Sch i z oph ren ie Der Glaube als Ressource. Einblicke in Herausforderungen und Behandlungsansätze der Schizophrenie – Nr. 63
2. Platz in der Kategorie „Kliniken“
Annika, Therapeutin in der de’ignis-Fachklinik
Arbeiten mit Gott – für die Gesundheit meiner Nächsten. Wir sind eine Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Und wir glauben. Daran, dass Menschen dann am besten helfen können, wenn es ihnen selbst gut geht. Dafür tun wir so einiges – Sie werden angenehm überrascht sein. Und wenn Sie glauben, dass Beruf Berufung sein sollte, dann möchten wir Sie kennenlernen. Alle Stellenangebote auf www.deignis.de z. B. Oberarzt:Oberärztin z. B. Psychologische:r Psychotherapeut:in (Stuttgart) z. B. Gesundheits- und Krankenpfleger:in z. B. Ergotherapeut:in
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Wer’s glaubt, wird glücklich.
L ieb e L eserinnen und L eser
Titelbild: Javi Hoffens / unsplash; Editorial: Alexander Ant / unsplash
Die psychischen und psychosomatischen Krankheitsbilder sind vielfältig. So gibt es Krankheitsbilder, mit denen sich die Gesellschaft in der Einordnung und im Umgang leichter oder schwerer tut. Fachlich gibt es die Herausforderung, mit adäquaten Behandlungskonzepten psychische Krankheitsbilder optimal zu behandeln, insbesondere jene, die schwerwiegender und komplexer sind. Ein Beispiel hierfür ist die Schizophrenie. Sie ist eine schwere psychische Erkrankung, die unter anderem durch Beeinträchtigungen der Wahrnehmung und des Denkens und dem Verlust des Realitätsbezugs bis hin zu Wahnvorstellungen gekennzeichnet ist (Seite 6). Bereits bei Jugendlichen können Frühformen der Schizophrenie auftreten. Umso wichtiger ist es, diese Erkrankung frühzeitig zu erkennen und zu behandeln (Seite 31). Die Therapie dieses Krankheitsbildes besteht aus mehreren Bausteinen. Es werden pharmakotherapeutische Verfahren in Kombination mit psychound soziotherapeutischen Methoden angewandt. Psychotherapeutische Ansätze unterstützen bei der Behandlung mit dem Ziel, die Lebensqualität durch ein selbstbestimmtes Leben wiederherzustellen und hierbei auch wieder beruflich und sozial leistungsfähig zu sein. Dabei werden vorhandene Ressourcen des Patienten oder der Patientin genutzt und ausgebaut (Seite 24). Manchmal zeichnet sich die Ressourcennutzung auch als Herausforderung ab. Zum Beispiel, wenn der Glaube an Gott, im Rahmen des Krankheitsbildes Schizophrenie, sich zu einem religiösen Wahn entwickelt hat. Als Beispiel hierzu zählt die felsenfeste Überzeugung, ein Heiliger oder gar Jesus zu sein. In der christlich-integrativen Psychotherapie gilt es, die positiven Ansätze des Glaubens zu nutzen und Wahrheit von Lüge zu trennen (Seite 20). Der christliche Glaube als Quelle der Hoffnung, Werteorientierung und Geborgenheit spielt eine entscheidende Rolle in der christlich-integrativen Therapie.
Damit wird der Glaube zu einer hilfreichen Ressource in Bezug auf Hoffnung und Sinnfindung. Entsprechend gilt auch ein umsichtiger und weiser Umgang mit schizophren erkrankten Menschen in christlichen Kirchen und Gemeinden (Seite 16). Auch bei diesem Krankheitsbild kann die soziale Teilhabe stark beeinträchtigt sein. So helfen in der Langzeitbegleitung, wie im de’ignis-Wohnheim, sozialtherapeutische Ansätze den erkrankten Menschen, die vorübergehend oder langfristig nicht in der Lage sind, selbstständig zu leben (Seite 12 und Seite 50). Die erkrankten Menschen, die durch ihre psychische Problematik Ausgrenzung und Entmündigung erfahren haben, werden als ein soziales Subjekt begriffen und durch pädagogische und sozialtherapeutische Maßnahmen wieder zu autonomem Denken, Handeln und Fühlen befähigt. Dabei stehen das alltagsorientierte und das soziale Handeln im Vordergrund. Interessante Erfahrungsberichte aus unserem praktischen Alltag der de’ignis-Arbeit geben Ihnen einen zusätzlichen Einblick in unser Schwerpunktthema. Darüber hinaus erhalten Sie aktuelle Informationen zu den verschiedenen Einrichtungen von de’ignis. Wir freuen uns, wenn Sie unser Engagement zur psychischen Gesundheit auf christlicher Basis für Menschen in schwierigen Lebenslagen unterstützen. Weiterhin suchen wir Mitarbeiter:innen für unser Team, um dem stetig wachsenden Behandlungsbedarf psychisch erkrankter Menschen zu begegnen. Wir wünschen Ihnen wertvolle Impulse und viel Freude beim Lesen!
Ihre Heraus g eb er
S eb a stian Har tmann
Geschäftsleitung, de’ignis-Fachklinik
Claus J. Har tmann
Geschäftsführer, de’ignis-Fachklinik und de’ignis-Institut
Ed itoria l
Winfrie d Ha hn
Geschäftsführender Heimleiter, Sozialtherapeutisches Zentrum de’ignis-Wohnheim, Vorstandsvorsitzender de’ignis -Stiftung Polen
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de’ig n is-ma g a z in – Impressum und Inhalt
Schizophrenie 20
06
Impulse und Erfahrungen
24
50
A ktuel l 54
06
Sozialtherapeutischen Zentrums de’ignis-Wohnheim für Menschen mit Schizophrenie
Macht, Mythos, Magie?!
Winfried Hahn
• Schizophrenie – Metapher,
• Das Hilfsangebot des
PD Dr. med. Herbert Scheiblich
12
Therapeutische Fachartikel
Winfried Hahn
24
16
• Umgang mit schizophren
der Behandlung von Schizophrenie
Michael Großklaus
34
20
Stefan Huber, Mathias Tanner und Herbert Scheiblich
spirituelle Aspekte bei Schizophrenie
• Wahrheit oder Lüge – ein (bibelorientierter) Diskurs zum Umgang mit der Realität Rainer Oberbillig
31
• Psychose bei Kindern
Angebote gibt es? Berichte, Termine und Aktuelles von de’ignis Fachklinik, Institut, Wohnheim und Stifung
• Psychosoziale, psychogene und
erkrankten Menschen in christlichen Gemeinden
• Was hat sich entwickelt? Welche
• Psychotherapeutische Ansätze bei Dr. rer. nat. Marie-Luise Armbruster
• Die dunkle Seite der Macht 42
•
Der Grundkonflikt als Störungsmodell mit Blick auf das Krankheitsbild der Schizophrenie Rainer Oberbillig
und Jugendlichen
Dr. med. Jürgen Imiolczyk
05
Schizophrenie – Metapher, Macht, Mythos, Magie?! Von PD Dr. med. Herbert Scheiblich
Metapher • Jeder benutzt mindestens einmal in seinem
Leben einen ähnlichen Satz wie „Du bist doch schizophren“ oder „Das ist schizophren“. Es ist der Versuch, eine Situation, die man nicht versteht, widersprüchlich erlebt oder die Angst macht, zu beschreiben und damit abzuwehren. Das ist ein einigermaßen positiver Aspekt der aktuellen Tendenz, Begriffe aus der Psychiatrie und Psychotherapie in den Alltag einzubringen und im Alltag zu benutzen. Die jeweilige Situation hat mit dem Inhalt des Begriffes nur wenig zu tun. Es findet eine metaphorische Ehrung statt. Dieser inflationäre Gebrauch von Krankheitsbegriffen ist eine Metaphorisierung und gängige Methode zur Argumentation in verschiedenen sozialen und politischen Situationen. Daraus resultiert eine große Gefahr, weil sie in einer Argumentationskette ermöglicht, das Verhalten des anderen zu pathologisieren, seiner Argumentation dadurch eine reduzierte Berechtigung zuzuweisen und letztendlich dem Autor der Argumentation seine Existenzberechtigung abzusprechen. Aktuellstes Beispiel ist das Vorgehen von Putin, die demokratisch gewählte Regierung der Ukraine als „drogensüchtig“ und als „Nazibande“ zu titulieren und daraus den Bruch des Völkerrechts abzuleiten. Ein Mythos wird geschaffen, der jede weitere pragmatische und vernünftige Diskussion und Handeln verhindert.
Andererseits aber ist die Anwendung von Krankheitsbegriffen eine Möglichkeit, das Verhalten zum Beispiel von Putin zu erklären, zu verstehen und daraus bestimmte Schlussfolgerungen auf mögliche Reaktionen abzuleiten. Dies sollte jedoch nur Fachleuten und nicht Leuten mit Wikipedia-Halbwissen gestattet sein. Fazit ist, dass viele politische oder soziale Probleme von der Persönlichkeitsstruktur der Mächtigen abhängig sind, aber sie auch entsprechende Rahmenbedingungen innerhalb der Gesellschaft erfordern. Mythos
Die Schizophrenie ist eine der schwerwiegenden Erkrankungen in der Psychiatrie und gehört zu den Psychosen. Sie ist ein Grundbegriff der Psychiatrie und ist gekennzeichnet von: • Veränderung des Realitätsbezuges • Zerfall der Ich-Struktur
• Auflösung der Grenze innen – außen • Rückzug in eine eigene Welt Diese psychische Störung trifft den Kern des Menschen mit seinem basalen Selbst. Dieser Teil des Selbst ist ein inhärenter Bestandteil aller Bewusstseinsprozesse und setzt sich zusammen aus einem unbewussten und einem verkörperten Selbst (embodiment; theologisch: Inkarnation). In der ErstePerson-Perspektive (siehe Abb. 1) nimmt eine Person sich selbst wahr und erfährt sich selbst. Im Laufe der Biografie wird diese Perspektive um das personale Selbst erweitert, das mit den Eigenschaften des Reflektierens – Selbsterkenntnis, Selbstbewertung und Selbstbestimmung – ausgezeichnet ist. Es hat einen intentionalen Anteil (Wille) und die Fähigkeit, die Zweite-Person-Perspektive einzunehmen.
Erste -Person-Persp ektive
Psychisch
Spirituell
Vierte-Person-Perspektive Reflektierendes Selbst
Spirituelles Selbst Selbst-Kern
Erste-Person-Perspektive Zweite-Person-Perspektive Basales Selbst Biologisch Foto: Hans Isaacson / unsplash
Abb. 1
07
Dritte-Person-Perspektive Sozial
S ch izop hrener Gr und konfl ikt (nach Bleuer mo d ifiz ier t nach S cheib l ich) Störung der Assoziation Störung der Affekte Störung des Autismus Störung der Ambivalenz Daraus resultierende Störungen: → Vitalität → Aktivität → Konsistenz und Kontinuität → Demarkation (Abgrenzung) → Identität
Abb. 2
Durch die schizophrene Grundstörung ist der Selbstkern betroffen, was zu einer umfassenden Entfremdung in allen Lebensbezügen des Menschen führt (siehe Abb. 2) : • Verlust der Erste-Person-Perspektive und somit des Selbstbezuges • Schwächung der primären körperlichen Selbsterfahrung • daraus resultierend Störung der exekutiven Funktionen des Gehirns und Körpers • Verlust der gemeinsamen Wirklichkeit und der menschlichen Logik • Störung der zwischenmenschlichen Beziehungen und daraus resultierend soziale Isolation • als Kompensation entwickelt sich die bekannte Plus-Symptomatik (Halluzinationen, Wahn- und Ich-Störungen) und die Negativsymptomatik (Nivellierung der Gefühle, Verlust der Motivation) Aus Sicht einer christlichen Anthropologie ist daher die weiterführende Frage, ob die Schizophrenie auch die spirituelle Dimension des Menschen erfasst. Diese Frage ist immens wichtig, weil durch eine Störung des Selbst bis hin zu seinem Verlust auch die Wahrnehmung der Vierte-Person-Perspektive, des Transpersonalen, massiv eingeschränkt ist. Die Nicht-Beantwortung dieser
Frage ist in einem seelsorgerlichen Prozess, in welchem man von der Allmacht Gottes und einer umfassenden Heilung für den Einzelnen ausgeht, von fundamentaler Bedeutung! Der Betroffene erlebt sich als Gott entfremdet und geht in eine Verlorenheit, die sehr quälend und kaum auszuhalten sein kann und zu einer Lebensmüdigkeit mit eventuellen suizidalen Absichten führen kann. Es ist eine Finsternis in der Seele, die auch Jesus am Kreuz erlebte und angesichts übermächtiger Symptomatik in massiven Zweifeln am Glauben und an der gültigen Theologie mündete (Mat. 27,46).
interdisziplinär und interreligiös erforderlich, um ein weiteres Stück der Wahrheit zu finden. In der Wissenschaftsgeschichte gibt es mannigfaltige Beispiele dafür, dass man durch vorherrschende theoretische Konzepte blind für bestimmte Aspekte der Realität war. Durch die nicht entwickelte Kompetenz einer besonderen Wahrnehmung von spirituellen Prozessen war es nicht möglich, entsprechende Erfahrungen zu machen. Eine besondere Situation von Ideologie und Mythos.
Die verschiedenen theologischen Erklärungsmodelle für diese Symptomatik, die zur Verfügung stehen, werden hier nicht wiedergegeben, bis auf die schwerwiegende Sichtweise der „Besessenheit“. Ist eine „Besessenheit“ möglich oder vorhanden, ist ein „Befreiungsdienst“ die adäquate Antwort auf diesen Umstand. Wie oft wurden aber Befreiungsdienste getätigt, ohne positiven Effekt und zum Teil auch mit negativen Folgen für den Betroffenen. Das Konzept des Bösen und von Dämonen, die Menschen besetzen und steuern, wird von vielen Christen als antiquiert und veraltet angesehen. Es ist für sie nicht von Relevanz, da sie einen Befreiungsdienst nur an das Wirken von Jesus gebunden sehen, der Befreiungsdienste als Zeichen seiner göttlichen Herkunft und Bevollmächtigung tätigte. Einerseits liegt hier unzweifelhaft ein Missbrauch des Konzeptes vor, was zu seinem schlechten Ruf führte. Andererseits gibt es unzählige beeindruckende Beispiele, besonders aus dem katholischen Raum, in dem der Befreiungsdienst an Spezialisten und bestimmte Rituale gebunden ist, die für eine Existenz des Bösen und von Dämonen sprechen (vgl. Artikel „Umgang mit schizo-
Jeder kann an Schizophrenie erkranken und daher verdienen daran Erkrankte unseren besonderen Respekt.
