1515 Craft Bier Magazin #10 – Herbst 2018

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CRAFT BIER MAGAZIN

€ 5,—

AUSGABE 10 — HERBST 2018 — WWW.CRAFTBIERFEST.AT — WWW.FACEBOOK.COM/CRAFTBIERFEST

GRENZENLOS

BIERBADEN

CRAFT BEER FIRST

Biergenuss im Dreiländereck — SEITE 16

Wellness für Bierliebhaber — SEITE 24

Brauszene Pennsylvania — SEITE 34

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EDITORIAL

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LIEBE BIERFREUNDE, diesen Sommer haben wir vielfältig genutzt. Vorrangig haben wir die Zeit verwendet, um guten Biergeschichten nachzuspüren und dabei auch viele gute handwerkliche Biere probiert. Dafür ist unser Team auch wieder auf Reisen gegangen. Kollegin Anna Herczeg ist gleich mal baden gegangen – statt im Meer hat sie im Juli allerdings die Wirkung von Hopfen und Malz in sogenannten Bierbädern getestet. Dass dies vorrangig im Dreiländereck Österreich–Deutschland–Tschechien angeboten wird, hat natürlich auch ideal in unser Themenumfeld der Bierweltregion gepasst. Denn was in Niederbayern, Südböhmen und den angrenzenden österreichischen Vierteln (Inn-, Mühl- und Wald-) rund ums Bier geboten wird, ist allemal eine Reise wert. Und darauf sind mittlerweile nicht nur die Brauer, sondern auch die Touristiker gekommen. Wir haben uns das Angebot in der sogenannten Bierweltregion angesehen und beleuchten Projekte, Freundschaften und Probleme beidseitig der Grenze. Auch möchten wir in dieser Ausgabe zwei Personen vorstellen, die in den letzten Jahren als Brauer viel herumgekommen sind. Wie es Manuela Rustler und Martin Simion an ihren neuen Wirkungsstätten in Pennsylvania und Hallein-Kaltenhausen geht, davon berichten wir in der hinteren Hälfte dieser Ausgabe. „Liebe Grüße aus Pennsylvania“ wird uns Manuela nun regelmäßig aus den Staaten senden. Auf ihre Kolumne freue ich mich schon sehr. ×× Beim Lesen wünsche ich viel Spaß und tolle Biermomente Micky Klemsch

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Alte Markthalle Wien 9., Nussdorfer Str. 22 www.paddysco.at

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GRENZENLOSER BIERGENUSS Entlang Österreichs nördlicher Grenze haben wir uns gemeinsame Projekte aus Südböhmen, Niederbayern und Oberösterreich angesehen.

24 Bilder: Markus Rambossek, Petr Polak

WELLNESS FÜR BIERLIEBHABER Was es mit dem Trend rund ums Bierbaden auf sich hat und wie die interessantesten Angebote aussehen, hat Anna Herczeg für uns zusammengefasst.

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Editoral Inhalt Impressum News Kurz und gut Neues aus der kreativen Brauszene Grenzenloser Biergenuss Bierbaden Wellness mit Hopfen und Malz Schmilka Brauerei im Biohotel Craft Beer First Biergrüße aus Pennsylvania Graft-Cocktails Roland Graf präsentiert bierige Cocktails

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Biershops Bierologen und ihre Leidenschaft Guinness mal anders Der Tag des österreichischen Bieres Der Wanderbrauer Martin Simion im Interview Rund ums Bier Biermomente in Bildern Bierstil Pils Homebrewing: Holunderblüten-Ale Biertermine Buchtipps

IMPRESSUM Produktion und Medieninhaberin: Biorama GmbH, Wohllebengasse 16/6, 1040 Wien — Geschäftsführer: Martin Mühl — Chefredakteur: Micky Klemsch — Gestaltung: Michael Mickl, Lisa Weishäupl — Coverfoto: (Montage) iStock.com/Natalia Mysak — Autoren: Manuel Fronhofer, Roland Graf, Anna Herczeg, Kevin Reiterer, Manuela Rustler, Jürgen Schmücking, Norbert Seifried, Martin Voigt — Druck: NP-Druck, 3100 St. Pölten — Kontakt: info@craftbierfest.at

BIERKULTUR IM BRIEFKASTEN? NUR 20,– EURO! JETZT ABO BESTELLEN AUF MONOPOL.AT/SHOP 4 AUSGABEN 1515 CRAFT BIER MAGAZIN 1515 Craft Bier Magazin September 2018_LEKTORIERT.indd 5

ABOPRÄMIE! BUCH CONRAD SEIDLS „BIER GUIDE 2018” 27.08.18 16:14


TEXT — MICKY KLEMSCH

HOSEN HELLES

Mitte Juli haben die Toten Hosen ihr erstes eigenes Bier präsentiert. Kaum waren die begehrten Sixpacks, die Uerige in Düsseldorf gebraut hat online zu erwerben, war das Bier schon wieder ausverkauft. Die größte Überraschung: Es war kein „Alt“, sondern ein „Helles“

AUSTRIA MEETS THE NETHERLANDS

Hurra sie ist fertig. Die Collaboration von Brew Age mit Jopen: Das Wheat Impact ist ein Smash! Häh??? Ein Single Malt and Single Hop! Na also.

BRAUBEVIALE 2018

Craft meets Future lautet das Motto vom 13. bis 15. November, wenn sich auf der Messe Nürnberg sämtliche Investitionsgüter entlang der Prozesskette der Getränkeherstellung präsentieren.

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NEWS

CRAFTIG IN GRAZ

Fast gleichzeitig eröffneten Anfang September in Graz zwei neue Tempel für kreative Bierkultur. Sowohl das Hops Craft Beer Pub in der Stempfergasse 6 als auch das The Thirsty Heart in der Albrechtgasse haben eine exzellente Auswahl an handwerklichen Bieren.

BRAUMEISTER FÜR TRAPPISTENBRAUEREI

Bis zuletzt werkte Peter Krammer von der Brauerei Hofstetten für das Stift Engelszell. Seit kurzem hat das Stift mit Michael Hehenberger nun einen eigenen Braumeister für Benno, Nivard und Gregorius.

BIERSCHOKOLADE

Vielleicht ein weiterer Ansatz, die Damenwelt von Bier zu überzeugen. Hops & Malt in Dornbirn haben anlässlich des Tag des Bieres mit ihren Freunden von Xocolat eine Bierschokolade kreiert. Sicher auch am Craft Beer Festival in Dornbirn zu verkosten.

Bilder: D.t.H, Jopen, Stiegl, Thirsty Heart, Micky Klemsch, Hops & Malt, Messe Nürnberg

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NEWS

GEMÄLZT IN WILDSHUT

Als erste Kreativbrauer nutzten Bierol aus Schwoich die Spezialmälzerei am Stiegl-Gut Wildshut. Gemeinsam mit Stiegl-Brauer Markus Trinker vermälzten sie die Tiroler Urgetreidesorte „Fisser Imperial“. Welch interessantes Bier daraus in Tirol entstehen wird, werden wir bald erfahren.

Gute Gespräche. Gute Geschäfte.

BIERWELTREISE IN DORNBIRN

Kaum ist die Urlaubszeit vorbei, ladet das Craft Beer Festival vom 21. bis 22. September 2018 zu einer Weltumrundung ein: Neben den Klassikern aus dem Bierland Österreich warten Spezialitäten aus dem Libanon, aus Südafrika, Brasilien, Portugal und vielen anderen Ländern verkostet zu werden.

ERFRISCHEND UND BIO

Ab sofort gibt es mit dem Bio Radler in der 0,33-Liter-Euroflasche mit Retroetikett auch ein Bio-Produkt im Sortiment der Trumer Brauerei: ein Sauerbier nach Märzen-Art mit Zitronenverbene. Frisch, leicht und spritzig.

.de

braubeviale

CRAFT MEETS FUTURE. Auf der BrauBeviale finden Sie Partner und Lösungen, die Ihnen weiterhelfen: bei der Herstellung und Vermarktung von Bier- und AfG-Spezialitäten, Wasser und Craft Spirits – ob als renommierter Hersteller oder spezialisierter Newcomer. Erfahren Sie mehr: braubeviale.de/Ihr-Erfolg

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KURZ UND GUT

Bild: EKOenergy, Lesster

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„DRINK RESPONSIBLE“: NACHHALTIGE BIERPRODUKTION 1515 Craft Bier Magazin September 2018_LEKTORIERT.indd 8

Die europäische Non-Profit-Organisation EKOenergy hat es sich zur Aufgabe gemacht, erneuerbare Energien zu fördern. Seit Anfang letzten Jahres hat sie die Bierproduktion ins Visier genommen. Mit der „Drink Responsible“-Kampagne sollen Brauereien ermutigt werden, auf Öko-Strom umzusteigen. Auf die Frage, warum man sich speziell auf den Biersektor fokussiere, antwortetet die Projektbeauftragte für Deutschland und Österreich, Laura Kothe, dass das Team nach Bereichen suche, die viele Leute erreichen. Das sei halt oft bei Lebensmitteln der Fall. Außerdem: „Wer will schon Bier trinken, dass mit Atomkraft produziert wurde?“ Gelingt einer Brauerei der vollständige Umstieg auf EKOenergy-zertifizierten Strom, kann sie für ihr Bier kostenlos das Öko-Label der Organisation verwenden, so wie zum Beispiel die Olvi Brauerei in Finnland. Bis jetzt haben zehn Brauereien in Europa an der Kampagne teilgenommen, aber die Nachfrage steigt. Ein Teil der Öko-Stromkosten fließt in den EKOenergy-Klimafonds, mit dem Klimaprojekte von Peru bis Myanmar unterstützt werden. Laut EKOenergy

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_____ CRAFT BEER _FOR_THE_PEOPLE __

stellt jede Brauerei, die sich für erneuerbare Energie entscheidet, ein gutes Beispiel für andere dar. In Deutschland und Österreich sind bisher noch keine Brauereien auf den grünen Energiezug aufgesprungen – aber was nicht ist, kann ja noch werden. ×× www.ekoenergy.org Alle Brauerein in Europa, denen es gelingt, komplett auf erneuerbare Energien umzusteigen, dürfen für ihre Produkte das Öko-Label der Organisation EKOenergy verwenden.

www.BeerLovers.at

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KURZ UND GUT

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Bilder: Britta Bruckner

(ÖSTER)REISBIER AUS WIEN

Kurt Tojner ist eigentlich Finanzmanager. Seine Leidenschaft gilt aber auch dem Bier. Was vor Jahren als kleine Hobbybrauerei am südlichen Wiener Stadtrand begann, entwickelte sich im letzten Jahr zur Rodauner Biermanufaktur, dessen Biere schon in vielen lokalen Betrieben verkauft werden. ——— Neben dem beliebten Strizzi (Wiener Lager), dem Gselchten (Smoked Ale) und dem klanen Schwoazen (Stout) wird weiter herumexperimentiert. Und diesmal setzt Tojner auf Reis.

