Ausgabe 1/19
He l fen m it He rz u n d H a nd
Krisen, Kriege, Katastrophen Thema Persรถnlich Ukraine
Was passiert, wenn was passiert Master of Disaster Spielplatz statt Panzer
>>Inhalt
Global Aid N e t w o r k
04 Was passiert, wenn was passiert? Titelthema 08 Spielplatz statt Panzer Ukraine
Global Aid Network (GAiN) ist eine internationale Hilfsorgani sation, die seit 1990 in vielen Ländern der Welt humanitäre Hilfe leistet. GAiN möchte ein weltweites Logistiknetzwerk für humanitäre Hilfe aufbauen und arbeitet eng mit anderen humanitären Organisationen, Produktionsfirmen und Privat personen zusammen. Auf diese Weise können wir in akuten Not situationen schnell auf die Bedürf nisse von betroffenen Menschen reagieren, die benötigten Hilfsgüter organisieren und diese umgehend und kostengünstig in die Zielgebiete transportieren. Die zuverlässige Verteilung der Spenden in den betroffenen Re gionen stellen unsere meist ein heimischen Partner sicher. GAiN ist der Partner für humanitäre Hilfe von Campus für Christus.
11 „Ich traf Mutter Teresa in der Ukraine“ Vorgestellt: Katastrophenhelferin Hanna K. 12 Master of Disaster Interview mit Ulrich Fischer 14
Bin ich als Katastrophenhelfer geeignet? Schnelltest
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GAiN aktiv So helfen Sie mit!
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Lisa und Lena spenden Gewinn an GAiN Klein gegen Groß
KALENDER
Sammeln Sie Hilfsgüter für Menschen in Not: GAiN-Germany.org/mitmachen/hilfsgueter-spenden Sortieren Sie Hilfsgüter bei unseren Ferienaktionen: GAiN-Germany.org/mitmachen/mitmach-aktionen
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Impressum GRAFIK : FREEPIK
Ilja aus der Ukraine wartet auf mich. Er hat keine J acke, die ihn richtig wärmt, wenn er bei 20 Grad Minus zur Schule geht.
Herausgeber: Global Aid Network (GAiN) gGmbH Am Unteren Rain 2, D-35394 Gießen Tel. 0641-975 18-50 Fax 0641-975 18-41 Redaktion: Birgit Zeiss, Harald Weiss Gestaltung: Claudia Dewald Erscheinungsweise: vierteljährlich, der Bezugspreis ist im Mitgliederbeitrag enthalten. Vertrieb: GAiN Deutschland Fotos: Claudia Dewald oder privat Spendenkonto: GAiN gGmbH Volksbank Mittelhessen IBAN DE88 5139 0000 0051 5551 55 BIC VBMHDE5F Geschäftsführung: Klaus Dewald, Raphael Funck Amtsgericht Gießen HRB 8888
MEIN JOB BEI
Liebe Leserin, lieber Leser, während ich diese „bewegt“ zusammenstelle, findet in Köln die Möbelmesse statt. In der Zeitung lese ich von einem deutlichen Trend zum gemütlichen Stil bei der Wohnungseinrichtung. Ja, die Menschen schaffen sich gern zu Hause ihr persönliches Nest, in dem sie sich angesichts der weltweiten Katastrophen sicher und geborgen fühlen können. Ich verstehe das gut. Auch ich möchte nach manchen Nachrichten lieber eine Klappe fallen lassen, als mich mit den „Ks“ der Welt zu befassen: Krisen, Kriegen, Katastrophen.
Wir suchen engagierte Mitarbeiter(n): Gemeindereferent(n) Assistent(n) der Bereichsleiter für Öffentlichkeitsarbeit und Mobilisation Sekretär(n) der Katastrophenhilfeabteilung Projektleiter(n) für Auslandsprojekte (in D)
Nicht jeder muss Katastrophenhelfer/in werden. Aber es tut uns gut, ab und zu unsere Komfortzone zu verlassen und wenigstens einen Blick über unseren Tellerrand hinaus zu wagen. Einfach nur Augen, Mund und Ohren zuzuhalten, bringt niemand wirk lich weiter. Ein Einsatz in einem Krisengebiet verändert – und zwar beide Seiten: den aktiven Helfenden und den Hilfeempfan genden. Auch ich, die ich zu den eher vorsichtigen und nicht so risikofreudigen Menschen gehöre, habe erlebt, dass ich unge ahnte Kräfte entwickeln kann, wenn es ernst wird. Jeder Besuch in Uganda hat meine Sicht auf die wichtigen Dinge im Leben verändert. In dieser Ausgabe der „bewegt“ erfahren Sie mehr darüber, wie Katastrophenhilfe koordiniert wird, welches Konzept GAiN dafür entwickelt hat und wie die Praxis aussieht. Sie werden feststellen, dass Katastrophenhelfer nicht die Rambo-Typen sind, die sich von Brücken stürzen, sondern Menschen wie Sie und ich. Viel Freude beim Lesen wünscht
„Bei GAiN habe ich alles schon einmal gemacht. Ob Lkws beladen, fahren oder Länderprojekte betreuen – die Arbeit bei GAiN macht mir Freude und vor allem hilft sie Menschen in Not.“ Thomas, Mitarbeiter in der Logistik
Weitere Infos:
Birgit Zeiss, Redaktion
GAiN/Campus für Christus Personalabteilung Postfach 100 262, 35332 Gießen Tel. 0641-97518-33 Personal@campus-d.de Weitere Stellenangebote auf unserer Webseite: GAiN-Germany.org/mitmachen/mitarbeiten Der Bewerbungsprozess wird von der Personalabteilung von C ampus für Christus e.V. durchgeführt.
>>Thema
WAS PASSIERT wenn was passiert
er hilft wann, wo und wie, wenn irgendwo auf der Welt der Katastrophenfall eintritt? Raphael Funck fasst für „bewegt“ zusammen, was passiert, wenn was passiert. Fall eins – die Regierung lädt ein Die Regierung des betroffenen Landes muss im Katastrophenfall andere einladen, ins Land zu kom men. Wenn das nicht geschieht, kann niemand ins Land kommen und helfen. Es kann also sein, dass eine Regierung sagt: „Wir brauchen keine Hilfe“ oder, dass sie sagt: „Wir brauchen Hilfe, aber wir ko ordinieren das selber.“ Nicht selten ist die Regierung auch die koordinierende Stelle. Das kann auf na tionaler Ebene oder auf regionaler Ebene geschehen, z.B. durch Bürgermeister oder Regionalkomitees.
