungsnachweise hinter Umfragen zu verstecken? Können wir tatsächlich nicht mehr, als mit substanzlosen Buzzwords wie „Neuromarketing“ zu argumentieren; in der Hoffnung, damit ein wenig Aufmerksamkeit in einem Branchenmedium zu bekommen? Irgendeine schlaue Zitate-Schleuder sagte einmal: „Der Kern eines Apfels ist ein versteckter Obstgarten.“ Ein wunderbarer Aphorismus. Man muss aber keine Landpomeranze sein, um zu wissen: Auch Kerne können faulen. An dieser Stelle wollte ich ursprünglich einen „Appell“ an die Werbewirtschaft richten. Das wäre freilich selbstüberschätzend gedacht, vor allem aber wenig realistisch: Denn die Werbewirtschaft wird sich so wenig zusammenschließen wie ein Rudel Wölfe, zwischen die man ein Stück Fleisch wirft.
ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT (?)
© RENATE MEDWED
Unsere Branche lebt davon, dass wir die Finger am Puls der Zeit haben (sollten). Stattdessen feiern wir uns für Dinge, die im richtigen Leben keinerlei Bedeutung haben. Als Beispiel die Reaktion auf D. Trump: Vor vier Jahren bejubelte die Werbewelt die Kampagne einer der TOP-Agenturen der Welt für Hillary Clinton. Das Ergebnis ist bekannt, aber keiner dieser hochbezahlten Kommunikationsexperten hat erkannt, dass man damit Trump nur noch größer gemacht hat. Sie haben dazu beigetragen, dass ein soziopathischer Clown der Sieger war. Denn Trump hat trotz seiner Kleingeistigkeit verstanden, was die Menschen bewegt. Ein Branchenfremder, der die gesamte
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QUERDENKEN MIT SYSTEM Viele spannende Stimmen, höchst spezifische Zugänge und eine gemeinsame Agenda: Wie die Professoren des Departments Medien & Design der FH JOANNEUM Graz Studierende auf kreative Lösungen für morgen vorbereiten. Und warum beim Erarbeiten der Kommunikationskanäle, Designlösungen und Content-Strategien im Rahmen berufsbegleitender Masterstudiengänge übergreifende Ansätze die komplexe DNA dieser Ausbildungsstätte definieren.
„The Comfort Zone is the great enemy to creativity.“ Auch solche Sätze finden sich in den Veröffentlichungen des Departments Medien & Design der Grazer FH JOANNEUM. Präziser: im Rahmen von Abschlussarbeiten aus dem Bachelorstudiengang „Informationsdesign“ sowie den beiden Masterstudiengängen „Ausstellungsdesign“ und „Communication“, „Media“, „Sound“ und „Interaction Design“, die auf dieser Weise der Öffentlichkeit präsentiert werden. Die Teile und das Ganze. Die gesteigerte Komplexität des Alltags und der Anspruch, auch jenseits von Komfortzonen Verbesserungen und Erleichterungen zu schaffen. Dieses Bemühen ist ein zentraler Anker dieser Grazer Ausbildungsstätte für angehende DesignerInnen, die hier mit der Gestaltung von Inhalten für sehr unterschiedliche Kommunikationskanäle und der Entwicklung von Design-Lösungen für Produkte und Dienstleistungen befasst sind. Wie unterschiedlich die jeweiligen Studiengangsleiter die Realitäten, Visionen und Entwicklungen innerhalb ihrer Fachbereiche auch beschreiben mögen, ein Fundament steht dabei felsenfest. Die TeilnehmerInnen der Bachelor- und Masterstudiengänge arbeiten hier stets auf Basis einer fundierten theoretischen Grundlage praxisbezogen, projektorientiert und interdisziplinär – wozu das große Netzwerk der FH JOANNEUM beiträgt. Mehr als 200 Partnerhochschulen weltweit und namhafte Unternehmen und Institutionen bieten vielfältige Möglichkeiten dazu. Vielfältig ist aber vor allem die Herangehensweise an die Anforderungen einer Welt, die sich im steten Wandel befindet und dabei auf beispiellose Weise an Tempo zulegt. Der geweitete, vertiefende Blick versteht sich da von selbst. Beispiel „Informationsdesign“: Wie lassen sich Umgebungen und Prozesse verändern, Denk- und Handlungsweisen gestalten und Informationen unter Einbeziehung neuer Technologien wie 3D-Modellierung darstellen? Wie begleitet man Ausstellungskonzepte von der ersten Idee bis zum finalen Abbau? Wie stellt man sicher, dass der ethische Fokus „Design for all“ keinesfalls ausgeblendet, sondern vielmehr integrales Element wird?
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TEXT: ROBERT HAIDINGER INTERVIEWS: ANNA M. DEL MEDICO
Solche Feinjustierungen der inhaltlichen und konzeptuellen Perspektive, die innerhalb der Fachbereiche „Communication Design“, „Media Design“ und „Interaction Design“ durchaus unterschiedlich aufgegriffen und interpretiert werden, prägen auch diverse weitere Bachelorstudiengänge des Departments Medien & Design. So umfasst „Industrial Design“ selbstverständlich die ganzheitliche Herangehensweise und die Einbettung vielfältiger Produkte – sie reichen vom Rollstuhl bis zum Löschroboter – in jene veränderten Rahmenbedingungen und Herausforderungen, die für das heutige Mobility Design sowie für Eco Innovative Design exemplarisch sind. Die Erarbeitung vielseitiger Darstellungskompetenzen in 2D und 3D, sensible Zugänge zu emotional-ästhetischer Produktsprache, aber auch ergänzende Übungen im Bereich Handskizze lassen sich im Idealfall dieses Vollzeit-Studiums an Praktikumsplätzen in namhaf namhaften Designstudios in Graz, London, Wien oder Singapur vertiefen. Die Leidenschaft für zukunftsweisende Kommunikation und Design als verbindendes Element trifft auch im Rahmen des Masterstudiums „Content Strategy“ auf radikal veränderte Grundlagen. Hier steht das Web im Mittelpunkt. Studierende erlernen die methodische Entwicklung und nutzerbezogene Erstellung von Webinhalten auf Basis einer entsprechenden User Research oder vertiefen das Know-how bezüglich Suchmaschinenoptimierung – alles im Rahmen eines Studienganges, der einzigartig in Europa ist und der angesichts hochgradiger Vernetzung mit der Content-Strategie- und Social-MediaSzene Pionierarbeit leistet. Wissensvermittlung, Orientierung und kritische Auseinandersetzung mit Inhalten charakterisiert wiederum den Masterlehrgang „Medienkompetenz und Digital Literacy“. Der gekonnte Umgang mit digitalen Medien basiert nicht zuletzt auf den Grundlagen jenes Analysierens, Decodierens und Dechiffrierens einer dynamischen Kommunikationswelt, welche im Rahmen zielgruppengerechter Kommunikation wesentliche Zugänge darstellen. Mehr zu den zeitgemäßen Tools aus PR, Marketing und Werbung der professionellen Kommunikation erschließt der parallele Masterlehrgang „Public Communication“ – wobei auch hier der Fokus auf zukünftige Anwendungsbereiche und -modi liegt. Neben Themen wie inter- und intrakultureller Kommunikation rückt das Wissen um einen ausgewogenen Mix von Social Media, klassischer Pressearbeit und Content-Strategie im Web wie von selbst in den Mittelpunkt. Und: Mit dieser Konzeption des Bereichs Public Communication wartet die Grazer FH JOANNEUM mit einem österreichweit einzigartigem Angebot auf. Hochgradige Spezialisierung und das Bemühen um präzise Kommunikation prägen auch den berufsbegleitenden Masterlehrgang „Technische Dokumentation“, der ein fundiertes Wissen über die gesamte Prozesskette vermittelt und als wesentliches Qualitätsmerkmal von Produkten vielseitige Inhalte umfasst – wobei der Siegeszug von Digitalisierung und Industrie 4.0 technische RedakteurInnen gegenwärtig zu unverzichtbaren MitarbeiterInnen aller Industriezweige macht. Visuelle Kommunikation und Bildmanagement sowie Sound Design sind weitere Felder, die hier anhand angewandter Modelle neue Wege in die Kommunikationswelten der Zukunft bereiten. Auch für sie gilt das schöne Credo des Departments Medien & Communication der FH JOANNEUM: Wir gestalten Medien und Design von morgen.
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QUERDENKEN
Einer vielfältigen Ausbildung verpflichtet. Heinz M. Fischer, Vorsitzender des Departments Medien & Design an der FH JOANNEUM und Leiter des Instituts Journalismus und Public Relations Heinz M. Fischer: Wir waren an der FH JOANNEUM bereits vor Corona in der digitalen Lehre sehr gut aufgestellt, und das stellt sich jetzt als großer Vorteil heraus, etwa im Vergleich zu Universitäten. Was die Studienabläufe betrifft, sind wir großteils im Plan. In Summe ist es für alle Beteiligten anstrengend, das steht außer Frage. Und für die Studierenden ist es natürlich bitter, für manche ist das jetzt bereits das dritte Semester mit Fernlehre.
Anna M. Del Medico: Wie stellt sich die Situation für die Studierenden der FH JOANNEUM bzw. Ihres Departments im Moment dar?
Heinz M. Fischer: Ich habe mit einem Studium der Musikwissenschaften begonnen. Dabei ging es für mich um eine fundierte akademische Ausbildung, ergänzend zu meiner Tätigkeit für eine steirische Tageszeitung. Das Institut war damals, in den 1970erJahren, allerdings überhaupt nicht am Puls der Zeit. Also blieb es bei ein paar Semestern. Ein interessantes Angebot der Austria Presse Agentur (APA) hat mich dann nach Wien gebracht. Es war die Geburtsstunde des Teletextes und ich war als junger Journalist Teil dieses Teams. Das war hoch innovativ. Erst Jahre später begann ich an der Universität Graz zu studieren. Berufsbegleitend, auch wenn es das damals noch nicht gab, denn ich war weiter als Journalist bei der APA tätig. Ich studierte Philosophie, Soziologie, Psychologie und Pädagogik. Es war eine großartige Zeit, die mich sehr geprägt hat. Man konnte die Studien frei konfigurieren, die Institute waren aufgeschlossen und ich konnte Medienthemen einbringen. Ich habe mich bereits damals, in den 1980er-Jahren, in meiner Diplomarbeit und meiner Dissertation mit Digitalisierung und der Vernetzung von Computern auseinandergesetzt. Ich kann mit Überzeugung sagen: Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ich konnte meine Vorstellungen von einem vielfältigen Studium verwirklichen. Davon profitiere ich heute noch.
Anna M. Del Medico: In einer Information Ihres Departments bzw. der FH JOANNEUM findet sich das Motto „STUDY YOUR DREAM“. Was war der berufliche Traum von Heinz M. Fischer?
Heinz M. Fischer: Den halte ich für sehr wichtig. Das gilt ganz besonders für die FH JOANNEUM und damit natürlich auch für das Department Medien & Design. Wir wollen unseren Studierenden diesen Freiraum geben. Das Probieren, das Sich-Ausprobieren ist im kreativen Bereich von großer Bedeutung. Wir haben im Department, egal ob im Bereich Medien, Kommunikation oder Design, diese Möglichkeit schon aufgrund der zahlenmäßig kleinen Einheiten, der begrenzten Anzahl der Studienplätze. An großen Universitäten wäre das nicht machbar.
Anna M. Del Medico: Bleiben wir dennoch beim Begriff „träumen“. Wie wichtig ist für Studierende der damit verbundene Freiraum?
Heinz M. Fischer: Selbstverständlich. Unsere Studienpläne beinhalten auch sehr viele Übungen, sehr viele Projektarbeiten. Hier schwebt über niemandem das sprichwörtliche Fallbeil: Wenn du jetzt nicht positiv abschließt, dann ergeht es dir ganz schlecht. Freilich muss man Leistung, auch kreative Leistung, früher oder später beurteilen. Damit müssen sich unsere Studierenden ja nach ihrem Abschluss auch im beruflichen Alltag auseinandersetzen. Aber wäh-
Anna M. Del Medico: Beinhaltet der angesprochene Freiraum für Sie auch die Möglichkeit, nach dem Prinzip „Trial und Error“ Dinge auszuprobieren?
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MIT SYSTEM
rend des Studiums gibt es genügend Möglichkeiten zu üben, sich und seine Arbeit zu erproben und unmittelbares Feedback von den Lehrenden zu erhalten. Wir leben das an unserem Department in allen Studienrichtungen sehr intensiv. Wobei ich anmerken darf, dass wir das echte Scheitern sehr selten erleben. Anna M. Del Medico: Die Aufgaben und das Berufsbild von Designern entwickeln sich sehr dynamisch. Gleichzeitig wird es zunehmend schwieriger, seinen Lebensunterhalt mit Design zu verdienen. Liegt das auch daran, dass an den Hochschulen zu wenig zu unternehmerischem Denken angeregt wird?
Heinz M. Fischer: Diesen Vorhalt kennen wir. Wir haben, was die Studienpläne betrifft, in den vergangenen Jahren stark daran gearbeitet, den Markt, das Unternehmerische zu integrieren. Wir lehren es in unseren Bachelor-Studiengängen. Auch in meinem Studiengang „Journalismus und Public Relations“ bereiten wir die Studierenden darauf vor, was in wirtschaftlicher Hinsicht auf sie zukommt. Allerdings muss ich sagen, dass dieser Ansatz oft diametral dem entgegensteht, was die jungen Leute sich unter kreativem Arbeiten vorstellen. Wir sagen ihnen klipp und klar, dass Wissen über den Markt schon deshalb wichtig ist, um später im Berufsleben nicht über den Tisch gezogen zu werden – wenn ich das salopp formulieren darf. Dazu kommt, dass Kreative heute so flexibel sein müssen bzw. sollten, dass sie selbst zu Unternehmern werden können. Das setzt einen Zugang zu unternehmerischem Denken voraus.
Anna M. Del Medico: Die Studierenden des Departments Medien & Design haben die Möglichkeit, mit Institutionen und Unternehmen zusammenzuarbeiten. Wie sehr hilft ihnen das dabei, eine realitätsnahe Vorstellung davon zu entwickeln, welche beruflichen Möglichkeiten ihnen das Designstudium eröffnet?
Heinz M. Fischer: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir das gesamte Spektrum vorführen, was man mit diesem Studium machen kann. Wir sind – vor allem im Bachelorstudium – zu einer vielfältigen Ausbildung verpflichtet. Erst im Masterstudium kommt es zu einer Spezialisierung und Vertiefung. Viele unserer Absolventinnen und Absolventen eines Bachelorstudiums kommen erst nach einer gewissen Praxiszeit zurück an das Department, um ihrer Ausbildung mit einem Masterstudium den letzten Schliff zu geben.
Anna M. Del Medico: Die Lehrinhalte und Ausbildungsziele von Hochschulen, oder in Ihrem Fall vom Department Medien & Design, sind die eine Sache. Die andere sind aber jene Voraussetzungen und Eigenschaften, die die Studierenden selbst mitbringen müssen. Welche sollten das sein?
Heinz M. Fischer: Auch wenn das vielleicht als Selbstverständlichkeit angesehen wird, aber beginnen sollte man damit, sich kundig zu machen, was Design ist, was ist der Beruf eines Designers, einer Journalistin, eines PR-Experten. Kreativität ist ein Kernpunkt, ebenso das Wissen, dass Kreativität auch Anstrengung ist, harte Arbeit, vor allem in der Umsetzung. Das akademische Handwerk wird bei uns gelehrt, dazu sind wir da, aber die Grundeinstellung können wir nicht lehren. Wir wenden unsere Aufnahmeverfahren an, und die sind, davon sind wir überzeugt, treffsicher. Und auch sehr herausfordernd, wie uns die späteren Studierenden immer wieder bestätigen. Ohne diesen Prozess wären die Fachhochschulen, auch die FH JOANNEUM und speziell unser Department, nicht dort, wo sie heute sind. Wir können und wollen auf diese oft als unangenehm empfundene „Hürde“ nicht verzichten. Ich meine, wir sind da auf einem sehr guten Weg, auch mit den Qualitätszielen, die wir schon erreicht haben.
Anna M. Del Medico: Wie würden Sie das perfekte Design-Studium für die Zukunft gestalten? Und da wir eingangs vom Träumen gesprochen haben – mit einem nach oben offenen Budget?
Heinz M. Fischer: Ich weiß, wie die Ausbildung an unserem Department gestaltet ist, es läuft wirklich sehr gut. Aber wenn ich einen Wunsch offen hätte, dann hätte ich gerne noch mehr Gastvortragende, vor allem aus dem internationalen Bereich. Das Department ist insgesamt betrachtet auf einem guten Weg, das spüren wir auch an der Resonanz vieler Absolventen und Absolventinnen, mit denen
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wir weiter in Verbindung sind. Außerdem führen wir immer wieder Änderungen durch. Das ist wahrscheinlich das Geheimnis unseres Erfolgs, das eigentlich kein Geheimnis ist: Wir sind immer dabei, inhaltliche Stellschrauben nachzujustieren. Das gilt vor allem für die Themen, für die Veränderungen, die die Digitalisierung nicht erst seit heute mit sich bringt. Das macht Adaptionen beinahe in jedem Studienjahr notwendig und wir nehmen sie auch vor. Diese Möglichkeit haben wir als Fachhochschule. Aber ganz unabhängig von jeglichem Budget: Ich hoffe sehr, dass es bald wieder möglich sein wird, sich physisch zu treffen. Der Kreativbereich, das Design, die Medien, die Kommunikation etc. brauchen diese soziale Komponente ganz besonders. Wir alle brauchen sie.
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auch für meine Kolleginnen und Kollegen am Institut. Ich finde es gut, wenn sie uns „dynamisierend stressen“ (lacht). Dann habe ich meinen Auftrag als Lehrender und Institutsleiter erfüllt. Anna M. Del Medico: Was zählt für Karl Stocker im Design des 21. Jahrhunderts, auch im Hinblick auf die Ausbildung von Designer*innen?
