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Ausgabe 1/16

bewegt Helfen mit Herz und Hand

HEIMATLOS Sizilien Traumziel Europa Thema Bleiben oder gehen? Deutschland Die Welt vor unserer HaustĂźr


>>Inhalt

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Traumziel Europa Wie unsere Projektpartner Flüchtlingen in Sizilien helfen

07 Heimatlos GAiN hilft Flüchtlingen 08

Die Welt vor unserer Haustür Eine Sammelstellenleiterin engagiert sich für Flüchtlinge

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Bleiben oder gehen? „Erzählt unsere Geschichten“

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Updates Aktuelles aus den GAiN-Projekten

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GAiN Aktiv Termine, Angebote So helfen Sie mit!

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„Ich will Ärztin werden“ Wie Farahs Traum wahr werden könnte

Global Aid ­N e t w o r k Global Aid Network (GAiN) e.V. ist eine internationale Hilfs­­­organi­ sation, die seit 1990 in vielen Ländern der Welt humanitäre Hilfe leistet. GAiN möchte ein weltweites Logistiknetzwerk für humanitäre Hilfe aufbauen und arbeitet eng mit ­anderen huma­ nitären Hilfswerken, Produktions­ firmen und Privat­personen zusam­ men. Auf diese Weise ­können wir in ­akuten Not­situationen schnell auf die Bedürfnisse von betrof­ fenen ­Menschen ­reagieren, die benötigten Hilfsgüter organisie­ ren und diese umgehend und kostengünstig in die Zielgebiete ­transportieren. Die zuverlässige Verteilung der ­Spenden in den betroffenen Regionen stellen ­unsere meist einheimischen ­Partner sicher. GAiN ist der Partner für humanitäre Hilfe von Campus für Christus.

DISASTER ASSISTANCE AND RESPONSE TEAM (DART)

Be the change Give hope

Impressum

Join DART now!

Wenn Sie bereit sind, s­ elber in Katastrophen­­ gebieten ­mitanzupacken, bewerben Sie sich als Katastrophen­ helfer.

Redaktion: Birgit Zeiss, Harald Weiss Gestaltung: Claudia Dewald Erscheinungsweise: vierteljährlich, der ­Bezugspreis ist im Mitgliederbeitrag ­enthalten. Vertrieb: GAiN Deutschland Fotos: Claudia Dewald oder privat Spendenkonto: GAiN e.V. Volksbank Mittelhessen IBAN DE88 5139 0000 0051 5551 55 BIC VBMHDE5F

Anmeldeschluss: 31. März 2016

INFORMATIONEN UND BEWERBUNG DARTGAiN.eu

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Herausgeber: Global Aid Network (GAiN) e.V. Am Unteren Rain 2, D-35394 Gießen Tel.: (0641) 97518-50 Fax: (0641) 97518-41

Tel. 0641-97 518-15

Bew e gt 1-2016 │ Glo bal Ai d N etwo rk

Info@DartGAiN.eu


Für Leute mit Durch­ blick

Helfen. Liebe Leserin, lieber Leser, als wir Ende 2014 eine bewegt-Ausgabe zum Thema Flüchtlinge heraus­ brachten, dachten wir nicht wirklich daran, dass uns das Thema weiter beschäftigen wird. In ganz Deutschland sind inzwischen Ehrenamtliche um viele Erfahrungen und Begegnungen reicher. Ich auch. Faisulla und Mohsen sitzen an unserem Mittagstisch. Ein 19-jähriger ­Afghane, der schon ganz gut Deutsch versteht, und ein 30-jähriger Iraner, der eigentlich nur Englisch kann. Aber wir verstehen uns alle irgendwie. Als ich Wein anbiete, lehnt Faisullah als gläubiger Muslim ab, während Mohsen als Christ annehmen darf. Beide sind trotzdem gute Freunde geworden, die sich in der Notunterkunft in unserer Kleinstadt kennengelernt haben. Wir reden über vieles, schauen uns Handyfotos an und winken Mohsens Mama per Skype zu. Für unser nächstes Deutsch­ café-Treffen hat er sie um das Rezept für eine persische Suppe gebeten. Beide wollen unbedingt arbeiten, als Koch und als Schweißer. Da kann ich selber wenig tun, aber es gibt in meiner Stadt eine Gruppe Ehrenamt­ licher, die Praktika und legale Gelegenheitsarbeiten vermitteln. Auf einmal sind drei Stunden vorbei. Aber sie waren es wert, auch wenn ich sonst eher geizig mit meiner Zeit umgehe. Und wieder einmal bin ich erstaunt, wie sich viele meiner Ängste und Vorbehalte eben nicht bestä­ tigen und freue mich, wie unkompliziert das Miteinander funktioniert. Ich hoffe, dass viele von Ihnen auch solche Erfahrungen machen konn­ ten. Dass es bei der Hilfe für Menschen immer um den Einzelnen geht, wird auch bei den Flüchtlingen in unseren Städten deutlich. Wir müssen nicht das Problem an sich, die Not aller Flüchtlinge lösen, aber wir kön­ nen dem, der bei uns wohnt, freundlich begegnen und ihm zumindest etwas Zeit schenken. Lesen Sie in diesem Heft von unserer Hilfe für Flüchtlinge an ganz ver­ schiedenen Orten: im Nordirak helfen wir denen, die geblieben sind, in Sizilien denen, die gestrandet sind, und in Deutschland unterstützen wir manche Ehrenamtliche, die sich für unsere Gäste einsetzen. Herzlich, Ihre

Birgit Zeiss, Redaktion P.S.: Gefällt Ihnen unsere „bewegt“? Dann geben Sie bitte die Beilage in diesem Heft an Ihre Freunde, Kollegen und Nachbarn weiter. Danke, wenn Sie uns dabei helfen, neue Leser zu gewinnen.

Mit Herz und Hand. Wir suchen ­engagierte ­Mitarbeiter/­innen: Koordinator/in der Flüchtlings­initiative Projektleiter/in für Auslands­projekte Gemeindereferent/in Kraftfahrzeugmechaniker/in Logistikleiter/in

Weitere Infos:

GAiN/Campus für ­Christus Personalabteilung Postfach 100 262, 35332 Gießen Tel. 0641-97518-33 Personal@Campus-D.de oder auf unserer Webseite: GAiN-Germany.org unter „Aktuell“ Der Bewerbungsprozess wird von der Personalabteilung von Campus für Christus e.V. durchgeführt.


