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BUD SPENCER & TERENCE HILL

Filme wie „Hügel der blutigen Stiefel“ zogen in den 60er und 70er Jahren Millionen Menschen in die Kinos. Treibende Kräfte hinter dem international erfolgreichen Phänomen des komischen Spaghetti-Westerns sind die italienischen Schauspieler Bud Spencer und Terence Hill. Ein unschlagbares Duo, sowohl vor als auch hinter den Kulissen. „Unsere Freundschaft ist wie Liebe ohne Sex.“

TEXT RONALD KUIPERS

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Szene aus „Vier Fäuste für ein Halleluja“ (1971) mit links Bud Spencer und im Vordergrund Terence Hill. Am 30. Juni 2016 strömen tausende Trauernde zum Piazza del Popolo in Rom. Ihr Idol ist tot. Doch weder ein Staatsoberhaupt noch ein Kriegsheld wird beerdigt, sondern ein Filmstar, der seinen Fans jahrzehntelang Unterhaltung, Trost und Spannung geboten hatte. Alle wichtigen Medien - von der Qualitätszeitung La Repubblica bis zum staatlichen Sender RAI berichten vor Ort über die Gedenkfeier. Selbst Ministerpräsident Renzi drückt sein Mitgefühl aus und lobt den Beitrag des Filmstars zur italienischen Kultur. Sein Name? Bud Spencer, genannt „Bulldozer“. In seiner Rolle als liebenswerter Riese hat er Millionen zum Lachen gebracht. Sein guter Freund Terence Hill, Buds schlagfertiger, gewitzter Gegenpart auf der Leinwand, spricht einfühlsame Worte, es fließen allseits Tränen: „Bud brachte immer Freude. Wenn wir uns jemals wiedersehen, werden seine ersten Worte sein: Wir haben uns noch nie gestritten!“ >

Helden des Spaghetti-Westerns

Peggy Guggenheim – en hondjes – in haar palazzo aan het Canal Grande, 1950.

AF ARCHIVE/ALAMY STOCK PHOTO ©

Film „Der Leopard“ (1963) von Regisseur Luchino Visconti. Mario Girotti (Terence Hill) spielt eine wichtige Nebenrolle. Bud Spencer wurde 1929 als Carlo Pedersoli in einem noblen Viertel Neapels geboren, wo sein Vater eine gut laufende Möbelfabrik besaß. Carlo wird von einem Chauffeur in Uniform zur Schule gefahren und hat eine deutsche Gouvernante, die ihm perfektes Deutsch beibringt. 1943 wird sein behütetes Leben durch die Bombenangriffe der Alliierten, die die Fabrik seines Vaters in Schutt und Asche legen, jäh unterbrochen. Die Familie Pedersoli flieht nach Rom, wo sie von ihren Ersparnissen lebt. Als das Geld ausgeht, sorgt Carlos Mutter mit dem Verkauf von mit Bildern des Kolosseums bestickten Taschentüchern an amerikanische Soldaten für ein gewisses Einkommen. Terence Hill kam 1939 kurz vor dem Krieg als Mario Girotti in Venedig zur Welt, als Sohn eines Italieners (von dem er seine strahlend blauen Augen hat) und einer Deutschen. Als die Alliierten nach Norden vorrücken, zieht die Familie Girotti nach Deutschland, in einen kleinen Ort nahe Dresden, wo Marios Großeltern leben. Sie geraten vom Regen in die Traufe. Im Februar 1945 legen britischamerikanische Bomber Dresden in Schutt und Asche. Ein paar Kilometer entfernt sieht der kleine Mario, wie der Feuersturm über die Stadt fegt. Er spürt die Druckwellen der Explosionen und hört das Brüllen der Flammen. Einige Monate später wird er Zeuge der Untaten der Roten Armee, die auf ihrem Vormarsch die Zivilbevölkerung terrorisiert. Mario verfolgen jahrelang Albträume. Er wird Gewalt immer hassen und für Pazifismus eintreten.