Das Einnehmen der Vierte-Person-Perspektive eröffnet die Chance, den Betroffenen aus seiner biopsychosozialen Betroffenheit herauszuheben und in einem Lernprozess anzuleiten, hin zur Differenzierung der Selbstwahrnehmung der Symptomatik und der dahinterliegenden Selbstkonstrukte. Dieser Prozess beruht in der christlichen Anthropologie auf der Annahme eines spirituellen menschlichen Anteils, der nicht materiell ist und nicht gebunden an psychische und soziologische Vorgänge. Theoretisch besteht die Möglichkeit, analog der Sichtweise von Victor Frankel, dass der Mensch in seinem Geistigen nicht krank werden kann. Er kann die Trotzmacht des Geistes gegen seine Krankheit anwenden und gesunde Verhaltensweisen entwickeln. Es ist die Fähigkeit des Selbst zur Selbstphren erkrankten Menschen in christlichen transzendenz, die die Grundlage der EntGemeinden“ auf Seite 16) . wicklung der Zweite- und Dritte-PersonPerspektive ist. Dahinter steht das Konzept Die letzte Antwort ist noch nicht gefun- der Salutogenese, ein umfassender Begriff den und es ist eine intensive Erforschung von Gesundheit. Gesundheit wird nicht
de’ig n is-ma g a z in – Impulse und Erfahrungen
als Abwesenheit von Krankheit, sondern ganzheitlich als ein Wohlbefinden und die Fähigkeit, mit anderen Menschen in Frieden zu leben, gesehen. Magie
Da die Schizophrenie vielen Mitmenschen immer noch als gefährlich, nicht greifbar, unheimlich und bedrohlich erscheint, übt sie die Faszination des Fremden aus. Thomas Szasz, ein bekannter amerikanischer Psychiater, sprach von dem „Heiligtum der Psychiatrie“. Es bedarf aus christlicher Perspektive keiner magisch verklärenden Sichtweisen, sondern der klaren Haltung: • Schizophrenie ist eine schwere, aber keine außergewöhnlich besondere Erkrankung. • Der Betroffene ist ein schwer kranker, aber auch von Gott geliebter Mensch, der nicht stigmatisiert und damit in eine Schublade geschoben gehört. • Schizophrenie führt bei vielen Menschen zu einer nachhaltigen Veränderung ihrer Biografie mit weitgehend negativen Folgen. Sie benötigen/bedürfen der besonderen Fürsorge der christlichen Gemeinden und nicht einer unreflektierten, voreiligen Anwendung von biblischen Erklärungen und Konzepten. • Jeder kann an Schizophrenie erkranken und daher verdienen daran Erkrankte unseren besonderen Respekt. • Die Schizophrenie stellt für die Wissenschaft immer noch eine Herausforderung dar. Christen können einen spezifischen Anteil bei der Klärung der Genese, Psychodynamik und der Behandlung der Betroffenen leisten.
Das kollektive Unbewusste ist dabei sehr widersprüchlich und überwiegend geprägt vom zufälligen Zusammentreffen mikroskopischer Kräfte, die die Gesellschaft makroskopisch in ein instabiles Hierarchiesystem drücken. Mikroskopisch sind es Familien oder Gruppen, die molekulare, flüchtige • Autonomie versus Abhängigkeit Bindungen eingehen. Bei diesem Konzept • Autonomie versus Versorgung ist Schizophrenie bestimmt von verschie• Schuldkonflikt denen Teil-Selbst mit einem dynamischen, • Nähe versus Distanz nicht vorher bestimmbaren Zusammenspiel, • Trianguläre/ödipale Ablösung was letztendlich Realität erzeugt. Um diese Diese Mechanismen beherrschen unbewusst akausale Genese der Realität zu überwinden, die Gesellschaft. Angesichts der aktuellen werden Hierarchien der Macht entwickelt. politischen Entwicklungen ist diese einheitliche Sichtweise der Neurose mit dualen Die Sprache spielt bei der Festlegung dieser Strukturen eine herausragende Rolle. Sichtweisen nicht mehr stimmig. Obengenannte entwickelten das Konzept Sie schafft ein Zeichenregime mit vielen der Schizoanalyse. Der Begriff der Schi- Kennwörtern und Parolen, die zu wiederzophrenie reicht weit über die klinische holenden Handlungen führen. Bei diesem Bedeutung hinaus in eine generelle Erzeu- Stimmen-Wirrwarr ist das Ich der Befehlsgung von Ambivalenzen und Spaltungen, geber bzw. ein Kennwort zur Harmonisieanalog dem schizophrenen Grundkonflikt. rung des Durcheinanders. Der Schizophrene Der Neurotiker hat im Gegensatz zum Psychotiker für die nachfolgenden Grundkonflikte eine eindeutige Entscheidung gefällt, zugunsten einer dieser Seiten, allerdings im Sinne einer suboptimalen Lösung:
B e wusstseinsent wicklung und - eb enen (nach G ebser)
Kollektiv unbewusst
Archaisch Magisch
Individuell unbewusst
Mythisch Bewusst
Mental / Rational / Dual Integral / Aperspektivisch
Macht
Deleuze und Guattari entwickelten einen kritischen Gegenentwurf zur Psychoanalyse. Freud und insbesondere Lacan gehen vom Neurotiker als Idealtypus des Normalen aus. In der Biografie eines Menschen komme es im Rahmen der Sozialisierung zu einer weitgehenden Übernahme von Werten und gesellschaftlichen Machtstrukturen mit Verallgemeinerung der kapitalistisch erzeugten Wünsche und Konzepte.
Translogisch Transrational Transpersonal Trinitär
Abb. 3
09
stellt sich diesem Stimmen-Wirrwarr, indem er sagt: „Ich habe Stimmen gehört“ und ist sich somit im Sinne eines schizophrenen Credos seines Lebens bewusst geworden. Er hat das kollektive Unbewusste in sein individuelles zugelassen und steht nun im Gegensatz zu den Neurotikern. Es steht das Chaos der Ordnung gegenüber.
Der schizophren Erkrankte hat keinen existenziellen Konflikt, in welchem er nur eingeschränkt an der Welt teilnehmen könnte wie der Neurotiker, sondern einen fundamentalen Konflikt, in welchem ihm die gemeinsame Wirklichkeit und Teilnahme am Dasein verwehrt ist. Dieser Unterschied entwickelt sich graduell mit dem finalen Ergebnis einer Eigenwelt, in der ihn nur Die schizophrene Erkrankung hat in ihren noch die transzendente Ebene, in diesem dimensionalen und ontologischen Grund- Fall Christus, erreichen kann. lagen eine pantheistische Bedeutung. Es ist die transzendentale Begründung der Schizo- Jeder hat leider die Fähigkeit, schizophren phrenie mit dem Versuch der Auflösung der zu werden, und wenn sehr viel im Leben Dualität zwischen bewusst und unbewusst zusammenkommt, neigen wir dazu. neurotischen Einigungen gegen die chaotische Offenheit etc. (siehe Abb. 3 auf Seite 9) . Literatur •
Dieser Hintergrund begründet die Besonderheit einer schizophrenen Erkrankung gegenüber anderen psychischen Störungen. Dialektisch gesehen ist sie die Antithese von Chaos, Wirrwarr usw. gegenüber der These von Ordnung und Strukturen (1. Mose 1,1ff ), die wir alle so lieben. Eine Eigenheit des Menschen ist seine besondere Fähigkeit zur Ambivalenz, d. h. bei Kognitionen, Emotionen, Entscheidungen usw. immer in zwei divergierenden Richtungen zu handeln und der Kompetenz, eine Entscheidung oder zumindest einen Kompromiss herzustellen. Der psychotische Mensch hat diese Fähigkeit verloren und erbaut sich deshalb eine eigene Welt als Metapher, als Versuch, seine Basis zu sichern. Aus Sicht der christlichen Anthropologie ist diese Dialektik überwunden in Jesus Christus im Sinne einer Transperspektive, also Synthese von allem. Die Konsequenz dieser kosmologischen Sichtweise wird in vielen Bereichen nicht mehr berücksichtigt und führt zu dieser Gegensatzbildung (Kol. 1,17ff ). Die Schwierigkeit einer christlichen Therapie ist es, spirituelles Erleben und psychotische Symptome zu unterscheiden. Dies ist grundsätzlich möglich. Es setzt aber eine lange Zeit der Übung in der Therapie voraus, den Glauben als Ressource und Resilienzfaktor in den Genesungsprozess miteinzubeziehen.
Deleuze, Gilles & Guattari, Félix (1977): AntiÖdipus, Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin: Suhrkamp. • Deleuze, Gilles (2007): Differenz und Wiederholung. Paderborn: Brill und Fink. • Szasz, Thomas (1988): Schizophrenia: The Sacred Symbolof Psychiatry. New York: Syracuse University. • Fuchs, Thomas, de Haan, Sanneke, Ludwig, Max & Martin, Lily (2022): Selbst- und Welterleben in der Schizophrenie. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. • Clarke, Isabel (2010): Psychosis and Spirituality. New Jersey: Wiley Blackwell. • Häfner, Heinz (2005): Das Rätsel Schizophrenie. München: C.H. Beck. • DeHof, Susan L. (2018): Psychosis or Mystical Religious Experience? London: Palgrave Macmillan.
Autor
PD Dr. med. Herbert Scheiblich ist Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychotherapie. Er ist in eigener Praxis tätig, zudem ist er Mitglied der de’ignis-Institutsleitung.
de’ig n is-ma g a z in – Impulse und Erfahrungen
Foto: Elia Pellegrini / unsplash
Die Schwierigkeit einer christlichen Therapie ist es, spirituelles Erleben und psychotische Symptome zu unterscheiden. Dies ist grundsätzlich möglich. Es setzt aber eine lange Zeit der Übung in der Therapie voraus, den Glauben als Ressource und Resilienzfaktor in den Genesungsprozess miteinzubeziehen. 11
Psychosoziale, psychogene und spirituelle Aspekte bei Schizophrenie Von Winfried Hahn
Zur Diskussion: Hier werden Beiträge veröffentlicht, die nicht in allen Punkten der Meinung des Redaktionsteams entsprechen müssen.
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Das Krankheitsbild der Schizophrenie kann sehr unterschiedliche Ursachen haben, die bis heute letztendlich noch nicht umfassend erforscht werden konnten. Die meisten Autoren sehen ein multifaktorielles Ursachenbündel aus genetischen, hirnorganischen, aber auch psycho-sozialen Belastungsfaktoren. Große Bedeutung wird dem Gehirnstoffwechsel zugeschrieben. „Das Wort „schizo“ – zweigeteilt – umschreibt sehr anschaulich das geniale wie auch gleichzeitig verwirrende Erleben von zwei parallel existierenden Wirklichkeiten. Die oft sehr sensibel und feinfühlig veranlagten Betroffenen kommen einerseits mit der Alltagswirklichkeit „ganz normal“ zurecht. Gleichzeitig kann sich aber während akuter Krankheitsschübe eine zusätzliche „private“ Realität entwickeln. Etwa ein Prozent der Menschheit weltweit ist im Laufe ihres Lebens von dieser Erkrankung betroffen. Der Grund hierfür ist ein vorübergehender Dopaminüberschuss im limbischen System des Gehirns mit Störung der Filterfunktion. Die dadurch entstehende Reizüberflutung führt zu einer Störung der Informationsverarbeitung mit „Rechenfehlern“ in Form von akustischen Halluzinationen („Stimmenhören“), Bedrohungsgefühlen und Fremdbeeinflussungserleben, die den Betroffenen neben gelegentlichen Größenfantasien meist eine angstbesetzte und wahnhaft veränderte Umwelt vorgaukelt. Die Ursache liegt nach heutigem Wissen in genetischen und körperlichen Faktoren in Kombination mit psychosozialem Stress. Im Akutstadium fühlen sich die Betroffenen oft wie im „falschen Film“. Medikamente und Stressabschirmung in der Akutphase sowie eine zusätzliche Psychotherapie während der Langzeitbehandlung können die Rückfallgefahr deutlich verringern.“ 1
Bild: Adam Jicha / unsplash
Allerdings scheinen neuere Forschungsergebnisse darauf hinzudeuten, dass es sich nicht nur um einen Dopaminüberschuss im Gehirn handelt, sondern um eine verminderte Regulationsfähigkeit in einem bestimmten Gehirnareal, das den
Dopaminüberschuss und damit die Symptome auslöst 2 . Geht man von einer gestörten Regulation des Gehirnstoffwechsels aus (mit Neurotransmittern wie Dopamin, Serotonin, Glutamat …), so erklärt das sowohl die Plussymptomatik (wahnhafte, halluzinatorische, akustische, optische, taktile Wahrnehmungen sowie Denk- und Beziehungsstörungen) als auch die Minussymptomatik (Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, Freudlosigkeit, emotionale Verflachung, Antriebsstörungen etc.). Diese Symptome sind für die Betroffenen äußerst belastend und lösen in ihnen Gefühle von Bedrohung, Angst und Fremdheit gegenüber sich selbst aus. Sie haben das Gefühl, sich selbst nicht mehr zu kennen. Nach wie vor hat auch das VulnerabilitätsStress-Bewältigungsmodell seine Bedeutung als psychosoziales Erklärungsmodell schizophrener Symptome. Als Therapie hat sich für Akut- und Präventionsbehandlung die Verabreichung von Psychopharmaka bewährt, speziell Neuroleptika, aber auch z. B. Psychoedukation, sowie verhaltenstherapeutische Verfahrensweisen, damit die Klient:innen ihre Krankheit besser verstehen und damit umzugehen lernen und in der Akutphase, wenn möglich, die Compliance aufrecht erhalten. Stressabschirmung ist eine weitere Interventionsmöglichkeit sowohl in der Akutphase als auch bei der Prävention. Besonders der Bereich der Psychoedukation zielt auf das Verstehen der Erkrankung bei Patient:innen und richtet somit den Blick auch auf die psychosozialen Aspekte schizophrener Verhaltensweisen. Nachdem bisher die medizinischen und psychosozialen Aspekte schizophrener Erkrankungen kurz dargestellt wurden, soll im weiteren Verlauf der Blick auf die psychogenen, spirituellen und motivationalen Aspekte gelenkt werden. Nach dem biblischen Schöpfungsbericht lebten die Menschen im Einklang mit ihrem Schöpfer und in einer vertrauensvollen Beziehung bis zum sogenannten Sündenfall. Um die Folgen dieses Geschehens verständlich und nachvollziehbar zu machen, sprechen wir angelehnt an Paul Tillich von der dreifachen Entfremdung des Menschen:
13
1. Die Entfremdung zu seinem Ursprung,
also zum Schöpfer 2. Die Entfremdung zu sich selbst 3. Die Entfremdung zu seinen Mitmen-
