CLV-Schulblatt Ausgabe Dezember 2020

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STANDPUNKT

Paul Kimberger Mein Standpunkt

Corona und die Folgen der neuen Normalität (*)

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ls Mitte März dieses Jahres der Präsenzunterricht in unseren Schulen aufgrund des CoronaVirus plötzlich nicht mehr stattfinden konnte, haben sich wohl manche Kinder über unerwartete Ferien gefreut. Doch diese einmalige Situation war eine andere, die Ursache außergewöhnlich. Innerhalb eines Wochenendes mussten neue Familien­ organisationen gefunden werden, was bei vielen Eltern Stress und manchmal auch Ratlosigkeit auslöste. Niemand konnte in dieser Lage auf gesichertes Erfahrungswissen zurückgreifen und somit wurde das Leben vieler Familien komplett auf den Kopf gestellt. Die gewohnten Betreuungsformen für Kinder waren kaum mehr nutzbar, von den Großeltern als „Risikogruppe“ wurde abgeraten und fast alle Freizeitangebote fielen aus, ebenso das Spielen mit anderen Kin-

» „Corona-Zeiten sind in vielerlei Hinsicht bewusstseinserweiternd. Die Pflicht zum „Home-Schooling“, dem Unterricht daheim unter Eltern-Aufsicht, erschließt ganz neue Perspektiven. Jetzt beklagen sich Eltern nicht mehr über unfähige Lehrer, weil sie erkennen, dass sie selbst als Ersatzlehrer daheim völlig überfordert sind – mit ein oder zwei Kindern, nicht mit einer 25-köpfigen Rasselbande wie in der Klasse. Es sehnen sich Eltern und Schüler nach Schule und Lehrern. Wer hätte das je gedacht?“ « (Klaus Herrmann, Chefredakteur, „Lehrer-Bashing“, Kronenzeitung vom 19. April 2020)

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DEZEMBER 2020 | DAS SCHULBLATT

dern. Die gesellschaftliche Vielfalt unterschiedlicher Familienkonstellationen reduzierte sich auf die Kernfamilie, die plötzlich einen ganz anderen Stellenwert bekam. Jeder Einzelne musste sich organisatorisch und emotional anpassen. Große Veränderungen brachten auch Home-Schooling und Distance-Learning. Für fast alle Kinder verschob sich der Unterricht von der Schule ins Zuhause und das Lernen wurde von den Eltern mitgestaltet und kontrolliert. So manche Familien stießen mit dieser Form des Unterrichts schnell an ihre inhaltlichen und strukturellen Grenzen und so waren das (virtuelle) Eingreifen der Lehrerinnen und Lehrer und die richtige pädagogische Dosis besonders wichtig. Im Rückblick scheint der Unterricht aus der Distanz, zumindest belegen das erste wissenschaftliche Studien, recht gut funktioniert zu haben. Nach zwei Monaten stand dann wieder die Rückkehr in die Schulen an – allerdings im Schichtbetrieb! Diese erneute Veränderung löste dann bei vielen Kindern und vor allem auch deren Eltern große Erleichterung aus. Die Kinder freuten sich auf ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, über die wiedergewonnene (neue) Normalität und auf ihre Lehrerinnen und Lehrer. Zudem waren viele Eltern froh, endlich ihre ungewohnte und in vielen Fällen auch ungeliebte Rolle als „Lerncoach“ wieder beenden zu können. Die Auswirkungen der ersten Corona-Monate – leider ist zu befürchten, dass noch einige mehr folgen werden – auf unsere Kinder und ihre Familien sind sowohl positiv als auch negativ zu sehen. Das belegen Erfahrungsberichte von Lehrerinnen und Lehrern genauso wie Daten und Aussagen von Kinder- und Jugendpsychologen. Als positive Elemente wurden die vermehrte Ruhe und Entspannung zu Hause und eine gestärkte Familie mit einem daraus resultierenden Zusammengehörigkeitgefühl beschrieben. Natürlich


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