Fall zwei – OCHA* koordiniert Oft sind Regierungen mit der Koordination überfordert, dann hilft die UN. Sie ist die nächste Instanz, die zuständig ist. Dafür hat die UN eine eigene Abteilung, die OCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs*). Deren Aufgabe ist es, die humanitären Aktivitäten zu koor dinieren. Das läuft im Idealfall, der selten eintrifft, so, dass die OCHA vor Ort in der Krisenregion mit einem Büro stationiert ist. Dort können sich alle helfenden Organisationen registrieren. Die OCHA erstellt eine Liste aller Organisationen, die im Land sind. Aus dieser sogenannte 3-W-Liste ist ersicht lich, wer wo was tut, um Not zu lindern. Die OCHA informiert die Werke auf der Liste dann, wo es wann welche Meetings gibt. Alle werden dann zu den sog. Clustermeetings* eingeladen, bei denen bestimmte Themen besprochen werden. Jede Organisation kann an diesen Treffen teilnehmen, muss es aber nicht. Dort spricht man sich ab, wer was in der humanitären Hilfe übernimmt.
Fall drei – Zufallsprinzip Raphael Funck ist Geschäftsführer bei GAiN. Er war maßgeblich bei der Katastrophenhilfe für Haiti involviert und ist seitdem treibende Kraft bei der Entwicklung und Professionalisierung des KatastrophenhilfeKonzeptes.
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Wenn die OCHA gar nicht vor Ort anwesend ist oder nicht die Rolle spielt, die sie spielen sollte, wird es schon schwieriger. Manchmal wird Hilfe zwar von der OCHA koordiniert, aber die Meetings finden auf einem Niveau statt, das praxisfern ist. Dann findet eine Koordination zwischen einigen wenigen Akteuren nach dem Zufallsprinzip statt. Zum Beispiel finden sich einige kirchliche Organisationen, die sich absprechen und ihr Vorgehen miteinander abstimmen. Das ist die geringste Stufe der Koordinati on, aber nicht selten die Realität. Die Katastrophe in Ruanda (1994) war Anlass dafür, dass humanitäre Hilfe besser koordiniert wird. Trotzdem kann es immer noch passieren, dass jedes Werk kommen darf und sein eigenes Ding macht, außer wenn die Regierung es unterbindet. Die Registrierung durch die OCHA geschieht auf freiwilliger Basis. Die OCHA hat nicht die Autorität, etwas abzubrechen oder zu verbieten. * siehe Wörterbuch S. 6
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Unsere Erfahrungen Kleinere Organisationen wie wir können gar nicht immer an al len Koordinationstreffen teilnehmen. Diese Meetings finden so oft statt, dass wir dauernd damit beschäftigt wären, dort teilzu nehmen. Das kann unser meist kleines Team nicht leisten. Weil unser Hilfebeitrag im Vergleich zu den großen Organisationen (z.B. Rotes Kreuz) verhältnismäßig gering ist, wollen sich die Großen mit uns Kleinen gar nicht unbedingt aufhalten. Aber wir haben eine wichtige Rolle. Wir versuchen immer, die Nische zu finden. Da ist zum Beispiel ein großes Flüchtlingslager für 5.000 Leute ausgelegt. Wenn dann 8.000 Menschen dort auf genommen wurden, gehen die Tore zu. Um die Leute, die noch draußen stehen, kümmern sich die UN oder das Rote Kreuz nicht mehr, weil auch ihre Kapazitäten begrenzt sind. Oder es gibt eine christliche Minderheit, die nicht in einem muslimisch dominierten Flüchtlingslager unterkommen will und woanders Zuflucht sucht. Das war z.B. im Irak der Fall. Damit sind sie nicht offiziell registriert und bekommen keine Hilfe. Sie fallen durch das Netz der Großen. Das ist unsere Zielgruppe. In unseren Einsatzländern haben wir schon alle Arten von Erfahrungen gemacht: eine Überkoordination in Haiti, die zu einem Gegenteil von Koordination geführt hat, einen guten In formationsaustausch im Irak und gar keine Koordination in der Ukraine.
Haiti Wir waren dort registriert, haben die Newsletter bekommen und sind anfangs regelmäßig zu den Koordinationsmeetings gegangen. Da kamen sehr viele widersprüchliche Informa tionen. Heute darf man nichts verteilen, morgen darf man, übermorgen ist es ein bestimmtes Produkt, das nicht verteilt werden kann, usw. Wir merkten irgendwann, dass uns das mehr behindert als kon struktiv unterstützt. Man muss allerdings sagen, dass in Haiti die UN sowie die Regierung selbst vom Erdbeben betroffen wa ren. Viele MA sind umgekommen.
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>>Thema
WAS PASSIERT wenn was passiert
Irak Im Irak lief die Koordination besser. Wir haben an den Clustermeetings* teilgenommen und dort ausreichende In formationen erhalten, vor allem bezüglich Sicherheit und möglicher Nischen für unseren Beitrag. So wussten wir, was andere machen, und wir teilten mit, was unser Beitrag ist. Das war hilfreich.
Ukraine In der Ukraine sind wir auf die UN zugegangen und haben um Informationsaustausch bezüglich Sicherheit gebeten. Man wollte uns keine Informationen zur Verfügung stel len. Wir erhielten zwar Listen anderer hilfreicher Partner, die wir aber bei der Kürze unseres Einsatzes nicht nutzen konnten. So haben wir das UN-Büro ohne für uns brauch bare Ergebnisse verlassen. Hier handelt es sich auch um eine spezielle Situation, der Krieg dauert schon fünf Jahre, und wir waren nur begrenzt da. Da scheint es so, als mach ten wir der UN mehr Mühe, als dass wir ihr einen Nutzen brächten.