schen und seiner Umwelt 3 Wir sprechen aber nicht nur von der Entfremdung des Menschen, sondern auch von seiner Erlösung 4 . Die durch den Sündenfall entstandene dreifache Entfremdung des Menschen wurde zum Bedingungsfeld für die Entwicklung psychischer Erkrankungen neben vielen anderen Auswirkungen in unterschiedlichen Bereichen. Ausgehend vom Modell des Grundkonfliktes 5 anhand der hermeneutischen Methodik der Kanonischen Exegese6 werden im Folgenden einige psychogene und spirituelle Aspekte zur Genese von Wahn und Schizophrenie dargestellt: „Nachdem Adam und Eva gesündigt hatten und damit die Verbindung zwischen Gott und Menschen unterbrochen war, ergab sich eine Reihe negativer Auswirkungen. So lesen wir in 1. Mose 3,16: „Mit Mühsal sollst du dein Brot essen.“ Als Folge des Sündenfalls und der Trennung zwischen Gott und Mensch wurde Leid, Beschwernis und Schmerz zu einem Bestandteil des irdischen Lebens. Dies lag zwar nicht in der ursprünglichen Schöpfungsabsicht Gottes, war aber eine unausweichliche Folge des Sündenfalls. Zurück blieb in dem Menschen eine Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies, nach innerer Harmonie und nach Gemeinschaft mit Gott, seinem Schöpfer. Von diesem Zeitpunkt an spricht man von einer gefallenen Schöpfung, die sowohl Nöte und Schwierigkeiten als auch das Böse beinhaltet. Für den Einzelnen befindet sich in dieser Konstellation ein entscheidender Knackpunkt bezüglich seiner psychischen Gesundheit. Es geht dabei um die Frage: Wie gehe ich mit den negativen, unerfreulichen und schmerzhaften Dingen um, die ich in der Welt, in der ich leben muss, vorfinde und mit denen ich konfrontiert werde? Wie stelle ich mich zu Mühsal des Lebens und der Arbeit, zum Ertragen und Bewältigen von Leid, wie verarbeite ich meine
dazu gezwungen, einen für ihn völlig ungeeigneten Beruf zu ergreifen. Die starke Lärmbelästigung beim Verschweißen und Vernieten gigantischer Metallplatten setzt ihm enorm zu. Im rauen industriellen sozialen Umfeld vereinsamt er mehr und mehr. Hinzu kommt der Tod seiner Angehörigen, sowie die schockierende Erfahrung eines sexuellen Missbrauchs durch einen väterlichen Freund, an den sich der junge hilflose Mensch ratsuchend wandte. Von diesen Erfahrungen total überfordert und unfähig, den verständlicherweise großen emotionalen Schmerz zu verarbeiten, entwickelt sich bei diesem jungen Mann eine Form von Entlastungswahn dergestalt, dass er sich in eine musisch-künstlerische Scheinwelt flüchtet. Erinnerungen an eine bessere Zeit, in der er als Kind Mitglied eines BackgroundChors für einen Musiker war und häufig an Tourneen teilnahm, werden übermächtig und durchfluten seine Gedankenwelt. Nicht mehr fähig, zwischen Realität und Fantasie unterscheiden zu können, wähnt er sich ständig auf der Bühne bei Konzertauftritten, bewegt sich schwebenden Ganges singenderweise durch die Gegend, erscheint für seine Mitmenschen unerreichbar entrückt, ist unfähig zur Kommunikation, weil er auf alltägliche Fragen situationsunangemessene Antworten gibt wie zum Beispiel: „Bitte beweg dich aus dem Mikrofonbereich!“ oder ähnlich unsinnig erscheinende Reaktionen. Eine andere Verhaltensvariante ist das stundenlange Zeichnen von einfachen Blattgeflechten und Netzwerken, die ihm Orientierung und Sicherheit zu geben scheinen. Die Interpretation dieses Verhaltens aufgrund der vorherigen Ausführungen legt folgende Schlussfolgerung nahe: Hervorgerufen durch eine objektiv vorhandene Überforderung, trat dieser junge Mann im Sinne einer Schmerzverneinung die Flucht in eine für ihn naheliegende Scheinwelt an. Die zunächst verspürte Erleichterung verkehrte sich in ihr Gegenteil durch die sich einstellende, fast totale Isolation von der Umwelt und vermehrte Angstzustände. Durch einen lang anhaltenden Prozess psychoedukativer Exemplarisch hierzu soll ein Beispiel ange- Begleitung im de’ignis-Wohnheim wurde es führt werden: möglich, ihm seinen inneren Rückzug zu verEin hochsensibler musisch begabter junger deutlichen und ihn zur Rückkehr von seiner Mann wird durch bestimmte Lebensumstände „Insel“, wie er selbst sagte, zu bewegen, sodass Grenzen und die meines selbstgefälligen „Egos“, wenn es um Integration und Unterordnung in soziale Gefüge und Interaktionssysteme geht? Dabei ist von entscheidender Bedeutung, ob der Einzelne eine Einstellung der Schmerzbejahung im Sinne von Schmerzbewältigung aufbauen kann und damit der ihn umgebenden schmerzinfizierten Realität gerecht wird, oder ob er sich in eine Haltung der Schmerzverneinung flüchtet und sich damit eine Scheinrealität aufbaut, die zum Realitätsverlust und damit zum Wahn führen kann. Eine Haltung der Schmerzverneinung in unserer schmerzerzeugenden Realität führt zur Unfähigkeit der Schmerzbewältigung und öffnet damit der Entstehung von Wahnsystemen und Krankheitsbildern wie z. B. dem der Schizophrenie Tür und Tor (siehe hierzu Seite 44, Abb.1) . Das bedeutet, wenn sich die Sehnsucht nach dem Paradies durch Schmerzverneinung ausdrückt, ist der Nährboden für ein psychogenes Wahnsystem aufs Beste vorbereitet. Somit erscheint das Krankheitsbild der Psychose als Respektlosigkeit vor der Realität und stellt den narzisstischen oder verzweifelten Versuch des Menschen dar, das verloren gegangene Paradies mit eigenen Mitteln wiederherzustellen. Jedoch nicht nur der aus Mangel gespeiste Narzissmus ist die Ursache für die Flucht aus der schmerzbehafteten Realität, sondern ein häufig anzutreffendes Gefühl der Überforderung, wenn es um das Ertragen von seelischem Schmerz geht. Die schmerzverneinende Realitätsflucht ist für viele der einzig erkennbare Ausweg, um einer emotionalen Überforderung zu entgehen. Dieser scheinbare Ausweg erweist sich jedoch als heimtückischer Irrweg, denn die selbstgeschaffenen psychotischen Welten und Denkstrukturen, so paradiesisch sie anfangs auch anmuten, kippen in der Regel um und werden zum Horrorkabinett, das die schmerzhafte Umgebung, aus der man zu flüchten versuchte, bei weitem an negativen Erfahrungen und Orientierungslosigkeit übertrifft.
sein Realitätsbezug in hohem Maße wiederhergestellt wurde und sich seine Kommunikationsfähigkeit erweitert hat. Ermöglicht wurde diese Rückkehr in die Realität unter anderem durch eine angstmindernde Beziehung zu Jesus Christus, den er in seinem Inneren als seinen Freund erlebt. Hier zeigt sich eine große Chance, im Rahmen des Konzepts der christlichen Therapie und Seelsorge, indem durch eine freundschaftliche Beziehung zu Jesus Christus und einer väterlichen Beziehung zu Gott sowie durch die Stärkung des Heiligen Geistes der angstbedingte Rückzug in die psychotische Welt rückgängig gemacht werden kann und Mut zur Schmerzbewältigung entsteht.“ 7 Bei der Bewältigung psychischer Erkrankungen spielt der Bereich der Motivation und der Volition (Wille) eine entscheidende Rolle. Immer wieder konnten wir beobachten, wie Menschen, die bereit sind, sich mit den oftmals unbewussten und damit verborgenen Beweggründen ihrer Symptomatik auseinanderzusetzen, erstaunliche Fortschritte bei der Veränderung ihrer dysfunktionalen Verhaltensmuster machen konnten. Entscheidend für den psychischen Genesungsprozess ist nach unserer Beobachtung die Bereitschaft, auch schmerzliche Erkenntnis- und Veränderungsprozesse zuzulassen, indem Defizite erkannt und liebgewordene Kompensationsstrategien aufgegeben werden. Dysfunktionale Verhaltensmuster dienen häufig der Kompensation defizitär erlebter Eigenschaften und schmerzhafter Erfahrungen. Das Zulassen von Ohnmachtsgefühlen und die Preisgabe als Omnipotenz eingesetzter Schutzmechanismen, sei es gegenüber Minderwertigkeitsgefühlen, demütigender oder verletzender Erfahrungen aus der Vergangenheit oder Überforderungsempfindungen in der Gegenwart, ist nach wie vor ein Weg zur psychischen Gesundheit. Um diesen „Thronsturz des eigenen Egos“ zu ertragen, braucht es die Erfahrung des bedingungslosen Angenommenseins in Christus. Die Liebe und Vergebungsbereitschaft Christi ermöglicht die Preisgabe narzisstisch geprägter Selbstprotektion. Wie herausfordernd der Prozess dieser Selbsterkenntnis sein kann, zeigt ein Blick in die Internationale Klassifikation
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der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit der WHO, bei der mentale Funktionen auf folgende Weise verschlüsselt wurden8: b1260 Extraversion Mentale Funktionen, die sich in einer Persönlichkeit äußern, die durch Kontaktfreudigkeit, Geselligkeit und (emotionale) Ausdrucksfähigkeit gekennzeichnet ist, im Gegensatz zu Schüchternheit, Zurückgezogenheit oder Gehemmtheit b1261 Umg äng l ich keit Mentale Funktionen, die sich in einer Persönlichkeit äußern, die durch Kooperationsbereitschaft, Freundschaftlichkeit und Zuvorkommenheit gekennzeichnet ist, im Gegensatz zu Unfreundlichkeit, Streitbarkeit und Aufsässigkeit b1262 G e wissen haf tig keit Mentale Funktionen, die sich in einer Persönlichkeit äußern, die durch Fleiß, Genauigkeit und Sorgfalt gekennzeichnet ist, im Gegensatz zu Faulheit, Unzuverlässigkeit und Verantwortungslosigkeit b1263 Ps ych ische Stab il ität Mentale Funktionen, die sich in einer Persönlichkeit äußern, die durch Ausgeglichenheit, Ruhe und Gefasstheit gekennzeichnet ist, im Gegensatz zu Reizbarkeit, Besorgtheit, Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit b1264 Offenheit g eg enüber neuen Erf a hr ung en Mentale Funktionen, die sich in einer Persönlichkeit äußern, die durch Neugier, Vorstellungsvermögen und Suche nach Erfahrungen gekennzeichnet ist, im Gegensatz zu Abgestumpftheit, Unaufmerksamkeit und emotionaler Ausdruckslosigkeit b1265 Optim ismus Mentale Funktionen, die sich in einer Persönlichkeit äußern, die durch Heiterkeit, Lebhaftigkeit
und Zuversichtlichkeit gekenn- Fußnoten zeichnet ist, im Gegensatz zu Nie- 1 Sautermeister, Jochen & Skuban, Tobias (Hrsg.) (2018): Handbuch psychiatrisches Grundwissen für dergeschlagenheit, Trübsinn und die Seelsorge. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder. Verzweiflung S. 512 2 Medizinische Universität Wien: Neue Einblicke b1266 S el bst ver trauen in die Entstehungsmechanismen der Schizophrenie, Mentale Funktionen, die sich in https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/news/ einer Persönlichkeit äußern, die detailseite/2020/news-im-maerz/neue-einblicke-indurch Selbstsicherheit, Mut und die-entstehungsmechanismen-der-schizophrenie (abgerufen am 25.4.2022) Durchsetzungsvermögen gekenn- 3 Vgl. Pannenberg, Wolfhard (2011): Antropologie zeichnet ist, im Gegensatz zu in theologischer Perspektive. Göttingen: Vandenhoeck Zaghaftigkeit, Unsicherheit und und Ruprecht. S. 278 4 Tillich, Paul (1987): Systematische Theologie, Zurückhaltung Bd. 2. Berlin: De Grayter. S. 189 b1267 Zuverlä ss i g kei t 5 Oberbillig, Rainer in Hartmann, Claus & Hahn, Mentale Funktionen, die sich in Winfried (2003): Damit die Seele heil wird, Entstehung und Behandlung psychischer Probleme. Holzgerlingen: einer Persönlichkeit äußern, die Hänssler Verlag, S. 84 –102 durch Verlässlichkeit und Prin- 6 vgl. hierzu Ratzinger, Joseph Benedikt XVI zipientreue gekennzeichnet ist, (2017): Jesus von Nazareth, Bd. 1. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder. S. 10 – 23 im Gegensatz zu Hinterlistigkeit 7 Hahn, Winfried (2020): Psychische Erkrankunund unsozialem Verhalten gen im Licht der Bibel, Grundlagen für eine biblisch Eine ganze Reihe der genannten Kriterien trifft auch auf Menschen zu, die unter Formen der Schizophrenie leiden. Bei dieser Auflistung von mentalen Funktionen oder Fehlfunktionen geht es selbstverständlich nicht um Stigmatisierung, sondern um hilfreiche Prozesse der Selbstwahrnehmung, die als Voraussetzung von Veränderung unabdingbar sind. Diese Art der Verhaltensanalyse anhand oben genannter Kriterien kann nur zulassen, wer bereit ist, sich auch mit eigenen narzisstischen Anteilen und Verdrängungsmechanismen auseinanderzusetzen. Hierbei kann die uneingeschränkte Annahme durch Christus und die Zusage, uns bei diesem Veränderungsprozess durch den Heiligen Geist beizustehen, eine wirksame spirituelle Hilfe sein. Diese Zusage bleibt auch bei Rückfällen in alte Verhaltensmuster bestehen und bildet somit eine Quelle von Hoffnung in einem nicht immer leichten Veränderungsprozess. Aber wie sagte schon unser Herr: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“
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fundierte und fachlich qualifizierte Seelsorge. 3. Auflage SCM Hänssler Verlag, 4. Auflage Tabor Edition. S. 133 –137 8 Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit, WHO Genf 2005, S. 1260 –1267
Autor
Winfried Hahn ist Pastor und Pädagoge. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern studierte Pädagogik, war Pastor in mehreren freikirchlichen Gemeinden und machte eine Ausbildung zum christlichen Therapeuten. Heute leitet er das de’ignis -Wohnheim – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung und ist Vorsitzender der de’ignisStiftung Polen. Er ist verantwortlich für den Fachbereich Theologie am de’ignisInstitut. Als Pastor im übergemeindlichen Dienst und Buchautor hält er Predigten, Vorträge und Seminare im In- und Ausland.
