Musikmesse 2014:
ConBrio Verlagsgesellschaft Regensburg Preis (bei Einzelbezug): 5,80 E
Gespräche, Verlagspräsentationen und Musik auf der ConBrio-Bühne Halle 3.1, Stand D 41
Mit den offiziellen Mitteilungen der Jeunesses Musicales, des Verbandes deutscher Musikschulen, des Deutschen Tonkünstlerverbandes, der GMP und des vbs ISSN 0944-8136
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Nr. 3/2014 · 63. Jahrgang
Magazin
Themen, Rezensionen
Kritik
Verbände, Pädagogik
DTKV
Seite 3 Magazin Paul Hindemith: Von der Zentralgestalt zur Nebenfigur
Seite 10 Musikwirtschaft In Sachen SWR-Orchesterfusion ist wieder vieles im Fluss
Berichte Seite 19 Éclat-Festival 2014: Das lange Neue Musik-Wochenende in Stuttgart
nmz-Gespräch Seite 27 Lothar R. Behounek, Vorsitzender des Arbeitskreises Musikbildungsstätten
Bundesverband Seite 45 Der Tonkünstler Kalender – Vademecum von Musiklehrern und Musikern
Magazin Seite 4 Musik und Politik: Pete Seeger und Emmanuel Jal
Bücher Seite 15 Eine politische Geschichte der Salzburger Festspiele 1933 bis 1944
Seite 23 Berichte Junge Streichquartette beim 11. Mozartwettbewerb in Salzburg
Musikvermittlung Seite 29 Das Symposium „The Art of Music Education“ huldigte dem König Inhalt
Seite 48 DTKV Niedersachsen Inspirierend: Braunschweiger Klavierpodium mit Prof. Bernd Götzke
Kopf-Noten Rankings sind eine feine Sache. Sie sortieren Universitäten, Wellnesshotels, Spezialkrankenhäuser oder Automodelle nach objektiven Qualitätskriterien in Ranglisten ein. Oben stehen die guten, unten die schlechten. Das hilft bei der Auswahl, beugt Enttäuschungen vor und schafft Orientierung in einer unübersichtlichen Welt. Einmal im Jahr ruft zum Beispiel der Hochschulverband seine Mitglieder, vornehmlich Professoren/-innen, dazu auf, „die Führungsqualitäten ihres jeweiligen Landeswissenschaftsministers und der Bundesministerin für Bildung und Forschung zu bewerten.“ Dabei fragt er unter anderem danach, ob diese sich durch „Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Fairness, Offenheit und Mut zu Entscheidungen“ auszeichnen. Liest man die in Schulnoten ausgedrückten Ergebnisse, wird freilich deutlich, dass es in diesem speziellen Fall offenbar weniger darum geht, Lorbeeren zu verteilen, als darum, unter Blinden die Einäugigen ausfindig zu machen. So gewann – bevor sie mit ihrem Sparprogramm erfolgreich einen Keil zwischen die fünf Musikhochschulen des Landes getrieben hatte – die baden-württembergische Ministerin Theresia Bauer Anfang 2013 da s Ra nking mit einer Note von 2,84. Ein Jahr später landete sie nun mit der Note 3,28 auf Platz 2 und musste ihren „Spitzenplatz“ somit zugunsten von Bundeswissenschaftsministerin Johanna Wanka räumen. Spinnt man den Gedanken weiter, so könnte man auf die Idee verfallen, auch unseren geschätzten Musikfunktionären ein solches Ranking zuteil werden zu lassen. Anhaltspunkte könnten beispielsweise Auftritte bei Diskussionssendungen sein. So war kürzlich der Vorsitzende der Deutschen Orchestervereinigung, Hartmut Karmeier, im Rahmen des SWR2 Forums zum Thema „Welche Zukunft hat der musikalische Nachwuchs?“ zu hören. Im Gespräch mit der Pianistin und Pädagogin Ragna Schirmer und Frankfurts Hochschulpräsident Thomas Rietschel malte er diese Zukunft in düsteren Farben und hatte für die Musikhochschulen kaum ein freundliches Wort übrig. Ähnlich war auch die Reaktion des DOV-Geschäftsführers Gerald Mertens im Oktober vergangenen Jahres auf die von der baden-württembergischen Vorzeige-Wissenschaftsministerin forcierten Sparpläne ausgefallen. Die Deutsche Presse-Agentur wusste zu berichten, Mertens halte „die geplanten Streichungen Bauers für schmerzlich, vielleicht aber auch für heilsam“. Bevor nun allerdings voreilig schmerzliche, vielleicht aber auch heilsame Kopfnoten vergeben werden, wäre abzuwarten, was Hartmut Karmeier auf der Frankfurter Musikmesse zum Thema zu sagen haben wird. Im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Rektorenkonferenz der Musikhochschulen, Martin Ullrich, wird es auf der Messebühne der neuen musikzeitung um die Frage gehen: „Wie viele Musikhochschulen braucht das Land?“ (zum weiteren Programm siehe Seite 7). Wohl begründete Nominierungen zum „Musikfunktionär des Jahres“ nimmt die nmz-Redaktion dann ab Anfang Dezember gerne entgegen.