HINTERGRUND: FREEPIK
Aus Erfahrungen lernen Die Erfahrungen nach dem Erdbeben 2010 in Haiti haben uns viel gelehrt. Nach dem Einsatz dort wussten wir, dass wir unser Vorgehen bei Katastrophen ändern müssen. Die größte Herausforderung in Haiti war für uns, dass wir per sonell nicht auf so eine Situation vorbereitet waren. Wir waren vorher in Katastrophen involviert, aber unsere Hilfe fand in kleinerem Ausmaß statt. In Haiti haben wir zum ersten Mal als globales GAiN-Netzwerk gearbeitet. Die Menge an materieller und finanzieller Hilfe war so groß wie noch nie zuvor. Die Hilfe ging nicht nur über Monate, sondern fast für ein Jahr. Unser Partner dort war selbst vom Erdbeben betroffen, hatte nicht viel Kapazität. Es fehlte an Mitarbeitern. Also wurden kurzfristig Ehrenamtliche re krutiert und hingeschickt. Die hatten nicht genug Ahnung, wie wir von GAiN funktionieren. Es war nicht geklärt, un ter welcher Leitung ein Mitarbeiter arbeitet. Weisungs geber aus mehreren GAiN-Büros versuchten zu steuern. Trotzdem haben wir viel bewegt. Gemessen an unseren Voraussetzungen lief es erstaunlich gut. Unsere wichtigste Lehre aus Haiti war, dass wir Personal aufbauen, dass wir Ehrenamtliche im Vorfeld schulen müssen. Wir merkten, dass wir klare Strukturen brauchen. Wenn wir helfen, muss klar sein, wer was macht, und wer wem Anweisungen gibt. So haben wir ein Konzept entworfen, aus dem sich das Katastrophenhilfe-Team entwickelt hat. * siehe Wörterbuch Spalte rechts
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KatastrophenhilfeWörterbuch Die offizielle Sprache in Sachen Katastrophenhilfe ist Englisch. So verstehen sich internationale Teams schnell und gut. Assessment: Vor einem Hilfeeinsatz machen GAiNMitarbeiter eine Reise in die betroffene Region, um dort die örtliche Gegebenheiten, Risiken und die Bedürfnisse von betroffenen Menschen festzustellen. Mit einem Partner vor Ort werden die Möglichkeiten der Hilfe besprochen. Clustermeeting: Eine Gruppe von einzelnen Vertre tern von Hilfsorganisationen trifft sich, um Hilfe kon kret zu koordinieren. Der Begriff „Cluster“ wird auch in Medizin und Wirtschaft verwendet. Debriefing: Die individuelle Auswertung der Erfah rungen und Eindrücke einer Person, die aus dem Ein satzland zurückkehrt. Fakten, medizinisch, emotional. Drei-W-Liste: Who-Where-When. Wer kann wo was leisten, wenn es um konkrete Hilfe vor Ort geht. Die drei W’s sind die Grundlage jedes Clustermeetings. Lead Agency: Ein GAiN-interner Begriff für das verant wortliche GAiN-Team, das einen Katastropheneinsatz ausruft, leitet und betreut. Vor jedem Kriseneinsatz wird mit allen internationalen GAiN-Büros beschlos sen, welches GAiN-Land die Lead Agency sein soll. Mandat: Eine Aufgabe, ein Auftrag oder eine Berech tigung, für jemanden etwas auszuführen. NGO: Non govermental organisations. Es handelt sich um Nichtregierungsorganisationen, also um Zusam menschlüsse von Menschen, die unabhängig von staatlicher Förderung Hilfe leisten. GAiN ist eine NGO. OCHA: United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, eine Abteilung innerhalb der UN für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten. UN: United Nations (häufig auch UNO für United Nations Organization), ein zwischenstaatlicher Zusam menschluss von 193 Staaten. Die UN kümmern sich um Menschenrechte und Grundfreiheiten im globalen Rahmen, führen Friedenseinsätze durch (Blauhelme) und gehen verschiedene globale Probleme an. Es gibt verschiedene Tochtergruppen: UNESCO (Kinder), UNHCR (Flüchtlinge), WHO (Gesundheit), WFP (Er nährung) und manche mehr.
D A S K O N Z E P T D E R
Katastrophenhilfe Art der Einsätze Unser Team kommt bei folgenden Arten von Katastrophen zum Einsatz: • Naturkatastrophen (Erdbeben, Überschwemmungen, …) • Menschengemachte Katastrophen (Kriege, Konflikte, die mit Waffen ausgetragen werden) • Schleichende Katastrophen (Hunger, Trockenheit, …) Die Hilfe besteht aus: • Verteilung von Nahrungsmitteln und anderen Gütern • Unterkünften • Unterstützung der örtlichen Hilfsinitiativen • Medizinischer Hilfe1 • Traumahilfe1 • Zugang zu sauberem Wasser, zu Toiletten mit hygienischen Standards1
Response Teams“ (DART). Ein Pool von geschulten Katastro phenhelfern besteht bereits, doch Ergänzung ist sehr willkom men. Mitarbeiten können Menschen: • mit einem Herzen für Notleidende. • mit guten Englischkenntnissen. • mit der Möglichkeit, kurzfristig an Einsätzen teilzunehmen (davon mindestens zwei Wochen direkt im Einsatzland). • die unter schwierigen Bedingungen im Team arbeiten kön nen. • die körperlich und seelisch fit sind. Alle Katastrophenhelfer absolvieren ein einwöchiges Training, für das sie sich bewerben müssen. Nach dem Training entschei det die DART-Leitung, ob eine Aufnahme ins KatastrophenhilfeTeam möglich ist. Das Training findet alle ein bis zwei Jahre in englischer Sprache im Ausland statt.
Zeitlicher Ablauf
Größe und Dauer der Einsätze
Nach Bekanntwerden einer Katastrophe besprechen alle welt weiten GAiN-Leiter bei einer Telefonkonferenz, ob, wie und wer wann helfen wird. Wenn ja, reist ein Team für zwei bis fünf Tage vor Ort, um die genaue Lage zu prüfen. Danach entschei den die Leiter bei einer zweiten Telefonkonferenz über die ge nauen Vorgehensweisen. Der Fokus der Hilfe kann sich während eines Einsatzes än dern. Nach der Verteilung von lebenswichtigen Gütern haben die Katastrophenhelfer immer auch die langfristige Entwick lung des betroffenen Landes im Blick. Einheimische werden geschult, wie sie ihren Landsleuten helfen können. Persönliche Beziehungen sind dabei der Schlüssel.
Die Katastrophenhelfer GAiN verfügt über ein weltweites Netz von Partnern. Deshalb ist es im Fall einer Katastrophe schnell möglich, die Situation vor Ort einzuschätzen und Hilfe anzubieten. Über eine Soforthilfe hinaus engagierte sich GAiN bisher meist langfristig, um die Hilfe nachhal tig wirken zu lassen. Was z.B. nach dem Erd beben in Haiti als Katastrophenhilfe begann, läuft als Arbeit mit einem Kinderheim im mer noch weiter. Um schnell und kompetent agieren zu können, braucht GAiN ein Team von Katastrophenhelfern. Als Ehrenamtliche sind sie Teil des „Disaster Assistance and 1 GAiN verfügt in diesen drei Gebieten über Spezialteams. Wenn nötig, werden diese Teams zusätzlich zu einem normalen Katastrophen hilfeeinsatz gerufen. * siehe Wörterbuch S. 6
Die Größe eines Einsatzteams hängt von der Art der Katastro phe ab. Mindestens drei und höchstens 15 Teammitglieder gel ten als Standard. Ein Einsatz kann von einem bis zu zwölf Monaten andauern. In dieser Zeit können sich die Aktiven je nach Verfügbarkeit abwechseln. Zwei Wochen direkt im Einsatzland ist die Min desteinsatzzeit für jedes Teammitglied. Nach Rückkehr vom Ein satz durchläuft jeder Teilnehmer ein Debriefing*. Im Team verteilen die Helfer die Aufgaben nach folgenden Schwerpunkten: Leitung, K ommunikation, Hilfsgüterverteilung, Buchhaltung, Geistliche Leitung, Erste Hilfe, IT und technische Ausrüstung, Mitarbeiterbetreuung, Logistik. Wenn ausgebil dete Mitarbeiter vorhanden sind, dann leistet ein Team auch Hilfe in den Bereichen Traumabewältigung, Bauleitung, medizi nische Hilfe und Wasserversorgung.
