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BESSER LEBEN

AUF BERGWALD-PIRSCH MIT EINEM FÖRSTER

TEXT BIRGIT WERNER

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ür Franz Jäger ist es sein Wunschberuf. „Geografi sch liegt mein Gebiet im Bereich zwischen Bayrischzell und dem Kochelsee.“ Das sei eine Region, die der „Vorstufe zum Paradies“ schon ziemlich nahekomme, sagt er augenzwinkernd. Bei unserem Spaziergang gewährt der 45-jährige Förster Einblicke in seinen Arbeitsalltag und nimmt sich Zeit, meine Fragen zu beantworten. Anschaulich stellt er die Herausforderungen dar, die die trockenen Sommer an den Wald stellen. Kommen alle Bäume mit den klimatischen Veränderungen zurecht? Was bedeuten die Hieroglyphen auf den gefällten Stämmen? Und wie ist das mit der Nachhaltigkeit?

„Bergwälder sind urwaldartiger“ Schon nach ein paar Metern empfängt uns der Wald mit üppig wachsenden Farnen, rötlich leuchtenden Buchenblättern und kontrastreichen dunkelgrünen Weißtannen, durch die die Herbstsonne funkelt. Prächtige Stauden von Fingerhut und Waldweidenröschen machen sich breit. Dort, wo weniger Bäume stehen, können Blütenpfl anzen gut gedeihen. Ihre meterhohen Blütenstände locken Bienen, Hummeln und andere Insekten an. Bergwälder seien wesentlich ursprünglicher und urwaldartiger als Flachlandwälder, betont Jäger. Für Weißrückenspecht, Haselhuhn und Alpenbock gelten sie als die letzten Rückzugsgebiete in Deutschland. Gerade im Bergwald fi ndet man noch viel ungenutztes Holz und „unaufgeräumte“ Bereiche. Das liege vor allem an der anspruchsvollen und gefährlichen Waldarbeit. Oft mache es die wilde Natur sehr schwer, sich durch das Dickicht zu kämpfen. „Diese einzigartigen, aber auch sehr sensiblen Lebensräume prägen unsere Heimat. In ihnen leben hochspezialisierte Tiere und Pfl anzenarten, die für unsere Kultur und unser Leben von besonderer Bedeutung sind, wie zum Beispiel das Rotwild, dessen Geweih als Knopf Lederhosen ziert“, erzählt Jäger. Für die Voralpenraumbewohner haben die Bergwälder zudem eine lebenswichtige Funktion, denn sie schützen vor Stein-

Eine Lichtung tief im Wald nahe Bichl. Sattgrünes Moos. Über den Baumwipfeln weht ein laues Lüft chen. Es ist ein schöner und trockener Herbsttag. Ich treff e mich auf einem bewaldeten Berggipfel, dem Fahrtkopf, mit Franz Jäger. Als Bergwaldoff ensive-Förster der Bayerischen Forstverwaltung berät und unterstützt er die privaten Waldbesitzer beim Waldumbau und der Stabilisierung von dringend pfl egebedürft igen Bergwäldern

FRANZ JÄGER, BAYERISCHE FORSTVERWALTUNG

Striche, Punkte, Buchstaben – was aussieht wie eine groß angelegte Schnitzeljagd, sind sichtbare Zeichen einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Damit alle wissen, was Sache ist, setzt der Förster an den Bäumen Markierungen. Hier eine Auswahl:

Grenzen – Bestands-, Abteilungs- und Besitzgrenzen Zwei große weiße Streifen am Baum stehen für eine Abteilungsgrenze, drei Streifen für eine Distriktgrenze. Diese Ordnung ist notwendig, um Waldorte und Waldbesitzer klar voneinander abzugrenzen

Naturschutz – Biotopbaum Diese dauerhaft angebrachte Wellenlinie kennzeichnet beispielsweise Bäume mit Höhlen oder Horsten, in denen Eulen oder Mopsfl edermäuse leben. Es können aber auch alte Baumveteranen sein. Gemeinsam ist ihnen, dass sie nicht gefällt werden sollen

Pfl anzung Auch wenn sich der Wald aus sich selbst heraus verjüngen kann und soll, muss an manchen Stellen nachgepfl anzt werden. Zum Beispiel, um nach einem Sturm Wald zu begründen oder eine Baumart zu etablieren, die dort bislang nicht wächst. Damit Waldarbeiter wissen, wo sie die jungen Bäume pfl anzen sollen, werden die Bereiche MEI DAHOAM markiert. „Bu“ steht in diesem Fall für „Buche“ schlägen, Muren- und Lawinenabgängen. Und weil ihr Boden sehr viel Wasser speichert, wird die Hochwassergefahr reduziert.

Ökosystem Wald „Der Wald im Gebirge ist für mich auch ein einzigartiger Erholungsort, der auf unglaubliche Art und Weise wohltuende Wirkung auf Körper und Geist hat“, schwärmt Jäger, der schon als Junge wusste, dass er einmal Förster werden will.

