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4.3.8 Klassische Konditionierung
4.3.8 Klassische Konditionierung Wahrscheinlich wird es Studierenden am Anfang eher schwerfallen, bei einem Begriff wie ‚Nachfrage‘ auf unbewusster Ebene ihr gesamtes alltägliche Wissen, das sie mit ‚Fallen‘ assoziieren, zu aktivieren – und nur dieses zu aktivieren. Eher wird es hierfür, wie bei anderen threshold concepts auch, Zeit brauchen. Es bedarf eines Lerneffektes, und dieser Effekt wird im Wesentlichen durch Wiederholungen hervorgerufen:
„Wenn wir zum Beispiel ein Wort oder einen Satz immer wieder hören, werden diejenigen neuronalen Schaltkreise, die seine Bedeutung ‚errechnen‘, entsprechend häufig aktiviert. Und indem die Neuronen immer wieder in diesen Schaltkreisen feuern, werden die Synapsen stärker, und die Schaltkreise verfestigen sich. Und in dem Maße, in dem sich ein Frame über eine lange Zeit hinweg auf diese Weise im Gehirn verfestigt, wird die Idee zum festen Bestandteil unseres eben erwähnten Common Sense. Und wenn Menschen erst einmal in diesen Deep Seated Frames denken, prallen die nicht in diese Frames passenden Fakten einfach ab“ (Lakoff/Wehling 2016, S. 74; Hervorhebung: S. G.).
Im Sinne der behavioristischen Lerntheorie der Klassischen Konditionierung lässt sich dieses Phänomen wie folgt beschreiben: Die zwar nicht angeborene, aber doch zumindest frühkindlich erworbene Assoziation von ‚oben/unten‘ mit ‚mehr/weniger‘ lässt sich als unbedingte, spontane Reaktion bezeichnen. Dieser kann nun im Rahmen von Lernprozessen eine neue, bedingte Reaktion hinzugefügt werden, etwa wenn sie kontinuierlich mit Ausdrücken wie ‚niedrige Preise‘ und ‚fallende Nachfrage‘ oder ‚fallende Nachfragekurve‘ gekoppelt wird. Diese Kopplung kann allein durch sprachliche Konditionierung funktionieren, die durch visuelle Anreize (in Form der Diagramme) verstärkt wird. Auf diese Weise kann das semantische Netzwerk DES MARKTES gleichsam durch einen weiteren Knotenpunkt verstärkt werden, dessen eigene Framesemantik gerade nicht auf wirtschaftliche Erfahrung, sondern auf grundlegendere Erfahrungen des alltäglichen Lebens rekurriert und aus diesen seine (scheinbare) Selbstverständlichkeit oder gar Natürlichkeit gewinnt. Diese Verstärkung aber braucht nach allem, was man über die Klassische Konditionierung weiß, Zeit: Der Lernprozess muss durch eine Vielzahl von Wiederholungen geprägt sein. Laut Mäki etwa ist genau dies in der ökonomischen Standardlehre der Fall:
„Indeed, it is no news to a student of economics to be pointed out to the fact that much of economic theorizing is a matter of invoking the same derivational matters [abstract schemes, instantiated in specific applications, S.G.] over and over again, irrespective of the special field of study“ (Mäki 2001, S. 495).
Erneut in der Sprache von Meyer und Land (2003) gesprochen, repräsentiert das Marktdiagramm ein troublesome knowledge, das zunächst den meisten Studierenden als fremd und kontraintuitiv oder gar inkohärent erscheinen wird. Im Lernprozess kann es sodann zu einer Transformation des Denkens und der Wahrnehmung kommen, ohne dass diese je selbst reflektiert würde. Einmal erlernt vermag das durch dieses Diagramm implizierte Wirtschaftsverständnis sodann schlicht als evident betrachtet zu werden. Dieser gesamte Prozess – Mankiw nennt ihn schlicht „Learning Journey“ (Mankiw 2014, S. 17) – braucht Zeit, da das unbewusste