de’ignis Magazin Nr. 39

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Ausgabe Nr. 39 . Frühjahr 2010

magazin Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Narzisstische Störungen der Persönlichkeit – Egomanie

Die narzisstische Gesellschaft Gut ist was mir nutzt: Narzissten unter uns

Selbstdarstellung, Lebenshilfe oder Schmuddel-TV? Seite

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Narzissmus im Fernsehen

Seite

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Therapiegrundlagen Therapeutischer Umgang mit narzisstisch gestörten Menschen Seite

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Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Psychotherapie, Psychiatrie, Psychosomatik. Auf christlicher Basis.

Blick aus Parkanlage der Fachklinik In der de’ignis-Fachklinik behandeln wir psychische und psychosomatische Erkrankungen, z. B. Depressionen, Ängste und Zwänge – sowohl stationär als auch ambulant. Grundsätzlich können die Kosten für eine Behandlung in unserer Klinik von allen Kostenträgern übernommen werden.

Bei unseren Präventionsangeboten steht die gesundheitliche Vorsorge im Mittelpunkt: Das Angebot reicht von individuellen Gesundheitswochen bis hin zu Kursen zur Stressbewältigung.

2 de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik Walddorfer Straße 23 · 72227 Egenhausen · Telefon +49 (0) 74 53 93 91-0 · info@deignis.de

www.deignis.de

20 Jahre Fachklinik


editorial

Liebe Leserin, lieber Leser, nachdem im letzen Magazin unser 20-jähriges Bestehen im Mittelpunkt stand, sind einige Monate vergangen und wir dürfen auf ein schönes und gelungenes Jubiläumsfest zurückblicken. Nach Abschluss des Festes wurde ich von einem Gast darauf angesprochen, dass nun doch etwas Ruhe bei uns einkehren würde. Daraufhin musste ich schmunzeln, denn schon während der Festvorbereitungen haben wir mit weiteren Planungen zur Entwicklung und Verbesserung unserer Arbeit begonnen. Dies umfasst beispielsweise das Anlaufen von Renovierungsarbeiten zu notwendigen Verbesserungen in unserer Klinik in Egenhausen. Des Weiteren erarbeitet unser ärztliches Team weitere behandlungsspezifische Konzepte, die unser medizinisches Leistungsangebot für unsere Patienten optimieren und ausbauen. Zudem werden Gespräche mit Kostenträgern über neue und erweiterte Angebote, zu mehr Effizienz und Effektivität bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen, geführt. In unserem Wohnheim in Engelswies werden Maßnahmen zur Erweiterung und Verbesserung des Angebotes konzipiert. Die de’ignis Stiftung in Polen entwickelt sich stetig weiter und die örtliche Behörde stellt eine bauliche Erweiterungsmaßnahme in Aussicht. Darüber hinaus ist beim de’ignis Institut eine Stiftung am Entstehen, mit der wir für Kinder und Jugendliche, die unter psychischen Erkrankungen leiden, eine Behandlungsmöglichkeit schaffen möchten, wofür wir momentan noch weitere Stifter suchen. Bei all den Aktivitäten, die zweifelsfrei notwendig sind, ist mir eines ganz besonders wichtig: Dass wir das Zentrum, Jesus Christus, nicht aus dem Auge verlieren. Er ist der Mittelpunkt unseres Wirkens. Währenddem ich dieses Vorwort schreibe, mache ich mir darüber Gedanken, was wirklich zählt. Was ist tatsächlich wichtig, bei den tage- und wochenfüllenden Aktivitäten in unserem Leben? In den ersten Tagen dieses Jahres, wurde eine sehr wertvolle Mitarbeiterin ganz plötzlich durch einen Verkehrsunfall aus unserer Mitte genommen. Sie war Ärztin und sagte des Öfteren: „Das Wichtigste in meiner Freizeit ist die Gemeinschaft und das Gespräch mit Gott“. Bei Begegnungen mit ihr konnte man es schon an ihrer Ausstrahlung erkennen. Es war ihr wichtig und prägte somit entscheidend ihren Lebensstil!

In unserer Arbeit legen wir sehr viel Wert darauf, dass Menschen, die uns wegen einer Behandlung, Betreuung oder Präventionsmaßnahme aufsuchen, eine neue Lebensperspektive, Hoffnung und neue Freude bekommen. Ein ehemaliger Patient schrieb uns: „Ich möchte mich bei allen Mitarbeitern herzlich bedanken. Meine Reha war ein Geschenk Gottes und so habe ich es seit der ersten Minute erlebt. Demnächst werde ich wieder voll arbeiten, meine Ehe ist gerettet ...“. Das ist nur eine von zahlreichen Zuschriften die wir bekommen und unsere Arbeit bestätigen. Als wir mit einem Informationsstand Anfang des Jahres auf dem Gesundheitskongress und beim Willow-Creek-Kongress waren, durften wir viele ähnliche Aussagen hören und wurden auch dadurch sehr ermutigt. Worüber wir uns auch sehr freuen, sind die vielen positiven Rückmeldungen auf das neue Erscheinungsbild des de’ignis Magazin’s. Dieser Ausgabe, haben wir den Arbeitstitel „Narzisstische Störungen der Persönlichkeit – Egomanie“ gegeben. Wir sehen in unserer Gesellschaft – ob Politik, Wirtschaft, Kirche oder der Einzelne selbst – zunehmende Züge von extremem Egoismus und Machtkonzentration. Das kann mit der allgemeinen Entwicklung unserer Gesellschaft oder des Einzelnen selbst zusammenhängen. Insbesondere ist das auch auf dem Arbeitsmarkt zu erleben, wo wir den unterschiedlichsten Persönlichkeiten begegnen, was natürlich auch Auswirkungen auf unser Sozialgefüge hat. Auf der einen Seite wird unsere Persönlichkeit von diesen äußeren Einflüssen geprägt, auf der anderen Seite beginnt es in unserer frühesten Kindheit. Die Autoren in dieser Ausgabe setzen sich mit diesen Herausforderungen unserer Gesellschaft auseinander und zeigen Entwicklungen und Therapiemöglichkeiten von Persönlichkeitsstörungen auf. Wir wünschen Ihnen nun viel Freude und einen persönlichen Gewinn beim Lesen dieser Ausgabe.

Im Namen der Herausgeber,

Die Herausgeber: Claus Jürgen Hartmann Geschäftsführer, de’ignis Fachklinik

Winfried Hahn Geschäftsführender Heimleiter, Sozialtherapeutisches de’ignis Wohnheim

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inhaltsverzeichnis

S. 7 Titelthema: Narzisstische Störungen der Persönlichkeit – Egomanie TITELTHEMA

S. 6 S. 7 S. 9 S. 14 S. 20 S. 22 4

Dr. med. Rolf Senst

Der Mythos des Narziss Einleitung

Johannes Stockmayer

Die narzisstische Gesellschaft Dr. Stephan Holthaus

Gut ist, was mir nutzt: Narzissten unter uns Rainer Johannes Wallerius

Selbstdarstellung, Lebenshilfe oder Schmuddel-TV?

Narzissmus im Fernsehen – Ein Kapitel deutscher Mediengeschichte Peter Hahne

Holt Gott zurück! Prof. Dr. Wolfgang Huber

Schuldbewusstsein, Ecclesiogene Neurosen und Narzissmus

S. 14


impressum

Redaktion: Rainer Oberbillig, Winfried Hahn, Claus J. Hartmann Layout, Gestaltung & Druckvorstufe: ART DESIGN Dipl.-Ing. Rainer Haas Tel. 07 11 48 23 31 · info@artdesign-stuttgart.de

S. 36

Druck: Gedruckt auf Luxosamt Offsetpapier von Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen Auflage 16.000 Herausgeber: de’ignis Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie – Psychotherapie – Psychosomatik Waldorfer Straße 23 72227 Egenhausen Telefon: 07453-9391- 0 Telefax: 07453-9391-193 E-Mail: info@deignis.de

ZUR DISKUSSION

S. 24 S. 26

IMPULS

de’ignis Wohnheim gGmbH – Haus TABOR zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: 07575-92507-0 Telefax: 07575-92907-30 E-Mail: wohnheim@deignis.de

Dipl. Psych. Rainer Oberbillig

Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch Konto 105 338 · BLZ 690 516 20

Winfried Hahn

Narzissmus in Kirche und Gemeinde

Biblischer Impuls: Narzisstische Züge beim Propheten Jona – Gottes Antwort THERAPIEGRUNDLAGEN

Dr. med. Rolf Senst

S. 32 S. 36 S. 42

Volksbank Nordschwarzwald eG Konto 62 168 002 · BLZ 642 618 53

Therapeutische Beziehungsaspekte im Umgang mit narzisstisch strukturierten und narzisstisch gestörten Menschen Arnd Barocka

Persönlichkeitsstörungen DE’IGNIS AKTUELL

Termine · Berichte · Neues aus den Einrichtungen

de’ignis Institut gGmbH für Psychotherapie und christlichen Glauben Markgrafenweg 17 72213 Altensteig Telefon: 07453-9494-0 Telefax: 07453-9494-96 E-Mail: institut@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG Konto 66 624 002 · BLZ 642 618 53 Christliche Stiftung de’ignis Polen Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: 07575-92507-0 Telefax: 07575-92907-30 E-Mail: wohnheim@deignis.de Sparkasse Pforzheim Konto 7 26 05 12 · BLZ 666 500 85 Alle de’ignis-Einrichtungen sind gemeinnützig und arbeiten überkonfessionell. Spendenbescheinigungen werden auf Wunsch gerne ausgestellt.

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Titelthema

Der Mythos des Narziss

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arziss war der alten griechischen Sage nach der schöne Sohn des Flussgottes Kephisos und der Leiriope. Da von der Damenwelt umworben und entsprechend hochmütig, wies er auch die Liebe der Nymphe Echo zurück. Deshalb bestrafte ihn Nemesis, die Göttin des gerechten Zorns (auch die Liebesgöttin Aphrodite wird in der griechischen Mythologie als die Rächerin Echos’ angeführt). Narziss entwickelt daraufhin eine unstillbare Liebe zu seinem Spiegelbild, das er im Wasser sieht. Zur Gegenliebe ist er nicht mehr fähig. Über seinen Tod gibt es zwei Versionen. Die erste besagt, dass durch eine göttliche Fügung ein Blatt ins Wasser fällt und das Spiegelbild Narziss‘ trübt. Schockiert von der vermeintlichen Erkenntnis, er sei hässlich, stirbt Narziss. Er wird in eine Narzisse verwandelt. Gemäß der zweiten Überlieferung verliebt sich Narziss in sein Spiegelbild, will sich mit ihm vereinigen und ertrinkt bei diesem Versuch.

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von Dr . med. Rolf Senst

Die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung In Anlehnung an den griechischen Mythos sind Narzissten Menschen, die in besonderer Weise mit sich selbst beschäftigt und auf sich selbst bezogen sind. Sigmund Freud betrachtete dies als ein völlig normales Durchgangsstadium in der frühkindlichen Entwicklung und sprach vom primären Narzissmus. Insgesamt wird Narzissmus hinsichtlich seiner Normalität unterschiedlich betrachtet. Während in der Sozialund Persönlichkeitspsychologie Narzissmus als eine normale Dimension der Persönlichkeit aufgefasst wird, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann, geht man im klinischen Bereich von einer Persönlichkeitsstörung aus. Sie wird im amerikanischen Diagnosemanual DSM-IVTR in ihren Kriterien genau beschrieben und zeigt sich im Wesentlichen durch Selbstüberschätzung, großspuriges Auftreten, mangelnde Empathie und einen Hang zu ausbeuterischem Verhalten anderen gegenüber. In der internationalen Klassifikation der WHO ICD-10 wird sie nicht als eigenständiges Krankheitsbild geführt. Hintergrund dürfte die Schwierigkeit sein, mit vertretbar geringem diagnostischem Aufwand eine eindeutige Zuordnung zu dieser Störung zu erzielen. Schließlich lassen sich nach neueren Untersuchungen (Neumann 2010) zwei Subtypen des Narzissmus unterscheiden: ein offener oder grandioser Narzissmus, der mit übersteigertem Selbstwertgefühl einhergeht, und ein verdeckter oder „vulnerabler“ Narzissmus, der mit einem verminderten Selbstwertgefühl und einem hohen Maß an Bindungs-(Verlust)angst korreliert. Beiden gemeinsam ist die überdurchschnittlich hohe Bedeutung des Selbstwert-Themas.

„Narziss“ von Michelangelo Caravaggio (* 29. September 1571 in Mailand; † 18. Juli 1610 in Porto Ercole). Er war ein italienischer Maler des Frühbarock, der sich durch seine innovative und realistische Bildgestaltung auszeichnete. Vornehmlich in der Behandlung christlicher Themen ging er durch Verknüpfung des Sakralen mit dem Profanen neue Wege.


Narzisstische STÖRUNGEN DER persönlicHkeit – EGOMANIE

kaisers königin/photocase.com

von Johannes Stockmayer

Die narzisstische Gesellschaft

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in Staat kann nur überleben, wenn jeder seiner Bürger seinen Beitrag gibt; eine Gesellschaft, die aus lauter Individualisten besteht, löst sich selber auf. Das Ziel der Politik muss sein, einen Grundkonsens an Gemeinsamkeit zu erhalten und die Solidarkräfte aller zu stärken. Aber was ist, wenn sich jeder nur in sein Schneckenhaus zurückzieht und nur sich selber sieht, nach seiner Sicherheit und dem eigenen Wohlstand trachtet? Wenn der Egoismus zum Lebenskonzept aller wird? Tritt dieser Fall ein, werden wir anarchistische Zustände erleben. Demokratie funktioniert nur mit einem Minimum an Gemeinsinn. Papst Benedikt XVI. ermahnte als Kardinal Ratzinger: „Auch Mehrheitsentscheidungen werden nur dann wahrhaft menschlich und vernünftig bleiben, wenn sie einen Grundbestand der Menschlichkeit voraussetzen und ihn als das eigentliche gemeinsame Gut, die Voraussetzung aller anderen Güter respektieren.“ 1

Wo ist das Gemeinsame, das unsere Gesellschaft verbindet? Der Kant’sche Grundsatz bezeichnet immer noch das Minimum an Gemeinsinn: Jeder soll sich so verhalten, dass das eigene Verhalten zur Richtlinie aller werden kann. Aber der Kant’sche Imperativ wird immer mehr zu einem Konzept im Dienste des individuellen Egoismus: „Ich erwarte von den anderen das Handeln, das mir im Sinne der Ethik zusteht.“ 2 Das heißt: Ich gebe nichts, aber ich fordere alles. Ich tue, was mir Spaß macht, und ich interessiere mich nicht dafür, ob ich die Gesellschaft dadurch schädige. Ich bin mir selbst der Erste, die anderen dienen zu meinem Glück. Ich bin das Subjekt meines Handelns, autonom, selbständig, die Mitmenschen sind höchstens Objekte, die sich meinen Plänen unterordnen. 3 In der Zuspitzung der narzisstischen Gesellschaft befindet sich der Mensch, der nur für sich steht und für sich lebt, wo nur seine eigenen Interessen und Bedürfnisse gelten. Die Gesellschaft stellt sich von diesem Ausgangspunkt aus

Joseph Kardinal Ratzinger, Werte in Zeiten des Umbruchs, Herder Spektrum, Freiburg, 2005, S. 47 Horst-Eberhard Richter, Der Gotteskomplex, Gießen, 2005, S. 45 Friedrich Schorlemmer wandelt den Satz Immanuel Kants dagegen so ab: „Habe den Mut, dich der Kräfte deines eigenen Herzens zu bedienen – ohne die Anleitung eines anderen. Schau nicht darauf, wie viel Beifall du findest und ob das jetzt unmittelbaren Erfolg hat. Zivilcourage fordert immer ein Heraustreten, ein Einschreiten, ein sich Sich-Einsetzen des Einzelnen.“ (Friedrich Schorlemmer, Woran du dein Herz hängst, Freiburg, 2006, S. 175) 1 2 3

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Titelthema

als ein Haufen total vereinzelter Menschen dar, „deren eigentliches Wesen in ihrem Inneren verschlossen ist und die daher allenfalls äußerlich und von der Oberfläche her miteinander kommunizieren“. 4 Horst-Eberhard Richter spricht davon, dass Gesellschaft und Individuum in diesem Zustand nichts mehr miteinander zu tun haben: „Mit dem Übergang zur Ich-Gesellschaft verengt sich der soziale Horizont.“ 5 Erleben wir das nicht gerade in unserer Gesellschaft? Entsteht nicht der Eindruck, unser Volk sei nicht zu regieren? Wie soll eine Politik, die ihre Gesetze eigentlich nur mit Konsenslösungen durchsetzen kann, Entscheidungsspielräume haben, wenn niemand bereit ist nachzugeben, wenn jeder nur sich selber sieht? Jeder stellt seine Forderungen, macht sich zum Maß aller Dinge und verlangt vom Staat die Absicherung, die Unterstützung und den Lebensstandard, der ihm zuzustehen scheint. Aber niemand ist zum Verzicht bereit oder gibt freiwillig Vorteile auf, von denen er profitiert – auch wenn es zu Lasten der Gemeinschaft geht. Die Politiker erscheinen in zunehmendem Maß schwach, das wird ihnen von den unterschiedlichen Interessen-Lagern vorgehalten. Aber es liegt nicht an ihnen, sondern an der Gesellschaft insgesamt, an jedem Einzelnen. Die Politiker versprechen Veränderungen, die sie nicht durchsetzen können, weil Vertreter der entgegengesetzten Interessen es verhindern. Die allgemeine Unzufriedenheit mündet in einem Ruf nach weitreichenden Reformen. Aber wo sollen sie herkommen? Wie sind sie durchsetzbar, wenn niemand zu Abstrichen beim eigenen Lebensstandard bereit ist? Weil sich nichts bewegt, steigt das Gefühl der Unzufriedenheit und dies gerade dort, wo Wohlstand und Freiheit eine bisher nicht gekannte Höhe erreicht haben. Die tiefe Unzufriedenheit vieler Menschen kommt aus einem ständigen Gefühl des Mangels – inmitten des Wohlstandes. Und das ist das Grundproblem: Wer sich selbst in sich sucht, wird nicht

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Horst-Eberhard Richer, Der Gotteskomplex, S. 35 Horst-Eberhard Richter, Die Krise der Männlichkeit, Gießen, 2006, S. 80 Joseph Kardinal Ratzinger, Werte in Zeiten des Umbruchs, S. 29

fündig. Wer den Sinn des Lebens nur aus sich selbst heraus produziert, bleibt leer. Die Frage, warum man lebt und weshalb es sich lohnen soll, zugunsten der Allgemeinheit auf eigene Vorteile zu verzichten, findet keine Antwort – wird noch nicht einmal gestellt. Die entscheidende Frage ist: Was ist das Verbindende, das über uns hinausweist, dem wir uns unterordnen können? Wo ist das absolute Recht, dem alle sich beugen? Denn „nicht das Recht des Stärkeren, sondern die Stärke des Rechts muss gelten.“ 6 In der narzisstischen Gesellschaft haben wir das allgemeine Recht dem Einzelnen untergeordnet, das ist auf die Dauer für ein Gemeinwesen nicht akzeptabel!

Genehmigter Abdruck aus dem Buch von Johannes Stockmayer, Wann – wenn nicht wir, concepcion Seidel OHG, Hammerbrücke, 2009

ÜBER DEN AUTOR Johannes Stockmayer, Sozialpädagoge und Diakon, arbeitet freiberuflich als Gemeindeberater, Coach und Seelsorger und ist Autor verschiedener Bücher. www.onesimus-dienste.de

Foto: mellow yellow/fotolia.com


Narzisstische STÖRUNGEN DER persönlicHkeit – EGOMANIE

Gut ist, was mir nutzt: Narzissten unter uns maccaroni/photocase.com

von dr . Stephan Holthaus

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nser Sozialverhalten ist seit Jahren durch einen starken Individualismus geprägt. Wir leben in erster Linie auf uns selbst bezogen. Kritische Beobachter nennen deshalb die gesamte Ethik der Moderne eine „Ego-Ethik“. Alles dreht sich um den Einzelnen – und das hat Konsequenzen für das Zusammenleben. Die unbegrenzte Selbstsucht, angefacht durch einen übersteigerten Individualismus, führt nämlich automatisch zur Verkümmerung des Altruismus, des Einsatzes für das Wohl des Nächsten. Raffgier, das „Nie-genug-haben-können“, die Fixierung auf materiellen Wohlstand und die hohe Bedeutung von Statusdenken und Statussymbolen verstärken die Ichzentrierung des Menschen. „Es geht nichts über mich“ – so lautet die heimliche Parole unserer Zeit. „Solipsismus“ nennt man eine solche Geisteshaltung. Diese zugegebenermaßen etwas zugespitzte Beurteilung kann man an vielen Alltagssituationen illustrieren und belegen. Schon Erzieherinnen im Kindergarten klagen über die Ich-Zentriertheit von Kleinkindern. Sie haben frühzeitig zu Hause gelernt, dass alle ihre Wünsche und Begierden sofort gestillt werden und sie ihren Willen nachdrücklich durchsetzen können. Alle Spielsachen im Kindergarten gehören ihnen allein. Der Wert des „Verzichten-Könnens“ und des Teilens ist ihnen unbekannt. Sie sind der Nabel der Welt. Nie wurde ihnen ein Wunsch abgeschlagen. Sie haben alles,

was man sich wünschen kann. Ihnen fällt alles automatisch zu, sofort. Wie bei kleinen Königskindern dreht sich die Welt um sie und ihre Bedürfnisse. Kein Wunder, wenn man dann am Ende auch seine Ethik nach den individuellen Wünschen formuliert. Gut ist das, was mir nutzt. Schlecht ist das, was mir Nachteile bringt. Aber nicht nur bei den Kindern beobachtet man einen übersteigerten Solipsismus. Auch die Jugend dreht sich ebenfalls stark um sich selbst. Durch eine nie da gewesene Kommerzialisierung werden individuelle Bedürfnisse geweckt, die natürlich gestillt werden müssen. Ob Handy oder MP3-Player, Kult-Klamotten oder neuestes Make-up – alles dreht sich um das Image, um die eigene Wirkung. Das ständige Auswählen zwischen mehreren Optionen führt dabei zu einer Art Dauerreflektion über sich selbst und den eigenen Bedürfnissen. Welches Produkt passt zu mir? Welche Farbe steht mir am besten? Außerdem prägt die Angst, etwas verpassen zu können. Parallel werden mehrere Lebensstile gleichzeitig gepflegt, um möglichst viel mitzubekommen. „Das Leben muss mir doch etwas bringen!“, „Ich bin der König der Welt!“ Einmal Superstar sein, im Rampenlicht stehen, gefeiert von den Massen – solche Wunschträume sind in der Jugendszene mit Händen zu greifen. Das alles stärkt nicht gerade Werte wie Verzicht, Enthaltsamkeit, Sparsamkeit oder Demut.

