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Une belle histoire

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Côte d’Azur

Côte d’Azur

Was wäre Frankreich ohne die Liebe? Das Frankreich Magazin porträtiert die berühmtesten Liebespaare der Geschichte. In dieser Ausgabe: LiedermacherSchauspieler Serge Gainsbourg und Sängerin-Schauspielerin Jane Birkin.

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Me Serge, you JaneWie sich die Liebe zwischen dem avantgardistischen Tarzan und seiner schönen Jane im Bohème-Dschungel von Paris als unendlich erwies.

TEXT CHANTAL VAN WEES FOTOS SHUTTERSTOCK, IMAGESELECT

Ihre Beziehung dauerte nur zehn Jahre, denn er verließ das Leben 1991. Doch die Liebe ist noch nicht vorbei. Bis heute wacht Jane über sein Vermächtnis und bringt sein Werk auf der ganzen Welt auf die Bühne, damit ihr Serge, der geniale Liedermacher, nicht in Vergessenheit gerät. Es ist die Geschichte von der Schönen und dem Biest. Hier die französischen Avantgarde - schroff, widersprüchlich und charmant zugleich - dort die englische Rose - rein in ihrer Schönheit und sexy auf eine fast kindlich unschuldige Art. Sie waren zweifelsohne das kreativste und schillerndste Paar, das zwischen 1968 und 1980 ganz Europa in Aufruhr versetzte. Das Paar verkörperte den Bohème-Lebensstil der Swinging Sixties: lebendig, sorglos und voller unerforschter Möglichkeiten. „Er war ein großer Mann. Ich war einfach nur schön anzusehen“, sagte Jane Birkin später.

Upper class und Hinterhof

Jane wuchs in England in einer Familie der Oberschicht auf. Auf den Ländereien ihrer Jugend träumt sie davon, eine berühmte Schauspielerin zu werden. Serge hat einen eher belasteten Hintergrund: Seine russisch-jüdische Einwandererfamilie hat den Krieg in Frankreich nur knapp überlebt. Er wuchs in den Pariser Problembezirke auf, arbeitete sich vom Pianisten zum Liedermacher, Textdichter und Komponisten musikalisch brillanter Lieder hoch, immer mit einem Hauch von Zynismus in seinen Texten. Die beiden treffen sich 1968 am Set des französischen Films Slogan unter der Regie von Pierre Grimblat. Jane hat sich gerade von ihrem ersten Mann, dem Komponisten John Barry, geschieden, mit dem sie eine kleine Tochter, Kate, hat. Als Jane Serge trifft, hat sie ihren Liebeskummer noch nicht überwunden. Obwohl sie kein einziges Wort Französisch kann, spricht sie für eine Rolle in dem Film vor. Wahrscheinlich will sie einfach nur weit weg von England sein, wo ihr das Herz gebrochen wurde und alles sie daran erinnert. Mit einem blutenden Herzen und einem Baby auf dem Arm weiß Jane Serge nicht auf Anhieb zu schätzen. Sie findet ihn grob. Ihr Bruder Andrew erinnert sich, dass sie über ihn sagte: „Er ist schrecklich! Dieser fiese Kerl Serge Bourgignon. Er sollte meinen Liebhaber spielen, aber er ist so arrogant und versnobt und er widert mich an.“

„Er war ein großer Mann. Ich war einfach nur schön anzusehen“

Ordentlich beschwipst

Um das Eis zwischen ihnen zu brechen - sie sollen ein Liebespaar spielen - zerrt sie ihn auf einer Party für die Schauspieler und das Filmteam auf die Tanzfläche. Zunächst weigert er sich, denn der › Linken Seite: auf dem Markt in Berwick in Londen; Graffiti von Fans an Gainsbourgs Haus.

Der Papst war der beste PR-Mann für Serge Gainsbourg

brillante Musiker ist ein schrecklicher Tänzer und das weiß er auch. Serge tritt ihr versehentlich auf den Fuß, aber das tut dem Spaß keinen Abbruch: Der Funke springt über, sie haben Spaß und tanzen den ganzen Abend miteinander. Danach gehen sie gemeinsam in ein paar weitere Nachtclubs. Als sie beide stark beschwipst in seinem Hotelzimmer landen, schläft Serge sofort ein. Jane verbringt den Rest der Nacht damit, ihn beim Schlafen zu beobachten und wird es später als „einen der romantischsten Abende überhaupt“ bezeichnen.

