N° 02/MAI 2015
SOMMER SONNE
FESTIVALS
Von Berlin über Moers bis Südtirol
€ 3,80
MIT VERLOS UN & GEW GEN INNSPIEL
COWBOYRITT ZUM MOND Interview: Sophie Hunger
LAUSCH ANGRIFF 7 Fragen an Meret Becker
LIQUID ROOM Reportage: MaerzMusik Berlin 2015
s i l b ea rnhz eoirgne U n 2° 1 / 1 5
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www.silberhorn-magazin.de www.facebook.com/silberhornmagazin Silberhorn N° 3 zum Thema „Kulinarik“ erscheint am 1. September
Artists Andreas Schaerer‘s „Fanfare Fatale“ with Leila Martial, Soweto Kinch, Peter Rom, Valentin Ceccaldi, Benny Omerzell, Ruth Goller, Martin Eberle Alex Bonney Alice Zawadzki & Moss Freed Astronomy Domine Blue Eyed Hawk Brass Mask Chris Sharkey Christian Elsässer Jazz Orchestra Die Glorreichen Sieben Equally Stupid Error 404 - Band not found Flat Earth Society „G7 - Great European Jazz Conference“ with Matthias Schriefl, Tamara Lukasheva, Pauli Lyytinen, Sigurdur Rögnvaldsson, David Meier, Lauren Kinsella, Leila Martial Jakob Lakner‘s Frigloob Josef Reßle Quinternion Julia Biel Kalle Kalima‘s Long Winding Road Killing Popes feat. Kalle Kalima, Kit Downes Lakner - Wolfgruber - Gieck Laura Jurd‘s Human Spirit Lauren Kinsella & Dan Nicholls Leila Martial & Benny Omerzell Leon Michener - Klavikon Lucia Cadotsch - Speak Low Mark Sanders - Paul Rogers (on Charlie Chaplins „Modern Times“) Matria
26.06.— 05.07.2015 www.suedtiroljazzfestival.com www.altoadigejazzfestival.com
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Matthew Bourne Melt Yourself Down Mirko Pedrotti 5tet feat. Chris Montague Natalie Elwood Band Oyster feat. Matthias Legner, Anna Widauer, Corale Cimbra Panzerballett Perhaps Contraption Polar Bear Reßle - Elwood - Bordenave Ruth Goller - Kit Downes - Tim Giles Sarah Gillespie Schaerer - Eberle - Rom feat. Leila Martial Shiver „Singing Rocks“ - MGV Brixen feat. Matthias Schriefl, Florian Trübsbach, Soweto Kinch, David Meier, Ruth Goller, Michael Engl, Gregor Bürger, Peter Heidl Soweto Kinch 4tet Strobes Tatu Rönkkö - I play your kitchen Three Trapped Tigers Tori Freestone Trio Tricko Tareco Troyka Vincent Peirani - Francois Salque
E d i to r i a l , I n h a lt
editorial
inhalt
N° 02/Mai 2015
N° 02/Mai 2015
auf geht‘s zur Festival-Saison
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Reportage: Maerzmusik
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ommerzeit, Festivalzeit. Was gibt es Schöneres, als ein Reise mit einem Kulturgenuss zu verbinden? Wir haben spannende Vorschläge für Sie: Am langen Pfingstwochenende findet das moers festival, eines der wichtigsten Jazz-Events des Jahres statt. Die Pianistin Julia Hülsmann, Composer in Residence 2014, macht eine Führung durch die kleine Stadt und gibt echte Insidertipps. Oder wie wär’s mit einem Abstecher ins Nachbarland Italien, wo ab Ende Juni das Südtirol Jazzfestival Alto Adige stattfindet? Klasse statt Masse heißt es für den umtriebigen Festivalmacher- und Präsidenten Klaus Widmann, der Musik, Berge und Sport erfolgreich unter einem Dach zusammenspannt. Seine Lieblingsorte, Tipps für Hütten und Winzer, die zu Sponsoren werden, finden Sie ebenfalls auf unseren Silberhorn-Spezialseiten in der Mitte des Hefts. Haben Sie schon lange von einer Nacht in einem luxuriösen Hotel in Bayerns schöner Hauptstadt geträumt? Dann kann das jetzt wahr werden, und es kostet Sie keinen Pfennig, äh Cent natürlich. Wir verlosen anlässlich des Jazzsommers im Bayerischen Hof zwei Übernachtungen. Schreiben Sie uns! Wir freuen uns über jede Mail an silberhorn@nmz.de, aber natürlich auch über jede Postkarte.