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Spielplatz statt Panzer
FOTO: MINISTRY OF DEFENSE OF UKRAINE, WIKICOMMONS
Katastrophenhelfer und ihr Einsatz im Kriegsgebiet am Rande Europas
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ie Krise in der Ukraine taucht eher selten in unseren Medien auf. Dort herrscht Krieg, der aber nicht offiziell als sol cher bezeichnet werden darf. An manchen Orten fallen jeden Tag Schüsse und täglich ster ben Menschen. Wir können nicht anders, als das einen Krieg zu nennen, der nun schon fünf Jahre dauert.
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Links: Das Ausladen von Hilfsgütern aus dem Lkw ist zwar körperlich schwer, gehört aber noch zu den leichten Aufgaben von Katastrophenhelfern. Rechts: Valentina, eine von Ninas Töchtern, kann jetzt endlich unbeschwert draußen spielen. Sie wohnt nicht mehr direkt zwischen den Fronten.
Hintergründe der Krise Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhän gigkeit der Ukraine ist das Land in einen Ost-West-Konflikt ge raten. Teile der Gesellschaft orientieren sich nach Europa, ande re nach Russland. 2010 wurde der russlandfreundliche Viktor Janukovitsch zum Präsidenten gewählt. Nach Protesten und Straßenschlachten in der Hauptstadt Kiew und dann in anderen Regionen musste der Präsident zurücktreten. Neu gewählt wur de Poroschenko, der eher westlich orientiert ist. Es kam zur Be setzung der Halbinsel Krim durch Russland mit dem Argument, die Russen, die in der Ukraine leben, schützen zu wollen. Im Osten haben sogenannte Separatisten Städte besetzt, um dort einen unabhängigen neuen russischen Staat, Neurussland, zu gründen. Bisherige Waffenstillstandsabkommen wurden nicht eingehalten. Nach über vier Jahren gibt es keinen wirklichen Frieden. Ukrainische Regierungstruppen liefern sich Gefechte mit Gruppen der Lugansker und der Donetsker Volksrepublik. 1,5 Millionen Menschen sind aus dem umkämpften Gebiet geflohen. Zurück blieben die, die ihre Heimat nicht verlassen wollten, die kein Geld, keinen Mut und keinen Ort haben, wo hin sie fliehen konnten. Diese Bevölkerung macht gerade einen weiteren kalten Winter durch. In bestimmten Regionen bedeu tet jeder Schritt ins Freie auch immer die Gefahr, in die Schuss linie zu geraten. Minenfelder erhöhen das Risiko. Auf der Liste aller Unfälle durch Panzerabwehrminen nimmt die Ukraine den ersten Platz ein.
Der Einsatz GAiN bringt jährlich 35 bis 40 Hilfstransporte in die Ukraine. Die Inhalte verteilt unser Partnerwerk an Menschen in Not. Im
Oktober 2018 unterstützte ein Ukraine-Hilfe Team von ehrenamtlichen Kata in Zahlen strophenhelferinnen und -helfern In vier Wochen aktivem Einsatz die Arbeit unseres Partnerwerkes haben 12 Katastrophenhelferinnen vor Ort. Damit auch im Kriegs und -helfer aus vier Ländern 675 Menschen mit Hilfsgütern im gebiet öfter, schneller und ef Wert von 500.000 € versorgt. fektiver geholfen werden kann, Verteilt wurden: richteten die GAiN-Katastrophen • 377 kg Babynahrung helferinnen und -helfer mit dem • 250 kg Zucker dortigen Partnerwerk ein Lager • 2.895 Schachteln mit Tee • 142 Decken ein. Mit einer entsprechenden • 6 Rollatoren Ausstattung sind jetzt der Ein • 19 kg Spielzeug gang, Ausgang und die Vertei • 726 kg Kleidung lung der Ware so übersichtlich • 15 kg medizinische Materialien handhabbar, dass mehr Men GAiN renovierte ein Lager für Hilfsgüter und stattete es mit der schen in Not die passende Hilfe nötigen Hard- und Software aus. bekommen. Darüber hinaus gibt GAiN bezahlte die Anschaffung und es jetzt an einem der viel passier Einrichtung eines mobilen medi ten Grenzübergänge eine mobile zinischen Stützpunktes. Mit dem Krankenstation mit der nötigen ukrainischen Partnerwerk teilte sich GAiN die Kosten für die Renovierung Ausrüstung, um Verletzte und eines Hauses für eine Familie. Kranke angemessen behandeln zu können. In dem vierwöchigen Einsatz wurde auch ein Haus für eine alleinstehende Mutter mit ihren Kindern renoviert und eingerichtet. Die Familie wohnte noch in der sogenannten Kon taktlinie, der gefährlichen Zone. Lesen Sie im Folgenden, was Ulrich Fischer und Hanna Keller bei ihrem Einsatz für die Familie erlebt haben.
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>>Ukraine
Manche Häuser sind noch intakt, manche nicht. Wer an der Frontlinie wohnt und zur falschen Seite gehört, dessen Haus wird bombardiert.
Uns wurde mulmig „Als wir die Familie zum ersten Mal besuchten, liefen wir die Straße entlang, in der sie wohnte. Ein einheimischer Beglei ter sagte auf einmal: „Hört ihr den Ton?“. Wir blickten nach oben. Die Separatisten hatten eine Drohne hochgelassen, um zu sehen, wer dort herumläuft. Wir erfuhren, dass sich Solda ten der ukrainischen Armee in einem nahegelegenen Privathaus einquartiert hatten. Angeblich tun sie das aus propagandatech nischen Gründen, um Angriffe gegen sie mit dem Argument „die schießen auf Privathäuser“ nutzen zu können. Jemand er zählte ganz nebenbei: „Es gibt eine Scharfschützin, die schießt den Männern gern zwischen die Beine.“ Uns wurde mulmig. Auf dem Fußballfeld der angrenzenden Veterinär-Schule, die ja noch in Betrieb war, landeten immer noch Kugeln. Nina, die Frau, der wir helfen wollten, lebt hier und bringt ihre Kinder hier zur Gesamtschule.