Die bereits erwähnte Interdisziplinarität beschränkt sich für mich nicht nur auf den Bereich Design, sondern reicht in die Naturwissenschaften hinein, in die Philosophie, Zukunftsforschung bis hin zur Geschichte. Da müssen wir hin, um Grenzen zu überschreiten. Wir haben das ja schon in unseren Curricula drinnen, aber die müssen alle fünf Jahre adaptiert werden und an neue Erfordernisse angepasst werden. Das wird nun aber bereits die Aufgabe meiner Nachfolger*in sein.
Ich glaube nicht an das Genie. Karl Stocker, Leiter des Instituts Design & Kommunikation und der Studiengänge Informationsdesign (BA) und Ausstellungsdesign (MA) Karl Stocker: Ich bin zufrieden und glücklich. 2001 bin ich an die FH gekommen und seit 2005 leite ich den Studiengang Informationsdesign und nach der Bologna-Umstellung auch seit 2007 den Masterstudiengang Ausstellungsdesign. Im Zuge der Bologna-Studienreform haben wir das Studium auf komplett neue Beine gestellt. Wir sind – so glaube ich – noch immer bestens aufgestellt, planen aber natürlich auch in die Zukunft, die immer Änderungen und Anpassungen inkludiert, und haben ein internationales Netzwerk aufgebaut, das seinesgleichen sucht. Das wurde in Kooperation mit den UNESCO Cities of Design möglich. Ich verstehe mich als Enabler, das heißt, dass den Studierenden viel Freiraum gelassen wird. Ich persönlich lote immer gerne Grenzen aus, ich fürchte mich da auch nie, denn der Job heißt „Ermöglichen“! Das nehmen unsere Studierenden positiv wahr und im Idealfall auch mit auf ihren Weg.
Anna M. Del Medico: Sie sind seit 2005 Leiter des Studiengangs Informationsdesign an der FH JOANNEUM. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Karl Stocker: Selbstverständlich. Ich erlebe das immer wieder. Es ist großartig zu sehen, wenn Studierende, zum Beispiel im Zuge ihrer Bachelor- oder Masterarbeiten, hart arbeiten, Grenzen überschreiten – im Sinne von interdisziplinärem Arbeiten – und sich damit einen Horizont erschließen, den man mit so jungen Lebensjahren zumeist nicht hat. Das ist heute von ganz besonderer Bedeutung, denn die Rolle des/der Designer*in hat sich in den vergangenen Jahrzehnten so gravierend verändert, dass eine andere Art, Gestaltung zu denken, gar nicht mehr funktioniert.
Anna M. Del Medico: Den Studierenden Freiheit zu lassen, Freiraum zu geben ist Ihnen demnach sehr wichtig?
Karl Stocker: (Lacht.) Die Fehler macht man dann, wenn man nichts tut. Wir werden in unserer Gesellschaft auf Sicherheit getrimmt und wozu das führt, sehen wir aktuell im Zuge der Pandemie. Aber wir brauchen diesen Mut, ich sporne meine Studierenden dazu an, sich auszuprobieren, zu analysieren und gegebenenfalls Dinge auch zu verwerfen. Ich habe auch kein Problem damit, wenn sie in ihren Ergebnissen, in ihren Ideen besser sind als ich. Das gilt im Übrigen
Anna M. Del Medico: Das klingt einfach und plausibel. Aber erfordert die Arbeit der Gestalter*innen nicht auch Mut? Mut im Sinne von Trial und Error. Das ist ja nicht gerade etwas, was wir kulturbedingt in unseren Genen haben.
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Karl Stocker: Produkt- und Industriedesign war im vorigen Jahrhundert dominant. Das hat sich radikal verändert. Wenn wir heute von einem Designer/einer Designerin sprechen, dann geht es um jemanden, der inhaltlich analysiert, der sich die Welt ansieht, sich mit Problemen befasst, Informationen einholt, strukturiert und aufbereitet. Die Informations- und Datenflut ist nahezu unüberschaubar. Ganz wesentlich ist dabei die Teamfähigkeit. Ich glaube nicht an das Genie, auch wenn es das noch gelegentlich geben mag. Mithilfe von Visualisierungen lassen sich hierauf die Analyseergebnisse klar und übersichtlich darstellen. Damit werden Designer*innen zu Geschichtenerzählern von gesellschaftlicher Relevanz. Sie können sogar Aktivist*innen werden, können Entwicklungen anstoßen. Immer auch mit dem Blick auf das Soziale und die Nachhaltigkeit. Damit wären sie dann auch ein bisschen Weltverbesserer/Weltverbesserinnen (lacht). Ganz in diesem Sinn ist auch unser Studiengang angelegt, und das gilt es den Studierenden zu vermitteln.
Interessant, wenn ich nun so zurückschaue: Ich habe Geschichte, Philosophie und Ethnologie studiert und die wissenschaftlichen Fragen dieser Disziplinen sind nun auch die Fragen, die sich die Designer*innen heute stellen. Also insofern schließt sich so für mich der Kreis. Anna M. Del Medico: In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Institut für Medien & Design mit großem Erfolg einer internationalen Jury präsentiert – 37 Master- und Bachelor-Arbeiten wurden mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet. Was ist die Motivation hinter der Teilnahme an diesem renommierten Contest?
Karl Stocker: Es waren nicht nur Red Dot Awards, sondern viele andere auch. Als ich den Studiengang übernommen habe, habe ich festgestellt, dass meine Kolleginnen und Kollegen einen Preis nach dem anderen erhalten haben. Ich wollte aber Preise nicht für mich, sondern für meine Studierenden. Da ich bei allen Diplomprüfungen dabei bin, habe ich mir angewöhnt, mir nicht nur Notizen für meine Graduierungsrede zu machen, sondern auch zu vermerken: möglicher Preis oder Red Dot. Eingereicht wird, nach Rücksprache, vom jeweiligen Studierenden über den Studiengang, das Institut unterstützt durch die Übernahme der Grundeinreichungsgebühr. Nach den ersten Awards war der Weg geebnet. Mir ist klar, dass dieser Award auch ein Geschäftsmodell ist, dass damit auch Geld verdient wird. Aber wenn man von weltweit viertausend Einreichungen zu den vierhundert Ausgezeichneten gehört, dann gibt das den Studierenden Selbstbewusstsein. Das spricht sich natürlich herum und das ist gut so. Ehrungen kommen dann auch von der Stadt Graz.
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So gibt es jedes Jahr ein Essen mit dem Bürgermeister und den Preisträgerinnen und Preisträgern. Das ist auch eine gute Möglichkeit, sich auszutauschen. Die Studierenden vergessen uns das nie. Wir unterstützen und fördern sie im Rahmen unserer Möglichkeiten auf vielfältige Weise bei der Umsetzung von Ideen. In diesem Zusammenhang ist es natürlich unerlässlich, dass wir Lehrende haben, die die Studierenden pushen, sie ermutigen, quer oder über vermeintliche Grenzen hinauszudenken, kurz: die selber Vorbilder sind.
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Karl Stocker: Es gibt das klassische Erasmus-Netzwerk. Am Institut haben wir dann noch zusätzlich weltweit vierzig bis fünfzig PartnerHochschulen. Es war auch ein Ziel, als UNESCO City of Design mit den Hochschulen in den Partnerstädten zu kooperieren. Mit Puebla, Detroit, Mexiko City, Nagoya, Wuhan oder Shanghai, um nur einige zu nennen. So eröffnen wir in jedem Semester fünfundzwanzig Studierenden die Möglichkeit eines Austausches, der natürlich in beide Richtungen funktioniert. Das schafft auf unserem Institut ein internationales Klima, von dem alle profitieren können. Das setzt natürlich eine intensive berufliche Reisetätigkeit meinerseits voraus. Diese Möglichkeit habe ich und die nutze ich – wenn auch in Zeiten von COVID nicht – intensiv zum Netzwerken und zur Weiterbildung. Das gilt auch für meine Kollegen und Kolleginnen. Was nicht bei allen auf großes Verständnis stößt. Aber das ist mir, ganz ehrlich gesagt, egal (lacht).
Anna M. Del Medico: Sie sind ein bekannt guter und leidenschaftlicher Netzwerker. Wie nutzen Sie das für das Institut bzw. Ihre Studierenden?
Karl Stocker: Es ist uns gelungen, über die strategischen Partnerschaften hinaus für die Studierenden eine Beteiligung an den Flugkosten zu bekommen. Die beläuft sich auf 800 Euro. Dazu ein monatliches Stipendium von 800 Euro, für vier Monate. Das hat aber nichts mit einer Erasmusförderung zu tun, die es sowieso gibt. Dann gibt es auch noch zusätzliche Möglichkeiten, wie zum Beispiel in Mexiko, wo das Österreichische Kulturinstitut super aufgeschlossen ist und ebenfalls Lehrende und Studierende, wenn sie beispielsweise Vorträge halten, unterstützt. Das ist natürlich großartig.
Anna M. Del Medico: Gibt es hier für die Studierenden eine finanzielle Unterstützung?
Karl Stocker: Im Moment unterrichten wir fast alles online und das auch ganz professionell. Da wir ja doch technikaffin sind, tun wir uns hier offenbar recht leicht. Ich denke, gewisse Zugänge könnten wir auch nach COVID ganz gut nützen. Wir laden ja aus unserem Netzwerk laufend interessante Leute ein, bei uns vorzutragen. Das geht im Großen und Ganzen via MS Teams oder Zoom ganz gut und ich wundere mich oft, wie international dann manchmal unser Publikum ist, das bei den Lectures zuhört. Aber bitte, der Präsenzunterricht ist schon etwas ganz anderes. Mit den Studierenden face to face im realen Raum arbeiten zu können, die Dynamik des direkten persönlichen Kontakts, das ist alles nicht zu unterschätzen und das ist gerade bei Designstudiengängen auch nicht ersetzbar. Also: Ok, geht schon, aber wir freuen uns, wenn wir uns wieder real treffen dürfen und wenn es am Institut wieder „wirkliches Leben“ geben wird.
Anna M. Del Medico: Lockdowns, digitale Wissensvermittlung, das sind nicht nur Schlagwörter. Wie hat sich diese Situation auf das Studium ausgewirkt?
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Über die Fähigkeit, einen Diskurs zu führen. Daniel Fabry, Fabry Leiter des Studiengangs Communication, Media, Sound & Interaction Design Anna M. Del Medico: Sie sind Leiter des Masterstudiengangs Communication, Media, Sound & Interaction Design. War der Einstieg in die Lehre für Sie schon am Beginn Ihrer beruflichen Laufbahn ein Ziel?
Daniel Fabry: Um es klar zu sagen: nein. Es hat sich so ergeben und ich bin glücklich damit. Das mag eine Charaktereigenschaft sein. Aber es ist auch das Umfeld, in dem wir als Gestalter und Gestalterinnen leben: Man adaptiert sich, erkennt Potenziale und kombiniert Dinge, die man auf den ersten Blick nicht als Vision erkennt. Ich pflege eine Offenheit und schöpfe aus dem Raum, der sich als Möglichkeit ergibt. Diesen Weg bin ich gegangen, aber den Plan hatte ich nie.
Anna M. Del Medico: Sie haben Ihr Studium an der FH JOANNEUM absolviert.
Daniel Fabry: Ja, ich habe Informationsdesign an jenem Institut studiert, an das ich wieder zurückgekehrt bin. Zuerst als Lehrender und jetzt als Leiter des Studiengangs und des Forschungszentrums. Man könnte jetzt also denken, dass ich mich nicht sehr weit wegbewegt hätte (lacht). Aber das ist natürlich nicht der Fall. Ich war als freier Designer ebenso tätig wie als Gestalter in einem KünstlerInnen-Kollektiv. Als Gestalter sehe ich mich natürlich nach wie vor. Auch wenn einiges an Managementtätigkeit dazugekommen ist, so sehe ich das auch aus dem Blickwinkel des Gestalters und damit bereitet es mir nicht weniger Spaß.
Anna M. Del Medico: Die rasante Entwicklung im Bereich digitaler Medien stellt hohe Ansprüche an User Experience und Interaction Design – und erfordert dynamische Angebote in Studium und Ausbildung. Der Nachwuchs möchte wissen, wo es hingeht.
Daniel Fabry: Wir pflegen einen guten Mix aus klassischen Gestaltungsgrundlagen und sogenannten Soft Skills, also sozialen Kompetenzen. Das ist für mich ein ganz wichtiger Aspekt in der Gestaltungsausbildung. Das Ganze wird natürlich stark durch die technologischen Entwicklungen getrieben. Wir versuchen die Curricula so aufzusetzen, dass wir auch die angemessene Flexibilität haben, auf Veränderungen rasch reagieren zu können. Diese Notwendigkeit versuchen wir unseren Studierenden entsprechend zu vermitteln. Technische Tools hingegen sehen in relativ kurzer Zeit oft schon ganz anders aus. Da geht es vielmehr darum, diese einordnen zu können und über die Gestaltungsmöglichkeiten nachzudenken. Genau diese Dynamik greifen wir in den Curricula auf. Wir adaptieren laufend, greifen neue Aspekte auf, gehen neue Kooperationen ein.
Anna M. Del Medico: Diesen Freiraum haben Sie?
Daniel Fabry: Ja, der ist nicht nur ganz wichtig, sondern auch notwendig. Manches Mal sind wir sogar den Curricula voraus.
Anna M. Del Medico: Vielen Gestaltern fehlt angesichts eines erodierenden Marktes die von Ihnen erwähnte Flexibilität, sich auf die neue Lage einzustellen. Der Vorwurf lautet, ihr Denken wäre zu angebotsund zu wenig nachfrageorientiert.
Daniel Fabry: Dem stimme ich nur bedingt zu. Wie bereits erwähnt, ist diese Art zu denken absolut notwendig und wir versuchen sie unseren Studierenden zu vermitteln. Was nicht immer einfach ist. Sie verlangt natürlich auch in gewisser Weise Mut, eine Bereitschaft zu experimentieren, unorthodoxe Ansätze zu verfolgen, in einen Diskurs zu treten und sehr reflektiert zu arbeiten. Dazu gehört auch das Scheitern. Diesen Raum wollen wir den Studierenden geben. Gestaltungsarbeit ist eine sehr soziale und kommunikative Praxis. Wir gestalten nicht nur Bedürfnisse von einzelnen Personen, sondern von ganzen Gesellschaften und Systemen.
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Dieses Grundverständnis zu vermitteln, ist unser Anliegen. Dabei geht es auch oder gerade um Soft Skills und die Fähigkeit, einen Diskurs zu führen. Der sogenannte harte Markt fordert das jetzt, genau diese Rückmeldungen bekommen wir jetzt.
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Daniel Fabry: Das ist ganz essenziell. In unserem Masterstudiengang haben wir sogar eine Lehrveranstaltung, die diese Netzwerke anspricht, und zwar sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene. Wir versuchen das in Kooperationen, in Exkursionen, im akademischen Umfeld mit vielen Partneruniversitäten in Europa und darüber hinaus zu ermöglichen. Ich denke auch an Projektarbeiten, in deren Rahmen wir mit Partnern aus der Wirtschaft zusammengearbeitet haben, deren Nähe zum Design, zu Gestaltungsfeldern am Beginn eher als marginal zu bezeichnen gewesen wäre. Wir gehen in jedem Semester neue Kooperationen ein, die ein sehr breites Spektrum abbilden. Von der Kultur bis zur Industrie. Aber immer nur dann, wenn es die bereits angesprochenen Freiräume gibt. Wir haben aber auch sehr viele Gastvortragende, die einen Einblick in die Gestaltungswirklichkeiten geben. Das sind wichtige Impulse. Es unterrichten auch viele Lehrende, die außerhalb der Fachhochschule tätig sind, sowie externe Lehrende. Das ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt.
Anna M. Del Medico: Welche Bedeutung kommt der Vernetzung des Departments Medien & Design, insbesondere Ihres Studiengangs, mit der Wirtschaft, mit Agenturen zu?
Daniel Fabry: Das ist ganz wesentlich. Am besten gelingt es dann, wenn man die Arbeiten zeigt. Wir legen großen Wert darauf, die Öffentlichkeit zu erreichen. Nicht nur im Sinne einer Public Relation, sondern wir gehen mit den Arbeiten der Studierenden wirklich nach außen. Das machen wir in Form von Ausstellungen, von öffentlichen Veranstaltungen. Wir organisieren Gastvorträge auch außerhalb der Hochschule und gehen damit in die Stadt hinein. Mit unserem Mindset, mit den Absolventen und Absolventinnen prägen wir das Gestaltungsfeld mit, und das ist für uns als Hochschule von besonderer Wichtigkeit. Es ist in gewisser Weise sogar eine Verpflichtung, ein Botschafter zu sein. Wir tragen durch Außenauftritte Gestaltung auch in Branchen hinein, die damit bis dahin wenig bis keinen Kontakt hatten. Hier gibt es große Umbrüche. Diese Branchen erkennen das Potenzial von Gestaltung im Produktentwicklungsprozess, den Marktvorteil etc. Dabei kann es sich durchaus um Unternehmen handeln, die bisher auf höchstem technischem Niveau und in Marktführungspositionen tätig waren. Gestaltung durchdringt dann aber auch hier den gesamten Produktionsprozess und bleibt nicht an der Oberfläche verhaftet. Es geht sogar so weit, dass beispielsweise Interaktionsdesigner aufgrund ihrer Mindsets ganze Firmenstrukturen, ganze Systeme umgestaltet haben. Kurz: Es geht um eine Bewusstseinsbildung, der wir uns verpflichtet fühlen. Unsere Absolventen und Absolventinnen spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Anna M. Del Medico: Kommunikation ist ein Schlüsselelement Ihrer Disziplin. Wie wichtig ist es, das Angebot des Departments bzw. Ihres Studiengangs nach außen zu kommunizieren?