Ihre Ursula Gaisa, Chefredakteurin
Zum Auftakt der diesjährigen Berliner MaerzMusik hat das Brüsseler Ictus Ensemble gemeinsam mit dem Berliner Ensemble Mosaik ein innovatives Konzertformat umgesetzt: Das Haus der Berliner Festspiele wurde zum „Liquid Room“.
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Cowboyritt zum Mond
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Festival-Tipps Wir entführen Sie unter anderem nach Bonn, an die Ostsee und verlosen Festivalgläser, außerdem gibt es Karten zu gewinnen!
Aus Bern in die weite Welt: Sophie Hunger ist ein kultureller Exportschlager der Schweiz. Seit ihrem Debüt 2008 hat die 31-Jährige über eine Viertelmillion Platten verkauft.
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Duett zu dritt
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Lauschangriff Die Sängerin und frisch gebackene TatortKommissarin Meret Becker beantwortet unsere Fragen zu Tonträgern, Konzertbesuchen, ihrer aktuellen Bettlektüre und ihren geheimen Talenten.
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Das Mikrofon war ihr Freund, ihr Vorbild Bessie Smith. Eine Legende hätte ihren 100. Geburtstag gefeiert: Hans-Jürgen Schaal und seine fünf Annäherungen an eine besondere Sängerin: Billie Holiday. 3
Autor Joachim Reiber hat ein Buch über Dreiecksbeziehungen in der Musikgeschichte geschrieben: ein Interview.
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men meet women meet men Der Sänger und Gitarrist Jesper Munk trifft auf Jazz-Röhre Stephanie Neigel.
14 Verlosung: eine Nacht im Bayerischen Hof!
Silberhorn Spezial: Moers und Südtirol — 26 Tipps der Redaktion — 28 Künstler kochen — 29 Plonki — 30 Kolumne Moritz Eggert
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S o p h i e H u n g e r i n t e r v i e w: A n t j e R ö S S l e r 4
f o t o : M a r i k e l La h a n a
interview
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us Bern in die weite Welt: Sophie Hunger ist ein kultureller Exportschlager der Schweiz. Seit ihrem Debüt 2008 hat die 31-Jährige über eine Viertelmillion Platten verkauft. Sie gewann renommierte Preise wie den Swiss Award und komponiert für Film und Theater. Ihr viertes Studioalbum „Supermoon“ ist das Ergebnis eines Kalifornien-Aufenthalts. Antje Rößler traf die Songwriterin in ihrem derzeitigen Wohnort Berlin. Konzentriert und kerzengerade auf der Sofakante sitzend, erweist sich Sophie Hunger als astronomische Expertin; sie schwärmt von der Heimatlosigkeit und warnt vor allzu großen Festivals. SILB: Dein neues Album „Supermoon“ ist
von einem Aufenthalt in San Francisco inspiriert. Was hat dich dorthin verschlagen?