>>Flüchtlingshilfe Sizilien

Traumziel Europa Wie unsere Partner Flüchtlingen in Sizilien helfen

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ommaso ist wieder einmal per Auto auf den Straßen seiner Hei­ mat unterwegs. Neben der Fahr­ bahn sieht er drei dunkelhäutige Männer laufen. Er fährt langsam, hält an, fragt: „Hallo, woher kommt ihr, wie geht es euch, kann ich euch helfen?“ Die Männer lächeln überrascht, man schüttelt H ­ ände. Tommaso will wissen, in welchem der vielen Flüchtlingslager in seiner Region sie wohnen. Zum Abschied schenkt er jedem ein T-Shirt und eine Packung Zahnbürsten für ihre Familien.

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Sie sind von Italien nach Deutschland weiter­ gereist. Diese S ­ omalier haben in einem ­hessischen Dorf eine neue Heimat gefunden. Die beiden Männer holen jetzt ihren Hauptschulabschluss nach. In Somalia konnten sie keine Schule besuchen.

Soviel Freundlichkeit erleben Flüchtlinge auf Sizilien nicht oft. Dunkelhäutigen Afrikanern, egal ob Muslimen oder Christen, begegnet man auch in Italien noch mit sehr viel Vorurteilen. Die Flüchtlinge kommen immer noch in großer Zahl über das Meer. Sie stranden auf Lampedusa oder schaffen es sogar bis zur sizilianischen Küste. Tommaso P. und seine deutsche Frau Barbara leben dort mit ihrer Familie. Die beiden sind eigentlich Landwirte. Ihr Geschäft sind Oliven und Wein, aber sie transportieren fast mehr Hilfsgüter in Flüchtlingslager als sizilianische Köstlichkeiten zu ihren Kunden. Bei einem Besuch in Deutschland berichteten sie als neue GAiN-Partner von ihren Erfahrungen. Kommen immer noch so viele Flüchtlinge über das Meer, ob­ wohl es so gefährlich ist? Tommaso: Ja, der Ansturm ist im­ mer noch enorm. Gerade eben hörte ich, dass wieder sechs neue Lager innerhalb eines Monats auf­ gemacht wurden, darunter sogar zwei Erstaufnahmelager. Alte Schulen oder ausgediente Hotels werden zu Lagern umfunktioniert. Aus einem ehemaligen ZweiBett-Zimmer wird dann halt ein Sechs-Bett-Zimmer. Was leider nicht berichtet wird, ist, dass viele es gar nicht bis zum Meer schaffen. Der gefährlichste Teil ist die Wüste von Libyen. Die Fahrt auf irgendwelchen Lkws dauert 2-3 Tage. Wer nicht genug trinken kann, hat Pech, wer vom Lkw fällt, bleibt liegen. Wir hörten schon viele schlimme Geschichten von Menschen, die einfach ins Gefängnis gesperrt wurden oder die in die Fänge krimineller Organhändler gerieten. Woher kommen die meisten Menschen und was erwarten sie in Europa? Tommaso: Zur Zeit kommen die meisten aus Senegal, Mali und Nigeria. Manche von ihnen wollen einfach endlich Arbeit fin­ den und ihren Kindern ein besseres Leben ermöglichen. Aus Nigeria kommen sehr viele Christen, die dort verfolgt werden. Die meisten Eriträer wollen nach Schweden, sie verstecken sich hier, bleiben nur ein bis zwei Nächte und sind dann weg. Für Menschen aus den ehemaligen englischen Kolonialländern ist England das Hauptzielland. Das Gleiche gilt für die ehemaligen französischen Kolonien und Frankreich. Von Deutschland hö­ ren sie, dass es eines der reichsten Länder Europas ist. Deshalb glauben sie, dass es dort für sie am einfachsten ist, weil sie dort bestimmt schneller Arbeit und Wohnung finden. Wie schafft ihr es, Geschäft und Hilfe zu vereinbaren? Tommaso: Die Frage ist falsch gestellt. Das Geschäft dient dazu,

Geboren in einem Boot Yola floh aus Nigeria, nachdem ihr ghanaischer Ehemann bei einem Autounfall ums Leben kam und ihre Mutter ihr nicht mehr helfen wollte oder konnte. Sie fuhr schwan­ ger auf einem Transporter durch die libysche Wüste, ver­ brachte einige Wochen in einem Gefängnis und lernte dort eine andere allein reisende nigerianische Frau ken­ nen. Deren Mann wurde bei einem Anschlag der Boko Haram erstochen, weil er zu einer christlichen Gemeinde gehörte. Ihre beiden Kinder ließ sie bei ihrer Schwester in Nigeria zurück. Die beiden Frauen hatten Glück, dass ihnen in Libyen das nötige Geld für die Bootsfahrt nicht geklaut oder ab­ genommen wurde, und so ergatterten beide von Libyen aus ein Ticket für die Überfahrt nach Lampedusa. Noch vor der Ankunft auf festem Boden erblickte Yolas Baby das Licht der Welt. Alles ging gut aus. Die beiden Frauen lernten in einem Auffanglager Barbara und Tommaso ken­ nen. Sie sind auf Wunsch von Yola inzwischen Paten­eltern für das kleine Mädchen geworden. Bei regelmäßigen privaten oder Gemeindebesuchen holen sich die nigeria­ nischen Frauen bei ihnen die Portion Hoffnung ab, die sie für das Warten auf ihre Papiere brauchen.

unsere Hilfe zu ermöglichen. Nicht umgekehrt. Wir ver­ kaufen unsere Produkte, um Geld für Hilfe und Material zu haben. Barbara steht früh auf. Sie erledigt die ganze Buch­ führung, plant die Beladung der Lkws und die TransportTermine. Wir verkaufen, was die Kunden wollen. Was wir nicht selbst anbauen, z.B. Orangen, kaufen wir von den Großhändlern hier. Vor allem viele deutsche Kunden schätzen unsere Kom­ bination aus Geschäft und Hilfe. Ich bin viel unterwegs. Im Sommer kamen hier pro Tag 1.000 geflohene Menschen an. Die Lager haben gar nicht soviel Material, um die Menschen ausreichend zu versor­ gen. Dann rufen sie uns an. Sie kennen mich alle. G l ob a l A id N e t w or k │ B e w e gt 1-2016

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>>Flüchtlingshilfe Sizilien

Foto: Nicolas Neubauer

In den Lagern heißt es warten, warten, warten. Die Bewohner würden gerne arbeiten, dürfen aber nicht. Umso mehr freuen sie sich, wenn Tommaso sie bei seiner Hilfe für andere gebrauchen kann.

