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DIE VILLA TORLONIA IN ROM

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DIE Villa Torlonia

Elegant, exzentrisch und eklektizistisch

Aus kultureller und historischer Sicht gehört die Villa Torlonia zu den interessantesten Parks in Rom. Er hat allerlei kulturelle Sehenswürdigkeiten zu bieten, darunter das elegante Casino Nobile, einen Bunker, das Eulenhaus sowie die frisch restaurierte Serra Moresca, die von spanischer Architektur inspiriert ist.

TEXT UND FOTOS JESPER STORGAARD JENSEN

Unter den zahlreichen Parks und Grünflächen Roms gehört die Villa Torlonia zu den spannendsten. Sie liegt an der Via Nomentana knapp außerhalb des historischen Zentrums. Verliebte Pärchen und Familien mit kleinen Kindern finden hier ebenso her, wie fast alle anderen auch. Der römische Stammbaum der Familie Torlonia reicht bis in die erste Hälfte des 18. Jh. zurück. Damals begann die Familie mit dem Aufbau des später erfolgreichen Handels mit Textilien. Bald kamen andere kommerzielle und finanzielle Unternehmungen hinzu, darunter Immobilien und Aktivitäten als Kunstmäzene mit einer enormen Sammelwut. Die Torlonias besaßen zudem Ackerland und Villen in und um Rom herum. Eine davon ist die Villa Torlonia. Nachdem Giovanni Raimondo Torlonia das Areal 1797 erwerben konnte, hatte er den namhaften Architekten Giuseppe Valadier von 1802 und 1806 mit einem ambitionierten Projekt beauftragt. Er sollte das vor allem landwirtschaftlich genutzte Gelände in einen attraktiven Park umbauen. Zugleich war Valadier für den Wiederaufbau und die Befestigung des wichtigsten Bauwerks im Park verantwortlich: das Casino Nobile, eine prächtige Villa, die mehrere Generationen der Familie Torlonia bewohnt haben. Heute steht die beeindruckende Villa Besuchern offen. Sie ist die Attraktion des Torlonia-Parks. Das Innere führt vor Augen, wie eine einflussreiche Adelsfamilien in Rom lebte. Wer etwa im großzügigen Ballsaal steht, kann sich gut vorstellen, wie sich einst aristokratische Gäste über das Parkett bewegten. Im ersten Stock kommen Besucher derweil in den >

Die Serra Moresca wurde im Dezember 2021 nach einer Restaurierung wiedereröffnet. Genuss diverser Skulpturen aus der opulenten Sammlung der Familie. Hinzu kommen zahlreiche Gemälde der sogenannten Römischen Schule, (La scuola romana), die zwischen den beiden Weltkriegen entstanden sind. Mussolinis Verstecke

1925 zogen neue Bewohner in die Villa. Damals beschloss die Familie Torlonia, ihr Anwesen an den zukünftigen Diktator Italiens zu vermieten, Benito Mussolini. Bei der Miete handelte es sich um einen symbolischen Betrag, der dem Vernehmen nach lediglich eine Lira betrug. So lebte ein Teil der Familie Mussolini von Juli 1925 bis Juli 1943 in der Villa. Mussolini selbst wohnte von 1928 bis zum Ausbruch des Krieges mit Frau und Kindern dort. Wegen des Krieges begann er 1940 mit dem Bau eines unterirdischen Zufluchtsortes für seine Familie und sich. Hierzu hatte er sich den ehemaligen Weinkeller der Familie Torlonia auserkoren. Der alte Keller befand sich allerdings zu weit weg vom Haupthaus, weshalb Mussolini ihn für nicht ausreichend sicher hielt. 1941 begann er darum mit der Ausführung von Plan B, einem weiteren Versteck, das auch vor Gasangriffen Schutz bot und das von einer dicken Schicht Beton umgeben war. Das Versteck allerdings war sehr klein, weshalb sich Mussolini letztlich für den Bau eines dritten Zufluchtsortes entschied, einem echten Bunker, der 1942 vollendet wurde. Seit einigen Jahren bietet die Stadt Rom Führungen durch diese Verstecke an. Mit allen historischen Fakten im Hinterkopf nehme ich gespannt in einer Gruppe von acht Leuten daran teil. Unser Guide holt

Mussolini lebte von 1928 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit Frau und Kindern in der Villa Torlonia