Mitten im Kreuzfeuer Nina tut ihr Bestes, um ihre drei Kinder und ein Enkelkind zu versorgen. Als Köchin schuftet sie 12 Stunden am Tag, verdient aber umgerechnet nur 50 €. Das Haus, in dem sie vorher lebten, wurde zerbombt. Wohin? Sie fanden ein verlassenes Haus di rekt an der Frontlinie. Alle Fenster, bis auf ein ganz kleines, sind mit Brettern zugenagelt. Wenn es Nacht wird, muss al les dunkel sein. Noch nicht einmal Kerzen und Taschenlampen sind erlaubt. Hinter dem Haus haben pro-russische Truppen ihr Quartier, auf der anderen Seite lauern Soldaten der ukrai nischen Armee. Spätestens um fünf Uhr nachmittags schießen beide aufeinander. Im Garten der Familie liegen Patronenhül sen. Wenn Nina morgens zur Arbeit geht, weiß sie nicht, ob ihre Kinder noch leben, wenn sie abends nach Hause kommt. Als wir ihre älteste Tochter Nadja, 20 Jahre alt, fragen, was ihr größter Wunsch wäre, sagt sie: „Ich möchte an einem sicheren Ort leben“.
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Endlich sicher
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Ihr Wunsch wurde wahr. Eine ukra inische Partnerorganisation von GAiN half Nina, ein neues Zu
hause zu finden. Zusammen mit Handwerkern einer örtlichen Baufirma renovierten wir Wände und Böden der Räume, bau ten Türen ein und installierten einen Heißwasserboiler. Wir nahmen Mutter Nina und die Kinder zum Einkaufen der Möbel und Lampen mit. Als Nina anschließend das Haus mitten in den Umbauarbeiten zum ersten Mal betrat, fiel dem Nächstbesten von uns um den Hals. Sie war vor Freude überwältigt, als sie sah, wie wir sogar im dazugehörigen Garten anfingen, Ordnung zu schaffen. Sie kostete von den Trauben, lächelte und sagte uns, dass ihr 18jähriger Sohn ihr helfen werde, den Garten zu pflegen. Die zehnjährige Tochter Valentina kümmerte das alles gar nicht weiter. Sie sprang fröhlich auf und ab und rannte vol ler Begeisterung gleich zum Spielplatz, der sich direkt vor dem Haus befindet. Nina ist eine realistische Frau. Sie weiß, dass es nicht leicht sein wird, einen neuen Job zu finden. Auch ihre Töchter werden sich an anderen Schulen auf viel Neues einstel len müssen. Aber ihre Freude überwiegt manche Sorge um die Zukunft. Nina zeigte uns Fotos von ihrem Sohn und dessen jun ger Frau mit dem kleinen Baby. Auch sie werden hier einziehen und den neuen Frieden genießen. Nina freut sich darauf, dass ihre Enkeltochter neben einem Spielplatz aufwachsen kann und nicht neben einem Panzer.
IHRE SPENDE HILFT! • Mit 35 € können wir einer Familie ein Nahrungsmittelpaket bringen. • Mit 100 € können wir eine Notunterkunft für eine Familie errichten. • Mit 500 € können wir 25 Familien einen Wasserfilter zur Verfügung stellen. • Mit 1.000 € können wir einen großen Wasserfilter aufstellen, der 1.200 Liter sauberes Wasser pro Tag liefert.
Spendenkonto: Dieser ukrainische Soldat trägt eine Panzerabwehrmine, die er aus einem Minenfeld geborgen hat.
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GAiN gGmbH, Volksbank Mittelhessen IBAN DE88 5139 0000 0051 5551 55 BIC VBMHDE5F, Verwendungszweck: Katastrophenhilfe
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„Ich traf Mutter Teresa in der Ukraine“ Hanna Keller über ihren ersten Einsatz als Katastrophenhelferin
Auch wenn sie selbst in Not sind, helfen manche Menschen noch anderen. Hanna K., (2.v.r.) ist einer Frau begegnet, die sich liebevoll um 14 adoptierte Kinder kümmert (2.v.l.).
ewegt: Welche Aufgabe hattest du? Hanna: Ich hatte mehrere Funktionen. Als Verant wortliche für Kommunikation habe ich vor allem viele Fotos gemacht und Interviews mit Hilfeempfangen den geführt. Täglich stellte ich einen internen Bericht über das, was das Team gemacht hat, zusammen. Zudem war ich für die Verteilung der Hilfsgüter verantwortlich und in den letzten Tagen auch für die Logistik. Warum konntest du dir die Zeit für den Einsatz nehmen? Als Studentin habe ich mir schon vor dem Einsatz ein Urlaubs semester für ein freiwilliges Praktikum bei GAiN genommen. Das war natürlich ideal. Hattest du Bedenken bei diesem Einsatzland? Ja, ich hatte schon Respekt. Es ist auch normal und gesund, Respekt zu haben, denke ich. Im Vorfeld wurden wir unter an derem zur politischen Lage und zu Sicherheitsvorkehrungen in formiert. Hat dich das Training gut vorbereitet? Damals dachte ich zuerst: „Was kann man in einer Woche schon lernen?“, aber es war eine gut gefüllte Woche und ich habe viel mehr mitbekommen, als ich mir erhofft hatte. Im Einsatz fand ich es lustig, wie viele Details wirklich im Training vorgegriffen waren. Das Wasser in der Unterkunft stank während der Trai ningswoche furchtbar. In der Dusche habe ich damals immer die Luft angehalten. Auch in der Ukraine roch das Wasser ziemlich streng. Das Training war an der Realität orientiert.
Du kannst sicher manch eindrückliches Erlebnis erzählen? Ja, klar. Ich habe viele bewundernswerte Menschen in der Ukraine getroffen, die sich mit viel Zeit und Energie für andere einsetzen. Da war eine Mutter bzw. Oma. Sie hatte 15 Kinder, 14 davon waren ad optiert, 10 davon hatten körperliche oder geistige Behinderungen. Dazu kamen 16 Enkelkinder. Sie kam zum Lager der Partnerorganisation, stellte sich vor und sagte, sie brauche etwas für ihre Kinder. Dann griff sie vor allem zur Babykleidung. Wir erfuhren, dass sie vier neugeborene Enkelkinder versorgen wollte. Danach hat sie uns zu sich nach Hause eingela den. Das Haus wuselte nur so vor Leben. Diese starke Frau zu sehen und mit ihr zu sprechen, hat mich sehr beeindruckt – wie selbstverständlich sie sich um die Kinder kümmert und wie viel Liebe sie ihnen gibt. Während ich mit ihr sprach, lehnte an ihrer Schulter eine junge Frau. „Meine Tochter kann nicht sprechen, und sie sollte in ein Altersheim. So habe ich sie bei mir aufgenommen. Hier kann sie mit jungen Menschen aufwachsen“. Ich dachte, Mutter Teresa steht vor mir. Warum bist du ehrenamtliche Katastrophenhelferin geworden? Auf dem Geburtstag einer Freundin habe ich zum ersten Mal von GAiN und sei ner Schulung gehört. Es hat mich sofort angesprochen. Als ich nachts heimkam, habe ich dazu im Internet recherchiert und mich am nächsten Tag beworben. Ich spürte, das passt zu mir. Ich möchte nicht nur in den Medien von den Katastro phen hören und die Masse der Menschen sehen, sondern ich will vor Ort mitan packen, den einzelnen Menschen begeg nen und sie in ihrer Not nach Möglichkeit unterstützen.