SO KÖNNEN SIE HELFEN Wenn Sie 25 € geben, können wir einer vierköpfigen Familie im Flüchtlingslager ein Paket mit Kleidung schenken. Wenn Sie 50 € geben, können wir einem behinderten ­Lagerbewohner einen gebrauchten Rollstuhl übergeben. Wenn 100 Menschen 100 € ­geben, können die Mitarbeiter in Sizilien den dringend benötigten Kleinbus erwerben.

Spendenkonto:

GAiN, Volksbank Mittelhessen IBAN DE88 5139 0000 0051 5551 55 BIC VBMHDE5F Verwendungszweck: Flüchtlingshilfe

Bekommt ihr genügend Hilfsgüter? Tommaso: Die Flüchtlinge bekommen hier offiziell zwei Garni­ turen Kleidung, wenn sie in ein Lager einziehen. Oft genug sind die Bestände aber gerade ausgegangen. Dann gibt es nichts und wir helfen, wo es geht. Unser Lager wird vor allem von der GAiNSammelstelle in Lörrach gefüllt. Unsere Freunde dort schicken vor allem sortierte Kleidung, manchmal auch Gehhilfen oder Roll­ stühle. Auch die Gemeinden und Privatleute hier versorgen uns mit Gütern. Wenn wir etwas dringend brauchen, müssen wir es eben kaufen. Wie hat eigentlich alles angefangen? Tommaso: Ein Freund, der bei der Küstenwache arbeitet und Flüchtlinge vor Lampedusa aus dem Meer fischte, bat mich um Hil­ fe. Er wollte eine Verteilaktion organisieren. Lampedusa hat 3.500 Einwohner. Im Jahr 2011 waren plötzlich 8.500 Flüchtlinge da. Das einzige vorhandene Lager hatte Platz für 1.500 Menschen. So schliefen viele draußen im Freien in selbstgebastelten Zelten. Wir kauften Kleidung, Decken und Essen und verteilten alles. Als wir ihnen auch Bibeln übergaben, knieten sich viele hin und küssten uns die Hände. Täglich kamen die Militärschiffe und brachten wie­ der neue Leute. In einem der Boote habe ich acht Tote gesehen. Sie waren nach sechs Tagen Fahrt im Winter erfroren. Seitdem muss ich einfach helfen. Wie reagieren Muslime auf eure Hilfe? Wir helfen allen und machen keinen Unterschied zwischen Chris­ ten und Muslimen. Wenn wir Christen treffen, laden wir sie natür­ lich in unsere Gemeinde ein. Jeden Winter kommen etwa tausend Arbeiter aus Gambia, Tunesien oder Senegal zum Tomatenernten oder Olivenpflücken. Sie sind alle Muslime, leben erbärmlich in selbstgemachten Zelten, frieren und haben Hunger. Wir bringen ihnen manchmal Klamotten oder Reis, denn hier gibt es ja nur Nu­ deln, die sie nicht kennen. Sie freuen sich immer riesig. Bei einem Fest für Flüchtlinge stand am Ende ein Moslem auf und sagte: „Ich habe hier echte Liebe gesehen“. Barbara und Tommaso hatten noch viel zu berichten. Sie kennen die Geschichten vieler Flüchtlinge, die es alle wert wären, erzählt zu werden. Sie hören von soviel Leid, von schlimmen Erfahrungen, von dramatischen Schicksalen. Sie haben aufgehört zu bewerten, aus welchen Motiven Menschen fliehen. Die Geflohenen sind hier und sie brauchen Hilfe. Und die geben Barbara und Tommaso gerne und mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen. GAiN unterstützt ihre Arbeit in Sizilien. Birgit Zeiss

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>>Thema

Chefsache

Heimatlos

Was GAiN-Leiter Klaus Dewald bewegt

GAiN hilft Flüchtlingen

Schritte in unserer Kultur vermittelt. Ich freue mich auch über manche unserer ehrenamtlichen Sammelstellen, die sich verstärkt für Flüchtlinge einsetzen.

Im Ausland

„Mir ist es wichtig, dass vor allem Familien hoffnungsvoll in eine die b ­ essere Zukunft blicken ­können.“ Klaus Dewald in einem Flüchtlingslager im Nordirak.

D

Wie gut, dass sich viele ehrenamtliche Helfer in ganz Deutschland verstärkt für Flüchtlinge engagieren. Sie werden im­ mer zahlreicher, effektiver und kreativer. Deshalb können wir getrost unserem Auf­ trag treu bleiben und unser Augenmerk weiterhin auf den Einsatz für Flüchtlinge im außereuropäischen Ausland richten. Aus manchen krisengeschüttelten Orten der Welt müssen Menschen flüchten, aber sie wollen ihren Kulturkreis nicht verlassen oder können sich die Reise nach Europa nicht leisten. Sie schaffen es bloß bis ins Nachbarland oder fliehen sogar innerhalb ihres Landes an sicherere Orte. Der Schwerpunkt unserer Flüchtlingshilfe liegt darauf, ihnen so gut es geht dabei zu helfen, in ihrer Region bleiben zu kön­ nen. Mit einer Grundversorgung vor Ort können wir verhindern, dass sie sich auf die gefährliche Flucht begeben müssen. Das geschieht zum Beispiel im Nordirak, aber auch in der Ukraine. Dort leben, unbeachtet von der Öffentlichkeit, noch Tausende in Flüchtlingslagern, weil ihre Häuser im Krieg zerbombt wurden.