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Juan Martin Koch
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Die Kulturflatrate haben wir schon längst Glück und Unglück mit Musikstreaming-Angeboten im Internet · Von Martin Hufner Da wird seit vielen Jahren über eine so genannte „Kulturflatrate“ im Internet nachgedacht, auf politischer Ebene darüber diskutiert. Der Deutsche Musikrat wehrte sich in seinem „3. Berliner Appell“ vom November 2010 gegen deren Einführung, unter anderem mit dem Argument, dass damit die Werthaltigkeit von kreativen Leistungen implizit abgelehnt werde. Zuvor hatte sie auch der Bundesverband der Musikindustrie mit ähnlichen Argumenten abgelehnt. Von der Politik ist nichts zu hoffen, eine Kulturflatrate von Staats wegen ist tot. Für Privatunternehmen hingegen scheint sich eine Musikflatrate als attraktiv zu erweisen: Musikstreaming boomt.
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usikflatrate heißt, dass man für einen bestimmten Betrag, der in der Regel monatlich zu leisten ist, den Zugriff auf eine Musikbibliothek erhält, deren Inhalte man wann immer man will anhören kann. Oder man nutzt die durch Werbung finanzierten Angebote und kommt dann kostenlos an die Musik – allerdings mit gewissen Einschränkungen. Die Musik wird gestreamt, das heißt sie wird nicht mehr „Eigentum“ und Dauerbesitz des Hörers, etwa wie bei einer Platten- oder CD-Sammlung. Man hört was man will, wann man will und gut ist es, vorausgesetzt, man hat einen Zugang zur Musikbibliothek, in der Regel also zum Internet. In Einzelfällen und gegen Zusatzgebühren kann man die Musik aber auch für die Offline-Nutzung zwischenspeichern.
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Die Nutzer Die Anbieter hören auf Namen wie Spotify, Deezer, Simfy, Rhapsody oder Music unlimited, insgesamt sind zirka
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20 Streamingdienste in Deutschland verfügbar. Häufig sind in Smartphoneverträgen entsprechende Zusatzleistungen buchbar. Eigentlich eine tolle Sache: Eine seltene Opernaufnahme, über die man sich informieren will, hört man sich einfach mal an, muss keine CD für mehrere Euro eigens erwerben, um dann festzustellen, dass Komposition oder Interpretation vielleicht doch nicht den Erwartungen entsprechen. Man kann Interpretationsvergleiche starten – und dann am Ende vielleicht doch auch die Musik für die eigene Bibliothek im Schrank erwerben. Die Musikbibliotheken sind mittlerweile bei den großen Anbietern mit 20 bis 30 Millionen Titel gefüllt! Als wir uns des Themas vor gut zehn Jahren in der nmz annahmen, lag die Größe noch bei unter einer Million Titel. Damals schien das Angebot im Vergleich zum physischen Besitz nicht so interessant. Die Flüchtigkeit von Musik beim Streaming wird heute aber als weniger schlimm empfunden: Weltweit hat „Spotify“ 18 Millionen Nutzer und etwa sechs Millionen Abonnenten, „Deezer“ 20 Millionen und fünf Millionen Abonnenten und der Wachstumsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Ein Weiteres kommt hinzu: Diese Plattformen sind rechtlich einwandfrei konstruiert. Niemand, der eine solche Musikflatrate nutzt, muss Abmahnungen oder staatsanwaltliche Ermittlungen fürchten. Die Bibliotheken sind lizenziert, entsprechende Verträge mit Verwertungsgesellschaften sind geschlossen worden. Die Plattenfirmen, die ihr Repertoire zur Verfügung stellen, sind offenbar ganz zufrieden: Immer stärker kompensieren die Verkäufe aus dem digitalen Sektor die Verluste auf dem Markt der physischen Produkte.