Diese Seite: links: Jane und Serge mit Kate, der Tochter aus Janes früherer Beziehung mit John Barry, und der gemeinsamen Tochter Charlotte; rechts: zu Gast in einer deutschen Musiksendung. Rechte Seite: oben: Enthüllung einer Tafel zu Ehren von Serge in der Rue Chaptal in Paris; unten: Serge in erkennbarer Pose.

Je t’aime... moi non plus

Von dieser Nacht an sind sie ein Paar. Eine Beziehung zwischen Dichter und Muse, die durch eine tiefe Freundschaft verbunden ist. 1969 arbeitete das Liebesduo gemeinsam an einem Lied, das Serge Gainsbourg zuvor für Brigitte Bardot, eine andere epische Schönheit, mit der er eine Liebesbeziehung hatte, geschrieben und aufgenommen hatte. Bardot hat inzwischen einen neuen Ehemann und befürchtet, dass sie angesichts der erotischen Tendenz des Liedes ihre Ehe aufs Spiel setzt. „Als Serge mich das erste Mal bat, eine neue Version von Je t'aime.... moi non plus einzuspielen, ich wollte nicht“, sagt Jane später. „Ich hatte die Version mit Bardot gehört, und die war einfach zu beeindruckend. Und ich war eifersüchtig bei der Vorstellung an ihn, eingepfercht in einer Kabine mit diesem außergewöhnlich schönen Mädchen.“ Das Lied Je t'aime... ist von eindeutig erotischen Anspielungen durchdrungen. Wenn man dann noch Jane Birkins seufzenden, stöhnenden und äußerst suggestiven Backgroundgesang hinzufügt, hat man das Rezept für unmittelbare Kontroversen und ewigen Ruhm.

Verbotenes Lied

Der Vatikan verbietet das Lied, und in mehreren Ländern, darunter England, darf es nicht im Radio gespielt werden. In Frankreich ist man da etwas nachsichtiger: Das Lied wird nach elf Uhr abends in den Restaurants gespielt, in denen das Paar gerne isst, und die Single wird verkauft, allerdings in demselben Tarnpapier, in dem auch Pornohefte und -filme verkauft werden. Und zwar nur für Personen ab 21 Jahren. Der Staub, den Je t'aime... aufwirbelt, macht das Lied nur noch populärer und führt die Charts in fast ganz Europa an. Jane erinnert sich, dass Serge ihr sagte, der Papst sei sein bester PR-Mann: „Er liebte es“, sagt sie über seine Lust am

Unfug. Als Gerüchte kursieren, der Song sei mit Mikrofonen unter dem Bett aufgenommen worden, bemerkt Serge spöttisch: „Zum Glück nicht, sonst hätte ich eine Langspielplatte daraus gemacht.“ Er freut sich über den kommerziellen Erfolg, aber insgeheim ist das Lied für ihn das ultimative Liebeslied. Nach diesem Erfolg fahren sie nach Venedig. „Da habe ich mich unsterblich in ihn verliebt“, sagt Jane in einem Interview, „er hat mir den ganzen Schmerz genommen, dass es zwischen mir und John Barry nicht geklappt hatte, und ich glaube, ich habe ihm geholfen, über Brigitte Bardot hinwegzukommen, die ihn verlassen hatte.“

Vater und Mutter

Aus der Verliebtheit wird eine ernsthafte Beziehung. Kurze Zeit später bekommen sie ihre erste gemeinsame Tochter: Charlotte, 1971. Gainsbourg wird von väterlichen Gefühlen überwältigt. „Er war ein wundervoller Vater, und er war furchtbar emotional, als Charlotte geboren wurde“, erzählte sie später. „Sie wurde in ein anderes Krankenhaus verlegt, und ich durfte nicht zu ihr gehen, weil ich krank geworden war. Laut weinend fuhr Serge in einem Taxi davon, die kleine Charlotte in einer Wiege bei sich.“ Wie jedes andere Paar auch, streiten sie sich oft. Womöglich sind ihre Streitigkeiten ein wenig theatralischer und dramatischer als die des Durchschnittspaares. An einem bestimmten alkoholgetränkten Samstagabend im Pariser Hotspot Chez Castel tanzen sie. Ohne ersichtlichen Grund wirft Serge Janes berühmten Weidenkorb, der ihr nie von der Seite weicht, auf den Kopf und der gesamte Inhalt fliegt über die Tanzfläche. Sie ist so wütend, dass sie sich ein Stück Kuchen schnappt und es nach Serge wirft. Erschrocken über ihre eigene Reaktion, flieht sie aus dem Club, rennt die Rue des Saints-Pères hinunter und springt in die Seine. „Ich dachte, ich hätte etwas so Schändliches getan, dass ich etwas ganz Besonderes tun musste, um es wiedergutzumachen“, erzählte sie später. Schließlich wird sie von Feuerwehrleuten aus dem Wasser gefischt und die beiden versöhnen sich schnell wieder. Arm in Arm gehen sie nach all der Aufregung wieder nach Hause. Sie bedauert nur, dass sie ihre Yves Saint Laurent-Bluse trägt, die nicht wasserdicht ist.