ie Welt scheint aus den Fugen zu geraten. Was wir gera­ de erleben, war so noch nie da. Die Zahlen der Flüchtlinge sprengen alle Grenzen und werden international täglich nach oben korrigiert. Es ist nicht absehbar, wann sich die Situation ändern wird. Was wir aber mit Gewissheit sagen können: Die Flücht­ lings-Thematik wird uns noch lange beschäftigen. Wir engagieren uns normalerweise mehr in der langfristigen und nachhaltigen Un­ terstützung von Projekten als in der kurzfristigen Katastrophenhilfe. Seit 2013 jedoch nehmen die Begegnungen mit Menschen auf der Flucht stetig zu und beschäftigen uns sehr. Sie brauchen jetzt mehr Unterwegs Gerade die Geflohenen, die noch unter­ als je zuvor unsere Aufmerksamkeit und unsere ­Hilfe. wegs sind, brauchen besonderen Schutz. Im Inland Unsere GAiN-Zentrale befindet sich in Gießen, der Stadt mit der größten Erst­ aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in ganz Deutschland. Wir bekommen hier die Nöte und Bedürfnisse der geflohenen Menschen hautnah mit. Unsere Flücht­ lingsinitiative kümmert sich darum, dass Werke und Einrichtungen, die um Hilfe für Flüchtlinge bitten, auch die benöti­ gten Hilfsgüter erhalten. Logistische Hil­

fe ist ja eine unserer Stärken. Langfristig wollen wir aber auch Flüchtlinge zum Mithelfen motivieren und sie beim Sor­ tieren in unserem Lager involvieren. Hier können sich deutsche und ausländische Mitarbeiter gemeinsam sinnvoll betäti­ gen und Integration findet ganz natürlich statt. Einzelne Mitarbeiter beteiligen sich an einem Kulturtraining, das Flüchtlingen in der Gießener Erstaufnahmeeinrich­ tung locker und pantomimisch die ersten

Gemeinsam mit anderen Partnerorgani­ sationen konnten wir schon Flüchtlingen auf der Balkanroute mit Nahrungsmitteln und Kleidung helfen und wollen das auch weiterhin da tun, wo sich Gelegenheiten bieten. Dass wir in Sizilien in den Auf­ fanglagern zum Einsatz kommen, freut mich besonders. Der Anstoß dazu kam von unserer Sammelstelle in Lörrach. Le­ sen Sie mehr darüber auf S. 4 in dieser Ausgabe der bewegt. Danke, wenn Sie uns helfen zu helfen!

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>>Deutschland

Die Welt vor unserer Haustür Wie eine Sammelstellenleiterin sich für Flüchtlinge engagiert

aniela Hildebrandt kam 2012 in Kontakt mit GAiN und ist seither begeister­ te ehrenamtliche Mitarbeiterin unserer Schulranzenaktion. Sie eröffnete eine Sammelstelle, lagert, säubert und kontrolliert gebrauchte Schulranzen. 400 Stück brachte sie bis jetzt auf den Weg in unsere Projektländer. Die Gemeinschaftsunterkunft in Efringen-Kirchen fasst 300 Flüchtlinge. Die Bewohner kommen aus Afghanistan, Albanien, Kamerun, Serbien, Syrien und anderen Ländern. Als Einheimische sich in Zu­ sammenarbeit mit den örtlichen Behörden über­ legten, wie sie diese Menschen unterstützen kön­ nen, stand auch die 41-jährige Verkäuferin Daniela Hildebrandt auf der Matte. Ihr Interesse für andere Kulturen motivierte sie dazu und brachte sie mit ­einer mazedonischen Familie in Kontakt. Daniela Hildebrandt erzählt: „Es fing damit an, dass die Leiterin der Flüchtlingsunterkunft je­ manden suchte, der mit der Familie in die Apotheke fährt, um für den dreijährigen Sohn ein Mittel gegen Kopfläuse zu besorgen. Kurz zuvor hatte ich gefragt, ob sie Hilfe brauchen kann. Ich zögerte, entschloss mich aber dann doch, diesen Weg mit der Familie aufzunehmen. Wir verständigten uns auf Englisch. Die Familie war sehr freundlich und nahm die Hilfe dankbar an. Ihre Gastfreundschaft und Unkompli­ ziertheit auch bei den folgenden Treffen beeindruck­ ten mich. Diese Begegnung ließ mir keine Ruhe. Ich besuchte die Familie immer wieder, um mich zu er­ kundigen, wie es ihnen geht. Jede Woche trafen wir uns einmal.

Flüchtlingskinder sind glücklich, wenn sie dieselben Schulsachen besitzen wie ihre deutschen Klassenkameraden.

Enttäuschte Hoffnungen Ich bekam Einblick in ihre Geschichte und in ihre Hoffnungen, wie sie sich ihr Leben hier in Deutsch­ land vorstellen. Die Mutter stammt aus einem Dorf, der Vater aus einer größeren Stadt. Er versuchte, die Familie durch Gelegenheitsjobs als Taxifahrer und Kellner zu ernähren. Sie bekamen leider kaum Anerken­ nung, weil sie Roma sind. Des­ halb gelang es der Mutter auch nicht, sich einen Kun­ denstamm als Fri­ seurin aufzubau­ en, um für den Lebensunter­halt

Sammelstellenleiterin Daniela H. versorgt die Grundschulkinder der Gemeinschaftsunterkunft in ihrem Ort mit gefüllten Schulranzen.


„Ich hatte Tränen in den Augen, weil es mich ­berührte, wie glücklich jeder Einzelne über seine ­eigenen Schulsachen war.“ Daniela Hildebrandt

der Familie mitzuverdienen. Das Einkommen des Vaters reichte zum Über­ leben nicht aus. Deshalb fassten sie den Entschluss, nach Deutschland auf­ zubrechen. Ich spielte am Anfang viel mit den Kindern dieser und anderer Flüchtlingsfamilien. Dann merkte ich, dass es mein Ding ist, so etwas wie Patenschaften für einzelne Familien zu übernehmen, d.h. dort anzupacken, wo sie Hilfe brauchen, beispielsweise beim Erläutern von Behördenbriefen oder bei der Kontaktaufnahme mit potentiellen Arbeitgebern. Durch diese Schritte vertiefte sich die persönliche Beziehung zur Familie. Die trägt auch jetzt noch, wo sie leider auf ihre Zwangsabschiebung warten, weil es in­ zwischen ein Beschäftigungsverbot für Menschen aus Balkanländern gibt.“

