neue musikzeitung 2012/02

Page 1

Mit großem Fortbildungskalender

ConBrio Verlagsgesellschaft Regensburg Preis (bei Einzelbezug): 4,80 E Mit den offiziellen Mitteilungen der Jeunesses Musicales, des Verbandes deutscher Musikschulen, des Deutschen Tonkünstlerverbandes, der GMP und des vbs ISSN 0944-8136

·

Beilage:

Netzwerk Neue Musik

www.nmz.de http://twitter.com/musikzeitung www.facebook.com/musikzeitung

B12 872

Nr. 2/12 · 61. Jahrgang

Magazin

Themen

Verbandspolitik

Kritik

DTKV

Magazin Seite 3 Ernst von Siemens Musikpreis 2012 geht an Friedrich Cerha

Praxis Konzertvermittlung Seite 13 Im Projektlabor der Kieler „chiffren“ komponieren Schüler Neue Musik

nmz-Gespräch Seite 29 Ortwin Nimczik, Winfried Richter und Jürgen Terhag im nmz-Interview

Berichte Seite 39 Hans Zenders „logos-fragmente“ in Freiburg, „Urgewalten“ in Köln

Bundesverband Seite 53 Service und Sprachrohr für Musiker: Ein Interview mit Dirk Hewig

Magazin Seite 4 Italiens „Sistema“: rund 5.000 Kinder in 20 Musikzentren aufgenommen

Kulturpolitik Seite 16 Zum Reinhard-Schulz-Preis für zeitgenössische Musikkritik

VdM Seite 30 Die Joseph-Schmidt-Musikschule feiert ihr 60-jähriges Bestehen

Berichte Seite 43 Alte Strukturen neu interpretiert: Das „C3“-Festival in Berlin

DTKV Seite 55 Dreifache Jubiläumsfeiern in SachsenAnhalt

Frei verbunden In alten nmz-Ausgaben zu blättern, ist so aufregend wie eine Reise mit einer von H.G. Wells beschriebenen Zeitmaschine. Man weiß nie genau, wo und wann man ankommt, denn bibliographisch erschlossen sind nur die wenigsten der alten Sammelbände. Wenn wir den Zielpunkt auf die Neue Musikzeitung Februar 1972 einstellen, dann sehen wir, dass eine Neue Musikzeitung des 21. Jahrgangs nicht nur aus einer Allgemeinen Ausgabe für die Jeunesses Musicales bestand, sondern zudem aus einer Ausgabe Baden-Württemberg, drei verschiedenen Ausgaben für den Verband Deutscher Musikerzieher und konzertierender Künstler (VDMK-Bayern, -Niedersachsen und -Nordrhein-Westfalen), einer Ausgabe für den Verband Deutscher Schulmusiker in NRW, einer Ausgabe des Arbeitskreises für Schulmusik sowie für die Jeunesses Österreich. Zurück in die Gegenwart: Eine nmz des 61. Jahrgangs besteht nur noch aus einer Ausgabe, denn die seit 1997 gültige Trennung in eine Verbandsausgabe und eine allgemeine Ausgabe ist ab sofort obsolet. Den Grund finden Sie in dieser nmz: Es ist das Buch des Deutschen Tonkünstlerverbands (DTKV), das nun alle Bundes- und Landesseiten in einem Buch bündelt und zudem allen 22.000 Heften beiliegt – und damit auch wirklich alle Leser der nmz erreicht. Der Bundesverband des DTKV und seine Landesverbände sind damit einen wichtigen Schritt hin zu einer Professionalisierung ihrer Öffentlichkeitsarbeit und Mitgliederwerbung gegangen. Und sie haben mit dieser Entscheidung der nmz-Redaktion Anlass gegeben, wieder einmal einen Blick auf den fruchtbaren Widerspruch zwischen Verbandsinteressen und unabhängiger Redaktion zu werfen. Die nmz ohne ihre Verbände ist undenkbar – und das betrifft nicht nur ihre nach wie vor für eine Fachzeitschrift überdurchschnittlich hohe Auflage. Hervorgegangen aus einem Mitteilungsblatt der Jeunesses im Jahre 1952 ist die nmz heute Plattform und Forum verschiedener Verbände. Gleichzeitig ist sie eine unabhängige Musikzeitschrift, gemacht von einer Redaktion mit ausgeprägtem Kritikbedürfnis. Gemeinsam mit „unseren“ Verbänden beschäftigen wir uns mit einem Thema, das in den Feuilletons der Tages- und Wochenzeitungen gerne zu kurz kommt: der Kulturpolitik. Kulturpolitische Kontroversen gehören in der nmz zum Tagesgeschäft und nicht nur der Deutsche Musikrat, auch der DTKV oder die nmz-Redaktion selbst können davon ein Lied singen. Aktuell auf der gemeinsamen Agenda von DTKV und nmz sind Themen wie die Situation der Lehrbeauftragten an Hochschulen oder der freiberuflichen Instrumentalpädagogen, arrondiert von der Berichterstattung über Fortbildungen und Aufführungen. In diesen Tagen reist die Zeitmaschine der nmz immer häufiger in die Zukunft, denn auch Musikjournalismus ist ein digitales Geschäft geworden. Digital oder analog – unseren Kernthemen Kulturpolitik, musikalische Bildung und Neue Musik fühlen wir uns nach wie vor verpflichtet. Und mit dem Rückzug der Tageszeitungen aus dem traditionsreichen Feld der Musikkritik sind unsere Autoren mehr denn je gefragt in der Sache „Neue Musik“ – für die nmz die wichtigste Sache der Welt. Andreas Kolb