unterdessen einen Schlüsselbund hervor, um die erste Türe zu öffnen. Wir werden „eingeschlossen“ und schreiten hintereinander durch die staubigen Gänge. Hin und wieder halten wir, um Geschichten über Mussolini, den Krieg und die Villa Torlonia zu lauschen. In einem Raum sehe ich einen alten braunen Schreibtisch, an der Wand hängt ein altmodisches schwarzes Telefon, das Mussolini verwendet haben soll. Der spannendste Moment folgt, als unsere Führerin uns bittet, auf zwei Holzbänken Platz zu nehmen, die an den kahlen Mauern des Bunkers stehen. Sie erläutert, dass die Stadt Rom gemeinsam mit dem Istituto Luce – 1924 gegründet und heute vor allem für seine große Sammlung an Filmfragmenten bekannt – die lebensnahe Simulation eines Luftangriffs nachgestellt hat. Das Licht im Bunker geht aus. Es ist einige Sekunden lang vollkommen still und dunkel. Danach ist ein schwaches Geräusch wahrnehmbar, das langsam anschwillt. Die Imitation eines Luftalarms. Jetzt nähern sich Bombenflieger der Stadt. Ich schließe die Augen und stelle meine innere Uhr auf das Jahr 1943 um. Kurz darauf spüre ich die Flugzeuge förmlich über meinem Kopf. Es fühlt sich unheimlich an, auch wenn ich weiß, dass es sich um eine Fiktion handelt. Bald fallen die ersten Bomben. Der Boden scheint zu zittern. Dies wird durch einen Mechanismus verursacht, der in die Holzbänke, auf denen wir sitzen, eingebaut ist. Der Effekt ist beeindruckend. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich die Schulterblätter bis zu den Ohren hinaufgezogen habe. Der Schrecken hält zwischen drei und vier Minuten voller Gänsehaut an. So gesehen entpuppt es sich als Segen, unbeschadet ans Tageslicht zurückzukehren. Das Eulenhaus

Eine weitere merkwürdige Attraktion der Villa Torlonia ist das merkwürdige Casina delle Civette, das Eulenhaus. Es wurde 1839 vom Architekten Giuseppe Jappelli als Schweizer Hütte errichtet. Später, zu Beginn des 20. Jh., wurde es zu einem

Aufschlagseite: Die Villa Casino Nobile; der Park, Bleiglas im Eulenhaus; der Ballsaal. Unten: Die Serra Moresca; das Eulenhaus im Grünen.

TIPPS

• museivillatorlonia.it • Für den Besuch der

Serra Moresca: museiincomuneroma. vivaticket.it • Für den Besuch von

Mussolinis Bunker (1,5 Std.) visiteromasotterranea.it/bunkervilla-torlonia.html

Auf einen Drink im Limonaia.

eklektizistischen Häuschen umgebaut, das die Residenz von Prinz Giovanni Torlonia jr. werden sollte. Der Name leitet sich von der vielseitigen Verwendung des Eulenmotivs im Interieur ab, deren häufiges Auftreten dazu reizt, die Vögel zu zählen. Das Eulenhaus ist indes auch für seine selten schönen Bleiglasfenster berühmt. Die meisten wurden zwischen 1910 und 1923 von Cesare Picchiarini hergestellt. Seit 1997 fungiert das Haus als Museum und seitdem wurden die Bleiglasverzierungen sukzessive angereichert. Im Dezember 2021 wurde die neueste Sehenswürdigkeit der Villa Torlonia wiedereröffnet: die Serra Moresca. Dabei handelt es sich um einen maurischen Baukomplex mit Gewächshäusern und Türmen, den Giuseppe Jappelli entworfen hat und der 1839-40 errichtet wurde. Der Bau wurde über 15 Jahre hinweg in zwei Phasen restauriert. Seitdem die finale Phase vollendet wurde, hat sich die Serra Moresca auch für zahlreiche Römer zu einer veritablen Attraktion gemausert. In historischen Dokumenten wird das Gewächshaus oft als stufa (als erwärmte Räume für die Zucht seltener exotischer Gewächse) bezeichnet. Hierfür wird es denn auch heute verwendet: Besucher können sich an exotischen Pflanzen erfreuen, die in einem Bau gedeihen, der von der Alhambra im spanischen Granada inspiriert ist. Das Gewächshaus besteht aus einem großen rechteckigen Bau, der an zwei Seiten von skulpturalen Säulen getragen wird, die mit Blumenreliefs bemalt sind. Dazwischen befindet sich geometrisch geformtes Bleiglas. Ähnlichkeiten mit dem nordafrikanischen Baustil sind auch hier nicht zu übersehen. Ein Durchgang führt zum Turm des Bauwerks, der (manchmal) über eine kleine Treppe zugänglich ist. Es ist ein Ort, wo sich Geschichte, Natur und der Kontakt mit fremden Kulturen auf spannende Art und Weise begegnen. Falsche Ruinen

Bevor der Besuch der Villa Torlonia endet, verdient noch ein weiteres Phänomen Aufmerksamkeit. Die falsi ruderi oder „falschen Ruinen“ aus dem 16. Jh., die seinerzeit unter Architekten beliebt waren, um mithilfe vermeintlicher römischer Relikte den Charme des Parks weiter zu erhöhen. Die Entscheidung für den Bau geht auf Kardinal Girolamo Colonna di Sciarra zurück, der den Architekten Ignazio Muratori damit beauftragte, die „Ruinen“ mit Materialen aus der etwas außerhalb von Rom in Castel Gandolfo gelegenen Villa von Kaiser Domitian zu bauen. Muratori allerdings starb 1763, weshalb die Bauten bis heute unvollendet blieben. Der Besuch im Park ist ein herrlicher und vielseitiger Marsch durch die Epochen. Da bietet das Restaurant Limonaia eine willkommene Gelegenheit für eine kleine Pause. Hier können Gäste etwas essen oder trinken, um sich für den Rest der Besichtigung des überraschenden Parks zu rüsten. •

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