Umgang mit schizophren erkrankten Menschen in christlichen Gemeinden Von Michael Großklaus
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Die Zahl von psychischen Erkrankungen in christlichen Gemeinden nimmt genauso zu wie in unserer Gesellschaft allgemein – allein in den letzten zehn Jahren um knapp 50 Prozent. Möglicherweise zeigt sich diese Zunahme auch in unseren Kirchen und Gemeinden noch deutlicher, denn die Gemeinde Jesu war zu allen Zeiten ein Ort, an dem man die Worte Jesu aus Matthäus 11,28 ernst nahm: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid …“ Dieses „mühselig und beladen“ hat eine vielschichtige Bedeutung. Im Grunde ist es ganzheitlich, im Sinne von somatisch, psychisch und spirituell, zu verstehen. Mit anderen Worten, Jesus und damit die christliche Gemeinde, lädt explizit diejenigen Menschen zu sich ein, die Lasten in allen Lebensbereichen zu tragen haben. Und einer dieser Lebensbereiche, der für immer mehr Menschen zur schweren Last wird, ist der Bereich der psychischen Erkrankungen, wozu auch Schizophrenie gehört. Was diese Erkrankung genau ist, wie häufig sie vorkommt und wie sie behandelt werden kann, wird an anderer Stelle in dieser Ausgabe des de’ignis-Magazins beschrieben. In diesem Artikel sollen Gedanken vermittelt werden, die aufzeigen, wie wir in unseren christlichen Gemeinden mit schizophren erkrankten Menschen und Glaubensgeschwistern umgehen können und auf was es zu achten gilt. Wir treffen in unseren Gemeinden auf schizophren erkrankte Menschen
Foto: Priscilla du Preez / unsplash
Schizophrenie, diese Krankheit, die der Gruppe der Psychosen zugeordnet werden kann, sieht man Menschen gewöhnlich nicht an, auch weil sie sich in unterschiedlichen Ausprägungen zeigt. Menschen können unter Umständen über Jahre Gottesdienste, Hauskreise usw. besuchen und auch in der Gemeinde mitarbeiten, ohne dass deren Erkrankung von anderen wahrgenommen wird. Von daher treffen wir diese Erkrankten auch in allen Bereichen der Gemeinde an. Es ist davon auszugehen, dass diese Menschen ihre Erkrankung nicht aktiv nach außen kommunizieren (möglicherweise aus Scham, Unsicherheit oder negativen Erfahrungen).
Vor diesem Hintergrund kann es zu überraschten Reaktionen kommen, wenn dann plötzlich bekannt wird, dass eine Person im Gemeindeumfeld an Schizophrenie erkrankt ist. Die Gruppe dieser erkrankten Menschen kann Gäste, Gemeindemitglieder und auch Glaubensgeschwister in Verantwortung in unseren Gemeinden betreffen. Das bedeutet, im gesamten Personenfeld einer christlichen Gemeinde können wir auf Menschen stoßen, die schizophren erkrankt sind. Je größer die Gemeinde ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit. Manchmal wird nach dem Bekanntwerden der Erkrankung klar, warum die Person über mehrere Wochen (oder Monate) die Gemeindeveranstaltungen nicht besuchen konnte. Der Grund war in der Regel ein Krankenhausaufenthalt (häufig auch wegen Medikamenteneinstellung). Überhaupt sollte dieser Aspekt ernst genommen werden, denn je nach Art und Schwere der Erkrankung sind Krankenhausaufenthalte nicht unüblich, meistens sogar unabdingbar. Dasselbe gilt für Medikation. Es gibt nicht wenige Betroffene, die Wochen, Monate und sogar Jahre in Krankenhäusern verbringen (teils in geschlossenen Stationen), weil ein Leben außerhalb dieses sicheren und geschützten Umfeldes nicht oder kaum mehr möglich ist. Es gibt bekanntlich nicht die christliche Gemeinde. Je nach Größe, Organisation und Struktur sind kirchliche Gruppen eher heterogen aufgebaut. Dies hat zur Folge, dass es unterschiedliche Gruppen von Menschen sind, die mit Erkrankten in direktem Kontakt stehen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Krankheit einer Person bekannt ist, kann der Kontakt im Grunde mit jedem in der Gemeinde stattfinden. Ein besonderer Ort der Begegnung könnte im Seelsorgebereich liegen. Denn genau dorthin könnten sich Erkrankte mit ihrem Anliegen und dem Wunsch nach Gebet oder sonstiger Hilfe wenden. Aber auch in kleineren Gruppen, wie z. B. in Hauskreisen, ist es denkbar, dass sich manche Erkrankte öffnen mit dem Wunsch nach geistlicher Unterstützung. Selbstverständlich können auch Pfarrer, Pastoren und Älteste in Kontakt mit Erkrankten kommen. Da diese in der Regel keine medizinische, psychologische oder
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psychotherapeutische Ausbildung haben, ist es wichtig, die eigenen Kompetenzgrenzen zu kennen und mit Fachleuten aus Medizin, Psychologie und Psychotherapie zusammenzuarbeiten (vorausgesetzt, die Erkrankten sind damit einverstanden). Häufig sind ausgebildete Seelsorger in Seelsorgeteams in diesem Bereich kompetenter als Pastoren und Pfarrer. Deshalb ist es sinnvoll, dass es in unseren christlichen Gemeinden Menschen gibt, die hier über Kenntnisse verfügen.1 Frömmigkeitsstile können eine Rolle spielen
Mit Frömmigkeitsstilen ist die theologische Gewichtung und geistliche Ausrichtung einer christlichen Gemeinde, als auch ihre praktizierte Glaubenspraxis gemeint. Da das christliche Spektrum von Landeskirchen bis Freikirchen, von sehr konservativ bis sehr progressiv reicht, sollte der jeweilige Umgang mit den Themen Krankheit und Heilung, sowie Dämonisierung und Befreiung ernst genommen werden. Alle möglichen (und unmöglichen) theologischen Ausprägungen hier aufzuführen, würde den Rahmen sprengen. Es sei an dieser Stelle jedoch darauf hingewiesen, dass es auf der einen Seite in der Bibel definitiv diese Themen gibt (insbesondere das Neue Testament macht hier deutliche Aussagen), auf der anderen Seite diese Themen vor dem Hintergrund psychischer Erkrankungen, gerade auch bei Schizophrenie, dringend ausgewogen und theologisch reflektiert vermittelt werden müssen. Von daher ist je nach theologischer Ausrichtung manche Vorgehensweise in Bezug auf Krankheit und Heilung, Dämonisierung und Befreiung kritisch zu betrachten. Insbesondere wenn Heilungsversprechen gemacht werden oder wenn eine angemessene Differenzierung zwischen einer Dämonisierung und einer psychischen Erkrankung ausbleibt.2 Dass genau dies nötig ist, um Betroffenen nachhaltige Hilfe zuteilwerden zu lassen, liegt auf der Hand. Wer schizophren erkrankten Menschen Heilung durch Gebet verspricht, wer ihnen eine dämonische Belastung „diagnostiziert“, die der Befreiung bedarf, liegt nicht nur theologisch und fachlich daneben, sondern macht sich schuldig an diesen Menschen. Über
Satan und Dämonen mit einem an Schizophrenie erkrankten Menschen zu sprechen (egal, ob dieser sich als Christ versteht oder nicht), wird in der Regel die Erkrankung verschlimmern. Man sollte nie vergessen, dass sich psychische Erkrankungen mit dem jeweiligen religiösen Glaubensverständnis verbinden. So können Aussagen über Satan und Dämonen bei diesen Menschen wie ein Verstärker wirken. Dies ist auf jeden Fall zu unterlassen. Selbstverständlich ist Gott in der Lage, jedes Problem zu lösen und jede Krankheit zu heilen, wirklich jede, denn er ist Gott und hat demzufolge unbegrenzte Möglichkeiten. Natürlich gilt es für Kranke in der Gemeinde zu beten, aber in der Regel gilt eben auch der Rat des größten Wunderheilers aller Zeiten, der so natürlich klingt, dass er uns nachdenklich machen sollte: „Die Kranken brauchen einen Arzt“ (Mk. 2,17). Weder Heilungsnoch Befreiungswunder sind die Regel im Leben von Nachfolgern Jesu und schon gar nicht sind sie Grundlage für unseren Glauben als Christen. Jesus Christus und Gottes Wort sind die Grundlage unseres Glaubens. Wundersucht ist daher Götzendienst und wird im Kontext von Schizophrenie Symptome eher verschlimmern.3 Selbstverständlich wird hier keinem Frömmigkeitsstil etwas vorgeworfen, häufig ist schlichtweg Unkenntnis die Ursache für manch merkwürdige Vorgehensweisen. Und sicher meint man es gut. Aber gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht. Von daher stehen insbesondere die Verantwortlichen in pfingstlich-charismatischen Kirchen und Gemeinden zusammen mit ihren Seelsorgeteams in der Verantwortung, sich um eine ausgewogene und angemessene Beurteilung von psychischen Nöten bei ihren Mitgliedern und Gottesdienstbesucher:innen zu bemühen. Es kann auch vorkommen, dass Menschen mit Schizophrenie von bestimmten Frömmigkeitsstilen angezogen werden, hier gilt es dann, umso achtsamer mit diesen Menschen umzugehen und von vorschnellen Heilungsversprechen abzusehen. Unsere Kirchen sollen Orte sein, wo Menschen geholfen werden kann, insbesondere im geistlichen Bereich. Christliche Gemeinden
sind deshalb keine Krankenhäuser und Pastoren sind keine Ärzte. Auch hier gilt: Ein jeder diene mit der Gabe, Berufung und Begabung, die er empfangen hat. Einem schizophren erkrankten Menschen kann in einer Klink angemessener geholfen werden als in einer Kirche. Wenn diese fachliche Hilfe von der Fürbitte der Geschwister in der Gemeinde begleitet wird, ist dies meist ein segensreicher Weg. Worauf gilt es in Einzelfällen konkret zu achten?
Wenn man weiß, dass jemand im gemeindlichen Umfeld an Schizophrenie erkrankt ist, dann sollte man diesem Menschen auch so begegnen: Er ist krank. Dies bedeutet, man respektiert seinen Zustand (eigentlich Zustände, denn diese können schwanken). Auch respektiert man seine Medikation oder mögliche (manchmal sich wiederholende) Krankenhausaufenthalte. Selbstverständlich unterstützt man diese Geschwister im Gebet. Häufig und je nach Ausprägung der Erkrankung ist es jedoch besser, viel mit Gott über die Geschwister zu reden als viel mit ihnen über Gott. Gemeint ist, dass wenn in Gebeten zu schnell „der Herr eingreifen und die Situation verändern soll“, dies kontraproduktiv sein kann, was Medikation, Therapie und/oder Krankenhausaufenthalte angeht. Auch sollte man von gemeindlicher Seite nicht in psychotherapeutische oder medizinische Behandlungsabläufe eingreifen und sogenannte „Worte des Herrn“ äußerst kritisch betrachten, vor allem dann, wenn sie geistliche Lösungsvorschläge unterbreiten. Schizophrenie ist eine psychische Krankheit und kein primär geistliches Problem, auch keine Sünde, Bindung oder ähnliches. Dass es vor ganzheitlichem Hintergrund den ganzen Menschen betrifft, ist selbstverständlich. Nicht wenige Erkrankte fragen sich, warum Gott ihnen diese Krankheit zumutet und ob ein noch stärker an Jesus hingegebener oder heiligerer Lebensstil die Lösung sein könnte. Dieses Vergeistlichen führt in eine verkehrte Richtung. Wo Menschen gute fachliche Hilfe erhalten und in einer geistlich ausgewogenen Gemeinde zuhause sind, wird ihnen ganzheitliche Hilfe zuteil.
Berichte aus der Praxis
Die folgenden Beispiele stammen nicht aus der Gemeinde, in der ich Pastor bin, aber aus kirchlichen und freikirchlichen Gemeinden und zeigen eindrücklich, wie Christen Schizophrenie erleben. Eine junge Frau berichtete mir, dass der Heilige Geist sie immer wieder anschreien würde. Zugegeben, ein sehr seltenes Statement. Letztlich war es so, dass diese Frau aus einer charismatischen Freikirche kam, wo es ständig um das Thema „Heiliger Geist“ ging, sie an Schizophrenie erkrankt war und dieses Schreien immer dann auftrat, wenn sie eigenmächtig ihre Medikamente absetzte. Wäre diese Frau keine Christin gewesen, sondern Muslimin, wäre es nicht der Heilige Geist, sondern vielleicht Dschinns (Geister im islamischen Kontext) gewesen. Eine andere gläubige Ratsuchende erzählte, dass sie bei der Pflege des Grabes ihres verstorbenen Vaters regelmäßig Wesen aus dem Grab daneben aufsteigen sieht. Fratzen, Gesichter in Nebelschwaden eingehüllt... Als ich ihr anbot, sie zu dem Friedhof zu begleiten, wehrte sie entschieden ab. Auf Nachfragen meinte sie, dass ich diese Wesen ja nicht sehen könne. Ihr Mann berichtete mir, dass sie immer dann diese Wesen sah, wenn sie ihre Medikamente nicht nahm – sie litt an Schizophrenie. Eine etwas ältere gläubige Christin rief mich an und berichtete, dass sie vom Vatikan verfolgt würde. Als Beweis dafür sähe sie regelmäßig schwarze Autos, die in ihrer Straße parkten. Als ich während des Telefongesprächs meinte, dass bei mir draußen ebenfalls ein schwarzes Auto stehen würde, fragte sie, ob ich auch vom Vatikan verfolgt werden würde. Ihr Sohn wusste um ihre Erkrankung, denn diese Wahnideen tauchten immer dann verstärkt auf, wenn die an Schizophrenie erkrankte Mutter ihre Medikamente einzunehmen vergessen hatte. Ein letztes Beispiel war ein junger Mann, bei dem man mehrfach versucht hatte, durch Befreiungsdienste Dämonen auszutreiben, was die Situation verschlimmert hatte. In ganz normalen Gesprächen, Spaziergängen
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und gemeinsamen Unternehmungen in Verbindung mit Medikamenten konnte er die geschlossene Abteilung nach Monaten verlassen. Autor
Michael Großklaus ist Pastor der Gnadenkirche Villingen-Schwenningen. Er promovierte 2016 in Psychologie, ist Gründer einer psychologischen Beratungsstelle, Supervisor, Buchautor und Professor für Psychologie an einer Hochschule in Stuttgart.
Fußnoten 1
IGNIS, BTS, TS, ICL, IB usw. sind Ausbildungsinstitute, die mehrjährige Seelsorgeausbildungen anbieten – was zwar keine Ärzte, Psychologen und Psychotherapeuten ersetzt, aber in der christlichen Gemeinde sehr wichtig und wertvoll ist. 2 Zu dieser besonderen Thematik sei auf zwei Bücher verwiesen: „Okkult belastet oder psychisch krank – Ein Leitfaden für Kirche, Gemeinde und Beratung“ (2019, Gerth-Medien von Michael Großklaus) und „Das Okkulte“ (2021, esras.net von Helge Stadelmann). 3 Vortrag am 8. Christlichen Gesundheitskongress Gesunder Glaube für psychisch erkrankte Menschen
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Einem schizophren erkrankten Menschen kann in einer Klink angemessener geholfen werden als in einer Kirche. Wenn diese fachliche Hilfe von der Fürbitte der Geschwister in der Gemeinde begleitet wird, ist dies meist ein segensreicher Weg. 19
Wahrheit oder Lüge? Ein (bibelorientierter) Diskurs zum Umgang mit der Realität Zur Diskussion von Rainer Oberbillig
Zur Diskussion: Hier werden Beiträge veröffentlicht, die nicht in allen Punkten der Meinung des Redaktionsteams entsprechen müssen.