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steffne/photocase.com

Titelthema

Aber auch die Erwachsenenwelt ist vom Hang nach Autonomie und Selbstbestimmung geprägt. Eine Vollkaskomentalität gegenüber dem Staat und seinen Institutionen ist besonders in Deutschland zur Selbstverständlichkeit geworden. Wenn das Leben nicht mehr richtig funktioniert, ist der Staat schuld. Er soll es richten. Anstatt sich selbst auf die Hinterbeine zu stellen, wird nach dem großen Bruder gerufen. Das sich völlig absichern wollen, die „Null-Risiko-Mentalität“ der Deutschen, ist zum großen Problem geworden. Alles wird bis zum letzten ausgenutzt und in Anspruch genommen. Der Staat hat mir zu dienen, nicht umgekehrt. Ganze Internetforen informieren darüber, wie man aus dem Fiskus möglichst viel herauspressen kann. Das Beste aus allem herauszuholen ist schier zum Volkssport Nr. 1 geworden. „Geiz ist geil“ heißt nicht nur eine bekannte Werbung, sondern ist auch Ausdruck einer Grundhaltung vieler Menschen. Geiz war früher Sünde, heute ist es ein gefeierter Lebensstil. Man gönnt sich ja sonst nichts. Diese zunehmende Ich-Zentriertheit des Menschen führt automatisch dazu, dass die alten „Tugenden“ aus dem Blickfeld verschwinden. Begriffe wie Rücksicht, Respekt, Demut oder Treue klingen heute so, als stammten sie aus der Mottenkiste verstaubter Zeiten. Dabei waren sie in vielen Kulturen Jahrhunderte lang erprobte Charaktereigenschaften, die Völker stabilisierten und das Zusammenleben regelten. Sie waren soziale Bindeglieder eines harmonischen Miteinanders. Die gesellschaftliche Stabilität lebte von diesen selbstverständlichen Verhaltensmaßregeln der Menschen. Solche Selbstverständlichkeiten gibt es heute nicht mehr. Rücksichtnahme auf andere, das klassische Motiv, das hinter jeder Art von Toleranz steht, muss heute neu verteidigt werden. Genauso antiquiert klingt heute der Begriff „Respekt“. Früher gab es mal „Respektspersonen“. Gemeint waren Pfarrer, Lehrer, Polizisten, Richter und Politiker. Heute

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kann niemand mehr automatisch Respekt erwarten, egal, in welcher gesellschaftlichen Stellung er sich befindet. Im Gegenteil: Polizisten und Politiker haben es schwer, überhaupt noch ernst genommen zu werden. Die klassischen Opfer sind mittlerweile die Lehrer. Auf der Homepage „spickmich.de“ können Schülerinnen und Schüler ihre Lehrer bewerten. „Spickmich“ ist die moderne Form des Prangers. Die öffentliche Benotung durch Unqualifizierte, übrigens durch eine Flut von Internetumfragen verstärkt, ist längst eine Landplage geworden. Statt einer gut durchdachten Feedback-Kultur, die im Sinne einer qualifizierten Evaluation wirkliche Fortschritte ermöglicht, dienen die modernen Bewertungsskalen oft nur der Entladung der eigenen Frusterlebnisse, oder, schlimmer noch, der anonymen Zerstörung einer Person. Noch problematischer sind heimlich aufgenommene Filmclips von Lehrern, die auf Videoportalen gezeigt werden. Nicht selten werden diese Aufnahmen noch bearbeitet. Exekutionen von Pädagogen im Comicformat oder Pornofotos mit einkopierten Gesichtern der Lehrkräfte zählen zur Tagesunterhaltung von Pubertierenden. Auch das Ende der Demut ist ein Kennzeichen der Zeit. Demut ist die Anerkennung, dass es etwas über mir gibt, das ich nicht erreichen kann. Sie ist gepaart mit der Willigkeit zum „Dienst“. Die Gegenpole heißen Überheblichkeit und Hochmut, nichts über sich dulden zu wollen. Demut ist nicht devote Unterwürfigkeit, ist keine passive Selbstaufgabe, sondern eine dienende Ergebenheit aufgrund einer realistischen Selbsteinschätzung und einer Wertschätzung des anderen. Wer sich selbst kennt, mit seinen Stärken und Schwächen, kann seinen Stellenwert in der Welt richtig bestimmen.


Narzisstische STÖRUNGEN DER persönlicHkeit – EGOMANIE

Gerüchte Lüge Schon Erich Fromm hat die Demut als Schlüssel zur Überwindung des Narzissmus gesehen. Eine realistische Selbsteinschätzung ist das, was heute vielen Menschen fehlt. Hochnäsig treten wir dem anderen gegenüber, kehren ständig unsere eigene Stellung und Leistung heraus, um im Wettkampf um die besten Plätze den eigenen Glanz herauszustellen. Prahlerisch tönt es überall, was wir für tolle Kerle sind: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“. Das ganze Leben scheint wie ein ständiger Bewerbungsprozess zu sein, bei dem ich mit Übertreibungen die positiven Seiten meiner Persönlichkeit ins Rampenlicht stelle. Dass Hochmut vor dem Fall kommt, haben wir offenbar verlernt. Die Leistungsgesellschaft verlangt die Selbstinszenierung und Selbststilisierung. Der andere wird dabei zum Dauerkonkurrenten, schlimmstenfalls zum Dauerfeind. Mit einer Ethik der Nächstenliebe, die das Wohl des anderen im Blick hat, hat das nichts mehr zu tun. Ein anderes ethisches Beispiel aus dem moralischen Alltagsleben ist die Lüge. Eine Lüge ist eine bewusst unwahre Aussage. Man führt den anderen in die Irre, um einen eigenen Vorteil zu erlangen oder einen Fehler zu verdecken. Dabei geht es hier nicht um die Notlüge in Situationen der Verzweiflung, auch nicht um die „soziale Lüge“, die dem sozialen Frieden dient und eigentlich nichts mit „wahr“ oder „unwahr“ zu tun hat. Es geht um die ganz alltägliche „gemeine“ Lüge. Das bewusste Lügen beginnt schon bei Kindern, hier häufig gepaart mit der Angst, überführt zu werden. Aber auch bei uns Erwachsenen sind so genannte Kavaliersdelikte der Lüge mittlerweile an der Tagesordnung: falsche Angaben in der Steuererklärung, die Lüge beim Fragebogen der Versicherung, das Abstreiten von Verfehlungen vor den Ordnungshütern oder die Lüge dem Ehepartner gegenüber. Wie oft streiten Beschuldigte ihr Fehlverhalten ab, bis sie nicht mehr anders können, als die Tat zuzugeben. Auch im Geschäftsleben scheint es ohne Unwahrhaftigkeiten kaum noch zu gehen. Termine werden verspro-

Mein Haus, mein Auto, mein Boot!

chen, obwohl man weiß, dass sie nicht eingehalten werden können. Man „flunkert“, um Produkte minderwertiger Qualität an den Mann zu bringen. Auch in der Werbung wird nicht selten mit Tricks und Täuschungen gearbeitet, um den Kunden zu ködern. Mitunter macht man große Versprechungen, um einen Vorteil zu bekommen, und weiß doch schon, dass man es nie einhalten wird. Experten sagen, dass die meisten Menschen jeden Tag bis zu 200 Mal lügen. Manchmal werden sie dazu gezwungen, wie die Assistentin, die die Anwesenheit des Vorgesetzten am Telefon leugnet, weil der nicht gestört werden möchte. Schlimmer sind die Verleumdung, der Meineid vor Gericht oder das Ausstreuen von Gerüchten. Wer wüsste nicht von Menschen zu berichten, die durch Lügengeschichten schwer geschädigt worden sind. Mitunter erschleichen sich Personen das Vertrauen von Menschen, um es am Ende durch eine Lüge zu missbrauchen. Mittlerweile behaupten einige Autoren, die Lüge sei eigentlich keine moralische Verfehlung, sondern für das menschliche Zusammenleben eine notwendige Form der Konversation! Dabei übersieht man: Lüge ist eine der schlimmsten sozialen Sünden unserer Zeit. Sie zerstört eines der wichtigsten Güter unseres Lebens: das Vertrauen. Wir müssen in unserem Land wieder lernen, richtig miteinander umzugehen. Dazu gehört auch der Verzicht auf Denunzierungen. Das fängt im Kleinen an. Seien es das „Hinter-dem-Rücken-Reden“ über andere oder das Streuen von Gerüchten in der Nachbarschaft – faules Gerede kann einen Menschen zerstören. Das gilt aber natürlich auch für Politiker und Journalisten. Wie oft werden in den Boulevardblättern Verdächtigungen gestreut, groß aufgemacht, mit großer Empörung geschrieben. Der Rückzug erfolgt einige Wochen später in Minidruck auf Seite 12. In der Zwischenzeit müssen die Betroffenen Spießrutenlaufen üben.

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Um der sozialen Kälte der Zeit und den Problemen des eigenen Lebens zu entgehen, fliehen viele Deutsche in Drogenkonsum. Dies ist eines der größten Tabus in Deutschland. Es beginnt immer früher: Mindestens jeder vierte junge Mensch in Deutschland ist nach Einschätzung von Experten suchtgefährdet. Nach Ansicht des „Fachverbandes Drogen und Rauschmittel“ konsumieren fast fünf Millionen Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 25 Jahren Alkohol und Drogen. Das Einstiegsalter für Tabakkonsum liegt bei 11,6 Jahren, für Alkohol bei 12,1 und für Cannabis bei 14,6 Jahren. 21 % aller Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren rauchen täglich, bei den Jugendlichen aus sozial schwächeren Familien sind es 38 %. Besonders die Abhängigkeit von Alkohol und Drogen hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Der Kokaingebrauch steigt bedrohlich und lässt vermuten, dass es sich mittlerweile um eine Massendroge handelt. In den vergangenen Jahren waren es besonders die Meldungen über Süchte bei Prominenten, die aufhorchen ließen: Christoph Daum, Kate Moss, Britney Spears, Lindsay Lohan, Mel Gibson, Pete Doherty, Mike Tyson, Martina Hingis. Aber sie sind nur die Spitze des Eisbergs. 2006 zählte man in Deutschland über 250.000 Rauschgiftdelikte.

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Besonders der Alkoholmissbrauch ist längst ein Massenphänomen. 1,6 Millionen Deutsche sind alkoholabhängig. Es müssen aber nicht gleich harte Drogen sein, in die sich der hoffnungslos überforderte Mensch unserer Zeit flüchtet. Eine grassierende Seuche ist die Internetsucht. Betroffene werden als solche erst bezeichnet, wenn sie mindestens 35 Stunden pro Woche im „Netz“ verbringen. Sie sind dadurch physisch und psychisch in ihrem Alltag erheblich eingeschränkt, die Zahl der Internet-Süchtigen geht vermutlich bereits in die Hunderttausende. Ihr Problem: Viel einfacher als die Auseinandersetzung mit dem realen Leben ist der Rückzug in die Scheinwelten. Man zieht sich in künstliche Foren zurück. Nicht nur, dass man in „Chatrooms“ inkognito mit Unbekannten „plaudert“, ohne die Identität preiszugeben. In der Scheinwelt „Second Life“ kann man sich sogar neu erschaffen. Die über acht Millionen Nutzer von Second Life können dort wohnen, einkaufen, in Bordellen ihrer Lust frönen und sonntags in die Internet-Kirche gehen. Die Second-Life-Bewohner, Avatare genannt, können alles tun – ohne Konsequenzen. Selbst die Heirat von zwei Avataren ist möglich. Auch Sex mit Kindern ist kein Tabu, da es sich ja nur um Sex in der virtuellen Welt handelt. Das alles ist mehr als Unterhaltung, es ist die Flucht aus dem Alltag, Resignation vor den Herausforderungen des Seins. Persönliche Probleme will man vergessen und hinter sich lassen. In der zweiten Welt lassen sich alle Träume problemlos erfüllen: Sex ohne Beziehungsstress, ein eigenes Traumhaus ohne Kreditprobleme, die unbeschwerte Party ohne Kater. Berthold Brecht hat in seiner „Dreigroschenoper“ die moralische Heuchelei seiner Zeit aufs Korn genommen. In ironischer Manier zeichnete Brecht damals schon ein schonungsloses Bild der Moral. Sie sei abhängig vom Sättigungsgrad des Menschen, spottete er. „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“ Erst der eigene Vorteil, dann das Wohl des Anderen. Erst ich, dann du. Wenn alle materiellen Bedürfnisse gestillt sind, dann können wir irgendwann auch mal über Wohltaten für andere sprechen. Der Volksmund bringt das alles auf den Punkt: „Das Hemd ist mir näher als die Hose.“ Genau hier brauchen wir einen Kurswechsel. Der Grundfehler des modernen Menschen ist, dass er sich und seine Bedürfnisse an die erste Stelle setzt. Die Katastrophen des 20. Jahrhunderts sollten uns aber doch fürs 21. Jahrhundert klar gemacht haben, was es bedeutet,

Foto: martin-runkel/photocase.com

Titelthema


Narzisstische STÖRUNGEN DER persönlicHkeit – EGOMANIE

wenn der Mensch meint, er sei die letzte Instanz. Wer denkt, Moral sei ein individuelles Prinzip, keine von außen an den Menschen herantretende Norm, der landet bei der heute vorherrschenden Ego-Ethik. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Menschenwürde. Nicht umsonst haben die Verfasser des Grundgesetzes auf dem Hintergrund der nationalsozialistischen Gräueltaten die Würde des Menschen an den Anfang gesetzt. Sie zu schützen und zu bewahren ist eine Hauptaufgabe des Staates. Der Staat aber sind wir, seine Bürger. Wer immer nur nach dem Schutz der Menschenwürde ruft, wenn es einem selbst an den Kragen geht, der greift zu kurz. Unser tägliches Verhalten unseren Mitmenschen gegenüber muss die Würde des anderen respektieren und achten. Jeder Mensch ist wertvoll und als Geschöpf Gottes von unvergleichlicher Bedeutung. Wer das begreift und versteht, der kann dem Mitmenschen nur in Respekt begegnen. Horst-Eberhard Richter, der bekannte Gießener Psychoanalytiker, warnte schon vor Jahren in einem Interview: „Wir haben die psychologischen Selbstporträts der Westdeutschen verfolgt. Dabei hat uns sehr erschreckt, dass sich gerade in den letzten Jahren die Liebesfähigkeit sehr reduziert hat … Deutlich zurückgegangen ist auch: sich um andere Menschen Sorgen machen, über eigenen Probleme nachdenken, mehr von sich preiszugeben. Also alles, was Bindungen betrifft, ist zurückgegangen. Eine Individualisierung, eine soziale Distanzierung, hat sich verstärkt.“ Wir sind da angekommen, wo der Jüngling Narziss in der Sage stand. Selbstverliebt steht er am Ufer und erblickt im See sein eigenes Angesicht, ist entzückt über das ihm entgegenleuchtende Antlitz. In ihm entbrennt die Liebe zu sich selbst. Fasziniert von der eigenen Schönheit vergisst er alles andere um sich selbst. Es entsteht ein vollendetes Glücksgefühl. Doch die Sage hat kein Happyend. Sie endet tragisch: Der Selbstverliebte stürzt in den See, angezogen von seinem Spiegelbild. Die Ichbezogenheit war letztlich ein Fluch der Götter, um ihn ins Verderben zu stürzen. Von Martin Luther und seiner Auslegung des Römerbriefs stammt die bemerkenswerte Beschreibung vom sündigen Menschen als dem „incurvatus in se“. Der Mensch ohne Gott sei ein in sich selbst verkrümmtes Wesen, endlos auf sich selbst bezogen. Statt sich auf Gott, seinen Schöpfer, und auf seinen Nächsten auszurichten, verliere er sich in der Bespiegelung seines Selbst. Das alles aber

macht ihn krumm, gebeugt. Denn die Last der Selbstfindung und Selbstverwirklichung überfordert ihn ständig, knechtet ihn, lässt den Blick auf den Boden fixiert sein, statt dass er die Augen nach oben richtet, zum Himmel. Dieses Bild des in sich gekrümmten Menschen ist heute so aktuell wie damals. Aufsehen, sich strecken, den Blick weg von sich auf den Anderen und auf Gott richten, das sind die Notwendigkeiten unserer Zeit.

Genehmigter Auszug aus dem Kapitel 2 des Buches von Dr. Stephan Holthaus, Werte. Was Deutschland wirklich braucht, Brunnen Verlag, 2008

ÜBER DEN AUTOR Der Autor, Dr. Stephan Holthaus, ist Dekan der Freien Theologischen Hochschule Gießen und Leiter des „Instituts für Ethik & Werte“. www.ethikinstitut.de

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Titelthema

Daily Talks - Selbstdarstellung, Lebenshilfe oder Schmuddel-TV? Narzissmus im Fernsehen – Ein Kapitel deutscher Mediengeschichte

Pluralismus und „Bildungsauftrag“: die Öffentlichen Medien in der frühen Bundesrepublik In den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland wurde darauf geachtet, im Rundfunk und später auch im Fernsehen eine vom Staat nicht beeinflusste Programmstruktur zu etablieren: Ein Programmauftrag ohne Monopol der Regierung. Zu sehr hatte man noch den „gleichgeschalteten“ Rundfunk des Hitler-Regimes vor Augen, der eine ganz besondere Form von „Bildungsauftrag“ wahrgenommen hatte, nämlich den, den ihm die Herrschenden verordnet hatten. In keiner anderen Zeit, in keinem anderen Staat und in keiner gesellschaftlichen Gruppierung war die politische Bedeutung eines Mediums für die Beeinflussung der Menschen, die „Erziehung des Volkes“, so 14

erkannt, genutzt und missbraucht worden wie im ReichsRundfunk der Nationalsozialisten. Das Fernsehen war damals noch im Experimentierstadium und spielte insofern praktisch keine Rolle. Um die staatliche Gängelung nach dem Krieg auszuschließen, sollte nicht mehr die Regierung den Ton angeben, sondern unabhängige, von den gesellschaftlichen Gruppen kontrollierte Sendeanstalten. Sie boten Programme an, die – neben Informations- und Unterhaltungsfunktion – vor allem den besonderen Auftrag hatten, die Hörer zu informierten kritischen Bürgern der neuen Republik zu machen. So entstand das System des „Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks“, das auch das Fernsehen einschloss.

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VON RAINER JOHANNES WALLERIUS


Narzisstische STÖRUNGEN DER persönlicHkeit – EGOMANIE

Bis in die sechziger Jahre schien es seine Funktion ganz gut zu erfüllen. Freilich nicht ohne Kritik: Der viel zitierte „Bildungsauftrag“ des öffentlichen Rundfunks erschien zunehmend altbacken und großväterlich; manche Kritiker empfanden die Programme als lebensfern, von der Mehrzahl der Hörer in ihren Inhalten gar nicht verstanden und zudem an deren Interessen vorbeizielend. In den siebziger und achtziger Jahren kam Bewegung in die Medienszene. Die Politik schuf Rahmenbedingungen, unter denen sich im öffentlichen Raum andere MedienKulturen als die der Anfangsjahre entwickeln konnten. Aber die Politik ist nicht allein dafür verantwortlich, dass jene extreme Form medialer Selbstdarstellung entstand, vor der wir heute irritiert stehen. Aber die Politik ist auch nicht unschuldig daran.

Die „Talkshows“ der Privatsender: Für fünfzehn Minuten berühmt? Fällt der Begriff „Talkshow“, denkt man unwillkürlich an Andy Warhols „Prophezeiung“ von 1968, in Zukunft sei jeder Mensch für fünfzehn Minuten berühmt. Elf Jahre später, Ende der Siebziger, meinte er, dass sich seine Prophezeiung bestätigt habe: „.my prediction from the sixties finally came true: In the future everyone will be famous for fifteen minutes“. Wir wissen nicht, ob er außer dem, wovon hier die Rede ist, noch etwas anderes meinte; aber immerhin begann in Deutschland zu dieser Zeit eine Entwicklung, in deren Folge immer mehr bis dato ganz unauffällige Menschen eine Form öffentlicher Selbstdarstellung nutzten, die ihnen durchaus eine gewisse „Berühmtheit“, positiv oder negativ, bescherte. Wollten sie nun im Sinne Warhols wenigstens einmal für eine Viertelstunde berühmt sein oder nicht, öffentliche Aufmerksamkeit war ihnen auf jeden Fall sicher, wenn sie in einer „Talkshow“ vor hunderttausenden von Fernsehzuschauern ihre innersten Gefühle auspackten. In den USA und in Großbritannien waren „Talkshows“ als Mischung von Information, Interview und Moderatoren-Gesprächen mit Prominenten schon seit den fünfziger Jahren bekannt. Ende der Siebzigerjahre kamen sie in eine Krise. Der Informationswert musste einem höheren Unterhaltungswert weichen und es entstanden die so genannten „Confessional-Talks“, bei denen die Talk-Gäste ihre persönlichen Gefühle und Probleme im Studio offen darstellten. Diese wurden später ergänzt oder erweitert durch

„Confrontation-Talks“ mit von der Regie erwünschten heftigen Auseinandersetzungen der Talkteilnehmer. Vergleichbare Talkshows etablierten sich in Deutschland als Domäne der Privatsender erst nach der Reform der Rundfunkgesetze während der Kanzlerschaft von Helmut Kohl. Inhaltlich weniger im Sinne der von ihm verkündeten „moralisch-geistigen Wende“, als eher schon im Sinne des Förderns privatwirtschaftlicher Konkurrenz bei Rundfunk und Fernsehen, wurde die Gründung von privaten Sendern als gewinnorientiert arbeitende Unternehmen gesetzlich möglich. Damals verlor der bis dahin unangefochtene und ausschließlich aus öffentlichen Gebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinem oft bekrittelten „Bildungsauftrag“ seine Alleinstellung. Die nun in raschem Tempo entstehenden Privaten Rundfunk- und Fernsehsender finanzierten ihren Betrieb nicht aus öffentlichen Gebühren, sondern aus wirtschaftlichen Aktivitäten, praktisch aus bezahlten Werbeeinblendungen. Nur wenige Sender schafften es bis Anfang der Neunziger sich als „Pay-TV“ zu etablieren, bei dem die Fernsehzuschauer das Programm über eine Art Abonnement finanzieren, wie z. B. „Premiere“. Die anfänglich erhofften „Kultur- und Bildungskanäle“ bei den Privatsendern, mit denen die Politik für die Öffnung des Medienbereichs geworben hatte, verschwanden bis auf wenige Ausnahmen ebenso rasch von der Bildfläche wie die meisten kirchlichen und „offenen Bürgerkanäle“, weil ihnen die Finanzen ausgingen, selbst wenn größere Organisationen wie Kirchen oder Verbände als Träger oder Sponsoren fungierten. Schnell war klar: Nur hohe Einschaltquoten sind für die Werbewirtschaft interessant; und so musste man Formate finden, die das versprachen und zudem preisgünstig zu produzieren waren. Talkshows erschienen dafür besonders geeignet, denn sie konnten mit wenig Aufwand fast täglich ins Programm eingestellt werden. Ähnlich wie in den USA mutierten sie bald von Talks mit Prominenten zu solchen mit Alltagsbürgern – eine Zielgruppe, die für die Werbung besonders interessant war. Der Boom der „Daily Talks“ lag in Deutschland Ende der achtziger und in den neunziger Jahren. Die Sendeplätze wanderten vom Abend auf die Stunden zwischen elf und siebzehn Uhr. Das war die Zeit, in der die „Hausfrau“ beim Bügeln oder sonstiger Hausarbeit war und nebenher den Fernseher eingeschaltet hatte. Dann konnte sie Menschen sehen, „wie du und ich“, statt ihrer zwar bewun15


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derten, aber von der eigenen kleinen Welt doch so fernen Stars der Abendprogramme. Seinesgleichen im Fernsehen zu sehen war neu und attraktiv. Denn diese Menschen sprachen über Dinge, die man kannte, die einem selbst auch hätten widerfahren können, oder von denen man gerüchteweise in der Nachbarschaft gehört hatte. Ganze Scharen von redaktionellen Mitarbeitern schwärmten in deutsche Lande aus, um Talk-Teilnehmer zu rekrutieren. Anzeigen wurden geschaltet auf der Suche nach Menschen mit Problemen, in deren Thematiken sich die Zuschauer wieder finden oder sie zumindest neugierig machen sollten, und die auch bereit waren, darüber im Fernsehstudio zu reden. Den Protagonisten wurde vermittelt, dass sie und ihre Probleme es wert seien, darüber zu sprechen, dass es sogar für viele Zuschauer hilfreich wäre, wenn sie in der Sendung davon erfuhren, und dass sie selber auch hilfreiches Feedback erwarten konnten. Die Aspekte von Selbsthilfe und Fremdhilfe wurden geschickt miteinander kombiniert. Die „Klienten“ wurden bei ihrem Bedürfnis abgeholt, sich mitteilen zu können, dabei ernst genommen zu werden und – vielleicht zum ersten Mal – zu erleben, dass sie nicht allein mit ihren Problemen waren. So gelang es in den ersten Jahren ohne Mühe, genügend authentische „Talk-Gäste“ zu finden, obwohl die Anzahl der Shows immer größer wurde.