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Ja, genau, Reis. Reis aus Österreich, dem sogenannten Österreis. In Gerasdorf baut Gregor Neumeyer diese eigentlich aus China stammende Pflanze an. Bei einem Austausch über Reisanbau und Bierbrauen entstand die Idee für ein gemeinsames Bier. Nach dem kollektiven Rezepttüfteln, ersten Probesuden und Verkostungen auf kleinen Events wurde das Bier Ende August final präsentiert. Unter dem Namen Calafati – nach der bekannten Statue des chinesischen Schaustellers

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im Wiener Prater – erwartet den Biergenießer in Tojners Worten folgendes Geschmackserlebnis: „Ein untergäriges, unfiltriertes Lagerbier in hellem Gold, mit einem Hauch von Reisrispe. Mollig weich am Gaumen und trocken mit mittlerer Bittere im Abgang.“ Na dann: Prost, oder wie man in China sagt: Gānbēi! ××

rodauner-biermanufaktur.at, oesterreis.at

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Im Namen der Schaumkrone! facebook.com/muttermilchbrewery muttermilchbrewery.at

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LT1PRIVATFERNSEHEN

DA BIN ICH DAHEIM 1515 Craft Bier Magazin September 2018_LEKTORIERT.indd 12

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Bild: istock.com/Bepsimage, Micky Klemsch

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THERESIANER BIER – UNTER ITALIENISCHER FLAGGE 1515 Craft Bier Magazin September 2018_LEKTORIERT.indd 13

Als die österreichische Gastronomie- und HotelerieFachzeitung ÖGZ im Frühjahr mit ausgewählten Verkostern den Bierstil Wiener Lager verkostete, erreichte die italienische Brauerei Theresianer die besten Noten und damit den ersten Platz. Italienisch? Die Brauerei, die genauso wie die italienische Kaffeemarke Hausbrandt zum Unternehmen des Martino Zanetti gehört, baut auf österreichische Tradition. Das ist wohl auch schon im Namen begründet, der sich auf Kaiserin Maria Theresia bezieht, die aus dem kleinen Fischerort Triest den wichtigsten Handelsplatz des Habsburgerreiches am Meer machte. Was findige Touristen nun bei ihrem Italienurlaub entdeckt haben: Der österreichischen Fahne, die bis vor fünf Jahren an beiden Seiten des Labels zu sehen war, ist die italienische Fahne gefolgt. Gab es Druck aus Rom? „We have changed the flag to make the Italianity of the product more evident“, schreibt uns Alessandro Canuto. Zu oft hätten Konsumenten gedacht, es handelt sich um ein österreichisches Bier. Und so viel monarchistische Tradition wäre auch wieder übertrieben. ××

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KURZ UND GUT

Bild: Bier IG

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AUSTRIAN BEER CHALLENGE

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Nach Jahren der Wanderschaft scheint die Austrian Beer Challenge eine fixe Homebase gefunden zu haben. Heuer finden sowohl die Einreichungen, die Bewertungen als auch die Verleihung der Auszeichnungen im ehrwürdigen Casino in Baden statt. ——— Das Programm startet am 14. September mit bierrelevanten Führungen durch die Stadt Baden, Vorträgen zum Thema Bierbrauen und einem großen Stammtisch der Bier IG. Die darauffolgenden beiden Tage wird in den Vor- und Finalrunden von einem großen Kreis an heimischen und internationalen Fachleuten nach Kategorien verkostet. Die Prämierung der Preisträger in den beiden Bereichen Heim- und gewerbliche Brauunternehmen wird am 5. Oktober im Rahmen eines großen Events stattfinden. „Es soll ein Verkostungsevent werden und zeitgleich ein Abend sein, an dem man Gleichgesinnte trifft, vergleichbar mit den Oscars in Hollywood“, sagt Robert Griesmayr von der veranstaltenden Bier IG. Die Siegerbiere werden an einem eigenen Stand zur Verkostung bereitstehen. ××

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GRENZENLOSER BIERGENUSS

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Bild: Oberösterreich Torusimus / Ralf Hochhauser

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TEXT — MICKY KLEMSCH

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Für Bierliebhaber ist das Dreiländereck Österreich– Deutschland–Tschechien wohl ein sehr spannender Boden. Liegen doch diese drei Länder im Pro-Kopf-Bierkonsum an der europäischen Spitze. Auch wenn zum Beispiel die österreichische Statistik diese Zahlen nur für das gesamte Land, und nicht nach einzelnen Regionen ausweist, so spricht es Bände, dass hier an der deutschtschechischen Grenze die Brauereidichte so hoch ist wie nirgendwo sonst.

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TEXT — MICKY KLEMSCH

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Vor zehn Jahren hatte zum Beispiel jede größere Stadt im Innviertel noch zwei Brauereien, durch die Schließung der Kapsreiter Brauerei in Schärding und der Rieder Kellerbrauerei ist dieses Attribut leider hinfällig. Eine Entwicklung, die auch auf der anderen Seite der Grenze zu bemerken war. Auch in Passau und Umgebung forderte die Konzentration der mittelständischen Brauereien einige Opfer. Trotzdem lebt die Biertradition beidseits der nordöstlichen Grenze Österreichs so stark wie selten zuvor auf.

Kleine Brauer, Große Biere

„UNTER UNS BRAUERN HERRSCHT EIN SO TOLLES MITEINANDER, WIR VERSTEHEN UNS SO GUT, DASS DIE GÄSTE BEI DIESEN FESTEN FAST STÖREN.“ — MATTHIAS SCHNAITL tet den Bierliebhabern einen guten Überblick über die familiär geführte Brauszene auf beiden Seiten der Grenze. Familiär ist wohl der richtige Ausdruck. „Unter uns Brauern herrscht ein so tolles Miteinander, wir verstehen uns so gut, dass die Gäste bei diesen Festen fast stören“, sagt Matthias Schnaitl mit einem

Bild: KBGB

Jedes Jahr um den 23. April, der in Deutschland als Tag des Erlasses des Reinheitsgebotes auch der Tag des deutschen Bieres genannt wird, versammeln sich deutsche und österreichische Brauer, um ein grenzüberschreitendes Bierfest zu feiern. Kleine Brauer, die in der Gegend um die Salzach oder den Inn beheimatet sind, schenken an wechselnden Orten ihre handwerklichen Biere aus. Dieses eintägige Bierfest, das bereits im Salzburger Gusswerk, bei Schnaitl in Gundertshausen und in diesem Jahr beim Müllerbräu im bayrischen Neuötting stattgefunden hat, bie-

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Matthias Schnaitl (rechts unten) mit den versammelten Brauern vor dem Fest in Neuötting 2018

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TEXT — MICKY KLEMSCH

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Bild: Innviertler Bier

GRENZENLOSER BIERGENUSS

Bayrische Gäste bei der Eröffnung des Innviertler Biermärz

Augenzwinkern. Seit der Gründung des Festes vor elf Jahren ist er dabei. Für viele der Brauer beidseits der Grenze zählt das Motto der Gemeinsamkeit. Es ist gutes Instrument um gemeinsam für eine noch bessere Bier- und auch Wirtshauskultur zu kämpfen. So haben sich auch zahlreiche oberösterreichische Brauer zur Interessensgemeinschaft Innviertelbier zusammengeschlossen. Biere der Gemeinschaft kann man zum Beispiel in der Innviertelbier-Probierbox ordern. Darin sind nicht nur Spezialitäten von Schnaitl, Uttendorfer, Stift Engelszell, Wurmhöringer, Rieder und Aspacher enthalten, es gibt auch das gemeinsam eingebraute Aper. Das Aper ist ein Innviertler Märzen, das jährlich für den Eventzeitraum des Biermärz gebraut wird.

Innviertler Biermärz Wenngleich die Brauer und die Wirte der Region über das ganze Jahr die Bierkultur hochhalten, so konzentriert sich der Verein vor allem auf den März. Über 70 Veranstaltungen gab es diesen März dazu und auch zahlreiche Gäste aus Bayern kamen dafür ins

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Innviertel. Schon zur Eröffnung des Innvierler Biermärz kam Bad Füssings Kurdirektor Rudi Weinberger nach Ried und kündigte eine noch stärkere Zusammenarbeit der Regionen an. Symbolisch brachte er neben der Passauer Bierkönigin auch ein Fass der dortigen Löwenbräu mit: „Wir helfen gerne aus, falls es im Innviertel einmal zu einem Bierengpass kommt!“ Obwohl hier südlich des Inns zahlreiche Veranstaltungen wie Braukurse (in der Rieder Brauerei wird ein eigener Braukurs für Damen angeboten), Sommelierausbildungen und neue bierige Ausflugsziele die Bierkultur allgemein fördern, wird es nicht zu einem Versorgungsengpass kommen. Viel zu engagiert sind die zehn regionalen Brauer im Verein. Apropos Sommelierausbildungen: Die Projektverantwortliche von Innviertelbier, Andrea Eckersdorfer – seit kurzem selbst Biersommeliere – freut sich besonders, dass in Zukunft noch mehr Menschen hier ausgebildet werden: „Seit ich weiß, wo die Rohstoffe herkommen und welcher Aufwand in einem guten Bier steckt, schätze ich es noch viel mehr. Durch die Ausbildung wird man sensibilisiert und kauft und konsumiert viel bewusster.“

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TEXT — MICKY KLEMSCH

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Bild: Bernhard Sitter

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In Berlin besuchen die „8 glorreichen Sieben“ Stone Brewing: Greg Koch, Karl Schiffner, Peter Krammer, Bernhard Sitter.

Nicht ganz zu übersehen ist aber der rege Biergrenzverkehr. Die günstigere Biersteuer auf der deutschen Seite verleitet viele Österreicher dazu, über die Grenze zu fahren. Das weiß auch Martin Seidl, der sowohl in seiner Dietrachinger Brauerei bei Braunau als auch im Tölzer Mühlenfeldbräu in Bayern als Brauer tätig ist: „Für die Brauereien beiderseits des Inns haben sich große Möglichkeiten ergeben seit, wir bei der EU sind! Ein Beispiel sind die Getränkemärkte in Simbach, wo das meistverkaufte Bier aus der Brauerei Wurmhöringer aus Altheim kommt, aber auch Raschhofer, Uttendorfer, Rieder, Schnaitl & Co machen gute Umsätze im angrenzenden Bayern.

eck zwischen Mühlviertel, Südböhmen und Niederbayern umfassen sollte. Als wir vor drei Jahren an einer Pressereise in diesen Regionen teilnehmen durften, waren vor allem die Brauer und Betriebe in Deutschland und Österreich von Interesse. Die Tschechen waren damals noch nicht soweit, so Ewald Pöschko, Geschäftsführer der Freistädter Brauerei. Mittlerweile beschränkt sich das touristische Angebot der Bierweltregion ausschließlich auf das Mühlviertel, dort allerdings wird einiges geboten. 43 Betrie-

Bier als Tourismusmagnet 2013 war die oberösterreichische Landesausstellung in Freistadt und Bad Leonfelden zu Gast. Mit Krumau und Hohenfurth waren zwei tschechische Gemeinden mit an Bord. In Freistadt setzte man viel auf die Bierkultur, die Brauerei wurde außerhalb der Stadtmauern runderneuert und hat als Publikumsmagnet auch weit über die Landesaussellung hinaus Ruhm erlangt. In diesem Zeitraum wurde auch die Idee der Bierweltregion geboren, die das Dreiländer-

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„FÜR DIE BRAUEREIEN BEIDERSEITS DES INN HABEN SICH GROSSE MÖGLICHKEITEN ERGEBEN, SEIT WIR BEI DER EU SIND!“ be haben sich dem flüssigen Gold mit ganzem Herzen verschrieben und laden zu genussvollen Momenten ein. Das Bier gehört einfach zum Mühlviertel – wie seine Hügel und der Granit. Auf vorgeschlagenen Bier- oder Wanderrouten kann man die Biervielfalt der Bierweltregion mit allen Sinnen erleben.

Bierfreunde auf Reisen „Die 8 glorreichen Sieben“ nennt sich ein Kreis von Bierenthusiasten, die einmal im Jahr eine gemeinsame internationale Reise zu bierigen Destinationen unternimmt. Wobei der Begriff Enthusiasten wohl untertrieben ist, handelt es sich doch bei allen acht Personen um wichtige Protagonisten der Bierszene in dieser grenzüberschreitenden Region. Bernhard Sitter, erster deutscher Biersommelier und Hotelier aus dem Bayerischen Wald hat diese Tripps nach einer gemeinsamen Ausbildung 2004 initiiert. Zu den acht Glorreichen zählen auch Peter Krammer von der Brauerei Hofstetten, Hans-Peter Drexler von Schneider Weisse, Markus Lohner von der BrauKon/Camba Bavaria und unser Biersommelier-Weltmeister Karl Schiffer. „Wir waren schon in vielen Ländern: Dänemark, USA, Belgien und in diesem Jahr auf Tour durch Berlin. Für 2019 haben wir Holland geplant“, sagt Schiffner, der in der Bierweltregion selbst das gleichnamige Biergasthaus führt. Aus den Reisen mit den Freunden haben sich auch gemeinsame Brauprojekte wie die rebellische Erdbeer-Weisse ergeben.

1.-31.MÄRZ

INNVIERTLER BIERMÄRZ 2019 www.biermaerz.at

IM MÄRZ 2019 WIRD WIEDER ALLERHAND AUFGETISCHT: MUSIK für jedes Ohr, SPEZIALITÄTEN für jeden Gaumen – Kabarettisten und bildende Künstler bespielen die Bühnen und Ateliers mit traditionsreicher und zeitgenössischer KUNST. Die Innviertler Brauereien putzen sich heraus und erzählen alles, was Sie schon immer über BIER wissen wollten. Mit etwa neunzig Sorten fällt es den zehn Privatbrauereien und den Wirten der Bierregion Innviertel nicht schwer, zu jeder Veranstaltung das richtige Bier zu servieren.