„Wahrheit oder Lüge“ – so lautet der Titel • einer Rate-Show in den Dritten Programmen des deutschen Fernsehens. In diesen Sendungen soll das Rateteam durch geeignete Fragen feststellen, ob die beruflichen Spezialisierungen oder behaupteten außergewöhnlichen Ressourcen der Kandidat:innen der Wahrheit entsprechen oder „Fake“ sind. Wir können hieraus entnehmen, dass es weniger zielführende Prüffragen gibt und passendere Kontrollen der Selbstdarstellung der Probanden. Zur Wahrheitsfindung des Rateteams trägt die Überlegung bei: • Passen die Selbstdarstellung, die kompetente Beschreibung der Tätigkeit der Kandidat:innen und der persönliche Eindruck von der Person zusammen? • Könnte deren Körperausdruck weitere Hinweise geben? • Welche Informationen erhalte ich aus den Fragestellungen meiner Teammitglieder? • Welche Gesamtdarstellung erscheint am glaubwürdigsten, am ehesten noch der (mir vertrauten objektiven) Realität angemessen? Zusammenfassend kommen wir zu These 1: Die emotionale und kognitive Performance eines Menschen muss mit dem Inhalt der Botschaft übereinstimmen.
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Die Botschaft wird gemessen an meinen bisherigen Erfahrungen – und denen anderer – mit der Realität. Die Kommunizierbarkeit dieser Überzeugungen und Erfahrungen in einem Feld verschiedener Anschauungen führt zu einer eigenen Positionierung im Diskursfeld. Für letztere benötigen wir einen zusätzlichen (transzendenten) Leitfaden, wie ihn uns der Apostel Paulus an die Hand gibt1: „Lasst euch nicht in dasselbe Schema dieser Zeitperiode pressen/richtet euch nicht länger nach den Maßstäben dieser Welt, sondern lernt, in einer neuen Weise zu denken, damit ihr verändert werdet und beurteilen könnt, ob etwas Gottes Wille ist – ob es gut ist, ob Gott Freude daran hat und ob es vollkommen ist.“ (Übersetzung des Verfassers/NGÜ)
These 2: Richtschnur zur Orientierung in der Realität des Lebens bildet das von Jesus gesprochene Wort.
Johannes 8 bezeugt Jesus in einer erregten Diskussion mit den Juden gegenüber denen, die zum Glauben an ihn gekommen waren: „… Wenn ihr an meiner ‚Rede/in meinem Wort, in meiner Lehre‘ bleibet, seid ihr ‚wahrhaftig/wirklich, echt‘ meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit 2 erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (8,31ff ). Auf welche Wahrheit nimmt Jesus hier aus dem Kontext der Diskussion Bezug? • Seine Herkunft: aus der Transzendenz, vom Vater im Himmel ausgehend – in Vers 28 spricht Jesus in der Autorität Gottes (siehe die Jahwe Offenbarung in Gen. 3,14): „… dann werdet ihr erkennen, dass ich bin (der ich bin) und dass ich von mir selbst nichts tue, sondern nur sage, was mein Vater mich gelehrt hat“ (siehe auch Vers 26). • Jesus spricht von sich als Sohn Gottes und lässt sich auf einen Diskurs ein mit den Juden, die von sich als Söhne Abrahams überzeugt sind. In der erregten Debatte bezichtigt Jesus schließlich seine Kontrahenten, nicht Gott zum Vater zu haben, sondern Söhne des Teufels zu sein, des Vaters der Lüge und Mörder von Anfang. Dies sei auch der Hintergrund dafür, dass die sehr religiösen Juden Gott als Vater nicht erkannten, sondern Sklaven der Sünde seien, d. h. in völliger Entfremdung von Gott lebten. Zugespitzt deutlich wird die Konfrontation der jüdischen Orthodoxen in der Bezichtigung als Lügner, dass sie letztlich Jesus als Gesandten Gottes verleugneten und ihre eigene Wahrheit dogmatisch verteidigten, bis zur versuchten Steinigung. • Ulrich Wilckens, emeritierter Professor für das Neue Testament und Bischof i.R. kommentiert3 unseren Text wie folgt: „Die Wahrheit, die es im Glauben an Jesus zu erkennen und zu tun gilt, ist Gott selbst; denn allein er, sein Wort und Wille, hat und gibt ewigen Bestand. Der Wille der Sünde, sich der Wahrheit Gottes zu entziehen, ist Lüge. Die Sünde als Lüge spiegelt dem Menschen vor, sein Wort und sein Wille könnten aus eigener Kraft Bestand haben. So wird das von ihr vorgespiegelte Trugbild eines Menschen, der aus Eigenem leben und bestehen
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könne, zum Gegenbild Gottes, zum Teufel. Von dieser Ur-Lüge vermag allein Gott jene zu befreien, die an seinen Sohn glauben. Aber die Menschen sind in die Lüge verliebt und hassen die Wahrheit, denn sie fürchten, dass im Lichte Gottes alle Sünde, die sie zu verbergen suchen, offen zutage tritt ( Joh. 3,19). Sie wähnen sich frei, solange sie sie verbergen können, und der Gehorsam des Glaubens erscheint ihnen als Knechtschaft. Jesus aber ist gekommen, um die Menschen frei zu machen von dieser Diktatur der Lüge, die sie daran hindert, der Wahrheit Raum zu geben.“ • Anhand des Kommentars von Ulrich Wilckens zum Diskurs über Wahrheit oder Lüge wird deutlich, wie die (existenzielle) Entfremdung jedes Menschen von Gott ihn unter die „Diktatur der Lüge“4 bringt: Das Trugbild eines Menschen, der sich selbst zum Maßstab der Wirklichkeit, des wahren Sachverhalts aller Dinge, auch zum Maßstab der Selbsterkenntnis, also der Wahrheit an sich nimmt. • Praxistransfer unseres „anthropologischen“ Exkurses: Wir brauchen Bescheidenheit und Demut in der Beurteilung, ob etwas wahr oder falsch ist, ob es sich um Wahrheit oder Selbsttäuschung handelt. Wir benötigen einen Objektivitätsanker in der Person Jesus, seine Weisheit. Sein Geist will uns als Menschen, die sich in ihren Alltagsfragen im Vertrauen an Gott wenden, in alle Wahrheit leiten, nicht nur in die religiös-moralische, auch in die verzwickten Zusammenhänge der Lebensrealitäten. These 3: Die Wahrheitsfindung orientiert sich an Person und Gegenwart Jesus.
In seinen Abschiedsreden zeigt Jesus seinen Jüngern die Perspektive der Ewigkeit auf, ihr zukünftiges Zuhause5 in der göttlichen Transzendenz. Wie sie zu dieser Gewissheit und Geborgenheit des Glaubens kommen, beantwortet er mit „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ • Im weiteren Verlauf der Reden Jesu erfahren wir, dass eine enge Verbundenheit mit Ihm auch eine sichere Bindung an Gott den Vater mit sich bringt (siehe
gleichnishafte Rede vom Weinstock und den Reben in Johannes 15). • Auch das Grundbedürfnis nach Sicherheit, Orientierung und Kontrolle wird angesprochen von Jesus, der seinen Jüngern die Sendung des Heiligen Geistes als Lehrer oder Paraklet („der zur Hilfe herbeigerufene“), „Go-in-between-God“, verspricht, nach seinem Tod und Auferstehung. • Der Apostel Paulus 6 erinnert uns bezüglich aller unserer vielfältigen und oft sehr komplizierten Fragestellungen, nicht nur im spirituellen Feld: „In ihm sind verborgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis.“ Wenn das so ist, brauchen wir mehr Offenbarung von Jesus Christus in Wort und Werk; eine immerwährende kontinuierliche Modulation unseres Gottesbildes ist nötig, um zu Selbsttranszendenz zu gelangen. Spiritualität leben hieße dann, die mir begegnende Realität aus der Perspektive von Jesus wahrnehmen und beurteilen zu lernen. These 4: Die Liebe zur Wahrheit bewahrt das menschliche Denken vor Ideologien und subjektiver Dogmenbildung.
In seinem Brief 7 an die Gemeinde von Thessaloniki warnt Paulus die junge christliche Gemeinde davor, in ihrer Erwartung der Parusie (Wiedererscheinung Christi) auf die Verführung durch falsche Messiasse hereinzufallen. Hinter deren Auftreten stehe eine diabolische Kraft, „… was sich in allen möglichen machtvollen Taten zeigen wird, in Wundern und außergewöhnlichen Geschehnissen – allesamt Ausgeburten der Lüge –, in Unrecht und Irreführung aller Art.“ Aus dem Kontext der Textstelle können wir entnehmen: • Verführung durch die Scharlatane in der Geschichte (bei Paulus „der Gesetzlose“ der sog. Endzeit) gelingt am ehesten bei denen, die die „rettende Wahrheit nicht geliebt haben.“ 8 Nach unseren vorherigen Ausführungen besteht die Liebe zur Wahrheit darin, die existenzielle Entfremdung von Gott anzuerkennen, die Diktatur der Lüge zuzugeben und damit die Notwendigkeit der Befreiung durch Jesus den Sohn Gottes und Erlöser zu bejahen.
• Paulus verschärft diese Aussage eschatologisch noch dadurch, dass gemäß ihm Gott selbst einen Geist der Verblendung (als Gericht) schickt, der die Menschen, die keine Liebe zur Wahrheit (Gottes) aufbringen, dazu bringt, der Lüge Glauben zu schenken. • Der Apostel entfaltet hier aus spiritueller Sicht ein universelles menschliches Drama, die absolute Auseinandersetzung zwischen existenzieller Wahrheit und Lüge. Auf dem Weg zu dieser finalen Auseinandersetzung zwischen Wahrheit (Gott) und Lüge (Diabolos bedeutet Durcheinanderwerfer oder Teufel) mahnt er die Gemeinde in Kolossä9 und mit ihr eingeschlossen auch die in Laodizäa: die an Christus Gläubigen sollen sich in Acht nehmen vor Menschen mit einer leeren, trügerischen „Philosophie“, die sie mit ihren Anschauungen rein menschlichen Ursprungs fesseln und gefangen nehmen wollen; diese innerweltlichen Prinzipien drehten sich nicht um Christus.10 Wenn aber unsere Anfälligkeit für Ideologien und Dogmenbildung uns irregeführt hat, wie sollen wir verfahren? Hier habe ich schon immer die folgende Textstelle bei den Paulusbriefen11 interessant und seelsorgerlich hilfreich gefunden: „Auf die dummen‚ zuchtlosen Diskussionen/ Streitereien und Wortgefechte lass dich nicht ein; du weißt: daraus entsteht nur Streit. Ein Diener des Herrn aber soll nicht streiten, sondern in Freundlichkeit und Geduld die Dogmenbilder oder ideologisch sich Widersetzenden zurechtweisen. Vielleicht gibt ihnen Gott ja die Möglichkeit zur Umkehr, sodass sie die Wahrheit erkennen.“ 12
Fühlen und Handeln. Zur Erkenntnis der Wahrheit gehört auch, dass wir ohne korrigierende soziale Einbindung und kontinuierliche Schulung des Denkens abirren können. Aktuelle Beispiele finden wir in den Auseinandersetzungen mit der Pandemielage. Abstruse Verschwörungstheorien haben die Runde gemacht, aber auch fundamentalistische (nicht unbedingt religiöse) Ideen oder Glaubensüberzeugungen, etwa die Verabsolutierung eines „gesunden“ Immunsystems. Bisweilen entwickelt hier die misstrauische Gegnerschaft zur wissenschaftlichen Denkweise als auch zur politischen Führung durchaus wahnhafte Züge. Eine direktive Orientierung gibt es auch aus christlicher Perspektive für den Umgang mit der „Seuche“ nur allgemein in: „Suchet der Stadt Bestes“13 und „Alles, was ihr wollt, das euch die Menschen tun sollen, das tut ihnen auch.“14 Kein Mensch oder einzelne Gruppe allein ist entgegen fundamentalistischen Überzeugungen „im Besitz der Wahrheit“, auch der Referent nicht. Jeder, der sich mit der Wahrheitsfrage befasst, braucht die Gesinnung Christi und die intersubjektive Korrektur in fachlicher Kommunikation und thematischer Diskussion. In diesem Diskursfeld lohnt es sich nicht zu streiten mit der Einstellung „meine Wahrheit ist besser oder wichtiger als deine“. Ausrichtung und Annäherung gegensätzlicher Standpunkte kann der Geist Gottes geben.15 Diese Inspiration durch göttliche Weisheit benötigt jede Person.
Epilog
Am besten werden wir der Wirklichkeit unseres Lebens gerecht, wenn wir anerkennen, dass wir aufgrund der Entfremdung von Gott konstant bedroht sind von der „Diktatur“ der Lüge. Das bedeutet auch, dass wir ohne die Perspektive von Jesus in enger Verbundenheit mit ihm leicht die Orientierung an der Realität (dem wahren Sachverhalt) verlieren können. Fluchten in Traumwelten oder Illusionen, gar in wahnhafte Vorstellungen, sind dann eher Fallstricke im Denken,
de’ig n is-ma g a z in – Impulse und Erfahrungen
Fußnoten 1
Paulus im Römerbrief (Kap. 12, Vers 2): Aus dem Zusammenhang dieses Kapitels mit den vorherigen Ausführungen im Brief wird deutlich, dass es um die Vorstellung von Gott geht, um das Gottesbild des überaus barmherzigen Gottes, mit einer einzig angemessenen Antwort: „[…] dass ihr euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung stellt […]“ 2 Ergänzende Lesarten der Stelle aus dem griechischen Text von Aland et al. übersetzt: Aletheia (Wahrheit) kann auch verstanden werden als die von Gott herkommende religiös-sittliche Wahrheit, die wahre Lehre oder, für unser Thema in gleicher Weise wichtig, als der objektiv „wahre Sachverhalt, die Wirklichkeit“. 3 Wilckens, Ulrich (2015): Studienbibel Neues Testament. Fontis – Brunnen Basel. S. 346 –347 4 Siehe auch die paulinische kritische Beurteilung der wahren Natur des Menschen in Römer 3, darunter „Alle Menschen sind Lügner …“ 5 Johannes Evangelium Kapitel 14,6 und 15–16 6 Brief des Apostel Paulus an die Kolosser, Kapitel 2, Vers 3 7 Brief des Apostel Paulus an die Thessalonicher, Kapitel 2,10 8 Anmerkung: Am Ende der Geschichte steht der Mensch in der Eschatologie der Bibel vor der Wahl, die ihn rettende Wahrheit in Jesus Christus (Gottes ausgestreckte Hand zur Versöhnung zwischen Ihm und dem von Ihm entfremdeten Menschen) persönlich zu ergreifen oder dem sog. Antichristen zu huldigen und sich diesem zu unterwerfen. 9 Brief an die Kolosser, Kapitel 2, 8–10 10 Auch in diesem Textzusammenhang wird offensichtlich, worum es Paulus geht: „Christus (zu verkünden), in dem die ganze Fülle von Gottes Wesen in leiblicher Gestalt wohnt. Und ihr habt an dieser Fülle teil, weil ihr mit Christus verbunden seid …“ 11 Paulus an Timotheus im 2. Brief, Kapitel 2, 23–26 12 Übersetzung kombiniert aus Wilckens, Ulrich (2015): Studienbibel Neues Testament. Fontis – Brunnen Basel sowie NGÜ und BASIS Bibel der Deutschen Bibelgesellschaft. 13 In Jeremia 29,7: Im Zusammenhang des Betens für die Stadt verweist Jeremia auf die gegenseitige Abhängigkeit: „Wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.“ (Luther rev. 2017) 14 Sogenannte goldene Regel in der Bergpredigt, nach Mt. 7,12 (Luther rev. 2017) 15 Siehe auch Joh. 6,63b (NGÜ)
Autor
Rainer Oberbillig ist Dipl.-Psychologe, approbierter Psychotherapeut, ehemals langjähriger Mitarbeiter in der de’ignisFachklinik und Mitgründer, jetzt i. R.; auf Honorarbasis in freier Praxistätigkeit und am de’ignis-Institut engagiert. Doktorat-Studium am Institut für Empirische Religionsforschung (IER), Uni Bern.