Simpel gestrickt und preiswert produziert Bei der Gestaltung der im Grunde simpel gestrickten Shows kam den „Moderatoren“ eine besondere Rolle zu. Sie prägten das Image der Shows und waren die zentralen 16

Identifikationsfiguren. Waren sie zugkräftig genug, fielen neben ihrem Honorar und dem für das redaktionelle und technische Personal nur geringfügige Produktionskosten an. Die meisten Shows benannten sich nach ihren Moderatoren: „Arabella“, „Fliege“, „Vera am Mittag“, etc. Ihnen oblag es, die Protagonisten durch die Sendung zu führen, sodass sie angstfrei reden konnten und stets das Gefühl behielten, was sie hier von sich geben, sei für sie und das Publikum wichtig. Zwar gab es im Hintergrund eine Regie und eine Redaktion, aber maßgebend war ausschließlich die Person des Moderators. Ihre Interaktionen, ihre Art die Fragen zu stellen, zum nächsten Punkt zu führen, waren das A und O des Gelingens. In diesen Jahren betreute ich eine Arbeit zu Talkshows an der Film- und Fernseh-Hochschule und war als psychologischer Berater für mehrere Sender tätig. Die Ausführungen beruhen großenteils auf den dabei gemachten Erfahrungen. So hatten sich die Moderatoren nicht immer auf das jeweilige Thema ausreichend vorbereitet. Manche taten es mehr oder weniger intensiv, andere verließen sich auf ihr „Charisma“ und überspielten ihre Unkenntnis in der Sendung mit besonderer Redefertigkeit oder gefühliger Anteilnahme. In der Regel gelang es ihnen, sich authentisch rüberzubringen. Ihre (partielle) Kenntnislosigkeit in der Sache fiel dem Studio-Publikum nicht auf, weil es gar nicht auf die Idee kam, dass der „große“ Moderator etwas nicht wissen könne. Wem dies als Moderator nicht gelang, war allerdings schnell ‚weg vom Fenster’. Das „Geschäft“ stand für die Sender im Vordergrund. Lebenshilfe oder Aufklärung waren zwar Image fördernde Ziele, traten im Zweifel aber hinter dem Geschäftsinteresse zurück. In den Ablauf im Studio wurde das anwesende Studio-


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Publikum aktiv einbezogen. Die Aufnahmen fanden in der Regel am Nachmittag statt. Zunächst konnte ich gar nicht glauben, wie viele Menschen sich an einem normalen Arbeitstag im Studio eingefunden hatten, bis mir klar wurde, dass es sich um eine Art bezahlten „Talktourismus“ handelte: die Teilnehmer waren Schüler, Studenten oder Pensionäre, denen der Sender für die Teilnahme etwas zahlte und sie mit Bussen zum Studio chauffierte. Eine Ausnahme sind bis heute die großen Polittalks am Abend (z. B. „Anne Will“, „Maybrit Illner“), die so begehrt sind, dass man sich als Zuschauer um Teilnahmekarten bemühen muss. Um eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen, musste das Studio-Publikum vor der Sendung präpariert werden. Diese Aufgabe übernahm der „Aufnahmeleiter“. Er übte regelrecht ein, wann und wie das Publikum klatschen oder rufen sollte. Insbesondere das Erscheinen der Moderatorin oder des Moderators, die meist über eine nach unten zur Bühne führende Treppe aus dem Off in die Szene „schreiten“, wurde mit lautem Beifall oder mit Begeisterungsrufen garniert. Nicht immer realisierte der Aufnahmeleiter, worum es bei dem jeweiligen Talk thematisch ging. Am Rande der Peinlichkeit schrammte zum Beispiel eine Sendung zum Thema „Jugendliche Selbstmörder“, vor deren Beginn der Aufnahmeleiter in gewohnter Weise das Publikum auf Begeisterungsstürme einstimmte, bis ihn – gerade noch rechtzeitig – die inzwischen aufgewachte Regie bremste.

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Die Themen: Persönliches und Intimes Die Medienpsychologie spricht von „Affekt-Fernsehen“ oder „Affekt-Talks“ und meint damit, dass die Moderatoren eine emotionale Atmosphäre von Privatheit, intimem Verständnis und „Bekenntnis“ herstellen müssen, um die Zuschauer an den Geräten emotional anzusprechen und bei der Stange zu halten. Dazu gehören entsprechende Themen. Besonders beliebt sind stets solche aus der Sexualität mit all ihren Spielarten und Grenzbereichen, aber auch Suizidalität und Drogen. Die Kritik bemängelte schon früh, dass diese Formate vorwiegend Menschen aus problematischen Umfeldern oder in schwierigen persönlichen Situationen, in psychischen Krisen oder in finanziellen Schwierigkeiten zur Schau stellen, ferner Missbrauchsopfer und Problemfamilien. Dies diene hauptsächlich voyeuristischen Bedürfnissen der Zuschauer und sei alles andere als Lebenshilfe. Bisweilen führe diese Selbstentäußerung des Privaten für die Protagonisten sogar zu mehr Schwierigkeiten als sie zuvor hatten. Zutreffend daran ist, dass Aspekte des „Zur-Schau-Stellens“ immer eine Rolle spielten, denn das Bedienen der

Neugierde der Zuschauer war Bestandteil des Konzeptes. Eigenen Beobachtungen zufolge musste das nicht zwingend negative Auswirkungen auf die Talk-Gäste haben. Für die meisten waren andere Punkte wichtiger: über seine Probleme sprechen können, endlich zu erleben, dass man ernst genommen und dass einem zugehört wird. Vor allem, wenn es dem Moderator gelang, sie trotz aller intimen Offenbarungen als wichtige Teilnehmer mit eigener Würde vorzustellen, empfanden sie sich nicht als zur Schau gestellt. Diese Haltung der Moderatoren wurde aber bei einigen der privaten Sender bald durchbrochen. Denn in dem Maße, wie die Anzahl der Talkshows inflationär zunahm, wuchs der Konkurrenzdruck in Bezug auf die Einschaltquoten. Für die Zuschauer mussten neue Aufmerksamkeitsimpulse gesetzt werden. Die emotionale Atmosphäre gemeinsamen Verständnisses und Problembewusstseins in einem „kuscheligen Studio Setting“ genügte nicht mehr, selbst wenn es um Tabu-Themen ging; man brauchte mehr „Action“. So wurden aus den „Confessional-Talks“ mit ihren „Outings“ von persönlichen Problemen oder absonderlichen Erlebnissen oder Vorlieben immer öfter von den Sendern bewusst geplante „Confrontation-Talks“; in deren Verlauf war es gang und gäbe, dass die Protagonisten heftig und bisweilen bis zur Prügelgrenze miteinander stritten und dazu von den Moderatoren animiert wurden.

Narzissmus und Exhibitionismus versus Aufklärung und Lebenshilfe Hier zeigt sich ein starker Einschnitt in das ursprüngliche Talkshow-Konzept der achtziger und neunziger Jahre: Die Elemente „Selbsthilfe“ durch Darstellung der der eigenen Probleme und „Fremdhilfe“ durch die den Zuschauern vermittelte Erfahrung, dass auch andere ein ähnliches Problem haben wie sie selbst, waren vom Tisch. Es ging den neuen Formaten bewusst um spektakuläre Aktionen vor laufender Kamera. Diese Entwicklung führte dazu, dass immer mehr TalkGäste in den Vordergrund rückten, denen es nicht um ihre Probleme ging, sondern die ihren offensichtlichen Hang zu narzisstischer Selbstdarstellung ausleben oder ihre schauspielerischen Talente beweisen wollten. Meldeten sich nicht rechtzeitig passende Bewerber, verzichteten 17


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weil mehr Angebote zur Psychotherapie zur Verfügung stehen als früher. Ähnlich kann es sich bei den hier diskutierten Shows verhalten. Um die Frage zu klären, was wovon die Ursache ist, bräuchte man medienpsychologische Untersuchungen in einer Breite, die methodisch derzeit nicht zu leisten sind. Man täte auch den meisten Talk-Gästen zumindest der zeitlich ersten Talkshow-Phase, die sich im Studio „outeten“, unrecht, wenn man sie pauschal als grenzwertige Narzissten bezeichnete, als verkappte Exhibitionisten oder als Hysteriker. Für viele war das Auftreten in der Show tatsächlich ein Stück Lebenshilfe; sie sahen in ihrer Teilnahme eine Gelegenheit, endlich mal ernsthaft angehört zu werden. Dass der Sender von ihnen profitierte, dass sie in diesem Sinne „benutzt“ wurden, wussten sie. Aber es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, und das war es ihnen wert. Psychologie und Psychotherapie sind nicht die einzigen Fachdisziplinen, die für die Medienwirkungsforschung relevante Aussagen machen können. Es lohnt sich einen Blick auf Markt und Wirtschaft zu werfen.

Wirtschaftliche Hintergründe und ethische Werte Es gehört zu den einfachen Grundwahrheiten des Marktes, dass ein Angebot nicht nur einen vorhandenen Bedarf deckt, sondern selbst Bedarf wecken und Nachfrage erzeugen kann. Die Talk-Show-Macher leben davon, dass genügend Nachfrage nach ihren Shows besteht. Das heißt, sie brauchen hinreichend gute Einschaltquoten, um Werbeaufträge zu akquirieren. Lässt die Nachfrage nach TalkShows nach, muss sie wieder angehoben werden, ebenso, wenn ein höherer Gewinn erzielt werden soll. Um die gewünschte höhere Nachfrage zu erreichen, müssen neue Aufmerksamkeitsimpulse für die Zuschauer gesetzt werden, mit anderen Worten: die Zuschauer-Neugier muss stimuliert werden. Wie weit man dabei an die Grenzen des guten Geschmacks geht oder darüber hinaus (siehe die oben apostrophierten Themen), hängt von den Einstellungen der Senderverantwortlichen zu gutem Geschmack, Moral und Geld ab. Lautet die Priorität „Gewinnoptimierung“, wird die Entscheidung sich daran orientieren, was im Markt an Ausweitung möglich ist – guter Geschmack hin oder her. Werden in diesem Sinne die Inhalte der Shows in Richtung geschmacklich und moralisch grenzwertiger Themen und „Confrontation-Talks“ erweitert, schafft man damit zugleich eine Plattform, auf der sich mentale Exhibitionisten und narzisstische Selbstdarsteller öffentlich zur Schau stellen können; zudem vermitteln die finanzielle

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manche Sender schon mal ganz auf die Authentizität der Talkgäste und engagierten gegen Bezahlung Schauspieler für die immer wilderen Shows. Zwischenzeitlich hatten auch die öffentlich-rechtlichen Sender nachgezogen und boten selbst unterschiedliche Talk-Show-Formate an. Natürlich spielten auch für sie die Einschaltquoten eine Rolle, aber sie waren nicht in gleichem Maße wirtschaftlich davon abhängig wie die Privatsender. Diese mussten Werbeeinnahmen erwirtschaften, die Öffentlich-Rechtlichen konnten nach wie vor auf ihre Gebührenfinanzierung bauen. Damit konnten sie es sich leisten, neben der Unterhaltung den Anteil aufklärerischer Arbeit und Lebenshilfe stärker zu gewichten, während die Privaten immer spektakulärere Themen präsentierten („Hilfe, ich will mein Jungfernhäutchen wieder“; „Mein Freund ist Transvestit“; „Meine Schwester spannt mir meinen Mann aus“ – wobei die beiden Schwestern, zwei bezahlte Laienschauspielerinnen, animiert wurden, aufeinander loszugehen). Das Studio wurde zur Kampfarena. Mit dem allmählichen Abgleiten der Sendungen in das ausschließliche Bedienen der Sensationsgier änderte sich, wie angedeutet, die Struktur der Talk-Teilnehmer. Immer mehr narzisstische „Selbstdarsteller“ und Selbstvermarkter sahen ihre Stunde gekommen und wurden von den Sendern gerne genommen. Diese Entwicklung setzt sich in anderer Form bis heute fort. Die Container- und Dschungelcamp-Serien („Big Brother“; „Holt mich hier raus…“) stellten die nächste Stufe der Entwicklung dar. Sie spekulieren, ohne das auch nur im Geringsten verschleiern zu wollen, auf die voyeuristische Sensationslust einer scheinbar gar nicht so geringen Population von Zuschauern. Und siehe da – sie hatten überraschend hohe Einschaltquoten. Was läuft da in unserer Gesellschaft ab? Die Tatsache, dass es hierfür und für die vorgängigen Confrontation-Talks sowohl genügend Talk-Teilnehmer als auch Zuschauer gab und gibt, legt auf den ersten Blick den Verdacht nahe, dass unsere Gesellschaft zunehmend voyeuristisch und narzisstisch wird. Es wäre jedoch ein gedanklicher Kurzschluss, dies einfach zu behaupten; die Hypothese wäre genauso wenig beweisbar wie z. B. die, dass die statistische Zunahme der Zahl der Psychotherapiepatienten ein Beweis für die gestiegene psychische Morbidität der Gesellschaft sei. Die Zahl kann nämlich auch deshalb größer geworden sein,


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Gratifikation und öffentliche Aufmerksamkeit den Anreiz, dies auch zu tun. Die Platzierung der neuen Talk-Inhalte und -Formen in den Programmen muss dabei zunächst behutsam erfolgen und schrittweise ausgeweitet werden. Je öfter die neuen Inhalte nach und nach in den Programmen vorzufinden sind, umso „normaler“ erscheinen sie und umso normaler erscheint es, sie sich anzusehen. Auch negative Reaktionen fördern den Aufmerksamkeitswert, sie dürfen nur nicht so weit gehen, dass die Sendungen aus dem Programm genommen werden müssten. Eine psychologische oder medienpsychologische Betrachtung allein genügt also nicht; die dargestellte Entwicklung muss auch auf ihrem wirtschaftlichen Hintergrund gesehen werden. Legitime ökonomische Interessen und die Angst vor dem Verlust von Marktanteilen spielen hier eine Rolle, aber auch Profitgier ist nicht auszuschließen. In diesem Kontext kann ein Wildwuchs, wie man ihn am Beispiel der Talkshows sehen kann, gut gedeihen. Für den vorliegenden Problemzusammenhang der Medien wurden die Rahmenbedingungen durch die politische Entscheidung der achtziger Jahre zugunsten privatwirtschaftlich organisierter Sender geschaffen. Der Hinweis ist wichtig, dass politisch handelnde Menschen so entschieden haben, und nicht irgendwelche Sachzwänge dafür verantwortlich sind. Die einzige Ordnungsgröße, die in der Gesellschaft in der Lage wäre, für die Zukunft ein verändertes Verhalten zu generieren, ist insofern die Politik, bzw. es sind die politisch Handelnden. Wir alle müssen uns dringend darum kümmern, dass diese die Folgen ihrer Entscheidungen abschätzen, bevor die Entscheidungen Gesetz werden. Würde man die Folgenabschätzung ernsthaft betreiben, käme man rasch zur Frage nach den Grundlagen der

getroffenen Entscheidungen: Welches Menschenbild, welches Gesellschaftsbild, welche Handlungsethik, welche Normen und Wertvorstellungen liegen der jeweiligen Entscheidung zugrunde? Die deutsche Verfassung, das „Grundgesetz“, gibt einen unmissverständlichen Hinweis darauf und benennt klar, wo die Wurzeln der gesellschaftlichen Traditionen und Werte der Bundesrepublik liegen: Im christlichen und humanistischen Menschenbild und Werteverständnis. Die Politik wird nur dann gegensteuern können, wenn ihre Verantwortlichen – unter bewusstem Verzicht auf ideologische Profilierung der Parteien mit ihrem unsäglichen gegenseitigen Gezänk – sich auf diese Wurzeln beziehen und ihre Entscheidungen ethisch daran ausrichten. Es ist an uns, die handelnden Politiker darauf hinzuweisen und nötigenfalls zurechtzuweisen. Schließlich gilt nicht erst seit der sanften Revolution von 1989 in Deutschland: „Wir sind das Volk“. Dafür ist es höchste Zeit. Denn sonst müssen wir weiterhin mit Entwicklungen rechnen, die nicht nur unappetitlich sind, wie der Ausflug in die Talkshow-Szene zeigt, sondern erhebliches Schad-Potential für die Betroffenen beinhalten kann.

ÜBER DEN AUTOR Dr. Rainer J. Wallerius, MA, Prof. im Psychology Department, C.U.-University, Miami/Jefferson-City (USA), Präsident des Europäischen Netzwerks für Beratung, Psychologie und Therapie e.V., Supervisor, Psychologische Praxis.

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Holt Gott zurück!

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ls beim Prager „Forum 2000“ führende Persönlichkeiten aus aller Welt über Zukunftsfragen diskutierten, meinte Tschechiens damaliger Staatspräsident Václav Havel: „Zunehmende Gottlosigkeit ist mitverantwortlich für die derzeitigen globalen Krisen.“ Besonders dramatisch sei der daraus resultierende „weltweite Mangel an Verantwortung“. Die Moral wird privatisiert, gesellschaftliche Maßstäbe und allgemein verbindliche Sinnorientierungen gehen verloren. Als Resultat bleibt der Verlust sozialer Lebensqualität. Halten wir uns den Spiegel vor: Kneipen und Kinos sind voller als Kirchen. Nächstenliebe leidet an Magersucht. Minister schwören nicht zu Gott. Das Goldene Kalb ist populärer als die Zehn Gebote. Nicht Religion und Glaube, sondern Wissenschaft und Fortschritt, Konsum und Kommerz sind die stärksten Schubkräfte der Geschichte. Doch schon Goethe analysierte messerscharf: „Alle Epochen, in denen der Unglaube einen kümmerlichen Sieg behauptet, verschwinden vor der Nachwelt, weil sich niemand gern mit der Erkenntnis des Unfruchtbaren abquälen mag.“ Deshalb der Appell von Alexander Solschenizyn, der im Juni 1994 zur Titelschlagzeile der „Welt“ wurde: „Holt Gott zurück in die Politik!“ Der russische Dichter und Denker, Dissident und Nobelpreisträger hat die düstere Prophezeiung seines Autorenkollegen Dostojewski am eigenen Leib im eigenen Land erlebt: „Ein Volk ohne Bindung an Gott geht kaputt. Wenn Gott nicht existierte, wäre alles erlaubt.“ Wir bezahlen bitter, was der Mathematiker-Philosoph Blaise Pascal schon im 17. Jahrhundert beschrieb: „Die Mitte verlassen heißt die Menschlichkeit verlassen.“ Humanität ohne Divinität führt zur Bestialität. Die Abschaffung Gottes führt nicht ins Vakuum. „Die verlassenen Altäre werden von Dämonen bewohnt“ (Ernst Jünger). Der Thron ist leer, aber alle wollen drauf. In der schrecklichen Nazizeit hat sich der arische Wundermensch zu seinem eigenen Gott gemacht. Das Ende kennen wir. Im Mai 1936 schrieb die vorläufige Leitung der evangelischen Kirche an Hitler: „Unser Volk droht die ihm von Gott gesetzten Schranken zu zerbrechen: Es will sich selbst zum Maß aller Dinge machen. Das ist menschliche Überheblichkeit, die sich gegen Gott empört.“ Das darf sich nie wiederholen!

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VON PETER HAHNE

Der katholische Religionsphilosoph Romano Guardini fragt uns im Blick auf die Wissenschaftsethik ironischbesorgt: „Wird der Mensch der Technik nachwachsen?“ Die Erkenntnis, von Novalis hat sich heute ins Gegenteil verkehrt: „Ein Schritt in der Technik erfordert drei Schritte in der Ethik.“ Wie rück-schrittlich wir da heute sind, zeigt die Debatte um Lebensschutz und Bioethik. Als gäbe es weder mitmenschliche noch moralische Maßstäbe, werden die Fragen der reinen Zweckmäßigkeit geopfert. Dabei liefert gerade hier die Frage nach Gott und dem Glauben den eigentlichen Fort-Schritt der Humanität. Ein Beweis für seine gesellschaftliche Relevanz und dafür, welch hohen Preis wir für dessen Verlust bezahlen. Die wichtigste Unterscheidung, die der Glaube macht, ist nämlich die zwischen Gott und Mensch. Wenn der Glaube von Gott spricht, meint er den Schöpfer. Und damit weist er dem Menschen seinen Platz zu: als Geschöpf. Das hat fundamentale Wirkung für alle gesellschaftlichen Bezüge. Wenn der Glaube den Menschen in ein Verhältnis setzt, dann verhindert er, dass der Mensch Maß aller Dinge ist. Dass dies alles andere als theoretisches Philosophieren ist und es dabei um alles oder nichts geht, zeigt die aktuelle Diskussion um die Neudefinition des Begriffes Menschenwürde mit dem fatalen Konzept einer „abgestuften Menschenwürde“. Dabei wird der vom Grundgesetz geschützte Wert immer häufiger mit Freiheit, Handlungsfähigkeit, Bewusstsein oder Jugendlichkeit in Verbindung gebracht. Sind diese Kriterien nicht mehr erfüllt, wird schnell statt von einem menschenwürdigen Leben von einem menschenwürdigen Sterben gesprochen. Wohin das führt, erleben wir in Holland hautnah: Während wir in Deutschland noch für Patientenverfügungen werben, geben die Niederländer notariell „LebenswunschErklärungen“ ab. Bereits drei Jahre nach dem bejubelten liberalen Sterbehilfe-Gesetz haben sich die schlimmsten Befürchtungen der Konservativen dramatisch bewahrheitet: Immer mehr alte Menschen sterben durch die Hand des Arztes nicht auf eigenen, sondern ihrer Verwandten


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(und Erben!) Wunsch. Die Meldepflichten werden einfach ignoriert und die Kriterien der Euthanasie großzügig ausgelegt. In diesem Klima kann es nicht verwundern, wenn die ohnehin unbestimmten Begriffe „unerträgliches und aussichtsloses Leiden“ inzwischen auch dazu dienen, die Tötung eines Alzheimerpatienten im Frühstadium(!) der Krankheit zu rechtfertigen. So makaber es klingt: In Holland ist man seines Lebens nicht mehr sicher. Und das gilt für jede Gesetzgebung, die den Menschen zum Maß aller Dinge macht. Holt Gott zurück in die Politik – das heißt dann: Holt das Maß zurück. Den Maßstab, an dem sich alles messen lassen muss. Denn wenn Gott weichen muss und der Mensch an die erste Stelle tritt, sind Extremismus und Fanatismus die Folge. Der atheistische Fundamentalismus ist die größte Bedrohung unserer Gesellschaft. Unter dem Minuszeichen der Gottlosigkeit gerät alles auf die schiefe Bahn. Wo immer in der Welt einer nicht mehr weiß, dass er höchstens der Zweite ist, da ist bald der Teufel los. Der Philosoph Max Scheler nennt es „metaphysischen Leichtsinn“ zu meinen, der Mensch könne alles selbst und brauche Gott nicht. Christus oder Chaos – so lautete die provozierende, aber messerscharfe These hellsichtiger Christen nach dem Zweiten Weltkrieg und der barbarischen Nazidiktatur. Zum Beispiel Wilhelm Busch mit seinem noch heute aktuellen Bestseller „Jesus unser Schicksal“. Man kann nämlich den, der zur Rechten Gottes sitzt, nicht einfach links liegen lassen. Und wer vor Gott knien kann, der kann vor Menschen gerade stehen. Es gibt keine Ethik ohne Religion. Ich kann nach keiner Orientierungsmarke segeln, die ich mir selbst an den Bug meines Schiffes genagelt habe. Letzte Ausrichtung, der es kompassgenau zu folgen gilt, kann nur außerhalb von mir sein. Die tapferen Christen der Bekennenden Kirche während des Dritten Reiches hatten das Motto: „Teneo quia teneor“ – ich halte stand, weil ich gehalten werde.

Genehmigter Abdruck aus dem Buch von Peter Hahne: Schluss mit lustig – Das Ende der Spaßgesellschaft, Johannis-Verlag, Lahr, 2004

ÜBER DEN AUTOR Peter Hahne ist Diplomtheologe, Hörfunkmoderator, Fernseh- und Buchautor. Arbeitet in der Hauptredaktion „Aktuelles“ des ZDF, wo er als Moderator und Redakteur des „heute-journal“ und der Nachrichtensendung „heute“ tätig ist. Hahne ist stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios in Berlin, außerdem Kolumnist der Bild am Sonntag. Bis Oktober 2009 Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

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von Prof. Dr . Wolfgang Huber

Schuldbewusstsein, ekklesiogene Neurosen und Narzissmus

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ür die Klage lege ich in diesem Kapitel Ehre ein. Das Klagen soll zu Worte kommen, nicht nur das Jammern. Nicht das Selbstmitleid ist religiös hochzuhalten, sondern die Trauer über fremdes wie über eigenes Leid. Das Böse muss beim Namen genannt, das Übel beschrieben, das Leiden mitgeteilt werden. Zu den Einsichten des Glaubens gehört, dass Gott solche Klagen erhört. Das Gebet ist eine grundlegende Handlung des Glaubens, nicht nur im Lob Gottes, sondern auch in der Klage über das, was misslingt. 22

Doch die Klage bezieht den Klagenden mit ein. Der gottesdienstlische Ruf „Herr, erbarme dich“ meint nicht die Fehlleistungen anderer, sondern die Fehlorientierung des Beters selbst. Es gibt keinen christlichen Gottesdienst ohne Bekenntnis der Sünde; zu jedem Gottesdienst gehört die Bitte um Vergebung der Schuld. Damit ist freilich zugleich gesagt: Es gibt im christlichen Glauben keinen Zugang zur Sünde jenseits der Zusage der Vergebung der Sünden. Im Licht der Vergebung zeigt sich erst, was die Sünde ist.