Daniel Fabry: Damit beschäftige ich mich in meinem Gestaltungsbereich. Uns fallen viele Medienkanäle weg, die Haptik ist so ein Beispiel. Da braucht es definitiv neue Lösungen. In einem unserer Forschungsprojekte geht es darum, in Mixed-Reality-Situationen ein multisensorisches und gemeinsames Arbeiten zu ermöglichen. Wir haben im Moment eine Reihe von Master- und Bachelor-Arbeiten, die sich ebenfalls mit diesem Themenfeld befassen. Corona war hier sicher ein Beschleuniger. Einerseits ist das natürlich eine sehr mühsame Zeit für Gestalter und Gestalterinnen – arbeiten sie doch in einem sehr kommunikativen und sozialen Prozess. Andererseits haben wir unseren Studierenden schon zu Beginn des ersten Lockdowns gesagt: Das wird jetzt eine spannende Zeit, in der man
Anna M. Del Medico: Die aktuelle Situation wirkt auf alle Teile der Gesellschaft wie ein Brennglas. Über Nacht konnten viele Tools im Bereich der Kommunikation nicht mehr genutzt werden. So wurden Messeformate auf die digitale Ebene verschoben. Im Produktdesign ein veritables Desaster.
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viel lernen kann. Es wird sich noch viel deutlicher zeigen, was Kommunikation und Interaktion ausmachen. Das haben wir versucht zu schärfen. Wenn man so will, haben wir damit im Negativen etwas Positives gefunden (lacht). Anna M. Del Medico: Was macht Sie so optimistisch – auch was die Zukunft der Studierenden und Absolventinnen und Absolventen Ihres Instituts betrifft?
Daniel Fabry: Ich bin ein sehr optimistischer Mensch. Und wenn ich sehe, wie die Inhalte, die Mindsets, die Flexibilität und alles, was ich bisher bezüglich der Lehre an unserem Institut genannt habe, bei unseren Studierenden ankommt und Früchte trägt, dann stimmt mich das grundsätzlich positiv. Das wird von den Absolventen und Absolventinnen nach einigen Jahren im Berufsleben auch entsprechend an uns rückgemeldet. Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist richtig. Es stimmt mich aber auch positiv, dass gesamtgesellschaftlich, was die Bewusstseinsbildung für die Qualitäten von gestalterischem Arbeiten betrifft, einiges in Bewegung geraten ist. Ein Umdenken, das auch in der Politik langsam Platz greift. Im Vergleich zu skandinavischen Ländern haben wir da aber durchaus noch Luft nach oben (lacht).
VERÄNDERUNGEN NEHMEN FAHRT AUF. Thomas Feichtner, Leiter des Instituts Industrial Design Anna M. Del Medico: Das Motto der FH JOANNEUM lautet „STUDY YOUR DREAM“. Wie wichtig ist es, den Studierenden einen Freiraum zum Träumen, zum Experimentieren zu lassen?
Thomas Feichtner: Dieses Motto trifft auf keinen Studiengang besser zu als auf den, den ich leite. Industriedesign oder Design an sich ist ein Bereich, der sehr offen ist, auch in Hinblick auf die Zeit nach dem Studium. Wir können in diesem Studium den Umgang mit Kreativität mitgeben, wie man sie richtig einsetzt. Unseren Absolventen und Absolventinnen bieten sich viele Möglichkeiten, die weit über das hinausgehen, was man im klassischen Sinn unter Industriedesign versteht. Im Studium geht es ja neben Kreativität auch um Kommunikation, um Kultur, um den gesellschaftlichen Austausch. Da bieten sich viele Räume zum Träumen, auch zum Experimentieren an. Ich gehe so weit zu sagen, dass das Studium nicht nur zum Träumen verleitet, sondern dazu anhält. Man muss träumen können, auch über das Studium hinaus. Denn wenn wir nur zwanzig Jahre zurückblicken, wird klar: Wir haben von der Zukunft nichts gewusst. Was wir leisten können, ist, den Funken zum Überspringen zu bringen, Studierende mit der Faszination Design anzustecken. Den Beruf der Designerin muss man sich dann selbst erarbeiten. Wer dieses „Study your dream“ nicht hat, wer diese Flexibilität nicht hat, dieses sich permanent neu erfinden, der ist in diesem Studium nicht gut aufgehoben.
Anna M. Del Medico: Wirkt die aktuelle Situation nochmals wie ein Brennglas auf unsere gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Verfasstheit und somit auch auf die Kreativbranche?
Thomas Feichtner: Ja, in jedem Fall. Wir stehen quasi neben uns, die Veränderungen vollziehen sich in einem enormen Tempo, viel schneller, als wir es bisher gewohnt waren. Viele Branchen kommen da nicht mit, sie sind zu wenig flexibel. Unsere Branche gehört sicher zu jenen, die sich sehr schnell bewegen müssen.
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Das können wir unseren Studierenden mitgeben: in solchen Situationen nicht statisch oder passiv zu sein, sondern aktiv. Sich der gesamten Klaviatur, die einem zur Verfügung steht, zu bedienen und nicht bei einer Oktave zu verharren.
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Thomas Feichtner: Das Studium ist eine Auszeit vom Leben, in der sie gemeinsam mit anderen Erfahrungen sammeln – nicht nur lernen, sondern auch erfahren. Das kann man nur voneinander und miteinander. Im Designstudium sind Projektarbeiten ganz wichtig. Wie funktioniert das, was liegt einem, auf welchem Niveau arbeiten andere, welche Instrumentarien verwenden sie? Die Wissenskomponente ist das eine, die Erfahrungskomponente ist aber ebenfalls ganz wichtig. Diese Auszeit von der Gesellschaft gibt den Studierenden die Möglichkeit, etwas abseits zu stehen und unsere Gesellschaft zu analysieren. Man nimmt als Designer, als Designerin in gewisser Weise eine Außenposition ein. Und das nehmen die Studierenden mit ins Berufsleben. Design ist nicht als Input und Output zu verstehen, als Problemlöser, sondern als eine Werthaltung, eine Lebenseinstellung: auf die Suche nach relevanten Themen und Problemen zu gehen, die gelöst gehören. Dazu braucht es eine Außenwahrnehmung.
Anna M. Del Medico: In welcher Form geben Sie das Ihren Studierenden mit?
Thomas Feichtner: Wir sind immer auf der Suche nach Antworten. Doch Blaupausen gibt es nicht, auch nicht im Design oder in der Praxis. Die Methodik des Experimentes zuzulassen erscheint mir deshalb ganz wichtig. Man lässt sich auf Dinge ein, von denen man nicht weiß, wie das Ergebnis aussehen wird. Zu experimentieren ist auch eine Art zu lernen. Auch indem man irrt oder womöglich auch einmal scheitert. Und ja, es braucht diesen Mut zum Experiment auch in der Praxis.
Anna M. Del Medico: Holen wir also die Studierenden aus der Komfortzone. Brauchen diese nicht auch ein gerüttelt Maß an Mut für jeden weiteren Schritt? Scheitern oder Irren gehört ja zum Leben dazu.
Thomas Feichtner: Designer sind heute in alle Prozesse der Produktwerdung eingebunden. Das liegt daran, dass sie über ernstzunehmendere Tools verfügen. Sie haben mittlerweile technische Werkzeuge, die sie viel tiefer in die Entscheidungsprozesse miteinbinden. Designer sind souveräner geworden, sie sind nicht mehr die extrovertierten Künstler, als die sie lange galten. Sie sind heute Mit-Developer, Mit-Entscheider, Mit-Entwickler. Sie sind quasi in der Mitte des Machens, des schöpferischen Aktes angekommen.
Anna M. Del Medico: Worauf kommt es für den Designer Thomas Feichtner im Industriedesign des 21. Jahrhunderts an?
Thomas Feichtner: Natürlich brauchen Gestalter in ihrem Tun und Handeln Souveränität. Es geht darum, zu kommunizieren, dass Gestaltungsqualität von Relevanz ist. Dessen muss man sich bewusst sein und man muss sich auch seiner selbst bewusst sein. Man muss auf falsch oder richtig hinweisen können, in einer klaren Sprache. Das gilt auch für die vorgeschlagene Lösung. Kurz: Man muss als Designer, als Designerin Farbe bekennen.
Anna M. Del Medico: Braucht es dafür nicht auch souveräne Gestalterpersönlichkeiten?
Thomas Feichtner: Das Geheimnis unserer Hochschule ist, dass alle Studierenden unter einem Dach ausgebildet werden, jeder hat einen fixen Arbeitsplatz. Das ermöglicht ihnen, über Studiengänge hinweg zu sehen, womit sich die anderen beschäftigen. Ganz wesentlich ist aber auch, dass sie alle auf eine qualitativ hochwertige Betreuung vertrauen können. In technischer Hinsicht ebenso wie in gestalterischer. Das funktioniert oft nur in Einzelgesprächen, in einer Art von Mentorenschaft von Person zu Person. Es geht eben nicht nur um Wissen, sondern auch um Skills – und die muss man erleben.
Anna M. Del Medico: Das Department für Medien und Design an der FH JOANNEUM allgemein und der von Ihnen geleitete Studiengang Industrial Design im Besonderen genießen einen sehr guten Ruf. Worauf führen Sie das zurück?
Thomas Feichtner: Das Studium für Industriedesign ist für gewöhnlich an Kunstuniversitäten angesiedelt. Die verwandten Disziplinen sind dort oft Architektur, Kommunikationsdesign und Interface-Design. An unserer FH sind die „Nachbarinstitute“ aber auch
Anna M. Del Medico: Was ist das Charakteristische am Industriedesign-Studium der FH JOANNEUM?
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Fahrzeugdesign oder Medizintechnik. Das gibt uns die Möglichkeit, dass wir Entwicklungen oder technisches Know-how abrufen können, das auf einer Kunstuniversität nicht gegeben ist. Was unser Profil weiter schärft, ist die Praxisrelevanz. Wir arbeiten mit Designern und Designerinnen, mit Unternehmen, die auch Designabteilungen haben, und Designagenturen, die tatsächlich auch Unternehmen beraten, zusammen. Diese Praxisnähe birgt natürlich das Risiko, dass das Visionäre nicht immer im Vordergrund steht. Aber wenn man sich dessen bewusst ist – und das sind wir –, dann kann man diese Praxis auch zulassen. Das Schöne dabei ist, dass die Ergebnisse nicht nur eine hohe gestalterische Qualität haben, sondern auch eine ebensolche technische und konzeptionelle. Genau darum geht es uns, man darf nicht an der Oberfläche bleiben. Anna M. Del Medico: Was macht Sie optimistisch?
Thomas Feichtner: Ich merke, dass unsere Absolventinnen und Absolventen einen hohen Zuspruch bekommen. Sie arbeiten einerseits in Unternehmen, die ständig neue Designinnovationen bringen. Aber es gibt auch viele, die sich mit einem Entwurf oder einer Idee selbstständig gemacht haben, diese zu Ende entwickelt und auf den Markt gebracht haben. Ich bin auch deshalb sehr zuversichtlich, weil diese Designausbildung so weit offen ist, dass sie immer noch Raum lässt für Berufsbilder, die wir heute noch nicht kennen. Das ist eminent wichtig.
Anna M. Del Medico: Zum Abschluss möchte ich noch wissen: Lebt Thomas Feichtner seinen beruflichen Traum?
Thomas Feichtner: Auf alle Fälle. Ich hatte und habe Freude an den Dingen, die Relevanz haben, die funktionieren. Ich habe mich immer mit Gegenständen beschäftigt, die eine Geschichte zu erzählen haben, die intelligent gestaltet sind. Ich habe sie zerlegt, habe sie zusammengebaut. Das hat in mir immer etwas Positives ausgelöst. Deshalb war das Studium für Industriedesign für mich auch eine Freude. Ich sage deshalb auch meinen Studierenden, dass diese Liebe zu den Dingen fast noch mehr wiegt, als gut zu zeichnen, gut zu konstruieren.
Anna M. Del Medico: Und wo bleibt der Blick auf den Menschen?
Thomas Feichtner: Den setze ich voraus. Den braucht man wohl in jedem Beruf. In der Medizin ebenso wie in der Juristerei oder eben auch im Design. Außer vielleicht in der Veterinärmedizin (Lacht).
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DESIGN ODER DESASTER Karl Stocker ist Historiker, Kulturwissenschaftler, multipler Buchautor, gefragter Ausstellungsgestalter und Leiter des Instituts für Design & Kommunikation an der FH JOANNEUM Graz. Vor allem aber ist er: chronisch unabhängig, bei Eigenbedarf streitbar und er nimmt sich sicher kein Blatt vor den Mund. Robert Haidinger traf ihn zum Gespräch über Sozio-Design, Politik und die Welt.
INTERVIEW: ROBERT HAIDINGER
Karl Stocker: Gut möglich. Was unsere Studierenden betrifft, habe ich das Gefühl, sie möchten durchaus an der Welt herumschrauben. Was mich dabei positiv stimmt, ist, dass ihr starkes Engagement, eine bessere Welt zu schaffen, gekoppelt ist mit einer Alltagspraxis, in der das von ihnen auch selber umgesetzt, ja gelebt wird.
Robert Haidinger: Heutzutage wickelt man Interviews üblicherweise per Videoschaltung ab. Ich komme lieber persönlich zu Ihnen, mit der Südbahn. Denn unmittelbare Eindrücke können als Einstimmung auf eine Design-Debatte nie schaden. Was ich unterwegs sah: verwaiste Semmering-Villen aus der Ära des Eisenbahnbaus; sie erinnern plötzlich an die leergefegten Hotels des aktuellen TourismusKollaps. In Graz stach mir hinterm Design-Hotel Daniel eine erratische Tafel im US-Roadculture-Stil mit der Inschrift „Be optimistic for the future of the world“ ins Auge – und erinnerte an die professionelle Freundlichkeit amerikanischer Diners-Lokale, die mir immer irgendwie suspekt ist. Knapp vor der FH JOANNEUM schließlich eine Graffiti-Botschaft in flammendem Rot: DAS HERZ IST EIN MUSKEL IN DER GRÖSSE EINER FAUST stand da zu lesen. Irgendwie zornig und poetisch zugleich. Könnte diese Botschaft einer Ihrer Studierenden hingepinselt haben?
Karl Stocker: Schon. In meinem Fall begann die politische Sozialisierung zu Beginn der 1970er Jahre gemeinsam mit EisenbahnerLehrlingen in meiner Heimatstadt Knittelfeld, konkret mit einer Marx-Schulung in der KPÖ, und später ging es auf der Uni als MaoSympathisant weiter – was mir aber sehr rasch zu stalinistisch wurde. Dann folgte die Anti-Zwentendorf-Kampagne im Rahmen der Bürgerinitiative gegen AKW. Gleichzeitig versuchten wir, alternativ zu leben, das heißt in Wohnkollektiven mit sozial gestaffelter Miete und Lebenshaltungskosten, Aufbrechen von Männer- und Frauenrollen vor allem bei der Kindererziehung usw. Wir wussten nicht genau, wohin wir wollten, aber wir wussten, wir wollen anders leben als unsere Eltern, die wir als kleinbürgerlich abqualifizierten. Eine bestimmte
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Weltanschauung verfestigte sich damals in mir: Die Schwächeren schützen, den Reichtum anders verteilen, kollaborativ zu arbeiten und zu leben. Dieses Credo habe ich mir bewahrt, und heute finde ich das bei den Jungen wieder. Als Historiker weiß ich aber auch: Die sogenannten Revoluzzer*innen sind eine Minderheit: Sie werden nur immer von der Jugendkulturforschung, die sich in ihren Studien auf die vom System Abweichenden fokussiert, in den Vordergrund gerückt. Robert Haidinger: Zweiter Einstieg: Der Londoner Designer Jasper Morrison, bekannt für funktionale Ansätze, erzählte mir vor einiger Zeit über einen Graz-Job ganz am Beginn seiner Karriere. Es ging darum, den Wartebereich einer Bushaltestelle zu überarbeiten. Die Auftraggeber dachten an eine coole Überdachung oder Ähnliches. Aber der Designer konzentrierte sich lieber auf einen bereits vorhandenen Imbiss, mit großen Glasscheiben, schön warm zum Warten – und entfernte zum Entsetzen der Verantwortlichen die Werbungen und Sponsoren-Aufkleber, die die Sicht auf einfahrende Busse verhinderte. Das war im Wesentlichen der Job: Demontage von rücksichtslos platzierter Werbung zugunsten freierer Sicht. Ist das bereits SozioDesign?
Karl Stocker: Würde ich schon meinen. Er hat das Problem analysiert und dann daraus seine Maßnahmen abgeleitet. Und die waren radikal, weil sie das Problem an der Wurzel gepackt haben. Er hat sich nicht um die Marketing-Wünsche seiner Auftraggeber*innen geschert, sondern hat einen nachhaltigen Problemlösungsansatz entwickelt, der durch Reduktion die Benutzer*innenfreundlichkeit der Haltestelle erheblich verbessert hat.
Robert Haidinger: Sozio-Design ist ja ein Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit – und etwas gänzlich anderes, als ein schickes Produkt zu entwerfen. Das Eingreifen in komplexe Strukturen zwecks Verbesserung der Lebensumstände hat aber besondere Tücken. Hier ist man häufig auf Rahmenbedingungen seitens der Politik angewiesen. Und die orientiert sich nicht zuletzt am eigenen Machterhalt und bedient vorzugsweise das eigene Klientel. Wie damit umgehen?
Karl Stocker: Lassen Sie es mich so sagen: Ich bin in meiner Rolle als Leiter eines Instituts, das vorrangig die beruflich-akademische Ausbildung von jungen Menschen zu Designer*innen bezweckt, natürlich privilegiert. Ich muss mich ja am Markt nicht mit anderen Designer*innen matchen; ich bin kein Produkt- oder Ausstellungsdesigner, der von seinen Produkten und Projekten leben muss. Ich kümmere mich darum, dass wir Studierende einerseits jobfit ausbilden, aber wir wollen sie andererseits auch nicht zu sturen Befehlsempfänger*innen und stoischen Abarbeiter*innen degradieren. Sie sollen darin unterstützt werden, die Welt mit wachen Augen zu betrachten und darauf aufbauend Design als eine Methode zu sehen, die Welt positiv zu verändern oder ganz einfach lebenswerter zu machen.
Robert Haidinger: Was an der angesprochenen Problematik nichts ändert.