Bier.Kult!Tour im Mühl- und Waldviertel Sonja Thaurböck zählt auch zu den Aushängeschildern für bierorientierten Tourismus. Obwohl sie erst im Jahr 2009 auf die Vorzüge von Bier gestoßen ist, hat sie heute sehr viel über ihr Lieblingsgetränk zu erzählen. Sie macht das in buchbaren Gruppenführungen durch Orte wie Freistadt oder Weitra. In ihrer Heimat Freistadt hatte alles ihren Ursprung, bietet

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TEXT — MICKY KLEMSCH

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GRENZENLOSER BIERGENUSS

die Braucommune innerhalb und außerhalb der historichen Stadtmauern doch viel Geschichtsträchtiges. Ihre wichtigsten Partner für die Führungen durch die Braucommune waren die Wirtsleute des Foxi’s. Im von Conrad Seidl schon mal zum besten Bierlokal erhobenen Betrieb, testet Sonja Thaurböck neue Biere. Verkostet, bespricht, vergleicht und kombiniert. Und hier verkosten ihre Gäste dann auch den kühlen Gerstensaft. Denn auch eine Bier.Kult!Tour kann nicht von Theorie alleine leben.

Maibaumaufstellen an der Grenze

reinkaufstourismus im Waldviertel gar nicht gibt. Die Fahrradtouristen sind aber schon sehr neugierig, welches Bier sie auf der anderen Seite der Grenze erfrischen kann. Einmal im Jahr gibt es an der Grenze zwischen Schaditz und Hluboka das Aufstellen des Grenzmaibaumes. Die Tschechen bringen Pilsner Urquell mit und die Österreicher bringen ihren Nachbarn eine Kiste Zwettler Bier zum Maibaum. Gemeinsam wird dann gefeiert und genossen. Denn Biergenuss ist grenzenlos. ××

Bilder: Franz Krestan

Zwischen dem österreichischen Waldviertel und dem tschechischen Südböhmen herrscht vor allem der kleine Grenzverkehr. Viele Radfahrer zieht es hierher und entlang der Thaya und in den Naturparks hüben wie drüben lässt es sich gut und entspannt Urlaub machen. Die Wirtshauskultur ist noch sehr ausgeprägt. Hatte sich zum Beispiel die Brauerei Karl Schwarz aus Zwettl nach dem Fall des Eisernen Vorhangs noch in der Iglauer Brauerei engagiert, deren Bier es damals auch noch in Wien gegeben hat, ist dieser Austausch längst vorbei. „Unser Bier ist in Tschechien gar nicht erhältlich“, sagt Rudolf Damberger von der Zwettler Brauerei und meint damit, dass es einen auf Preisunterschied basierenden Bie-

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Prager Cafés Genießen Sie die pulsierende Atmosphäre

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Bild: Brauerei Starkenberger

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BIERBADEN

TEXT — ANNA HERCZEG

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Bild: Landhotel Moorhof

„BIERBADEN IST BELIEBT, WEIL’S WAS G’SCHEITS IST.“ — BERNHARD SITTER, BIERSOMMELIER

Schon die alten Ägypter und Römer glaubten an die wohltuende Wirkung von Bier – als Getränk und im Badewasser. 2.000 Jahre später schaut sich Anna Herczeg das genau an. ——— Das Bierbad gilt als jahrtausendealte Tradition, die jetzt wieder aufblüht. Besonders in Tschechien, Deutschland und Österreich ist es mittlerweile wieder möglich Bier nicht nur zu trinken, sondern auch darin zu baden. Mehr oder weniger zumindest.

Bierbaden in seiner Vielfalt Wer jetzt aber davon träumt in reinem Bier zu entspannen, wie Kleopatra früher in Milch und Honig, wird wohl etwas enttäuscht sein. Hauptzutat der Bäder ist nämlich reines Wasser, dem die weiteren Bestandteile von Bier, Hopfen, Malz und Hefe, in verschiedenen Formen hinzugefügt werden. Verwendet werden hierfür beispielsweise Biertrub, ätherische Öle oder Extrakte der Bierzutaten. Angeboten werden Bierbäder vor allem in Hotels und Spas als Wellnessbehandlung, aber auch vereinzelt in Brauereien. Gebadet wird in Bottichen, Whirlpools oder sogar kleinen Pools. Abhängig davon, worin man sitzt, findet das Bad alleine, in trau-

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Eine gängige Form des Bierbadens ist das Baden in großen Holzbottichen, alleine oder zu zweit, wie zum Beispiel im Landhotel Moorhof.

ter Zweisamkeit oder als Gruppenaktivität statt. Die ideale Trinktemperatur für Bier, die je nach Sorte zwischen vier und 13 Grad Celsius liegt, wird glücklicherweise für die Badetemperatur nicht übernommen. Die liegt meistens eher bei kuscheligen 30 bis 35 Grad Celsius. Oft wird das Bad noch mit anderen Wellness-Behandlungen kombiniert, etwa Massagen oder einer Ruhepause auf einem Strohbett. Die Mischung und Durchführung des Bades sind von Anbieter zu Anbieter verschieden. Tatsächliches Bier wird, wenn überhaupt, nur in geringen Mengen, zum Bad hinzugefügt. Viel häufiger darf man während des Badens einen Krug Bier trinken, der geschmackliche Genuss bleibt also erhalten. Fest steht jedenfalls: Es gibt nicht das eine Bierbad. Deswegen haben wir uns verschiedene Angebote näher angeschaut.

Die tschechische Tradition Das Original Beer Spa gibt es seit 2014 an zwei Standorten in Prag. Bevor man in den Bottich aus Königseiche in Badewannengröße steigt, bekommt man noch selbstgemachtes Bierbrot zur Stärkung. Gefüllt wird die Wanne mit 1.000 Litern Wasser und einem

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Biersud aus Hopfenextrakt, Hefe, Malz und etwas hellem und dunklem Bier. Das Gemisch schäumt sogar und wie Bier riecht es auch. Eine Whirlpool-Funktion und ein Bierzapfhahn direkt neben der Wanne sind ebenfalls vorhanden. Nach einer Stunde im Bierwasser ruht man sich im Strohbett aus. In Chodová Planá findet man das erste Bierbad Tschechiens. Dort entspannt man in einer klassischen Badewanne in fast schon schwarzem Wasser. Für die Farbe sorgt die Brauereihefe, angereichert wird das Quellwasser noch mit Bierkulturen, Vitaminen und Kräuterextrakten.

Die fünf B des Bierbadens Im ersten Bier- und Wohlfühlhotel der Familie Sitter im Bayerischen Wald dreht sich alles ums Bier. Von der hauseigenen Brauerei, über ein Biermuseum, bis

BIERBADEN

hin zu Massagen mit Bier wird viel Bieriges angeboten. Wenig überraschend also, dass auch hier ein Bierbad zur Wellness gehört, nämlich das BBBBB – Bernhards Bayerisches BierBottichBad, benannt nach dem allerersten deutschen Biersommelier Bernhard Sitter, der im eigenen Hotel seine Leidenschaft für Bier auslebt. Die Rezeptur hat er sich gemeinsam mit seiner Frau überlegt. In ein BBBBB kommt neben Wasser so einiges: ein bisschen Bier, ein paar ätherische Öle, Badeöl, Hefe und der Biersud, ein Aufguss aus geschrotetem Malz und Hopfen. Den Stoffsack, in dem sich die geschroteten Bierbestandteile für den Aufguss befinden (der wie ein übergroßer Teebeutel funktioniert), kann man während des Badens zum Abreiben der Haut verwenden. Die Zutaten werden, während man schon in der Wanne sitzt, von einem Mitarbeiter hinzugefügt. Hauseigenes Bier wird an die Wanne serviert. Zielgruppe ist laut Bernhard

DIE SCHÖNSTEN BIERBADEPLÄTZE Landhotel Moorhof Im Hotel Moorhof gilt das Bierbad als Wellnessbehandlung und natürliches Heilmittel. Ins Bad wird Biersud gemischt, der Malz- und Hopfeninhaltsstoffe enthält. Zapfhähne für Bier befinden sich direkt neben den Badebottichen. Nach dem Bad wird im Strohbett entspannt. Ein Tag im Wellnessbereich mit Bierbad und Bierdinner kostet € 139 pro Person. Dorfibm 2, 5131 Franking, AUT moorhof.com

Gut Riedelsbach Im Bier- und Wohlfühlhotel Riedelsbach gibt es neben vielen anderen Wellnessbehandlungen das BBBBB – Bernhards Bayeri-

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sches BierBottichBad (benannt nach dem hauseigenen Biersommelier Bernhard Sitter). Gebadet wird in einem Gemisch aus Hefe, Biersud, reinem Badeöl und Bier. Ein 50 Minuten langes Bad kommt auf € 45 für eine, und € 65 für zwei Personen. Riedelsbach 12, 94089 Neureichenau, Bayerischer Wald, GER gut-riedelsbach.de

Original Beer Spa Das Beer Spa hat zwei Standorte in Prag. Nach dem Bad in „Whirlbottichen“, das mit Hopfenextrakt, Brauereihefe und Malz angereichert wurde, ruht man sich auf einem Strohbett beim Kamin aus und wird

Bild: Czech Tourism/Davin Mervan

TEXT — ANNA HERCZEG

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mit Bierbrot verköstigt. Im Spa in Žitná gibt es zusätzlich noch eine Hopfensauna. Einen Bottich kann man für eine Stunde um € 70 für eine Person oder € 100 für zwei Personen buchen. 2 Standorte: Žitná 658/9, Praha 1, 110 00; Rybná 650/3, Praha 1, 110 00, CZE beerspa.com

Brauerei Starkenberger Außer, dass man hier tatsächlich in einer Brauerei badet, ist das Besondere an der Brauerei Starkenberger, dass es sich nicht nur um ein Bierbad handelt, sondern gleich um ein Bier-

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Wer das Bier nicht nur als äußere Anwendung auf sich wirken lassen will, kann bei vielen Angeboten Bier selbst von der Wanne aus zapfen.

schwimmbad. In ehemaligen Gärbecken kann man abends in Tausenden Liter Wasser und Biergeläger, Hefe, die sich bei der Lagerung von Bier absetzt, schwimmen. Bierbaden geht nur mit Reservierung und kostet € 250. Griesegg 1, 6464 Tarrenz, AUT starkenberger.at

Schmilka – Biound Nationalpark Refugium Im Dorf Schmilka gibt es Bierbadetage im Rahmen des Winterdorfs von November bis März. Dem Bad wird Bio-Bier aus der ortseigenen Braumanufaktur hinzugefügt. Gebadet

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wird in Holzbottichen. Einmal Bierbaden im Winterdorf kostet € 15 pro Person. Schmilka 11, 01814 Bad Schandau, GER brauerei-schmilka.de

Bierbad Karlsbad Das Bierbad in Karlsbad gehört zum Europäischen Zentrum für natürliche Bierbäder. Es wird vor allem damit beworben ein Patent für ein echtes Bierbad mit ungefiltertem, nicht pasteurisiertem Schwarzbier aus der eigenen Brauerei zu haben. Gebadet wird je nach Größe des Bottichs zu zweit oder in der Gruppe. Eine Stunde für eine Person kostet € 70, für zwei € 100.

Moskevská 13, 360 01 Karlovy Vary, CZE eurocentrum-pivnilazne.cz

Beer Spa Chodová Planá Gebadet wird im ältesten Bierspa Tschechiens in einer klassischen Wanne, bei der sich direkt neben dem Wasserhahn ein Zapfhahn befindet. Das 35 °C warme Quellwasser wird mit Bierhefe, Bierkulturen, Vitaminen und Kräuterextrakten versetzt. Ein Bad gibt es ab etwa € 30 pro Person. Pivovarská 107, 348 13 Chodová Planá, CZE chodovaplana.info

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BIERBADEN

Ein Bierbad soll für Haut und Haar Wunder wirken. Hopfen ist bereits seit der Antike als Heilpflanze bekannt und kommt auch als ätherisches Öl zum Einsatz.

Sitter „jeder, vom Säugling, der a Bier trinkt, bis zur Oma“. Empfehlen würde er ein Bierbad direkt bei der Anreise „damit man geerdet wird“.

Poolparty à la Bierbad In der Brauerei Starkenberger in Tarrenz wird nur tagsüber Bier gebraut. Des Nachts geht es ans Bierbaden. Oder eher Bierschwimmen, denn im ehemaligen Gärkeller der Brauerei wurden die alten Gärbecken einfach zu Minipools mit je 16 m2 umgebaut. Wir kommen der Kleopatra-Fantasie also schon etwas näher. Aber auch die Pools werden nicht mit reinem Bier gefüllt, sondern mit 12.000 Liter Wasser und mit 300 Liter Geläger, also Hefe, die sich während der Kaltlagerung des Biers am Tankboden absetzt. In jedem Becken dürfen maximal vier Leute gleichzeitig schwimmen. Bierschwimmen kann man allerdings nur nach Reservierung. Bier zum Trinken und eine Bierjause können dazugekauft werden.

