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3 Die Rolle des Unbewussten für die neoklassische Theorie

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Literatur

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„Der ‚objektive Faktor‘ ist die Gesamtheit derjenigen Begriffe und Begriffsbeziehungen, die im Gegensatz zu Wahrnehmungen als unabhängig von Erfahrungen konstituiert werden“, schreibt Einstein (zitiert in Daston/Galison 2007, S. 323). „To go beyond experience“, so bringt Walras den wesentlichen Anspruch der neoklassischen Theorie auf den Punkt (Walras 1954, S. 71). Nimmt man diesen Anspruch ernst, so folgt daraus, dass diese Theorie tatsächlich eine Weltferne schult, und dies, wie gesagt, nicht als Zufall oder Unfall, sondern als dezidiertes wissenschaftliches Programm. Lässt sich dann aber aus dieser Ferne je wieder ein Bezug zur Welt menschlicher Erfahrungen herstellen? Oder ist, wer einmal im wissenschaftlichen Ideal der Neoklassik geschult ist, für immer gleichsam zum Leben im Elfenbeinturm verdammt?

Viel ist über die bewusste Anwendung mathematischer Theorien auf die Welt der Wirtschaft geschrieben und gemutmaßt worden – über die willkürliche Rückkehr in die Welt der politischen und alltäglichen Entscheidungen also. Im Folgenden aber wird es mir um einen anderen Punkt gehen: So zeigt die Forschungsarbeit der österreichischen Schule der Nationalökonomie ebenso wie die moderne Kognitionsforschung, dass sich das Ideal der Objektivität zumindest in einer Sozialwissenschaft wie der Ökonomie von vornherein nicht ‚rein‘ realisieren lässt: Bevor sich explizit über Anwendungen abstrakter Modelle auf die Wirklichkeit nachdenken und streiten lässt, stellen diese Modelle auf der Ebene des Unbewussten immer schon Bezüge zu dieser Wirklichkeit her, d. h. zu unseren persönlichen wie kulturellen Erfahrungen, dem unreflektierten Common Sense – selbst wenn sie diese ausdrücklich zu negieren versuchen.

Dieses Kapitel soll aufzeigen, wie dies auch auf die neoklassische Theorie selbst zutrifft, wie sie also gleichsam unterhalb der Bewusstheit des rationalen Verstandes unser kognitives Unbewusstes insbesondere im Sinne der Selektion gedanklicher Deutungsrahmen umformt.22 Im nachfolgenden Kapitel wird dann sichtbar werden, wie sich diese Umformung im Rahmen der heutigen ökonomischen Standardlehre nochmals bedeutsam intensiviert und vertieft, sodass hier von einer Beeinflussung des Unbewussten gesprochen werden kann, welche sich einer Überprüfung durch den rationalen Verstand in starkem Maße entzieht.

Ist wissenschaftliche Erkenntnis rein im Reich der Objektivität möglich? Trotz allem Anspruch auf wissenschaftliche Objektivität zweifelt selbst Walras:

„The mathematical method is not an experimental method; it is a rational method. Are the sciences which are strictly speaking natural sciences restricted to a pure and simple description of nature, or do they transcend the bounds of experience? I leave it to the natural scientist to answer this question. This much is certain, however, that the physico-mathematical sciences, like the mathematical sciences, in the narrow sense, do go beyond experience as soon as they have drawn their type concepts from it“ (Walras 1954, S. 71).

22 Es sei hier nochmals darauf verwiesen, dass ich den Begriff des kognitiv Unbewussten hier dezidiert aus der Kognitionsforschung übernehme, wo er überwiegend unbewusste mentale Operationen beschreibt, denen kognitive Funktionen zugeschrieben werden können. Vgl. dazu nochmals meine Bemerkungen in der Einleitung.

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