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Der Brexit kommt
WAS UNTERNEHMEN JETZT WISSEN MÜSSEN
(Foto: Maksym Yemelyano – adobe.stock.com)
Die Zeit läuft: Bis zum 31. Dezember 2020 müssen die EU und das Vereinigte Königreich ihre wirtschaftlichen Beziehungen auf ein neues Fundament gestellt haben. Die Verhandlungen sind zäh und von Rückschlägen geprägt – für Unternehmen mit Handelsbeziehungen jenseits des Kanals ein großer Unsicherheitsfaktor. Welche Vorkehrungen können Betriebe nun treffen, um ihre Geschäftsbeziehungen ins Vereinigte Königreich aufrechterhalten und gut ausgestalten zu können? Welche Unwägbarkeiten und Regelungslücken kommen auf sie zu?
ZOLLANMELDUNG, ZÖLLE UND EXPORTKONTROLLE
Ab 1. Januar 2021 wird eine Zollabfertigung für den Warenverkehr erforderlich. Hierfür benötigt jedes Unternehmen eine EORI-Nummer für Im- und Exporte. Wer verpflichtet ist, die Zollabfertigung in der EU und in UK durchzuführen hängt davon ab, was Lieferant und Kunde miteinander vereinbart haben. Häufig wird diese Frage über die INCOTERMS® vertraglich geregelt. Unternehmen, die ab 2021 Einfuhren in UK tätigen wollen, benötigen zudem eine von den britischen Zollbehörden vergebene EORI-Nummer. Für Nordirland hingegen ändert sich nichts, diese Lieferungen werden weiterhin als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt. UKImporteuren wird zunächst eine Frist von sechs Monaten eingeräumt, um Importe beim Zoll anzumelden. Es steht den Unternehmen frei, die Einfuhren zunächst nur zu „protokollieren“ und die tatsächliche Zollanmeldung zu einem späteren Zeitpunkt abzugeben. Erst ab 1. Juli 2021 sind für alle Importe die Zollanmeldungen sofort zu erledigen und die Einfuhrabgaben zu leisten. Physische Warenkontrollen finden zunächst nur für ausgewählte Warengruppen wie Alkohol, Tabak und bestimmte Tiere statt. Ab 1. April 2021 greifen weitere phytosanitäre Kontrollen, ab 1. Juli 2021 sind umfassende Sicherheitserklärungen erforderlich. Auch für die Exportkontrolle wird das Ende der Übergangsphase Folgen haben. Da Großbritannien dann ein Drittland ist, sind anstelle der relativ seltenen Verbringungsgenehmigungen dann wesentlich häufiger Ausfuhrgenehmigungen erforderlich.
CARNET A.T.A. BEI BERUFSAUSRÜSTUNGEN, WARENMUSTER UND MESSEN
Sobald Zollanmeldungen für den Warenverkehr mit UK wieder notwendig werden, können Monteure ihre Berufsausrüstung für einen Einsatz nicht mehr einfach mitnehmen oder Waren auf einer Messe oder Ausstellung in UK präsentiert werden. Hierfür ist das Carnet ein optimales Instrument zur vereinfachten Zollabfertigung für die vorübergehende Verwendung von Waren. Vorteil des Carnets ist eine zügigere Grenzabfertigung ohne Hinterlegung von Zöllen und sonstigen Abgaben in UK.
PRÄFERENZEN
Ohne Handelsabkommen werden auch wieder Zölle sowohl bei der Einfuhr in die EU als auch bei der Einfuhr in UK fällig. UK hat einen neuen Zolltarif veröffentlicht, der ab 1. Januar 2021 gelten soll. https://www.gov.uk/check-tariffs1-january-2021. In weiten Teilen entspricht dieser dem EU-Zolltarif. UK-Waren sind nach Ablauf der Übergangsfrist keine EU-Waren mehr und folglich nicht mehr präferenzberechtigt. Das hat Auswirkungen auf die Präferenzkalkulation. Vor-
materialen aus UK gelten damit als Vormaterialen ohne Ursprung und Be- und Verarbeitungen in UK sind nicht (mehr) ursprungsbegründend. Die Aufhebung des präferenziellen Ursprungs führt dazu, dass in der EU27 Lagerware und verbaute Ware ihren präferenziellen Ursprung verliert. Auch Lieferantenerklärungen aus dem UK werden nach dem Ablauf der Übergangsfrist ungültig.
AUSWIRKUNGEN AUF DEN WARENTRANSPORT
Für die Warentransportwege per Luft, Straße und Schiene ist zu beachten, dass von UK erteilte Bescheinigungen und Betriebsgenehmigungen ihre Gültigkeit in der EU verlieren werden. Dabei geht es unter anderem um Sicherheitsfragen sowohl bei Personal als auch bei der Betriebserlaubnis. Zudem entfällt die europäische Kabotage-Regelung für das Vereinigte Königreich. Alle Verkehrsunternehmen, die Beförderungen zwischen der EU und UK anbieten, müssen daher sicherstellen, dass sie ab dem 1. Januar 2021 über die notwendigen Bescheinigungen und Betriebsgenehmigungen verfügen.