Bier wirkt innerlich und äußerlich Doch wie kommt man auf die Idee, in Bier (oder seinen Bestandteilen) zu baden, wenn man es doch trinkt? Wissenschaftliche Belege für die gesundheitliche Wirkung eines Bierbades gibt es kaum. Trotzdem werden Hopfen, Hefe und Malz schon seit langem positive gesundheitliche, wenn nicht sogar heilende, Wirkungen nachgesagt. Vor allem Hopfen ist, außer

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Bild: Czech Tourims/Petr Polak

TEXT — ANNA HERCZEG

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als Hauptzutat für Bier, auch als Heilpflanze bekannt. Und das schon seit der Antike. Ein Bierbad beruhigt angeblich die Haut, kann also bei Akne, Hautirritationen, Entzündungen und sogar Ekzemen Abhilfe schaffen. Auch schuppige Kopfhaut und Haarausfall soll es minimieren und das Haarwachstum anregen. Aber nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich wirkt ein Bierbad angeblich Wunder. Das Immunsystem soll gestärkt und die Psyche beruhigt werden. Hopfen wird als ätherisches Öl neben den äußeren Anwendungen für Haut und Haar noch bei Schlaflosigkeit, Schmerzen und sogar als Potenzmittel eingesetzt, hilft also bei einer ganzen Reihe von größeren und kleineren Beschwerden. Biersommelier Bernhard Sitter antwortet auf die Frage, ob er von der Wirkung überzeugt ist: „Bierbaden ist beliebt, weil’s was G’scheits ist. Da kommen Spezialöle rein, wo jeder Tropfen richtiges Geld kostet. Alles andere wär ein Blödsinn, dann würd’s bald keiner mehr machen.“ Egal ob man an die gesundheitlichen Wirkungen von Bier glaubt, der Bierbad-Trend in Europa, der teilweise sogar schon auf der anderen Seite des Atlantiks angekommen ist, wird sowohl an eingefleischten Biertrinkern als auch an Bierneulingen nicht unbemerkt vorbeigehen. Ob man in Bier (oder eher seinen Zutaten) tatsächlich baden möchte oder es dann doch lieber nur trinkt, ist eine andere Geschichte. ××

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Bilder: Jürgen Schmücking

Bis zum Hals im Bier: Bad in Bottichen

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SCHMILKA

TEXT — JÜRGEN SCHMÜCKING

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SCHMILKA – IM OSTEN VIEL NEUES Ein Grenzdorf, ein rastloser Visionär und der Fluß der Geschichte. ——— Wenn man in Sachsen die Elbe entlang nach Osten fährt, kommt man irgendwann in die Sächsische Schweiz, ein von steilen und bizarren Sandsteingebilden geprägter Naturpark. Seit jeher sind die Affen- und Schrammsteine, der Winterberg oder der Pfaffenstein attraktive Ziele für Abenteurer und Reisende, die das Außergewöhnliche suchen. Sven Erik Hitzer war beziehungsweise ist so ein Abenteurer. Er kam, weil er die Freiheit suchte, fand sie auch und die Liebe seines Lebens gleich dazu. Er blieb und hat das Dorf von Grund auf neugestaltet. Er hat aus Schmilka, dem kleinen unscheinbaren Dorf an der deutsch-tschechischen Grenze, eine sympathische Bio-Erlebniswelt gemacht.

Bieraufguss Bei Dämmerung, am späten Nachmittag, so gegen fünf, beginnt in Schmilka die „blaue Stunde“. Im Winter ist das ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Aus den Bechern dampft wahlweise Glühwein oder Bio-Caipirinha, aus den Badezubern, die gleich neben der Bar stehen, dampft heißes Wasser, und wenn der Bademeister in sein großes Horn bläst, signalisiert er damit: Bieraufguss! Aus großen Eimern wird den Badenden kühles Bier über den Rücken geleert. Danach versinken sie wieder im wohlig-warmen Bad. Hin und wieder greifen sie zu den Bierkrügen, die am Zuberrand aufgestellt sind und die erhitzten Körper von innen her kühlen.

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An der alten Grenze Der kleine Platz vor dem Gasthof zur Mühle ist ein kleiner Kosmos, in dem Zeit nicht wirklich eine Rolle spielt. Ein altes Mühlrad, eine Brauerei, eine Backstube und ein Gasthof, dessen Stuben an Gemütlichkeit kaum zu überbieten sind. Früher war Schmilka ein Grenzdorf. Die DDR auf der einen, die ČSSR auf der anderen Seite. Zwei Länder mit paranoiden Regimes, und genau so sahen auch ihre Grenzposten aus. Kahle Streifen davor und dahinter, Aus- und Aufsichtstür-

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me auf beiden Seiten der Elbe und abweisende Bauten direkt am Grenzübertritt. Schmilka, das Dorf, das auf deutscher Seite kurz vor der Grenze liegt, war damals ein trister Ort. Aber Hitzer sah dieses Grau nicht. Vielleicht sah er es, erkannte aber das Potenzial dahinter. Jedenfalls zündeten ein paar Synapsen in Hitzers Hirn, blitzten auf und entfachten ein kleines Feuerwerk zwischen Groß- und Kleinhirn und das innere Bild sah plötzlich ganz anders aus, als jenes, das das Auge zu sehen glaubte. Der Wanderer hatte (und hat sie immer noch) eine kristallklare Vision. Eine Vorstellung davon, wie Schmilka aussehen könnte. Daraufhin hat er die Ärmel hochgekrempelt und einfach zu arbeiten begonnen. Wirklich verstanden hat das damals niemand. Vielmehr hat man ihn für einen Spinner gehalten. „Wer Visionen hat, muss zum Arzt“, hatte Helmut Schmidt in den 80ern einmal gesagt, als er über die Visionen Willy Brandts sprach. So ging es Sven-Erik Hitzer mit dem Bild, das er von Schmilkas Zukunft hatte. Wirklich ernstgenommen wurde er anfangs nicht. Dabei war diese Vision (und das ist sie immer noch) Sven Eriks Leitbild und Motor, und es ist ein starker Motor. Wenn er

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TEXT — JÜRGEN SCHMÜCKING

SCHMILKA

durch den Ort geht, rennt er fast. Seine Augen sind hellwach und wachsam. Kein Detail, das nicht seine Aufmerksamkeit hat. Es könnte ja wichtig sein. Warum er mit so einem Affentempo unterwegs ist? „Ich muss ja vorankommen.“ Aber eigentlich versteht er die Frage gar nicht. Heute zeigt das malerische Dorf, dass es Dinge gibt, die die Geschichte überdauern. Schmilka ist eine Perle inmitten der bizarren Elbsandsteinfelsen in der Sächsischen Schweiz und ein Paradies für Wanderer, Kletterer oder Gäste, die im Bio-Restaurant Strandgut oder im Café Richter am Ufer der Elbe köstliche Gerichte aus der Region genießen möchten.

Backen & Brauen Der Kern Schmilkas ist das alte Mühlrad. Es war auch dieses Mühlrad, damals allerdings noch in desaströsem Zustand, das es Sven Erik Hitzer angetan hat, und mit dem alles irgendwie seinen Anfang nahm. Es wurde liebevoll renoviert und wieder in Gang gesetzt. Heute dreht sich das Mühlrad wieder, und weil Mühlräder auch einen tieferen Sinn haben,

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SCHMILKA

TEXT — JÜRGEN SCHMÜCKING

„HEUTE ZEIGT DAS MALERISCHE DORF, DASS ES DINGE GIBT, DIE DIE GESCHICHTE ÜBERDAUERN. “

wurde nicht nur dem Mühlrad, sondern auch gleich der ganzen Mühle Leben eingehaucht. Gleich nebenan wurde eine Bäckerei gebaut, die Schmilka und

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seine Gäste mit frischem (und über die Maßen köstlichem) Bio-Brot versorgt. Etwas unterhalb der Mühle steht mittlerweile die Braumanufaktur Schmilka, die erste bio-zertifizierte Brauerei in Sachsen. In ihren Kesseln brodeln zwei Standardbiere. Zum einen ein frisches „helles“ untergäriges Vollbier mit deutlich malzigen Noten und lebendiger Zitrusfrische. Zum anderen ein bernsteinfarbenes Vollbier, ebenfalls untergärig, allerdings mit klar süßlichen Anklängen von Karamell, dunkler Schokolade und Waldhonig. Beide Biere werden in 0,75-Liter-Flaschen abgefüllt – und trotzdem ist immer zu wenig davon da. Saisonal gibt es dann noch (im Mai und im Oktober) den Bock und (im April) ein Pils. In Summe bietet Schmilka über 60 Zimmer in unterschiedlichen Häusern und in den verschiedensten Kategorien. Klassische Hotelzimmer, mondäne Suiten, Ferienwohnungen und künftig wird es auch Zimmer für Jugendliche und Studenten in der Kategorie „schmaler Taler“ geben. Und obwohl Schmilka für alle etwas zu bieten hat, ein Gedanke aus früheren Zeiten blieb erhalten: Am Berg und im Bier-Badezuber sind alle gleich. ××

Brauereierlebnis, Bier- und Badekultur in der Sächsischen Schweiz

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TEXT — MANUELA RUSTLER

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USA

CRAFT BEER FIRST! DIE AMERIKANISCHE SZENE AUS ERSTER HAND Seit wenigen Monaten ist die Wienerin Manuela Rustler in Camp Hill, Pennsylvania, für die Evergrain Brewing Company als Braumeisterin tätig. Für das 1515 Craft Bier Magazin wird sie ab jetzt über die dortige Szene berichten. ——— Craft-Bier – in Amerika ist das mehr als eine kleine Community von bierbegeisterten Leuten, die sich ab und zu auf Bierfesten oder in Bierlokalen treffen und die weiter steigende Anzahl von handgefertigten Bieren kosten und vergleichen. In den USA ist das eine richtig große und absolut anerkannte Sache, und das schon seit vielen Jahren. Da ist der Amerikaner auch durchaus gewillt, ein paar Dollar mehr zu bezahlen für ein richtig gutes Bier.

Angesichts der Prohibition von 1920 bis 1933 die es in diesem Land über lange Zeit unmöglich machte, auf legalem Weg Bier zu brauen, ist es auch nicht verwunderlich, dass die Bierkultur einen völlig anderen Weg einschlug als in Mitteleuropa. Nach der Aufhebung des Verbots 1933 (das sogenannte Twenty-first Amendment, ein Zusatzartikel in der Verfassung der Vereinigten Staaten) war es zwar wieder erlaubt, Bier herzustellen, jedoch gab

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Bilder : Manuela Rustler

Leichtbiere – historisch bedingt

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CRAFT-BIER-BRAUEREIEN IN PENNSYLVANIA 88 BRAUEREIEN 2011

280 BRAUEREIEN

2017

NS PEN

YLVAN

IA

New York City

Camp Hill

Pennsylvania ist zwar flächenmäßig mehr als doppelt so groß wie Österreich, die Einwohnerdichte ist mit 106 Personen/km2 jedoch absolut vergleichbar.

es viel zu wenig Rohstoffe, um dies auf die Schnelle wieder im großen Stil zu betreiben. Die Getreidebauern hatten sich mittlerweile auf andere Sorten spezialisiert, da es ja keine Nachfrage nach Braugerste gab. Das Resultat dieses Engpasses kann man heute in jedem amerikanischen Supermarkt finden. Es spiegelt sich in den nicht sehr geschmacksintensiven amerikanischen Bieren wie Miller, Bud oder Coors wider. Verständlich aber, wenn man sich überlegt, dass nach dem Ende der Prohibition die Gesellschaft wieder Bier trinken wollte. Aufgrund der Rohstoffsituation war allerdings anfangs nur eine leichte und nicht sehr geschmacksintensive Variante möglich. Und daran haben sich die Leute dann wohl gewöhnt, denn dieser Bierstil ist nach wie vor der weit verbreitetste in den USA. Das von 1920 bis 1933 gültige Verbot der Alkoholherstellung in den USA hatte aus heutiger Sicht für den interessierten Biertrinker allerdings ein großes Potenzial: Es war der Beginn des Hausbrauens in Amerika. Speakeasy nannten sich diese (illegalen) kleinen Lokale, die eigentlich die absoluten Urväter der Craft-Bier-Szene darstellen. Nirgendwo auf der Welt gibt es so viele Bierliebhaber, die noch heute hobbymäßig zuhaue im Garten oder in der Küche Bier brauen. Meist für den eigenen