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Was ist Sünde? In der Zusage der Vergebung stellt Gott kraft seiner Gnade die Verbindung mit dem Menschen wieder her. Daran wird zugleich das Wesen der Sünde deutlich. Sünde ist Trennung des Menschen von Gott. Ihr Kern besteht nicht in diesem oder jenem Vergehen; insbesondere kann das Wesen der Sünde nicht auf diese oder jene moralische Verfehlung reduziert werden. Sünde meint eine Verkehrung in der Grundbestimmung des Menschen: seine Bestimmung als einer Gott entsprechenden Person, die auf Gottes Anrede antwortet und zum Zusammensein mit den Mitmenschen und der Mitkreatur berufen wird. In dem berühmten Hohen Lied der Liebe, das Paulus im 13. Kapitel seines 1. Korintherbriefs aufgezeichnet hat, werden die Wirkungen des Geistes Gottes als Glaube, Hoffnung und Liebe bezeichnet. Ein Leben wird beschrieben, in dem Menschen im Glauben in einer lebendigen Beziehung zu Gott, in der Hoffnung in einer lebendigen Beziehung zur Zukunft und in der Liebe in einer lebendigen Beziehung zu ihren Nächsten wie zu sich selbst stehen. In dieser Beschreibung eines vom Geist Gottes bestimmten Lebens wird zugleich deutlich, was das Wesen der Sünde ist. Sie ist eine Haltung, die sich dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe entzieht. Das Wort „Sünde“ beschreibt eine menschliche Grundsituation, die durch Unversöhntheit, Hoffnungslosigkeit und Lieblosigkeit bewirkt und bestimmt ist. In ihr zerbricht die lebendige Beziehung zu Gott, zur Zukunft, zu den Mitmenschen wie zu sich selbst. Sie ist ein Verhängnis, aus dem der Mensch Befreiung braucht. Es handelt sich um eine tragische Grundsituation, die keinem Menschen unbekannt ist. Die Tragik verstärkt sich dadurch, dass es weiterhin als verpönt gilt, von der Sünde zu sprechen. Als Begründung wird oft die Tatsache herangezogen, dass das Sündenbewusstsein als Herrschaftsinstrument benutzt wurde. Menschen wurden auf ihre Sünde festgelegt und dadurch unfrei gemacht. Die Lebensfreude wurde verpönt; aus der Angst vor der Sünde wurde ein zwanghaftes Pflichtbewusstsein abgeleitet. Dem übermächtigen Gott stand der sündige Mensch wie ein kleiner, unscheinbarer Zwerg gegenüber. Das ist der Stoff, aus dem die sogenannten „ekklesiogenen Neurosen“ gemacht sind. Gemeint sind mit diesem Ausdruck dauerhafte psychische Störungen, die in traumatischen Erfahrungen mit dem Bild des den Sünder strafenden Gottes zu tun haben. Als „Gottesvergiftung“ hat der Psychoanalytiker Tilman Moser diese Erfahrungen bezeichnet; vom „Gotteskomplex“ hat der Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter gesprochen. Ihre Analysen haben vielen Menschen zum Abstand von solchen zwanghaften Vorstellungen verholfen. Doch leider haben sie dabei in vielen Fällen nicht nur von falschen Gottesbildern, sondern von der Gottesbeziehung selbst Abschied genommen.

Manche dachten zugleich, mit der Kritik an einer problematischen Fixierung auf die Sünde könne man auch das Nachdenken über sie hinter sich lassen. Mit der Kritik einer falschen Schuldfixierung wurde auch die Pflicht zur Rechenschaft darüber geleugnet, dass und wie jemand schuldig geworden ist. Bis in die jüngste Vergangenheit hinein gilt manchen Autoren – wie dem Soziologen Gerhard Schulze – die Abrechnung mit der Sünde als einem vermeintlich total überflüssigen, die Menschen lediglich unterjochenden Konzept als der große Durchbruch zur Freiheit. Doch der vermeintliche Freiheitsgewinn ist mit einem Verlust an Wirklichkeitssinn erkauft. Inzwischen gehört für die meisten der „Gotteskomplex“ der Vergangenheit an. Nicht in neurotischen Schuldfixierungen, sondern in narzisstischen Störungen sehen viele Psychoanalytiker das große Problem unserer Zeit. Die Frage, wie sie dem verbreiteten Egotrip der Erlebnisgesellschaft entgehen können, beschäftigt wache und nachdenkliche junge Menschen. Diese Frage jedoch lässt sich nur beantworten, wenn man Irrwege einräumt und nicht jeden Lebensweg für gleich verheißungsvoll hält. Die Verstrickung in die Sünde der Beziehungslosigkeit ist keine leere und überholte Behauptung. Sie nimmt vielmehr beklemmende neue Formen an. So verlieren Menschen den Bezug zu ihrer Umgebung, weil sie sich in die virtuellen Welten von Computerspielen, Internet oder Fernsehen einspinnen. Jugendliche fliehen aus einer Gesellschaft, in der sie sich nicht in Anspruch genommen und gewürdigt fühlen. Sie flüchten sich in nationalistische Ideologien, deren Gewaltfantasien leicht in Gewalttaten umschlagen. Menschen hängen ihr Herz an die Spekulationen mit frei um den Globus rotierendem Kapital, das im wahrsten Sinn des Wortes zu ihrem Gott wird, angebetet und verehrt. Paare verfehlen einander, weil sie den Genuss der eigenen Sexualität an die Stelle der sinnlich erlebten Liebe stellen und sich dem anderen deshalb nur so lange zuwenden, wie es „Spaß“ macht. Genehmigter Abdruck aus dem Kapitel „Sünde und Schuld“ aus dem Buch von Prof. Dr. Wolfgang Huber, Der christliche Glaube, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2008

ÜBER DEN AUTOR Wolfgang Huber ist ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe. Er bekleidete bis November 2009 das Amt des Bischofs der Evangelischen Kirche BerlinBrandenburg-schlesische Oberlausitz und war von November 2003 bis 2009 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche.

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Die hier getroffenen Aussagen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider. Ihre Meinung ist gefragt. Antworten Sie uns an E-Mail: wohnheim@deignis.de

Zur Diskussion von Winfried Hahn

Narzissmus in Kirche und Gemeinde

1.

Von der Schwierigkeit zu leiten im Zeitalter der Egomanie und der Postmoderne

Spricht man in diesen Tagen mit geistlichen Leitern, so hört man häufig, dass viele von ihnen mit Angst und Unsicherheit kämpfen. Angst, alles richtig zu machen, Angst, für Fehler angegriffen zu werden, Angst vor Infragestellung. Der Respekt vor Verantwortungsträgern in Kirchen, Staat und Gesellschaft nimmt immer mehr ab. Jeder hat seine Meinung, jeder vertritt seine Meinung offensiv und will sie durchsetzen. Fließend die Grenzen zwischen Mündigkeit und Rechthaberei! Fühlt sich jemand als Gemeindeglied oder Bürger nicht ernst genommen, reagiert er häufig beleidigt, verletzt, ja nicht selten angriffslustig! Pastoren bekommen dies häufig dadurch zu spüren, dass sie mehr hinterfragt werden wie früher und sich rechtfertigen müssen. Oftmals werden sie mit Unterstellungen konfrontiert, die in der Tat schmerzhaft, kränkend und zutiefst verunsichernd wirken. Viele geben sich Mühe, opfern sich auf, engagieren sich und müssen sich dennoch ständig rechtfertigen. Der steigenden Zahl narzisstischer, wichtigtuerischer, von ihrer eigenen Meinung völlig begeisterter Gemeindeglieder kann man es einfach nicht recht machen. Immer gibt es etwas zu kritisieren, zu nörgeln und zu intrigieren. Da geht es den geistlichen Verantwortungsträgern in ihren Kirchen und Gemeinden nicht besser als denen in Staat und Gesellschaft. Arme Leiter möchte man fast sagen. Aber wie reagieren sie? Immer mehr Leiter hören auf zu leiten, immer mehr Verantwortungsträger hören auf Verantwortung zu tragen. Man flüchtet in die Rolle des Moderators, der es allen recht machen will. Eigene Meinung bei Verantwortungsträgern? Häufig Fehlanzeige! Abwarten, hören, was die anderen sagen, herausfinden wohin der Trend geht und sich dann mit dem Strom bewegen. Wenn jedoch der geistliche Leiter zum Moderator wird, geht die Vision, die Berufung, die göttliche Zielsetzung verloren. Wo sind sie, die scharfkantigen, unerschrockenen Männer Gottes vergangener Tage in Kirchen und Gemeinden. 24

Und wo sind sie in der Gesellschaft die staatstragenden für ihre Überzeugungen kämpfenden Persönlichkeiten? Kantig, unbequem aber Werten und Zielen verpflichtet. Das Mittelmaß, gleichförmig und angepasst, scheint bis auf wenige Ausnahmen die Führungspositionen zu besetzen. Angst, Position zu beziehen (man könnte ja angegriffen werden), macht unsere Zeit arm an Werten und höheren Zielen. So leidet unsere Zeit an dem Mangel verantwortungsbewusster an Überzeugungen und Werten verpflichteter Persönlichkeiten. Aus Angst für seine Überzeugung angegriffen zu werden, wird der Pastor zum Moderator, der Kommentator zum Mitläufer, der Politiker bestimmt von ständigen Meinungsumfragen zum Quotenfänger und Entertainer. Wir brauchen in Kirche und Staat Männer und Frauen, die Wahrheit und Werten verpflichtet sind, einer Wahrheit, die außerhalb der eigenen Maßstäbe liegt, Wahrheit, die uns Gott in seinem ewig gültigen Wort, der Bibel geschenkt hat. Kein Schiff kann ohne Kompass und Karte nach einer Orientierungsmarke, die man sich an den Bug geheftet hat, Kurs halten (frei nach Peter Hahne, siehe Seite 20).

2.

Der Pastor – ängstlicher Moderator oder berufener Mann Gottes?

Wie gesagt, Kurs halten ist nicht leicht. Mit Überzeugungen eckt man an. Deshalb wagen viele Persönlichkeiten nicht mehr, sich zu Zielen, Werten und ihrer Berufung zu bekennen. Aber bei den Menschen unserer Zeit herrscht eine große Sehnsucht nach Orientierung, nach Menschen, die vorangehen, die eine Gemeinde in Erweckung, Wachstum und das Feuer Gottes führen. Jemand hat einmal gesagt: Wenn die Kanzel nicht brennt, brennt die Gemeinde nicht. Wir brauchen Verkündiger mit brennenden Herzen, die andere anzünden können damit das Feuer des Evangeliums unabhängig von Konfessionsgrenzen wieder hell aufscheint. Hat Jesus nicht selbst von diesem Feuer gesprochen (Lukas 12,49), das weithin strahlt und zum


ZUR DISKUSSION

Orientierungsfeuer auch im Staat und in der Gesellschaft wird? Wir brauchen geistliche Leiter mit Überzeugungen und Überzeugungskraft, die das narzisstische Chaos ihrer Gemeinden mit göttlicher Autorität bändigen ohne dabei rücksichtslos und unfair zu werden.

3.

Das Gemeindeglied – selbstverliebter Nörgler oder geistlich mündiger Mensch Wie gesagt gibt es viele Gemeindeglieder, die Rechthaberei mit Mündigkeit verwechseln. Der geistlich mündige Mensch sucht und fragt nach dem Willen Gottes und weiß sich dabei in erster Linie Gott, der Wahrheit der Bibel und dem Wirken des Heiligen Geistes verpflichtet. Er versucht im Einklang mit seinem Gewissen zu leben. Deshalb ist er kein Duckmäuser, sondern ein reflektierter mündiger Mensch mit tiefen Überzeugungen. Aber er ist kein aufmüpfiger Rechthaber. Er ist bereit, Autorität zu akzeptieren und weiß, wo seine eigenen Grenzen sind. Er ist bereit, die Berufung, die Gott anderen Menschen gegeben hat zu akzeptieren und sich in konstruktiver Weise Leitung zu unterordnen, ohne sich blind zu unterwerfen. Er ist kein rechthaberischer Schwätzer (Titus 1,10) sondern jemand, der nicht über das Maß seiner Berufung und das Maß seines Glaubens (Römer 12,6) hinausgeht. In unseren christlichen Gemeinden und Kirchen brauchen wir mündige aber auch konstruktive Menschen, die bereit sind mit anderen zusammen das Reich Gottes zu bauen und das Evangelium zu leben. Es sind Menschen, die sich ihres eigenen Wertes und ihrer Würde bewusst sind, aber auch die Berufung anderer Menschen akzeptieren und deshalb respektvoll, auch mit Leitern, umgehen.

4.

Konstruktives Miteinander statt narzisstischer Selbstzerfleischung

Oftmals reagieren jedoch auch Leiter auf Angriffe ihrer Gemeindeglieder verletzt und gekränkt. Sie fühlen sich unsicher und schlagen zurück. Oft verteidigen sie sich mit den gleichen Mitteln mit denen sie angegriffen werden. Man schart Gleichgesinnte um sich, man redet schlecht über die, von denen man sich bedroht fühlt und versucht sich durch Manipulation zu schützen. Leidet der Leiter unter einer erhöhten narzisstischen Kränkbarkeit wird es für die Gemeindeglieder bedrohlich. Sie werden von dem Hirten, der sie eigentlich weiden sollte wegen geringer Anlässe geschlachtet (Hesekiel 34). Oftmals genügt es, nicht

der gleichen Meinung zu sein oder sich nicht ganz konform zu verhalten, schon fühlt sich der Leiter bedroht und man wird ausgegrenzt, abseits gestellt, angegriffen, verleumdet, aus der Gemeinde gemobbt. Leider häufen sich die Beispiele dafür, dass die Zahl verletzter Leiter, die andere wieder verletzen, zunimmt. So scheint zur Zeit eine Entwicklung im Gang zu sein, dass man sich in christlichen Gemeinden zunehmend gegenseitig kränkt und verletzt. Um fast jede christliche Gemeinde herum bildet sich ein Feld von verletzten, gefrusteten ehemaligen Gemeindegliedern, die jetzt oftmals keiner Gemeinde mehr angehören, Unchurched Believers nennt man die Personen, die sich in keiner Kirche mehr beheimatet fühlen. Ihre Zahl wächst ständig. Daraus kann es nur eine Schlussfolgerung geben: Das gegenseitige Kränken und Gekränktsein in unseren christlichen Gemeinden muss aufhören. Wir brauchen Veränderungen für unsere selbstbezogenen Einstellungen und Charaktere in Richtung Demut, gegenseitigem Respekt und Wertschätzung, gepaart mit Vergebungsbereitschaft, Verständnis und Liebe füreinander. Möge Gott, der Herr unsere Herzen mit seiner Liebe tief berühren und sättigen, dass aus dem gegenseitigen Verletzen ein gegenseitiges Heilen, Trösten und Wertschätzen wird. Das Buch „Worüber man nicht spricht“ von Ute Horn und Winfried Hahn enthält weiterführende Inhalte zum Thema dieses Artikels. Lieferbar ab August 2010 im SCM Hänssler Verlag .

ÜBER DEN AUTOR Winfried Hahn, ist Pastor und Pädagoge. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern, Damaris und Daniel, war Pastor in mehreren freikirchlichen Gemeinden, studierte Pädagogik und machte eine Ausbildung zum Christlichen Therapeuten. Heute leitet er das de’ignis Wohnheim – Haus TABOR zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung und ist Vorsitzender der Christlichen Stiftung de’ignis Polen. Als Pastor im übergemeindlichen Dienst und Buchautor hält er Predigten, Vorträge und Seminare im In- und Ausland.

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IMPULS

Biblischer Impuls: Narzisstische Züge beim Propheten Jona – Gottes Antwort VON DIPL. PSYCH. R AINER OBER BILLIG

I

n meiner Betrachtung des „fliehenden Propheten“ versuche ich Rückschlüsse auf seine narzisstische Persönlichkeitsstruktur zu gewinnen. Dazu untersuche ich die Beziehungen Jonas’ zu Gott, seinen Mitmenschen, zu sich selbst und der prophetischen Situation oder zu seinem Auftrag. Es geht also darum, ein Psychogramm des Menschen Jona und seines Reaktionsmusters zu entwerfen, weniger eine theologisch korrekte Auslegung dieses Buches der sog. „kleinen Propheten“ der Bibel zu wagen. Wichtig sind mir auch seelsorgerliche Querbezüge eines narzisstischen Selbstkonzepts und Weltbildes am Beispiel Jonas’ auf uns selbst, als zeitgenössische Christen.

Was sind eigentlich narzisstische Persönlichkeitszüge? In dem im amerikanischen Raum bevorzugten „Statistischen, beschreibenden Manual“ psychischer Erkrankungen (DSM-IV) werden 9 Kriterien für das Vorliegen eines narzisstischen Persönlichkeitsstils 1 – je nach Ausprägung krankhaft – genannt bei Menschen, die: • eine grandios – überhöhte Vorstellung von ihrer eigenen Bedeutung haben • ganz in Anspruch genommen sind von Phantasien, die um Themen wie z. B. grenzenlose Macht, Schönheit, Erfolg usw. kreisen • glauben, als Personen einzigartig und „besonders“ zu sein • Bewunderung durch andere verlangen • glauben, einen besonderen Anspruch auf spezielle Behandlung bzw. Erfüllung ihrer Wünsche zu haben • in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch sind • ohne einfühlendes Verständnis für die Bedürfnisse und Gefühle anderer sind • neidisch auf andere sind oder glauben, von anderen beneidet zu werden • in ihrem Verhalten arrogant und hochmütig erscheinen

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Senf/Broda (2000) – Praxis der Psychotherapie, S. 413


Narzisstische STÖRUNGEN DER persönlicHkeit – EGOMANIE

Zusammenfassend soll hier noch die Beschreibung von Peter Fiedler 2 helfen, „Narzisstische Persönlichkeitsstile“ wahrzunehmen: „Die Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch ein Muster von Großartigkeit in der Fantasie oder im Verhalten, einem Mangel an Einfühlungsvermögen und eine Überempfindlichkeit gegenüber Kritik und Einschätzung durch andere. Narzisstische Persönlichkeiten sind in übertriebenem Maße von ihrer Bedeutung überzeugt. Sie übertreiben eigene Fähigkeiten, auch wenn keine besonderen Leistungen beobachtbar sind. Häufig stehen diese Störungseigenarten mit einem brüchigen Selbstwertgefühl in einem engen Zusammenhang. Eine ausgeprägte Kränkbarkeit trägt zu einem erhöhten Suizidrisiko bei und kann zu depressiven Krisen führen… Im Normalbereich findet sich ein Persönlichkeitsstil, der wesentlich gekennzeichnet ist durch einen Sinn für das Besondere, wie z. B. durch besondere Leistungsorientierung, Bevorzugung ausgefallener Kleidung, elitäres Kunstempfinden, besonders gepflegte Umgangsformen, statusbewusstes Auftreten …Entsprechend häufig ergibt sich eine hohe Anspruchshaltung, die mit Kränkungsund Neidgefühlen einhergehen kann.“ Was bedeutet das konkret für die Einschätzung des persönlichen Reaktionsmusters unseres narzisstischen Protagonisten Jona?

Besatzung als „Unglückbringer“ identifiziert und über Bord geworfen; das Schiff in Seenot kam mit dem Schrecken davon, Jona wurde von einem Großfisch verschluckt. Auf seinen, von nacktem Entsetzen gefärbten, Hilfeschrei an Gott hin, wurde er durch ein Wunder errettet und kam wieder an Land. Jesus selbst bezieht sich später auf diese Geschichte, hat den Weg des Jona als Vorbild seines eigenen Sterbens und Auferstehens angesehen.4 Nachdem Jona aus dem Versinken ins’ Bodenlose wieder festen Boden unter den Füßen hat, setzt Gott wieder an derselben Stelle an, wo der Prophet seinen Dienst verweigert hatte, in wörtlicher Wiederholung desselben Auftrags „Geh’ nach Ninive…“ Diesmal folgte der Prophet dem Befehl Jahves und erlebte eine unerwartete Reaktion der gesamten heidnischen Stadtbevölkerung einschließlich der Regierung. Auf die Gerichtsankündigung hin geht eine Bußbewegung

Was ist das Besondere an der prophetischen Beauftragung Jonas’? Der Kontext der Geschichte, in der sich Jona 3 uns als Mensch mit einer narzisstischen Persönlichkeit vorstellt, ist schnell erzählt: Jona sollte nach Ninive, der mächtigen Hauptstadt des assyrischen Großreiches, reisen und Gottes Gericht über die Königsstadt predigen. Die assyrische Herrschaft war durch eine Soldaten Nation gegeben, berüchtigt für ihre Grausamkeit, die auch Jonas’ Heimat oder Lebensraum unterjocht hält. Es fällt sicherlich nicht schwer, sich in ihn hinein zu versetzen, dass er versuchte aus Angst vor diesem Auftrag zu fliehen; statt die Reise in den Osten an den Tigris – heute irakisches Territorium – anzutreten, nahm er ein Schiff mit der Bestimmung Spanien als Reiseziel. Womit Jona nicht rechnete, war die Reichweite Gottes, die Herrschaft über die Schöpfung. In einem schweren Sturm wurde er von der heidnischen

P. Fiedler – Persönlichkeitsstörungen. In: Margraf/Schneider (2009) – Lehrbuch der Verhaltenstherapie. – Bd. 2, S. 518 Hans Brandenburg (Die kleinen Propheten I) schreibt dazu: „Das Büchlein Jona nimmt unter den Prophetenschriften eine besondere Stellung ein. Es enthält nicht prophetische Reden, sondern eine Prophetenerzählung. …Die Person Jonas, des Sohnes Amitthais, kennen wir aus den Königsbüchern. Danach war Jona…Zeitgenosse Jerobeams II. von Israel Samarien (König von ca. 784 – 744 v. Chr.).“ 4 „Gleichwie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, also wird des Menschen Sohn drei Tage und Nächte mitten in der Erde sein.“ – Matthäus 12,40 2 3

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IMPULS

durch die Bevölkerung einer flächenmäßig gigantisch großen Stadt. Als Gott entgegen der Gerichtsankündigung durch Jona auf die Buße des ganzen Volkes mit Erbarmen antwortet, wird der Prophet in seiner prophetischen Ehre und seinem theologischen Verständnis tief gekränkt; er gerät in eine aggressive Auseinandersetzung mit dem Gott, der ihn quasi gezwungen hat, solches erleben zu müssen. Die Lektion in Barmherzigkeit, die Gott Jona zuteil werden lässt, ist ergreifend in ihrer Schlichtheit und unmittelbaren Anschaulichkeit; doch der Prophet ist am Schluss der Auseinandersetzung mit Gott trotzig verstummt. Es gibt kein „Happyend“ in dieser Erzählung!