„Ich mache eine Musik, die sich nicht auf ein bestimmtes Genre beschränkt, sondern alles Mögliche Mischt.“ SOH: Ich wollte einen ehemaligen Mitbewoh-
Aktuelle CD Sophie Hunger: Supermoon Caroline International/ Universal Music Tour 16. Mai: Alte Oper Frankfurt 17 . Mai: X-tra, Zürich 20. Juni: Traumzeit Festival Duisburg 18. Juli: Stimmen Festival Lörrach 1. August: Heimatsound Festival Oberammergau
Mehr unter www.sophiehunger.com
ner besuchen, der nach Kalifornien gezogen war. Es hätte aber auch Shanghai sein können – ich wollte einfach nur irgendwo hin weit weg: wo mich keiner kennt; wo ich keinen kenne. Die ersten zwei, drei Wochen habe ich gebraucht, um meinen Biorhythmus in Ordnung zu bringen. Ich war ja vorher anderthalb Jahre auf Tour gewesen. Mein erstes Ziel war also: nachts schlafen und drei Mahlzeiten am Tag. Ganz banal. SILB: Was hat dich in Kalifornien künstlerisch inspiriert? SOH: Ich habe mich gefühlt, als wäre ich wieder ganz am Anfang, wie mit sechzehn Jahren: Alle Türen stehen offen; mal sehen, was passiert. Und ich habe viele Konzerte als Zuschauer besucht, auch von völlig unbekannten Musikern. Das war für mich total cool und merkwürdig, weil ich das jahrelang nicht gemacht hatte. Wenn man selbst auf Tour geht, sind Konzertbesuche das Letzte, was man will. SILB: Was bedeutet der Titelsong des neuen Albums „Supermoon“? SOH: In San Francisco habe ich in Sunset ge5
wohnt, das ist neben dem Golden Gate Park, nicht weit vom Pazifik. Ein Viertel mit kleinen Häuschen, in denen die Surfer wohnen. Einmal bin ich durch den Park geschlendert und im Naturkundemuseum gelandet. Da wurde in einem 3D-Kinosaal ein Film über die Entstehung der Welt gezeigt. Die Erde und der Mond entstanden gleichzeitig, als ein Meteorit auf eine Gesteinsmasse flog und einen Teil wegsprengte. Durch die Anziehung zwischen beiden Körpern entstand überhaupt erst die Atmosphäre, die irdisches Leben ermöglicht. Der Mond ist also nicht etwas Fremdes, sondern ein Teil von uns. Da habe ich ein Lied über dieses Verhältnis geschrieben, in dem ich als Mond zur Erde spreche. SILB: Bei den anstehenden Konzerten gerät der Biorhythmus bestimmt wieder durcheinander. Hast du deshalb ein mulmiges Gefühl? SOH: Nein, ich freue mich sehr darauf. Ich habe anderthalb Jahre nicht auf der Bühne gespielt. Manchmal frage ich mich ein bisschen ungläubig, ob ich das überhaupt noch kann. SILB: Wo siehst du den Unterschied zwischen „normalen“ Konzerten und Festival-Auftritten? SOH: Zu Festivals kommen die Leute nicht meinetwegen, sondern wegen des Gesamtpakets. Da sind also nicht unbedingt meine eigenen Fans dabei, was aber supergut sein kann. Zum anderen sind Festivals musikalisch extrem beschränkt auf einen bestimmten Stil. Es gibt nur eine Form von Musik, die hier funktioniert: Schlagzeug, Bass, Gitarre und Gesang. Und dann eine Stunde lang: In your face! Das muss Partymusik sein, mit viel Rhythmus und Druck. SILB: Passt du da überhaupt hin? SOH: In diesem Zusammenhang ist meine Musik schon grenzwertig. Wenn ich selbst ein sehr kommerzielles Festival betreiben würde, käme ich nicht auf die Idee, Sophie Hunger einzuladen. Es gibt bei mir auch leise Stellen, und viele meiner Lieder leben von Details, zum Beispiel Instrumentenwechseln. Ich mache eine Musik, die sich nicht auf ein bestimmtes Genre beschränkt, sondern alles Mögliche mischt. SILB: Und das würde bei einem großen Festival nicht funktionieren? SOH: Ich habe es ein paarmal versucht – aber es funktionierte nie. Das liegt auch an der Größe des Raums. Es gibt viele Menschen, die weit entfernt sind – da verliert sich der Klang in der Luft. Meine Musik funktioniert da nur, wenn wir ganz gezielt die schnellen, lauten Lieder spielen. ➼
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Musik im Maerz text: K atharina Gr anzin fotos: HuPe-kollektiv (Basche/Hufner)
