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6. Theoretischer Diskurs
6.3 Hochwasserangepasstes Bauen
Bei der durchfluteten Bauweise wird insbesondere das Gebäudeinnere resilient gegen eintretendes Wasser ertüchtigt, sodass auch bei Versagen der Gebäudehülle keine hohen Schäden an der Bausubstanz entstehen sollten. Hierfür muss nicht nur auf die jeweiligen Bauteilbeläge geachtet werden, sondern auch auf die Positionierung von Installationsebenen und die Auswahl und den Verbleib der Inneneinrichtung im Hochwasserfall. 7
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Bei der amphibischen Bauweise handelt es sich dagegen um einzelne Gebäude, die im Hochwasserfall vom Wasserdruck gezielt mit dem Pegelstand aufschwimmen können. Sie müssen dazu in einer entsprechend leichten Bauweise ausgeführt werden und benötigen massive, sichtbare Führungselemente, die das Gebäude am Standort verankern.
6.3.6 Bewertung der Bauvorsorgestrategien in Bezug auf das Projektgebiet
Bei der Entscheidungsfindung kann auf ein gesondertes Auswahlverfahren verzichtet werden, da viele der aufgeführten Bauweisen Attribute aufweisen, durch die sie für das Projektgebiet als ungeeignet einzustufen sind. Folgende Bauweisen sind für den Standort nicht geeignet:
• Aufgeständerte Bauweise: Eine Aufständerung in Höhe von mindestens zwei Metern wäre, trotz den positiven Aspekten von geringer Verdichtung und geringem baulichen Aufwand, an der UNESCOWelterbegrenze gegenüber dem denkmalgeschützten Bestand in der Ulmenstraße und am Hafen deplatziert.
• Klassische Warft-Bauweise: Um das Geländeniveau auf die Sollhöhe von mindestens zwei Metern zu bringen, müssten unverhältnismäßige Eingriffe in die Topografie vorgenommen werden und Volumen an Erdboden errichtet werden, die am Standort nicht vorhanden sind und auch die Gestalt des Ortes maßgeblich beeinflussen würden.
• Durchflutete Bauweise: Die durchflutete Bauweise eignet sich insbesondere für öffentliche und größtenteils unmöblierte bzw. feste und hochwassersicher möblierte Räume. Da diese Faktoren sich nicht mit dem angestrebten Nutzungskonzept am Standort vereinen lassen, kommt diese Bauweise nicht in Frage.
• Amphibische Bauweise: Die aufschwimmende Bauweise kann aus den selben gestalterischen Gesichtspunkten wie bei der aufgeständerten Bauweise nicht erwogen werden. Die Vermittlung zwischen Hafen und Altstadt wäre nicht gegeben.
Nach der Aussortierung der Bauweisen aus den Bauvorsorgestrategien „Ausweichen“ und „Anpassen“ bleiben die aufgelisteten Bauweisen der Strategie „Widerstehen“ zur Auswahl.
Es ist nicht unüblich, dass auch mehrere dieser Bauweisen als Hybrid innerhalb eines Bauvorhabens zum Einsatz kommen und einander weniger ausschließen als vielmehr die Ansprüche verschiedener Nutzungseinheiten kollektiv erfüllen können. So können durch abgedichtete Bauweisen innerhalb einer Warft auch die Räume unter dem maßgeblich zu schützenden Gebäudekörper belebt werden, indem dessen Fassadenöffnungen beispielsweise durch Dammbalken oder Schiebe- und Klapptore abgedichtet werden. Für die Entscheidung zwischen Warft-, Deichhaus- und Polder-Bauweise ist die angestrebte Gebäudetypologie entscheidend - insbesondere die Nutzung, die hinter der hochwasserschützenden Schicht im Inneren stattfinden sollte. Die Ausbildung eines Deiches ermöglicht Aufenthalts- und Erschließungsflächen auf dem Nullniveau und kann eine geringere Bodenverdichtung erzielen. Dagegen kann die Haupterschließungsebene oberhalb einer Warft zu differenzierteren Unterteilungen der Nutzungseinheiten (z.B.: PKW- & Fahrradgarage / Einzelhandel & Gastronomie / Wohnen & Arbeiten) genutzt werden.
Aus diesen Gründen wird die konkrete Bauvorsorgestrategie in einem frühen Stadium des Entwurfs unter Einbeziehung aller Entwurfsparameter festgelegt und noch einmal gesondert erläutert. Die Vorteile der hybriden Bauweise mit abgedichteten Bauteilen und die daraus resultierenden Möglichkeiten für Nutzungen innerhalb des hochwassergefährdeten Bereichs sind allerdings unverkennbar, sodass diese Bauweise in die Bauvorsorgestrategie mit aufzunehmen ist.