Die grandios – überhöhte Vorstellung von der eigenen Bedeutung Hans Brandenburg stellt zu Jonas’ Weigerung, sich dem Willen Jahves unterzuordnen, fest 5: „Es scheint ein titanischer Trotz in diesem Propheten zu leben, der es wagt, dem Willen Jahves seinen Eigensinn entgegenzusetzen… Wir fassen uns an den Kopf, dass ein Mensch so blindlings in sein Verderben rennen kann – und wir vergessen dabei, dass Jona unser eigenes Abbild ist. Er ist ein Bild des gegen Gott und seinen Willen trotzenden Menschen, jenes Menschen, der sein Leben selbst in die Hand nimmt und in eigener Verantwortung ‚ohne Vormundschaft‘ gestalten will. Jahve sagt: ‚Geh hin nach Ninive!‘ Der Mensch aber rüstet sich zur Reise nach Spanien.“ Die narzisstische Selbstüberhöhung zeigt sich in der Verleugnung der Größe Gottes, die nicht auf das kleine Israel als Herrschaftsbereich beschränkt ist, sondern sich über die gesamte Schöpfung erstreckt. Jona verhält sich Konfliktscheu, als könnte er sich vor einem Größeren, den er in seiner Grandiosität negiert, wegducken und unerkannt, unbehelligt und unbelangt die Flucht antreten. Während des, die Schiffsmannschaft in Angst und Schrecken versetzenden, orkanartig lauten Sturmes verdrängt der Prophet jegliche Gefahren einer Schiffsreise und schläft fest in seinem Schlupfwinkel. Er weigert sich, die Stimme Gottes durch den Sturm zu hören. Er ist narzisstisch so sehr auf seinen Konflikt konzentriert, auf seinen Machtanspruch und sein vermeintliches Recht auf Sonderbehandlung bei Gott und den Menschen, dass er ohne jegliches einfühlendes Verständnis für die Bedürfnisse und Gefühle der heidnischen Schiffsmannschaft ist. ( Jona 1, 5.6) Jona versteckt sich stattdessen weiter vor Kapitän und Mannschaft, verhält sich ausbeuterisch in zwischenmenschlicher Beziehung, indem er seinen Konflikt nicht aufklärt, sondern auf Kosten des Lebens der Seeleute ausagiert.

Durch ein Orakel bekommt er die Besonderheit, die er beansprucht, negativ zugesprochen: er ist der Unglücksbringer, wird von Heiden bezüglich seines Gottesverhältnisses zur Rede gestellt „Was hast du da getan?“ ( Jona 1,7–10) Während sich die Männer „mit großer Furcht“ vor dem Gott Jonas’ fürchten, erkennt Jona in seiner narzisstischen Struktur nicht, wie töricht und sinnlos es ist, vor Jahve auf der Flucht zu sein 6. In seinen Bedeutungsund Machtphantasien wirkt er kindlich versteckt; in der narzisstischen Grandiosität steckt das kleine Selbst eines ängstlichen Kindes. Indem er anbietet, dem Meer geopfert

H. Brandenburg, S. 49 „Wohin sollte ich hin fliehen vor deinem Angesicht? Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich doch deine Hand daselbst führen und deine Rechte mich halten.“ (Psalm 139) 7 Buße oder umdenken, Umorientierung aus Einsicht 5 6

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Narzisstische STÖRUNGEN DER persönlicHkeit – EGOMANIE

zu werden als Sühne für seine Auflehnung gegen Gott, zeigt sich, dass die heidnische Mannschaft gerechter ist als Jona; sie möchte das Schiff mit allen Insassen durch materiellen Balastabwurf zu retten versuchen, nicht durch ein Menschenopfer. Aber auch hier zeigt sich das Dilemma des „frommen Narzissmus“: Es geht eher um eine fromme Flucht, nicht um „Metanoia“ 7 – man möchte lieber sterben wollen als neu anfangen. Man will sich in der Demütigung vor einem größeren Willen (auch Macht des Schicksals) nicht aussetzen der Konfrontation mit dem narzisstisch gefärbten Größenselbst. Diese Weigerung, gründlich „Metanoia“ zu praktizieren, scheint ein Grundproblem oder eine Norm des allgegenwärtigen menschlichen Narzissmus zu sein. In diesem Sinne sind Gott verleugnende oder Gott distanzierte Menschen nicht verschieden von auf der Flucht befindlichen Christen. Kapitulation vor unserer Machtlosigkeit in vielen Problemen verletzt unseren, dem Kleinkind Stadium verhafteten, narzisstischen Stolz. Es müssen so auch viele Stunden im Magen eines Ungeheuers vergehen, bis Jona anfängt in seiner Bedrängnis zu Gott zu schreien. ( Jona 2) Der geringen und schmerzlich langsamen Lernfähigkeit des Propheten (Narzissten) tritt die Geduld Gottes gegenüber. Diese Stelle in der Erzählung zeigt uns auch, welchen hohen Leidensdruck der narzisstisch gefangene Mensch braucht, um zur „Kapitulation“ zu gelangen und dieselbe laut und deutlich zuzugeben. So erscheint der Hilfesuchende mit einem narzisstischen Persönlichkeitsstil, in aller seiner offensichtlichen Hilfebedürftigkeit, in seinem Verhalten oft noch arrogant und hochmütig. Es kommt zu einem kreisförmigen Weg Jonas auf dem Meer, zurück zum Ausgangspunkt, zu dem meist Gefürchteten im narzisstischen Selbst: von aller Großartigkeit, allen Lebensfluchten und falschen Gottesvorstellungen entblößt zu werden. Um mit Ratsuchenden dieser „Couleur“ Ziel führend umgehen zu können, ist Langmut erforderlich in der Seelsorge und Psychotherapie. Aber auch Geduld mit sich selbst ist für den Ratsuchenden erforderlich, um die Kapitulation zu vollziehen. In der

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Tradition des 12-Schritte Programms (zuerst bekannt von den AA = Anonyme Alkoholiker) sind die ersten 3 Schritte die härtesten: „Wir gaben zu, dass wir unseren Problemen (dem Alkohol) gegenüber machtlos sind. Wir gelangten zu der Erkenntnis, dass nur eine Macht, größer als wir selbst, uns unsere Freiheit (geistige Gesundheit) wiedergeben kann. Wir beschlossen, unser Leben der Sorge Gottes, so wie wir ihn verstanden, anzuvertrauen.“

Der Glaube, einen besonderen Anspruch auf spezielle Behandlung zu haben Es scheint, als habe Jona ein bestimmtes Bild prophetischen Erfolgs vor Augen gehabt, sodass im Licht seiner späteren Reaktionen die anfängliche Flucht als Vermeidung (Angst vor Versagen) von Misserfolg seiner Gerichtspredigt gedeutet werden kann. Möglicherweise liegt eine „Menschenfurcht“ zugrunde, wie sie dem narzisstischen Selbst eigen ist, die heimliche und unbewusst abgewehrte Angst, abgewiesen zu werden, nicht ernst genommen oder gar nicht erst angehört zu werden. Auch ein grandioses Empfinden gegenüber dem heidnischen, zu bestrafenden Ninive in Form von moralischem Überlegenheitsgefühl (abgewehrte Angst vor Unterlegenheit) mag eine Rolle gespielt haben bei der verqueren geistlichen Reaktion des Propheten auf die Wirkung ( Jona 3) seiner Gerichts Predigt: „Die königliche Regierung Ninives verordnet ein großes Fasten, das selbst die Tiere nicht ausnimmt…Dabei geht es um die Hoffnung: Auch Gott wird sich von seinem Zorn bekehren und die Stadt nicht dem Vernichtungsgericht verfallen lassen. Die Heiden Ninives haben hier Gottes Gedanken besser verstanden als Jona.“ 8 Für den narzisstisch eingegrenzten Menschen ist die Kraft des Wortes Gottes wenig zugänglich, sie bleibt theoretisch; sie ist wohl auch weniger erwünscht gemäß der Überzeugung „darf denn ein anderes Wort als meins mich richten (beurteilen)?“ Aus der Reaktion Jonas’ wird eine klassische narzisstische Regulationsweise zur Stabilisierung des Selbst 9 deutlich: „...er versucht, reale oder in der Phantasie antizipierte Kränkungen und Selbstwerteinbrüche durch Mobilisierung von Wut- und Racheimpulsen zu kompensieren: die narzisstische Wut.“ Jona gerät außer sich vor Wut ( Jona 4, 1–3) und verrät sich in seiner Erregung: Er hat das Desaster für ihn, die antizipierte Selbstwerterniedrigung (ein anderer ist Richter) schon geahnt. Sein Rechtsempfinden, seine Rachevorstellungen stimmen mit Gottes Handeln nicht überein; Gott richtet sich nicht nach seiner Predigt der Gerichts-

Hans Brandenburg, S. 61 F.W. Deneke – Psychoanalytische Therapie bei narzisstischen Störungen. In: Praxis der Psychotherapie…, S. 414

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IMPULS

ankündigung über Ninive, sein gesamter Leidensweg war sinnlos: „Ach Jahve, war es das nicht, was ich sagte, als ich noch in meinem Lande war, warum ich mich beeilte, nach Tarschisch zu fliehen? Denn ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn, aber reich an Güte, und es reut dich das Unheil. Und nun, Jahve, nimm’ doch meine Seele von mir, denn ich will lieber sterben als leben.“ Es wird hier die vom Narzissten so gefürchtete Kränkung des Selbst beschrieben: der Widerspruch gegen den eigenen Maßstab von Gut und Böse, von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, von Barmherzigkeit und Strafe wird nicht ertragen. Diese Entblößung wird als so schlimm empfunden, dass man schon wieder lieber sterben (aus dem Felde gehen) will 10: „Jona aber will sterben, weil er nicht recht behält. Eigentlich: weil Jahve größer ist als das Herz seines Propheten (1. Joh. 3, 20)11. Er lebt zwar selbst von der Gnade und der Barmherzigkeit Jahves und hat an sich selbst erfahren, wie langmütig Jahve und wie reich an Güte er ist – und wie er das Gericht vom Sünder abwendet. Aber die Anwendung auf die anderen wird selbst einem Jona schwer.“ In seiner Engherzigkeit wird eine überhöhte Angst sichtbar, die schreckliche Angst „unterzugehen“, Wert und Selbstwert zu verlieren. Eifersucht bahnt sich ihren Weg, wenn eine behauptete auserwählte Stellung (im alttestamentlichen Propheten Verständnis: Israel gegenüber den Nationen) von Gott nicht berücksichtigt wird. Es kommt zum Neid auf andere, die (auch vermeintliche) Bevorzugung anderer wird sofort bemerkt, gegen das eigene Selbst gerichtet gesehen und als Benachteiligungsgefühl kodiert und entsprechend ausposaunt.

Ohne Empathie für andere – eingeschränkte Fähigkeit zur Introspektion In seiner Antwort auf Jahves Frage „Ob dein Zorn recht hat?“ „…ging er aus der Stadt, setzte sich östlich der Stadt nieder, machte sich dort eine Hütte, dass er sähe, wie es der Stadt ergehe.“ Die narzisstische Versuchung im christlichen Glauben scheint darin zu bestehen, dass eine Unterwerfung unter die Macht Gottes kleinlaut erfolgt; es findet aber keine Herzens Änderung statt, das Misstrauen gegenüber dem offensichtlich Größeren bleibt, „der Kleinglaube aber verfällt leicht der Verzweiflung“ 12. So zeigt auch Jonas’ Unbarmherzigkeit mit der Bevölkerung Ninives ohnmächtig-depressive Züge: es scheint ihm nur um die Aufrechterhaltung des Grandiositätsanspruchs („Prophetenverständnis“) zu gehen, ja Jona geht es letzt-

lich nur um ihn selbst = narzisstische Selbstbezogenheit. Er flüchtet beleidigt und tief gekränkt in die Zuschauerrolle, er „spielt“ nicht mehr mit. Wie Jona sein Propheten-Verständnis offenbart, den anderen den Weg zu zeigen, sich selbst aber davon auszunehmen – sind wir da nicht ebenfalls in Gefahr ein narzisstisch eingefärbtes Gottesverständnis als Anspruch auf Sonderbehandlung zu leben? Was für andere gilt, Recht sein muss, da beanspruchen wir möglicherweise einen „Rechtsfreien“ Raum, liefern Rechtfertigungen und entschuldigen uns „mit einer schlechten Kindheit“? Wie Jona gekränkt reagiert auf die Buße Ninives’, auf das ausbleibende Gericht Gottes, ein regressives Muster „beleidigte Leberwurst“ zeigt, als Gott anders handelt als seine Vorstellung, sein Bild von Gott – sind wir da wirklich so ganz weit von entfernt?

Gekränkt von der Gnade Gottes – was hat das mit uns zu tun? Dann wird Jona (uns) auch noch die Lektion „Sonnenstich“ zugemutet: hier offenbart Gott seine Barmherzigkeit – Gott lässt einen Rizinus über Jona emporwachsen als Schattenspender, „…ihn von seinem Missmut zu befreien. Und Jona freute sich über den Rizinus mit großer Freude.“ ( Jona 4, 6) Dann aber geht der Rizinus durch Insektenstich ein, Jona wird sengender Sonne und Glutwind ausgesetzt, wieder wünscht er sich den Tod. Dann wird auch noch Jonas’ Mitleid mit der eingegangenen Staude und seine Wut auf den Wurm, der seinen Sonnenschutz – Rizinus vergiftete, als Selbstmitleid entlarvt: „Du bist betrübt wegen des Rizinus, um den du dich nicht gemüht und den du nicht großgezogen hast…“ ( Jona 4, 10) Gott öffnet ihm nun die Augen für die Hilfebedürftigkeit der anderen, wie sollte er sich nicht erbarmen: „Und ich, ich sollte nicht betrübt sein wegen der großen Stadt Ninive, in der mehr als 120.000 Menschen sind, die nicht unterscheiden können zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und eine Menge Vieh“? ( Jona 4, 11) Die unendliche Geduld und Langmut Gottes scheint für viele Christen in ihrem gesetzlichen Verständnis des Glaubens und der Bibel (oder sind sie selbst das Gesetz?) höchst anstößig zu sein. Verräterisch ist das zu beobachtende Geltungsbedürfnis im „normalen“ (?) christlichen Gemeindeleben – natürlich auch im säkularen Vereinsleben: Solange ich meinen besonderen Anspruch auf Erfüllung meiner Wünsche noch realisiert zu bekommen glaube, bin ich einverstanden mit dieser Abteilung des

H. Brandenburg, S. 63 Im Gegensatz zum narzisstisch gekränkten Herzen (Gott bevorzugt andere, folgt nicht meiner Theologie) reagieren depressive Menschen mit Tendenz zur Selbstverdammnis grundsätzlich positiv auf die biblische Wahrheit „…wir werden vor ihm unser Herz zur Ruhe bringen, – dass wenn das Herz uns verurteilt, Gott größer ist als unser Herz und alles kennt.“ 12 H. Brandenburg, S. 63 10 11

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Narzisstische STÖRUNGEN DER persönlicHkeit – EGOMANIE

Leibes Christi (oder meinem Verein). Wehe wenn hier eine Enttäuschung eintritt, eine Kränkung des besonderen Status meiner Vorstellungen erlebt wird: Dann muss die Gemeinde, besonders die Leitung (oder der Verein) wie selbstverständlich mit Sarkasmus abgewertet, notfalls verlassen werden. Man kann dort eben meinen (überhöhten), gerechtfertigten Erwartungen nicht gerecht werden, menschliches Unvermögen aber ist selbstredend auf der anderen Seite zu finden!? Das Wort von der Gnade ist durch und durch anstößig. Gott verletzt oder kränkt damit unseren narzisstischen Stolz, dass wir die Zeche, die wir uns selbst eingebrockt haben, am Ende doch noch selbst auslöffeln könnten, ohne dass wir Schaden leiden. Es bleibt: Nur wer sich selbst erniedrigt, wird (von Gott) erhöht werden und wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden. Die Lösung für das narzisstisch aufgeblähte Selbst, hinter dem ein kleines, ängstliches Selbst verborgen ist, könnte also so lauten: „So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, so wird er euch erhöhen zu seiner Zeit, indem ihr alle eure Sorge auf ihn werft, denn ihr liegt ihm am

Herzen.“ 13 Wir dürfen in unserem Kontext wagen, den zweiten Teil des Verses so zu interpretieren: So wird Gott euch befreien aus der tiefen Angst vor Selbstwerterniedrigung und euer Bedürfnis nach Selbstwertrettung und/oder Selbstwerterhöhung für immer stillen.

ÜBER DEN AUTOR Rainer Oberbillig ist Dipl. Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut, er ist als Supervisor für Verhaltenstherapie an der Landespsychotherapeutenkammer akkreditiert und Leitender Psychologe an der de’ignis Fachklinik.

1. Petr 5, 6.7

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Literatur: Brandenburg, Hans (1982, 3. Auflage) – Die kleinen Propheten I. Das Lebendige Wort. Verlag der Liebenzeller Mission. Fiedler, Peter – Persönlichkeitsstörungen. In: Margraf/Schneider (2009, 3. Auflage) – Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Bd. 2, Springer Verlag. Senf, Wolfgang/Broda, Michael (2000, 2. Auflage) – Praxis der Psychotherapie. Ein integratives Lehrbuch. Thieme Verlag. Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen – Textrevision – DSM-IV-TR (2003), Hogrefe Verlag.

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THERAPIEGRUNDLAGEN

Therapiegrundlagen

Therapeutische Beziehungsaspekte im Umgang mit narzisstisch strukturierten und narzisstisch gestörten Menschen VON DR . MED. ROLF SENST

Die Behandlung von Menschen mit der Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung hat etwas Besonderes – allerdings nicht im Sinne der Grandiosität (was man in diesem Kontext ja auch denken könnte), sondern im Hinblick auf die eigene Betroffenheit. Ich will dies ein wenig erläutern, zunächst vor einem allgemeineren Hintergrund. Es gehört ja zu den Spezifika der Psychotherapie, dass hier wie in keinem anderen Bereich der Medizin der Arzt oder Psychologe selber das primäre „Instrument“ der Behandlung ist. Nicht ein Röntgenbild diagnostiziert, nicht ein Medikament therapiert, nein: es ist die therapeutische Beziehung, die entscheidend für den Ausgang einer Behandlung ist. Das stellt hohe Ansprüche an das „Werkzeug Therapeut“. Ansprüche anderer Art als z. B. an einen Chirurgen, dessen fachliches Können primär an einer völlig anderen Stelle gefragt ist als an der einer feinfühligen Beziehungsgestaltung zu seinem Patienten. Der liegt während der Operation ohnehin in Narkose..... Wer geschickt mit einem Werkzeug umgehen will, sollte es gut kennen und regelmäßig damit arbeiten. Das ist auch mit dem „Werkzeug Therapeut“ nicht anders. Dazu ist es für ihn erforderlich, seine eigene Persönlichkeit mit ihren typischen Erlebens- und Verhaltensweisen möglichst klar und realistisch wahrzunehmen, sie einerseits anzunehmen und zu bejahen (dies gilt insbesondere auch für die unangenehmen, „schattigen“ Seiten) und sich andererseits auf einen permanenten Prozess der Weiterentwicklung einzulassen. Ist 32

diese Haltung sich selbst gegenüber beim Therapeuten gut etabliert (dazu dienen insbesondere die Selbsterfahrungsanteile in der Ausbildung), erfüllt er eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung einer therapeutischen Beziehung. Unabhängig davon, an welcher Störung sein Patient erkrankt ist, wird es auch bei diesem einerseits um realistische Selbstwahrnehmung gehen, dann um Selbstannahme, sowie schließlich um einen mittel- und längerfristigen Prozess der Veränderung. Wer sich als Therapeut selber so sieht, als Reisender gewissermaßen, hat es leichter, gemeinsam mit seinem Patienten auf die Reise zu gehen. Leichter, wohlgemerkt, als Komparativ, nicht einfach nur leicht.


THERAPIEGRUNDLAGEN

Kasuistik Wenden wir uns einem Fallbeispiel zu: Ein 43jähriger Autoverkäufer Konrad F. kommt in die Klinik zur Behandlung. Er ist bereits seit einem halben Jahr wegen Depressionen krankgeschrieben. Schuld daran sei die unmögliche Situation am Arbeitsplatz. Ständig gebe es Umstrukturierungen, die Vorgesetzten seien arrogant und würden seine überragenden Leistungen im Verkauf zu wenig wahrnehmen. Allenfalls gäben sie ihm immer mehr Arbeit. Nachdem seine jüngste Initiative für eine Lohnerhöhung unter Hinweis auf die schwierige Geschäftslage abschlägig beschieden worden war, habe er plötzlich allen Schwung verloren. Schon das Aufstehen am Morgen sei ihm schwer gefallen, und er habe ein Gefühl von Enge auf der Brust wie in einem Käfig verspürt. Er sei dann zum Arzt gegangen und habe sich krankschreiben lassen. Diese Arbeitsstelle sei eine Zumutung, er werde sich dort nicht länger „krank machen“ lassen. Er habe sich schon immer im Leben durchbeißen müssen, ständig seien ihm Steine in den Weg gelegt worden. Man könne halt niemandem vertrauen. Auch mit Partnerschaften sei es nicht anders, er ziehe seit längerem vor, alleine zu leben und habe keine engeren Freunde. Manchmal fühle er sich jedoch einsam. Im Aufnahmegespräch fällt sein bestimmendes Auftreten auf. Immer wieder vergewissert er sich, dass sein Gegenüber ihm aufmerksam zuhört, und möchte Bestätigung für seine Sichtweise. Über die biografischen Hintergründe erfahren wir folgendes: Sein Vater war Alkoholiker. Er sei „Spiegeltrinker“ gewesen und häufig aggressiv. Ihn beschreibt er als unberechenbar, streng aber auch schwach, gewalttätig, gutmütig, sowie unzugänglich und schweigsam. Die Beziehung zu ihm sei distanziert gewesen, der Vater habe keine Gefühle oder körperliche Nähe zulassen können. Er sei ange-

passt und konfliktscheu gewesen, habe den Sohn jedoch in seinen Fähigkeiten unterstützt. Die Mutter beschrieb er als ebenfalls unberechenbar, nicht vertrauenswürdig, nachgiebig, deprimiert, sowie fürsorglich und überbehütend. Sie habe an einer Geisteskrankheit gelitten und sich später selbst umgebracht. Auch sein Bruder habe sich suizidiert. Als Teenager habe er selbst einen Suizidversuch unternommen, das habe aber nicht geklappt. Seither habe er immer wieder Selbstmordgedanken, v. a. im Zusammenhang mit depressiver Verstimmung. Einen weiteren Suizidversuch habe er jedoch nicht unternommen. Im Therapieverlauf stand anfangs sein Bedürfnis nach Nähe, Zugehörigkeit, Gesehenwerden und guten Autoritäten im Vordergrund, was er aber nicht direkt zeigen konnte, sondern es über Beschwerden und Abwertungen ausdrückte. Dadurch kam es zu Konflikten mit Mitarbeitern des therapeutischen Teams und Mitpatienten, die er teilweise aber nicht als solche wahrnahm. Nur mit Mühe und stetiger geduldiger Zuwendung seines Einzeltherapeuten konnte er sich auf Konfliktklärungsgespräche einlassen. Nach und nach erkannte er auch eigene Anteile an den jeweiligen (häufigen) Konflikten. Auch psychosomatische Zusammenhänge (Brustenge u. a.) wurden ihm mit Hilfestellung bewusst. Er wurde weniger abwertend in seinem Verhalten anderen gegenüber und erlebte allmählich auch Sympathien, was sich positiv auf sein Selbstwertgefühl und seine Fähigkeit zur Nähe auswirkte. Auch seine Sicht auf den Arbeitsplatz wurde weniger starr. Bei Entlassung kehrte er wieder dorthin zurück, was er sich zu Beginn der Behandlung nicht hätte vorstellen können. Betrachtet man die Biografie unseres Patienten, so fällt der Mangel an zur Einfühlung fähigen Erwachsenen auf. Vater Alkoholiker, Mutter geisteskrank, das Klima war stets unberechenbar. Einerseits wurde er überbehütet, andererseits viel sich selbst überlassen. Was davon jeweils stattfand, wusste er nie im Voraus, es hing primär von der aktuellen Verfassung der Eltern ab und nicht von seinem eigenen Verhalten. Schließlich die Suizide im engsten Verwandtenkreis. Herr F. überlebte, indem er sich in sich selbst zurückzog und (scheinbar) bedürfnislos wurde. 33


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Seine Wut über diese Situation war ihm wenig bewusst, für die defizitäre Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen jedoch von entscheidender Bedeutung. In der Therapie konnte er vorsichtig an seine tief empfundene Bedürftigkeit herangeführt werden und es gelang ihm ein Stück weit, diese anzunehmen. Dadurch wurde er emotional weicher und – soweit bei der Kürze der Behandlungsdauer beurteilbar – beziehungsfähiger.