Füreinander – Miteinander Im Frühjahr 2015 bekam die ehrenamtliche GAiN-Mitarbeiterin Kontakt zu einer Lehrerin, der sie von unserer Schulranzenaktion erzählte. Da für die 40 Kinder und Jugendlichen aus den verschiedenen Ländern ein gesonderter Schulanfang stattfinden sollte, beschlossen die beiden Frauen, bei diesem Anlass GAiN-Ranzen zu verteilen. Der Tag des Schulanfangs in Deutschland war nicht nur für die Kinder und Jugendlichen ein besonderer Tag, sondern auch für Daniela H. Sie berichtet mit einem Strahlen im Gesicht von der großen Freude bei den jungen Empfängern, als sie ihr neues Schulmaterial entdeckten. Die Grundschulkinder trauten sich anfangs gar nicht, die Ranzen zu öffnen. Doch als die Kuscheltiere zum Vorschein kamen, überwog die Neugier und alle Scheu war überwunden. Die Jugendlichen ha­ ben Schulrucksäcke erhalten und waren sehr dankbar für die erfahrene Hilfe. „Auch ich hatte Tränen in den Augen, weil es mich be­ rührte, wie glücklich jeder Einzelne über sei­ ne eigenen Schulsachen war“, erzählt unse­ re Sammelstellenleiterin. Auf diese Weise ist ihr größter Wunsch, einmal selbst beim Verteilen der Ranzen dabei zu sein, sogar vor der eigenen Haustür in Er­ füllung gegangen. Die Arbeit mit Flüchtlingen in EfringenKirchen geht weiter und aus dem Füreinander von Einwohnern und Gästen ist längt ein Miteinander ge­ worden. Auch Daniela Hil­ debrandt ist weiterhin mit am Ball und nutzt die Chan­ ce, wenn die Welt vor ihre Haustür kommt. Anne-Katrin Loßnitzer

TIPPS FÜR EH RENAMTLIC H E H ELFER Es gibt solche und solche Helfer. Manche fühlen sich schon großartig, wenn sie einige Klamotten ausmisten und irgendwo abgeben können, wo sie Flüchtlingen zugute kommen sollen. Andere sehen die Nöte der Menschen, setzen Zeit, Geld und Knowhow ein und vergessen sich dabei oft selber. Für sie haben wir einige Ratschläge:

Hilfe zur Selbsthilfe

Flüchtlinge können ihre Probleme selber lösen, wenn wir ihnen zeigen, wie. Wir müssen ihnen nicht alles abnehmen. Das ist auch eine Frage der Würde.

Warum tue ich das eigentlich?

Was erwarten Sie, wenn Sie etwas für andere tun? Nicht immer bekommen wir den Dank und die Anerkennung, die wir uns erhofft haben. Bei unrealistischen Erwartungen könnte sich Resignation breit machen.

Ihre Zeit ist wertvoll.

Planen Sie realistisch ein, wieviel Zeit Sie investieren können. Planen Sie für einzelne Aktionen genug Zeitpuffer ein. Manches dauert einfach länger, als wir es gewohnt sind.

Nein-Sagen-Üben!

Sie können nicht allen helfen, Sie können nicht immer ansprechbar sein. Auch Sie haben Ihre Grenzen, die niemand einfach überschreiten darf.

Darüber reden!

Belastende Erfahrungen ­dürfen nicht einfach geschluckt werden. Gespräche und Austausch helfen beim Verarbeiten.

Helfen Sie auch sich!

Wer mit belastenden Erlebnissen anderer zu tun hat, muss auch auf sich selber achten. Was uns gut tut, darf nicht zu kurz kommen.

G l ob a l A id N e t w or k │ B e w e gt 1-2016

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>>Irak

Bleiben oder gehen? „Erzählt unsere Geschichten“

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as bitten viele Flüchtlinge, die Andrea Wegener bei ihren Reisen im Nordirak besucht hat. Als ehrenamtliche Katastrophenhelferin von GAiN war sie dreimal vor Ort im Einsatz und traf viele Familien, die fliehen und alles zurücklassen mussten und doch ihre schlimmen Erlebnisse mit in ihre Übergangsheimat mitbrachten. Sie leben in Lagern, Rohbauten oder anderen Behelfsunterkünften, warten und hoffen. Doch worauf? Andrea Wegener hat zugehört und hat ihre Geschichten aufgeschrieben. Begleitet wurde sie dabei von der Fotografin Claudia Dewald.

Im Lager

Noor und Khyri sind dicke Freunde geworden, obwohl ihre Familien unterschiedliche Religionen haben.

Wir wollen hierbleiben

Bewe gt 4-2015 │ Glo bal Ai d N etwo rk

Im Lager Dawudiya, schon fast an der Grenze zur Türkei, le­ ben zur Zeit 780 Familien, „4528 Personen“, wie die CampChefin Ghada es auch ohne nachzuschauen weiß. Sie ist eine unerwartet freundliche, unerwartet junge Kurdin – von offizi­ ellen Behörden haben wir an anderer Stelle auch schon man­ che Unfreundlichkeit erlebt. Sie hat sich bisher ihr Lächeln erhalten können... Zwei Jungs fallen uns gleich als dicke Freunde auf: Noor aus einer Christenfamilie und sein Freund Khyri aus einer Je­ sidenfamilie sind beide 15 und schon seit ihrem ersten Tref­ fen unzertrennlich ... Wir beschließen, die beiden Familien zu besuchen, die durch die Freundschaft der Jungs verbun­ den sind, aber doch vermutlich für verschiedene Hintergrün­ de und Stimmen im Camp stehen. Wir sind noch nicht weit gekommen, als uns mitten auf dem Weg ein älterer Herr an­ spricht. Seine Flucht aus Mossul ist schon eineinhalb Jahre her, aber er begrüßt uns mit den Worten, die ich im letzten Jahr schon so oft gehört habe: „Sie haben mir alles abge­ nommen!“ Dawod ist 74 und lebt mit seiner Frau und einem erwachsenen Sohn in einem Container. „Sie haben unser Gold genommen, unsere Dokumente, auch die Papiere von unserem Haus. IS hat eine Markierung angebracht, dass un­ ser Haus nun ihnen gehört. Sie haben meinen Sohn verflucht und wir sind mit nichts als unseren Kleidern am Leib geflüch­ tet.“ Er ist immer noch ganz aufgebracht und traurig. „Zuerst haben wir acht Monate in einer Kirche hier in der Nähe ge­ wohnt und die Gemeinde hat sich um uns gekümmert. Dann wurde angeordnet, dass wir hierher kommen sollten, also ist der Priester zu uns gekommen und hat uns das gesagt. Hier haben wir gar nichts. Wir sind von anderen Leuten abhän­ gig.“ Ich weiß nicht, was ich diesem alten Herrn sagen soll, der im Alter meines Vaters ist, aber zwanzig Jahre älter wirkt. Das bisschen Zuhören, das ich ihm bieten kann, schafft ihm doch keine Perspektive. „Hier im Lager sind wir weder richtig tot noch richtig lebendig.“