Womöglich sind ihre Streits ein wenig theatralischer und dramatischer als sonst

Kuschelaffe Munkie

Serge beginnt immer mehr zu trinken und sein Rausch wird rauer. Janes dramatische Art und ihre Sensibilität, die sie öfters in Tränen ausbrechen und schreien lässt, machen die Beziehung sehr intensiv. Sie lieben sich, aber das gemeinsame Leben wird zu einer Hölle aus Schuldzuweisungen und Streitereien. Und sie haben auch zwei Kinder, für die gesorgt sein will. 1980 hat Jane die Nase voll und zieht die Reißleine. Sie nimmt ihre Töchter mit und zieht mit dem Filmregisseur Jacques Doillon zusammen, der in sie verliebt ist. Sie hofft auf ein ruhigeres Leben ›

„Unsere Freundschaft hielt bis an den Tag, an dem er starb“

Oben: Jane und Serge 1974; unten: das Grab von Serge Gainsbourg auf dem Friedhof Montparnasse. ohne Serge. Aber sie verlassen einander nie wirklich. Als Jane ihre dritte Tochter zur Welt bringt, schickt Serge ihr eine Schachtel mit Babykleidung und eine Karte mit der Aufschrift „Papa Deux“ (Papa Zwei). Er wird auch der Patenonkel der kleinen Lou. Bis zu seinem Tod schreibt er weiterhin Lieder für Jane. Nicht nur Jane, sondern auch ihr Bruder Andrew und ihre drei Töchter lieben und schätzen Serge. Andrew, der Single ist, fährt oft mit ihnen in den Urlaub und macht wunderschöne Fotos von dem Duo. „Ich habe mich in Serge verliebt, Andrew hat sich in Serge verliebt, Serge hat sich in Andrew verliebt. Wir waren ein Trio“, sagt Jane über ihre Beziehung zu ihrem Bruder und ihrem Liebhaber. Als Serge 1991 an einem Herzinfarkt stirbt, ist die gesamte Familie Birkin verzweifelt. Sie verbringen untröstlich drei Tage beim Leichnam. Sie können nicht von ihm loslassen. Aber das müssen sie. Bevor sie ihn zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Friedhof von Montparnasse begleitet, legt Jane ihm ihr Kuscheläffchen Munkie in die Arme, das sie ihr ganzes Leben lang hatte und dem sie als Kind alle ihre Geheimnisse anvertraut hatte, mit in den Sarg.

Zwei alte Damen

Ihre Liebe zu Serge kostet sie ihre Beziehung zu Doillon, denn selbst nach seinem Tod kann sie Serge nicht loslassen. Jahre später sagt sie auf die Frage nach ihrer berühmten Liebesbeziehung zu Serge: „Unsere Freundschaft hielt bis an den Tag, an dem er starb. An jenem Tag rief er mich in London an, um mir mitzuteilen, dass er mir einen großen Diamanten gekauft hatte, weil ich jenen, den er mir zuvor geschenkt hatte, verloren hatte. ‚Oh, hör auf zu trinken, Serge‘, antwortete ich.“ Obwohl sein Verhalten aufgrund seines starken Alkoholkonsums für sie unerträglich geworden war, bleibt sie ihm in ihrem Herzen treu. Ihre Bindung ändert sich im Laufe ihres Lebens, aber die Liebe bleibt. Sie erklärt es nach seinem Tod wie folgt: „Serge hatte ein Lied für mich geschrieben, mit dem Text: ‚Eines der Dinge, die du nicht weißt, ist, dass du das Beste von mir hattest‘. Ich erinnere mich, dass ich dachte: Das ist wahr. Wir waren wie zwei alte Damen auf einer Bank, die sich darüber unterhielten, wer wen im Stich gelassen hatte und wer der anderen was angetan hatte, und meine alte Dame war nicht mehr da. Vorbei.“

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