Analogie aus biblischer Sicht Betrachtet man die diagnostischen Kriterien der narzisstischen Persönlichkeitsstörung und sucht nach biblischen Analogien, bietet sich der Begriff „Stolz“ an, von einigen auch als „Hochmut“ übersetzt. Gegenstück hierzu ist die Demut. Wenn ich also einen „Stolzen“ behandeln will, muss ich ein „Demütiger“ werden. Jesus sagt von sich in seinem berühmten Aufruf „kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid – ich will euch erquicken“ unmittelbar danach noch: „nehmt mein Joch auf und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig“. Jesus selbst betont also, er sei von Herzen demütig und wir sollen von ihm lernen. Damit verbunden ist, sein „Joch“ auf sich zu nehmen. Der Begriff stammt aus der Landwirtschaft vergangener Tage (an anderen Orten der Erde aber durchaus der Gegenwart) und meint eine an den Schultern angebrachte Vorrichtung zum Ziehen eines Arbeitsgerätes, beispielsweise eines Pfluges oder auch eines Wagens. Zwei Ochsen wurden „zusammen gejocht“, also in die gleiche Konstruktion eingespannt, und zogen dann gemeinsam den Pflug. Wenn

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Jesus hier davon spricht, sein Joch aufzunehmen, lese ich dies als eine Aufforderung und ein Angebot, mit ihm gemeinsam an die Arbeit zu gehen. Echte eigene Anstrengung, gepaart mit echter gleichsinniger Anstrengung Jesu. Gemeinsam wird die Arbeit bewältigt, ob es das Pflügen eines Feldes ist oder der Transport von Arbeitsgeräten auf einem Wagen oder von Ernteertrag oder auch von Menschen, die auf dem Wagen sitzen. Die Haltung der Demut, in der dies geschieht, hat eine erstaunliche Auswirkung: „Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“, sagt Jesus. Ich möchte dies gern übertragen auf die psychotherapeutische Arbeit mit Menschen im Allgemeinen und mit narzisstisch gestörten Menschen im Besonderen. Sich auf einen Patienten einzulassen, der scheinbar nur an sich denkt und dem die anderen egal sind (den Therapeuten eingeschlossen) und der mit großspurigem Auftreten, mangelnder Empathie und einem Hang zu ausbeuterischem Verhalten anderen gegenüber sowohl bei Mitpatienten wie auch beim Personal aneckt, ist mühselig. Es gibt keine raschen Belohnungen durch dankbares Empfangen der therapeutischen Zuwendung und nette Worte für den oder die Therapeuten. Im Gegenteil: chronische Unzufriedenheit, Kritik, Vorwürfe, Entwertungen bis hin zu grenzüberschreitenden Unverschämtheiten begleiten die Therapie von Anfang an. Ein Team fühlt sich mühselig und beladen, auch Mitpatienten werden u. U. stark belastet.


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diese Grundbedürfnisse zu befriedigen. Das ist als solches völlig normal und legitim, das tue ich auch, Tag für Tag. Tragischerweise wird er wegen seiner Störung nie „satt“. Dass ich da in einer glücklicheren Lage bin, ist nicht primär mein Verdienst. Ich bin moralisch nicht besser als mein Patient. Sünder und erlösungsbedürftig sind wir beide in gleichem Maße.

Das Angebot Jesu an mich als Therapeut lautet nun, angesichts dieser Situation die Gemeinschaft mit Ihm zu suchen, indem ich mich in die gleiche Haltung begebe wie Jesus: Demut. Was kann das praktisch bedeuten? Anstatt mich im Ärger über den Patienten aufzureiben oder ihn offen oder verdeckt abzulehnen und entsprechend zu behandeln, mache ich mir zum einen klar, dass ich nicht besser bin als er. Ich verlasse also bewusst jeden moralischen Hochmut. Sodann suche ich Anschluss an ein Empfinden von Barmherzigkeit, wie es meiner Überzeugung nach permanent von Gott ausgeht (Gott selbst nennt seinen Namen Moses gegenüber als: „Herr, Herr, Gott, barmherzig und gnädig, geduldig und von großer Güte...“ 2. Moses 34,6) In meiner psychotherapeutischen Ausbildung betonte die sehr erfahrene Professorin (Annelise Heigl-Evers) in ihrer Darlegung der therapeutischen Grundhaltungen in der psychoanalytisch-interaktionellen Therapie die Bedeutung der Barmherzigkeit, auch gegenüber u. U. bizarr oder gar abstoßend gestörten Patienten. Mir hilft dabei der Gedanke, dass mein Gegenüber grundsätzlich die gleichen menschlichen Bedürfnisse hat wie ich (nach K. Grawe Orientierung/Kontrolle, Bindung, Lustvermehrung/Unlustvermeidung und Selbstwerterhöhung/ Selbstwertschutz). Sein Verhalten stellt einen Versuch dar,

Ausgehend von Demut (nichts macht mich moralisch besser als mein Gegenüber) und Barmherzigkeit (ich fühle mich in ihn und seine Bedürfnislage ein und unterstütze ihn darin, sich so zu verändern, dass er nicht chronisch „emotional hungrig“ bleiben muss) gelingt es mir, den Reflex von Ablehnung zu überwinden, der sich gern spontan meldet. Es ist ja nicht zuletzt erlebte Ablehnung und deren Vorstufe, mangelnde empathische Einfühlung der Bezugspersonen in der frühen Kindheit, die den Patienten in seine Störung hinein geführt hat. So schaffe ich Raum für den Geist Gottes und Sein Wirken. Denn letztlich kann eine echte Herzensveränderung nur Gott selbst bewirken. Gelingt es, den Therapieprozess von meiner Seite (überwiegend) in diesem Sinne zu führen, bin ich zugleich besser geschützt vor eigener narzisstischer Kränkung: es kann nämlich durchaus sein, dass all mein Mühen vergeblich ist und am Patienten abprallt. Anstatt mich dann beleidigt von ihm abzuwenden, kann ich stabil bleiben in meiner positiven Haltung ihm gegenüber und dabei vor Augen haben, dass sich die Mühe in den Augen Gottes immer lohnt – auch wenn ich das Ergebnis beim Patienten nicht sehe. Dann lerne ich ggf. am Scheitern und nicht nur am Erfolg. Das Ganze könnte ja auch noch den Sinn haben, dass die Worte Jesu „...lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig...“ in meinem eigenen Leben mehr an praktischer Relevanz gewinnen.

ÜBER DEN AUTOR Dr. med. Rolf Senst, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Rehabilitationswesen, Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut, ist Chefarzt der de’ignis Fachklinik.

Literatur: • Die Bibel • Neumann Eva, Offener und verdeckter Narzissmus, Psychotherapeut 2010, Nr. 55: 21 – 28 • Lammers Class-Hinrich, Marwitz Michael, Integrative Therapie von narzisstisch gestörten Patienten, Psychotherapeut 2010, Nr. 55: 29 – 35 • Roediger Eckhardt, Praxis der Schematherapie, Schattauer 2009 • Deneke F.-W., Psychoanalytische Therapie bei narzisstischen Störungen, in Senf/Broda (Hrsg.)2000: Praxis der Psychotherapie • Yalom Irvin, Der narzisstische Klient, in Theorie und Praxis

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Persönlichkeitsstörungen von Arnd Barocka

Vorbemerkungen

B

evor wir zum medizinischen Teil kommen, liebe Leser, lassen Sie mich ein wenig den Hobbyphilosophen spielen: Ich bin ein Ich. Meine DNA, meine Fingerabdrücke, meine Biografie sind einmalig. Das sagt mir mein Selbstbewusstsein, nicht immer laut und mit dem Merkmal der Wichtigkeit, sondern eher wie eine ständig vorhandene, beruhigende Grundmelodie, so wie ich meine Haut und meine Muskeln, wenn ich gesund bin, angenehm spüre. Also bin ich eine Person. Gott hat mich (ich wechsele gerade zum Hobbytheologen) bei meinem Namen gerufen; ich bin sein. Schon im Mutterleib, bevor ich geboren wurde, kannte er mich.

Persönlichkeit Spätestens seit Erich Fromm wissen wir, dass Sein edler ist als Haben. Wie gut also, dass ich eine Person bin. Auch bin ich eine Persönlichkeit. „Ich bin eine Persönlichkeit!“ soll 36

Prinz Ernst-August von Hannover gerufen haben, als er einen Reporter angriff, der ihn offenbar beleidigt, nämlich als Persönlichkeit nicht respektiert hatte. Aber trotz Erich Fromm ist unser Sprachgebrauch, dass wir nicht nur eine Persönlichkeit sind, sondern auch eine Persönlichkeit haben, so wie wir unseren Körper mit Gliedmaßen, Organen und Sinnesorganen haben. Und erst jetzt darf ich endlich in den Bereich von Medizin und Psychologie wechseln, wo ich mich etwas besser auskenne. Denn zu der Persönlichkeit, die ich habe, können Medizin und Psychologie etwas beitragen: Klassifizieren, Bausteine identifizieren, biologische Entsprechungen, ja vielleicht auch Ursachen erforschen und – hier ist größte Vorsicht geboten – sogar verändernd auf die Persönlichkeit einwirken. Eine der größten Ängste meiner Patienten, denen ich Medikamente verschreibe, lautet: „Können diese Medikamente meine Persönlichkeit verändern?“ Die Antwort lautet: „Leider nein.“ Denn in vielen Fällen wäre das wünschenswert; zu Medikamenten später mehr. Die Persönlichkeit besteht aus Temperament und Charakter. Temperament ist der gemütliche Grund eines


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Menschen. „Gemütlicher Grund“ heißt nicht, dass es auf dem Grund gemütlich wird, sondern dass der Grund das Gemüt ist, das seinerseits aus den Gefühlen besteht. Kompositionen des Gefühlslebens sind bei Menschen einigermaßen typisch und konstant, so dass man von jemandem sagen kann, er habe „ein heiteres Gemüt“ oder sei „ein Gemütsmensch“, womit ein Mensch gemeint ist, der vorwiegend durch freundliche, wenig aggressive, gelassene Gefühle in Erscheinung tritt. Seit der Antike sind die „vier Temperamente“ ein Versatzstück unserer Kultur, so wie die vier Jahreszeiten. Im Einzelnen handelt es sich um den schwermütigen Melancholiker, den lebhaften Sanguiniker, den cholerischen Choleriker und den phlegmatischen Phlegmatiker. In dieser Einteilung – und das gilt für alle Einteilungen – kann sich jeder wieder erkennen. Manchmal trifft es so genau, dass man je nach Temperament lachen muss oder erschrickt. Manchmal muss man die Tatsachen hin und herschieben, kann Mischungsverhältnisse oder Anteile bei sich identifizieren. In jedem Fall ist die Klassifikation eine Art Spiegel, das heißt Instrument der Reflexion. Charakter ist die Summe der gedanklichen Prägungen, Einstellungen und Werte. Sie sind durch die Erziehung oder prägende Erlebnisse geformt. Aus Temperament und Charakter entstehen das Handeln des uns begegnenden Menschen, seine Impulsivität und seine soziale Kompetenz. Haben wir einen Menschen unter diesen Gesichtspunkten kennengelernt, erwarten wir eine gewisse Stabilität seiner Eigenschaften. Wir trauen uns zu, sein Verhalten vorauszusagen und zu bewerten, ob eine bestimmte Handlungsweise „zu ihm passt“ oder nicht. Dieser vorwissenschaftliche „Eindruck“, den ein Mensch hinterlässt, lässt sich psychologisch in polare Dimensionen auflösen. Die Dimension Offenheit zum Beispiel erstreckt sich zwischen den Polen „Offen“ und „Verschlossen“. Diese Dimensionen können in Fragebogen-Tests erfasst werden, die normiert sind. Die Normierung basiert auf Voruntersuchungen an vielen Personen, denen man den Fragebogen vorgelegt hat. Aus ihren Antworten weiß man, welche Antworten „normal“ sind, das heißt, von der überwiegenden Mehrzahl der Befragten gegeben werden, und welche Antworten ungewöhnlich, das heißt selten oder sogar einmalig sind. Damit hat man ein Maß für die Offenheit gefunden, das insofern normal ist, als es für die große Mehrheit der befragten Personen zutrifft. Eine kleine Gruppe ist dagegen in ungewöhnlich starkem Maße verschlossen bis misstrauisch, eine andere kleine Gruppe für das in unserer Gesellschaft übliche Maß viel zu offen. Diese Personen sprechen alles aus, was sie gerade denken und sind nicht in der Lage, sich zurückzuhalten. In beiden Fällen liegt also eine Abweichung von der Norm, genauer gesagt, der Durchschnittsnorm vor.

Ein klassisches Persönlichkeitsmodell ist das von Eysenck. Es enthält die drei Dimensionen „Extraversion“ (Geselligkeit, Aktivität), „Neurotizismus“ (emotionale Instabilität) und „Psychotizismus“ (Impulsivität, Aggressivität, Härte). Sehr interessant ist auch das Persönlichkeitsmodell von Cloninger. Es enthält sieben Dimensionen. Vier dieser Dimensionen erfassen das Temperament und werden folgendermaßen bezeichnet: „Streben nach Neuem“, „Schadensvermeidung“, „Belohnungsabhängigkeit“ und „Beharrlichkeit“. Diese Dimensionen sollen etwas mit der biologischen Grundausstattung des Menschen und dem Überwiegen bestimmter Transmittersysteme zu tun haben. Dagegen werden drei weitere Dimensionen als Ausdruck des Charakters angesehen. Es handelt sich um „Selbstbezogenheit“, „Kooperativität“ und „Selbsttranszendenz“. Dies sind die eingangs genannten, auf Erziehung und biografische Erfahrungen zurückgehenden Charaktermerkmale.

Persönlichkeitsstörung Wann kann man nun sagen, dass eine Persönlichkeit gestört ist? Hierfür reicht es nicht aus, dass man auf der einen oder anderen Skala einen von der Norm abweichenden Wert erzielt. Es sind ganz bestimmte Menschentypen, die man, wenn man sie einmal erlebt, auch immer wieder erkennt. In ihrem Leben dominiert eine gewisse Tragik, und zwar eine selbstverursachte Tragik. Es sind Menschen, die anecken und im sozialen Gefüge Schwierigkeiten bereiten, die natürlich auch immer wieder ihnen selbst zum Nachteil gereichen. Einer der ganz frühen Psychiater, Philippe Pinel (1809) nannte diese Störungen „manie sans délire“, damit war eine psychische Störung, in seiner Terminologie eine Manie, gemeint, aber ohne eine Störung des Bewusstseins (das Delir). Er sah zwei Ursachen, eine fehlerhafte, zum Beispiel verwöhnende oder vernachlässigende Erziehung oder eine „perverse, zügellose Veranlagung“. Hier wird schon das Element der moralischen Beurteilung, genauer gesagt Verurteilung, deutlich, das sich fast automatisch aus der mit der Persönlichkeitsstörung verbundenen sozialen Störung ableitet. Begriffe wie „Soziopathie“, „psychopathische Minderwertigkeit“, „moralischer Schwachsinn“ wurden im 19ten Jahrhundert verwendet. Im 20ten Jahrhundert bemühen wir uns seit Kurt Schneider um Neutralität und versuchen, auf moralische Wertungen zu verzichten. Untergründig spielen sie natürlich doch noch eine Rolle, zum Beispiel in Ärger und Streit, die so oft die Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen begleiten, in den sogenannten Spaltungen. Kurt Schneider (1887 – 1967) hat aber die Lehre von den Persönlichkeitsstörungen – früher nannte man sie Psychopathien – dahingehend beeinflusst, 37


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dass er den Vorrang der Psychopathologie vor der moralischen Wertung etablierte. Klassisch ist seine Definition, dass abnorme Persönlichkeiten 1. von einer „uns vorschwebenden Norm“ abweichen und 2. unter ihrer abnormen Persönlichkeitseigenschaft entweder selbst leiden oder andere, die Gesellschaft, die Mitmenschen unter ihren abnormen Persönlichkeitseigenschaften leiden müssen. Wie kann man sich denn solche abnormen Persönlichkeiten konkret vorstellen, wie sind die Menschen, wenn sie einem dann in der Wirklichkeit begegnen? Aufgrund der historischen Entwicklung kann man drei Typen unterscheiden: solche, die tatsächlich größere Schäden anrichten und häufig mit Polizei, Jugendamt oder Gerichten in Berührung kommen. Sie werden dementsprechend dissoziale Persönlichkeiten genannt. Eine weitere Gruppe stellt möglicherweise die leichtere Verlaufsform bekannter psychischer Krankheiten dar. Man kann annehmen, dass die paranoide Persönlichkeit etwas mit der Schizophrenie, die zwanghafte Persönlichkeit etwas mit der Zwangsstörung zu tun hat. Und schließlich gibt es Persönlichkeitsstörungen, die unter der Bezeichnung „Neurose“ früher von Sigmund Freud behandelt worden wären, wie die histrionische oder die narzisstische Persönlichkeit. Eine Übersicht über die im ICD-10 und DSM IV verwendeten Klassifikationen gibt Tabelle 1.

Beispiele für Persönlichkeitsstörungen Eine junge Dame, Anfang 30, kommt in die Ambulanz zu einem Beratungsgespräch. Eigentlich ist es ein Hilferuf. Sie kommt mit ihrem Leben nicht zurecht. Obwohl sie gut in der Schule war und ein Hochschuldiplom hat, verliert sie immer wieder ihren Arbeitsplatz. Mehrmals hat sie auch selbst gekündigt. Ein solches Erlebnis liegt gerade hinter ihr. Zeitlich fiel es mit dem Ende einer Liebesbeziehung zusammen. Verständlicherweise ist die Patientin momentan sehr unglücklich. An dieser Stelle der Fallschilderung besteht schon der Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung. Je nachdem, welche Informationen nun hinzutreten, können in diesem – teils von mir erinnerten, teils konstruierten – Fall verschiedene Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert werden. Was müsste die Patientin sagen, damit wir zur Diagnose der paranoiden Persönlichkeit gelangen? Sie müsste uns Geschichten erzählen, in denen sie immer wieder Opfer von gemeinen Lügen und Intrigen geworden ist. Ihre Erfahrungen sind so, dass sie niemandem trauen kann. Die Partner, von denen sie sich getrennt 38

ICD = Internationale Klassifikation (Eingruppierung) von Erkrankungen (10. Fassung) DSM = Beschreibendes, statistisches Manual von Krankheiten, vor allem verwendet im Englischsprachigen Raum

Kraepelin, Kretschmer, K. Schneider ICD-9

ICD-10

DSM-IV

Fanatisch

Paranoid

Paranoid

Schizoid

Schizoid

Schizoid

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Schizotypisch

Explosibel Gemütsarm

Dissozial

Antisozial

Stimmungslabil

Emotional instabil - Borderline Typ - impulsiver Typ

Borderline

Geltungsbedürftig

Histrionisch

Histrionisch

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Narzisstisch

Selbstunsicher

Selbstunsicher

Selbstunsicher

Willenlos

Dependent

Dependent

Zwanghaft

Anankastisch

Zwanghaft (Passiv-aggressiv)*

Depressiv

(Depressiv)*

Asthenisch

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Hyperthym

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Zyklothym

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* vorgeschlagene Forschungskriterien Tabelle 1: Persönlichkeitsstörungen (Hartwich et al. nach Sass et al. 1997)

hat, haben sie betrogen. An den jeweiligen Arbeitsplätzen wurde sie in hinterhältigster Weise „gemobbt“. Sie ist jetzt sozial isoliert. Derartige Erlebnisse hat sie – typisch für eine Persönlichkeitsstörung – seit ihrer Schulzeit. Stellen wir uns jetzt ein anderes Szenario vor, das der narzisstischen Persönlichkeit. Die Situation der Patientin ist die gleiche. Berufliche Position und Partner hat sie soeben verloren. Ihre Persönlichkeitsstruktur, ihre Welt, ist aber völlig verschieden. Sie ist nämlich etwas ganz Besonderes, brillant und hochbegabt. Sie kommt aus einer Familie, die eine Reihe überdurchschnittlich talentierter und erfolgreicher Menschen hervorgebracht hat. Das Besondere war ihr gewissermaßen schon in die Wiege gelegt. Zwar hatte sie in Schule und Studium nicht besonders gute Noten, aber nur deshalb, weil sie sich darum auch nie bemüht hatte, sondern in ihrer Ausbildung außergewöhnliche Wege gegangen war. Leider kam es häufig vor, dass fremde Menschen ihre Besonderheit nicht erkannten, geschweige denn förderten. Immer wieder traten Konflikte auf, weil sie von mittelmäßigen Geistern eingeengt werden sollte. Auch gab es oft Ärger, weil sie selbst, das gab sie zu,


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wenig Verständnis für das Selbstmitleid und Gejammer ihrer Partner hatte. Die waren dann schnell beleidigt, anstatt sich zusammenzunehmen und Probleme konstruktiv anzugehen. Den richtigen Mann, der eine starke Frau als Partnerin ertragen kann, hatte sie noch nicht gefunden. Diese Patientin lebte also in einer eigenen Welt, die zwar anders als die der paranoiden Patientin war, aber ebenso wenig verträglich mit der normalen Umwelt. Was wir hier gerade tun, erinnert an ein Spiel aus dem Kinderzimmer, bei dem man auf eine Pappfigur wechselnde Attribute steckt, so dass jeweils ein Junge, ein Mädchen, ein Polizist, ein Indianer oder etwas anderes dabei herauskommt. Die Pappfigur ist in diesem Fall die gleiche Ausgangssituation: Beziehungsabbruch in Beruf und Partnerschaft. Aus der Figur soll jetzt eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung werden. Die Geschichte klingt nun natürlich wieder anders. Sie wird zögernd vorgetragen. Es ist klar, dass der Patientin vieles unangenehm ist, was sie erzählt. Deutlich werden ihre Gründlichkeit, ihr Kontrollbedürfnis, ihr Perfektionismus und ihre Fixierung auf bestimmte Dinge, die unbedingt so sein müssen. Der unstete berufliche Werdegang erklärt sich folgendermaßen: Zuerst wird diese Patientin aufgrund ihrer soliden Ausbildung gerne eingestellt. Man ist froh über ihre Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit. Kontrollbedürfnis und Perfektionismus führen aber bald zu Problemen. Für Aufträge braucht sie viel zu lange, Termine werden versäumt. Durch das ständige und sachlich überflüssige Kontrollieren wird viel Zeit verschwendet. Die Patientin gerät unter Druck und macht jetzt doch katastrophale Fehler. Bei den Kollegen hat sich inzwischen viel Ärger aufgebaut, sodass man sich trennt. In der Partnerschaft kommt hinzu, dass die Partner die Vorstellungen der Patientin als brutal und tyrannisch empfinden. Sie übt einen enormen Druck aus. Wenn es nicht nach ihren Vorstellungen geht, wird sie sehr aggressiv, hat ihre Partner auch schon geschlagen. Wir wollen das Spiel der verschiedenen Attribute mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung abschließen. Dazu stellen wir uns vor, dass die Untersuchung an einem Sommertag stattfindet. Die Patientin zieht eine Jeansjacke aus, unter der sie ein kurzärmliges T-Shirt trägt. An den Unterarmen sieht man parallel zum Handgelenk viele linienförmige Narben, teils frisch, teils schon länger verheilt. Es sind Folgen von Selbstverletzungen, die sich die Patientin mit Rasierklingen beigebracht hat. Mehrmals in der Woche kommt es nämlich vor, dass innere Anspannungen extrem stark, ja unerträglich werden. Wenn sie sich dann schneidet, geht es ihr besser. Offenbar hat diese Patientin Probleme mit ihrer Impulsivität. Dies gilt auch auf anderen Gebieten. Wenn sie sich ärgert, wird sie schnell laut. Heftige Streitigkeiten sind bei ihr an der Tagesordnung. Sie kann sich, wie man sagt, nicht gut beherrschen. Ihre Einschätzung anderer Personen kann schnell wechseln

zwischen unkritischer Begeisterung und heftigster Ablehnung. Oft schon hat sie schnelle Entscheidungen gefällt, die ihr hinterher Leid taten. Auch in der Ernährung ist sie nicht beherrscht. Das Essverhalten ist bulimisch, manchmal trinkt sie entschieden zuviel Alkohol. Heute, beim psychiatrischen Erstinterview, ist ihre Stimmung depressiv und sie klagt über ein Gefühl innerer Leere. Das Leben kommt ihr sinnlos vor. Solche Momente hat sie immer wieder.