Der Besuch bei Noors Familie gerät fröhlicher. Seinen Vater Issa mag ich mit seinem verschmitzten Lächeln sofort, sein Bruder bringt uns mit seinen Versuchen, auf möglichst jedem von Claudias Fotos zu erscheinen, zum Lachen, und seine Mutter, eine lebhafte Frau Ende Dreißig, lädt uns gleich zum Mittagessen ein: Sie hockt auf dem PVC-Boden ihres Con­ tainers und bereitet gerade Dolmas zu, das Lieblingsessen vieler Menschen aus Mossul. „Wir haben in einem kleinen Dorf bei Mossul gewohnt“, erzählt Nawal, „und erst ha­ ben uns Freunde, dann auch unser Priester angerufen: Der


Diese christliche Familie kam erst in einem Rohbau, dann in einem Stall und schließlich in einem Flüchtlingslager unter. Sie konnten nichts mitnehmen. Die Mutter verlor während der halsüberstürzten Flucht ihr ungeborenes Kind.

IS kommt! Wir haben nichts mitnehmen können außer un­ seren Ausweisen. Eigentlich wären wir jetzt zu fünft, ich war schwanger, als wir fliehen mussten. Aber das Kind habe ich verloren. Wir sind erst in einem Rohbau untergekommen, dann in einem Stall. Da ist Issa von einem Skorpion gebis­ sen worden, aber ihm ist nichts passiert. Ich bin sicher, Gott hat ihn beschützt.“ Wie lebt es sich hier im Lager, frage ich sie. „Ich bin hier sicher und meine Familie ist sicher. Das ist das Wichtigste. ... Diese Familie möchte nicht ins Ausland. „Ich möchte eigentlich lieber im Irak leben, aber friedlich und sicher“, sagt Nawal leidenschaftlich. „Der Irak ist doch das Paradies, mein Land! Es wäre so gut, wenn wir mit allen Religionen in Frieden zusammenleben könnten.“

Hier sehe ich keine Zukunft Es sind in der Tat schon einige Leute in ihre Dörfer zurückge­ kehrt, das hat uns auch Ghada, die Camp-Direktorin, bestä­ tigt. Einzelne Dörfer sind schon vor zehn Monaten zurück­ erobert worden; einige Männer sind dorthin zurückgekehrt und haben mit dem Wiederaufbau der Infrastruktur begon­ nen. Wenn wieder Elektrizität und Wasser vorhanden sind, können im Prinzip auch die Frauen und Kinder zurück – aber bei vielen sitzt die Angst zu tief, als dass sie sich eine Rück­ kehr im Moment vorstellen könnten. Ghada hofft trotzdem, dass in den nächsten Monaten mehr Familien in ihre Heimat­ dörfer zurückkehren; die Situation im Camp würde es sicher entkrampfen. Khyri, Noors jesidischer Freund, wohnt nur 100 Meter weiter in einem anderen Abschnitt des Camps, aber besucht haben sich die Familien noch nie ... Die Familie stammt aus einem kleinen Dorf. Als der IS kam, brachen sie mit fünf an­ deren Familien auf. Sie konnten ihr Auto und etwas Wasser mitnehmen („und das kleine Fotoalbum, darauf haben die Kinder bestanden!“), aber das half ihnen wenig, als der IS das Sindschargebirge umstellte. „Wir sind dort eine Woche gewesen“, erzählt Sharaf. „Es war so furchtbar kalt und wir hatten fast nichts zu essen. Das Wenige, was wir hatten, ha­ ben wir mit den anderen Familien geteilt. Dann hat uns die PKK befreit und nach Syrien gebracht, später sind wir dann hierher gekommen. Die Kinder reden heute noch fast jeden Tag davon, wie sehr sie gefroren haben und dass sie nichts zu essen hatten. Vor allem meine kleine Tochter, die war da gerade vier. Mein Jüngster hier ist noch zu klein, um sich zu erinnern. Ich sehe für uns hier keine Zukunft. Am Anfang haben wir noch gedacht, das US-Militär unternimmt etwas und schaltet den IS aus, aber das ist nicht passiert; der IS nimmt immer noch Leute gefangen. Als wir zum ersten Mal gehört


haben, dass man uns in Europa aufnehmen würde, haben wir uns gefreut. Aber dann ist ein Tag nach dem anderen vergangen und wir haben nie eine eindeutige Ansage gehört. Es wäre gut, wenn mal jemand deutlich erklären würde, wie das alles funkti­ oniert und wie unsere Chancen stehen. Woher soll also unsere Hoffnung kommen?

Erkennungszeichen Kreuz

In einem Container wohnen bis zu acht Personen auf engstem Raum. Das Essen bereiten sie auf dem Boden zu.

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Diese jesidische Familie hat eine Woche im Sindschar-Gebirge aushalten müssen, bis die PKK sie und viele andere befreite. Sie würden gerne auswandern.

Die Rückfahrt vom Flüchtlingscamp zurück nach Erbil verläuft glatt. An drei oder vier Stellen passieren wir Kontrollposten der Peschmerga, aber sie winken uns meistens durch, wenn sie hö­ ren, dass Deutsche im Auto sitzen oder wir ihnen unsere deut­ schen Pässe aus dem Fenster reichen. Es ist total verrückt, wie hoch angesehen mein Volk hier ist: Soldaten wie Zivilpersonen behandeln uns meist ausgesucht freundlich, weil wir in Deutschland Flüchtlinge aufnehmen, weil wir Hilfsgüter schi­ cken – und nicht zuletzt, weil wir Waffen liefern. So ganz kann ich mich an diese Begeisterung nicht gewöhnen ... Nicht nur ein deutscher Pass erweist sich an Kontrollposten als hilfreich; auch die Religions­ zugehörigkeit zählt. Am Rückspiegel unseres Autos baumelt ein Kreuz. „Bist du Christ?“, fragt der Soldat Josua beim Blick in seine Papiere. „Ja“, sagt Josua, und man winkt uns durch. Christen sind harmlos und man vertraut ihnen, dass sie keinen Ärger machen. „Vielleicht muss ich mir einfach mal ein größeres Kreuz um­ hängen“, brummelt Josua und betrachtet das kleine Kreuz an seiner Halskette. Viele Christen, die ich seit meinem ersten Ein­ satz im Irak kennengelernt habe, tragen tatsächlich ein Kreuz um den Hals oder haben sich gar eins auf den Arm oder aufs Handgelenk tätowieren lassen. Auch ich habe gleich an meinem ersten Tag von einer einheimischen Kollegin ein Kruzifix ge­ schenkt bekommen. Ich komme aus einer eher kruzifix-skep­ tischen Tradition, aber hier im Irak erscheint es mir ganz na­ heliegend, es täglich zu tragen. Es ist mir ein Bedürfnis, mich zum Gekreuzigten zu bekennen und zu den Menschen, die um seinetwillen oft genug wie der letzte Dreck behandelt werden. Als Glücksbringer oder weil es „schön“ oder „modisch“ wäre, trägt hier, glaube ich, niemand ein Kreuz. Es ist unfassbar: das gleiche Bekenntnis, das einem an den Kontrollposten Kurdistans manche Erleichterung verschaffen kann, führt ein paar Kilometer entfernt zu Verfolgung und Tod.