Weg da, ich lebe mein Leben

Sein späterer Partner Carlo Pedersoli stellt sich nach dem Krieg der Zukunft mit einer gehörigen Portion neapolitanischer Lebensenergie: „Aus dem Weg, ich lebe mein Leben“. Er entwickelt sich zu einem phänomenalen Sportler. Er ist hervorragend im Wasserball und der erste Italiener, der die 100 Meter Freistil unter einer Minute schwimmt. 1952 und 1956 vertritt er Italien bei den Olympischen Spielen, was ihm landesweit Aufmerksamkeit in den Sportzeitschriften einbringt. Dass er die Weltspitze nicht erreicht, führen seine Trainer auf seinen arg den Freuden des Lebens zugewandten Lebensstil zurück: Er trainiert, wann es ihm passt, weigert sich, mit dem Rauchen aufzuhören und liebt es, zu trinken und zu schlemmen. Nach seiner Schwimmkarriere versucht Carlo sich als Bauarbeiter, Bibliothekar und Autoverkäufer durchzuschlagen. Von Schulden geplagt, sucht er Zuflucht in Venezuela, wo er im Dschungel inmitten von schießwütigen Gaunern, Panthern und giftigen Spinnen am Bau der Panamericana arbeitet. Das Leben von Mario Girotti hingegen ist nach dem Krieg weniger abenteuerlich. Obwohl auch er ein ausgezeichneter Sportler ist, der sich im Schwimmen und Turnen behauptet, gilt seine Leidenschaft der Schauspielerei. Er nimmt Schauspielunterricht und spielt schon in jungen Jahren in allerlei Jugendfilmen. Doch als mit 17 Jahren seine Mutter, der größte Fan seiner Schauspielerei, plötzlich stirbt, spielt sein unsicherer und introvertierter Charakter auf: Ist das wirklich seine Zukunft? Mario spricht weiterhin für Filmrollen vor, studiert aber auch klassische Literatur und Philosophie in Rom. Erst als er 1963 eine wichtige Nebenrolle in der Literaturverfilmung „Il gattopardo“ (Der Leopard) von Starregisseur Luchino Visconti bekommt und an der Seite von Stars wie Burt Lancaster und Claudia Cardinale spielen darf, weiß er: Das ist es, was er will. Er bricht sein Studium ab und nennt sich fortan Filmschauspieler. Unterdessen, während Carlo in den frühen Fünfzigern mit seiner Schwimmkarriere beschäftigt ist und der zehn Jahre jüngere Mario mit der Schule und kleinen Filmrollen, geschieht in Rom ein Wunder.

Hollywood am Tiber

Die CinecittàFilmstudios, die einst von Mussolini für die faschistische Propagan-

©MARY EVANS PICTURE LIBRARY LTD/ANP

Dass er die Weltspitze im Sport nicht erreicht, führen seine Trainer auf seinen sehr den Freuden des Lebens zugewandten Lebensstil zurück

da eingerichtet wurden und nach dem Krieg als Flüchtlingslager dienten, sind wie ein Phönix aus der Asche auferstanden. Amerikanische Filmproduzenten verlassen die USA, weil dort die Kosten explodieren, die Gewerkschaften stark sind und Gewalt und Sex im Film streng zensiert werden (selbst ein Wort wie „BH“ ist dort tabu). Rom hingegen gewährt ihnen völlige Freiheit. Für einen historischen Spielfilm wie „Quo Vadis“ (1951) werden massenhaft Statisten für einen Apfel und ein Ei engagiert (darunter eine sehr junge Sophia Loren als Sklavin und Carlo Pedersoli als Leibwächter), ohne dass ein einziger Gewerk- >

Rechts: Fans erweisen Bud Spencer die letzte Ehre am Tage seiner Beerdigung in Rom, dem, 30. Juni 2016. Unten: Poster des Films „Vier für ein Ave Maria“. schafter protestiert. So werden die Cinecittà Studios in Rom zu „Hollywood am Tiber“, wo viele Filme für den internationalen Markt entstehen. In den frühen 1960er Jahren wagen sich einige italienische Produzenten an den heiligen Gral der amerikanischen Filmkultur: den Western. Regisseure wie Sergio Leone und Sergio Corbucci machen sich dabei über alle Konventionen des Genres lustig. Bei ihnen gibt es keine furchtlosen Helden, die den Wilden Westen als das „gelobte Land“ von finsteren Banditen und wilden Indianern befreien. Bei Leone und Corbucci sind die Helden oft genauso schlimm (oder noch schlimmer) wie die Schurken, die Gewalt ist sinnlos und