Er lenkt meinen Blick auf einen abgestorbenen Buchenstamm. Ist das Totholz? „Ja, aber er ist nicht tot!“ In ihm stecke erstaunlicherweise viel mehr Leben als in einem gesunden Stamm. „Dieser Stamm ist eine richtige Schatzkammer, denn das verrottende Holz bildet die Lebensgrundlage für unzählige spezialisierte Tier-, Pilz-, Moos- und Flechtenarten“, erklärt der Förster. Ein Specht hat sich hier eine Wohnung gezimmert. „Diese Höhle bewohnt der aber nicht allein. Wildbienen und Hornissen legen dort ihre Nester an, aber auch brütende Kleiber, Hohltauben oder Eulen ziehen mit ein.“ Irgendwo raschelt es im Unterholz: Ein Eichhörnchen fl itzt vorbei. Franz Jäger lächelt: „Eichhörnchen sind bei genauer Betrachtung faszinierende Tiere. Beobachten Sie mal, wie sie sich im dreidimensionalen Raum des Waldes bewegen und sich perfekt an diesen Lebensraum angepasst haben.“

„Für den Wald gibt es keine Reparaturanleitung“ Dass auch der Bergmischwald die Auswirkungen des Klimawandels direkt zu spüren bekommt, zeigt mir Jäger beim nächsten Borkenkäferloch in einem alten Fichtenbestand. „Wir erkennen, wenn die Bäume erkranken, wenn der Sturm den Wald verwüstet oder wenn sich Waldschädlinge wie der Borkenkäfer aufgrund der wenigen Niederschläge, wie im Sommer 2019, rasant vermehren.“ Wenn er auch nicht so viel unterwegs sei, wie man sich das vorstelle, sei für den Bergwald vor allem das wichtig, was außerhalb des Büros passiere, betont Jäger. Beim Kampf gegen den Borkenkäfer ist Eile geboten: „Hat der erst einmal einen Baum befallen, hilft es nur noch, ihn zu fällen.“ Die Stämme müssen dann möglichst schnell aus dem Wald geschafft werden, sonst sucht sich der Schädling sein nächstes Opfer.

Wir rasten unter einer Fichte und beobachten Waldameisen. Spannend, wie sie sich um die vielen Eingänge ihres Hügels drängen und was sie alles anschleppen. „Die sind völlig harmlos, wir schätzen an ihnen, dass sie auch mit Borkenkäfern aufräumen“, weiß Jäger. Ist es wahr, dass es besonders der Fichte an den Kragen gehen wird? „Leider ja, denn sie liebt es eher kühl und niederschlagsreich, und man merkt ja doch, es wird langsam a bisserl wärmer bei uns“, seufzt Jäger. Auf etwa der Hälfte der Waldfl äche Bayerns ist die Fichte unsere wichtigste Baumart. „Wissenschaftliche Studien sagen voraus, dass die fi chtenreichen Bestände auch im Bergwald zunehmend Probleme mit Trockenheit, Borkenkäferbefall oder Windwurf bekommen werden. Wie das aussieht, kann man derzeit in Nordbayern beobachten. Dort stirbt die Fichte fl ächig ab. Aber auch andere Baumarten wie Kiefer und Buche haben es dort mittlerweile schwer. Wir versuchen den Bergwald im Hinblick auf die zu erwartenden Veränderungen vorsorglich mit Weißtanne, Bergahorn, Buche und Lärche ‚anzureichern‘: So veredelt, ist er weitaus stabiler, klimatoleranter und günstiger zu bewirtschaften“, betont Franz Jäger. Die Devise lautet: weniger Fichte, mehr Tanne. Anders als die Fichte wurzelt die Tanne tief und kommt mit der Wärme viel besser klar. Weißtannen seien die „Laubbäume unter den Nadelbäumen“. „Ihre Sämlinge zählen zu den Lieblingsspeisen von Rehen, Hirschen und Gämsen“, erklärt Jäger.

„Den Wald früh, mäßig und oft bewirtschaften“ 2,6 Millionen Hektar Wald gibt es in ganz Bayern. Das ist fast ein Viertel der gesamten Waldfl äche Deutschlands. Damit ist Bayern das waldreichste Bundesland der Republik. Ein entscheidender Punkt bei der Waldbewirtschaftung sei das Thema Nachhaltigkeit: „Erfunden haben den Begriff die Förster, und das schon vor mehr als 200 Jahren. Nutze nie mehr Holz, als in einer Generation von selbst wieder nachwächst.“ Wer einen Wald besitzt, schließt immer einen „Generationenvertrag“ ab. Nachhaltige und schonende Waldbewirtschaftung gehen dabei Hand in Hand. Einer der Förstergrundsätze lautet: den Wald früh, mäßig und oft bewirtschaften. Immerhin habe intensive Aufklärungsarbeit mittlerweile viele Waldbesitzer vom Waldumbau überzeugt und so zu einem Umdenken in der Waldbewirtschaftung geführt. Doch eines müsse uns allen klar sein, gibt mir Jäger nach unserem Waldspaziergang mit: Die Natur könne man auch als Förster nur bedingt beeinfl ussen. Wir müssten uns bewusst sein, dass vor allem wir Nutznießer der Natur seien und nicht umgekehrt (www.aelf-hk.bayern.de).

WAS IST DIE BERGWALDOFFENSIVE? Weil die Anpassung der Bergwälder an den Klimawandel und der Erhalt ihrer Schutzfunktionen die Eigentümer vor besondere Herausforderungen stellt, hat die Bayerische Staatsregierung bereits 2008 im Rahmen des Klimaprogramms die Bergwaldoff ensive (BWO) ins Leben gerufen. Sie verfolgt nach dem Grundsatz „Vorbeugen ist besser als Heilen“ das Ziel, Bergwälder an den Klimawandel anzupassen und sie nicht zu Sanierungsfällen werden zu lassen (www.bergwald-off ensive.de).

Gebrauchs anweisung für den Wald Mit diesem Ratgeber legt der Bestsellerautor die Quintessenz seines Waldwissens vor – anschaulich, praxisnah und unterhaltsam. Er erklärt, wie man Tierspuren richtig liest, wann und wo man am besten Wild beobachten kann oder welche Beeren, Pilze, Blä er und Triebe essbar sind.

Piper Verlag, 240 Seiten, Peter Wohlleben, 15 Euro

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