Die Urheber Könnte alles so schön sein. Insbesondere aber die Künstler selbst sind offenbar mit den Diensten nicht ganz glücklich. Bands wie „Die Ärzte“, „Die toten Hosen“ oder „Radiohead“ stellen ihr Repertoire Spotify nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Andere Künstler wie „Coldplay“, „Adele“ oder die „Red Hot Chili Peppers“ hatten dem Dienst den Rücken gekehrt, sind aber wieder dabei. Der Komponist, GEMA-Aufsichtsratsvorsitzende und Komponistenverbands-Präsident Enjott Schneider hat in einem Gast-Beitrag im „Bad Blog Of Musick“ die Situation als nicht zufriedenstellend für die Urheber dargestellt: „Zum Glück – so können wir aus Autorensicht als die finanziell Benachteiligten der Online- und Streamingpraxis sagen – gibt es noch Hemmnisse einer radikalen Ausbreitung des Streamings.“ Und weiter: „Glasklar ist zu sehen: eine Musik- und Filmkultur, die auf dem Prinzip des Streamings basiert, kommt unweigerlich in den Strudel einer Abwärtsspirale der Vergütung.“ Schneider hat mit seiner Kritik im Blick, dass pro angehörtem Stream nur Weniges an die Urheber ausgeschüttet wird. Mehrere Millionen Stream-Abrufe seien nötig, so Schneider, damit eine Summe zur Ausschüttung käme, die einen JahresMindestlohn garantiere. Das ist richtig. Zugleich ist aber auch richtig, dass die Höhe der Lizenzgebühren zwischen den Anbietern und den Verwertungsgesellschaften rechtmäßig ausgehandelt worden ist. Der Vorwurf wäre also nicht gegen die Dienstanbieter selbst zu richten, sondern müsste vor allem einerseits an die Verwertungsgesellschaften ge-
hen, die offenbar schlecht verhandelt haben und sich andererseits gegen die Plattenfirmen richten, die nicht mehr vom Kuchen abgeben wollen. Das Prinzip ist ja anders als etwa bei den Senderechten im Rundfunk. Ob auf BR-Klassik ein Zuhörer dabei ist oder derer Tausende, spielt keine Rolle für die Höhe der Ausschüttung. Ebenso wie bei der CD, die sich jemand nie oder hunderte Male anhört. Auch diese Berechnungsweise könnte man als ungerecht empfinden. Man muss sich da nichts vormachen: Geschäft ist Geschäft – in einer Marktwirtschaft handeln die Gruppen ihre Ansprüche gegeneinander unter sich aus. Entweder kommt ein Geschäft zustande oder eben nicht. Aber der Rahmen für den Markt ist immer die Gesellschaft selbst. Nur wenn diese sich als kulturell aktiver Teil versteht, wird sie ihre „Meister“ schätzen und schützen: Vor Ausbeutung und Zwang – und vor Manipulation durch Verdummung. Das aber ist ein anderer Schauplatz, wenn auch freilich genau der Acker, auf dem Kultur überhaupt gedeiht. ¢ Enjott Schneider im Bad Blog Of Musick: http://blogs.nmz.de/badblog, Stichwort: „Gastartikel Schneider“
Titelbild Johannes Kalitzke dirigiert das Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR beim Éclat-Festival. Rechts im Bild das von Andrés Gomis Mora bezwungene, übermannsgroße Kontrabasssaxophon in „Elogio del tránsito“ von José-Maria SánchezVerdú. Mehr auf den Seiten 19 & 20. Foto: Charlotte Oswald