4<BUEDMQ=a eiab>:V;n

In den reißenden Gewässern des Internet Mit der Digitalen Gesellschaft verändert sich Politik · Von Martin Hufner Es ist nicht zu übersehen, dass die Politik gegenwärtig den Druck, der über und durch die Präsenz des Internet als Kommunikations- und Aktionsplattform entsteht, nur sehr schwer in den Griff bekommt. Das Netz wirkt immer mehr wie ein losgelassener, geradezu wild wuchernder Organismus und dessen Selbstorganisation so zufällig, anarchisch und gleichzeitig so wirtschaftlich konsequent wie keine politische Bewegung zuvor.

D

ie Revolutionen in den a rabischen Ländern im letzten Jahr wären ohne die machtvolle Ausbreitung der Kommunikationsmedien in den Sozialen Netzen jenseits staatlicher Gewalt nur schwer vorstellbar, was nicht heißt, dass sie ohne diese nicht stattgefunden hätten. Die Dinge wurden nicht im Internet entschieden, aber ohne das Internet wäre die übernationale Präsenz kaum zu erreichen gewesen. A n repressiven Staaten wie zum Beispiel China und Weißrussland sieht man sehr deutlich, mit welcher Vehemenz die politische Macht versucht, dieses Ungetüm Internet zu begrenzen; das gelingt nur mit äußerster Härte und ob es endlich erfolgreich bleibt, muss bezweifelt werden. Wirtschaft und Politik reagieren regelmäßig zu langsam für die Welt des Internet. Man konnte dies am gesamten Prozess der Verbreitung von Musik über dieses Medium sehen. Das Netz stellt Aufgaben, die Antworten kleckern hinterher. Beispielsweise hat vor über 10 Jahren die Tauschbörse Napster den kommerziellen Musikmarkt ordentlich durchgeschüttelt. Die Tonträgerindustrie brach im CD-

Geschäft ein. Erst dann entwickelten sich Geschäftsmodelle wie Apples iTunes-Store, die eine Alternative entgegensetzten. Aber es war nicht genuin die Musikindustrie. Heute haben wir in Deutschland über 30 Online-Shops für den Erwerb digitaler musikalischer Güter. Das Problem ist ja nicht nur, dass man die Netznutzer wieder ins Boot holen muss auf dem Niveau, das Computer-Freaks entwickelten, man muss darüber hinaus ja auch etwas bieten, das diese Alternativen als besser dastehen lässt. Und unterdessen entwickelt sich das Netz wieder weiter. Seit über 10 Jahren ist daher auch die Reform des Urheberrechts zu einem Dauerbrenner geworden. Vor wenigen Jahren arbeitete sich die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ unter anderem auch daran ab. Seit dieser Legislaturperiode tut dies eine Enquete-Kommission mit dem bezeichnenden Namen „Internet und Digitale Gesellschaft“. Die Politik hat das Thema endlich als unumgehbares Feld gesellschaftlichen Handlungsbedarfs entdeckt. Sie muss sich damit beschäftigen und gleichzeitig muss sie daran scheitern. Im „Hase-und IgelSpiel“ ist sie der Hase, der immer zu spät kommt. Im Zwischenbericht der Kommission ist auch das Urheberrecht thematisiert worden. Es gibt Handlungsempfehlungen. Doch die taugen bei dieser Enquete-Kommission fast nichts. Anders als bei der EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ gibt es zu fast jedem verfassten Satz eine Reihe von Sondervoten der Kommissionsmitglieder. Man ist sich nicht einig. Zu unterschiedlich sind die Einschätzungen. Ein Papiertiger wurde

