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Anmerkungen zum Unterrichtsprogramm
Die Chi -Sau-Techniken sind der wichtigste Teil des Wing Tsun Kung Fu. Selbst wenn ein Schüler alle For men, ja selbst die Holzpuppenform gelernt haben sollte, beherrscht er Wing Tsun noch keinesfalls. Es sei denn, er kann alle Bewegungen in Chi -Sau (also mit Gefühl) anwenden. Die Formen sind nur das Hand werkzeug, ChiSau ist die Methode, wie man das Werk zeug benutzt. Ein Handwerker, der nicht weiß, wie er seine Werkzeuge einsetzt, kann nicht als Könner ange sehen werden. Ebensowenig kann man Wing Tsun mei stern ohne Chi Sau. Deshalb unterrichtete ich zuerst nur zwei Formen und dann deren Anwendung in Chi -Sau. Wer so gelernt hat, besiegt mit Leichtigkeit jemand, der drei Formen gelernt hat, diese aber nicht anwenden kann. Wenn jemand drei Formen lernt und sie dann erst in Chi -Sau anwenden will, wird langsamer vorankommen, da er viel mehr auf einmal verdauen muß. Es liegt deshalb im Interesse des Schülers, erst einmal eine überschau bare Menge von Techniken zu lernen und diese sich dann in Chi-Sau zu erarbeiten, statt durch zuviele Tech niken auf einmal verwirrt zu werden. Meine Schule unterrichtet deshalb erst einmal als Basis die ersten beiden Formen. Dan n üben wir die Bewegun gen beider Formen in Chi -Sau. Daran schließen sich die beiden oben erwähnten Kampfübungen an sowie Übungen an der Holzpuppe. Wer alle sieben Sektionen Chi-Sau gelernt hat, kann die Biu-Tze, die fortgeschrittenste Form des Wing Tsun, und ihre Anwendung in Chi-Sau und Sparring lernen.
Schließlich kommen wir zu den 116 Bewegungen der Muk Yan Chong, der Holzpuppenform. Bevor der Schüler damit beginnt, sollte der Schüler die anderen Formen gemeistert haben, sowie über genügend Tech niken verfügen, um mit seinem Gegner fertigzuwerden. Schon vorher hat der Schüler einige separate Bewe gungen an der Holzpuppe gelernt, aber das waren nur Zusatzübungen. Jetzt erst ist er bereit, die Holzpuppen form an sich zu studieren.
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In meiner Schule unterrichtet man zwei Arten des Frei kampfes. Zuerst einmal eine leichte Sparringsübung, die sich aus dem Chi -Sau entwickelt. Diese Übung beginnt, indem mitten im Chi -Sau einer der Übenden den Chi Sau-Kontakt bricht, wodurch eine freie (Lat -Sau) Kampfsituation entsteht. Dieser Übungstyp kann durch den Lehrer sehr gut überwacht werden. Man kann die Fehler leicht analysieren und abstellen. Zusätzlich motiviert wird der Schüler dadurch, daß jeder Fehler einen unangenehmen Treffer zur Folge hat. Unfälle sind nicht zu erwarten, da der Schüler gegen den Lehrer oder einen sehr erfahrenen Fortge schrittenen antritt. Hierbei lernt der Schüler auf jede Bewegung seines Gegners zu reagieren. Er hat über haupt keine Zeit, innezuhalten und nachzudenken, er muß unmittelbar und automatisch auf alles reagieren, was der Gegner an Techniken gegen ihn einsetzt. Man ist immer wieder überrascht, wie schnell der Schüler durch diese Art Sparrings -Unterricht (LatSau) Fortschritte macht. Die.zweite Kampf übung ist dann ein kontrolli erter wirklicher Freikampf zwischen zwei Schülern mit ver gleichbarer Ausbildung. Auch hier besteht keine Verlet zungsgefahr, da beide Schutzausrüstungen (Kopfschutz, Handschuhe und Körperschutz) tragen. Diese Art zu üben ist sehr anstrengend und jeder gibt, was er hat. Nur so können die Übenden wertvolle Kampferfah rung sammeln. Großen Wert legen wir immer darauf, daß die Schüler auch wirklich die Techniken anwenden, die sie durch die Formen und Chi -Sau erlernt haben, deshalb wird der Lehrer den Kampf im mer dann unter brechen, wenn es nötig ist, um Fehler aufzuzeigen und diese dann Schritt für Schritt zu korrigieren. Denn wir wünschen keinen Austausch wilder Schläge zwischen den Schülern. Um die erste Sektion Chi -Sau anwenden zu können, braucht man etwa sechs bis acht Monate.