„Ich möchte nicht nur in den Medien von den Katastrophen hören, sondern den einzelnen Menschen vor Ort begegnen und sie unter stützen.“
Hanna Keller studiert in Leipzig Musik und Theologie für gymnasi ales Lehramt. In einem Urlaubssemester war sie 18 Tage bei einem Einsatz in der Ukraine dabei.
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Master of Disaster „Ich bin kein Rambo!“
lrich Fischer leitet seit 2015 die Katastrophenhilfe bei GAiN. „Bewegt“ fragte den ehema ligen Polizisten und Erlebnispädagogen aus Franken nach seinen Erfahrungen als haupt beruflicher Helfer in Not. bewegt: Was antwortest du, wenn dich jemand nach deinem Beruf fragt? Ulrich F.: Ich sage, ich arbeite bei GAiN und bin dort für die Katastrophenhilfe verantwortlich. Welche Reaktionen bekommst du? Die meisten Leute sind interessiert und fragen, was das bedeutet. Katastrophenhelfer sind Helden, oder? Fühlst du dich als Held? Nein, aber spannend ist die Arbeit schon. Scheinbar haben die Leute ein festes Bild im Kopf. Das ist etwas Gefährliches, das mit Entbehrung verbunden ist.
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Wie wird man Katastrophenhelfer, wie bist du es geworden? Mein ursprünglicher Beruf ist Polizist. Das ist eigentlich auch schon eine Art Katastrophenhelfer. Weil ich jedoch immer wieder das Gefühl hatte, dass ich Menschen nur greifen und dem Staatsanwalt übergeben kann, aber nichts für sie verän dern kann, wollte ich kein Polizist bleiben. So habe ich eine Ausbildung als Heilerziehungspfleger absolviert und habe im Kinderheim mit Jugendlichen gearbeitet. Auch da gab es viele tragische Dinge. Schließlich habe ich mich als Erlebnispädagoge selbstständig gemacht und dabei vor allem in Familien gearbei tet, in denen es Katastrophen gab. Mit verschiedenen christ lichen Werken war ich etliche Male im Einsatz und habe in Ne
Auch der Einsatz im Nordirak war gefährlich. Aus diesen Tunneln in Privathäusern in Karakosch konnten jederzeit IS-Kämpfer auftauchen.
Familien in Flüchtlingsunterkünften erhalten Nothilfepakete.
pal, Pakistan und in Somalia Erfahrungen sammeln können. Als ich vor sieben Jahren in der „bewegt“ einen Aufruf für das erste Training für Katastrophenhelfer gelesen hatte, wusste ich: das ist genau das, was ich suche. Das faszinierte mich von Anfang an. Bei GAiN muss man nicht unbedingt Krisennothilfe studiert haben, jeder kann mitmachen. Keiner muss Master of Disaster sein, um zum Einsatz zu kommen. Bist du ein Abenteuertyp? Wahrscheinlich schon. Ich bin gerne draußen unterwegs, fahre gern Kanu, auch im Wildwasser. Ich halte mich nicht für einen Draufgängertyp, aber ich mag es schon abenteuerlich und span nend. Ich bin kein Rambo und muss mich nicht von den höchs ten Brücken stürzen. Davor habe ich eine gesunde Angst.
In der christlichen Stadt Karakosch verwüsteten die IS-Kämpfer nicht nur Gebäude, sondern legten auch die Versorgungsleitungen von Strom und Wasser lahm.
Scharfschützen gibt, wurde mir schon etwas mulmig. Auch im Irak waren wir nahe an Mossul dran, wo wir Schüsse aus der Nähe hörten. Wo es schwierig ist, hinzukommen, sind natürlich wenige Organisationen aktiv. Aber die Menschen brauchen ja trotzdem Hilfe. GAiN ist als kleine Organisation passend, wenn es um die „Nischen“ geht. Orte, wo keiner hingeht. Und trotz dem helfen wir auch nicht überall. Wir wissen, wir arbeiten mit Ehrenamtlichen und wir nehmen das Thema Sicherheit sehr ernst.