Bewe gt 1-2016 │ Glo bal Ai d N etwo rk

Lesen Sie mehr! Andrea Wegener

Entkommen aus dem Netz des Jägers

Begegnungen mit verfolgten Christen im Irak, mit Fotos von Claudia Dewald ca. 144 Seiten, geb., 12,95 € Bestellen Sie telefonisch oder per Mail: Tel. 0641-97518-0 Info@GAiN-Germany.org Wir leiten Ihre Bestellung an unseren Partner Campus für Christus weiter.


W I E G AIN IM IR A K HILF T • •

Von Juni 2014 bis heute kamen 11 Hilfstransporte an. Hauptsächlich brachten wir: Gebrauchte Kleidung, Schuhe, Waschmittel, Schulranzen, Babynahrung, Rollstühle, Krücken, Rollatoren, Schulmöbel, medizinisches Material. Der gesamte Warenwert betrug 1.3 Mio. €. Wir unterstützen weiterhin 100 Familien monatlich mit Lebensmittelund Hygienepaketen, die vor Ort eingekauft werden. Dafür überweisen wir monatliche Spendengelder.

Wie gut, dass es in diesem Flüchtlings­ lager wenigstens einen Sportplatz gibt, auf dem sich vor allem die jungen Bewohner die endlose Zeit des Wartens vertreiben können.

„Nehmt Flüchtlinge bei euch auf, aber vergesst nicht den Teil der Geschichte, der sonst unerwähnt bleibt: Hier im Irak leben Menschen, die ­genauso viel Leid erlebt ­haben wie die Flüchtlinge, die in Europa ankommen – aber die hierbleiben möchten und die hier vor Ort Unterstüt­ zung brauchen!“ Vater Emanuel, Archimandrit der Assy­ rischen Kirche des Ostens, auf die Frage, was wir Christen in Deutschland für die Christen im Irak tun können.

G l ob a l A id N e t w or k │ B e w e g t 1-2016

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>>GAiN-Projekte

updates HAITI Größer, kühler, leiser ist der neue Kindergarten in Léogâne, Haiti. Im Januar konnte er feierlich eingeweiht werden. Die Kinder können jetzt viel besser spielen und lernen. Als Nächstes würden wir gerne die beim Erdbeben zerstörte Schule wieder aufbauen, müssen aber erst einmal den Unterhalt unserer Kinder im Heim sichern. Der Wertever­ lust des Euro und die Teuerung der Lebensmittel veranlassen uns zum Kürzen und Streichen. Für etliche Kinder brauchen wir noch dringend Paten. Neue Kinder können wir zur Zeit eigentlich gar nicht aufnehmen. Eigentlich!

TR A I NI NG F ÜR K ATA S T R O P HE NHE L F E R Das Team der ehrenamtlichen Katastrophenhelfer ist seit dem letzten jährlichen Trai­ ning auf 55 Personen angewachsen. Eine Teilnehmerin über ihre Erfahrungen bei der Schulung: „Für mich persönlich bedeuteten diese Tage viel mehr als nur das Trai­ ning an sich. Ich habe mich persönlich, praktisch, sozial, beziehungstechnisch, geist­ lich und mental weiterentwickelt. Nie zuvor habe ich bei einer Gruppe, Menschen oder bei einer Organisation die Werte, Ziele und praktischen Taten so deutlich ge­ sehen, die ich persönlich anstrebe. Es war ein Privileg für mich, diese bedingungs­ lose Liebe so professionell und anfassbar ausgelebt zu sehen. Ich habe das Training mit Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten und mit 20 neuen Freunden beendet.“ Interessenten bitte jetzt bewerben, weitere Infos auf S. 2!

BR UNNE N F ÜR A F R I K A Lukas Häde aus Nordhessen hat mit seinen eigenen Füßen einen Brunnen erlaufen. Der 24-jährige Betriebswirtschaftler legte fast 4.000 Kilometer nach Gibraltar per Pe­ des zurück, um dadurch Spenden für einen Brunnen in Benin zu erhalten. Nach 206 Tagen Fußmarsch kamen 12.000 Euro zusammen, ein Brunnen kostet 7.500 €. Die restlichen Kosten für einen zweiten Brunnen konnte Lukas durch anschließende Vor­ träge auch noch aufbringen. Und auch die Blasen an den Füßen sind längst vergessen. Danke, Lukas!

N O R DK O R E A Bei unserer Reise im November 2015 stellten wir fest, dass das Land sich verändert. Es wird viel modernisiert und gebaut. Die größte Neuerung ist, dass alle Menschen recht freundlich sind und auch lachen und scherzen. Auch die Versorgungssituation hat sich offenbar verbessert. Die Kinder in den Heimen sehen gesünder aus und verhalten sich gesünder – offen und fröhlich, teilweise chaotisch und herzlich. Die Leiterinnen der Heime sagten zunächst, dass sie alles haben, machten aber bei näherem Hinhören deutlich, dass sie doch noch Hilfe brauchen. Wir werden künftig Babynahrung vor allem in Kinderkrankenhäuser bringen, denn dorthin kommen auch die armen Fami­ lien vom Land mit ihren mangelernährten Kindern.

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Bewe gt 1-2016 │ Glo bal Ai d N etwo rk


>>GAiN Aktiv

So helfen Sie mit!