Zusatz- oder Ergänzungsübungen
sind Teil des Wing -Tsun-Unterrichts-Programmes. Sie werden deshalb so genannt, weil es am Endresultat nichts ändert, ob man sie wegläßt oder nicht. Dennoch sind Zusatzübungen von Vorteil, denn sie helfen , die Bewegungen in kürzerer Zeit zu meistern oder sie die nen dazu, den Schüler zu motivieren. Andere Zusatz übungen sind auch die Schritte und Wendungen, die die Balance des Schülers entwickeln helfen und seine Kampffähigkeit stärken. Durch Stoßen und Tr eten in die Luft erwirbt der Schüler Geschwindigkeit, Genauigkeit und Kraft, während Fauststöße mit Wendung der Koordination von Hand und Fuß förderlich sind. Manche Schüler mit steifen Gelenken benötigen auf diesem Gebiet Zusatzübungen. Für die Entwicklu ng der Kraft sind Holzpuppen und Sandsäcke sehr wertvoll. Bevor der Schüler zum Chi Sau übergeht, sollte (^regelmäßig und hart (eventuell zu Hause) am Wan dsack trainiert haben. Vorsichtig steigert ein Schüler die Zahl seiner Fauststöße am Wandsack von anfänglich 20 Stößen pro Tag bis zu 600. Mit der Zeit werden die Stöße auch härter und etwaige Fehler verschwinden von selbst. Nach zwei Monaten sollte ein männlicher Anfänger täglich zwei - bis sechs hundert Fauststöße gegen den Wandsack machen. Eine w e i bliche Schülerin kann sich damit länger Zeit lassen. Mädchen und Frauen schätzen Schwielen auf den Knöcheln nicht sehr, deshalb dürfen sie Baumwoll handschuhe tragen, so daß ihre Hände glatt und weich bleiben. Kämpfer, die an Wettkämpfen teilnehmen wol len, sollen zu 2000 Fauststößen zu 10 Sätzen mit je 200 Wiederholungen fortschreiten. Besonders ehrgeizige Kämpfer steigern sich bis zu sechs - oder gar siebentausend Fauststößen pro Tag, aber das ist selten.
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Die Waffen im Wing Tsun
Der Fortgeschrittene lernt im Wing Tsun den Umgang mit zwei Waffen: mit dem Langstock und den Doppel messern. Man sagt, daß der sog. »Six-and-a-Half Point-Langstock« von dem buddhistischen Mönch Chi Chin ins Wing Tsun eingebracht wurde. Das Langstock -System unterscheidet sich erheblich von dem waffenlosen Wing Tsun. Die verwendeten Stände sind: »Quadrilateral Level Stance« und »Meridian Half Hanging Stance«. Das »achtfach zu verwendende Messer« ist eine Kurzwaffe, die etwa einen Unterarm lang ist. Der Griff ist so konstruiert, daß die eigene Hand geschützt ist und daß man die Waffe des Gegners kontrollieren kann. Die WT Messer werden meist gemeinsam, eben als sog. »Doppelmesser« eingesetzt und stellen dann eine wahrhaft furchtbare Waffe dar. Die Techniken lassen sich von den waffenlosen WT -Techniken ableiten und werden in Verbindung mit dem »Character -Two-Adduction-Stance« und den »Triangulär Advancing Steps« benutzt, wodurch schnelle Schrittarbeit nach vorne und zurück möglich ist.
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Links Meister Cheng kämpft mit Doppelmessern gegen den Langstock
Unten Großmeister Leung Ting demonstriert die Langstocktechnik Hier stoppt er einen schnellen Stoß zur Kehle von Fong Wai Hung nach dem ersten leichten Kontakt Ein Fehler wäre tödlich
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