Karl Stocker: Ja, sicher. Manchmal wird gefragt, warum bildest du deine Studierenden so aus, dass die meisten nach dem Studium Graz und die Steiermark verlassen. Ich sage dann, naja, man müsste halt mehr spannende, herausfordernde Jobs im sogenannten Kreativbereich schaffen, dann bleiben sie da. Und gleichzeitig: Ich finde es gut, dass sie weggehen und die Welt erkunden. Sie sind ja dann auch Botschafter*innen unseres Instituts, unserer Stadt und auch unseres Landes, aber schmoren nicht nur im eigenen Saft. Ich sag ja immer: Der Schloßberg als Begrenzung des Horizonts, das ist gerade für Designer*innen einfach zu eng. Und übrigens: Nach 10, 15 Jahren kommen viele von ihnen wieder zurück und bringen neue Sichtweisen mit.
Robert Haidinger: Wäre Sozio-Design nicht die klassische Kernaufgabe der Kommunalpolitik?
Karl Stocker: Ein klares Ja! Aber Design wird ja von seiten der Politik vielfach noch als Oberflächeningredienz, als luxuriöse, zugleich entbehrliche Zugabe zu den „realen Produkten“, die „die“ Wirtschaft produziert, gesehen. Sozio-Design wird eher als ein Feld für Sozialpolitik interpretiert.
Robert Haidinger: Sie sind Jahrgang 1956, ich 1963 – wollten wir das nicht auch?
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Karl Stocker: Meine Berufskarriere funktionierte ohne Partei und ohne österreichisches Andienen. Es dauerte halt ein bisschen länger, bis ich eine fixe Stelle bekam. Aber ich bin ja robust und eigensinnig. Da fällt mir diese Geschichte mit der acht Meter hohen Joint-Skulptur der Künstlergruppe Monochrom ein, für die der damalige Landesrat Kurt Flecker 2009 von der Kronen Zeitung zum „Haschisch-Kurti“ verunglimpft wurde. Am Wiener Landesgericht, wo der Landesrat die Zeitung wegen übler Nachrede verklagt hatte und ich als Zeuge geladen war, versuchte ich klarzumachen, dass die Entscheidung, eine die jugendliche Drogenkultur ironisierende Skulptur auszustellen, autonom von mir ohne Rücksprache mit dem Landesrat, dem Auf Auftraggeber der Ausstellung „Absolutely Free“, getroffen worden war. Wissen Sie, was die Richterin sagte: Sie hielte es für ausgeschlossen, dass Derartiges nicht im Vorhinein mit der Politik abgesprochen würde! Sie glaubte mir einfach nicht!
Robert Haidinger: Andererseits: Sie sitzen gerade vor mir, auf einem Lehrstuhl, als Professor. Man kann sich also durchaus Freiräume erkämpfen.
Karl Stocker: Darf ich da gleich gröber reingrätschen?
Robert Haidinger: Ein trauriges Sittenbild institutionalisierten DuckDuck mäusertums. Aber so kommen wir nicht weiter. Reden wir besser über Modalitäten von Sozio-Design im engeren Sinne. Während im Produktdesign die Qualität der Langlebigkeit oberste Priorität genießt, ist diese Tugend im Sozio-Design wohl weniger gefragt. Hier geht es vor allem um Flexibilität?
Karl Stocker: Ich habe das Privileg, nicht als Produktdesigner arbeiten zu müssen. Ich darf Studierende ausbilden, ich darf Bücher schreiben, ich darf Vorträge und Workshops halten, ich produziere gelegentlich Ausstellungen und ich werde immer mehr zum Consultant und Evaluator von Projekten. Ich liebe diese Arbeit genau so und ich möchte mit keinem Designer tauschen müssen, der sich im Markt des „Ästhetischen Kapitalismus“ (Gernot Böhme) positionieren muss. Immer wieder die gleichen Waren neu erfinden, ergonomisch aufpäppeln, heute vielleicht noch dazu „green washed“, schade um die Energie. Aber es gibt eben auch die Nachfrage: Ein gut situiertes Publikum, das nicht weiß, wohin mit seinem vielen Geld, kauft solche Produkte gerne als Distinktions- und Repräsentationsobjekte. Diese Tendenzen findet man übersteigert auf internationalen Design Shows in Mailand, London oder anderswo. Produktdesign wandelt sich dort immer mehr zum Kunstgewerbe, das in den Büros und Häusern der ästhetischen Klasse wie ein Museumsobjekt ausgestellt wird.
Robert Haidinger: Gerne doch!
Karl Stocker: Aber sicher. Ich glaub nicht einmal, dass diese Kraft heutzutage nur mehr subversiv ist. Sie war das einmal, aber nun breitet sie sich aus, sie wird allgemein. Weltweit formieren sich Netzwerke von Designer*innen, die die Welt verbessern wollen. Designer*in zu sein ist heute etwas ganz anderes, als es vor 30, 20 oder 10 Jahren war, es beinhaltet ein breites Spektrum von Zugängen, Methoden und Definitionen. Während Designer*innen früher bloß Produkte gestalteten oder grafische Aufgaben erledigten, haben sie sich heute zu Gestaltungsstrateg*innen entwickelt, die durch ihre unterschiedlichen Kompetenzen und interdisziplinären Zugänge gesellschaftliche und ökologische Probleme vielfältigster Art kreativen Lösungen zuführen können.
Robert Haidinger: Gibt es eine subversive Kraft des Sozio-Designs?
Karl Stocker: Ja, klar.
Robert Haidinger: Von Widerständen sprachen wir bereits. Die wichtigste Formel für erfolgreiches Sozio-Design lautet wohl: Schaffung einer Win-win-Situation?
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DESIGN ODER
DESASTER
Robert Haidinger: Sie betonen gerne die Weggabelung „Design oder Desaster?“ Woraus beziehen Sie den Optimismus, dass Design eine Chance gegen das Desaster hat?
Karl Stocker: Aus den „Atlantikschwimmern“ (1978) von Herbert Achternbusch stammt das Zitat „Du hast keine Chance, also nutze sie.“ Ich sehe das genauso. Natürlich weiß ich, dass es 5 nach 12 ist, aber es nutzt nichts, die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun. Und Tatsache ist: Ich sehe rund um mich unzählige Menschen, die sich mit den Problemen der Welt lösungsorientiert auseinandersetzen und an der Rettung der Welt mitarbeiten wollen.
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Karl Stocker: Arno Bammé und sein Team haben schon in den 1980er Jahren den Begriff der „Technologischen Zivilisation“ geprägt, der unsere postindustriellen Gesellschaften sehr gut beschreibt. Die Autoren arbeiten dabei drei zentrale Veränderungsbewegungen heraus, die das qualitativ Neue der aktuellen historischen Situation beschreiben: Erstmals in der Geschichte ist die Menschheit fähig, sich selbst zu vernichten; erstmals in der Geschichte zeichnen sich Möglichkeiten der Veränderung von Natur ab, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die bisherige Abhängigkeit von Natur sich umkehrt in die Abhängigkeit der Natur vom Menschen (inkludiert auch ihre Zerstörung). Und drittens: erstmals in der Geschichte stellen jene Technologien, die unsere intellektuellen Fähigkeiten übernehmen können, unser Verhältnis zu uns selber in völlig neuer Weise zur Disposition. Ich denke also, um zu Ihrer Frage zurückzukehren, es geht nicht um Klugheit oder Dummheit. Wir haben einfach mit Entwicklungen zu tun, auf die wir dringend reagieren sollten!
Robert Haidinger: Nochmal Design oder Desaster: Sie sind gelernter Historiker. Da kennt man Kriege, Revolutionen, Prosperität – Letztere nicht selten auf Basis der Ausbeutung neu dazugewonnener Regionen oder gar Kontinente. Die viel gepriesenen technologischen Weiterentwicklungen verhelfen oft nur zur Atempause und forcierter Zerstörung. Anders gefragt: Waren die letzten klugen Menschen Naturvölker und Indianerstämme?
Karl Stocker: Ich sehe Design gesellschaftlich-inhaltlich definitiv als Instrumentarium, um an der Welt herumzuschrauben. Aber es ist auch festzuhalten, dass Design allein nicht die Welt retten kann. Design ist ein Zugang zu Veränderungen, da braucht es aber doch noch viel mehr dazu, nachhaltige Veränderungen auf den Weg zu bringen.
Robert Haidinger: Fliegen, Nackensteak und SUV sind pfui – aber zugleich hat man das Gefühl: Das ist eine elitäre Haltung weniger, viele Indikatoren weisen in die exakte Gegenrichtung. Wird sich diese Konfrontation künftig zuspitzen? Das zunehmende Auseinanderklaffen von Greta/Verschwendung, von Stadt/ Land, die vielbeschworene Unversöhnlichkeit der Lager, zuletzt gut sichtbar am Phänomen Trump/Demokraten oder Hofer/Van der Bellen. Kann Design einen Dialog einleiten, kann es gar kitten? Oder sollte es lieber Positionen präzisieren?
Karl Stocker: Nicht unbedingt. Das kann ein Beginn sein. Ich zeige Ihnen jetzt etwas dazu: Das sind Bilder von Bänken aus dem öffentlichen Bereich, die ich für meinen Vortrag zum Buch Sozio-Design verwende. Fällt Ihnen etwas auf bei diesen Bänken? Armlehnen in der Mitte verhindern, dass man sich als Obdachlose*r auf die Bank legen kann! Ganz anders die „blaue Bank“ aus einer Vorstadt von Dortmund. Sie fällt in die Kategorie Kommunikationsbank. Wer darauf sitzt, signalisiert vorüberfahrenden Autos: Bitte nehmt mich in Richtung Innenstadt mit. Was ich damit meine: Einerseits kann ich als Sozio-Designer*in durchaus mit ganz geringen Mitteln große Wirkung erzielen. Andererseits geht es aber auch um Haltung: Ohne zu moralisieren, aber als Sozio-Designer*in sollte man Bänke, die gegen Obdachlose designed werden, nicht gestalten. Klar: Mit der Gestaltung von Parkbänken allein ändere ich nicht die Welt. Es muss sich auch gesamtgesellschaftlich etwas tun. Nur mit Kleinprojekten werden wir nicht wirklich am Rad der Geschichte drehen.
Robert Haidinger: Apropos Geld: Weltweit lässt sich ein Trend zu Akkumulation feststellen: Demokratien verwandeln sich in Scheindemokratien und ehemalige Start-ups zu beherrschenden Internet-Giganten. Die Tendenz: immer größere Machtkonzentration in wenigen Händen. Wer den größeren Server hat, gewinnt. Für den Bereich Sozio-Design bedeutet das: David gegen Goliath reloaded. Das ist auch das Prinzip klein und flink gegen riesig. Muss der Fokus auf kleinen, überschaubaren Systemen liegen?
Karl Stocker: Ich denke, indem gutes Design durch Reduktion charakterisiert ist, vermeidet es schon an sich die Förderung von kitschigen Klischees. Aber ich würde sagen, da müsste man andere Gruppen als die Designer*innen bei ihrer Verantwortung nehmen: Schauen Sie sich doch mal am Samstag das Hauptabendprogramm im österreichischen Rundfunk an. Was da etwa im musikalischen Bereich, in sogenannten Unterhaltungssendungen und in Serien an Klischees produziert und präsentiert wird, ist doch unglaublich. Es ist eine mediale Vernebelungsmaschine, die – man muss den Begriff hier leider verwenden – die Verdummung der Bevölkerung vorantreibt. Diese immensen Bildungsdefizite können Designer*innen dann wohl nicht ausbügeln oder wettmachen.
Robert Haidinger: Wo Sie gerade Innenstädte erwähnen: Eine Sonderform der Kommerzialisierung betrifft das Branding von Städten, die wie Marken betrachtet werden. Man könnte das auch als Zumutung bezeichnen, weil es eine platte Verkürzung von höchst komplexen, widersprüchlichen Systemen voller lokaler Besonderheiten ist. Wien ist gleich Sissi plus Klassik – das hat durchaus eine Rückkoppelung. Ist Design auch als Maßnahme gegen die Reproduktion von Klischees denkbar?
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DESIGN ODER
DESASTER
Robert Haidinger: Die UNESCO City of Design Graz ist wohl ein Beispiel für so eine Neuorientierung?
Karl Stocker: Ja. Mit der Kulturhauptstadt Europas 2003, deren Programm unglaublich avanciert aufgesetzt war, wurde Graz auf einmal auch international wahrgenommen. Die damalige Stadtpolitik nahm das als Chance und nutzte sie. Auf einmal wurde z. B. auch wieder gebaut, das Kunsthaus wird nun zu den extravagantesten Gebäuden der Welt gezählt! Hier sind auch die Ursprünge für die Bestrebungen zu finden, Graz in Folge zu einer UNESCO City of Design zu machen.
Robert Haidinger: Kommen wir vom großen zum kleinen Maßstab. Der durchschnittliche Westeuropäer soll Schätzungen zufolge rund 10.000 Dinge besitzen – bei gleichzeitig vielfach leeren Kontoständen. Da stellt sich auch die Frage nach Besitz an sich. Und dahinter: die Frage nach der Psychologie, nach dem Warum. Bedürfnis nach Sicherheit ist eine mögliche Antwort, aber angesichts der vielen nutzlosen Dinge greift sie etwas kurz. Kann Sozio-Design auch ein Gefühl für die Last des Besitzes vermitteln?
Karl Stocker: Ich denke, die Antwort auf die Frage nach dem Warum ist nicht so schwierig. Wir leben in einer kapitalistischen Marktwirtschaft, in der das Konsumieren eine sehr bedeutende Rolle spielt. Was produziert wird, muss auch verkauft, also konsumiert werden. Ziel ist die Erzeugung des „Prosumers“, der das, was er erzeugt, auch mit Freuden selbst konsumiert. Und alles unter dem Motto: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut!“ Das Problem ist nun aber, dass der Reichtum so ungleich verteilt ist, dass viele um ihr Überleben kämpfen müssen, während auf der anderen Seite die immer reicher werdenden Teile der Bevölkerung ihr Geld horten, nicht mehr reinvestieren. Denken Sie an Betongold und leerstehende Wohnungen. Schauen Sie zur Orientierung nach Berlin: Anlegerwohnungen noch und nöcher, nur kann sich die niemand mehr leisten. Daher wurde dort heuer ein Mietendeckel-Gesetz verabschiedet – coole Sache. Vielleicht kennen Sie auch noch die Wohnbausteuer, auch Reichensteuer genannt, mit der im Roten Wien der Zwanziger Jahre der soziale Wohnbau mitfinanziert wurde. Ohne Einschnitte für gewisse gesellschaftliche Gruppen wird es nicht gehen.
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Karl Stocker: Zumindest entstehen vielfältige neue Formen. Die Reaktivierung verlassener Dörfer in Italien oder die bewusste Vermischung von Jung und Alt in alternativen Wohnformen sind Beispiele dafür. Es gibt da weltweit unendlich viele Beispiele, wie man in kleineren Einheiten alternativ arbeiten und leben kann.
Robert Haidinger: Stichwort Berlin: Geht in kleineren Einheiten, etwa auf Gemeindeebene, mehr als auf nationaler Ebene?
Karl Stocker: Brechen wir das auf Graz und auf die UNESCO City of Design herunter. Die Politik ist anscheinend nicht wirklich interessiert an diesen Themen. Man denkt hier noch sehr in den alten Mustern. Das beginnt damit, dass man unbedingt mit dem Auto in die Innenstadt fahren muss. Den Autoverkehr einschränken? Nein, das geht überhaupt nicht, sagt man in Graz, während überall auf der Welt längst Maßnahmen gesetzt werden, um die Innenstädte für die Menschen wieder attraktiver und lebenswerter zu gestalten. Und Sharing Economy und Kreislaufwirtschaft? Auch da heißt es: Nein danke, die Wirtschaft will schließlich verkaufen.
Robert Haidinger: Apropos Ökonomie: Kreislaufwirtschaft und Sharing economy sind nicht neu – aber der große Durchbruch bleibt aus?
Karl Stocker: Doch, das hat sie. Aber man sollte sie auch hegen und pflegen. Wir feiern in Graz 2021 zehn Jahre UNESCO City of Design, aber gegenwärtig habe ich den Eindruck, es geht nicht wirklich viel weiter. Graz ist ja sehr versiert im Titeleinholen: UNESCO City of Design, UNESCO Weltkulturerbe, Literaturhauptstadt, Stadt der Menschenrechte und viele andere mehr. Vielleicht wäre noch der Titel „Selbstvermarktungshauptstadt“ adäquat, weil das ist das Um und Auf der Stadtpolitik. Nichts gegen den Titel Genusshauptstadt, der im Zentrum dieses Marketings steht, aber allein mit Kulinarik werden wir Probleme wie Klima, Leerstand oder Arbeitslosigkeit wohl nicht in den Griff kriegen. Wichtig hier: Es geht mir nicht um Schuldzuweisungen. Man muss nur der Tatsache ins Auge sehen, dass es uns offenbar in 10 Jahren UNESCO City of Design nicht gelungen ist, der Stadtregierung und der Stadtverwaltung nahezubringen, dass Design keine Oberflächenbehübschung ist. Sondern vielmehr eine Möglichkeit, mittels ästhetischer Tools das Leben von Menschen quer durch alle Schichten hinweg zu verbessern.
Robert Haidinger: Hat sich die DesignCommunity denn nicht verbreitert?
Karl Stocker: Und eine Herzlosigkeit, die ich bislang nicht gekannt habe. Aber die Inszenierung der Politik ist nichts wirklich Neues. Von Baudrillard stammt der Ausdruck von der „Wahrheit der Oberfläche“. Er meinte damit, dass im „Ästhetischen Kapitalismus“ die Zeichen keine Referenz mehr haben. Politik funktioniert über das In-SzeneSetzen, über Spektakel und glatte Ästhetik. Sympathisch lächeln und fesch aussehen bringt einfach mehr Wählerstimmen als ein konkretes Ansprechen gesellschaftlicher Problemzonen.
Robert Haidinger: Das Thema Informationsdesign fällt auch in Ihren Bereich. Die Türkisen sind in diesem Zusammenhang verhaltensauffällig: Anstelle von Information tritt die Inszenierung.
