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TYPISCH GAYMANN MEISTER DES „HUHNIVERSUMS“ TROTZT AUCH CORONA HUMOR AB

Der Cartoonist Peter Gaymann lebt seit drei Jahren in der Großgemeinde Schäftlarn im Süden der Landeshauptstadt. Nach 26 Jahren in Köln wollte seine Frau wieder zurück in ihre bayerische Heimat. „Wir haben uns hier wieder sehr gut eingelebt“, freut sich der 70-Jährige, der fürs nächste Jahr eine große Ausstellung im Buchheim Museum am Starnberger See plant. Sie musste 2020, wie so vieles, wegen Corona verschoben werden

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TEXT BETTINA SEWALD

So entstand ganz ungeplant neben seinem aktuellen Buch Typisch Bayerisch! (siehe Verlosung Seite 45) ein weiteres namens Typisch Corona!, in dem er die ersten Tage des Lockdowns in gewohnt verschmitzte Form brachte. Der „Meister des Huhniversums“ meisterte, wie sollte es anders sein, auch die Pandemie mit Humor. „Dieses Jahr ist schon eine besondere Situation“, fasst Gaymann (man spricht es: Geimann) die vergangenen Monate zusammen. Anfangs seien ja alle Ausstellungen und Aktionen (unter anderem in Starnberg) abgesagt oder verschoben worden. Aber für den jung gebliebenen 70-Jährigen ist ein Tag ohne Zeichnen vermutlich wie ein Tag ohne Atmen: „Vom ersten Tag des Lockdowns bis Pfingsten habe ich jeden Tag wie eine Art Tagebuch gezeichnet – da sind immerhin 80 Bilder entstanden.“ Der gebürtige Freiburger zeichnet ohne Unterlass. Inzwischen wurden über 100 Bücher, zahlreiche Kalender – unter anderem in der Reihe „Demensch“ – und unzählige Postkarten veröffentlicht. Im Rahmen der Buchheim-Ausstellung „70 Jahre – 70 Hühner“ sind neben den Zeichnungen auch 70 unterschiedliche Hühner-Figuren aus Metall gefertigt worden, die man auf einer Steinplatte montiert beispielsweise in den Garten stellen kann. Von jeder der etwa einen Meter hohen, wetterfesten Figuren gibt es nur fünf handsignierte Exemplare, die im nächsten Jahr vorgestellt werden. Gaymann: „Es stand ja recht früh fest, dass es heuer im Sommer weder die große Ausstellung noch eine große Geburtstagsfeier geben wird.“ Jetzt freut er sich auf 2021.

Seit Ende 2017 bewohnt Gaymann mit seiner zweiten Frau Viktoria Steinbiß-Gaymann ein ehemaliges Gasthaus in der Gemeinde Schäftlarn. Und „gastfreundlich“ trifft es ziemlich genau, wenn man in dem

Peter Gaymann gehen die Ideen nicht aus. In seinem schönen Atelier wird manches Fundstück vom Straßenrand zum Kunststück

INFORMATION GERETSRIED

SUDETENLAND

SCHLESIEN DONAUSCHWABEN

SIEBENBÜRGEN

MUSEUM

DER STADT GERETSRIED

... DIE EINFACH ANDERE GESCHICHTE

Öffnungszeiten

Montag geschlossen Di, Mi, Fr bis Sonntag 14.00 – 16.00 Uhr Do 17.00 – 19.00 Uhr

großzügigen Refugium willkommen geheißen wird. Das lichtdurchflutete Haus ist ebenso geschmackvoll wie originell eingerichtet. „Wir sind nach fast 20 Jahren in Köln hier inzwischen richtig angekommen“, verrät Peter Gaymann. Unter anderem mit der Ausstellung „Tschö Köln, Grüß Gott München“ im Frühjahr 2018 im Münchner Auktionshaus Neumeister habe man es ihm hier sehr leicht gemacht, sich heimisch zu fühlen. „Außerdem hat meine Frau, als ich sie im Jahr 2000 kennen lernte, noch in München gewohnt, und wir hatten die ersten Jahre eine Fernbeziehung“, führt der zweifache Vater und Großvater weiter aus. Es habe also von Anfang an die Option gegeben, irgendwann auch mal in München zu leben. Peter Gaymann erzählt: „Kaum angekommen, waren wir schon wieder mittendrin im Geschehen.“ Mit viel Herzblut engagiert er sich neben seinen zahlreichen Aufgaben gemeinsam mit Co-Inspirator Gerhard Polt für die Errichtung des „Forum Humor und komische Kunst“ in der ehemaligen Viehmarktbank im Münchner Schlachthofviertel (www.forum-humor.de). Gaymann: „Leider hat die Stadt München ‚dem Humor‘ erstmal eine Absage erteilt und blockiert jedwede finanzielle Unterstützung. Wir kämpfen aber weiter und arbeiten an einem neuen Konzept, um in Eigenregie das Haus des Humors zu realisieren.“