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Bedarf, oft aber auch, um an einem der unzähligen Heimbrauerwettbewerbe teilzunehmen. Und genau daraus entwickelte sich die Craft-Bier-Szene, wie wir sie heute kennen. Mit vielen unglaublich innovativen Biersorten: Es gibt mittlerweile so gut wie alle Bierstile zu finden, nicht wie oft vermutet nur das klassische Amerikanische IPA – wobei es auch hier etliche Abwandlungen gibt: Ein IPA ist hier nicht gleich ein IPA. Von Bieren und Ales, die mit Früchten versetzt werden, über sämtliche deutsche und österreichische Bierstile bis hin zu belgisch angehauchten Sauer-

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TEXT — MANUELA RUSTLER

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CRAFT-BIER IN DEN USA Kalifornien liegt mit 764 CraftBier-Brauereien im Jahr 2017 auf Platz eins. Die meisten Brauereien pro Einwohner findet man dagegen hoch im Norden in Vermont, mit 11,5 Brauereien pro 100.000 Einwohnern über 21 Jahre (in den USA ist Alkoholkonsum erst ab 21 erlaubt). In den gesamten USA existieren übrigens momentan über 6.000 Craft-Bier-Brauereien sowie über 100 industrielle Brauereien. Es muss dabei unbedingt angemerkt werden, dass es laut amerikanischer Definition in Österreich ausschließlich Craft-Bier-Brauereien gibt. Erst ab einem Jahresausstoß von über 9,5 Mio. Hektolitern gilt nämlich eine Brauerei in den USA als „groß“. Diese Zahl entspricht in etwa dem gesamten Jahresausstoß aller Brauereien Österreichs zusammen. brewersassociation.org

USA

An ihren neuen Arbeitsplatz hat sich die Brauerin rasch gewöhnt: im Hopfengarten, der Brauerei oder im Pub.

bieren, die in Holzfässern gereift werden. Interessant ist auch der Zeitbegriff wenn es um „alte“ Brauereien geht. Also eine 1989 gegründete Brauerei ist in den USA schon so alt, dass sie das Gründungsdatum mit Stolz aufs Etikett schreibt.

Brewpub als Herzstück Die Craft-Bier-Brauereien in Amerika sind allemal einen Besuch wert. Meist sind es sogenannte Brewpubs, die Brauerei ist also gleich in das Lokal integriert. Es gibt eine Bar und meist auch etwas Kulinarisches zu finden. Untertags kann man den Brauern oft bei der Arbeit zusehen, die Barkeeper sind selbst meist Bierenthusiasten und gerne bereit, über die Biere und die Brauerei Auskunft zu geben oder – wenn es die Zeit zulässt – einfach ein bisschen mit den Gästen zu plaudern. Überhaupt ist die Stimmung in den Brewpubs ausgezeichnet und es ist fast unmöglich, nicht mit jemanden ins Gespräch zu kommen. Wenn man sich dann als deutschsprachig outet, erfährt man nur allzu oft sofort die Wurzeln des biertrinkenden Gegenübers, da diese ja fast alle ihre Vorfahren in

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Europa hatten oder noch immer haben. Darauf sind sie auch stolz. Was auch noch unbedingt hervorzuheben ist, ist der große Anteil an weiblichen Craft-Bier-Fans in Amerika. Auch ich bin stets dabei, meine angeblich-nicht-Bier-trinkenden Freundinnen davon zu überzeugen, dass es auch Bier gibt, das ihnen schmeckt, und in vielen Fällen war ich erfolgreich. Dies ist in den USA gar nicht nötig, da sehr viele Mädels von vornherein an Bier interessiert sind. Ein großartiges Craft-Bier-Land also, dieses Amerika!

Austria meets Pennsylvania Da mich die amerikanische Craft-Bier-Szene alleine durch meine Reisen so faszinierte, war ich auf der Suche nach einer Stelle in den USA, die ich schließlich auch fand, in Pennsylvania. Und so bin ich nun nach meiner Station als zweite Braumeisterin im Mühlviertler Hofstetten seit Juni Braumeisterin in der Evergrain Brewing Company in Camp Hill, einer netten kleinen Stadt nahe der Hauptstadt Harrisburg. Die Brauerei wurde erst vor zwei Jahren

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eröffnet, produzierte im Jahr 2017 etwa 2000 hl und ist momentan stark am Expandieren. Wir brauen neben verschiedenen IPAs und Pale Ales auch typisch deutsche Biere wie Helles, Pils und Weißbier, aber auch holzfassgereifte Biere in Whiskey-, Chardonnayund Rotweinfässern. Evergrain ist ein modernes und gemütliches Brewpub, in dem es neben Bier und anderen Getränken auch Speisen gibt – seit Neuestem steht auch Wiener Schnitzel auf der Karte. ×× Manuela Rustler ist mit Stiegl und Trumer in Salzburg aufgewachsen. Studium „WirtschaftsingenieurwesenTechnische Chemie“. Danach Prozessingenieurin und Leiterin einer Produktionsabteilung in einer OMVRaffinierie. Hobbys: Bierverkosten, Hobbybrauen und Golf. Nach zehn Jahren Ölbusiness Wechsel nach Shangai. Sprache lernen und danach als Brauerin bei Boxing Cat (China/USA) unter Braumeister Michael Jordan. Weitere Stationen: Eiswerk München der Paulaner Brauerei (D), Doemens Braumeister Akademie (D), Diplom-Biersommelier-Ausbildung München/ Obertrum, Brauerei Hofstetten (A), Evergrain Brewing Company (USA).

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TEXT & BILD — ROLAND GRAF

GRAFT-COCKTAILS MIT BIER GEMIXT Auch wenn die Formgebung der Elbphilharmonie durch die Stararchitekten Herzog & de Meuron anders aussieht – in puncto Bierkultur ist das neue Hamburger Wahrzeichen ein Leuchtturm. Das liegt an der Gastronomie, die als Joint Venture mit der Braustätte einer anderen Hansestadt bespielt wird. Störtebeker aus Stralsund beließ es nicht bei über 20 Zapfhähnen, auch in Growler werden die nordischen Biere – vom Atlantic Ale bis zum Baltic Porter – hier abgefüllt. Vorbildlich stellt sich auch die hanseatische Bier-Cocktail-Karte dar. Ersonnen wurde dafür unter anderem der Apfelkeller, eine Kreation von Nina Rawe und Jonathan Quipot, um auch Nicht-Biertrinker an die Störtebeker Brauspezialitäten heranzuführen. „Schließlich“, so Josephine Wallbruch, „verbinden viele Gäste, vor allem die weiblichen, mit Bier ein eher bitteres, rustikales Getränk“. Die dementsprechende Hemmschwelle abzubauen und mit Klischees aufzuräumen, übernimmt in diesem Fall zunächst die leichte Mandarinen-Zitrusnote des nach Pilsner Art gebrauten unfiltrierten Keller-Biers. Dazu kommen nordische Klassiker wie der Helbing Kümmel. Die mit dem skandinavischen Aquavit verwandte Spirituose zeigt den legendären Wasserträger, dessen Dialog mit spottenden Gassenkindern („Hummel, Hummel“ – „Mors, Mors“) bis heute als Synonym des Stadtnamens gilt. Dazu kommt als zweiter Klassiker der lokalen Gastronomie das Apfelmus. Mittlerweile darf man den erfrischenden Drink – der Thymian ergänzt diesen Eindruck noch – als ebensolchen Klassiker ansehen wie jene, die normalerweise in der „Elphi“ dirigiert werden. ××

COCKTAILS MIT BIER

GESAMMELT VON ROLAND GRAF

APFELKELLER von Nina Rawe und Jonathan Quipot Zutaten

4 cl Helbing Kümmel 2 cl Zitronensaft 0,5 cl Zuckersirup 2 Barlöffel Apfelmus 10 cl Störtebeker Keller-Bier Thymianzweigerl

Zubereitung

Das Thymianzweigerl wird im Shaker mit dem Barstössel angedrückt („Muddeln“, nennen das die Profis). Helbing Kümmel, Zitronensaft, Zuckersirup und Apfelmus dazugeben und mit Eis kalt shaken. Doppelt ins Glas abseihen und mit Störtebeker Keller-Bier auffüllen.

Glas

Garnitur

Zitronenzeste und Thymian-Zweigerl

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Bild: Roland Graf

Cocktail-Schale (Coupette)

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monopol.at/shop 1515 Craft Bier Magazin September 2018_LEKTORIERT.indd 40

Limitiert auf wenige Hundert Flaschen ist der BIORAMA Bio-Gin 2017 das Ergebnis unserer BIORAMA Lesersafari ins Waldviertel. Biopionier Martin Artner hat uns in seine Biobaumschule eingeladen und mit uns aus der Ernte seiner Apfel-Mutterbäume einen feinen Gin destilliert. Erhältlich in unserem Onlineshop.

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BIERSHOPS IN ÖSTERREICH

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Bild: Alois Thauerböck

BIEROLOG/INNEN

REINHARD BUCHNER (BRAUCOMMUNE FREISTADT)

Für die Landesausstellung 2013 wurde die Freistädter Brauerei groß umgebaut, der Eingangsbereich mit dem angeschlossenen Biershop ist seither eines der Schmuckstücke der Brauerei. Im Biershop findet man den Bierhumidor. Neben den hier gebrauten Spezialitäten der Freistädter Brauerei gibt es im klimatisierten und abgedunkelten Verkaufsraum über 100 Biersorten aus aller Welt. Sommelier Reinhard Buchner trinkt bei unserem Besuch das Austrian Lager. Es wurde unter Federführung des Freistädter Brauers von den acht Braumeistern der CulturBrauer gemeinsam entwickelt. www.freistaedter-bier.at

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BIEROLOG/INNEN

BIERSHOPS IN ÖSTERREICH

Bild: Micky Klemsch

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STEFAN POOR (WEIN & CO, WIEN)

In der Filiale Mariahilfer Straße berät der ausgebildete Diplom-Biersommelier die Wein-&-Co-Kunden. Schon vor einigen Jahren hat die österreichische Weinhandelskette ein Bierregal in die größten seiner österreichweit 20 Shops gestellt. Aus Österreich gibt es Spezialitäten aus der Trumer Brauerei. Zu Beginn hatte man das Bierregal-Sortiment gemeinsam mit Axel Kiesbye ausgearbeitet, mittlerweile bedient man sich der Dienste eines Tiroler Importeurs. Stefan Poor empfiehlt aus dem aktuellen Sortiment das Saison d'Erpe-Mere aus der Brouwerij de Glazen Toren. www.weinco.at

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craft beer? craft snack!

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Bilder: Guinness

DAS ETWAS ANDERE GUINNESS Marx Halle, Wien Erdberg. Es war am letzten Wiener Craft Bier Fest und als Gastland hat sich Irland präsentiert. Sehr stimmig mit diversen kleinen Brauprojekten von der grünen Insel, einigen Kleinbrennern, aber auch großen und bekannten Marken wie Jameson. Gekoppelt mit etwas touristischem Angebot und Infoständen war es perfekt. Aber fehlte da nicht irgendetwas? Was verbinden denn Biertrinker mit Irland? Weswegen pilgerten Bierfans schon zum Beginn des Irish-Pub-Booms in den 1990ern in die holzvertäfelten dunklen Lokale? Es war wegen dem schwärzesten aller Biere, der Mutter aller Stouts: Sie gingen auf ein Guinness. ——— Während Guinness trotz zahlreicher anderer Marken von der Insel lange Zeit als Synonom für den Biertyp Stout galt, wird Stout und auch die Abwandlung als Milk-, Cherry-, Chocolate oder Imperial Stout in der Craft-Bier-Szene mittlerweile fast von jedem Brauer im Programm

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„ICH BEVORZUGE SELBST GESCHMACKVOLLERE BIERE, DAHER WOLLTE ICH EIN HELLES LAGER MIT VIEL GESCHMACK.“ geführt. Das hat sich wohl auch der österreichische Importeur, die Brau Union, gedacht und hat Guinness trotz des Irland-Specials nicht am Fest präsentiert. Wäre vielleicht unter dem Dach von Craft-Bier auch nicht ganz so passend gewesen.