Helfen mit gebrauchten ­Gütern

URLAUB MIT HERZ

2016

Packen Sie gut erhaltene, saubere Kleidung, Schuhe oder Haushaltsgegenstände in ­stabile Kartons (am besten Bananenkisten), ­kleben Sie sie gut zu, heften Sie einen Zettel mit dem Inhalt daran und geben Sie sie bei einer GAiN-Sammelstelle in Ihrer Nähe ab. Adressen von Sammelstellen: www.karte.gain-germany.de oder ­Thomas Steffen: Tel. 0641-97518-66 Thomas.Steffen@GAiN-Germany.org

Helfen mit Schulranzen

Land entdecken | Menschen helfen Reisen Sie in eines unserer Projekt­­länder. B ­ egegnen Sie ­Menschen. ­Lernen Sie Land und ­Kultur ­kennen. Helfen Sie mit bei ­humanitären ­Einsätzen, ­Bau­projekten, Sport­ aktionen oder Kinder­programmen. ­Entdecken Sie das Land bei ­Ausflügen. Wir ­versprechen ­Ihnen eine un­ver­gessliche Zeit.

2016 bieten wir Gruppenreisen in folgende Länder an: Armenien 1 12. - 26. August Armenien 2 9. - 23. September Lettland 7. - 20. August Uganda 29. Oktober - 12. November

690 € zzgl. Flug 690 € zzgl. Flug 590 € zzgl. Flug 900 € zzgl. Flug

Südafrika 28.7.-11.8. (englischsprachig) Israel 31.3.-9.4. (englischsprachig) Osteuropa 22.7.-6.8. (englischsprachig)

1.950 € inkl. Flug 1.795 € inkl. Flug 650 € inkl. Fahrt

Individualreisen sind in folgendes Land möglich: Haiti

20 € pro Nacht/Person in unserem Gästehaus

Weitere Infos und Anmeldung

Fordern Sie bei uns den ausführlichen Prospekt an: Tel. 0641-97518-50 oder Info@GAiN-Germany.org Im Internet: campus-d.de/urlaubmitherz

Packen Sie ein Päckchen mit Schul­material. Wenn Sie ­ sogar noch einen ­ gebrauchten Schulranzen besitzen, füllen Sie ­ diesen mit den Schulmaterialien und geben ihn bei ­einer der v­ ielen Schulranzen-Sammel­stellen ab. In­ fos über den Inhalt, die Sammel­stellen und zur Projektumsetzung e ­ rfragen Sie bitte bei der Schul­ranzenaktion. Kontakt: Silvia Huth Tel. 0641-97518-57 Schulranzenaktion@ GAiN-­Germany.org

Firmen spenden Waren Statt einwandfreie, aber nicht mehr im Wirt­ schaftsverkehr umsetzbare Ware zu ent­ sorgen, können Firmen diese Güter einfach spenden. GAiN ist regelmäßig auf der Suche nach Baby- und Kindernahrung, Trocken­ produkten, Hygiene­ artikeln, Waschpulver oder auch Schulmaterial. Sachspenden­ bescheinigungen sind selbstverständlich. Kontakt: Harald Weiss Tel. 0641-97518-54 Harald.Weiss@GAiN-Germany.org

Pate werden Es sind die Schwachen an vielen Orten der Erde, die sich nicht selber helfen können: Kinder, Frauen und alte Menschen. Paten­ schaften sind eine ideale Form, p ­ersönlich und wirkungsvoll zu helfen. Wir von GAiN vermitteln Paten­ schaften für Kinder in ­Uganda, Haiti und Indien, Frauen in Indien und Holocaustüber­lebende in I­srael. Kontakt: Andrea Scheffler Tel. 0641-97518-53 Patenschaften@ GAiN-­Germany.org

G l ob a l A id N e t w or k │ B e w e g t 1-2016

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Postfach 100 262 35332 Gießen Tel.: (0641) 97518-50 Fax: (0641) 97518-41

70786 Postvertriebsstück Deutsche Post AG Entgelt bezahlt

E-Mail: Info@GAiN-Germany.org www.GAiN-Germany.org

„Ich will ­Ärztin werden“

Farah stürmt auf das Auto der GAiN-Mitar­ beiter zu: „Ich bin so glücklich, dass Ihr hier seid!“, sprudelt es aus ihr heraus. „Kommt, wir machen einen Rundgang
 durch mei­ ne Schule.“ Sie führt uns zu ihrer Klasse, in der ca. 60 junge Frauen sitzen,
 die hier zur Krankenschwester ausgebildet werden. Die Ausbildung dauert vier Jahre und ko­ stet 400 Dollar pro Semester. Für die mei­ sten Haitianer ist es sehr schwierig oder unmöglich, solch eine Ausbildung zu finan­ zieren. Farah hat von GAiN einen Ausbil­ dungskredit erhalten, den sie zurückzahlen kann, wenn sie Geld verdient. 
Neun junge Leute haben unser Azubi-Patenprogramm in Anspruch genommen, sechs davon ha­ ben es bereits erfolgreich durchlaufen. Wir lernten Farah 2010 kurz nach dem Erdbeben bei einer Lebensmittelverteilung kennen. Sie lebte mit ihrem Vater und drei Geschwistern in einem winzigen Zelt, weil das Haus, in dem sie gelebt hatten, einge­ stürzt war. Ihr großer Traum war es, Ärztin zu werden, da ihre Mutter, die vom Vater geschieden wurde, herzkrank ist. Nach der Schule rückte dieser Traum in weite Ferne, da der Vater nicht genug Geld verdient, um den Kindern eine Ausbildung zu finan­ zieren. Farah blieb nach ihrem Schulab­ schluss ein Jahr zu Hause, bis sie in unser Ausbildungs­programm aufgenommen wur­ de. Weil Farah so ehrgeizig ist, schließt sie vielleicht noch ein Studium an die Ausbil­ dung an.

Werden Sie Pate eines Kindes in Haiti

Etliche der Heimkinder brauchen noch Paten. Unser Kinderheim in Léogâne kann die Kosten für Mahlzeiten, Kleidung und Lehrer nur dann bestreiten, wenn genügend Paten regelmäßig spenden. Diese Kinder bekommen eine Zukunftsperspektive und müssen später nicht mehr so leben wie ihre Eltern. Wie überall auf der Welt ist Bildung der wichtigste Schritt auf dem Weg aus der Armut.

Eine Patenschaft ist ab 25 € pro Monat möglich

Anfragen bitte an: Patenschaften@GAiN-Germany.org, Tel. 0641-97518-53

2010: Durch das ­Erdbeben wurde das Haus von Farahs ­Familie komplett ­zerstört.

2016: Farah bei ihrer Ausbildung zur Kranken­ schwester


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