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um Auftakt der diesjährigen Berliner MaerzMusik hat das Brüsseler Ictus Ensemble gemeinsam mit dem Berliner Ensemble Mosaik ein innovatives Konzertformat umgesetzt: Das Haus der Berliner Festspiele wurde zum „Liquid Room“. „Das ist das letzte Mal, dass ich heute die Sonne sehe“, sagt Tom Pauwels und blinzelt ein wenig im Sonnenlicht, das schon fahl zu werden beginnt. Wir schreiben den 20. März 2015, den Tag der partiellen Sonnenfinsternis. Und während hier draußen im Garten des Hauses der Berliner Festspiele der Mond allmählich sinister das Himmelslicht verfinstert, wird dort drinnen im Haus gerade mit einer kleinen spontanen Extramusik die „MaerzMusik“ eröffnet – das Berliner Festival für aktuelle Musik, wie es noch im letzten Jahr hieß. In diesem Jahr bekam es von seinem neuen Leiter Berno Odo Polzer die Musik aus dem Untertitel gestrichen und heißt nun „Festival für Zeitfragen“. Aber das ist an sich eher egal, denn mit
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dem belgischen Ictus Ensemble, als dessen Leiter der Gitarrist Tom Pauwels fungiert, hat Polzer für den Eröffnungsabend eine Truppe eingeladen, die ein Konzertformat entwickelt hat, in dem auf jeden Fall sehr viel Musik untergebracht werden kann. „Liquid Room“ nennen die Belgier ihre Konzertinstallationen. Das bezeichnet ein Aufführungskonzept, bei dem das frontale räumliche Verhältnis zwischen Künstlern und Publikum aufgehoben ist. Die Musik findet an mehreren Orten – aber in einer festgelegten Abfolge – im Raum statt, während das Publikum in Bewegung ist und sich seine Plätze immer wieder neu suchen muss beziehungsweise kann. Entstanden sei die Idee gewissermaßen aus einem praktischen Dilemma heraus, gibt Tom Pauwels zu und erklärt: „Bei der Neuen Musik ist der Auf- und Abbau häufig sehr kompliziert. Man hat ja meistens Elektronik dabei.“ Deshalb müsse man, wenn man innerhalb der traditionellen Konzertform agiere, dem Publikum sehr lange Pausen zwischen einzelnen Stücken zumuten. Dramaturgisch ist das natürlich unschön und langweilig. ➼
i lEbRe H rh S I Ls B OoRrNn Sn P° 1E/Z1 I5A L
Südtirol Vom 26. Juni bis 5. Juli findet 2015 das Südtirol Jazzfestival Alto Adige statt. Der Präsident Klaus Widman führt uns an seine liebsten Orte und Plätze.
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s war eines der außergewöhnlichsten Ereignisse des Südtirol Jazzfestival Alto Adige: Am 29. Juni 2014 trafen sich Kletterer, Musiker und ein Slackliner in der 1.000 Meter hohen Langkofel-Wand für ein Projekt, das Jazzmusik und Bergsport extrem in eine schräge Verbindung brachte. Wer ist der Mann, der sich so etwas ausdenkt? Und was sind seine liebsten Plätze in Südtirol? Erfahren Sie mehr über die spektakulärsten, idyllischsten, verschwiegensten und kulinarischsten Orte Südtirols.
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Ohne seine Fahrrad würde klaus Widmann sein Pensum nicht schaffen
Zwischen Etsch und Talfer: besondere Orte Zum Stadtbild des autofreien Bozen gehören unvermeidlich die Fahrradfahrer: Es ist das schnellste Fortbewegungsmittel zwischen Etsch und Talfer. Einer dieser Radler ist Klaus Widmann, praktischer Arzt und künstlerischer Leiter des Südtirol Jazzfestival Alto Adige, das jeweils am letzten Freitag im Juni beginnt und bis zum darauffolgenden Sonntag dauert. Zu Fuß würde der gebürtige Bozener sein Pensum nicht schaffen. Die Stadtflaneure und Müßiggänger betrachtet er eher mit Verwunderung: „Ich bewundere die Menschen, die so gegen 18 Uhr im
Cafè sitzen und gemütlich ein Glas Wein trinken. Oder die zu Mittag essen. Dafür habe ich keine Zeit.“ Seine knapp bemessene Freizeit verbringt Widmann in der Natur, wo er entweder klettert oder mit Tourenski und Mountain-Bike auf Berge geht, als Ziel eine schöne Almhütte oder ein Berggasthaus. Widmann ist immer auf der Suche nach dem Ursprünglichen, „Behübschtes“ interessiert ihn nicht. Dieses Konzept überträgt er seit fünf Jahren erfolgreich auf seine Festivalplanung. Widmann kennt Land und Leute, und er wird nicht müde, immer neue Dinge in Südtirol zu entdecken. Diese Orte will er dann den Besuchern seines Festivals nahebringen. Dabei findet er nicht nur neue Spielstätten, sondern auch neue Klänge und noch nie dagewesenen Musikerkombinationen. Allein dieses Jahr wird es wieder zehn festivaleigene Projekte geben.