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DESIGN ODER
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Robert Haidinger: Aber wir finden trotzdem einen besseren Schlusssatz?
Karl Stocker: Der Schlusssatz ist kein Satz, sondern besteht aus mehreren Sätzen: Ja, die „Power of Design“ kann die Welt verbessern. Und ich bin auch überzeugt, dass Geld, Regierungen oder Wissenschaft komplexe globale Probleme nicht alleine lösen können. Aber ob die „frischen Ideen, alternativen Strategien und provokativen Gedanken“ einer kritischen Designgemeinschaft (Zitat aus dem Programm des globalen Festivals „What Design Can Do“ 2019) ausreichen werden, um den Planeten zu verändern, da bin ich mir nicht sicher. Ohne radikale Maßnahmen wird dies kaum möglich sein. Mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung haben die Vereinten Nationen eine klare Position dazu eingenommen, was weltweit geschehen muss und wie die Welt bis 2030 verändert werden sollte. Wir wissen jedoch, dass es starke wirtschaftlich-politische Interessen gibt, die derzeit die notwendigen Reformen blockieren. Deshalb hängt alles von der Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Designer*innen, Aktivist*innen und letztlich der gesamten Gesellschaft ab. Manche davon müssten wohl nachdrücklicher motiviert werden. Aber wie gesagt: Design oder Desaster. Wir müssen uns entscheiden.
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A CITY FULL OF DESIGNERS Dass Orte ihre Besonderheiten haben und weiter entfalten, ist kein Geheimnis. In Graz schufen Literatur, Musik, Film, Kunst und nicht zuletzt die Grazer Schule der Architektur über Jahre und Jahrzehnte Grundlagen für ein tolerantes Kulturklima. Der US-Ökonom Richard Florida hält die „kreative Klasse“ für einen maßgeblichen Faktor, von der insbesondere Städte in ihrer Entwicklung profitieren, sobald sie sich ihnen öffnen. Wie man die Kreativen am besten entdeckt, hegt und fördert, ist seither international in vielen Programmen evaluiert und erprobt worden. Florida setzt dabei nicht nur auf Toleranz, Technologie und Talent, sondern auch auf eine „kreative Bohème“, wobei man über die Bedeutung des Kaffeehauses als Geburtsort von Kultur in Österreich ohnehin nicht spekulieren muss. Spricht man mit Protagonistinnen und Protagonisten der heutigen Design- und Architekturszene sowie der Kreativwirtschaft, dann sind da Zwischentöne zu hören, die Verständnis für Grenzen und Verbindungen erkennen lassen. Das Leben in der Region und mit den umgebenden Regionen beruht heute auf Austausch und gegenseitigem Vertrauen. Es unterscheidet sich von dem, was mental vor den 1960er Jahren vorherrschend war. Nämlich einer Idee von Abgrenzung und Überlegenheit, der Vorstellung, Vorposten oder gar Bollwerk in einem Randgebiet zu sein. Was die Kreativwirtschaft angeht, sind solche Konzepte undenkbar, wie wenig sie das Leben verbessern helfen, ist einer überwiegenden Mehrheit heute bewusst. Und dennoch, die Älteren wissen’s noch, basiert die kulturelle Blüte in Graz auch auf der schroffen, oftmals radikalen, jedenfalls kritischen Auseinandersetzung mit dem, was vorher war.
Die Auszeichnung
TEXT: THOMAS EDELMANN
Was die UNESCO City of Design für Designer bedeutet
breit gemacht. Gerade noch war die Stadt an der Mur 2003 als Kulturhauptstadt Europas ins öffentliche Bewusstsein gerückt, „da entstand plötzlich ein Loch“, erinnert sich die Architektin Marion Wicher. Man wollte aber daran anknüpfen, da das Kulturhauptstadtjahr „so viele positive Impulse brachte, auch im internationalen Bild.“ Graz, resümiert sie, sei eine Kleinstadt, die „sehr vielfältige Qualitäten“ habe, vor allem hinsichtlich Design und Architektur. „Und nachdem
»UNESCO City of Design ist ein Langzeitprojekt, ›wo man wirklich jedes Jahr Erneuerung liefern muss‹.« MARION WICHER ich aus diesem Feld komme und sehr viel international unterwegs bin“ – nach ihrem Abschluss an der TU Graz erwarb sie ihren Master an der Columbia University in New York und arbeitete in verschiedenen Ländern Europas –, „war mir das hohe Potenzial immer klar.“ Wicher entdeckte nach dem Kulturhauptstadtjahr „durch Zufall und im Internet“, wie sie sagt, das Programm der Creative Cities und die Möglichkeit, sich als City of Design bei der UNESCO zu bewerben. „Gemeinsam mit Heimo Lercher habe ich ein Programm formuliert, das wir dann auf eine politische Ebene gehoben haben.“ Lercher ist ein bestens vernetzter Unternehmensberater, Kulturanthropologe und Journalist. 2007 wurde mit dem erfahrenen Kulturmanager Eberhard Schrempf an der Spitze die Creative Industries Styria (CIS) geschaffen, eine passende Organisation, um die Bewerbung bei der UNESCO voranzutreiben, die 2011 zum Erfolg führte. Doch die Auszeichnung als City of Design ist keine Trophäe, mit der man sich ohne weitere Konsequenzen schmücken könnte. Sie verlangt konsequentes und kontinuierliches Engagement. Als eines der Ziele der Cities of Design, hat die UNESCO definiert, solle ein Städtenetzwerk entstehen, „das eine menschengerechte und nachhaltige Stadtentwicklung mit dem Treibmittel der Kreativität fördert.“ Es sei eines der wenigen UNESCO-Projekte, macht Marion Wicher deutlich, „wo man wirklich jedes Jahr Erneuerung liefern muss.“ Denn es ist ein Langzeitprojekt, in das laufend Geld und Energie investiert werden müsse, damit man überhaupt dabei sein kann. „Man muss zeigen, was die Stadt weitergebracht hat über die Jahre“, betont Wicher. Und nicht nur das: Es wird auch überprüft, ob man die Regeln einhält. „Zunächst war die Stadt überrascht“, erinnert sich Eberhard Schrempf, dass sie den Titel tatsächlich erhalten habe. „Dann hat man verstanden, dass es nicht so sehr ein Titel oder eine Auszeichnung ist, sondern ein Auftrag“, seither sei es Ziel vielfältiger Aktivitäten, den „Design-Gedanken in die letzten Haarspitzen und in die DNS der diversen Abteilungen der Stadt hineinzudiffundieren. Und in diesem Prozess stecken wir nach wie vor.“ Schrempf ist niemand, der sich nach einer ereignisreichen Dekade in der UNESCO City of Design auf seine Erfolge besinnt und sich mit dem Erreichten zufriedengibt. Was ihn wurmt, ist, dass es nicht gelungen sei, das Thema „Was kann Design für die städtische Entwicklung eigentlich leisten?“ auf eine überparteiliche Ebene zu bringen. Seinem Ideal würde entsprechen, dass sich ein breiter Designbegriff auch in Parteien und Verwaltung durchsetzen würde. Marion Wicher sieht das durchaus anders.
Seit nunmehr zehn Jahren gehört Graz zu einer Gruppe von derzeit 40 Städten weltweit, die sich UNESCO City of Design nennen dürfen. Zugleich gehören die Designstädte dem Netzwerk der Creative Cities der UNESCO an, das circa 270 Orte umfasst. Anfang der 2000er Jahre hatte sich bei Grazer Kreativen eine melancholische Grundstimmung
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So ist sie in der Altstadt-Sachverständigenkommission aktiv, wo es um das Weiterbauen in der Altstadt geht. „Alt kombiniert mit neu, damit die Stadt nicht stirbt oder lediglich als Museum konserviert wird“, wie es in vielen Gegenden in Österreich passiere. Aufgabe der Kommissionstätigkeit sei es, die Stadt „am Leben zu erhalten und zu unterstützen.“ Und das werde „immer leichter“, da es von den Bewohnerinnen und Bewohnern sehr gut angenommen werde.
Die Stadtlandschaft
„Graz ist ein guter Ort zum Leben“, sagt Architekt Martin Lesjak. 1999 gründete er hier mit Peter Schwaiger das Unternehmen Innocad Architecture, das in allen Segmenten von Architektur und Innenarchitektur zu Hause ist und eine Vielzahl internationaler Auszeichnungen erhielt. Anastasija Lesjak, geborene Sugic, ist Ärztin und Modedesignerin und Geschäftsführerin der Firma 13&9 Design. Mit dem Architekturunternehmen ihres Mannes ist sie eng vernetzt. Im Rahmen eines von der Creative Industries Styria initiierten Projektes arbeiteten beide erstmals zusammen und bündelten ihre kreativen Kräfte. Die Lesjaks haben eine Arbeitsweise entwickelt, die sie transdisziplinär nennen. Für Projekte in Architektur und/oder Design wird dabei nicht einfach ein Expertenteam zusammengestellt. Vielmehr geht es darum, zwischen fachlicher Eignung und thematischer Involviertheit switchen zu können. Architekten beteiligen sich ebenso am Produktdesign, wie Modedesigner Input zu Interior oder Architektur beisteuern. Somit manifestiert sich in ihrem Schaffen ein fließender Übergang zwischen unterschiedlichen Kreativbereichen.
»Es war richtig, sich nicht vorwiegend auf das ästhetische Merkmal Design zu beziehen, sondern sich auf Kreativität und Innovation zu fokussieren.« ANASTASIJA LESJAK
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die er als „Champion des Interdisziplinären“ beschreibt, mehr von außen beeinflusst ist. „Wir suchen spezielle Unternehmen bestimmter Größenordnungen, denen wir nachhaltig und langfristig helfen können“, umreißt er den idealen Auftraggeber. Zu den langfristigen Partnern gehört beispielsweise LinkedIn, für die Parkside Software entwickelt. Für die geforderte agile Software-Entwicklung ist die
»Wir suchen spezielle Unternehmen bestimmter Größenordnungen, denen wir nachhaltig und langfristig helfen können.« SYROUS ABTINE Verbindung von User Experience und Gestaltung maßgeblich. Ganz anders als in anderen Designfeldern. Und doch: „Etwas zu designen, das man nachher auch umsetzen muss, da informieren und beeinflussen die Disziplinen einander.“
Überschaubarkeit
Der Industrial Designer Benjamin Pernthaler betreibt mit seinem Vater, dem Architekten Markus Pernthaler, das Studio Zweithaler. Womöglich hänge die Nachbarschaftshilfe unter Kreativen auch mit der Überschaubarkeit von Szene und Stadt zusammen. Er beschreibt es ganz pragmatisch: „Mit einer Neidkultur wäre keinem geholfen, keiner macht dem anderen die Kunden abspenstig.“ Lieber verständigt man sich über technische Details, unterhält sich über mögliche Kooperationen oder darüber, wie man Preise vernünftig verhandelt. „Für unser Studio“, sagt Pernthaler pragmatisch, biete die City of Design „mit dem Designmonat und den übrigen Veranstaltungen rundherum, die die Creative Industries Styria organisiert, eine Gelegenheit, potenzielle Kunden kennenzulernen.“ Über mehrere Ecken sei dank der Grundlagenarbeit der Creative Industries Styria auch ein Auftrag entstanden. Im Holzcluster Steiermark ist
Entsprechend lobt Anastasija Lesjak den ganzheitlichen Designansatz der Creative Industries Styria und der City of Design Graz. „Es war richtig, sich nicht vorwiegend auf das ästhetische Merkmal Design zu beziehen, sondern sich auf Kreativität und Innovation zu fokussieren.“ Dadurch, ergänzt sie, gehörten mittlerweile viele Unternehmen zum Netzwerk. Von manchen würde man auf den ersten Blick meinen, sie hätten nicht viel miteinander zu tun. „Doch sie finden im Netzwerk ihre Anknüpfungspunkte.“ Die reichen von neuen Möglichkeiten der Produktion über die Suche nach neuen Materialien bis zu verschiedensten Kooperationen. Anastasija Lesjak schätzt an der Grazer Kreativwirtschaft besonders die kurzen Wege sowie das verbreitete Grundvertrauen. „Man kennt sich untereinander sehr gut, man tauscht sich aus, man ist sehr hilfsbereit. Die sonst oftmals lange Phase des Kennenlernens und des Vertrauensaufbaus braucht man hier nicht unbedingt. Man möchte sich gegenseitig unterstützen und man will gemeinsam wachsen.“ Auch andere Kreative berichten von Erlebnissen, die auf vielseitigen Aktivitäten der Creative Industries Styria basieren. „Da kommen Aufträge, da wird ein Netzwerk geschaffen“, sagt Syrous Abtine, Geschäftsführer und Chief Creative Officer der Softwareentwickler Parkside. Als verbindend sieht er eine gemeinsame „Liebe fürs Design an sich“ bei den Akteuren in der City of Design. „Das Mindset initiiert etwas, auch bei uns“, unterstreicht er. Auch wenn seine Firma,
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das Studio in eine Reihe von Projekten involviert. Da geht es um neue Fertigungsmöglichkeiten zusammen mit Tischlerbetrieben, die aus dem klassischen Handwerk kommen und heute mit Maschinen- und Roboterunterstützung arbeiten. Auch Industriedesign-Projekte im Lichtbereich, die das Studio entwickelt, finden in der City of Design eine gute Resonanz. „Wird der Standort interessanter“, fasst Pernthaler zusammen, „bedeutet das für uns ein erweitertes Geschäftsfeld. In einer Stadt, die zunehmend für Design bekannt wird, hat man als Designer einen erweiterten Markt.“
»Wird der Standort interessanter, bedeutet das für uns ein erweitertes Geschäftsfeld. In einer Stadt, die zunehmend für Design bekannt wird, hat man als Designer einen erweiterten Markt.« BENJAMIN PERNTHALER Rausgehen, um zurückzukommen
„Wenn man einen Außenbezug hat“, sagt Martin Lesjak, der im New Yorker Stadtteil SoHo ein Zweigbüro betreibt und viele internationale Projekte realisiert, „dann ist es eigentlich ideal. Wären wir nur in Graz, wäre es vielleicht weniger charmant.“ In Zeiten weltweiter Vernetzung muss Provinz kein Nachteil sein. Im Design stammen relevante Neuerungen ohnehin nicht aus den Groß- und Hauptstädten, sondern feiern dort ihren öffentlichen Durchbruch. Man denke nur an das Bauhaus in Weimar oder Dessau oder die Hochschule für Gestaltung in Ulm, die im 20. Jahrhundert Design auf die internationale
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Landkarte brachten. „Man holt sich den Input der großen Welt, der ein bisserl woanders herkommt – eine herrliche Balance“, schwärmt Martin Lesjak. Großstädter verspüren diesen Druck, den Lehrjahren Wanderjahre folgen zu lassen, weit weniger. Sie halten ihren Lebensort dann leicht für den Nabel der Welt, „ihnen fehlt der Ansporn, sich das andere außerhalb zu suchen.“
»Wenn man einen Außenbezug hat, dann ist es eigentlich ideal. Wären wir nur in Graz, wäre es vielleicht weniger charmant.« MARTIN LESJAK Antastasija Lesjak hebt die Bedeutung der Stadt für Besucherinnen und Besucher hervor, die sich für Design und Architektur interessieren. Seit ihr Bekanntheitsgrad international steigt, gehören dazu auch Auftraggeber, die die Firmen der Lesjaks in Graz aufsuchen: „Viele sind begeistert.“ Das liege an der „Mischung aus historischem Content, den wir in Graz haben und pflegen, und dazu kommen die zeitgenössischen Aktivitäten unserer Community.“
Perspektiven
Eberhard Schrempf sieht es als eine der Kernaufgaben, den Playern in der Stadt die „entsprechende Sichtbarkeit“ zu geben. Was wünscht sich Schrempf für die weitere Entwicklung der City of Design Graz im Netzwerk der kreativen Städte der UNESCO? Die Wunschliste ist präzise und anspruchsvoll: „In der städtischen Entwicklung sollte man stärker und mutiger auf Designprozesse vertrauen“, erhofft er sich. Das gelte für die Entwicklung des öffentlichen Raumes, die verschiedenen Services sowie für die Stadtplanung. Damit die besten Kreativen, „die es können, es auch machen“, sollen Ausschreibungen entsprechend transparent sein. Auch die Auslober müssten Fantasie entwickeln: „Im Text der Ausschreibung sollte die Vision entsprechend formuliert sein, sonst wird man nie bekommen, was man sich erwartet.“ Auch an die politische Sphäre hat er Wünsche, die allerdings kaum erfüllbar erscheinen: Nicht um jede geplante Ausgabe zum Thema eine „Schlacht oder ein Gemetzel“ zu veranstalten, sondern im Sinne des UNESCO-Mottos die „menschengerechte und nachhaltige Stadtentwicklung mit dem Treibmittel der Kreativität“ zu fördern. Ein tolles Programm für die kommenden zehn Jahre.
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KUNST VERSUS DESIGN
Im Entwurfsprozess bedienten sich Itshe und Io gleichermaßen künstlerischer und klassischer Designstrategien: „Über Monate haben wir in Workshops in unserem Atelier gemeinsam mit der Usergroup das Design der künftigen Räume erarbeitet. Wir wollten die Menschen, die dort arbeiten, mit in die Entscheidungen einbinden“, erklären die beiden. Im Atelier entstanden Mock-ups der Ideen in Originalgröße, sie begleiteten den gesamten Changeprozess und sie selbst wurden als inszenierte Charaktere zum menschlichen Gesicht der Veränderung. Im Selbstverständnis eher Künstler als Designer, tragen Itshe und Io seit drei Jahren täglich das gleiche Outfit – vom Hut bis zur Tasche. „Über diese Verdoppelung schaffen wir viel Auffälligkeit, aber auch Angriffsfläche“, erzählen die beiden.