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Psychotherapeutische Ansätze bei der Behandlung von Schizophrenie Schwerpunkt kognitive Verhaltenstherapie Von Dr. rer. nat. Marie-Luise Armbruster
de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
Störungen aus dem schizophrenen For• menkreis werden sowohl von Betroffenen
als auch von deren Angehörigen aufgrund der Schwere der Symptome und des hohen Rückfallrisikos als sehr belastend erlebt. Aber auch Therapeuten und Therapeutinnen sind in der Behandlung von an Schizophrenie Erkrankten herausgefordert, wenn z. B. Konzentrationsstörungen der Betroffenen die Behandlung erschweren, Patienten während der Sitzung unerwartet Stimmen hören oder wenn die ambulante Behandlung aufgrund eines Klinikaufenthalts erneut unterbrochen wird. Doch welche unterschiedlichen Behandlungsansätze gibt es? Was ist bei der therapeutischen Haltung zu beachten? Welche konkreten Techniken können das therapeutische Arbeiten erleichtern? Dieser Artikel gibt einen Einblick in die psychotherapeutischen Ansätze zur Behandlung von Menschen mit Schizophrenie und führt in die kognitive Verhaltenstherapie der Schizophrenie ein. Konkrete therapeutische Techniken werden erläutert und der aktuelle Forschungsstand dargestellt.
Psychotherapeutische Ansätze bei Schizophrenie
Illustration: Jorm S / Adobe Stock
Eine Psychotherapie bei Menschen mit Schizophrenie wird fast immer mit einer medikamentösen Behandlung begleitet. Auch die S3-Leitlinie zur Behandlung von Menschen mit Schizophrenie empfiehlt, dass die Psychopharmakotherapie „in ein Gesamtbehandlungskonzept unter Einschluss allgemeiner und spezieller psychotherapeutischer und psychosozialer Maßnahmen und psychiatrischer Behandlungspflege in Abhängigkeit von einer differentiellen Indikation eingebettet sein“ soll1. Dabei soll die Wahl des Antipsychotikums gemeinsam mit dem Patienten und seinem behandelnden Arzt erfolgen. Um die Medikation im Behandlungsverlauf entsprechend der Beschwerden des Patienten anzupassen, sollte die fachärztliche Begleitung engmaschig erfolgen. Neben der medikamentösen Behandlung von Schizophrenie gibt es inzwischen unterschiedliche psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten. Zu den traditionellen Ansätzen gehören Familieninterventionen, in denen zum einen die Kommunikation
zwischen den Familienmitgliedern verbessert und zum anderen im Sinne der Psychoedukation über die Erkrankung aufgeklärt und hierdurch das Krankheitsverständnis verbessert werden soll. Insgesamt spielt die Psychoedukation in der Behandlung von Patienten mit Schizophrenie eine wichtige Rolle, insbesondere wenn die Angehörigen einbezogen werden. Einen weiteren Therapieansatz stellen die Fertigkeitstrainings dar. Sie sollen den Betroffenen helfen, mit Folgeproblemen der Erkrankung besser umzugehen und Fähigkeiten fördern, die bereits vor der Erkrankung zu gering ausgeprägt waren. Neben dem Training sozialer Kompetenzen und dem Problemlösetraining ist insbesondere auf die kognitive Remediationstherapie 2 hinzuweisen. Dabei werden zum einen kognitive Fertigkeiten durch wiederholtes Üben trainiert (z. B. mithilfe PC-gestützter Programme wie Reha-Com, das seit einigen Jahren in der de’ignis-Fachklinik unter anderem zur Verbesserung der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses erfolgreich eingesetzt wird). Zum anderen erlernen Patienten in der Remediationstherapie individualisierte Bewältigungsstrategien, mit Hilfe derer sie im Alltag kognitive Defizite gezielt kompensieren können. Die bisher dargestellten Verfahren haben gemeinsam, dass sie primär an den mit der Behandlung in Verbindung stehenden Defiziten (z. B. Aufmerksamkeit, Gedächtnis, soziale Fertigkeiten, Kommunikation) oder an der Rückfallprophylaxe (Psychoedukation) ansetzen. Während bei anderen psychischen Störungen „direkt“ an den Symptomen angesetzt wird (z. B. bei spezifischen Angststörungen wie Hundephobie, bei Sozialen Phobien, PTBS und Depressionen), galt es
lange als kontraindiziert, auch bei Menschen mit Psychosen direkt an den Symptomen wie Wahn oder Halluzinationen anzusetzen. Schizophrenie wurde lange als primär biologische Störung eingestuft, die man vor allem medikamentös behandelt. Auf der anderen Seite fehlte es den Therapeuten bzw. Therapeutinnen an Handwerkszeug, sprich an konkreten Interventionen, insbesondere dann, wenn der Wahn oder die Halluzinationen so starr wirkten, „als wenn man als Therapeut ohnehin nicht viel verändern könnte“. Interessanterweise konnten inzwischen verschiedene Studien zeigen, dass Wahn und Halluzinationen gar nicht so starr oder „andersartig“ sind: Auch Menschen in der Normalbevölkerung erleben wahnhafte Gedanken in ihrem Alltag, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß 3 und mit deutlich weniger Belastungserleben als Menschen mit Schizophrenie 4 . Ebenso werden Halluzinationen in geringerem Ausmaß von Menschen aus der Normalbevölkerung erlebt 5 . Sicherlich hat der eine oder andere schon einmal das Telefon klingeln gehört, als es gar nicht klingelte oder jemanden seinen Namen rufen hören, obwohl er gar nicht gerufen wurde. Die oben dargestellten Befunde untermauern das sogenannte Kontinuumsmodell, in dem davon ausgegangen wird, dass die Übergänge zwischen normalem und psychotischem Erleben fließend sind. Wenn nun das Denken und Empfinden von Menschen mit Schizophrenie nicht qualitativ anders ist als das von gesunden Menschen, sondern nur stark verändert, spricht dies dafür, dass die Einschätzungen und die Bewertungen der Patienten und Patientinnen entlang des Kontinuums auch wieder veränderbar sind. Das Kontinuumsmodell bildet die Basis für einige neuere Therapieansätze, insbesondere
Auch Menschen in der Normalbevölkerung erleben wahnhafte Gedanken in ihrem Alltag, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß. 25
die für Verhaltenstherapie, aber auch für das metakognitive Training für Psychosen6. Im metakognitiven Training werden Denkverzerrungen und Denkfallen, die den Wahn begünstigen, den Patienten spielerisch vor Augen geführt und mit ihnen trainiert, alternative Erklärungen für ihr Erleben zu entwickeln. Ergänzt wird das Gruppentraining durch individualisierte Einzelsitzungen. Im Folgenden soll konkret auf die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) eingegangen werden. Doch wodurch konkret ist dieser Behandlungsansatz gekennzeichnet? Kognitive Verhaltenstherapie bei Schizophrenie
Die KVT bei Psychosen zeichnet sich aus durch ein „nicht-konfrontatives, unterstützendes Beziehungsangebot, „Normalisierung“ von Beschwerden, die Kontinuitätsannahme in Bezug auf die Symptomatik und die Orientierung an den Lebenszielen der Teilnehmer“ 7. Empfohlen werden dort mindestens 16 Therapiestunden, bei komplexeren Therapiezielen mindestens 25 Sitzungen. Die KVT kann sowohl stationär als auch ambulant durchgeführt werden. Eine stationär begonnene Therapie sollte ambulant weitergeführt werden. Inzwischen gibt es verschiedene deutschsprachige Therapiemanuale und Bücher zur Verhaltenstherapie bei Schizophrenie8 . Im Folgenden wird Bezug genommen auf den individuenzentrierten Therapieansatz nach Lincoln9. Zu Beginn der Behandlung stehen eine ausführliche Diagnostik und Zielklärung im Vordergrund. In der Anamnese werden, wenn vorhanden, frühere psychotische Episoden sowie die Entwicklung der aktuellen Episode eruiert. Die Behandlung besteht dann im Allgemeinen aus der Vermittlung eines individuellen Störungsmodells, der Symptombehandlung und der Rückfallprophylaxe. Auf diese Aspekte sowie auf die therapeutische Haltung wird im Folgenden genauer eingegangen. Therap eutische Ha ltung und B e z iehung s g e sta ltung Die therapeutische Beziehung spielt, wie selbstverständlich bei allen anderen Störungsbildern, auch bei Patienten mit
Schizophrenie eine wesentliche Rolle, kann jedoch durch die Beschwerden der Patienten „herausgefordert“ werden. Ein sehr misstrauischer Patient wird vermutlich große Schwierigkeiten haben, eine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Therapeuten aufzubauen. Bevor an Symptomen wie Wahn oder Halluzinationen gearbeitet werden kann, muss somit zunächst eine Basis geschaffen werden, auf der der Therapeut den Wahn eruieren kann. Lincoln9 schildert in ihrem Manual ausführlich, wie dies gelingen kann: So sollten wahnhafte Gedanken nicht zu früh in der Behandlung infrage gestellt werden, da dies die therapeutische Beziehung zu sehr belasten und dazu führen kann, dass sich der Patient nicht weiter öffnen möchte. Hilfreich ist es dagegen, Befürchtungen des Patienten sozusagen vorweg zu nehmen. Ein Patient, der bereits erste paranoide Ideen geschildert hat und sich während der Sitzung oftmals im Raum umschaut und hierdurch vom Gespräch abgelenkt ist, mag sich verstanden fühlen, wenn der Therapeut ihn auf dieses Verhalten anspricht: „Mir ist aufgefallen, dass Sie sich mehrmals im Raum umgeschaut haben, nicht wahr? Bei dem, was Sie mir bisher geschildert haben, könnte es sein, dass Sie vermuten, dass hier im Raum auch Mikrofone versteckt sein könnten?“ Hierdurch fühlt sich der Patient eher verstanden und kann sich besser öffnen. Wesentlich ist, dass der Therapeut die Probleme aus Sicht des Patienten versucht zu verstehen. Dies bedeutet nicht, dass der Therapeut den Patienten in seinem Erleben von z. B. Wahngedanken verstärkt (Negativbeispiel: „Ja, vermutlich schauen die Fahrgäste in der Bahn Sie so kritisch an, weil sie es auf Sie abgesehen haben“), sondern, dass er sich in die Gefühlslage des Patienten hineinversetzt („Ich kann mir vorstellen, dass es für Sie ganz schön unangenehm, vielleicht sogar beängstigend ist, wenn Sie das Gefühl haben, die anderen Fahrgäste schauen Sie so kritisch an“). Wenn sich der Patient nun vom Therapeuten verstanden und wertgeschätzt fühlt, besteht eine Basis, auf der der Wahn oder die Halluzinationen vorsichtig, aber kritisch vom Therapeuten hinterfragt werden können.