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GUINNESS

TEXT — MICKY KLEMSCH

Was uns aber dankenswerterweise als Präsent aus Irland erreicht hat, waren ein paar Kisten mit dem Guinness-Label auf der Verpackung. Schön. Und das Besondere daran: Darin waren keine Stout-Flaschen, sondern Produkte aus der Kreativabteilung der Brauerei am St. James Gate in Dublin. Während die kleinen Craft-Brauer weltweit auf Stout setzen und versuchen, diesen Biertyp handwerklich umzusetzen, machen es die Brauer bei Guinness umgekehrt. Sie haben jetzt angefangen, Pale Ales, Lager und Porter zu brauen. Was heißt jetzt? Das Projekt startete schon 2014 unter dem Namen „Discovery Series“. Als ersten Ausstoß präsentierten die auf über 250 Jahre Brautradition sitzenden Iren ihr Guinness Blonde. Zuerst nur als Test am irischen Markt, wurde dieser Biertyp im Herbst schon in den Staaten vertrieben. Mit den beiden Porter (Dublin- und West Indies Porter) sowie dem Hop House 13 folgten 2015 weitere Spezialsorten abseits des bekannten Stouts. Ab diesem Zeitpunkt wurde diese Einheit The Brewers Project genannt. Trotz über 50 Produktionsstandorten weltweit werden diese Sorten bis heute ausschließlich in kleineren Chargen innerhalb der Mauern von St. James Gate in Dublin gebraut. Das helle Lager, das nach einem noch immer in Betrieb befindlichen Hopfenlagerhaus in der alten Brauerei benannt ist, erfreute unsere kleine Verkostungsrunde abseits des Craft Bier Festes mit seinem

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für diesen Biertyp intensiven Charakter. GuinnessBrauer Peter Simpson: „Ich bevorzuge selbst geschmackvollere Biere, daher wollte ich ein helles Lager mit viel Geschmack. Nach mehreren Monaten Experimentieren mit verschiedenen Rezepten und Abstimmung mit verschiedenen Brauern entstand schlussendlich Hop House 13“. Für die beiden Porter-Typen hat Guinness historische Rezepte aus dem eigenen Haus entstaubt und mit den aktuellen Trends der Kreativbrauer neu belebt. Das West Indies Porter hat eine dunkle orange-bräunliche Farbe und erfreut mit vollem Körper. Unsere Verkostungsrunde schmeckt Röstaromen, Kaffee, Kakao und Vanille. Die Dublin-Version kann da im Vergleich nicht so begeistern, durch seine nur 3,8% Alkohol kommt es weit weniger intensiv und schmeckt trotz Tönen von Bitterschokolade eher wässrig. Im Brewers Project wird laufend weiterexperimentiert, es sind auch bereits ein Irish Wheat, ein Golden Ale, ein Rye Pale Ale und ein Nitro IPA auf den Markt gekommen. Allerdings zumeist nur in Irland und UK sowie vereinzelt über amerikanische Importeure. ××

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TEXT — ######### ###### ######### Österreichischer Brauereiverband: Obmann Sigi Menz und Geschäftsführerin Jutta Kaufmann-Kerschbaum

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DER TAG DES ÖSTERREICHISCHEN BIERES Am 30. September wird die heimische Bierbranche wieder den Tag des österreichischen Bieres feiern. Aus welcher Tradition ist dieser Tag entstanden? Ein Feiertag mit langer Tradition. Das „Bierland Österreich“ feiert den 30. September offiziell als „Tag des österreichischen Bieres“. Die Datumswahl fiel dabei nicht zufällig auf den letzten Septembertag, wird doch nach altem österreichischem Brauch an diesem auch der historische Übergang in das neue Braujahr, also der Brausilvester, begangen. Bis ins Mittelalter reicht die Historie des Brausilvester zurück. Vor vie-

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len hundert Jahren waren die Menschen mit einer Situation konfrontiert, die heute unvorstellbar wäre: einem sommerlichen Herstellungsverbot für Bier. In den Sommermonaten hätten die hohen Temperaturen dem wärmeempfindlichen Bier zu stark zugesetzt. So erstreckte sich die Biersaison zwischen den Feiertagen Michaeli (29. September) und Georgi (23. April). Zur Freude aller Bierliebhaber und nicht zuletzt dank der Erfindung des Lagerbieres durch den Österreicher Anton Dreher steht heute einer ganzjährigen Produktion nichts im Wege. Zudem fahren Landwirte im September Braugetreide und Hopfen ein. Und was gibt es zu feiern? Mit unseren weit über 1.000 verschiedenen, heimischen Bieren und einem zertifizierten dreifstufigen Ausbildungsprogramm für Biersommeliere gehören

Bild: Kurt Keinrath

Ende September feiert die heimische Brauwirtschaft einen besonderen Tag. Darüber und über die Entwicklung des Brauwesens sprachen wir mit Frau Mag. Jutta Kaufmann-Kerschbaum, der Gechäftsführerin des österreichischen Brauereiverbandes:

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DER TAG DES ÖSTERREICHISCHEN BIERES

TEXT — MICKY KLEMSCH

AUF RUND 32.000 EINWOHNER KOMMT IM BIERLAND ÖSTERREICH EINE BRAUEREI. wir weltweit zu den Spitzenreitern in Sachen Biervielfalt und Wissen rund um Hopfen und Malz. Der Tag des österreichischen Bieres ist demnach die Huldigung des Lieblingsgetränks der Österreicher, ein Bekenntnis zu unserer gelebten Genusskultur sowie Ausdruck der Wertschätzung für die ausgezeichnete und leidenschaftliche Arbeit unserer Brauer. Die österreichischen Bierkonsumenten schätzen die bierigen Jahreszeiten und die Vielfalt an unterschiedlichen Sorten während des gesamten Braujahres. Ich freue mich, dass wir die österreichische Biertradition nun auch mit dem Tag des österreichischen Bieres hochleben lassen. Österreich ist weltweit für seine Bierkultur bekannt. Der Biertyp Wiener Lager und das Erbe des Anton Dreher könnten Wien noch stärker als Reiseziel für Biertouristen etablieren. Gibt es Pläne, das Thema gemeinsam mit der Tourismuswirtschaft zu forcieren? Österreich, das Bierland mit Tradition, erfreut sich einer gesunden regionalen Struktur. Vom Neusiedler bis zum Bodensee sorgen 278 Brauereien, davon 124 sogenannte Gasthaus-, Haus- und Wanderbrauereien für eine ausgezeichnete landesweite Genusskultur und stärken durch viele Aktivitäten und Attraktionen die Region. So abwechslungsreich und spannend wie sich die heimische Biervielfalt präsentiert, so umfassend wie nachhaltig unterstützen und stärken Österreichs Brauer ihre jeweilige (Tourismus-) Region. Durchaus als Kernaufgabe unserer Brauereien anzusehen sind die vielen Eigenveranstaltungen und bierigen Tourismusangebote – wie etwa Genusskultur-Feste und Brauereiführungen.

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Wie hat sich die Anzahl der Brauereien in Österreich entwickelt? Ende August zählt unsere Statistik 278 heimische Brauer, in dieser Zahl sind schon die 124 Gasthaus-, Haus- und Wanderbrauereien inkludiert. Österreich hat übrigens gemessen an der Gesamtbevölkerung eine der höchsten Brauereidichten weltweit. Auf rund 32.000 Einwohner kommt im Bierland Österreich eine Brauerei. Spiegelt sich diese Entwicklung im Konsumverhalten bzw. in allgemeinen Absatzzahlen wieder? Die Statistiken zeigen eine breitere Verteilung auf verschiedene Biersorten, prozentuell starke Zuwächse gibt es bei Leichtbieren und den Kreativbieren. Laut einer aktuellen Studie der Uni von Leuwen in Belgien ist Bier bereits seit den 90er-Jahren das weltweit am meisten konsumierte alkoholische Getränk. Während Länder wie etwa Belgien, Deutschland oder Großbritannien stagnierende Ausstoßzahlen aufweisen, wachsen die Märkte in China, Russland und Brasilien stark. Bereits seit 2003 verfügt China über den weltweit größten Biermarkt – vor den USA und Russland. In Zukunft werden wir jedenfalls einen weiteren weltweiten Anstieg des alkoholfreien Bieres sehen. Denn einerseits ändern sich Trinkgewohnheiten und AF-Bier wird dem alkoholischen Pendant geschmacklich immer ähnlicher. Andererseits gewinnt AF-Bier in Ländern an Beliebtheit, wo z. B. aus religiösen Gründen Alkohol nicht erlaubt ist. In Österreich ist diese Entwicklung nur langsam zu beobachten. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Inlandsabsatz von AF-Bier um 1,3 % erhöht. 2017 wurden rund 240.000 Hektoliter AF-Bier im Bierland Österreich konsumiert. Der zweite große Trend betrifft Craft-Biere. Hier gibt es einen anhaltenden Boom und die neuen Kreationen unserer Brauer finden großen Anklang. Doch auch wenn Craft-Biere im vergangenen Jahr allein in Österreich um 80 % zulegen konnten, beträgt ihr Anteil aktuell weniger als 1 % am gesamten heimischen Biermarkt. Welchen Leitspruch oder Wunsch möchten sie den Bierkonsumenten anlässlich des Tages des österreichischen Bieres mitgeben? Wir leben Vielfalt. Hopfen und Malz, Gott erhalt’s. ××

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DER WANDERBRAUER 48

Martin Simion hat in seinem beruflichen Leben schon an einigen Brauanlagen in verschiedenen Ländern gearbeitet, zuletzt bei Camba Bavaria in Seeon. Nun folgt der gebürtige Oberösterreicher Günther Seeleitner im Hofbräu Kaltenhausen nach. Wir haben mit ihm über sein Aufgabenfeld, seine Visionen für den Kleinbetrieb in Konzern gesprochen.

Was war ausschlaggebend für deinen Wechsel ins Hofbräu Kaltenhausen? Der Wunsch, wieder in Österreich „mitzumischen“, ist in letzter Zeit immer größer geworden, und wenn sich da die Gelegenheit ergibt, auf so geschichtsträchtigem Boden, immerhin seit 1475, sehr spannende und ungewöhnliche Biere zu brauen, sagt man nicht Nein. Dass ich in Kaltenhausen einem Günther Seeleitner

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nachfolgen darf, ist natürlich schon auch sehr reizvoll und ein bisschen wie ein Ritterschlag. Deine bisherigen Arbeitgeber unterscheiden sich stark in ihrer Ausrichtung – Ottakringer als familiengeführtes Unternehmen, Camba Bavaria mit der angeschlossenen Brauanlagen-Produktion Braukon und nun die Konzernstruktur der Brau Union. Ist diese Tatsache für dich in deiner Tätigkeit als Braumeister relevant oder betrifft dich das nur am Rande? Allen Brauereien ist eines gemeinsam: Ihr Ziel ist es, ein schönes, ansprechendes Produkt herzustellen und unter die Leute zu bringen, und genau das ist auch die Motivation von jedem einzelnen Brauer, mit dem ich jemals in einer Brauerei zusammenarbeiten durfte – egal wie groß. Aber: Die Zielgruppen unterscheiden sich und damit auch die Biere, die man brauen kann, ohne seinen Kundenkreis abzuschrecken oder zu vertreiben. Als Braumeister ist es mir wichtig, dass die Arbeit allen Beteiligten Freude macht und die gebrauten Biere dafür sorgen, dass es die Brauerei heute, morgen und in 50 Jahren auch noch gibt. Dann hat man alles richtig gemacht. Da spielt es keine Rolle ob man zwei, zwanzig oder 2.000 Kollegen hat. Um die Frage zu beantworten: Nein, das macht für mich keinen Unterschied.

Bild: CK-Photoart, Mario Riener

Als Brauer bist du schon etwas herumgekommen – Fanø in Dänemark, das Ottakringer Brauwerk in Wien und zuletzt die Camba in Bayern. Wie kam es zu den vielfältigen Aufgaben? MARTIN SIMION: Als jungen Braumeister treibt einen da schon ein bisschen die Reiselust und die Wissbegierde nach Neuem, und wenn man in Sachen Craft Bier einmal „Blut geleckt hat“, dann will man immer mehr sehen und brauen und verstehen, wie dieses und jenes Bier „funktioniert“. Jeder, der einmal im Ausland gearbeitet hat, wird bestätigen, dass es da wahnsinnig viel zu lernen gibt, und diese Erfahrung kommt einem später auch zugute. Die Zeiten im Ausland – mit allen Hoch- und Tiefpunkten – möchte ich auch nicht missen. Trotzdem oder gerade deswegen freut es mich, jetzt wieder mitten in Österreich brauen zu dürfen.