Selbstinszenierung als Design-Strategie TEXT: BETTINA KR AUSE
Synergien aus dem Besten beider Welten
Experimentelle Methoden
„Ich hab immer versucht, das Werk im Raum zu denken und nicht ‚nur‘ bildende Kunst zu machen“, erklärt Io Tondolo, der Malerei studiert hat und gemeinsam mit Itshe Petz als Künstler-Duo die SelfSightSeeingCompany bildet. Im Mittelpunkt von Itshes Interesse steht der Mensch – er studierte Kunsttherapie und Kunstpädagogik. „Ich beschäftige mich mit Performancekunst und Selbstinszenierungen und kreiere Räume, in die ich mich und andere hineininszeniere“, so Itshe. Jüngst waren die beiden Künstler beauftragt, für ein Grazer Traditionsunternehmen, das seit über 100 Jahren in einem altehrwürdigen Gebäude saß, in einem Neubau zeitgemäße Büroräume zu schaffen. Gemeinhin eine klassische Aufgabe für Designer.
»Ich hab immer versucht, das Werk im Raum zu denken und nicht ›nur‹ bildende Kunst zu machen.« IO TONDOLO
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Für den herausfordernden Designprozess entstand die Idee, diese Aufgabe insgesamt als Inszenierung zu betrachten, indem beide als Künstler plakativ in Erscheinung treten. Das Resultat war überwältigend. Eine interne Umfrage ergab, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren neuen Räumen sehr zufrieden sind. „Vielleicht muss man Kunst und Design nicht jeweils in eine Schublade stecken“, sagen Io und Itshe. „Für uns ist es ein erweiterter gestalterischer Raum, in dem wir agieren, in dem es für uns keine Grenzen gibt. Grenzen werden uns von außen gesetzt. In unserem Denken und Bestreben gibt es diese Schubladen nicht, sondern alles ist miteinander verbunden“, so die Künstler.
»Vielleicht muss man Kunst und Design nicht jeweils in eine Schublade stecken [...] Für uns ist es ein erweiterter gestalterischer Raum, in dem wir agieren, in dem es für uns keine Grenzen gibt. Grenzen werden uns von außen gesetzt.« IO TONDOLO & ITSHE PETZ Ihr Arbeitsprozess verdeutlicht, dass ihre innovative künstlerische Denk- und Handlungsweise den Design-Prozess beeinflusst und dieser auch auf die Kunst zurückwirkt. „Das Denken verändert sich, die Handhabung von Materialien. Wir haben versucht, das Gebäude als Leinwand, als Erfahrungsraum, als Ausstellungsraum zu sehen. Das würde verloren gehen, wenn wir nur noch Designprojekte machten. Und umgekehrt, wenn wir uns nur noch mit Kunst beschäftigten, gingen uns auch viele Blickwinkel verloren“, so Itshe. Für die Self SelfSightSeeingCompany wird der ideale Design-Prozess durch künstlerische Impulse optimiert.
Von der Steiermark in die Welt
Die Verbindung der beiden Künstler zur Steiermark ist ebenfalls wichtig für das Duo. Nicht nur haben sich die beiden hier kennengelernt, sie bauen hier derzeit auch ein ehemaliges Gasthaus als ihr neues Zuhause mit Showroom, Galerie, Pop-up-Restaurant, Gästezimmern, Werkstätten und Ateliers um. Damit soll ein Ort in der Steiermark entstehen, der Künstler und Designer gleichermaßen anspricht, die dort Workshops machen, Konzepte erarbeiten und sich erholen können. Wo Veranstaltungen zu Kunst und Design statt-
© GEOPHO
Über den sich selbst verwirklichenden Künstler und den profitorientierten Designer bestehen seit jeher Klischees. Dennoch bedienen sich beide Professionen ähnlicher kreativer Strategien und bringen oft Einzigartiges hervor. An der Schnittstelle der Disziplinen agieren immer mehr innovative Akteure, die sich aus beiden Richtungen bereichern und sich nicht in altgewohnte Schubladen stecken lassen. Mit ihrer SelfSightSeeingCompany setzen etwa die beiden Künstler Io Tondolo und Itshe Petz Kunst- und Design-Projekte um und begreifen das Zusammenspiel der unterschiedlichen Einflüsse als Basis ihrer Arbeit. Alice Stori Liechtenstein bietet in ihrem Schloss Hollenegg for Design jungen Designern Residencies, zudem kuratiert sie Ausstellungen der dort entstehenden Design-Objekte, die sich kaum von künstlerischen Werken unterscheiden. Die Arbeit von Io, Itshe und Alice offenbart das große Potenzial der Schnittstelle aus Kunst und Design und reflektiert, wie sich die Kreativ-Power der Steiermark noch weiter steigern ließe.
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finden. „Menschen aus der ganzen Welt sollen herkommen“, erklärt Io. Der internationale Austausch über die Steiermark hinaus sei auch mit Hilfe des Netzwerks der Creative Industries Styria spannend, das mit anderen Kreativ-Netzwerken weltweit verbunden ist. „Das ist großartig“, finden Io und Itshe, die sich selbst als Weltbürger bezeichnen. „Denn der Horizont sollte nicht an der Grenze der Steiermark aufhören, sondern möglichst weit gesteckt sein.“
Ein Schloss als Inspirationsquelle
Auch für die in der Steiermark lebende Designkuratorin Alice Stori Liechtenstein ist der internationale Austausch zwischen der Steiermark und der Welt ein wesentlicher Aspekt ihrer Arbeit. 2015 gründete die gebürtige Italienerin im Schloss Hollenegg, das sie selbst auch bewohnt, eine Design Residency. „Mir war es damals wichtig, dem Schloss wieder Leben einzuhauchen. Meine Idee war es, hier aufstrebende junge Designerinnen und Designer zu unterstützen und ihnen damit eine Plattform zu bieten“, erklärt die Innenarchitektin.
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lässt sich an den entstandenen Werken schwer ablesen, ob es sich um ein Designstück oder um ein Kunstobjekt handelt. „Die Mentalität von Designern und Künstlern ist oft sehr unterschiedlich“, betont Alice. „Der Designer braucht in der Regel für seine Arbeit einen Input von außen. Während sich der Künstler an dem Bedürfnis abarbeitet, sich selbst zum Ausdruck zu bringen, ist der Designer pragmatischer. Er möchte etwas verbessern, ein Problem lösen oder den Auftrag eines Kunden erfüllen“, so Alice. Die Abgrenzung zur Kunst bleibt dennoch schwierig. Ihrer Erfahrung nach möchten die jungen Menschen, die zu ihr auf das Schloss kommen, nicht definieren, was sie genau tun, denn sie fühlen sich zwar als Designer, das Ergebnis ist aber oft eines zwischen Design- und Kunstobjekt.
Steiermark im internationalen Austausch
Jedes Zimmer ihres Schlosses ist ausgestattet mit prunkvoller Kunst und mit außergewöhnlichen Möbeln, die eine spannende Inspirationsquelle für junge Designerinnen und Designer bieten, die für einige Wochen auf das Schloss eingeladen werden. In einer jährlichen Ausstellung werden die Ergebnisse der Öffentlichkeit gezeigt und oftmals
»Es ist weniger so, dass wir die Steiermark in die Welt bringen – vielmehr laden wir die Welt in die Steiermark ein. So entsteht der inspirierende Austausch und wir sind sehr daran interessiert, noch mehr mit internationalen Partnern zu kooperieren.« ALICE STORI LIECHTENSTEIN
Neben dem Schloss ist ein von Alice vorgegebenes Thema Inspiration für die Kreativen, das in engem Zusammenhang mit dem Schloss steht. In den vergangenen Jahren standen etwa „Langsamkeit“, „Metamorphose“ oder „Walden“ im Fokus. Dennoch seien die entstehenden Produkte nicht automatisch typisch steirisch, findet Alice, da die Objekte und Kunstwerke im Schloss aus der ganzen Welt stammen. Während die Produktion der Objekte wie bei der SelfSightSeeingCompany weiterhin in der Region stattfinden soll, ist auch für Alice der internationale Austausch ein großes Anliegen. „Es ist weniger so, dass wir die Steiermark in die Welt bringen – vielmehr laden wir die Welt in die Steiermark ein. So entsteht der inspirierende Austausch und wir sind sehr daran interessiert, noch mehr mit internationalen Partnern zu kooperieren“, so Alice.
»Der Designer braucht in der Regel für seine Arbeit einen Input von außen. Während sich der Künstler an dem Bedürfnis abarbeitet, sich selbst zum Ausdruck zu bringen, ist der Designer pragmatischer. Er möchte etwas verbessern, ein Problem lösen oder den Auftrag eines Kunden erfüllen.« ALICE STORI LIECHTENSTEIN Selbstverständnis und Identität
© FEDERICO FLORIAN
Im Selbstverständnis der Steiermark sei das Design als treibende Kraft noch nicht vollends verankert, jedoch beobachtet Alice spannende Impulse. „Es ist nicht der Fall, dass man Design aus der Steiermark als solches erkennt wie früher das Scandinavian Design. Eine nationale oder regionale Identität gibt es generell in diesem Bereich nicht mehr“, so Alice. Die Designkuratorin stellt jedoch fest, dass in der Steiermark immer mehr Orte entstehen, an denen sich die Kreativen wohlfühlen, die wiederum attraktive Firmen und Branchen anziehen, die Kreative suchen. Idealerweise entwickeln laut Alice dann auch kleinere, alltägliche Businesses ein ausgeprägtes Design-Verständnis, optimieren ihre Corporate Identity, gestalten ihr Geschäft attraktiv, sodass letztendlich die gesamte Region davon profitiert. Und Alice ist optimistisch: „Ich denke, das ist genau das, was gerade in der Steiermark passiert.“
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Die Kreativwirtschaft kann als Motor und Herz der Stadtentwicklung fungieren. Auch in Graz gibt es Akteure der Creative Industries, die sich mit guten Ideen für neue Quartiere auf die grüne Wiese wagen. Stellen Sie sich vor, Sie müssten nach Manchester, Detroit oder Turin übersiedeln. Begeistert? Noch vor 30 Jahren hätten Sie da wohl eher die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Heute sieht es anders aus und das liegt nicht in erster Linie an Politik und Finanzindustrie, sondern vor allem an Kultur und Kreativität. Manchester, die Industriemetropole des 19. Jahrhunderts, erlebte nach Jahrzehnten des brutalen Niedergangs dank seiner Musikszene einen Aufschwung, der bis heute anhält. Die Motor City Detroit war am Tiefpunkt angelangt, ganze Stadtviertel verschwanden, bis sie in den letzten Jahren von experimentierfreudigen Pionieren wiederentdeckt wurde. Die Fiat-Metropole Turin hat sich aus dem Schatten des mondänen Mailand befreit und auf Basis der eigenen Tradition des Machens und Herstellens eine neue Designkultur etabliert. Der US-Ökonom Richard Florida hat dieses Phänomen in seinen Büchern The Rise of the Creative Class (2002) und Cities and the Creative Class (2004) beschrieben und wurde dadurch zum Propheten der Wiedererweckung. Bald wollte jede darbende Großstadt zum neuen San Francisco werden und Start-ups, Designer, Künstler, Filmemacher und Ideengeber anlocken. Das funktionierte nicht immer, denn es gibt kein Patentrezept, auch wenn man Floridas „T“s befolgt: Talent, Toleranz, Technologie. Auch Eberhard Schrempf weiß, wie eng Creative Industries mit der Stadtentwicklung verknüpft sind. Der Geschäftsführer der Creative Industries Styria (CIS) ist weltweit unterwegs, seit 2011 ist Graz eine der weltweit 40 UNESCO Cities of Design. „Städte mit Designtradition wie Kopenhagen und vor allem Helsinki haben das Design auf städtischer Ebene strategisch und konsequent implementiert. In Frankreich hat Saint-Étienne, großgeworden mit Kohle und Waffenproduktion, sich mit Design neu erfunden und die Stadtplanung in eine stadteigene Agentur ausgegliedert. Das halte ich für eine gute Strategie, weil man so langfristig planen kann und nicht von Amtsperioden abhängig ist.“
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TEXT: MAIK NOVOTNY
Aber welche Rolle spielen die Creative Industries in der Stadt heute? Hier gilt es zu unterscheiden zwischen der gewachsenen Stadt und den Stadtentwicklungsgebieten. In Ersterer bestehen schon die Netzwerke, die Hochschulen, die Kultureinrichtungen, in den Letzteren muss all dies auf der „grünen Wiese“ hergestellt werden. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wer genau in der Stadtentwicklung eigentlich die „Creative Industries“ sind.
Fragen wir also die Protagonisten und Experten! Experte Nummer eins: Karlheinz Boiger. Boiger Er ist hauptberuflich Architekt im Grazer Büro Hohensinn Architekten, aber arbeitet „hobbymäßig“ in einem Kollektiv (Breathe Earth Collective) mit Landschaftsarchitekten, Künstlern, Soziologen und Wissenschaftlern an neuen Verbindungen von Pflanzen und Architektur. 2014 war das Kollektiv mit dem Pavillon breathe.austria auf der EXPO Mailand vertreten. Für das Kulturjahr 2021 in Graz entwickeln sie einen Hybrid aus Architektur und Wald am Freiheitsplatz, der mit Programmen zum Thema „Klimakultur in der Stadt“ bespielt werden wird. Wie definiert also Karlheinz Boiger den Begriff „Creative Industries“? „Früher hat man Innovationen automatisch mit Produkten und Unternehmen assoziiert. Das hat sich, dank der Creative Industries Styria, geändert: Man sieht Produktinnovationen als Leistung einer Kreativwirtschaft, die via Design und Wissenschaft eine Wertschöpfung generiert, die auch regional einen großen Wirtschaftszweig darstellt. Da dies oft Kleinunternehmen und Ein-Personen-Büros sind, hatten
»Früher hat man Innovationen automatisch mit Produkten und Unternehmen assoziiert. Das hat sich, dank der Creative Industries Styria, geändert: Man sieht Produktinnovationen als Leistung einer Kreativwirtschaft, die via Design und Wissenschaft eine Wertschöpfung generiert, die auch regional einen großen Wirtschaftszweig darstellt.« K ARLHEINZ BOIGER sie im Vergleich zur Industrie lange Zeit kaum eine Lobby. Die Nutzung dieses Netzwerks obliegt in erster Linie der Branche, und sie nutzt es auch immer mehr. Früher war es in der Designbranche unüblich, gemeinsam aufzutreten und Cluster zu bilden. Der Bewusstseinswandel hat Zeit gebraucht, aber heute gibt es viele Kooperationen.“
© SIMON OBERHOFER
DAS URBANE KULTIVIEREN
Graz hatte das Glück, nie auf einem Tiefpunkt angelangt zu sein und sich dramatisch neuerfinden zu müssen. Eine Verwandtschaft sieht Schrempf daher eher zu anderen „Second Cities“ wie dem kanadischen Montreal, das seit 2002 das Event- und Ausgehviertel Quartier des Spectacles etabliert hat. „In Graz haben wir den kulturellen Schwerpunkt mit dem Forum Stadtpark, dem steirischen herbst und der Kulturhauptstadt Europas 2003 kontinuierlich aufgebaut. Danach kam das Thema Creative City dazu. Dabei ging es weniger um das Label, sondern um ein ernsthaftes Bekenntnis zu Kreativität und Design.“
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Wie funktionieren die Creative Industries in einer Stadt mit der Größenordnung von Graz? Gibt es Quartiere oder Cluster, wo sie sich konzentrieren, oder sind sie verteilt? Fragen wir Experten Nummer zwei, den international erfolgreichen Grazer Architekten Thomas Pucher. „Ich denke, dass eine Stadt wie Graz ungefähr drei solche Quartiere vertragen könnte“, sagt er. „Es gibt mit dem Areal um Kunsthaus und Lendplatz schon einen Ansatz dafür, wobei in der geschützten Altstadt Produktionsstätten für Künstler nur schwer umsetzbar sind und inzwischen die Gastronomie die Erdgeschoßzonen besetzt.“ Was natürlich nicht bedeutet, dass für die Kreativwirtschaft in der Innenstadt kein Platz mehr wäre. Denn sie ist auf vielerlei Art präsent. Zum einen mit ihren Arbeitsplätzen, Werkstätten und Büros, zum anderen mit ihren Produkten und Projekten. Oder um es noch einfacher zu sagen: mit dem Ort ihrer Arbeit und mit den Ergebnissen ihrer Arbeit. In klassischen Künstlervierteln, in denen sich Ateliers, Künstlerwohnungen und Galerien aneinanderreihen, oder in Quartieren mit handwerklicher Tradition und Werkstätten, die für Kleinunternehmer leistbar sind, fällt beides zusammen. Wie sollen Creative Industries also in der Stadt sichtbar sein? Braucht Graz ein „Designquartier“? „Oh, das wäre toll!“, sagt Thomas Pucher. „Für den Anfang würden ein paar Designhäuser oder Werkstätten aber schon reichen. Ein Design-Cluster wäre aber für die Stadt schon ein gewaltiger Gewinn, auch für die internationale Wahrnehmung und Vernetzung.“ Dabei geht es nicht nur um die Nutzung von Gebäuden, sondern auch um den öffentlichen Raum, wie Karlheinz Boiger betont, gerade wenn man wichtige Botschaften vermitteln will. „Wir müssen schnell sein im Überzeugen der Entschei-
DAS URBANE
KULTIVIEREN
ber auf Nummer sicher und bemühen sich um solvente Ankermieter, anstatt sich wilde Kreative oder Start-ups ins Haus zu holen. Doch noch ist vieles möglich in Reininghaus, und auch Karlheinz Boiger und Thomas Pucher, von dessen Büro Atelier Thomas Pucher der Masterplan für Reininghaus stammt, mischen hier mit. Wie lockt man die Akteure der Creative Industries also am besten in neue Stadtteile? „Es ist eine Frage der Mischung“, sagt Pucher, „denn auch die Kreativen sind ja bunt gemischt. Man bräuchte ein kulturelles Leuchtturmprojekt, dazu Werkstätten, Labors, Ateliers, ein Hotel, Gastronomie und viele günstige Wohnungen. Ganz wichtig ist eine hohe, offene Erdgeschoßzone für maximale Nutzungsflexibilität.“ Auch Karlheinz Boiger hat beim Entwurf für die zentrale Achse von Reininghaus viel über Erdgeschoßzonen diskutiert, die einen wichtigen Möglichkeitsraum für kleine Unternehmen, Ateliers und Geschäfte darstellen. „Das sind ideale Orte für die Creative Industries, denn eine Stadt auf der grünen Wiese muss gut durchmischt sein.“
»Wenn man die Design-Studiengänge der FH JOANNEUM Graz in Reininghaus ansiedelt, hätte man auf einen Schlag Hunderte von Menschen, die sofort einen Impuls für den Stadtteil liefern.« EBERHARD SCHREMPF Und die Kreativen wären nicht Kreative, wenn sie nicht selbst auch die Sache in die Hand nähmen. Schließlich sind sie nicht darauf angewiesen, sich alles perfekt bis ins Detail auf den Leib schneidern zu lassen, sie brauchen Freiräume und Aneignungsflächen. Das Gebäude der ehemaligen Tennenmälzerei in Reininghaus ist das Paradebeispiel für eine solche Eigeninitiative. Seit Oktober 2014 bemüht sich die Gruppe „Stadtdenker*innen“, an der auch Thomas Pucher beteiligt ist, darum, hier ein Kulturzentrum, ein „Reiningherz“ entstehen zu lassen. „Das wäre eine Riesenchance für den gesamten Grazer Westen, sichtbar zu werden“, schwärmt Pucher. „Für Reininghaus würde es Beliebtheit und Bewohnerzufriedenheit langfristig garantieren. Eigentlich sollten alle Developer und auch die Stadt mit größtem Enthusiasmus daran arbeiten!“
»Ein Design-Cluster wäre aber für die Stadt schon ein gewaltiger Gewinn, auch für die internationale Wahrnehmung und Vernetzung.« THOMAS PUCHER
Eine weitere nicht unwichtige Rolle beim Beleben der Stadt über die Creative Industries spielen die Hochschulen. Denn die Schnittmenge von Kreativität und Innovation ist eine kleine. Sind beide auch in räumlicher Nähe angeordnet, fungiert der Ort als Beschleuniger für beide Seiten. „Wenn man die Design-Studiengänge der FH JOANNEUM Graz in Reininghaus ansiedelt, hätte man auf einen Schlag Hunderte von Menschen, die sofort einen Impuls für den Stadtteil liefern“, schwärmt Eberhard Schrempf. „Kultur, Innovation und Kreativwirtschaft bilden so die drei Komponenten der Stadtentwicklung via Creative Industries. Es ergeben sich Synergien wie Labs, Urban Production, Handwerk 4.0, es ergeben sich Räume für Bibliotheken, Materialdatenbanken, Ausstellungen, Design, Cafés und vieles mehr.“ Die Ideen und Visionen der
dungsträger und der Bevölkerung. Wir wollen die Leute infizieren mit Visionen: Wie verändert man den öffentlichen Raum, wie kann die klimagerechte Stadt der Zukunft aussehen? Dazu muss man Bilder schaffen, die Ideen sichtbar machen. Architekten haben schon immer utopische Städte aufgezeichnet. Aber jetzt geht es darum, bestehende Städte zu adaptieren, und das ist eine Herausforderung.“ Der öffentliche Raum kann hier als Ausstellungsfläche und Diskussionsforum dienen, aber auch als Labor für neue Mobilitätskonzepte.