Erklär ung smo del l Wie auch bei anderen psychischen Störungsbildern ist es von großer Bedeutung, dass der Patient während der Therapie ein Erklärungsmodell vermittelt bekommt, mithilfe dessen er sein Erleben und die Symptome einordnen und verstehen kann. In Abb. 1 ist ein Erklärungsmodell zur Entstehung paranoider Gedanken dargestellt, das gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet werden kann. Dem Patienten kann dieses Modell als eine Möglichkeit dargestellt werden, wie sein Erleben und Befinden sich möglicherweise entwickelt haben könnten. Im Modell ist ersichtlich, dass frühere Ursachen (z. B. Veranlagung, aber auch frühere belastende Erfahrungen) die Beschwerden mitbedingen und zu ungünstigen Konzepten über sich selbst und andere (z. B. „niemand mag mich“, „andere meinen es schlecht mit mir/ haben es auf mich abgesehen“) führen können. Zusätzlich können aktuelle Auslöser wie Stress oder berufliche Belastungen zu körperlicher Erschöpfung und negativen Emotionen wie Angst führen. Unter diesen Bedingungen besteht eine höhere Neigung, zweideutige Situationen zu erleben (z. B. Geräusche zu hören, kritische Blicke wahrzunehmen). Durch bestimmte kognitive Prozesse wird das Erleben verstärkt und mündet in Angst und Misstrauen. Zu diesen kognitiven Prozessen gehören der selektive Aufmerksamkeitsbias (es werden insbesondere die Informationen wahrgenommen, die meine Meinung bestätigen) und die Tendenz zu voreiligem Schlussfolgern (also die Tendenz, sich schneller eine Meinung zu bilden als andere es in derselben Situation täten). Aufrechterhalten wird die Symptomatik (wie auch bei Angststörungen) durch Rückzug, Vermeidung und Sicherheitsverhalten, da hierdurch korrigierende Erfahrungen, die die paranoiden Vermutungen widerlegen, ausbleiben. Zur besseren Verständlichkeit des Modells ist es hilfreich, die einzelnen Aspekte des Modells zu konkretisieren und gemeinsam mit dem Patienten schriftlich festzuhalten (z. B. Welche beruflichen Belastungen gab es genau? Wie lauten die negativen Gedanken über andere? Welche konkreten paranoiden Ängste sind vorrangig?). Aus dem Modell können anschließend die
de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
Erklär ung smo del l zur Entstehung von Parano ia (L inc o ln und Rief, 2007)
Auslöser:
Frühe Ursachen:
Stress, Belastungen
Persönlichkeitszüge und Kompetenzen (Veranlagung), Erfahrungen, Modelle
Körperliche Erschöpfung, negative Emotionen (Angst, Depression)
Ungewöhnliche (akustische, somatische oder visuelle) Erfahrungen unklarer Ursache
ungünstige Konzepte im Bezug auf Selbst und Andere (kognitive Vulnerabilität)
Tendenz zu voreiligen Schlussfolgerungen und falscher Quellenattribution
Dysfunktionale Verarbeitung
Angst, Misstrauen, Gefühl „auf der Hut“ sein zu müssen
Selektive Aufmerksamkeit:
Vermeidung und Sicherheitsmaßnahmen
„Confirmation Bias“
Fehlen korrigierender Erfahrung für paranoide Annahmnen
Abb. 1
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Negative Reaktionen durch andere Personen und Rückzug
Fehlen positiver, korrigierender Erfahrungen mit anderen Menschen
Behandlungsziele abgeleitet werden, wie z. B. ein verbesserter Umgang mit beruflichem Stress, Umstrukturierung dysfunktionaler Kognitionen, Abbau von Vermeidungsverhalten, aber auch und insbesondere die Korrektur der kognitiven Prozesse, die dem Wahn zugrunde liegen. Umg ang m it den Symptomen Beispielhaft soll hier ein Einblick in die Behandlung von wahnhaften Gedanken gegeben werden10 . Eine Umstrukturierung wahnhafter Überzeugungen kann sehr herausfordernd und langwierig sein. Es fällt leichter, aktuelle Überzeugungen umzustrukturieren, da diese präsenter sind, als bereits zurückliegende, an die sich der Patient evtl. nicht mehr vollständig erinnern kann. Für den Therapeuten bedarf es viel Fingerspitzengefühl und Geduld und eine tragfähige therapeutische Beziehung sollte inzwischen aufgebaut sein. Wichtig ist, dass der Patient sich ernst genommen fühlt. Vorbereitend für die Umstrukturierung ist es somit hilfreich, wenn der Therapeut dem Patienten verdeutlicht, dass er ihn für intelligent und reflektiert hält – und dies auch selbstverständlich so meint (z. B. „Was Sie mir bisher berichtet haben, spricht dafür, dass Sie ein
intelligenter und rational denkender Mensch sind. Sie haben ja auch diverse Prüfungen bestanden und schon lange in Ihrem Beruf gearbeitet“). Im weiteren Verlauf klärt der Therapeut den Patienten darüber auf, dass Denkfehler im Alltag aller Menschen auftreten können, besonders wenn Situationen uneindeutig sind und man selbst gestresst ist (z. B. „Wenn ich unausgeschlafen auf der Arbeit bin und der Kollege mich weniger beachtet, kommt mir eher der Gedanke, dass er mich nicht mag, als wenn ich selbst entspannt und ausgeschlafen bin“ ). Hierdurch entpathologisiert der Therapeut die paranoiden Interpretationen und zeigt auf, dass der Patient nicht „verrückt“ ist, wenn er zu bestimmten Schlussfolgerungen kommt. Anschließend werden mit dem Patienten Anhaltspunkte für den Wahn eruiert, also Aspekte, an denen der Patient konkret festmacht, dass er z. B. verfolgt, vergiftet oder abgehört wird. Diese Argumente werden schriftlich festgehalten. Im Folgenden werden Mechanismen zur Einstellungsbildung wie der selektive Aufmerksamkeitsbias und das voreilige Schlussfolgern besprochen. Auch hier helfen Beispiele aus dem Alltag, die Beschwerden des Patienten zu entpathologisieren und ihm zu verdeutlichen, dass gedankliche Verzerrungen bei
der Meinungsbildung aller Menschen vorkommen können. „Jemand, der beispielsweise immer dieselbe Marke eines Produktes kauft, wird diese weiter kaufen und weniger offen dafür sein, die Marke zu ändern, auch wenn etwas Schlechtes über die Marke bekannt wird. Jemand, der sehr von einer politischen Meinung überzeugt ist, wird seine Meinung vermutlich nicht ändern, auch wenn etwas gegen die Partei spricht.“ Dem Patienten wird anschließend die Erklärung angeboten, dass er möglicherweise in seiner stressigen, belastenden Situation ebenso bestimmten Tatsachen, die für seine paranoide Befürchtung sprachen, mehr Bedeutung zugesprochen hat als tatsächlich bestand und sich seine Angstgedanken hierdurch nach und nach gefestigt haben. Im nächsten Schritt wird besprochen, welche Konsequenzen es für den Patienten haben könnte, sich von seinen Wahngedanken zu lösen. Der Einsatz des sogenannten VierFelder-Schema aus Abb. 2 ist hilfreich, um zu erarbeiten, welche Konsequenzen sich für den Patienten ergeben, wenn er den Wahn fälschlicherweise beibehält bzw. fälschlicherweise aufgibt. Der Gedanke, unwissentlich verfolgt zu werden, kann bei dem Patienten z. B. einerseits große Unsicherheit hervorrufen. Andererseits kann diese Übung die
V ier-Felder- S chema nach L inc o ln (2006)
Annahme/Realität
Ich wurde verfolgt.
Ich wurde nicht verfolgt.
Ich fühle mich im Alltag unsicher. Ich wurde verfolgt.
Anderen habe ich etwas anvertraut, hätte es aber nicht tun sollen. Ich muss mir eingestehen, dass ich mir „etwas eingebildet habe“.
Ich wurde nicht verfolgt.
Abb. 2
de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
Bild: Kat Love / Unsplash
Ich hätte mich gar nicht so viel zurückziehen müssen.
Rückf a l lprop hyla xe Die Rückfallprophylaxe soll dem Patienten und seinen Angehörigen helfen, Signale und Symptome, die auf eine erneute Episode hindeuten, frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Die Reduktion von Stress und eine Erhöhung/Anpassung der begleitenden antipsychotischen Medikation sind von besonderer Bedeutung. Leider gelingt es nicht immer, durch eine gute Rückfallprophylaxe eine erneute Episode vorzubeugen. Jedoch registrieren die Betroffenen oftmals
früher als bei der vorherigen Episode, dass eine neue Krankheitsphase beginnt und eine Intensivierung der Behandlung, oftmals im stationären Setting, unumgänglich ist. Dadurch, dass die Patienten sich frühzeitiger in Behandlung begeben, kann die Aufenthaltsdauer oftmals verkürzt werden. Die Rückfallprophylaxe soll individuell erfolgen und ist zumeist mit der Aufarbeitung der letzten Episode verbunden. Gemeinsam mit dem Therapeuten kann hierzu ein „Krisenplan“ erstellt werden11. Hierbei wird in die linke Spalte einer Tabelle folgendes eingetragen: sehr frühe Warnsignale, frühe Warnsignale, erste Symptome sowie ernste Symptome. In der rechten Spalte können dann jeweils konkrete in der Therapie gemeinsam erarbeitete Gegenmaßnahmen eingetragen werden („Was hätte mir damals in der letzten Episode geholfen? Wann hätte ich meinen Psychiater aufsuchen, wann mich in die Klinik begeben sollen?“). In diesem Therapieabschnitt können die Angehörigen einbezogen werden, indem sie schildern, welche Warnsignale und Symptome sie aus der Außenperspektive beim Patienten wahrgenommen haben. Außerdem können sie Informationen über die vereinbarten Maßnahmen der Rückfallprophylaxe erhalten und es bietet es sich an, den Krisenplan an einem Ort zu hinterlegen, von dem auch die Angehörigen wissen. Forschung sstand Es gibt inzwischen eine Fülle von Studien zur Effektivität von Therapien bei Schizophrenie. Die Studienergebnisse können dahingehend zusammengefasst werden, dass davon auszugehen ist, dass KVT zur Reduktion der Gesamtsymptomatik und der Positivsymptomatik wirksam ist12. Darüber hinaus zeigt eine neuere Meta-Analyse13, dass auch die Negativsymptomatik durch sowohl KVT als auch durch Kognitive Remediation signifikant reduziert werden kann. Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass Patienten mit Schizophrenie, die eine antipsychotische Medikation ablehnen, von einer KVT profitieren: nach der Behandlung hatten sie geringere Werte u. a. in der Gesamtsymptomatik und der Positivsymptomatik im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die
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Oftmals gelingt es, die Stärke der wahnhaften Überzeugung zu reduzieren, was bereits schon zu Entlastung beim Patienten führen kann.
Krankheitseinsicht fördern, wenn der Patient an den Punkt kommt, dass er möglicherweise eine Gefahr vermutet, wo gar keine ist. Bezüglich der tatsächlichen Umstrukturierung wahnhafter Gedanken geht es darum, mit dem Patienten alternative Erklärungen zu entwickeln für die von ihm wahrgenommenen Indizien, die den Wahn bislang untermauerten. Wenn ein sich verfolgt fühlender Patient beispielsweise glaubt, dass der Blick eines telefonierenden Passanten in der Stadt mit seiner Verfolgung zusammenhängt, bietet sich an, zu fragen, für wie wahrscheinlich der Patient dies hält (Skala von 1–100). Gemeinsam werden nun alternative Erklärungen dafür entwickelt, warum der Passant ihn angeschaut haben könnte. Möglicherweise hat der Passant die neue rote Jacke des Patienten interessant gefunden oder auch gar nicht ihn, sondern die Person hinter ihm angeschaut. Auch für die einzelnen alternativen Erklärungen soll der Patient die Wahrscheinlichkeit einschätzen. Durch das Einschätzen der Wahrscheinlichkeiten für die Alternativerklärungen verringert sich zumeist die Wahrscheinlichkeit für die wahnhafte Interpretation, was den Patienten durchaus entlasten kann („Die haben es doch nicht auf mich abgesehen, so kann ich entspannt durch die Stadt gehen, ohne Angst zu haben“). Wie schon dargestellt, ist das Arbeiten an den wahnhaften Überzeugungen oftmals ein längerer Prozess, eine vollständige Umstrukturierung ist nicht immer möglich. Jedoch gelingt es oftmals, die Stärke der wahnhaften Überzeugung zu reduzieren, was bereits schon zu Entlastung beim Patienten führen kann.
nach einem üblichen Konzept behandelt wurde14 . Die derzeitigen Ergebnisse ermutigen, Menschen mit Schizophrenie gezielt eine Psychotherapie anzubieten, sowohl stationär als auch ambulant. Zusammenfassung und Fazit
Ist Verhaltenstherapie bei Patienten mit Schizophrenie nun eine Behandlung, die sich lohnt? Ja, denn die zuvor genannten Studienergebnisse zu den Therapieerfolgen untermauern dies. Doch auch Patienten und Patientinnen erleben die Behandlung als hilfreich und fühlen sich besser, insbesondere in Bezug auf ihr allgemeines Wohlbefinden, ihre Stimmung und ihre Lebenszufriedenheit15 . Sie haben durch die Behandlung die Möglichkeit, über die tiefsitzenden Befürchtungen und Ängste, die mit ihrem Wahn und ihren Halluzinationen einhergehen, zu sprechen und alternative Sichtweisen zu entwickeln. Hierdurch lernen sie gleichzeitig wieder, anderen Menschen zu vertrauen. Die behandelnde Therapeutin bzw. der
Literatur
Therapeut benötigt neben fachlichen Kenntnissen viel Geduld, Fingerspitzengefühl, sowie echtes Interesse an den Patienten und ihrer Sichtweise. Sie dürfen sich als Wegbegleiter der Menschen sehen, die durch Mechanismen der Einstellungsbildung in Stresssituationen zu paranoiden Gedanken oder Halluzinationen neigen, und haben die Chance, ihnen zu vermitteln, dass sie trotz ihrer auf andere Menschen „verrückt“ wirkenden Überzeugungen keineswegs verrückt sind, sondern wertgeschätzt und wertvoll. Gemeinsam dürfen sich beide – Patient und Therapeut – auf den Weg begeben mit dem Ziel der Symptombesserung und Stabilität im Alltag der Patientin bzw. des Patienten.
Autorin
Dr. rer. nat. Marie-Luise Armbruster ist DiplomPsychologin, psychologische Psychotherapeutin und leitende Psychologin im de’ignisGesundheitszentrum Egenhausen.