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Klaus Widmann (Mitte) unter Fans. Fotos: Susanne van Loon
nimmt er die Tourenski und steigt am Rand der Piste hinauf. Gerne auch spät abends mit Flutlicht, um dann im Dunkeln herunterzufahren. Auf dem Rittner Horn ist man direkt in der Mitte von Südtirol in seiner Vielfalt: Denn obwohl der Gipfel nur gut 2.200 Meter hoch ist, versperren keine höheren Berge die Aussicht. Im Osten liegen die Dolomiten auf dem Präsentierteller mit Schlern, Rosengarten, Langkofel, Marmolata und dem Sella-Massiv. Auf der Westseite sieht man den Ortler und die hohen Gletscherberge, im Norden streift der Blick den Alpenhauptkamm, im Süden erstreckt sich das Etschtal, hinunter in Richtung Verona und Gardasee. Die Almwiese vor der Feltuner Hütte am Fuße des Ritten gehört daher seit Jahren zu einem der beliebtesten Konzertplätze des Festivals. Eine zentrale Idee Widmanns ist es, Sport und Berge mit Jazz zu verbinden. Widmann klettert gerne am Langkofel, und er kennt den Wirt Igor Marzola auf der Comici-Hütte am Fuß des Langkofel, der auf ladinisch Saslonch heißt. So entstand 2014 die „Saslonch Suite“ mit Slack-Lining, Klettern in der Wand und Live-Musik direkt am Berg. Das Wiederholungszeichen ist für Widmann jedoch weniger wichtig als das Neue: Direkt hinter der Comici-Hütte liegt ein großer Fels unterhalb des Langkofel. Für die Festivalausgabe 2015 bohren hier junge Kletterer der Klettergilde einen neuen Klettergarten mit dem Namen „Singing Rocks“, der auch nach dem Festival als touristische Attraktion erhalten bleiben soll. Bespielt wird der Fels mit einer rhythmisch-tänzerischen Kletterperformance mit jugendlichen Kletterern, einem Konzert mit dem Männergesangsverein Brixen, dem deutschen Trompeter Matthias Schriefl und Band, der Südtiroler Bassistin und Komponistin Ruth Goller und
Der Bozener Hausberg: Rittner Horn
Direkt in der Mitte von Südtirol in seiner Vielfalt Ein Lieblingsort von Klaus Widmann ist der Ritten, genauer das Rittner Horn. Im Sommer geht es mit dem Mountain-Bike auf 2.200 Meter Höhe, wenn es sein muss, zwischen zwei Konzerten und einem Meeting. Im Winter, wenn ihm das Festival mehr Zeit lässt, 16
e pOoRr N ta g S I L B E Rr H S Pe E Z I A L
Südtirol Jazzfestival Alto Adige 2015 „UK Sounds“ vom 26. Juni bis 5. Juli
33 Jahre Südtirol Jazzfestival mit Musik aus aller Welt – aber diesmal auch „very british“: Denn ein beachtlicher Teil der Künstler stammt diesmal aus Großbritannien.
dem britischen Saxophonisten und Rapper Soweto Kinch.