4<BUEDMQ=a eiab>:l;p

erzeugt, der inhaltlich leer bleibt und bleiben muss. Der Unternehmensberater und Experimentalpsychologe Peter Kruse hat vor der Kommission in nur dreieinhalb Minuten dargestellt, was gerade passiert: Man habe über das Internet erstens die Vernetzungsdichte extrem erhöht, zweitens mit den Mitteln, die das sogenannte Web 2.0 bereitstellt, die Spontanaktivität der Nutzer erweitert. Drittens sind mit neuen Techniken wie bei Twitter oder Facebook Möglichkeiten hinzugekommen, um kreisende Erregungen zu erzeugen. Meldungen können sich wie in einem Schneeballeffekt zu Lawinen ausweiten. Kruse meint, dass so ein System die Tendenz entwickeln kann, sich explosionsartig hochzuschaukeln. Wann, wo und wie das jeweils explosionsartig passiert, lässt sich nicht vorhersagen. Mit anderen Worten: über das Netz kann man mächtig werden, wenn alles irgendwie zusammenfindet. „Menschen schließen sich zu Bewegungen zusammen“, sagt Kruse, so auch innerhalb kürzester Zeit über das BadBlog Of Musick. Nachdem Moritz Eggert dort den Fall von Abmahnungen gegen Künstler, die auf ihrer Website Pressereaktionen auf ihre Tätigkeiten publizierten, publik machte, ging ein Lauffeuer der Empörung durch Facebook (siehe auch S. 12). Kruse fordert von der Politik einen empathischen Blick ein, sie muss schauen, was in diesen Systemen resonanzfähig ist. Hingegen sei der Versuch, diese Systeme von außen und oben steuern zu wollen, einigermaßen sinnlos. Nach Kruse sind wir längst auf dem Weg von einer Anbieter- zu einer Nachfrager-Gesellschaft. Die

Nutzer sind die Nachfrager, die Anbieter können nur noch die Stimmungen aufnehmen aber nicht allein erzeugen. Am Beispiel der Öffentlichkeitsarbeit der GEMA kann man sehen, dass man etwas davon begriffen hat. Die GEMA stellt sich längst nicht mehr nur als ein hermetischer Block der Macht dar, der sich über seine Macht in Sachen Urhebervergütung durchsetzt. Über die Resonanzkanäle in den Netzen hört man dort jetzt viel genauer zu und nimmt Kritik ernst, auch und gerade wen n sie nicht a llein von den etablierten Medien kommt. Die GEMA verwendet mittlerweile Blogs, Facebook- und Twitteraccounts, um wahrgenommen zu werden und um wahrzunehmen. Ähnlich muss auch Politik agieren. Ähnlich muss auch die Wirtschaft agieren, sonst wird sich ihr Markt gegebenenfalls an anderer Stelle neu bilden. Mit einer Videoansprache der Kanzlerin ist es natürlich nicht getan. Und mit einer Enquete-Kommission auch nicht, wenn dort wieder nur die Experten, die wirtschaftlichen und politischen Lobbyisten paktieren. Sie versuchen letztlich nur, ihr altes Netz ebenso stabil zu halten, wie ehemals den CD-Markt. ¢

Titelbild Traum aller ARD-Intendanten: Statt teurer hauseigener Sinfoniker Kagels „Zwei-Mann-Orchester“, hier in der Kölner Kulturstation St. Peter als Höhepunkt der Abschlussveranstaltungen des Netzwerk Neue Musik. Mehr auf Seite 40. Foto: Charlotte Oswald


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.