Peter Gaymann ist geprägt durch eine rundweg positive Lebenseinstellung und schafft es immer irgendwie, dem Leben eine heitere Seite abzugewinnen. Auch wenn’s wirklich ernst und traurig wird. „Schwierige Themen reizen mich sehr“, nimmt er die Her-

ausforderungen des Lebens an und kümmert sich mit seinem Projekt „Demensch“ um den menschlichen Umgang mit dem Krankheitsbild Demenz. Darüber hinaus ist er seit vielen Jahren aktiver Botschafter beim Bundesverband Kinderhospiz e. V. Der zweifache Vater und Großvater weiß: „Auch schwerstkranke Kinder wollen einfach mal lachen.“ Und weiter: „Wenn ich sie mit meinen Zeichnungen in wirklich schweren Stunden ein bisschen aufheitern kann, ist mir das eine große Freude.“ Zusätzlich spendet Gaymann die Erlöse vom Verkauf seiner Bilder, die im Rahmen seiner interaktiven Lesungen entstehen. Ob und wann diese Lesungen allerdings wieder stattfinden können, steht in den Sternen – und gegebenenfalls auf seiner Homepage www.gaymann.de.

Sein neues Zuhause in Schäftlarn hat übrigens im Vergleich zu Köln einen buchstäblich nahe liegenden Vorteil. Es liegt nämlich ein Stück näher an seinem geliebten Italien. Dort lebte und arbeitete er von 1986 bis 1991. Zuvor brachte er sich neben seinem Studium und den ersten Arbeitsjahren als Sozialpädagoge das Zeichnen selber bei. „Meine ersten Zeichnungen entstanden ganz unaufgeregt für die Studentenzeitung“, erinnert er sich. Das Zeichnen habe sich dann quasi verselbstständigt. Sein erstes Buch erschien 1984. Und es gab kaum eine Buchhandlung oder Schreibwarenhandlung, die in den 80er-Jahren nicht seine Postkarten im Ständer vor der Tür hatte. „Das waren etwa zwei Millionen Postkarten pro Jahr“, fasst er den Erfolg der ersten Jahre zusammen. Ein Großteil seiner Bücher beschäftigt sich neben den Hühnern, die zum festen Bestandteil seiner Karriere geworden sind, mit Reisen, Essen und/oder Trinken.

Das Atelier unterm Dach ist seine Spielwiese. Die Zeichnungen sind ordentlich in Schubladen sortiert. In Regalen, auf den Dachbalken und an den Wänden findet sich darüber hinaus Unzähliges, was dem Krea tivling noch alles in die Finger gekommen ist. Ein ausgetretener Fußball als Fischkopf, Barbie-Puppen als schillernde Nixen oder Müll vom Straßenrand als kunstvolle Collage, um nur einige zu nennen. Im Regal stehen die Bücher dicht gedrängt. Er hat von jedem Buch mindestens drei Exemplare. „Manche Titel sind nicht mehr lieferbar, da übernehme ich gelegentlich auch die Restposten und habe die dann auf Lager, wenn ich direkt angeschrieben werde“, verrät der überaus produktive Cartoonist. Im September erschien, nach 30 Jahren fruchtbarer Zusammenarbeit mit dem Frauenmagazin Brigitte, sein letzter Beitrag als „P.GAY“ in der Reihe „Die Paar Probleme“. Doch sein liebevoll-kritischer Blick auf die Menschen mit ihren „paar Problemen“ lässt ihn sicher auch künftig weiter zeichnen …

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