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INTERVIEW MARTIN SIMION

TEXT — KEVIN REITERER

Mit Günther Seeleitner, aktuell auch Präsident des Bundes österreichischer Braumeister und Brautechniker, gibt es große Fußstapfen in Kaltenhausen. Was überwiegt – Vorfreude, Wissbegierde, Ehrfurcht, anderes? Zum einen freue ich mich drauf zu sehen, wie die Brauerei Kaltenhausen arbeitet, wie die Rezepte von Günther „funktionieren“, und auf einen regen Austausch mit den anderen Braumeistern in der Brau-Union- und Heineken-Familie. Zum anderen freue ich mich auf die Zeit, in der ich Günther in der Brauerei noch an meiner Seite habe und von seinem Erfahrungsschatz profitieren kann. In welche Richtung soll sich Kaltenhausen durch dein Zutun zukünftig entwickeln bzw. was sind deine Ziele/Wünsche für die kommende Zeit dort? Die bewährten und etablierten Biere, die man aus

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Kaltenhausen schon kennt, möchte ich natürlich in gleicher Qualität und ohne Änderungen weiter brauen. Ich finde, das ist man als Brauer seinem Vorgänger und auch den Freunden der Kaltenhausener Biere schuldig. Natürlich bringe ich so einige Ideen mit, die ich in Kaltenhausen nach und nach verwirklichen möchte. Stichwort Hefen, aber auch alte Getreidesorten – und mein Steckenpferd: historische Bierstile. Besonders freue ich mich auch wieder, Biere abseits des deutschen Reinheitsgebots zu brauen. Viele Bierstile, die mir gefallen, sind in Bayern einfach nicht möglich. Konkret freue ich mich besonders auf den nächsten Biersommelier-Kurs in Kaltenhausen, wo ich als Teilnehmer und nicht als Vortragender dabei sein werde. Dafür hat in der Vergangenheit nie die Zeit gereicht. Und auf das Craft Bier Fest Linz, das für mich ja ein Heimspiel ist. ××

Martin Simion Lehre/Ausbildung: Studium Brauwesen in Weihenstephan Arbeitsstätten: Arundel Brewery (UK), 1516 Brewing Company (Wien, 1. Bezirk), Fanø Bryghus (DK), Ottakringer Brauwerk (Wien, 16. Bezirk), Camba Bavaria (DE) Leitprojekte: Ottakringer Brauwerk: Inbetriebnahme 10 hl Sudhaus und Rezepturentwicklung (Hausmarken 1–4, Imperial Vienna Lager etc.) Camba Bavaria: Inbetriebnahme 50 hl Sudhaus, Rezepturentwicklung Camba Grisette, Camba Barley Wine Oak Aged, Me & Uwe Nachspielzeit mit Brian Patton. Diverse Fanø Bryghus Auftragsbiere bzw. Collabs für/mit Evil Twin, Mikkeller, Noma Kopenhagen, Brown Paper Bag Project, Anders Kissmeyer etc.

Das Hofbräuhaus Kaltenhausen bei Hallein.

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RUND UMS BIER Jedes Jahr ein Highlight der Ritter-Spiele in Seeboden: das Wimitzer-Biobier.

Kärntner Bierspezialitäten und internationale Gäste versammelten sich im Juni am Kärntner Bierfest in der Gartenrast Radenthein.

Die angereisten Brauer besichtigten am Kärntner Bierfest auch die lokale Shilling Brauerei.

Mitte: Patron Uli Bacher und Brigitte freuen sich über ein gelungenes Kärntner Bierfest.

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BIERMOMENTE IN BILDERN

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Misho Omar (rechts hinten) gestaltete den sommerlichen Temperaturen entsprechend den Schanigarten im AmmutsØn zu einem Pool um.

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Bilder: Micky Klemsch, Stephanie Unterwandling, Ammersin, AmmutsØn

Das jährliche Treffen der österreichischen Diplom-Biersommeliers führte die hochkarätige Runde diesmal auch in die Brauerei Schwechat.

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RUND UMS BIER Zur Eröffnung der 100 Blumen Brauerei blickte auch Bierpapst Conrad Seidl in Alexander Forstingers Braukessel.

Für Wolf Dittrich vom WUK Statt-Beisl war das Craft Village ein Heimspiel.

Rechts: Wahre Bierfreunde konnten sich vom Wetterumbruch nicht stören lassen: beste Stimmung auch spätabends im Craft Village.

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BIERMOMENTE IN BILDERN

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Bilder: Micky Klemsch, Georg Zwickl

Craft Village: Verkostungen am Muttermilch-Stand just bevor der Regen kam.

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RUND UMS BIER Fest-Organisator Kevin Reiterer mit Zoltan Reketye am Craft Bier Fest Wien.

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BIERMOMENTE IN BILDERN

BeerKeeper Birgit Rieber im Gespräch mit Clemens Kainradl am Bierfracht-Stand in Wien.

Artisten, Biere und Attraktionen am The Who Cares For Beer Festival bei Bevog in Bad Radkersburg.

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Bilder: Micky Klemsch, Maximilian Garschall, Martin Voigt

Wunderbare Gastbrauer beim Irland-Special des Craft Bier Fest Wien: Darren Murphy, Maudeline und Sam Black aus Kinsale.

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Bierstil

PILS Der Deutschen beliebtester Bierstil ist fraglos das Bier Pilsner Brauart. Immerhin gut zwei Drittel des in Deutschland gebrauten – und damit wohl auch getrunkenen – Bieres entfallen auf diesen Bierstil. proBier-Mastermind Martin Voigt erklärt uns diesen Bierstil. ——— Für die Popularität des Pils zeichnen hauptsächlich die Bundesländer im Norden Deutschlands verantwortlich, denn im deutschen Süden haben andere Stile klar den Vorrang. Oder habt ihr am Oktoberfest schon mal versucht, ein Pils zu bestellen? Tut es bitte nicht! Es mag daher vielleicht überraschen, dass gerade ein Bayer dafür verantwortlich ist, dass es diesen Bierstil überhaupt gibt. Ein gewisser Josef Groll war es nämlich, den es vom niederbayerischen Vilshofen nach Pilsen in Tschechien zog, um dort Bier zu brauen. Aber alles der Reihe nach. Das tschechische Pilsen war zu dieser Zeit sicher für Vieles bekannt, gutes Bier dürfte aber eher nicht dazugehört haben. Im Gegenteil. Das hier gebraute, ausschließlich obergärige Bier war offenbar so

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schlecht, dass es nicht nur in der Bevölkerung Grund zur Klage gab. Auch die Obrigkeit war damit so unzufrieden, dass 36 Fässer des damaligen Pilsner Bieres öffentlich ausgeleert wurden. Hingegen war bayerisches Bier damals auch in Tschechien schon ein Begriff. Man wusste, dass dort Bier in untergäriger Brauweise hergestellt wurde, welches qualitativ das eigene Bier deutlich in den Schatten stellte. Man fasste daher den Plan, die eigene Bierproduktion grundlegend zu verändern und zu verbessern. Um aber nicht in Altlasten gefangen zu sein, wurde von den Pilsner Brauern gleich eine eigene, neue Brauerei errichtet, die auch von der Ausstattung in der Lage sein sollte, den neuen Bierstil herzustellen. Auch den Faktor „Braumeister“ wollte man bei so einer Unternehmung nicht dem Zufall überlassen. Wenn man ein Bier nach „bayerischer Brauart“ brauen wollte, dann musste es natürlich auch ein Braumeister aus Bayern sein. Genau an dieser Stelle kommt nun der eingangs erwähnte Josef Groll ins Spiel, der im Jahr 1842 genau für dieses Vorhaben engagiert wurde.

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BIERSTIL: PILS

TEXT — MARTIN VOIGT

Groll hatte aber nicht vor, das mit dunklen Malzen gebraute Bier seiner Heimat in der Fremde einfach nachzubrauen. Sein Plan war, ein mit hellen Malzen hergestelltes Bier, welches er dann noch mit reichlicher Gabe des Hopfens aus der Saazer Gegend zu einem völlig neuen Geschmack führte. Dieses neue Bier wurde am 5. Oktober 1842 erstmalig gebraut und wenige Wochen später am 11. November angezapft. Der Mut zu diesem ungewöhnlichen Schritt wurde belohnt, denn innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich das Bier zu einem Verkaufsschlager – weit über die Pilsner Grenzen hinweg. Auch Brauereien außerhalb von Pilsen begannen schon bald mit dem Brauen des Bieres nach „Pilsner Brauart“.

Bilder: istock.com/studiocasper/gopixa/discan

Unveränderter Geschmack Ein Teil des rasanten Erfolgs des Pilsner Bieres war sicher auch die Tatsache, dass fast zeitgleich die Eisenbahn Europa im Sturm eroberte und Transportwege wesentlich vereinfachte und verkürzte. Über diese neuen Strecken gelangte das Pilsner Bier auch nach Deutschland und Österreich. Um die Jahrhundertwende entwickelte sich hier aus der ursprünglichen geografischen Bezeichnung „Pilsner Bier“ eine Stilbezeichnung, die der Volksmund im Verlauf auf „Pils“ einkürzte. Die Erfolgsstory „seines“ Bieres konnte Josef Groll jedoch nur aus der Ferne mitverfolgen. Seine Anstellung beim Bürgerlichen Brauhaus in Pilsen endete bereits wieder im April 1845, nach drei Jahren, und wurde auch nicht verlängert. Ihn selbst zog es später wieder zurück ins bayerische Vilshofen wo er 1887 im Alter von 74 Jahren auch verstarb. Der bayerische Braumeister hatte offenbar aber handwerklich einen so guten Eindruck hinterlassen, dass man in Pilsen nicht auf bayerisches Können verzichten wollte und bis etwa 1900 ausschließlich Braumeister aus dem südlichen deutschen Bundesland beschäftigte. Noch heute wird in der Pilsner Brauerei das Bier nach dem Rezept von Josef Groll gebraut und viel Zeit und auch Geld in die Qualitätssicherung investiert. Einzig mit dem Ziel den Geschmack nicht zu verändern. Heute unterscheidet man – insbesondere bei Wettbewerben - die vielen Pilsbiere am Markt meist in zwei Stilkategorien. Zunächst wäre da das sogenann-

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te Böhmische Pils, das dem oben geschilderten „UrPils“ entspricht. Ursprünglich in Tschechien gebraut hat es durch eine verkürzte Lagerzeit den für diesen Stil typischen, leicht butterigen Geschmack (Diacetyl). Nicht selten ist dieser bei international vermarkteten Bieren aus dieser Region auf ein absolutes Minimum reduziert. Was sonst als Bierfehler eingeordnet würde, ist aber bei diesem Bierstil durchaus gewollt und erzeugt eine gewisse Vollmundigkeit. Daneben hat das böhmische Pils nicht selten auch eine leichte, aber durchaus wahrnehmbare Malzsüße. Das (Nord-)Deutsche Pils ist dagegen absolut auf Schlankheit und eine kräftige Herbe ausgerichtet. Malzkörper sucht man hier in der Regel vergebens. Auch ist dieses Pils mit hellem goldenen Gelb bis fast strohig auch deutlich heller in der Farbe. Eine Trübung sucht man dabei auch in Ansätzen vergebens. Die klassischen norddeutschen Pilsner liegen im Durchschnitt in der Bittere im Bereich von 25 bis 29 Bittereinheiten und damit meist unter den Werten der böhmischen Vorfahren.

Neue Interpretationen In Bayern und auch in nördlichen Teilen Österreichs wird noch das Bayerische Pils, das keine offizielle Klassifizierung für sich in Anspruch nimmt, gebraut. Hier ist die durchschnittliche Hopfenbittere mit 30 bis 40 IBU deutlich intensiver. Durch leicht veränderte Malzschüttungen kommt hier auch ein leichtes Mehr an Körper und Farbe ins Bier. Wenn man sich also heute ein Pils einschenkt, dann darf man ruhig daran denken, dass man gerade einen Teil der jüngeren europäischen Biergeschichte genießt – wie auch immer der jeweilige Braumeister diesen interpretiert hat. Kaum ein Bierstil ist in den letzten Monaten wieder so zu Ehren gekommen wie das Pilsner Bier. Stilecht angestoßen mit einem tschechischen „Na zdraví!“ lassen wir jedenfalls seinen bayerischen Schöpfer hochleben. ×× Martin Voigt zählt mit probier.at zu den bedeutendsten Bier-Bloggern im deutschsprachigen Raum. Auf Instagram haben seine Beiträge über 14.500 Follower, seine laufenden Biertests veröffentlicht er auf www.youtube.com/ user/proBIERtv. Mit seiner Kompetenz zählte er 2014 auch zum Gründungsteam des Craft Bier Fest.