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© ATELIER THOMAS PUCHER
Die gewachsene Innenstadt mit ihrer Personenfrequenz und etablierten Öffentlichkeit bietet dafür eine gute Bühne. Doch wie legt man es an, wenn man im Sinne Richard Floridas die Kreativwirtschaft als Motor der Stadtentwicklung und Stadtbelebung rekrutieren will? Wie lockt man die Kreativwirtschaft auf die grüne Wiese? Das Stadtviertel Graz-Reininghaus ist ein ideales Beispiel, um diese Fragen zu diskutieren. Hier hat die Stadt zum Leidwesen vieler Bürger die Zügel früh aus der Hand gegeben und den Investoren die Baufelder überlassen. Und Investoren gehen, gerade auf der grünen Wiese, lie-
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LEADERSHIP IN SACHEN WIRTSCHAFT UND DESIGN „Es ist eine Frage der geistigen Mobilität, der geistigen Wendigkeit. Ich muss nicht zwingend das Land verlassen, um einen weiteren Horizont zu kriegen.“ Ich stelle hier eine von Eberhard Schrempfs vielen Antworten, die er mir im Laufe vieler Jahre und zahlreicher Gespräche gab, an den Beginn. Aus einem ganz einfachen Grund. Sie beschreibt den Menschen und Kulturmanager bestens. Eberhard Schrempf, Schrempf Geschäftsführer der Creative Industries Styria (CIS), lebt seit seiner Schulzeit in Graz. Er gilt als exzellenter Netzwerker und weltweit gefragter Panelist und Speaker, hat große Projekte für den öffentlichen Raum entwickelt und realisiert, war 2011 für die erfolgreiche Bewerbung von Graz als UNESCO City of Design verantwortlich und vernetzt die regionale Designszene quer über den Globus. Darüber hinaus ist er auch als Lehrbeauftragter an der FH JOANNEUM am Studiengang Informationsdesign tätig.
TEXT: ANNA M. DEL MEDICO
Anna M. Del Medico in Gesprächen mit Eberhard Schrempf
Kreativ-Wirtschaftsstandort Steiermark
„Automobil und Holz, GreenTech, Humantechnologie oder Mikroelektronik. Die Steiermark hat das Prinzip der Cluster-Landschaft schon immer gepflegt und hochkultiviert, ja, mittlerweile zur Perfektion gebracht. In Verbindung mit den Universitäten und Ausbildungsstätten ergibt das ein ideales Milieu, um das wirtschaftliche Wachstum voranzutreiben.“
„Als Standort kann man froh sein, dass man nicht etwa Mozart-kontaminiert ist, der in Wahrheit ja alles behindert, sondern dass es hier (Graz und Steiermark) wirklich eine breite, gut aufgestellte Szene gibt, die sehr viel zur kreativen Landschaft beiträgt.“ „Die Steiermark hat mit Graz ein relativ lässiges Zentrum, in einer Größe, die man schon urban nennen kann und die eine hohe Lebensqualität mit sich bringt. Es ist die ideale geografische Lage zwischen den Bergen im Norden und der Nähe zum Meer im Süden. Noch dazu ist die Steiermark nicht so touristisch ausgeschlachtet wie Salzburg oder Tirol. Es ist nicht alles so nett und proper, es ist alles noch ein bisschen rau. Das ist ein wesentlicher Faktor. Der zweite bedeutende Faktor ist die Mischung in der Industrie bzw. in der Wirtschaft. Es gibt im Gegensatz zu früher keine Monokultur mehr. Wir haben heute ein sehr breites Spektrum an innovativen, international aufgestellten Unternehmen. Viele davon sind familien- bzw. eigentümergeführt und das macht sie flexibler und wendig. Und diese Wendigkeit erzeugt auch eine Dynamik, ein Klima, das für Kreativschaffende ideal ist. Natürlich darf man in diesem Zusammenhang auch die universitäre Landschaft nicht außer Acht lassen. Die hohe Forschungsund Entwicklungsrate in der Steiermark kommt nicht von ungefähr.
Creative Industries Styria
„Wir verstehen uns als Brückenbauer und Vernetzungsinstanz zwischen Kreativwirtschaft und klassischer Wirtschaft, mit dem deklarierten Ziel, die Leistungsfähigkeit und die Performance am Markt zu verbessern und auszubauen. Wir befruchten uns gegenseitig, wir haben eine Richtung, in die wir gemeinsam fliegen. Wir sind ein Vogelschwarm.“ „Ich bin mir nicht immer ganz sicher, ob die Creative Industries Styria als Cluster- und Netzwerkgesellschaft den Boden für die dynamische Entwicklung in der Steiermark aufbereitet oder diese vorantreibt. Wäre ich arrogant, würde ich sagen: Ja, sie ist der Motor dieser Dynamik. Ihre Gründung war sozusagen die Antwort auf die Frage, was passiert, wenn wir das kreative Potenzial des Landes nicht heben, wenn wir Ressourcen durch Abwanderung etc. verlieren. Es ist wohl das Ökosystem, das in der Steiermark, mit den Clustern als wichtige Säulen der steirischen Wirtschaftsstrategie und der Creative Industries, in Summe den Erfolg ausmacht. Aber es ist schon so, dass die Designleistungen durch die Creative Industries Styria viel mehr Sichtbarkeit, Wahrnehmung, Wertschätzung und letzten Endes auch Respekt bekommen. Und letztlich mehr Wertschöpfung generiert wird – bei den Unternehmen und für den Standort.“
»Als Standort kann man froh sein, dass man nicht etwa behin Mozart-kontaminiert ist, der in Wahrheit ja alles behindert, sondern dass es hier (Graz und Steiermark) wirklich eine breite, gut aufgestellte Szene gibt, die sehr viel zur kreativen Landschaft beiträgt.«
»Design is the intelligent management of chaos, to create results of order.«
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Qualitativ hochwertiges Design von nebenan
„Qualität durch Gestaltung kann in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung überall zu Hause sein. Man muss nicht nach London, Berlin oder New York gehen, gutes Design kann man auch in der Steiermark bekommen. Bekannte Global Player, wie Magna oder AVL List, wissen das und schätzen es.“
A City full of Designers
„Graz hat sich aufgrund seines kulturellen und historischen Erbes als City of Design positioniert, weil man rechtzeitig erkannt hat, dass Kreativität für die geistige, intellektuelle und auch wirtschaftliche Entwicklung einer Region eine wesentliche Bedeutung hat.“ „Kreativschaffende brauchen ein gewisses Mindset und bestimmte Standortrahmenbedingungen, um aktiv bleiben zu können. Wo es ein bisschen wurlt, wird man inspiriert, da wird man auch gerieben, da gibt es ein bisschen Konkurrenz, und das versuchen wir hier in Graz zu fördern.“
Der Wille zur Veränderung
„Wir sind in Österreich noch nicht bereit für eine echte industrielle Revolution, Industrie 4.0 und eine smarte Produktion. Wir sind die nationalifizierte Mittelmäßigkeit. Zufrieden mit sich selbst und am liebsten würden wir gar nichts ändern. Nicht nur Designer hier, sondern auch in vielen Regionen weltweit haben das Problem, die Lücke zur Industrie und zu größeren Unternehmen zu schließen, damit diese rechtzeitig Design-Leistungen in Anspruch nehmen, um sich weiterzuentwickeln. Sie tun es meistens erst, wenn ihnen das Wasser schon bis zum Hals steht. Erst dann sagen sie: ,Jetzt müssen wir kreativ werden.‘ In einer Umfrage, die wir gemeinsam mit Design Austria gemacht haben, wurde bestätigt, dass 80 Prozent der Unternehmen Design in der Entwicklung von Produkten und Services für zentral und sehr wichtig erachten – aber nur 20 Prozent wenden es an.“
»Graz hat sich aufgrund seines kulturellen und historischen Erbes als City of Design positioniert, weil man rechtzeitig erkannt hat, dass Kreativität für die geistige, intellektuelle und auch wirtschaftliche Entwicklung einer Region eine wesentliche Bedeutung hat.«
LEADERSHIP IN SACHEN
WIRTSCHAFT UND DESIGN
Thema Frauen & Design. Es geht immer wieder darum, sich mit diesen komplexen Zusammenhängen auseinanderzusetzen, traditionelle Positionen zu hinterfragen und standhafte Meinungszementierungen aufzubrechen. Mein Interesse liegt aber vor allem auf der Reflexion darüber, welche Klischees bei diesem Thema immer noch transportiert werden, wie die Geschlechterrollen im DesignBusiness verteilt sind und wie man aus diesen zum Teil verzopften Vorstellungen endlich ausbrechen könnte.“ „Wir versuchen auch der Frage nachzugehen, wie die Welt aussehen würde, wäre sie in manchen Disziplinen, wie zum Beispiel der Automobilbranche, nicht so maskulin dominiert. Interessanterweise werden auch die meisten Küchen- und Haushaltsgeräte von Männern gestaltet.“
»Wir bieten mit dem Designmonat eine Plattform an. Er schafft einen Zeitraum, in dem Design in der Agenda und in der Wahrnehmung ganz nach oben rückt – ein Ausnahmezustand quasi. Das macht nur in einem inter internationalen Kontext und Austausch Sinn.« „In skandinavischen Ländern sind generell eine offenere Gesellschaft und ein stärkerer Frauenanteil zu beobachten. In unserer eher patriarchal-katholisch geprägten Gesellschaft gibt es noch stärkere Rollenklischees, die sich langsamer ändern. Eine andere Erklärung wäre, dass es im Norden das halbe Jahr finster ist, die depressiven Männer sich betrinken und deswegen Frauen alles in die Hand nehmen müssen – (lacht) Scherz …“
Designmonat Graz. Lokalität, Globalität
„Das ist kein Widerspruch. Wir bieten mit dem Designmonat eine Plattform an. Er schafft einen Zeitraum, in dem Design in der Agenda und in der Wahrnehmung ganz nach oben rückt – ein Ausnahmezustand quasi. Das macht nur in einem internationalen Kontext und Austausch Sinn. Wir sehen die City-of-Design-Städte als Partner und als potenziellen Markt. Wir haben ein gemeinsames Mindset, nämlich Design – verstanden im Sinne von Stadtentwicklung, Produkt-, Service- und Gesellschaftsentwicklung und Nachhaltigkeit. Das erleichtert die internationale Kommunikation, weil wir Design, bei dem der Mensch im Zentrum steht, als gemeinsame Sprache verstehen.“
Design als Methode „Wir haben in der Steiermark ein traditionelles Unternehmertum, das sehr vital ist. Und wenn es sehr erfolgreich ist, quasi ‚Hormone freisetzt‘, dann ist insgesamt eine Stimmung da, die offener dem Neuen gegenüber ist. Das heißt jetzt nicht, dass man mehr Risiko eingeht, im Sinne von ,Hurra die Gams, dann scheitern wir eben!‘. Sie sind dann etwas neugieriger, eine Spur aktiver, als sie es anderswo sind. So ein Milieu treibt sich selber an und erzeugt immer mehr Dynamik. Wir versuchen, sie dabei mit Design als Treiber für Innovationen zu unterstützen, denn gutes Design ist leider noch immer in der Minderheit.“
„Design ist, anders als Kunst, zweckgebunden. Designerinnen und Designer stehen auf keinem Podest. Sie sind Dienstleister an der Gesellschaft. Man könnte sagen, das Designdilemma begann mit der Verbannung von Adam und Eva aus dem Paradies. Ab da ging es um die Gestaltung von Leben, vorher war ja alles da. Plötzlich ging es um Fragen wie ‚Wie werden wir wohnen? Was werden wir kochen, was anziehen?‘. Design ist vielfältig. Und – Design ist das einzige und wichtigste Differenzierungsmerkmal. Es vereint jedenfalls beides: intelligente Gestaltung und Emotion. Design muss und kann verwendet werden. Kunst darf nutzlos sein – sinnlos natürlich nie!“
Die weibliche Seite der Gestaltung
„Mich interessiert auch das Feminine im Design, also zum Beispiel wie Produkte entwickelt werden, die Frauen als Zielgruppe haben. Im Designmonat Graz 2019 hatten wir einen Schwerpunkt zum
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Ein besonderer Aspekt der Krise
„Geht es der Wirtschaft gut, geht es der Kreativwirtschaft super. Geht es der Wirtschaft schlecht, geht es der Kreativwirtschaft trotzdem gut. Das war bereits im Zuge der letzten wirtschaftlichen Krise gut zu beobachten. Auch in der jetzigen Situation verzeichnen wir einen Start-up-Hype, einen Gründungs-Boom. Wenn die klassische Wirtschaft strauchelt, Arbeitslosigkeit entsteht bzw. Humanpotenzial freisetzt – um es sehr technisch zu formulieren –, dann überlegen sich viele aus diesem Potenzial: Was könnte ich denn jetzt noch tun? Sie gehen in eine Art geistige Werkstatt. Das war schon immer so, doch heute stehen viele technische Tools zur Verfügung, schafft die Digitalisierung ganz andere Möglichkeiten, die Welt wird kleiner und kann von überall her erschlossen werden.“
Digitalisierung
„Wenn ich über Digitalisierung spreche, dann bin ich genervt. Für die Kreativwirtschaft ist das Alltag, das gehört dazu wie Sauerstoff zum Leben. Aber natürlich gibt es viele Bereich, in der Gesellschaft, wo das noch nicht ausreichend oder überhaupt nicht stattfindet. Digitalisierung, ihre Bedeutung und die damit verbundenen Möglichkeiten rücken in vielen Sektoren erst jetzt in den Blickwinkel der Verantwortlichen. Da besteht in Österreich insgesamt noch sehr großer Nach- bzw. Aufholbedarf. Besonders in der Schule bzw. in der Bildung würde ich von einem totalen Desaster sprechen.“
»Design muss und kann verwendet werden. Kunst darf nutzlos sein – sinnlos natürlich nie!« UNESCO City of Design
„Es war Marion Wicher (mit Heimo Lercher), die dann auf ein neues Netzwerk der UNESCO aufmerksam machte – die Creatives Cities, in Verbindung mit Design. Das versprach eine langfristige Perspektive. Und zwar ohne selbsternannte Zuordnung. Denn wenn hierorts eine Ruderhütte gebaut wird, dann sind wir ‚Ruderhaupstadt‘, Genusshauptstadt sind wir sowieso und wenn ein neuer Fahrradweg gebaut wird, dann sind wir ,Fahrradhauptstadt‘, und so geht das dahin. Das hat schon einen hohen kabarettistischen Einschlag (lacht). Da macht man sich immer wieder unverständlicherweise etwas kleiner. Als Provinzhauptstadt – aber das wollen wir ja auch wieder nicht. Wenn die Stadt Graz heute von sich selbst als ,City of Design‘ spricht, spricht sie immer von der ,City of Design‘ oder der ‚Design City‘ und nicht von der ,UNESCO City of Design‘. Davon gibt es im Moment nur vierzig Städte weltweit. Graz war die elfte Stadt, und erst danach kam Peking.“
LEADERSHIP IN SACHEN
WIRTSCHAFT UND DESIGN
Über Potenzial, Mut und Machbarkeit
„Ich verweise in Bezug auf Graz immer wieder auf eine Besonderheit, die nur ganz wenige Städte weltweit aufweisen: Da ist zum einen das Bewahrende – mit der Aufnahme in die elitäre Weltkulturerbe-Liste der UNESCO –, mit der Innenstadt und großen Teilen der Stadt. Und zum anderen ist die Stadt auch nach vorne gerichtet und in die Zukunft orientiert mit dem Titel UNESCO City of Design. Diese beiden Pole könnte man doch wunderbar in jeder Hinsicht, auch touristisch, vermarkten und für die Positionierung einer ganzen Stadt verwenden. Das passiert leider nicht. Über das Warum kann ich nur Vermutungen anstellen. Es hat wohl auch mit dem Selbstbild zu tun. Hier ist man auf der Suche nach dem großen Bild und scheinbar fehlen der Mut und die Vision, dieses umsetzen zu können. Die Stadt Graz befindet sich hier in einer ganz paradoxen Situation, sie hat etwas von einer multiplen Persönlichkeit, die zwischen kleinbürgerlicher Provinzialität und großkotziger, arroganter Großstädterei verharrt. Das macht es in der Folge auch äußerst schwierig, Dinge zu bewegen, Visionen zu realisieren, Projekte auf den Weg zu bringen. Denn die erste Frage wird immer lauten: ,Was kostet es?‘, gefolgt von ,Können wir uns das überhaupt leisten?‘ und ‚Brauchen wir das überhaupt?‘. Und nie: ,Was bringt es uns?‘. Es fehlt den politisch Verantwortlichen sehr oft an Mut oder besser gesagt an Liebe, Mut und Fantasie. Und damit mündet der Weg bedauerlicherweise sehr oft in Kompromisse, eine gewisse Mittelmäßigkeit. Als Beispiel dafür kann das Kunsthaus gelten. Die Entwicklung bis zur Realisierung hat über zwanzig Jahre gedauert. Das ist eine Vorgangsweise, die im höchsten Maße selbsterklärend ist. Das lässt natürlich ein Klima entstehen, in dem viele kreative Köpfe ihre Ideen nicht mehr nach außen tragen.“
»Geht es der Wirtschaft gut, geht es der Kreativwirtschaft super. Geht es der Wirtschaft schlecht, geht es der Kreativwirtschaft trotzdem gut. Das war bereits im Zuge der letzten wirtschaftlichen Krise gut zu beobachten.« Ab in die Zukunft
„Auch wenn man quasi immer wieder mit dem Rasenmäher über die Wiese fährt, so wird doch nicht jeder Grashalm abrasiert. Mit einem gerüttelt Maß an Hartnäckigkeit kommt man schon voran. Und ich bin hier nicht der Einzige, der immer wieder vorausgeht. Es gibt in vielen Bereichen Menschen, die etwas wollen und auch etwas machen wollen. Und deshalb bleibe ich weiter zuversichtlich, dass in Graz und in der Steiermark – wie auch bisher – die positive Entwicklung voranschreitet. Aber man braucht einen Helm, weil der Kopf vom ‚Anrennen‘ schon weh tut … (lacht).“
»Wenn ich über Digitalisierung spreche, dann bin ich genervt. Für die Kreativwirtschaft ist das Alltag, das gehört dazu wie Sauerstoff zum Leben. Aber natürlich gibt es viele Bereiche in der Gesellschaft, wo das noch nicht ausreichend oder überhaupt nicht stattfindet.«
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Thomas Edelmann ist freier Journalist und Kurator. Seit Mitte der 1980er Jahre schreibt er über Design und Architektur. Er war Chefredakteur der Zeitschrift Design Report, beschäf beschäftigte sich mit Ausbildungsthemen ebenso wie mit Unternehmensstrategien. Mit Graz kam er erstmals in Berührung, als er 1990 über das Buch zur Umgestaltung des „Fischplatzes“ in Graz durch die Designgruppe Utilism International (Andreas Brandolini, Axel Kufus, Jasper Morrison) im Rahmen des steirischen herbst berichtete. Ab Ende September 2021 zeigt das DB Museum in Nürnberg die von ihm mitkuratierte Ausstellung „Design & Bahn“. Edelmann lebt und arbeitet in Hamburg.