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Kultur heiSSt in Südtirol auch Weinkultur
viele kleine Konzerte statt Massenware Inzwischen ist das Südtirol Jazzfestival Alto Adige eines der größten Kulturereignisse Südtirols. Jazz spielt auf Burgen und Schlössern, auf Straßen und Plätzen, in Alm- und Berggasthöfen und an vielen, vielen anderen schönen Orten mehr. Welten, die ein Teil von Widmann sind, kommen da zusammen. Ihn als einen „Verräter“ am letzten Idyll zu sehen, wäre verfehlt. Widmann meidet Massenveranstaltungen und macht auch keine. Seinen Charme zieht das Festival aus den vielen kleinen, oft kostenfreien Konzerten, die jeweils von Wirten, Hoteliers, Firmen und Weingärtnern gesponsert sind. In Südtirol hat sich Wein in den letzten 20 Jahren von der Massenware zu einem international anerkannten Qualitätsprodukt entwickelt. Da gibt es prominente Figuren wie den Winzer Alois Lageder: Er geht seinen Weg mit Risiko und biodynamischer Philosophie. Und er vergibt Kompositionsaufträge an junge Musiker wie Pascal Schumacher oder Angelika Niescier. Die Konzerte im Innenhof seiner Kellerei sind Jazz-Verkostungen für Kenner. Andere Weingüter wie der Kränzelhof bei Tscherms im Meraner Land bieten zur Wein-
Gastronomie auch noch Gartenphilosophie und wer einmal morgens um 5 Uhr den Sonnenaufgang im Labyrinth-Garten mit jazzigen Klängen erlebt hat, der will auf keinen anderen Frühschoppen mehr gehen. Ebenfalls ein legendärer Weinort ist das höchstgelegene Weinbaugebiet südlich der Alpen: Die Klosterkellerei Neustift in Brixen ist seit 2014 Bestandteil des Konzertprogramms. Auch hier verbinden sich Geist, Wein und mittelalterliche Architektur mit moderner Jazzmusik.
Weinbauern werden zu Sponsoren Neben diesen großen Namen zählt Widmann auch die kleinen, freien Weinbauern zu seinen Jazzsponsoren und Veranstaltern. Besondere Orte mit Charme sind etwa der Thurnhof in Haslach, St. Peter in Oberbozen oder der Nusserhof auf dem sonnigem Hochplateau über dem Meraner Talkessel. Hier ist Jazz, genauso wie der Wein, keine Massen-, sondern Qualitätsware. Fragt man Widmann nach seinen bevorzugten Jazz-Stilistiken, dann wird man ihn kaum dazu bringen, sich hier festzulegen. Zu groß ist seine Neugier auf das Neue, noch nicht Gehörte. Beim Wein dagegen zögert Klaus Widmann nicht lange: „Das Authentische ist mir wichtiger als das Raffinierte. Beim Weißen trinke ich gerne einen süffigen Weißburgunder für jeden Tag, beim Roten einen Lagrein, ein ganz typischer Südtiroler Wein: erdig, kräftig, bodenständig.“ 17
Im Vorjahr haben die Veranstalter des Jazzfestivals erstmals einen Länderschwerpunkt gesetzt: Frankreich. „Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht, weil wir so die Vielfalt und Unterschiedlichkeiten der internationalen Jazz-Szene noch intensiver erfahren können“, berichtet Festival-Präsident Klaus Widmann. Und: „Es gibt viel mehr Verbindungen zwischen Großbritannien und Südtirol, als man auf den ersten Blick meinen möchte“, stellt Widmann außerdem fest. Dazu zählen die Südtiroler Musikerin Ruth Goller und der Meraner Designer Martino Gamper, die beide in London leben und arbeiten. Dazu gehört aber auch das Bergsteigen – nachdem in London 1857 der erste Alpinclub überhaupt gegründet worden war, waren auch die ersten Bergsteiger und Skifahrer in Südtirol Engländer. In Südtirol gibt es seit einigen Jahren eine Whisky-Brennerei und in London findet jedes Jahr eines der Haupt-Treffen des Netzwerkes für Südtiroler in der Welt, Südstern, statt. Das Festivalprogramm wird zahlreiche solcher Verbindungen zwischen Südtirol und Großbritannien umfassen. Unter anderem arbeiten Goller und Gamper an einem gemeinsamen musikalisch-visuellen Gesamtkunstwerk, das in Bozen zur Uraufführung kommt. Mehr unter www.suedtiroljazzfestival.com