PIERO OLIOSI/POLARIS/ANP © bisweilen sogar sadistisch. Es gibt kein gelobtes Land am Horizont, dort warten nur noch mehr Blut und Elend. Der „SpaghettiWestern“ setzte sich international durch, sogar in den USA. Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“ (1964), gedreht in einer trostlosen Landschaft und mit dramatischer Musik von Ennio Morricone, erreicht ein Millionenpublikum und bildete den Auftakt zu reihenweise weiteren SpaghettiWestern. Der perfekte Gegensatz

Carlo Pedersoli kehrt 1960 aus Venezuela nach Italien zurück, heiratet seine geliebte Maria Amato, versuchte sich als Sänger in Nachtclubs, als Komponist neapolitanischer Lieder (obwohl er keine einzige Note lesen kann) und als Dokumentarfilmer: „Ich war alles, außer Balletttänzer und Jockey, denn Mutter Natur hat mir nicht den Körper dafür gegeben.“ Carlo verdingt sich auch als Statist und spielt oft die Rolle eines Soldaten, Polizisten oder Boxers, obwohl er bereitwillig zugibt, keinerlei schauspielerische Fähigkeiten zu besitzen. Er zitiert gerne den Regisseur Orson Welles: „In Italien leben 50 Millionen Schauspieler, und die schlimmsten von ihnen stehen auf der Bühne.“ Über seine Arbeit als Statist kommt Carlo in Kontakt mit dem Regisseur Giuseppe Colizzi, dem eine neue Art von SpaghettiWestern vorschwebt: ohne extreme Gewalt und schwüle Erotik, dafür vor allem humorvoll und leichtfüßig. Kurzum, ein komischer ActionWestern für die ganze Familie. Colizzi sieht in dem massigen Leib des ehemaligen olympischen Schwimmers Carlo Pedersoli, der jetzt fast 140 Kilo wiegt, ein komisches Potenzial. Dass Carlo nur 25 Wörter Englisch spricht, ist kein Problem - solange er seinen Bart behält, damit die Lippenbewegungen in der Synchronisation nicht zu sehr stören. Colizzi stellt Carlo jenen Schauspieler zur Seite, den er aus den Verfilmungen der Westernromane von Karl May kennt: Mario Girotti. Im Gegensatz

SHUTTERSTOCK/ANP REX/ FRANCESCO FOTIA/AGF/ ©

Terence Hill spielt nach Herzenslust den durchtriebenen Charmeur, der Frauen so mühelos um den Finger wickelt, wie er Männer ausmanövriert

zu Carlo ist Mario schnell und sportlich, ein perfekter Kontrast. Da der Markt für seinen Film international ist, lässt Colizzi seine beiden Protagonisten englisch klingende Künstlernamen erfinden. Carlo wählt Bud Spencer (nach dem BudweiserBier und seinem Lieblingsschauspieler Spencer Tracy), Mario wird Terence Hill (mit den umgekehrten Initialen seiner Mutter Hildegard Thieme). Bei den Dreharbeiten zu „Gott vergibt… Django nie!“ (1967) stellt sich heraus, dass die beiden Hauptdarsteller wunderbar zusammenpassen. Bud Spencer genießt seine Rolle als grummeliger Rüpel, der hier und da ein paar gut gezielte Schläge austeilt. Und Terence Hill spielt nach Herzenslust den durchtriebenen Charmeur, der Frauen so mühelos um den Finger wickelt, wie er Männer ausmanövriert. Um den Effekt zu verstärken, schickt Regisseur Colizzi ihn in den Zoo, >

Das Publikum kann gar nicht genug bekommen von Buds und Terence’ urkomischen Scharmützeln, ausschweifenden Gelagen und albernen Dialogen.

Terence Hill als Don Matteo (2000).

