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Abbildung 1: Mechanische Analogien

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Literatur

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Abbildung 1: Mechanische Analogien

Quelle: Fisher 1892, S. 28-29.

Mirowski macht zwar zu Recht darauf aufmerksam, dass weder Fisher noch andere Begründer der neoklassischen Theorie sich je vollständig darüber bewusst waren, wie ihre Analogien tatsächlich zu denken sind (vgl. Mirowski 1989, S. 193-275). Viele ihrer Versuche waren diesbezüglich entweder falsch31 oder unvollständig32 . Doch dies deutet aus meiner Sicht weder darauf

31 So kann etwa ein Massepunkt (a particle) nicht der Vorstellung des Individuums in der Ökonomie entsprechen; vielmehr könnte es sich allenfalls um ein Güterbündel in einem Nutzenfeld handeln, wogegen das Feld selbst das Individuum repräsentiert (vgl. Graupe 2005, S. 48ff.; Mirowski 1989, S. 229).

hin, dass diese Analogien nicht existieren, noch darauf, dass sie nicht funktionieren. Eher würde ich argumentieren, dass es eben auch Aufgabe des kognitiv Unbewussten ist, Analogien zwischen Mechanik und Ökonomie trotz ihrer Problematik zu vollziehen. Dies hat dabei allerdings nicht vollständig abgetrennt vom objektiv-rechnenden Verstand zu geschehen. Denn die beständigen Versuche, Analogien herzustellen, dienen letztlich dem Zweck, das eigene Urteil so zu schulen, dass der Gebrauch mathematischer Formeln in einer vormals rein verbalen Sozialwissenschaft nicht nur möglich, sondern auch plausibel wird.

Ysidro Edgeworth schreibt: „The conception of Man as a pleasure machine may justify and facilitate the employment of mechanical terms and Mathematical reasoning in social science“ (Edgeworth 1881, S. 15; Hervorhebung: S. G.). Dies bringt den Punkt, den ich hier machen möchte, gut zum Ausdruck: Die Schulung eines eher kognitiv Unbewussten auf der Ebene von Analogien dient, so wird hier exemplarisch deutlich, einem Zweck, und dieser Zweck lautet (ebenso wie beim selektiven Framing) die Ökonomie in eine Wissenschaft nach physikalischmathematischem Vorbild umzugestalten.

Die Neoklassik fordert also einerseits, den bewussten Verstand als mathematischen zu schulen. Andererseits zielt sie auch auf das kognitiv Unbewusste ab, das zur Selektion ebenso wie zur Knüpfung neuer, für das ökonomische Denken bis dahin unbekannter Verbindungen zwischen mechanischen und wirtschaftlichen Begriffen anzuregen ist. In ihrer Kombination aus Mathematik und mechanischen Analogien siedelt sie sich damit nicht nur im Reich der Objektivität an, zugleich dringt sie ein Stück weit in den Bereich des kognitiv Unbewussten vor. Dieser aber erstreckt sich – im Verhältnis zur heutigen ökonomischen Standardlehre (siehe das nachfolgende Kapitel) – lediglich auf recht oberflächliche Schichten. Richtig ist zwar, dass bereits diese Schichten vom rationalen Verstand nicht mehr vollständig erreicht werden können. Gleichwohl aber stehen sie noch in enger Beziehung zu diesem Verstand. Dabei gilt vor allem, dass zumindest die Ergebnisse der Denkleistungen, wie sie innerhalb dieser Schichten vollzogen werden, sich noch weitgehend durch diesen Verstand kontrollieren lassen: Jeder neoklassisch Gebildete muss dergestalt sein Unbewusstes selektiv und mit Hilfe von Analogien zur Mechanik schulen, dass seine Aktivitäten dem bewussten mathematischen Denken nicht zuwiderlaufen, sondern es umgekehrt stützen und ermöglichen. Notfalls, wie es Pareto deutlich macht, sind diese Analogien aufzugeben, sollten sie diesen Zweck nicht erfüllen:

„This is why pure economics is a sort of mechanics or akin to mechanics. . . mechanics can be studies leaving aside the concept of forces. In reality this does not all matter much. If there is anyone who does not care to have mechanics mentioned, very well, let us disregard the similarity and let us talk directly about our equations“ (Pareto [1953], zitiert in Mirowski 1989, S. 222-23).

32 So setzt etwa Fishers Tabelle auf der Seite der Mechanik unweigerlich voraus, dass der Energieerhaltungssatz gilt, hierfür wird aber keine Analogie aufgeführt. Vgl. Mirowski 1989, Kapitel 5.

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