PRODUKTZULASSUNGEN UND KENNZEICHNUNGSPFLICHTEN
UK informiert in aktuellen Veröffentlichungen über die Einführung der neuen UKCA Kennzeichnung (UK Conformity Assessed), die das CE-Zeichen auf dem britischen Markt ersetzen wird. An den technischen Produktanforderungen sowie den Verfahren zur Konformitätsbewertung ändert sich zunächst nichts. UK übernimmt die bestehende EU-Gesetzgebung in nationales Recht. Die europäischen harmonisierten Normen und Standards werden in „UK designated standards“ umgewandelt. Um Unternehmen Zeit zu geben, die notwendigen Anpassungen vorzunehmen, behält die CE-Kennzeichnung für einen Übergangszeitraum ihre Gültigkeit. Sie kann bis 1. Januar 2022 weiter genutzt werden. Hierfür müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden: Die Anwendung ist nur möglich, sofern UK- und EU-Produktvorschriften identisch sind. Falls die EU im Laufe des Jahres 2021 Anpassungen vornimmt, werden diese nicht mehr von UK übernommen. Die Übergangsfrist gilt jedoch nicht für alle Produkte. Sonderregeln gelten unter anderem für Medizin- und Bauprodukte.
ERBRINGUNG VON DIENSTLEISTUNGEN
Im Fall eines No-Deal-Brexit gelten in UK ab dem 1. Januar 2021 für EU-Bürger die gleichen Rechte wie für Drittstaatsangehörige. Unternehmen müssen sich auf Einschränkungen bei grenzüberschreitenden Arbeitseinsätzen vorbereiten: sowohl für Mitarbeiter deutscher Unternehmen in UK als auch für Mitarbeiter von UK-Unternehmen in Deutschland. Für EU-Bürger soll die Einreise nach UK für Besuche künftig bis zu sechs Monate ohne Visum möglich sein. Für alle anderen Einreisegründe – wie Arbeit oder Studium – muss im Vorfeld eine Einreisegenehmigung beantragt werden. Grundsätzlich müssen deutsche Unternehmen für Inbetriebnahmen, Montage- oder Reparatureinsätze auf der Insel mit bürokratischem Mehraufwand und Zusatzkosten rechnen. Ab 2021 müssen Dienstleistungserbringer, die in der EU niedergelassen und in UK tätig sind, nachweisen, dass sie alle einschlägigen UK-Vorschriften einhalten. Dies beinhaltet auch die Anerkennung von erworbenen Berufsqualifikationen. Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten – insbesondere für reglementierte Tätigkeiten – die erforderlichen Nachweise für die erworbenen Qualifikationen in UK zu beantragen oder anerkennen zu lassen.
ÄNDERUNGEN BEI DER UMSATZSTEUER
Zu den wichtigsten Änderungen im Warenverkehr zählt, dass Warenlieferungen nach UK ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr als innergemeinschaftliche Lieferungen, sondern als Ausfuhrlieferungen gelten. Warenlieferungen nach Nordirland bleiben auch nach Ablauf der Übergangsfrist innergemeinschaftliche Lieferungen. Bei der Umsatzsteuer im Dienstleistungsverkehr dürfte es zunächst beim Reverse Charge Verfahren bleiben, da dieses auch im Dienstleistungsverkehr mit anderen Drittstaaten angewandt wird. Wichtig ist dabei allerdings, dass die Umsatzsteuer ID-Nummer des UK-Kunden seine Gültigkeit als Nachweis für seine Unternehmereigenschaft verliert und dieser anderweitig erbracht werden muss.
VORSCHRIFTEN UND GARANTIEN BEI DER DATENÜBERMITTLUNG
Ab dem 1. Januar 2021 muss die Übermittlung personenbezogener Daten zwischen den beiden Wirtschaftsräumen den Vorschriften und Garantien der EU für Drittstaaten entsprechen. Das notwendige Schutzniveau kann zudem über einen „Angemessenheitsbeschluss“ der EU-Kommission hergestellt werden. Es ist jedoch nicht klar, ob dies vor dem Ende der Übergangsphase geschehen wird. Unternehmen sollten daher geeignete Garantien vereinbaren, wie sie in der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vorgesehen sind, unter anderem über verbindliche interne Datenschutzvorschriften oder durch spezifische Ausnahmeregelungen.
Weiterführende Informationen finden Sie auf unserer IHK-Brexit-Webseite unter www.ostwuerttemberg.ihk.de Dokument-Nr. 4005274 Wirtschaftsministerium: Partnerschaftsinitiative mit dem Vereinigten Königreich
Das Vereinigte Königreich ist einer der wichtigsten Handelspartner für Baden-Württemberg. Daran hat auch der Brexit nichts geändert. Aus diesem Grund hat Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut bereits im Februar 2020 gemeinsam mit dem britischen Handelsministerium eine „Economic Partnership Initiative“ ins Leben gerufen. Die Initiative hat das Ziel, eine enge und langfristige Wirtschaftspartnerschaft zwischen BadenWürttemberg und dem Vereinigten Königreich auch über den Brexit hinaus zu schaffen. „Die Geschäftsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich sind auch nach dem Brexit für unsere Unternehmen wichtig und gewinnbringend. Gerade vor dem Hintergrund der immensen Herausforderungen, die durch den Transformationsprozess der Wirtschaft auf die Unternehmen zukommen – etwa bei der Digitalisierung, der Mobilität oder im Bereich nachhaltiges Wirtschaften – ist es wichtig, auch weiterhin eng mit einer so innovationsstarken Volkswirtschaft wie Großbritannien zu kooperieren“, erklärt die Wirtschaftsministerin.
Die Partnerschaftsinitiative wird in den kommenden Monaten im Rahmen von Veranstaltungen für Unternehmen, strategischen Expertenaustauschen und der Anbahnung von Projektkooperationen umgesetzt. Weitere Informationen unter: www.bwuk-partner.de
Kontakt: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, Bianca Jackisch-Metzler, Telefon: 0711 / 123 - 2371, E-Mail: bianca.jackisch-metzler@wm.bwl.de
(Foto: IHK)
IHK-Ansprechpartnerin: Katja Bierbaum Leiterin International Tel.: 07321 324-130 bierbaum@ostwuerttemberg.ihk.de