Habt ihr euch schon einmal zurückziehen müssen? Ja, das war 2014 im Irak. Wir waren noch zu dritt, ein Holländer, eine Estin und ich. Da rückte der IS immer näher an Erbil he ran. Unser einheimischer Leiter warnte uns: „Es ist besser, wenn ihr jetzt geht“. Die estnische Helferin konnte sofort ausfliegen. Was magst du an deinem Job, was eher nicht? Der holländische Kollege hatte seinen Reisepass an der Grenze Ich arbeite sehr gern mit den Einheimischen vor Ort. Gemein abgeben müssen, weil er ein Auto miteinführte. Wir mussten sam etwas voranzubringen, begeistert mich. Auch neue Kata also bei der holländischen Botschaft erst um einen Ersatz für strophenhelfer auszubilden, macht mir den Reisepass bitten. Bis wir den Ersatz pass hatten, waren die Flugpreise von 700 sehr viel Spaß. Ich liebe es, gemeinsam „Im Irak fragte ich mich oft: auf 2.000 € gestiegen, dann gab es keine zu lernen und bin immer neugierig und Was können wir eigentlich Flüge mehr. Am Flughafen bin ich bei allen interessiert, Dinge noch besser zu ma chen. Deswegen gefällt mir der Ansatz überhaupt für die Menschen Airline-Schaltern auf- und abgetigert und von GAiN da so gut. Wir packen an, ma habe versucht, ein Ticket zu bekommen, tun? Dann sagte jemand: chen etwas, um Menschen in Not beizu egal wohin. Alles in dem Wissen, dass ein stehen – auch wenn wir noch nicht alles Flughafen ein begehrtes Ziel für Anschlä „Dass ihr kommt, immer ge ist. Schließlich konnten wir fliegen, er wissen und perfekt beieinander haben. wiederkommt, und einfach nach München, ich nach Istanbul. Wenn wir darauf warten würden, hät ten manche Menschen noch keine Hil nur da seid, das hilft uns. fe bekommen. Und gleichzeitig sind wir Wer sollte Katastrophenhelfer werden? Bitte erzählt weiter, bereit und bestrebt zu lernen, in unserer Jemand muss ein Herz dafür haben, eine Arbeit besser zu werden. Der Bürokram, Leidenschaft. Es muss kein Profi sein, aber was hier p assiert.“ also das Administrative, die Berichte er oder sie muss bereit sein, sich auf Neues sind nicht gerade meine Leidenschaft. einzulassen, dranzubleiben und sich Da würde ich mich freuen, wenn wir jemand hätten, dessen durchzubeißen. Wer immer schon ganz genau zu wissen meint, Herz dafür schlägt. wie es geht und wie es richtig ist, passt häufig nicht so gut. Man muss bereit sein, sich auf mehreren Ebenen herausfordern zu Gab es schon gefährliche Situationen? lassen. Andere Menschen machen Dinge ganz anders, aber eben Ja, zum Beispiel in der Ukraine. Wir erkundeten gerade per nicht unbedingt gleich verkehrt. Da müssen die Frauen in einem Autofahrt die Lage an der Frontlinie, als unser Fahrer auf einmal unserer Teams vielleicht bereit sein, sich anzupassen, wenn es richtig Gas gab und sagte: „Wir müssen jetzt über einen Hügel, im Einsatz im Irak mal heißt: „Du kannst da nur mitkommen, und der liegt in Schussnähe der Front.“ Da sitzt du im Auto und wenn du ein Kopftuch trägst!“ Wenn das ein Problem ist, wird denkst: „Das könnte jetzt auch schiefgehen“. Später besuchten es schwierig. Oder wenn jemand nicht fähig ist, im richtigen wir die Familie, die direkt in der gefährlichen Zone wohnte und Moment die Klappe zu halten, sondern diskutieren will. Man die wir dort herausholen konnten. Als wir die Straße entlanglie muss bereit sein, Unbequemes auszuhalten, und das hört nicht fen, sagte unser einheimischer Führer: „Hört ihr das Geräusch?“. beim ungewohnten Essen auf. Wir blickten nach oben und erfuhren, dass es von einer Drohne stammte, mit der die Soldaten feststellen wollten, wer denn da herumlief. Als wir hörten, dass es auf der Seite der Separatisten G l ob a l A id N e t w or k │ B e w e g t 1-2019
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>>Thema
Bin ich als Katastrophenhelfer geeignet?
Sch
nel
TEST
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uf jede Frage gibt es nur eine richtige Lösung. Aber jede Frage kann auch zwei falsche Antworten oder zwei schlechte Alternativen beinhalten. Außer etwas Selbsterkenntnis können Sie leider keine Preise gewinnen. Die Testfragen wur den erstellt von Hanna Keller und Dennis Matzka. Hinweis: Dieser Test entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage und sollte nicht zu ernst genommen werden. Es gibt im Ernstfall selten eine einzige richtige Lösung für auftauchende Probleme. 1. Zwei deiner Teammitglieder schmatzen unangenehm laut beim Essen. Wie reagierst du? Ich rege mich richtig auf, schlucke meinen Ärger aber runter. Ich nehme unser Satellitentelefon und rufe unsere TeamNotfallseelsorge an. Ich lenke das Gespräch unauffällig auf Tischmanieren in verschiedenen Kulturen. 2. In welchem Land begrüßt man sich mit „Dobryj dyen’“ (DOHB-rihy d‘ehn‘!)? Irak Indonesien Ukraine 3. Du bist bei einer Hilfsgüterverteilung in einem Flüchtlings camp im Irak. Du sprichst und verstehst kein Arabisch, dennoch reden die Menschen sehr energisch auf dich ein und werden auch laut. Wie reagierst du? Ich bleibe ruhig, denn ich weiß, das ist hier ganz normal. Ich antworte laut, aber bestimmt auf deutsch. Ich verweigere die Ausgabe des Hilfsguts, solange sich die Hilfeempfangenden nicht ordentlich benehmen. 4. Du besuchst eine bedürftige Familie in der Ukraine und die übersetzende Person muss gerade telefonieren, doch die Familienmutter redet weiter mit dir. Wie reagierst du? Ich verlasse den Raum und rufe nach der übersetzenden Person. Ich benutze die Übersetzungs-App des Smartphones. Ich höre aufmerksam zu und kommuniziere mit Händen und Füßen. 5. Was machst du, wenn dein Reisepass verloren geht? Ich gehe zum nächstgelegenen Konsulat. Ich kaufe mir auf dem lokalen Markt einen neuen. Ich rufe auf Facebook eine Suchaktion aus. 6. Was machst du, wenn du das Werkzeug der Partnerorganisation vor Ort beschädigst? Mit Panzertape geht alles wieder. Ich lasse es verschwinden, das passiert öfter in diesem Land. Ich kaufe das Werkzeug mit einer Person der Partnerorgani sation vor Ort neu.
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Bewe gt 1-2019 │ Glo bal Ai d N etwo rk
7. Beim Duschen merkst du, dass das Leitungswasser stinkt. Du benutzt es trotzdem zum Kochen, weil es dann abge kocht ist. Du beschließt, fortan nicht mehr zu duschen. Du nimmst es auf keinen Fall zum Zähneputzen. 8. Deine Teamleitung bittet dich, nicht bei einer Verteilung mitzumachen, obwohl du das so sehr möchtest. Du sollst stattdessen den Fehler im Abrechnungssystem finden. Wie reagierst du? Ich denke mir: „O, eine gute Möglichkeit, meinen Schlaf mangel zu kompensieren.“ Ich freue mich darauf, mich auf die Fehlersuche zu machen. Ich denke mir, dass ich lieber bei der Verteilung dabei wäre, begebe mich aber trotzdem systematisch und gewissenhaft auf die Fehlersuche. 9. Was machst du, wenn du die dritte Nacht hintereinander kaum geschlafen hast, da deine Teammitglieder, die im selben Zimmer schlafen, sehr laut schnarchen? Ich drücke ihnen so lange ein Kissen ins Gesicht, bis sie ruhig sind. Ich trinke so viel schwarzen Tee wie möglich. Ich besorge mir das beste Ohropax, das ich finden kann. 10. Du ernährst dich normalerweise vegetarisch und bekommst eine Suppe mit Ziegenfleisch vorgesetzt. Sie riecht schon äußerst unangenehm. Wie reagierst du? Ich hole nachher meine Notfallschokolade aus der Tasche und esse sie unauffällig. Ich verteile das Ziegenfleisch im Team. Ich lasse alle mal probieren. 11. Was darf in einem Runbag (Evakuierungsset) nicht fehlen? Nagellack Rasierer Klopapier 12. Wo muss sich dein persönliches Erste-Hilfe-Set befinden? Zu Hause Im Auto Am Gürtel
>>GAiN aktiv
Reisen
mit Herz
1: a=0 P., b=2 P., c=5 P. 2: a=0 P., b=2 P., c=5 P. 3: a=5 P., b=2 P., c=0 P. 4. a=2 P., b=2 P., c=5 P. 5. a=5 P., b=0 P., c=0 P. 6. a=0 P., b=0 P., c=5 P. 7. a=0 P., b=0 P., c=5 P. 8: a=0 P., b=2 P., c=5 P. 9: a=0 P., b=2 P., c=5 P. 10: a=2 P., b=2 P., c=5 P. 11: a=0 P., b=0 P., c=5 P. 12: a=0 P., b=0 P., c=5 P.