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© TIM EDELMANN
THOMAS EDELMANN
SUSANNE MAGDALENA KARR Susanne Magdalena Karr, Dr. phil., arbeitet als freie Kulturredakteurin und Texterin in den Bereichen Architektur, Performance, Kunst, Design und Urbanismus (www.torial.com/ susanne.karr), außerdem als Autorin philosophischer Texte und eines Blogs (www.susakarr.com). Die Ver Verbindung verschiedener Disziplinen spielt in ihrer Arbeit eine wesentliche Rolle. Sie studierte Philosophie und Germanistik an der Universität Wien und promovierte in Kunst- und Kulturwissenschaften an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Austausch von Wissen auf neuen und unkonventionellen Wegen gehört zu ihren wichtigsten Themen. Im neofelis Verlag Berlin veröffentlichte sie 2015 „Verbundenheit“. Darin befasst sie sich mit den künstlichen Grenzen von Natur/Kunst, Mensch/Tier und Leib/Seele.
Manfred Zechmann besuchte die Kunstgewerbeschule am Ortweinplatz in Graz, studierte anschließend an der Florence Academy of Art und lebt heute vorwiegend in Berlin. Mit mittlerweile fast 30 Jahren Er Erfahrung als Art Director und Creative Director für internationale Agentur Agenturnetzwerke wie Ogilvy & Mather, Thompson und RSCG in New York, Florenz und Wien betreute er Kunden wie American Express, Unilever und Lufthansa. Er arbeitet seit 1991 als selbstständiger Creative Director, Brand Expert und Designer unter anderem für Kunden wie Barilla, Coldwell und Karl Lagerfeld sowie an Filmproduktionen wie der Mockumentary Noseland, mit Aleksey Igudesman, John Malkovich und Sir Roger Moore. Nationale und inter internationale Kreativpreise: Effie, Cannes Lions International Advertising Festival, NY Art Directors Club und London International Awards. Interviews und Veröffentlichungen in Magazinen (u. a.): Communication Arts, Lürzer‘s Archiv und Novum.
MAIK NOVOTNY
BETTINA KRAUSE Bettina Krause ist freie Journalistin aus Berlin. Sie schreibt seit fünfzehn Jahren für hochkarätige Magazine über Kunst, Design und Architektur, brennt für Trends und Innovationen und interviewt internationale Größen aus Kunst und Gestaltung.
© KATHARINA GOSSOW
Tanja Paar ist Schriftstellerin. Journalistische Arbeiten u. a. für die Neue Zeit in Graz, den Falter und das Profil. Nach vielen Jahren als Redakteurin beim Standard studierte sie Informatik und Media Innovation Management. Journalistin des Jahres für die Zusammenarbeit Print und Online 2011, 2015 Medienlöwin für die Portraitserie „Große Töchter“. Zuletzt erschien ihr Roman „Die zitternde Welt“, Haymon 2020.
Geb. 1963 in Wien, 1983-1991 Studium an der Uni Wien (Geschichte, Publizistik, Völkerkunde), Abschluss 1991. Beschäf Beschäftigung mit Journalismus und Fotografie seit Mitte der Achtziger Jahre. Ab 1986 Reportagen für internationale Magazine wie Elle Deco, Abenteuer & Reisen, Geo, FAZ, Gente Viaggi, Wienerin u. v. a. m. Spezialisierung auf die Bereiche Reise und Lifestyle / Design, von 1989-92 u. a. Chefredakteur des österreichischen Magazins „Wohnen“. Langjähriger Redakteur für die Magazine H.O.M.E. und Domus (deutsche Ausgabe), zahlreiche Fachartikel zu den Themen Design sowie Reise- und Kultur-Themen u. a. in der österreichischen Tageszeitung Der Standard. Auszeichnungen für Reisetexte u. a. von der italienischen EMIT, Bahamas Tourismus. Seit dreißig Jahren intensive Reisetätigkeit mit den Schwerpunkten Mittlerer Osten, Afrika und vor allem Asien. Insgesamt über 600 Veröffentlichungen in 18 verschiedenen Ländern, inklusive der Publikation von Reisebüchern „Indien“, „Kreta“, „Bali“ und „Sri Lanka“ für die deutschen Verlage Rowohlt und WDV. Lebt in Wien, wo er sein eigenes Redaktionsbüro unterhält. 2009 Wechsel von der Wiener Bildagentur Anzenberger zur Kölner Agentur Laif.
© BETTINA KRAUSE
MANFRED ZECHMANN © ANDREA SOJKA
TANJA PAAR
© RENATE MEDWED
© PAMELA RUSSMANN
ROBERT HAIDINGER
© ROBERT HAIDINGER
AUTOR_INNEN
Maik Novotny studierte Architektur und Stadtplanung in Stuttgart und Delft und lebt seit 2000 in Wien. Architekturjournalist für den Standard, den Falter und Fachmedien. Mitherausgeber der Bücher Eastmodern (2007), PPAG: Speaking Architecture (2014) und Wohn Raum Werk (2017). Beiträge in diversen Buchpublikationen. Lehrtätigkeit an der TU Wien und der Kunstuniversität Linz, Gastkritiker an mehreren Hochschulen. Zahlreiche Moderationen, u. a. Konzeption der Architekturtalkshow Club Architektur am Az W (mit Angelika Fitz). 2017 dreimonatiger Forschungsaufenthalt in London als Stipendiat des Richard Rogers Fellowship der Harvard Graduate School of Design. Seit 2019 Vorstandsmitglied der ÖGFA (Österreichische Gesellschaft für Architektur).
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© J.J.KUCEK
© FOTO BREITFUSS
MICHAEL STEINER
ANDREAS R. PETERNELL
Universität Graz
TRAFO developing arts & audiences
Institut für Volkswirtschaftslehre
www.trafo.cc
homepage.uni-graz.at/de/michael.steiner
CHRISTIAN MAYER
MIKE FUISZ
© TINA REITER
© CLEMENS SCHNEIDER
08 © J.J.KUCEK
MARLEEN VIERECK Viereck Architekten Geschäftsführerin www.viereck.at
Moodley design group Chief Design Officer & Founder
Kulturjahr 2020
www.moodley.at
Programm-Manager
LENA HOSCHEK
MATTHIAS PRÖDL
© SARA SERA
www.kulturjahr2020.at
© SUSANNE HASSLER-SMITH
INTER VIEW TE
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Josef Prödl Tischlerei Geschäftsführer www.proedl.at
Lena Hoschek Founder www.lenahoschek.com
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www.pellmell.at
RAINER MUTSCH
Raunigg & Partner Development
Land Steiermark
CEO & Creative Director
Landesrätin für Wirtschaft, Tourismus, Regionen, Wissenschaft und Forschung
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Studio Rainer Mutsch
www.rnpd.com
www.rainermutsch.com
www.wirtschaft.steiermark.at
www.schullin.at
Geschäftsführer & Creative Director www.engarde.net
JOHANNES SCHERR
www.andy-wolf.com
FH JOANNEUM Departmentsleiter Medien & Design Studiengangsleiter Journalismus und Public Relations
Johannes Scherr Design www.johannes-scherr.com
CEO
Verpackungszentrum Graz
www.scoopandspoon.com
Geschäftsführerin
© MARIJA KANIZAJ
DANIEL FABRY FH JOANNEUM
© MATTHIAS PIKET
© CHRISTIAN JUNGWIRTH
SCOOP & SPOON
SUSANNE MEININGER
FH JOANNEUM Institutsleiter Design und Kommunikation Studiengangsleiter Informations- und Ausstellungsdesign www.fh-joanneum.at
www.fh-joanneum.at
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© SILKE TRAUNFELLNER
© MARKUS MANSI MOMA
HEINZ M. FISCHER
Geschäftsführer
KARL STOCKER
Studiengangsleiter Communication Design, Interaction Design, Media Design und Sound Design
THOMAS FEICHTNER
www.fh-joanneum.at
FH JOANNEUM
© STUDIO THOMAS FEICHTNER
EN GARDE
© MARION LUTTENBERGER
Selbstständige Bühnen- und Kostümbildnerin
42
Andy Wolf Eyewear © JOHANNES SCHERR
PATRICK HAAS
Schullin Juweliere
ANDY PIRKHEIM
© STEFAN LEITNER
© PRIVAT
ANNE MARIE SCHULLINLEGENSTEIN
PHILIPP RAUNIGG
© MARKUS JANS
BARBARA BINGER-MIEDL EI EIBINGER-MIEDL
Odrowąż
© ROBERT ILLEMANN
BETTINA REICHL
© JIMMY LUNGHAMMER
© MARIJA KANIZAJ
20
Institutsleiter Industrial Design www.fh-joanneum.at
www.vpz.at
86
87
13 & 9 Design
Anastasija Lesjak, CEO www.13and9design.com
Parkside Chief Creative Officer und Geschäftsführer
Marion Wicher Architektur www.yes-wicher.com
EBERHARD SCHREMPF
www.parkside-interactive.com
Markus Pernthaler Architekten
ALICE STORI LIECHTENSTEIN
zweithaler
Schloss Hollenegg for Design
Markus Pernthaler, Founder www.pernthaler.at
Markus & Benjamin Pernthaler, Founder www.zweithaler.at
© SIMON WATSON
MARKUS & BENJAMIN PERNTHALER
© ANDRZEJ SIEGMUND
68
© HELMUT PIERER
ISABELLE AUER
www.selfsightseeing.company
Partner www.hohensinn-architektur.at
THOMAS PUCHER Atelier Thomas Pucher Founder & CEO
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www.thomaspucher.com
© SARA SERAS
© GEOPHO
Hohensinn Architektur
SelfSightSeeingCompany
Anna M. Del Medico, geboren 1958 in Vorau, maturierte 1978 in Graz und studierte anschließend an der Universität Wien (Publizistik und Politikwissenschaften; kein Abschluss). Nach einem kurzen Auslandsaufenthalt begann sie 1986 als Journalistin und Texterin in Wien im Fachbereich Design zu arbeiten. Sie schreibt seit mehr als dreißig Jahren u. a. als freie Mitarbeiterin für verschiedene Wohn- und LifestyleMagazine und war einige Jahre DesignCoach eines namhaften Messeveranstalters in Wien. Zwischen 1997 und 2020 war sie als leitende Redakteurin bzw. Chefredakteurin für führende österreichische Wohn- und DesignMagazine (Wohnen, besser Wohnen, morethandesign und Mutboard & Vogel) tätig. Seit 2006 ist sie Herausgeberin und Autorin des Möbel & Design Guide. Sie lebt und arbeitet in Wien, wo sie ihr eigenes Redaktionsbüro betreibt, und in der Steiermark.
TOMISLAV BOBINEC Provocateur Croaticus, Tomislav Bobinec, geboren 1966 in Zagreb. Gründer des Studios ”I Say no to Cheap Design“ in Graz. Seine Arbeit dreht sich um Rethinking Design Processes. Er kann auf über 30 Jahre Erfahrung im Bereich Kommunikationsdesign zurückblicken. Neben seiner Selbstständigkeit ist er Lehrender am Institut für Design & Kommunikation an der FH JOANNEUM Graz, wo er seit 2012 am Bachelorstudiengang Informationsdesign und im Masterstudiengang Ausstellungsdesign unterrichtet.
www.schlosshollenegg.at
KARLHEINZ BOIGER IO TONDOLO & ITSHE PETZ
Eberhard Schrempf, geboren 1959 in Aigen/Ennstal, ist seit 2007 Geschäftsführer der Creative Industries Styria GmbH. Als Kulturmanager war er unter anderem für Graz 2003 – Kulturhauptstadt Europas als Geschäftsführer und Vize-Intendant tätig und hat große Kunstprojekte für den öffentlichen Raum umgesetzt. Er vernetzt die regionale Designszene quer über den Globus, ist für die erfolgreiche Bewerbung von Graz als UNESCO City of Design ver verantwortlich und hat neben vielen Projekten und Formaten 2009 den Designmonat Graz ins Leben gerufen. Er gilt als exzellenter Netzwerker und ist ein weltweit gefragter Experte und Panelist für Design und Creative Industries. Darüber hinaus ist er seit 1999 als Lehrbeauftragter an der FH JOANNEUM am Institut für Design und Kommunikation tätig.
ANNA M. DEL MEDICO
Isabelle Auer, geboren 1994 in Speyer/ Deutschland, absolvierte den Fachzweig Gestaltungs- und Medientechnik am Technischen Gymnasium Lahr. Nach ihrem Abschluss im Jahr 2014 war die Kommunikationsdesignerin unter anderem im Bereich Marketing, als Grafikdesignerin und Social-Media-Managerin tätig. 2017 führte sie ihr Beruf nach Österreich. Isabelle Auer lebt heute in Graz, schreibt aktuell ihre Bachelorarbeit am Institut für Design & Kommunikation der FH JOANNEUM Graz und bereitet sich auf eine Weiterbildung im Bereich Buchbindetechnik und Postpresstechnologie vor.
ROSALIE SIEGL Rosalie Siegl, geboren 1997 in der Steiermark, absolvierte die HTBLVA Ortweinschule im Fachbereich Grafik und Kommunikationsdesign. Nach ihrem Abschluss im Jahr 2017 arbeitete sie freiberuflich und projektbezogen für diverse Kunden und Agenturen. Aktuell schreibt Rosalie Siegl ihre Bachelorarbeit am Institut für Design & Kommunikation, Studiengang Informationsdesign, der FH JOANNEUM Graz.
© PROVOCATEUR CROATICUS
SYROUS ABTINE
Martin Lesjak, CEO & Founding Partner www.innocad.at
© STIEFKIND FOTOGRAFIE
MARION WICHER
INNOCAD
© MIRIAM RANEBURGER
© SISSI FURGLER
ANASTASIA & MARTIN LESJAK
© STEFAN LEITNER
© KAPFHAMMER
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© ANDREA SOJKA
MACHER_INNEN
www.cis.at
ISBN 978-3-200-07613-6 ISBN 978-3-200-07613-6
9 783200 076136 9 783200 076136