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Ursachen der Persönlichkeitsstörung Die Frage ist natürlich, wie solche Merkmale entstehen und sich verfestigen können, die Menschen und ihre Umgebung ein Leben lang belasten. Um diese Frage zu beantworten, gehen wir davon aus, dass zum Beispiel bei der paranoiden Persönlichkeitsstörung nicht das gesamte Set von Symptomen gleichzeitig in Erscheinung tritt. Man postuliert stattdessen, dass eine einzige gestörte Funktion, ein einziges Defizit, alle möglichen Reaktionen auslöst, die dann zum Gesamtbild der paranoiden Störung führen. Dafür gibt es beim Wahn viele Kandidaten. Forschungen aus den letzten Jahren sprechen aber dafür, dass der Fehler im Bereich der Sprache liegt, genauer gesagt, dass die betroffenen Personen eine leichte Unschärfe in der Erfassung von Wortbedeutungen aufweisen. Da es in unserer sprachlichen Kommunikation ja sehr auf Zwischentöne, Anspielungen, Ironie und Ähnliches ankommt, kann schon eine leichte Störung in diesem Bereich zu erheblichen sozialen Problemen führen. Ein Modell ist die Schwerhörigkeit, aus der ebenfalls ein Verfolgungswahn entstehen kann. Dieses Defizit bei Wortbedeutungen ist wahrscheinlich angeboren oder vererbt, denn es kommt häufiger im familiären Umfeld von Schizophrenien vor. Auch „gesunde“ Angehörige von Schizophrenen haben oft formale Denkstörungen. 39


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Therapie der Persönlichkeitsstörung

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Anders ist die Situation bei den narzisstischen Persönlichkeitsstörungen. Hier geht man von einer Störung in der frühen Lerngeschichte aus. Das heißt, dem Kind ist etwas widerfahren, worauf es mit großen Ansprüchen, in der dem Narzissmus eigenen Weise, reagiert. Man stellt sich vor, dass ein einsames, trauriges Kind als Kompensation Größenfantasien entwickelt, wobei die Anleitung dazu von den Eltern kommt, die diese Vorstellungen fördern, indem sie dem Kind den Eindruck vermitteln, dass es durch seine Brillanz ihre Liebe erringen kann. Ebenso kann man sich vorstellen, dass eine zu strenge Erziehung der Entwicklung einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung Vorschub leistet. Den Kontroll- und Reinigungsbedürfnissen liegt ja eine ständige Unsicherheit zugrunde nach dem Muster: „Bin ich wirklich gut genug?“ Das klingt in der Tat nach einer über das Ziel hinaus geschossenen Erziehung, zum Beispiel Sauberkeitserziehung. Zugleich kann man aber feststellen, dass das Merkmal „Zwanghaftigkeit“ in Familien vererbt wird. Wie so oft bei psychischen Erkrankungen scheinen also beide: Anlage und Umwelt eine Rolle zu spielen. Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung ist das zugrunde liegende Merkmal eine Störung der Gefühlsregulation. Der Zeiger der Gefühle schlägt einfach heftiger aus als bei Gesunden, aus Ärger wird Wut, aus einer Verstimmung Verzweiflung. Die schnellen Entscheidungen (jumping to conclusions) hängen damit zusammen. Eine solche psychische Verfasstheit hat natürlich Folgen für das Verhalten und für die Reaktionen der anderen. So entsteht aus einer einzigen psychischen Grundstörung das komplexe Bild der Borderline-Persönlichkeitsstörung. 40

Viele Jahrzehnte lang galten Persönlichkeitsstörungen als schwer therapierbar oder sogar untherapierbar. Die zugrundeliegende Logik lautete, dass man eine Persönlichkeit nicht leicht verändern kann. Das ist ja schließlich auch die Definition von Persönlichkeit. Auch schien es nicht sehr aussichtsreich, eine Persönlichkeit durch Medikamente zu verändern, und wenn es aussichtsreich erschien, dann erschien es unethisch. In den letzten 15 Jahren hat sich vieles verändert, die therapeutische Resignation besteht nicht mehr. Dazu haben verschiedene Entwicklungen beigetragen. Cloningers Temperamentenlehre bringt drei Temperamentstypen mit der Regulation dreier unterschiedlicher Neurotransmittersysteme in Verbindung, nämlich Schadensvermeidung mit dem serotononergen, Neuigkeitssuche mit dem dopaminergen und Belohnungsabhängigkeit mit dem noradrenergen System. Diese Systeme lassen sich durch Psychopharmaka beeinflussen. Versuche, in den „gemütlichen Grund“ der Persönlichkeit einzugreifen, liegen deshalb nahe, wurden aber aus verständlichen Hemmungen heraus bisher nicht unternommen. Anders ist die Situation bei den Persönlichkeitsstörungen, die teilweise mit erheblichen Leidenszuständen einhergehen, sodass die Gabe von Medikamenten, wenn sie denn helfen, ethisch gerechtfertigt ist. Seit Einführung der nebenwirkungsärmeren, modernen Antipsychotika ist die Akzeptanz ihres Einsatzes bei der paranoiden Persönlichkeitsstörung auch wesentlich besser. Medikamentöse Empfehlungen für die narzisstische Persönlichkeitsstörung gibt es nicht, außer wenn auf dem Boden dieser Störung eine typische Depression sich entwickelt, die dann entsprechend behandelt wird. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung wird seit vielen Jahren mit serotoninwirksamen Antidepressiva behandelt. Dies führt zu einer Teilbesserung, auf die man im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans des Zwangs nicht verzichten will. Die Psychotherapie hat es dadurch leichter. Die gleichen Medikamente mit einer anderen Zielsetzung setzt man auch bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung ein. Man geht nämlich davon aus, dass serotoninwirksame Antidepressiva die Impulskontrolle verbessern. Die Psychotherapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, die doch den wesentlichen Anteil der Therapie ausmacht, wird dadurch unterstützt. Außerdem muss man bedenken, dass es bei Persönlichkeitsstörungen immer wieder Krisen mit Unruhe, Angst und Verzweiflung gibt, die vorübergehend eine symptombezogene Medikamentenbehandlung mit Tranquilizern oder Antidepressiva notwendig machen. Im Zentrum der Therapie bei Persönlichkeitsstörungen steht aber ungeachtet der hilfreichen Begleitung durch Medikamente die Psychotherapie. Warum haben die Psychotherapeuten ihre frühere


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Skepsis gegenüber diesem Indikationsgebiet aufgegeben? Dies hängt vielleicht damit zusammen, dass in den letzten 30 Jahren die Etikettierung psychischer Störungen geändert wurde. Neurosen haben Psychotherapeuten schon immer behandelt. Neurosen wurden aber mit der Einführung des DSM III 1980 abgeschafft, und in den folgenden Jahren verschwand der Begriff weitgehend, zumindest in der offiziellen Literatur. Die neurotischen Menschen, die man nicht abschaffen konnte, erhielten dann häufig die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung und konnten, jetzt unter anderer Bezeichnung, von den Psychotherapeuten weiter behandelt werden. Dies gilt zum Beispiel für die narzisstische Persönlichkeitsstörung, die man früher ohne weiteres als Neurose bezeichnet hätte. Dazu kommt aber, dass die Psychotherapie sich in den vergangenen 30 Jahren enorm weiterentwickelt hat. Eine Reihe intelligenter, auf ganz konkrete Störungen zielender Psychotherapieverfahren wurde entwickelt und statistische Wirksamkeitsnachweise wurden vorgelegt. Gegenüber dem Wahn hat man heute eine viel offenere therapeutische Haltung, die es dem Patienten möglich macht, seine Einsamkeit zu überwinden und in einer verständnisvollen Atmosphäre seine ungewöhnlichen Erlebnisse auszubreiten. Für die narzisstische Persönlichkeitsstörung waren schon immer tiefenpsychologische Verfahren gut. In letzter Zeit hat sich ein kognitives Verfahren namens Schematherapie sehr bewährt, in der mit dem einsamen, verzweifelten Kind gearbeitet wird, das hinter der narzisstischen Fassade gefunden werden kann. Für Zwangsstörungen gibt es seit langem gute verhaltenstherapeutische Psychotherapien. Auch die BorderlinePersönlichkeitsstörung ist seit etwa 15 bis 20 Jahren durch Psychotherapien heilbar. Das war früher ja ganz anders, und mein Eindruck ist, dass die Medizin früherer Zeiten, ohne es zuzugeben, vor der Borderline-Störung kapituliert hat. Zwei oder drei Patienten mit dieser Diagnose konnten ein ganzes psychiatrisches Departement lahm legen. Man wusste sich einfach nicht zu helfen, reagierte irgendwie und löste damit unabsichtlich heftigste Reaktionen bei den Patienten aus. Heute gibt es zwei wissenschaftlich anerkannte, wirksame Therapieverfahren. DBT (Dialektisch-Behaviorale-Therapie) nach Linehan setzt an den oben beschriebenen Regulationsstörungen von Impulsen und Gefühlen an und normalisiert sie durch ständige Übungen, die man den speziellen Manualen der DBT entnehmen kann. Hinzu kommt enge Therapeutenbindung und eine Art Lebensschulung. Es gilt zwar nicht für alle Teile der DBT, aber bei den höheren Stufen muss man aufpassen, dass nicht buddhistische Elemente als notwendiger Bestandteil psychischer Gesundheit den Patienten vermittelt werden, obwohl diese aus unserer christlichen Sicht nicht förderlich sind. Dazu gehören Vorstellungen der buddhistischen Philosophie wie die, dass das Ich Illu-

sion sei und dass man nicht werten und urteilen solle, die aus meiner Sicht für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung geradezu schädlich sind. In den Grundstufen dieser Psychotherapie, in denen die Patienten lernen, mit ihren Gefühlen und Impulsen umzugehen, tauchen diese Prinzipien aber noch nicht auf, so dass meiner Meinung nach auch Christen diese wirksame Therapie für sich nützen können, wenn sie ein bisschen vorsichtig sind. Während DBT als verhaltenstherapeutisches Verfahren gilt, kann man Borderline-Persönlichkeitsstörungen nach Kernberg auch tiefenpsychologisch behandeln. Auch hier ist die Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen. Die zugrunde liegende Theorie ist wie immer in der Psychoanalyse sehr kompliziert. In der Praxis spielt wie in der DBT die enge Therapeutenbindung eine Rolle. Unerschütterlich steht er gemeinsam mit dem Patienten alle Stürme der Therapie durch, ohne den Patienten zu verlassen und ohne sich zu kompromittieren. Durch diese beiden Therapieverfahren ist es gelungen, den Betroffenen wieder Hoffnung zu geben. Mit ein paar Jahren berufsbegleitender Psychotherapie und gelegentlich auch Klinikbehandlungen muss man aber rechnen.

Schluss Kehren wir zum Ausgangspunkt zurück. Ich bin ein Ich, habe eine Persönlichkeit und möchte diese Persönlichkeit zum Besseren verändern. Es gibt heute, wie wir gesehen haben, viele gute medizinische und psychologische Ansätze, um dies zu tun. Für eine Persönlichkeit sind aber Medizin und Psychologie nicht alles. Der Glaubende weiß das – übrigens auch mancher Psychologe. Von Zerssen hat in seinem Sechs-Faktoren-Test (SFT) für die Persönlichkeitsdiagnostik den aus der amerikanischen Literatur bekannten sog. „Big five“ (Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus und Offenheit) als sechsten Faktor die „Frömmigkeit“ hinzugefügt. Cloninger nennt als dritte Charakterdimension die Selbsttranszendenz, zu der auch „spirituelle Akzeptanz“ gehört. Aber das ist wieder ein neues Thema.

ÜBER DEN AUTOR Professor Dr. med. Arnd Barocka, geb. 1952, ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Nervenarzt, Ärztlicher Direktor der Klinik Hohe Mark, Oberursel (Taunus).

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de'ignis aktuell Termine · Berichte · Neues aus den Einrichtungen

INSTITUT AKTUELL

Z

Durchkreuzte Lebenspläne & Kohärenzerleben

Eindrücke vom Supervisionstag am 2. Oktober 2009

u unserem Supervisionstag „Psychotherapie & Lebensberatung mit Patienten/Klienten mit religiöser Werteorientierung“ im Herbst konnten wir 16 Teilnehmer, teilweise von weit her (Dresden, Ruhrgebiet) begrüßen. Der Vormittag stand unter dem Motto „Durchkreuzte Lebenspläne und Kohärenzerleben“, am Beispiel der so genannten „Emmaus – Jünger“. Wir erarbeiteten das Thema nach dem Lukas Evangelium (Kap. 24) mit methodischen Zugängen des Bibliodrama. In der Selbsterfahrung und der anschließenden Reflektion sollte der Erfahrungsraum mit eigenen Lebensenttäuschungen als auch der von Ratsuchenden oder Patienten zugänglich gemacht werden. In einem ersten Schritt sollten die Teilnehmer nach der 2-fachen Text Lesung im Raum umhergehend verschiedene Schlüsselworte hören und „wiederkäuen“. (Rumination = vor sich hin murmeln, Worte wiederkäuen) In einer pantomimischen Kurzdarstel-

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lung gab jeder Teilnehmer dann den anderen wieder, was ihn angesprochen hatte aus der Geschichte. Vor der eigentlichen freien Spielphase sollten noch Tiefeninterviews durchgeführt werden, auch mit emotionalen Zuständen der in der Geschichte beteiligten Personen, den Jüngern von Jesus; auf diese Weise kamen alle sehr dicht an das Körpergefühl von „Verzweiflung“ heran. In der Reflektion wurde herausgearbeitet, wie es zum Kohärenzerleben (zentraler Begriff aus der Salutogenese) – ein größerer Bedeutungszusammenhang wird erschlossen – in dieser Geschichte kommt und wie es auf die Arbeit mit Patienten angewandt werden könnte. Dazu wurde auch angeleitet, sich selbst einen „Schlüssel“ kreativ zu gestalten, der hilft, angesichts eigener Herausforderungen optimistisch zu bleiben. Der Nachmittag war dann wieder der Fallbezogenen Supervision

gewidmet. Mittels interaktiver Fallarbeit in der großen Gruppe wurden vielschichtige Problemlösungen erarbeitet. Auch die therapeutische Beziehungsebene kam nicht zu kurz in der Betrachtung des „Falls“: Verwicklungen z. B. in der Arbeit mit einem Jugendlichen Opfer von Missbrauch und dem Tätersystem, das „zufällig“ auch wegen ihres eigenen Sohnes zur Behandlung kam, konnten aufgezeigt und aufgelöst werden. Auch die Methode des Familienstellens fand Eingang in die interaktive Gruppenarbeit, sodass das System der Beratung – die auch im Hintergrund beteiligten und damit anwesenden Personen/Einflüsse – transparent gemacht werden konnte für den Supervisanden. Alles in allem also wieder einmal ein anstrengender und für jeden Beteiligten lehrreicher Tag in der Auseinandersetzung mit der eigenen Beratungstätigkeit. •


de’IGNIS AKTUELL

Impressionen aus dem laufenden Lehrgang V in „Christlich-integrativer Psychotherapie“

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n jedem Berufsbegleitenden Lehrgang in Methoden der Seelsorge, Lebensberatung, Coaching und Psychotherapie ist die Selbsterfahrung der Teilnehmer ein ganz wichtiger Bestandteil der Fortbildung. So auch in unserem Kurs „Christlich-integrative Psychotherapie. In unserem Seminar „Psychische Erkrankungen in der Praxis Christlich-psychologischer Beratung“ ging es um die Herausforderung, sich in Menschen mit verschiedenen psychischen Störungen hineinzuversetzen: Was ist das Wesentliche dieser Erkrankung? Welche Gedanken und Gefühle beherrschen diese Person? Wie kann ich das in einem Körperbild nachempfinden? Dazu bietet sich die Konzentrative Bewegungstherapie (KBT) als Methode an. Gegenstände dienen in der KBT u.a. als Realgegenstand – Objekt, über das sich der Übende durch den Kontakt erfährt – Symbol – Mittel zur szenischen Gestaltung. In unserem Lehrgang leitete Ralf Elsner, Körpertherapeut (KBT) an einer psychosomatischen Fachklinik und in eigener Praxis, zu einer Auseinandersetzung an mit dem gefühlten Körperbild psychischer Erkrankungen. Lernziel dabei war es, die therapeutische Wahrnehmung „innen“ (Wie fühlt sich die Erkrankung am/mit dem Körper an?) und „außen“ (Wie nehme ich das körperliche Erscheinungsbild des psychisch erkrankten Menschen – auch symbolisch – wahr?) für den Körperausdruck der Ratsuchenden/Patienten zu sensibilisieren. In unserem Beispiel (Bild) war die Aufgabe, sich in einen depressiv erkrankten Menschen einzufühlen und dessen Körperbild (wie es von der Kleingruppe subjektiv wahrgenommen wird) mit verschiedenen KBT-typischen Gegenständen (z. B. Seile oder Stöcke) darzustellen.

Depression

In der Nachbesprechung geht es darum, den Prozess der Gestaltung mitzuteilen: Was hat die Gruppenmitglieder bewogen, z. B. Beine und Rumpf in der Figur derart gebrechlich, Stelzenförmig darzustellen? Vielleicht wird hier auch für einen außen stehenden Betrachter die in der Gruppe empfundene Unsicherheit des depressiven Menschen offensichtlich, sein schwach ausgeprägtes Standgefühl auf dem Boden?! Zur eigenen Wahrnehmung des Lesers noch die folgenden gestalteten „Körperbilder“ anderer psychischer Störungen. • Abhängige Persönlichkeitsstörung

Traumatisierte Patienten

Emotional instabile Persönlichkeitsstörung „Borderline – Typus“

Zwangsstörung

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FACHKLINIK AKTUELL

Neue Eingangsbereiche in Altensteig und Egenhausen

S

owohl in Egenhausen als auch in Altensteig haben wir den Eingangsbereich neu gestaltet. Unseren bisherigen sehr kleinen Eingang in Altensteig, der bei weitem nicht der Atmosphäre des Hauses entsprach, haben anreisende Gäste eher als abstoßend empfunden. Zu dem neuen, großzügig und modern gestalteten Eingang haben wir schon viel positive Resonanz bekommen.

Die Rezeption der Klinik in Egenhausen war nach 20 Jahren unansehnlich geworden. Im Zusammenhang mit dem Einbau einer neuen Rezeption wurde der gesamte Eingangsbereich auch dort neu gestaltet. Der Raum wirkt nun auch viel großzügiger. Mit der neuen Gestaltung der beiden Eingangsbereiche möchten wir unseren Gästen vermitteln, dass sie bei uns willkommen sind. •

Neuer de’ignis-Messestand erstmals in Karlsruhe präsentiert

M

it der Modernisierung des Corporate Designs wurde natürlich auch ein neuer Messestand benötigt. Der neue Stand wurde erstmals im Januar 2010 auf dem Willow Creek Leitungskongress in Karlsruhe präsentiert.

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Neben Informationen über die Angebote von de’ignis bietet er Raum für interessante Gespräche und zum Erholen und Verweilen. Die Resonanz der Kongressbesucher auf unseren neuen Stand war sehr positiv. •


de’IGNIS AKTUELL

de’ignis-Stiftung zur Förderung von Kindern und Jugendlichen

Investieren in Kinder und Jugendliche, eine Investition die sich lohnt! Unter diesem Motto stehen die Vorbereitungen der Gründung einer Stiftung zur Förderung von Kindern und Jugendlichen auf christlicher Basis. Kinder und Jugendliche sind die Zukunft, die Zukunft unserer Gesellschaft, unseres Landes. Aber nicht alle Kinder und Jugendliche in unserem Land haben Anlass, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken; vielen geht es nicht gut. Auch in einem reichen Land wie in unserem gibt es viele Gründe dafür, dass Kinder und Jugendliche keine oder keine gute Perspektive für ihr Leben haben. Neben Armut gehören psychische Fehlentwicklungen und Erkrankungen dazu, z. B. aufgrund ungesunder familiärer Situationen, Mobbing von Gleichaltrigen, Missbrauch und anderem Leid, das sie schon in jungen Jahren erleben und verarbeiten müssen. Gemäß einer Studie des RobertKoch-Instituts liegen bei ca. 22 % der untersuchten Kinder und Jugendlichen Hinweise auf eine psychische Auffälligkeit vor. Ein ungünstiges Familienklima mit vielen Konflikten sowie ein niedriger sozioökonomischer Status gehen als negative Einflussgrößen mit einer bis zu 4-fach erhöhten Wahrscheinlichkeit für psychische Auffälligkeit einher. Die Zahl der Kinder, die zu einer Psychotherapie angemeldet werden, hat sich laut einer Studie der Krankenkassen und Kliniken in den letzten

zehn Jahren verdoppelt. Aber längst nicht alle Kinder und Jugendliche, die psychische Auffälligkeiten aufweisen, sind in entsprechender Behandlung. Eine Ursache dafür ist leider, dass es viel weniger Hilfsangebote gibt als erforderlich wären; die Wartezeiten z. B. für eine ambulante Therapie sind immens. Mit Ihrer Unterstützung können wir Kindern und Jugendlichen helfen! Wir sind davon überzeugt, dass wir mit Gottes Hilfe und Ihrer Unterstützung solchen Kindern und Jugendlichen helfen und eine Perspektive für ihr Leben geben können. Neben fachlich qualifizierter Hilfe möchten wir den Kindern und Jugendlichen Halt geben, ihnen christliche Werte vermitteln, ihnen zeigen, dass es einen Gott gibt, der sie liebt und der Interesse an ihnen hat. Schon seit mehreren Jahren beschäftigt es uns, nicht zuletzt aufgrund häufiger Anfragen von teilweise verzweifelten Eltern, ein Angebot für Kinder und Jugendliche „ins Leben zu rufen“. Die Pläne scheiterten bisher hauptsächlich an finanziellen Mitteln

und an Personalkapazität. Wir wollen aber nicht länger nur darüber reden, sondern endlich etwas tun. Deshalb wollen wir eine „de’ignisStiftung zur Förderung von Kindern und Jugendlichen auf christlicher Basis“ gründen. Die Förderung kann darin bestehen, Kindern und Jugendlichen ambulante oder stationäre Hilfe anzubieten, z. B. in Form von Beratung, Psychotherapie oder auch Unterstützung und Begleitung. Ein weiteres Ziel ist der Aufbau einer stationären Einrichtung, in der Kinder und Jugendliche mit psychischen und psychosomatischen Erkrankungen behandelt werden können. Kinder in anhaltend schwierigen Lebenssituationen möchten wir in ein Kinderheim aufnehmen können. Sind Sie dabei? Dann melden Sie sich bitte: de’ignis Institut gGmbH Ansprechpartner: Marko Jüttner Walddorfer Straße 23 72227 Egenhausen Telefon 07453/9391-0 E-Mail: info@deignis.de

Bitte unterstützen Sie uns, damit wir helfen können • Die Stiftung braucht zum einen Stifter, also Personen, die das Stiftungskapital zur Verfügung stellen. Dieses Geld bleibt in der Stiftung; lediglich das, was mit dem Kapital erwirtschaftet wird, darf für förderungswürdige Zwecke verwendet werden. Vom Stiftungskapital könnte z. B. ein Gebäude gekauft werden. Die Stifter bestimmen den Stiftungsrat, der die Geschäfte der Stiftung führt und die Stifter über die Entwicklungen informiert. Dadurch haben Sie die Möglichkeit, auf die Aktivitäten und die Entwicklung der Stiftung Einfluss zu nehmen. Als Stifter kommen Menschen in Frage, die größere Beträge zur Verfügung stellen können und langfristig in eine junge Generation investieren wollen. • Zum anderen braucht die Stiftung Spender, die Geld für förderungswürdige Zwecke zur Verfügung stellen wie ambulante und stationäre Betreuung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen, Vorbereitung von Einrichtungen für Kinder- und Jugendhilfe sowie die Finanzierung von Personal. • Natürlich benötigen wir auch Fachpersonal, das direkt mit den Kindern und Jugendlichen arbeitet, also Kinder- und Jugendpsychiater/-psychotherapeuten, Psychologen, Sozialarbeiter, Erzieher, Lehrer. • Nicht zuletzt brauchen wir für so eine Arbeit natürlich Beter, die durch ihr Engagement sehr viel bewegen können. Angestrebt werden auch Kooperationen mit anderen Werken, die bereits in diesem Gebiet tätig sind. • 45


Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Im Oktober 1989 wurde die de’ignis-Fachklinik in Egenhausen mit 33 Betten eröffnet, mittlerweile verfügt die Klinik über mehr als 100 Betten und tagesklinische Behandlungsplätze in Egenhausen und Altensteig. Das 20-jährige Bestehen wurde im Oktober 2009 in Altensteig gebührend gefeiert. Nach einem Sektemp-

Schwarzwälde Bote am 20.10.2009

Nagold-Altensteiger Woche am 29.10.2009 

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fang begrüßte der Geschäftsführer, Claus J. Hartmann, die Gäste im Bürgersaal des neuen Altensteiger Rathauses, einem sehr schönen Ambiente für das Fest. Er berichtete kurz über die Entwicklung von der ersten Idee zur Gründung einer Rehabilitationsklinik für die Behandlung psychischer Erkrankungen auf der Basis des christlichen Glaubens bis

zu diesem Fest. Außerdem wurde das neue Logo präsentiert: der Kreis links in dem dunklen Rot mit dem modernen Schriftzug steht für den fachlichen Bereich, die Qualifikation und Wissenschaft. Die aus dem bisherigen Logo übernommene Flamme in hellerem Rot symbolisiert die Ausrichtung auf Gott, das Gottvertrauen, das „Feuer Gottes“ und stellt dadurch auch eine Verbindung vom alten zum neuen Logo dar. Zum Logo gehört ein Claim, der sowohl die fachliche Qualifikation als auch die Ausrichtung auf Gott zum Ausdruck bringt: „Kompetenz. Und Gottvertrauen.“ Rechtzeitig zum Fest war auch die neue Informationsmappe der Klinik fertig und konnte der Öffentlichkeit präsentiert werden. Es folgten ein geistlicher Impuls von Pfarrer Eberhard Steinestel (evang. Kirche Altensteig) und diverse kurze Beiträge und Grußworte, unter anderm von Hans-Joachim Fuchtel (Mitglied der Bundestages, Staatssekretär im Arbeitsministerium), Thomas Blenke und Wilfried Klenk (Landtagsabgeordnete), Hartmut Steeb (Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz), Christian Kratzke (Geschäftsführer der AOK Nordschwarzwald), Markus Saur (DAK-Landesgeschäftsführer), Dr. Bernd Walz (Vorsitzender der Kreisärzteschaft Calw), Gerhard Feeß (Bürgermeister von Altensteig), Frank Buob (Bürgermeister von Egenhausen), Klaus-Peter Foßhag (Pastor JMS Altensteig) und Dr. Clemens Bold (Geschäftsführer des Verbandes der Krankenanstalten in Privater Trägerschaft in Baden-Württemberg e. V.).


de’IGNIS AKTUELL

Dabei wurde von den Rednern immer wieder Bezug auf den de’ignisClaim „Kompetenz. Und Gottvertrauen.“ genommen. Insbesondere die Vertreter der Krankenkassen brachten in Ihren Grußworten die Wertschätzung für die Arbeit in der Klinik zum Ausdruck. Sie hoben hervor, dass in der Zusammenarbeit mit den Klinikvertretern in den vergangenen Jahren beides, sowohl die fachliche Kompetenz als auch das Gottvertrauen, sehr deutlich wahrzunehmen waren. Bis heute ist es der Klinikleitung und den Mitarbeitern „ein Herzensanliegen, Menschen mit psychischen und psychosomatischen Problemen auf der Basis des christlichen Glaubens professionell zu helfen“, bekräftigte der Geschäftsführer. Die Klinik wird heute von sämtlichen Krankenkassen und Rentenversicherungen belegt. Am Schluss nahm Dr. Rolf Senst, Leitender Arzt und Mitgesellschafter der Klinik, die Anwesenden mit auf die Reise einer Patientin, die unter einer Agoraphobie (Angststörung) litt. Er berichtete von den ersten Symptomen der Erkrankung, der Ankunft in der Rehabilitationsklinik und der Behandlung. Er erläuterte dabei sowohl tiefenpsychologische Aspekte (ursächliche, auch lebensgeschichtliche Hintergründe, die diese Erkrankung mitbedingt haben) als auch die verhaltenstherapeutischen Schritte, die auf dem Weg in eine neue Freiheit sehr hilfreich waren. So gab er einen kleinen Einblick in die Arbeit in der Klinik. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung sowohl von einer regionalen Band (Rainer Netzel, Benjamin

Schmid und Phil Hartmann) als auch von Dieter Falk mit seinem ältesten Sohn Max. Sie begeisterten die Gäste mit ihrer fetzigen Musik und machten damit auch Lust auf das Konzert am Abend. Nach dem Festakt verwöhnte das Küchenteam der Klinik die Gäste mit aufwendig vorbereiteten Leckereien. Dabei gab es Gelegenheit zu Begegnungen und Gesprächen; einige freuten sich über ein Wiedersehen nach vielen Jahren, andere knüpften neue Kontakte.

der neue Eingangsbereich, der erst wenige Tage vor dem Fest fertiggestellt werden konnte. Am Abend gab es ein phänomenales Geburtstags-Konzert mit Dieter Falk und seiner Band, zu der auch seine beiden Söhne Max und Paul gehören. Neben der Neuvertonung von Liedern von Paul Gerhardt und aus der „Mundorgel“ waren auch Teile aus dem neuen Musical „Die zehn Gebote“ zu hören. Sebastian Cuthbert, trug mit zwei Solo-Songs zum abwechslungsreichen Konzert bei.

Viele Gäste und auch die Bevölkerung nutzen am späten Nachmittag die Gelegenheit, sich die de’ignis Fachklinik in Altensteig anzuschauen und sich über das Angebot zu informieren. Es gab viel Neues zu sehen: Im März wurde ein großzügig angelegter Wellness-Bereich mit Sauna, Sanarium (Kombination aus Sauna und Dampfbad), Whirlpool, Infrarotkabine und Sonnenwiese (eine neue Entwicklung der Solarientechnik) eröffnet. In unmittelbarer Nähe dazu steht das neue Präventionshaus mit 6 komfortablen Doppelzimmern, die auch als Einzelzimmer genutzt werden können. Neben individuellen Gesundheitswochen, die sich die Gäste aus dem umfangreichen Angebot selber zusammenstellen können, werden Kompaktkurse zur Stressbewältigung angeboten. Dritter Bauabschnitt war

Man merkte der Band an, dass sie richtig Spaß dabei hatten. Dieser Funke sprang auf das Publikum über, so dass die Zuhörer zu Mitmachern wurden, aufstanden, sich zum Takt bewegten und lauthals mitsangen. Alles in allem war es ein „rundum runder Geburtstag“, ein Festtag zur Ehre Gottes. •

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de’ignis WOHNHEIM – HAUS TABOR

de’ignis Wohnheim Haus Tabor plant Neubau

U

m mehr Einzelzimmer anbieten zu können und damit seine Qualität erheblich steigern zu können, plant das de’ignis Wohnheim einen Neubau mit zusätzlichen 8 Einzelzimmern und einem Aufenthaltsraum von ungefähr 60 Quadratmetern. Diese Erweiterung ermöglicht den Aufbau einer Gruppenstruktur, in der das Einüben alltagspraktischer Fähigkeiten ermöglicht wird. Das bedeutet,

dass der einzelne Heimbewohner individuell in seiner Entwicklung und seinen Fähigkeiten gefördert werden kann. So ermöglicht das Wohntraining von Stufe 1 bis Stufe 3 das Erlernen alltagspraktischer Fähigkeiten bis hin zum selbständigen Wohnen. Für uns bedeutet das große finanzielle Herausforderungen. Die Bausumme liegt nach derzeitigen Berechnungen bei ca. 600.000 €. Das bedeutet: mehr denn je bleibt das de’ignis Wohnheim – Haus Tabor auf die Unterstützung seiner treuen Spender angewiesen. Es handelt sich dabei um eine notwendige Weiterentwicklung des bisherigen Konzeptes, auch um den gestiegenen Anforderungen der Kostenträger gerecht zu werden. Wie bisher vertrauen die Verantwortlichen des de’ignis Wohnheims auf die Treue und Zuverlässigkeit ihres Herrn und die langjährige Treue ihrer Freunde. •

Unterstützerverein Haus Tabor e.V. Kto. 8317232 · BLZ 693 620 32 Volksbank Messkirch de’ignis Wohnheim Kto. 105338 · BLZ 690 516 20 Sparkasse Pfullendorf-Messkirch

POLEN AKTUELL

Christliche Stiftung de‘ignis Polen

Offene Türen für das geplante Therapiezentrum!

M

it Hochdruck gehen wir jetzt daran, weitere qualifizierte Mitarbeiter für unser geplantes Therapiezentrum in Pomysk zu finden. Nachdem es nun definitiv festzustehen scheint, dass die Umnutzung unseres Geländes in Bauland in greifbare Nähe rückt, verstärken wir unsere Bemühungen, verantwortliche Verwaltungskräfte, Ärzte und Therapeuten etc. zu finden, um mit ihnen zusammen die Konzeption weiter zu entwickeln und die Anträge für staatliche 48

Unterstützung und die Kostenübernahme durch die polnische Krankenkasse (NFZ) zu bekommen. Unsere Seelsorgeschulungen im Land sind nach wie vor gut besucht. Auch die Aufenthalte für psychische Rehabilitation, die wir in den Wintermonaten in unserem Haus in Pomysk durchführen, fanden auch diesmal sehr gute Resonanz. Im Dezember führen wir in Warschau eine Konferenz mit mehreren hundert Teilnehmern durch, auch um unsere Suche nach qualifizierten Mitarbeitern zu intensivieren. Alle diese Aktivitäten kosten uns sehr viel Geld. Da

nach wie vor der Großteil der polnischen Bevölkerung als arm bezeichnet werden muss, bekommen wir aus dem Land selbst nicht so viele Mittel, wie es nötig wäre. Auch hier sind wir auf die treue Mithilfe unserer Spender dringend angewiesen. • Winfried Hahn, Erhard und Christa Plohr

Spendenkonto: Christliche Stiftung de’ignis Polen Konto 7 260 512 BLZ 666 500 85 Sparkasse Pforzheim


de’IGNIS AKTUELL

de’ignis Wohnheim Seelsorgeausbildung

I

m Bereich Schulung bietet de‘ignis an zwei Standorten Seelsorgekurse an. Zielgruppe sind Personen mit seelsorgerlicher Erfahrung und Berufung, die ihre Fähigkeiten in diesem Bereich weiterentwickeln möchten und die sich dafür schulen lassen, Menschen mit tiefgreifenden psychischen Problemen zu begleiten. Auf der Nordalb bei Kirche im Aufbruch e.V. beginnt im Oktober 2010 ein weiterer Durchgang des Seelsorgekurses. Der Kurs umfasst 10 Wochenend-Seminare, die als ganzes abgeschlossen werden können. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, die einzelnen Bausteine des Kurses unabhängig voneinander zu besuchen. Durch Qualifizierungs- und Pra-

xisseminare können die im oben beschriebenen Seelsorgekurs geschulten Personen sich zum „Seelsorge-Begleiter“ und zum „Seelsorger im Netzwerk“ ausbilden lassen. „Seelsorge mit allen Sinnen erleben“ ist der Oberbegriff für SeelsorgeSeminare, die jeden ansprechen. Seelsorge wird hier erlebbar, anziehend und für jedermann/-frau erfahrbar. Ziel ist es, unter anderem durch den Symbolgehalt des Wortes Gottes und durch kreative Methoden die Gottesbeziehung der Teilnehmer zu stärken und somit „Handwerkszeug/ Rüstzeug“ für jeden Alltag mitzugeben (siehe Anzeige). Die „Tage seelsorgerlicher Begleitung“ laden ein zum Ausspannen

Seelsorge mit allen Sinnen erleben Auf der Nordalb

Veranstaltungsort: Kirche im Aufbruch e.V., 73326 Deggingen

vom Alltag. Der Seele Raum geben für Verarbeitung. In Lobpreis, Gebet, Plenum, Kleingruppe, Stillezeiten und Einzel-Seelsorge werden die Teilnehmer durch diese Tage von einem Seelsorge-Team begleitet. Anmeldungen zu den Seminaren nehmen wir gerne entgegen (siehe Anzeigen unten). •

Schulung für Seelsorge Neustart auf der Nordalb

5. – 7. November 2010 Identität – Der ICH BIN sagt mir wer ich bin

14. – 16. Januar 2011 Berufung entdecken und entfalten

Termine: 15. – 17.10.2010 03. – 05.12.2010 04. – 06.02.2011 21. – 23.05.2011 14. – 16.10.2011 02. – 04.12.2011 und weitere Termine in 2012

Jede/r TeilnehmerIn darf erleben, was es heißt, für Gott so wertvoll zu sein, dass ER ihm/ihr ganz persönlich begegnen möchte, um ihm/ ihr dabei behilflich zu sein, zur gottgegebenen Identität zu finden und zu stehen.

Gemeinsam unternehmen wir eine faszinierende Entdeckungsreise zu unserer persönlichen Berufung. Dabei werden wir unsere Einzigartigkeit als etwas Großartiges entdecken, unsere Talente und Gaben aufspüren, und dabei unseren individuellen Lebenssinn wahrnehmen. Wir entwickeln Visionen und Perspektiven für ein Leben, zu dem wir geschaffen wurden.

Eingeladen sind Christen, die einen und Fortinneren Ruf zur Seelsorge verspüren. führung Interessierte sind ebenfalls eingeladen. Gerade in unserer Zeit suchen immer mehr Menschen mit psychischen Problemen in christlichen Gemeinden Hilfe.

Seminarleitung: Dagmar Göhring und Alexandra Pfeifer mit Team

Seminarleitung: Dagmar Göhring und Alexandra Pfeifer mit Team

Veranstaltungsort: Kirche im Aufbruch e.V., Nordalb, 73326 Deggingen

Neustart

de’ignis Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung in Kooperation mit Kirche im Aufbruch e.V. · Tel.: 07575 92507-0 oder 07570 951967; E-Mail: seelsorgekurs@deignis.de

www.deignis.de 49


ADRESSEN

Adressen Ambulante Therapie und Beratungsstellen (de’ignis) de’ignis Gesundheitszentrum Sommerstraße 1 72227 Egenhausen Telefon 07453-9391-0

Dagmar Göhring Ulmenweg 22 88605 Meßkirch-Langenhart Telefon 07570-951967

Sylvia Haufe, Beratungsstelle Schützenallee 52 79102 Freiburg Telefon 0761-7077501

de’ignis Wohnheim Fred-Hahn-Straße 32 72514 Engelswies Telefon 07575-925070

Dr. med. Martina Dickhaut, Beratungsstelle Ahornweg 2 25365 Kl. Offenseth-Spornieshoop martinadickhaut@gmx.de

Magdalena Schnabel, Beratungsstelle Max-Liebermann-Straße 9 73257 Köngen/N. Telefon 07024-8689169

Katrin Lehmann & Annette Kuhn Beratungsstelle Großenhainer Straße 137 01129 Dresden Telefon 0351-84387-77

Erika Gasper, Beratungsstelle Alte Jakobstraße 75 10179 Berlin Telefon 030-27591782

de’ignis Institut, Beratungsstelle Lerchenstraße 40 72213 Altensteig Telefon 07453-9494310 Ulrike Hauer, Beratungsstelle Bitscher Straße 20 66996 Fischbach b. Dahn Telefon 06393-56 86 Dorothea Reuther, Beratungsstelle Dillweißensteiner Straße 9 75180 Pforzheim Telefon 07231-784088-0

Dr. med. Doris Schneider-Bühler, Beratungsstelle Alpenstraße 13 78262 Gailingen Telefon 07734-9369848 Marion Geißler, Beratungsstelle Elisabeth-Selbert-Straße 7 34253 Kassel-Lohfelden Telefon 0561-8203368

Lothar Gies, „Noordlicht“, Beratungsstelle Sailerstraße 2 26676 Barßel Telefon 04499-9269977 Gillian Flügel, Beratungsstelle Am Bauschbergle 45 72108 Rottenburg Telefon 07472-7833

Christliche Therapeuten und Berater (de’ignis) Anna Beraldi Anna.Beraldi@med.uni-muenchen.de Telefon 089-70957716

Andrea Herzog Susanne-Pfisterer-Straße 6 69124 Heidelberg

Heike & Mario Reinicke Am Hungerberg 4 36272 Niederaula

Manfred Dersch Leiter des Missions- und Sozialwerks die Arche e. V. Mushecke 19 35216 Biedenkopf

Charlotte Hummel Mühlhaldenstraße 12 70567 Stuttgart

Bernita Schreiner Pappelweg 2 88697 Bermatingen

Karen Kammler 16727 Oberkrämer beratung-K@mmler.net

Dr. med. Rosemarie Schultheiß Beratungsstelle „Wegweiser“ Talweg 19/1 72218 Wildberg/Sulz a. Eck

Michael-Christian Diehl Friedhofstraße 10 35713 Eschenburg Dr. med. Sibylle Domnick-Lüdke Breite Straße 103 76135 Karlsruhe Ulrike Franke Beratungsstelle „Rundum“ Auf dem Graben 8 71083 Herrenberg Dr. med. Jutta Günther Hermannstraße 23 75428 Illingen Dr. med. Kirsten Hautmann-Flesch Kalmitweg 53 67117 Limburgerhof

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Sabine Ley Drei Eichen 16 25368 Kiebitzreihe Almut Linden Döbernstraße 10 25551 Hohenlockstedt Eva-Maria Löffler Pöhlauerstraße 18 08066 Zwickau Francesca Pellerito Beratungsstelle „Sonnenlicht“ Tulpenstraße 39 71394 Kernen i. R. (bei Stuttgart)

Dr. med. Bernhard Stoll Beratungsstelle „Hosanna“ Feldstraße 77 45968 Gladbeck Inge Westermann Perspektive Glauben und Leben Bilunger Weg 25 26131 Oldenburg Elisabeth Wiedmann Amselweg 7 88271 Wilhelmsdorf-Pfrungen Dr. B. Zeller, Praxis, Diplom-Psychologe Hohenheimer Straße 21 70184 Stuttgart Telefon 0711-860299977


ANZEIGEN

Das Seehaus Leonberg ist als „Jugendstrafvollzug in freien Formen“ eine Alternative zum Gefängnis. Wir nehmen 14 – 23-jährige junge Gefangene auf. Sie leben familienähnlich mit Hauseltern zusammen. In 12 – 24 Monaten bereiten wir sie auf den Schulabschluss und auf die Berufsausbildung vor. Daneben spielen Sport, Freizeitaktivitäten und gemeinnützige Arbeit eine wichtige Rolle. Als Mitarbeiter wollen wir den christlichen Glauben vorleben und vermitteln.

Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Wir suchen Mitarbeiter und Praktikanten • die gut mit Jugendlichen umgehen können • die gut und gern im Team arbeiten • die fachübergreifend arbeiten wollen • die Autorität und Liebe ausstrahlen • die Christsein glaubhaft, engagiert und fröhlich vorleben Ausbildungsmeister Metall/Bauschlossermeister für unseren im Aufbau befindlichen Zweckbetrieb Metall. Aufbau, Einrichtung und Leitung der Metallwerkstatt, die Ausbildung und Anleitung der Jugendlichen im BVJ und 1. Lehrjahr, Produktentwicklung und Vermarktung. Hauseltern wohnen auf dem Gelände und nehmen vier bis sieben Jugendliche in ihre Familie auf, teilen ihr Leben mit ihnen, geben ihnen ein zeitweises Zuhause und helfen ihnen ein Leben ohne Straftaten zu beginnen (ab 2011). Sozialpädagogische Fachkraft Betreuung der Jugendlichen, Gesprächsrunden, Freizeitgestaltung, Ämterkontakte,… Erfahrung mit konfrontativer Pädagogik/AAT ist vorteilhaft. IT-Administrator im Nachtdienst (männlich, 100% Stelle oder 2 x 50%-Stellen) zuständig für die EDV, z. B. IT-Administrator, Netzwerk und Systemadministration, Internetgestaltung, Webdesign, Webgestalter, Datenbankentwicklung, Datenbankpflege... Jahrespraktikantinnen, Jahrespraktikanten (auch Zivildienst als FSJ) in den Bereichen Küche & Haushalt, Waldund Tierkindergarten, Büro, Fahrdienste, Schreinerei, Zimmerei oder Metallwerkstatt. Praktikum für einen Architekturstudent Berufsschullehrer Metall und Holz Unterricht für BVJ und 1. Lehrjahr. Teilzeit (jeweils ca. 9 Stunden) Mitarbeiter für ein neu aufzubauendes Projekt in Sachsen (voraussichtlich im Landkreis Leipzig): Hauseltern, Sozialpädagogische Fachkräfte, Meister/Techniker in einem Bauberuf, Lehrer, Sporttrainer, Nachtdienst, Verwaltung, FSJler, Praktikanten Bitte schreiben Sie bei der Bewerbung auch etwas zu jedem der unter „Wir suchen Mitarbeiter“ genannten Stichpunkte. Prisma e.V. · Katja Vogel Seehaus 1 · 71229 Leonberg info@prisma-jugendhilfe.de

Wir führen psychotherapeutische Behandlungen nach einem christlich-integrativen Konzept im Rahmen von stationären und ambulanten (teilstationären) medizinischen Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen durch. Zur Klinik gehören zwei räumlich getrennte Abteilungen für stationäre Behandlungen mit insgesamt 95 Betten, eine Abteilung für ambulante Rehabilitation mit 16 Plätzen sowie eine Abteilung für Prävention mit 12 Betten.

Für unsere Erweiterung suchen wir:

Fachärztin/Facharzt

mit fortgeschrittener oder abgeschlossener psychotherapeutischer Weiterbildung (Psychiatrie und Psychotherapie oder Psychosomatische Medizin und Psychotherapie), ggf. als Oberärztin/-arzt.

Psychologin/Psychologe

Auch Psychologische/r Psychotherapeutin Psychotherapeut in Ausbildung (Prakt. Tätigkeit in Psychiatrie und Psychosomatik) möglich.

Hauswirtschafterin/ Hauswirtschafter Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen!

de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik Walddorfer Straße 23 · 72227 Egenhausen Telefon +49 (0) 74 53 93 91-0 info@deignis.de

20 Jahre Fachklinik

www.deignis.de

www.prisma-jugendhilfe.de

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Bei Unzustellbarkeit oder Mängeln in der Anschrift senden Sie bitte eine Benachrichtigungskarte an diese Adresse: de’ignis Institut gGmbH Markgrafenweg 17 · 72213 Altensteig

Kompetenz. Und Gottvertrauen.

de'ignis Fachklinik auf christlicher Basis für Psychiatrie – Psychotherapie – Psychosomatik • stationäre medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen • ambulante/teilstationäre Rehabilitation • Anschlussrehabilitation • Sanatoriumsbehandlungen • ambulante Behandlungen • Angebote zur gesundheitlichen Prävention/Vorsorge de'ignis Wohnheim – Haus TABOR Sozialtherapeutisches Wohnheim nach biblischen Grundsätzen mit Einzel- und Gruppenangeboten: • Gesprächstherapie • Sozialtraining • Seelsorgeschulung • Arbeitstraining (z. B. im eigenen Verlag) • Freizeitpädagogik und individuelle Betreuung de'ignis Institut für Psychotherapie und christlichen Glauben • Fortbildung in christlich-integrativer Psychotherapie • Vernetzung von Fachleuten • Ambulante Dienste: – Supervision – Referenten zu diversen Themen für Ihre Veranstaltungen – Seminare für Ehepaare – Beratungsstellen für ambulante Beratung und Therapie – Weitere Angebote zur Prävention und Rehabilitation Christliche Stiftung de'ignis Polen • Schulung • Freizeit • Ambulante und stationäre Therapie (in Planung) de'ignis Partner • Beratungsstellen

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Fotos von oben nach unten: de’ignis Fachklinik Egenhausen de’ignis Wohnheim – Haus Tabor Engelswies de’ignis Institut Altensteig de’ignis Ichthys Tagungs- und Begegnungsstätte in Pomysk, Polen


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