Adressen von Sammelstellen: gain-germany.org/logistik/ sammelstellenkarte oder Kyrill Schmidt: Tel. 0641-97518-80 Kyrill.Schmidt@GAiN-Germany.org
Helfen mit Schulranzen
Auswertung
Sie erhalten: Pro richtiger Ant wort 5 Punkte, pro schlechter Alterna tive 2 Punkte, pro falscher Antwort 0 Punkte.
Land entdecken | Menschen helfen
60-40 Punkte: Glückwunsch! Sie können sich schnell für das nächste internationale KatastrophenhelferTraining bewerben.
Reisen Sie mit uns in eines unserer Projekt länder: Lernen Sie die Menschen und ihre Lebensumstände kennen. Helfen Sie bei humanitären Einsätzen, Bauprojekten oder beim Kinderprogramm. E ntdecken Sie das Land bei Ausflügen.
19-0 Punkte: Im Moment werden Sie besser noch kein Katstrophenhelfer! Sie haben andere Gaben, mit denen Sie Menschen in Not helfen können. GAiN sucht ehren amtliche Helfe rinnen und Helfer in seinem Büro und Lager in Gießen. Sie könnten auch eine Sammelstelle für Hilfsgüter an Ihrem Ort eröffnen.
Helfen mit gebrauchten Gütern Packen Sie gut erhaltene, saubere Kleidung, Schuhe oder Haushaltsgegenstände in stabile Kartons (am besten Bananenkisten), kleben Sie sie gut zu, heften Sie einen Zettel mit dem Inhalt daran und geben Sie sie bei einer GAiN-Sammelstelle in Ihrer Nähe ab.
Auflösung
39-20 Punkte: Es besteht noch Man gel an Praxiserfah rung. Nehmen Sie zum Ausprobieren lieber erst an einer GAiN-Gruppenreise nach Armenien, Haiti, Lettland oder Uganda teil.
So helfen Sie mit!
Gruppenreisen 2019
Lettland 28.7. – 10.8. ....... 640 € zzgl. Flug Armenien 16. – 30.8. ........... 790 € zzgl. Flug Haiti 19.10. – 2.11. ....... 850 € zzgl. Flug Lesbos auf Anfrage .......... 500 € zzgl. Flug
Gruppenreisen 2020
Lettland 26.7. – 8.8. ......... 640 € zzgl. Flug Armenien 15. – 28.8. ........... 790 € zzgl. Flug Uganda 28.10. – 8.11. ....... 690 € zzgl. Flug
Reisen Sie lieber allein? Oder möchten Sie mit Ihren Freunden/Hauskreis eines unserer Projekte kennenlernen und mithelfen? Sprechen Sie uns an, wir gestalten die Reise nach Ihren Wünschen und den Gegebenheiten vor Ort.
Infos und Anmeldung
Daniela Terfloth, Tel. 0641-97518-15 oder Reisen@GAiN-Germany.org www.GAiN-Germany.org/mitmachen/reisen-mit-herz
Packen Sie ein Päckchen mit Schulmaterial. Wenn Sie sogar noch einen gebrauchten Schulranzen besitzen, füllen Sie diesen mit den Schulmaterialien und geben ihn bei einer der vielen Schulranzen-Sammelstellen ab. In fos über den Inhalt, die Sammelstellen und die Projektumsetzung e rfragen Sie bitte bei der Schulranzenaktion. Kontakt: Silvia Huth Tel. 0641-97518-57 Schulranzenaktion@ GAiN-Germany.org
Firmen spenden Waren Statt einwandfreie, aber nicht mehr im Wirt schaftsverkehr umsetzbare Ware zu ent sorgen, können Firmen diese Güter einfach spenden. GAiN ist regelmäßig auf der Suche nach Baby- und Kindernahrung, Trockenpro dukten, Hygiene artikeln, Waschpulver oder auch Schulmaterial. Sachspendenbescheini gungen sind selbstverständlich. Kontakt: Harald Weiss Tel. 0641-97518-54 Harald.Weiss@GAiN-Germany.org
Pate werden Es sind die Schwachen an vielen Orten der Erde, die sich nicht selber helfen können: Kinder, Frauen und alte Menschen. Paten schaften sind eine ideale Form, p ersönlich und wirkungsvoll zu helfen. Wir von GAiN vermitteln Paten schaften für Kinder in Ug anda, Haiti und Indien, Frauen in Indien und Holocaustüberlebende in Israel. Kontakt: Almut Marburger Tel. 0641-97518-82 Patenschaften@ GAiN-Germany.org
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Postfach 100 262 35332 Gießen Tel.: (0641) 97518-50 Fax: (0641) 97518-41
70786 Postvertriebsstück Deutsche Post AG Entgelt bezahlt
Info@GAiN-Germany.org GAiN-Germany.org
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Lisa und Lena spenden Gewinn an GAiN Kennen Sie Lisa und Lena? Falls nicht, fragen Sie Teenager in Ihrer Um gebung! Die 16-jährigen Zwillingsmädchen sind bei dem sozialen Netz werk Instagram beliebter als Heidi Klum oder berühmte Fußballstars. Unser Vorteil: Lisa und Lena kennen GAiN. In der vielgesehenen ARD-Familienshow „Klein gegen Groß“ gewannen sie beim Ratespiel den ersten Platz und spendeten ihr Preisgeld von 30.000 € an GAiN. Sie wollen damit Kindern in Armenien helfen. Dort unterstützen wir viele Eltern oder alleinerziehende Mütter, die sich z.B. keine Schul uniform oder keinen Schulranzen für ihre Kinder leisten können. Unsere Mitarbeiter vor Ort kennen die Familien persönlich und wissen, wo Hilfe am dringendsten nötig ist.