TIPP

Museum für Fans

In Deutschland, wo sich Bud Spencer en Terence Hill ebenso großer Beliebtheit erfreuen wie in ihrer Heimat Italien, gibt es zwei Museen mit Multimedia, persönlichen Gegenständen, Kostümen und Requisiten des Film-Duos. • In Berlin eröffnete vor kurzem das Bud Spencer-Museum Unter den Linden 10. budspencer-museum.com • Das Terence Hill-Museum liegt in der Nähe von Dresden, im Städtchen Lommatzsch. Am Markt 14. terencehill-museum.de wo er lernen muss, mit seinen blauen Augen genauso hypnotisch zu starren wie die Tiger. „Gott vergibt… Django nie!“ ist ein großer Erfolg, von den USA bis Japan. In den folgenden SpaghettiWestern von Colizzi mit dem Duo, wie „Hügel der blutigen Stiefel“ (1969), wird der komische Aspekt noch stärker betont. Die Gewalt wird zum reinen Slapstick, vergleichbar mit der Spiegelfechterei im uralten Straßentheater der Commedia dell'arte und vor allem in den Lachfilmen von Stan Laurel und Oliver Hardy („Dick und Doof“) deren Timing und Mimik Colizzi sehr bewundert. Die Kampfszenen, bei denen niemand verletzt oder getötet wird, sind auf die Sekunde genau durchdacht wie ein Ballett. Bud: „Für einen einminütigen Kampf mussten wir oft eine ganze Woche lang üben und drehen.“ Das Publikum kann gar nicht genug bekommen von Buds und Terence' urkomischen Scharmützeln, ausschweifenden Gelagen und albernen Dialogen. Die Kassenerlöse übertreffen sogar die des „Königs des Spaghetti Westerns“, Sergio Leone. Das Erfolgsrezept des komischen Duos „zwei Streithähne mit einem Herz aus Gold“ funktioniert auch ohne Western: Bud Spencer und Terence Hill als Missionare im Dschungel, als Polizisten in den USA und als Piraten in der Karibik. Sogar Fidel Castro ist bekennender Fan.

Ich esse, also bin ich!

Mitte der 1980er Jahre bekommt das Genre der Action-Komödie zunehmend Konkurrenz von nordamerikanischen harten Actionfilmen. Terence Hill wird die Rolle des Rambo angeboten, er lehnt sie wegen der Gewalt ab. Nach achtzehn gemeinsamen Filmen trennen sich die Wege von Bud Spencer und Terence Hill, obwohl sie eng befreundet blieben. Bud Spencer: „Unsere Freundschaft ist wie Liebe ohne Sex.“ Bud geht zum Fernsehen, etwa in der beliebten Serie „Zwei Supertypen in Miami“, in der er einen Detektiv spielt, der lieber seine Fäuste als seine Pistole benutzt. Er verbringt viel Zeit mit seinem großen Hobby, dem Fliegen. Trotz seiner schlechten Augen überquert er den Atlantik und gründet seine eigene Fluggesellschaft, Mistral Air. Eine Zeit lang ist er politisch für Berlusconis Partei Forza Italia aktiv und schreibt bis zu seinem Tod 2016 mehrere Bücher über sein Leben („Ich war kein Schauspieler, sondern eine physische Präsenz“) und seine Leidenschaft für das Essen („mangio, ergo sum“ – „Ich esse, also bin ich“). Quasi-religiöse Mission

Terence Hill wird nach dem plötzlichen Tod seines Adoptivsohns Ross für einige Zeit depressiv. Er verabschiedet sich von seinem Image als redegewandter Charmeur. Ab 2000 spielt er den Priester Don Matteo, der als Amateurdetektiv in der wunderschön gelegenen historischen Stadt Gubbio Verbrechen schneller aufklärt als die örtliche Polizei. Terence: „Es ist ganz natürlich für mich, diese Rolle zu spielen, denn ich teile mit Don Matteo meinen tiefen Glauben.“ Ab 2010 brilliert er in der Serie „Un passo dal cielo“ (Die Bergpolizei – Ganz nah am Himmel) als Förster Pietro in der überwältigenden Natur der Südtiroler Berge. Wie Don Matteo ist auch Pietro ein Vorbild an Berufung, er pflegt die Natur mit quasireligiöser Hingabe. Beide Rollen machen den einstigen Revolverhelden zu einem der beliebtesten Schauspieler Italiens.•

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