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4.3.2 DER MARKT als Entitätsmetapher
ternommen, den bewussten Verstand zu einer kritischen Prüfung des entstehenden SchwarzWeiß-Denkens anzuregen.
4.3.2 DER MARKT als Entitätsmetapher Der Marktmechanismus, so lautet eine Überschrift im Lehrbuch von Samuelson und Nordhaus. Ich möchte in diesem und den folgenden Unterkapiteln den entsprechenden Abschnitt in einigem Detail analysieren (vgl. Samuelson/Nordhaus 2010, S. 56-57). Im Gegensatz zu dem Text von Read ist hier der Gebrauch des Marktbegriffs selbstverständlich. So heißt es:
„Der Markt erscheint als ein enormes Durcheinander von Verkäufern und Käufern. Ist es da nicht ein echtes Wunder, dass Nahrung in ausreichender Menge produziert und an den richtigen Ort transportiert wird und schließlich in genießbarer Form auf unserem Teller landet? Doch ein genauerer Blick auf New York oder einen anderen Wirtschaftsraum zeigt uns deutlich, dass einem Marktsystem nichts Chaotisches oder Wunderbares anhaftet. Es handelt sich einfach um ein System mit einer inneren Logik. Und das funktioniert“ (Samuelson/Nordhaus 2010, S. 56).
Wie bei Read wird auch hier – prima vista – zunächst das Wundersame betont. Im Gegensatz zu Read aber suggerieren Samuelson und Nordhaus, das Wunder des Marktes ließe sich „genauer“ in den Blick nehmen. Wer hier „genauer“ blickt, wie man „genauer“ blicken kann und was „genauer“ überhaupt bedeutet, bleibt dabei allerdings unklar. Die Überzeugungskraft des Textes beruht hier nicht auf Informationen oder Erklärungen und auch nicht auf einer Theorie- oder Modellbildung. Stattdessen wird das „enorme Durcheinander“ rein auf sprachlicher Ebene in ein „System mit einer inneren Logik“ umgedeutet und dieses mit ‚dem Markt‘ assoziiert. Ein konkreter Inhalt wird dabei nicht transportiert; Beweise oder Argumentationen werden nicht angeführt. Die Aufgabe, soziale Prozesse zu verstehen, wird unter der Hand allenfalls in jene umgedeutet, auf ein funktionierendes System zu schauen, also etwa eine Maschine zu betrachten. Eine Modellbildung wird hierfür im Gegensatz zur neoklassischen Theorie nicht vorgenommen. Stattdessen wird der Markt – ursprünglich ein sozialer Ort des Austauschs –durch ein metaphorisches Framing in ein Objekt mit klaren Grenzen, in eine Entität (eben ein „System“) verwandelt, die einem wie ein Auto oder eine Maschine gegenüberstehen könnte. 48
Lakoff merkt zu Entitätsmetaphern allgemein an:
„Our experience of physical objects and substances provides a further basis for our understanding […]. Understanding our experiences in terms of objects and substances allows us to pick out parts of our experience and treat them as discrete entities or substances of a uniform kind. Once we can identify our experiences as entities or substances, we can refer to them, categorize them, group them, and quantify them – and, by this means, reason about them“ (Lakoff 1980, S. 25).
48 Auch im Folgenden beziehe ich mich wieder explizit auf die Kognitionswissenschaften, um den Gebrauch von Metaphern in ökonomischen Lehrbüchern zu explizieren. Um philosophische Verständnisse abseits der Kognitionswissenschaften geht es mir hier hingegen nicht (vgl. aber etwa Konersmann 2008 für einen Überblick). Vgl. grundlegend für die Analyse von Metaphern in den Kognitionswissenschaften Lakoff/Johnson 1980. Für ein Beispiel der Analyse von Metaphern im Kontext der Wirtschaftswissenschaften vgl. etwa Pühringer/Hirte 2015.