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Bilder: Michael Mickl

BIERTIPPS

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BIERSTIL: PILS

TEXT — MARTIN VOIGT

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Pils 1. Klassisch: Plzensky Prazdroj, Pilsner Urquell

4,4 Vol.-%, 40 IBU, viel klassischer geht es beim Pils kaum, das Original aus Pilsen, helle goldene Farbe, grasig floral in der Nase, trocken im Antrunk, leichte Karamellsüße, knackige Hopfenbittere

2. Österreichisch: Schnaitl, Pils de luxe

5,0 Vol.-%, 27 IBU, satt gelb, kräftiges Hopfenaroma mit getreidigen Noten, malzaromatischer Antrunk, weiterhin sehr hopfenbetont, trocken im Nachtrunk mit langer feinbitterer Note

3. Freaky: My Antonia, Birra del Borgo / Dogfish Head

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7,5 Vol.-%, 76 IBU, getrübte gelbgoldene Farbe, viele exotisch fruchtige Aromen, Malznoten, frischer Antrunk, kräftiger Hefeeindruck, sehr fruchtig, sehr präsente grasige Bittere, langer bitter fruchtiger Nachhall

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TEXT — NORBERT SEIFRIED

HOMEBREWING Bild: Micky Klemsch

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HOLUNDERBLÜTEN-ALE Heimbrauer verraten uns ihre besten Braurezepte. Diesmal Norbert Seifried von der Biergärtnerei im Süden Wiens. ——— Getreu dem Motto „Die Biergärtnerei – hier wächst Bier“ – werden in der Biergärtnerei neben gängigen Bierstilen immer wieder Biere mit Naturprodukten gebraut: Ein fruchtiges Marillen-Ale mit feinsten Wachauer Marillen, Quittenpils oder eben das hier vorgestellte Holunderblüten-Ale names „Der Holodri“. Dieses Bier wurde von der Bier IG im Rahmen der Austria Beer Challenge 2016 mit dem Vizestaatsmeistertitel in der Kategorie der Kreativbiere (Gewürzbiere) ausgezeichnet. Sobald die Holunderblüten ab dem späten Frühling erntereif sind, wird dieses obergärige Bier auf Basis eines leichten Blonde Ales mit dem intensiven frischen Geruch der Blüten eingebraut. Für die Schüttung wird eine Mischung aus Pilsner Malz, hellem Karamellmalz und Wiener Malz verwendet, was dem fertigen Bier eine frische, helle Farbe gibt und durch

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den recht hohen Anteil an Karamellmalz ein angenehm cremig-volles Mundgefühl ergibt. Gemaischt wird in der selbst gebauten Brauanlage, die sich aus Edelstahltöpfen mit eingeschweißten Edelstahlarmaturen zusammensetzt, in einem 70Liter-Kessel mit einem Doppelflügelrührer, der von einem Scheibenwischmotor eines alten VW-Kastenwagens angetrieben wird. Nach dem Abmaischen in einen isolierten Thermobehälter, der als Läuterboden einen Einsatz aus Lochblech eingepasst hat, und dem Einhalten einer Läuterruhe für die optimale Bildung des aus den Spelzen bestehenden Filterbettes wird geläutert. Dem gesamten Läuterprozess sollte viel Zeit gegeben werden, um die bestmögliche Ausbeute erzielen zu können. Vom Grant-Behälter wird die Würze in den größten der Töpfe, der knapp 100 Liter fasst, gepumpt, um dort dann für die Hopfengaben zum Kochen gebracht zu werden.

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DER HOLODRI Rezept für 85 Liter – Flaschen- und KEG-Gärung

Zutaten 10,4 kg 3,0 kg 1,0 kg 14,4 kg 28 g 23 g 30 g

Pilsner Malz EBC: 3–4 Cara Extra hell EBC: 25 Wiener Malz EBC: 7–9 Gesamt Citra, 13,8 % Säure 1. Hopfengabe Magnum, 14,3 % Säure 2. Hopfengabe Comet, 8,7 % Säure 3. Hopfengabe

2 × 40–50 Holunderblütendolden pro ca. 40 l Jungbier 3 × 11,5 g Fermentis Safale S04

Wasser

Hauptguss: Nachguss:

Maischen

Einmaischen: Maltoserast: Verzuckerung: Abmaischen:

54 l 46 l

45 °C 60 °C (15 Min.) und 63 °C (35 Min.) 73 °C (35 Min.) 78 °C

Würzekochen

90 Min. 1. Hopfengabe: bei Kochbeginn 2. Hopfengabe: 20 Min. nach Kochbeginn 3. Hopfengabe: Whirlpool

Gärung/Lagerung Stammwürze: Farbe: Hopfenbittere: Gärtemperatur: Gärdauer:

12 °P EBC 13 24 IBU 18 °C 7 Tage – Zugabe der Dolden an den Tagen 3 und 5 Stopfung: keine Stopfung Lagerung: 2 Wochen bei knapp 0 °C, dann weitere 2–4 Wochen bei 6 °C Karbonsierung: ca. 5,8–6 g/l

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Zumeist verwende ich für dieses Bier Magnum als Bitterhopfen und Citra und/oder Comet als Aromahopfen. Die beiden letzten Sorten schätze ich sehr wegen ihrer citrusfruchtigen Aromen. Nach dem Hopfenkochen und Abkühlen der Würze über zwei in Serie geschlossenen Edelstahlwärmeplattentauscher auf ca. 20 °C, wird mit der zuvor rehydrierten und zum „Aufwecken“ ein wenig mit Würze gefütterten Hefe, angestellt. Die Fermentis Safale S04 ist eine Hefe, die ich hier gerne verwende. Sie setzt sich nach dem Gärprozess sehr gut ab und verleiht dem Bier wunderbar fruchtige Aromen. Die geernteten und von Ungeziefer befreiten Holdunderblütendolden werden nach dem sorgfältigen Entfernen von so viel wie möglichem Stengel- und Blattmaterial in zwei Gaben zwei bis drei Tage und vier bis fünf Tage nach dem Start der Hauptgärung dem Jungbier zugesetzt. Verbleibt zuviel Stengelmaterial der Dolden an den Blüten, ergibt dies im fertigen Bier einen ungewollt grasigen Beigeschmack. Das Putzen und Zupfen der Dolden kann so schon mal zwei, drei Stunden in Anspruch nehmen. Eben echte Handarbeit, die man am Ergebnis schmeckt! Die Dolden kann man in einem Hopfensack ins nun gärende Jungbier bringen. Zur Not tun es auch ausgekochte Nylonstrümpfe, die im Supermarkt oder in der Drogerie eures Vertrauens um wenige Cent erhältlich sind.

SCHON BEIM EINSCHENKEN RIECHT MAN DEN INTENSIVEN FRISCHEN DUFT DER HOLUNDERBLÜTEN.

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TEXT — NORBERT SEIFRIED

HOMEBREWING

Bild: Micky Klemsch

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Wichtig ist es, den Sack mit den Dolden so zu beschweren, dass dieser immer völlig mit Jungbier bedeckt ist. Das fördert einen guten Übergang der Aromen und verhindert ungewollte Oxidation und die damit einhergehende Bildung von Fehlaromen. Ich bewerkstellige das pragmatisch mit einer Handvoll abgekochter Glasmurmeln, die ich zu den Dolden packe. Nach Entfernen der letzten ausgelaugten Dolden und Kontrolle des erreichten Restextraktes – üblicherweise nach ungefähr einer Woche – wird sowohl in Flaschen als auch in 19-Liter-KEGs abgefüllt. Bei Flaschenfüllung wird für die Karbonsierung auf ca. 5,8 bis 6 Gramm pro Liter entweder Speise, die vor dem Abkühlen der Würze heiß abgefüllt und zur Seite gestellt wird, oder Kristallzucker verwendet. Die KEGs werden mit CO2 auf den oben genannten Wert gespundet. All das ergibt nach ca. zwei Wochen Kaltreife bei knapp 0 °C und darauffolgender weiterer Lagerung von zwei bis vier Wochen bei ca. 6 °C, ein herrliches Sommerbier. Bei Flaschenfüllung muss man die ca. einwöchige Nachreifung bei Vergärungstemperatur zur Bildung der Kohlensäure berücksichtigen! Schon beim Einschenken riecht man den intensiven frischen Duft der Holunderblüten. Der Holodri ist ein leichtes, erfrischend-süffiges Aperitifbier mit spritziger, gut eingebetteter Kohlensäure und einer ausgewogenen Hopfenbittere, unterstützt von den typischen Citra-und Comet-Aromen. Ideal für den Start in einen gelungenen langen und bierigen Sommerabend. ××

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######### BIERJAHR

5. Oktober 2018 Austrian Beer Challenge Prämierung

AU T — Baden, Casino www.bierig.org

21.–22. September 2018 Craft Bier Festival Dornbirn AU T — Dornbirn, Kulturhaus

19.–20. Oktober 2018 Beertasting Event

AU T — Salzburg, Panzerhalle www.beertasting.shop

10. November 2018 Winter Beer Days 2018

G E R — Hamburg, Altes Mädchen

14.–16. September 2018 Austrian Beer Challenge

13.–15. November 2018 Brau Beviale

AU T — Baden, Casino bierig.org

G E R — NÜ R N B E R G , M E S S E www.braubeviale.de

15. September 2018 Stone Brewing Berlin 2nd Anniversary Celebration

19.–25. November 2018 Vienna Beer Week

G E R — Berlin, Stone Brewing World Bistro & Gardens www.stonebrewing.eu

19.–21. September 2018 Salon Piva Bratislava

S V K — Bratislava, Stará tržnica

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AT — Wien, diverse Locations www.viennabeerweek.at

23.–24. November 2018 Craft Bier Fest Wien Gastregion Flandern

AU T — Wien, Marx Halle www.craftbierfest.at

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Bierfachgeschäft mit Verkostungslounge Taproom mit wechselnden Bieren vom Fass Alle Biere gekühlt gelagert Themenverkostungen mit Biersommeliers Homebrewing Equipment & Rohstoffe

Wilhelmstraße 23,A-1120 Wien Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-19 Uhr, Sa: 10-18 Uhr T: +43 1 974 46 27 www.beerstorevienna.at www.facebook.com/beerstorevienna

#Mikrozirkus Wild Ales aus der Steiermark www.alefried.com

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BUCHTIPPS

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BÜCHER Markus Raupach Die schönsten Brauereien in Berlin und Potsdam

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In und um Berlin und Hamburg startete vor wenigen Jahren die Craft-Bier-Szene Deutschlands. Das brachte auch viele neue kleine Brauereien in der Bundeshauptstadt an den Start. Dort und in Potsdam hat sich Markus Raupach, der schon viele interessante Bücher zu Bier geschrieben hat, genauer umgesehen. Dieses Buch präsentiert sowohl traditionelle Brauereien als auch die neuen kleinen Brewpubs – von B wie Berliner Berg bis V wie Vagabund. Der Autor stellt die Personen dahinter, ihre Produkte und die Philosophie des Unternehmens vor. Für Biertouristen sicher auch ein guter Guide. Nach Hause geht es erst, wenn alle Betriebe abgehakt sind. Nicht umsonst enthält dieses Buch auch Biergutscheine im Wert von € 100. 114 Seiten, Elsengold Verlag, € 19,90

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Lonely Planet / Food Gourmet Beer Tour – Die besten Craft-BeerVerkostungen weltweit

Bücher, die unter dem LonelyPlanet-Label erscheinen, zählen wohl zu den interessantesten Reiseführern überhaupt. Nun kriegen wir von dieser Seite also auch noch Tipps zu den besten Craft-Bier-Tastings der Welt. Interessant bebildert und auch für Nicht-Szenekenner leicht verständlich werden hier spannende Brauer von Adis Abeba bis Zürich besucht. Und für Genießer, die auch über den Rand des Bierglases hinausschauen, gibt es auch die besten Empfehlungen rund um die Brauereien. 272 Seiten, Kunth Verlag, € 22,60

03

Eduard Maria Schranka Ein Buch vom Bier – Cerevisiologische Studien und Skizzen

Gut, man könnte meinen, der Autor und seine Texte seien vielleicht nicht ganz up to date. Es ist in dieser Form ja ein Nachdruck oder eine Neuveröffentlichung eines historischen Textes aus dem Jahr 1886. Humoristisch und dennoch wissenschaftlich bringt Eduard Maria Schranka dem Leser die wichtigsten Facetten des Weltgetränks näher. Aufgelockert mit Anekdoten und Bierliedern, hält dieses Werk Wissen zum Ursprung des Wortes Bier, verschiedenen Biersorten sowie zu Bier in der Studentensprache und der Rechtslage für Bierbrauereien bereit. Alles aus Sicht des Jahres 1886. 452 Seiten, Severus Verlag /  Taschenbuch, € 29,90

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