Fußnoten 1 S3-Leitlinie Schizophrenie, 2019. S. 49 2 z. B. Müller und Roder, 2017 3 z. B. Freeman, 2006 4 Lincoln, 2007 5 Johns und von Os, 2000 6 Moritz, 2017 7 S3-Leitlinie Schizophrenie, 2019. S. 131 8 z. B. Lincoln, 2006, Mehl und Lincoln, 2013, 9 10 11 12 13 14 15
• DGPPN e.V. (Hrsg.) (2019): S3-Leitlinie Schizophrenie, Langfassung. Version 1.0, zuletzt geändert am 15. März 2019, verfügbar unter: https://www. awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009.html • Freeman, D. (2006): Delusions in the nonclinical population, Current Psychiatry Reports 8. S. 191–204 • Johns, L. C. & van Os, J. (2001): The continuity of psychotic experiences in the general population. Clinical Psychology Review 21 ( 8). S. 1125–1141 • Klingberg, S., Hesse, K., Batra, A. & Hohagen, F. (2014): Stationäre evidenzbasierte Psychotherapie bei Psychosen: Kognitiv-verhaltenstherapeutisches Praxismanual. Kohlhammer. • Lincoln, T. M., Ziegler, M., Mehl, S., Kesting, M.-L., Lüllmann, E., Westermann, S. & Rief, W. (2012): Moving From Efficacy to Effectiveness in Cognitive Behavioral Therapy for Psychosis: A Randomized Clinical Practice Trial. Journal of Consulting and Clinical Psychology 80 (4). S. 674–686 • Lincoln, T. M. (2007): Relevant dimensions of delusions: continuing the continuum versus category debate, Schizophrenia Research, 93. S. 211–220 • Lincoln, T. M. & Rief, W. (2007): Kognitive Verhaltenstherapie von Wahn und Halluzinationen, Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 36 (3). S. 164–175 • Lincoln, T. M. (2006): Kognitive Verhaltenstherapie der Schizophrenie. Hogrefe. • Mehl, S. & Lincoln, T.M. (2014): Therapietools Psychosen. Beltz. • Moritz, S., Krieger, E., Bohn, F. & Veckenstedt, R. (2017): MKT+: Individualisiertes Metakognitives Therapieprogramm für Menschen mit Psychose. Springer. • Morrison, A. P., Turkington, D., Pyle, M., Spencer, H., Brabban, A., Dunn, G., Christodoulides, T., Dudley, R., Chapman, N., Callcott, P., Grace, T., Lumley, V., Drage, L., Tully, S., Irving, K., Cummings, A., Byrne, R., Davies, L. M. & Hutton, P. (2014): Cognitive therapy for people with schizophrenia spectrum disorders not taking antipsychotic drugs: a singleblind randomised controlled trial. The Lancet 383. S. 1395–1403 • Müller, D. R. & Roder, V. (2017): Vom kognitiven Training zur Kognitiven Remediationstherapie: Nutzen und Kosten, Verhaltenstherapie, 27. S. 170–179 • Riehle, M., Böhl, M. C., Pillny, M. & Lincoln, T. M. (2020): Efficacy of Psychological Treatments for Patients With Schizophrenia and Relevant Negative Symptoms: A Meta-Analysis. Clinical Psychology in Europe, 2 (3) Article e2899. https://doi.org/10.32872/ cpe.v2i3.2899
Klingberg, 2014 Lincoln, 2006 nach Lincoln, 2006 Lincoln, 2006 S3-Leitlinie Schizophrenie, 2019 Riehle et al., 2020 Morrison, 2014 Lincoln et al., 2012
de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
Psychose bei Kindern und Jugendlichen Von Dr. med. Jürgen Imiolczyk
Psychosen sind bei Kindern extrem sel• ten, bei Jugendlichen immer noch selten,
Bild: Praewthida / unsplash
obwohl so manche Irrung und Wirrung in der Pubertät die Differentialdiagnose erschwert. Generell gilt aber, dass, wenn irgend möglich, eine vollstationäre medikamentöse Einstellung bei Beginn vorgenommen werden sollte, zumal sich gezeigt hat, dass eine initial hohe Dosierung von Antipsychotika die Gesamtprognose einer Psychose erheblich verbessert. Eine solch
hohe Dosierung ist ambulant allerdings nicht möglich, zumal die Nebenwirkungen sehr unangenehm und zwar einfach zu behandeln sind, aber auch rasch behandelt werden müssen, was nur im vollstationären Rahmen möglich ist. An dieser Stelle ist die ansonsten durchaus verständliche Einstellung mancher Eltern, ihr Kind nicht in eine Klinik zu geben und nicht mit Medikamenten zu behandeln, fatal und falsch, zumal dies zur Chronifizierung
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der Psychose und dann oft zu einer lebenslangen psychischen Störung führt, da es sich bei der Psychose um eine schwere und ernstzunehmende Entgleisung des Hirnstoffwechsels handelt. Anhand von zwei Fallbeispielen möchte ich dies verdeutlichen. Zunächst möchte ich Ihnen Xenia (Name geändert) vorstellen: ein 16-jähriges Mädchen mit Migrationserfahrung. Ihr Vater erklärte mir in großem und aufgeregten
Wortschwall, dass seine anwesende Xenia Stimmen höre und daher in der Klinik gewesen sei, wo man eine Behandlung mit Antipsychotika begonnen habe. Seine Tochter solle unbedingt Medizin studieren und müsse deswegen ganz schnell wieder gesund werden. Das Mädchen starrte teilnahmslos in die Gegend, antwortete auf alle Fragen entweder mit Ja oder gar nicht. Aus dem mitgebrachten Arztbrief der Klinik ging hervor, dass sie mit einem gängigen Medikament gegen Psychosen behandelt wurde und mit einem mir bis dato unbekanntem neuen. Dieses solle aber unbedingt noch aufdosiert und beibehalten werden, allerdings müsse man regelmäßig die Prolaktinwerte kontrollieren. Ich erläuterte dem Vater und der völlig desinteressierten Tochter, dass in der Regel die Therapie einer Psychose mindestens zwei Jahre dauere, dass die Einnahme der Medikamente essentiell sei und dass diese unter gar keinen Umständen abrupt abgesetzt werden dürften, da dies dann u. U. tödliche Folgen haben könne. Ferner wies ich darauf hin, dass ich Xenia zunächst zumindest einmal pro Woche sehen müsse, um den Verlauf beurteilen zu können und natürlich auch, um Xenia besser kennenzulernen. Xenia ging es von Woche zu Woche körperlich schlechter. Zwar meinte sie, sie höre weniger Stimmen, wurde aber noch teilnahmsloser und der Prolaktinspiegel stieg an. Sie entwickelte Brustschmerzen, bekam einen leichten Milcheinschuss, die Regelblutung blieb aus, sie nahm an Gewicht zu, an ihrer Haut traten vermehrt Pickel auf und diese präsentierte sich zunehmend teigig. Ferner litt sie unter zunehmender Infektanfälligkeit. Kurz: Es ging ihr körperlich wirklich schlecht. So entschied ich – trotz des Hinweises der Klinik – das neue und, nebenbei bemerkt, sündhaft teure Medikament ausschleichend abzusetzen. In den Folgewochen klarte Xenia zunehmend auf und nahm nun auch am Geschehen ihrer Umwelt wieder teil – zunächst passiv, dann aber auch zunehmend aktiv. Stimmen hörte sie keine mehr, aber man spürte deutlich, dass sie sich durch die Anforderungen des Vaters, einmal Medizin studieren zu
kam gemeinsam mit seiner Mutter, nachdem er sie vermeintlich mit einem Dinosaurier verwechselt hatte, sich bedroht fühlte und sie dementsprechend angreifen wollte. In meiner Praxis angekommen, hatte er sich wieder beruhigt, zumindest erkannte er nun wieder seine Mutter als solche, war aber immer noch stark erregt und aggressivangespannt. Sein Vater, ein Kanadier, sei von der Mutter getrennt, zeige kein Interesse an ihm, lebe mittlerweile wieder in Kanada und sei ein „Ar...“. Außerdem habe er keine Freunde, seine Mitschüler seien auch alle „Ar…“. Gleiches gelte auch für seine Lehrer und sowieso seien alle gegen ihn. Die Mutter berichtete hingegen nüchtern und recht gefühlsarm, fast kalt, dass er noch nie wirklich Freunde gehabt habe, sein Vater ein Autist sei und es in der Beziehung zwischen Vater und Sohn oft Streit gäbe, wenn diese sich einmal alle paar Jahre sehen würden. Auch sie selbst habe viel Streit mit dem Vater gehabt, daher habe man sich auch getrennt. Danach habe sie keinen neuen Lebenspartner mehr gehabt. Ihr Sohn sei schon länger erregt, habe sie auch schon mal angegriffen (mit dem Küchenmesser), aber bislang habe sie ihn immer wieder abwehren und beruhigen können – diesmal allerdings nicht so leicht. In den letzten sechs Monaten habe er sie vermehrt mit einem Alien oder Dinosaurier verwechselt. Sebastian selbst gab an, dass seine Mutter ihn nicht verstehen würde, sie oft in Streit geraten würden – sie sei halt ein Alien. Jedenfalls komme ihm das so vor. Ich begann noch am selben Tag mit einer antipsychotischen Medikation mit sedierender (entspannender, antiaggressiver) Komponente, freilich mit dem Verweis, dass die Mutter – sollte ich nicht erreichbar sein – im Falle einer erneuten Eskalation den Notarzt rufen und Sebastian dann in die Akutkinder- und Jugendpsychiatrie einweisen lassen solle. In den folgenden Monaten lernte ich Sebastian zunehmend kennen. Dabei stellte sich heraus, dass auch er selbst einen ausgeprägten Asperger-Autismus hatte, d. h., dass er nicht in der Lage war und ist, seine eigenen Nun möchte ich Ihnen noch Sebastian Gefühle und die Gefühle anderer Menschen (Name geändert) vorstellen. Der 16-jährige wahrzunehmen, also praktisch gefühlsblind müssen, selbst extrem unter Druck setzte. Es stellte sich heraus, dass sie vor lauter Erfolgsdruck nächtelang gelernt hatte, bis sie dann (vor lauter Überforderung und Erschöpfung) gar nicht mehr konnte und angab, Stimmen zu hören – auch um damit den Anforderungen des Vaters zu entfliehen. Tatsächlich befand sie sich hinsichtlich des Lernstoffes in ihrer Klassenstufe (Hauptschule) mit 2 –3 Jahren im Rückstand – ganz zu schweigen davon, dass sie sich auch noch in der ihr fremden deutschen Kultur und Sprache zurechtfinden musste. Erfreulicherweise war die Zusammenarbeit mit ihrer Klassenlehrerin hervorragend, so dass die vom Vater verlangten Anforderungen, dass seine Tochter am besten nächstes Jahr mit dem Medizinstudium anfangen solle, in Anbetracht ihrer tatsächlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten nun von ihm realistischer bewertet werden konnten und er auch ein besseres Verständnis für ihre gesundheitliche Entwicklung bekam. Schließlich hatten sowohl die Lehrerin als auch ich ihm eindringlichst ans Herz gelegt, Xenia nicht mehr unter Druck zu setzen, sondern die schulische Laufbahn der Lehrerin zu überlassen – woran er sich dann auch mehr oder weniger hielt. Dennoch war Xenia noch recht gedämpft. Ich vermutete, dass dies an dem noch verbliebenen Medikament liegen könnte und wagte also in engster Zusammenarbeit mit der Klassenlehrerin die Reduzierung des verbliebenen Antipsychotikums. Und siehe da, Xenia klarte zunehmend weiter auf. Sie wurde noch aktiver, zwar noch unter dem Niveau gleichaltriger Mädchen, aber für ihren kulturellen Hintergrund und ihre individuelle Persönlichkeit eher stimmig. Schließlich gelang es ihr, sogar ihrem Vater Grenzen zu setzen und sich von dessen überzogenen Anforderungen abzugrenzen. Nach zwei Jahren konnte Xenia ohne psychotische Symptome und ohne weitere Medikation geheilt die ambulante Behandlung in meiner Praxis beenden und geht nun im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Weg als nunmehr gesunde junge Frau.
de’ig n is-ma g a z in – Impulse und Erfahrungen
ist. Dies führte natürlich im Umgang mit seinen Klassenkameraden, aber auch in Bezug auf seine Eltern zu ausgeprägten Missverständnissen und folglich zu aggressiven Impulsdurchbrüchen, insbesondere wenn er sich nicht bzw. falsch verstanden fühlte, was ja auch tatsächlich oft der Fall war. Dadurch hatte er sich zunehmend isoliert, sich von allen abgelehnt gefühlt und eine Haltung entwickelt, dass alle anderen – auch seine Mutter – ihm nur Böses wollten. Zusätzlich irritierten ihn die Trennung der Eltern und die vermeintliche Ablehnung des Vaters. Schließlich entwickelte er eine Psychose mit Situations- und Personenverkennung, d. h. er nahm seine Mutter tatsächlich als einen Alien oder Dinosaurier war.
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Durch Aufklärung hinsichtlich des Autismus gelang es zunächst, der Mutter Verständnis in Bezug auf die wahren Absichten ihres Sohnes zu vermitteln. Diese waren in der Regel gutartig, er konnte lediglich seine Gefühle nicht adäquat ausdrücken, was seine Äußerungen bzw. Taten dann teilweise unpassend erscheinen ließen. Eine entsprechende Aufklärung erfolgte auch mit der Klassenlehrerin und seinen Klassenkamerad:innen, welche die Erklärung gut aufnahmen und ihm nunmehr anders und aufgeschlossen begegnen konnten. Das trug insgesamt zur
deutlichen Entspannung und Verbesserung von Sebastians Gesamtbefinden bei. Dennoch war während der gesamten Zeit die Fortführung der antipsychotischen medikamentösen Therapie zwingend notwendig, da selbst leichte Reduzierungsversuche nach anderthalb Jahren medikamentöser Therapie zu erneuter Erregung und Verkennungsideen führten und Sebastian dann wieder in seiner Mutter einen feindlichen Dinosaurier sah. Nach Abschluss der Schule besuchte Sebastian eine berufsvorbereitende Einrichtung, wo er auch wohnte und dort ebenso weiter psychiatrisch betreut wurde. Trotz meines Hinweises, die antipsychotische Medikation beizubehalten, setzte die dortige Kollegin die Medikation ab. Da sie zeitgleich kündigte und die Einrichtung verließ, konnte Sebastian nicht weiter überwacht werden, was natürlich das Risiko eines Rückfalls ohne rechtzeitige Intervention steigerte. Das Unvermeidliche geschah. Sebastian wurde erneut agitierter und verkannte erneut seine Umwelt dahingehend, dass alle es böse mit ihm meinten. Da er nun auch in der Einrichtung aggressiv wurde, wurde er zu seiner Mutter nach Hause geschickt. Dort wurde er noch aggressiver, fühlte sich erst recht von allen verraten und falsch behandelt und griff schließlich seine Mutter erneut in Situationsverkennung als vermeintlichen Dinosaurier an, was dann eine vollstationäre Einweisung von Sebastian zur Folge hatte (glücklicherweise war die Mutter unverletzt geblieben). In dieser Phase erhielt auch ich dann Drohmails von ihm: „Ich hasse Sie!!!“ war dabei noch eine der harmlosesten. Da er nun mittlerweile 20 Jahre alt war, verlor ich ihn zunächst aus den Augen, erfuhr allerdings, dass er in einer Einrichtung für psychisch Erkrankte in Baden-Württemberg war. Schließlich landete er in Bayern, wobei er seine Medikamente eigenständig absetzte, sodass es dort wieder zur aggressiven Eskalation kam, in deren Folge er dann erneut in
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eine vollstationäre geschlossene Psychiatrie eingewiesen wurde. 2019 erhielt ich von dem jetzt 25-jährigen Sebastian überraschenderweise wieder eine E-Mail, in welcher er sich – nunmehr klar in seinen Gedanken und emotional ausgeglichen – angemessen entschuldigte, dass er damals in seiner Krankheit solche bösen E-Mails geschrieben hatte und dass es ihm mittlerweile auch Dank der Medikamente wieder gut gehe. Er bedankte sich für alle aufgewendete Mühe und Zeit; er befinde sich in Bayern in einer Einrichtung für psychisch Erkrankte und besuche manchmal seine Mutter, es gehe ihm gut. Möglicherweise lag im Endergebnis bei Xenia gar keine Psychose vor, sondern nur eine massive Überlastungssituation. Nichtsdestotrotz hatte die sedierende Wirkung der Antipsychotika auch dann eine positive Wirkung auf Xenia und sie schließlich wieder schlafen lassen. In jedem Fall war das Stimmenhören verschwunden. Bei Sebastian hingegen wäre eine initiale Klinikbehandlung sicher kein Schaden gewesen und hätte vielleicht die Chronifizierung der Psychose vermeiden können, allerdings lag bei ihm auch eine Komorbidität durch den Autismus vor. Gerne würde ich Ihnen auch noch von dem aggressiv-agitierten Y. und von dem größenund beziehungswahnsinnigen J. berichten, aber das muss ein andermal geschehen, denn sonst würde es den Umfang dieses Artikels sprengen. Dennoch hoffe ich, dass ich Ihnen, liebe Leser:innen, einen kleinen Einblick in das Wesen der Psychose und der essentiell notwendigen medikamentösen Behandlung vermitteln konnte.
Autor
Dr. med. Jürgen Imiolczyk ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, außerdem Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen und Therapeut bei de’ignis.
Die dunkle Seite der Macht Fallbeispiele negativer spiritueller Erfahrungen Von Stefan Huber, Mathias Tanner und Herbert Scheiblich
de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
Zusammenfassung
Einleitung
Der Begriff Spiritualität ist in gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen fast ausschließlich positiv konnotiert und wird primär mit Themen wie Gesundheit, Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit oder Intelligenz in Verbindung gebracht. Im Kontrast dazu werden im vorliegenden Beitrag vier Fallbeispiele diskutiert, in denen Erzählungen zu negativen Erfahrungen oder Einstellungen zu Spirituellem erzählt werden. Die Erzählungen stammen aus Leitfadeninterviews, die im Rahmen einer repräsentativ angelegten „mixed methods“ Studie zu Säkularen und Säkularität in der Schweiz durchgeführt wurden. Rund vier Jahre nach den Erstinterviews konnten mit drei der Befragten Zweitinterviews durchgeführt werden. In beiden Interviews wurden die Auskunftspersonen unter anderem gefragt, ob es in ihrem Leben etwas Spirituelles gebe. Darauf erzählten sie von Schicksalsmächten, „Geistern“, „schwarzer Magie“ oder „schlechter Energie“, die bei ihnen und nahestehenden Personen Wünsche erfüllt (was später negativ bewertet wurde), negative Gefühle wie Angst, Kälte oder Leere ausgelöst oder dann auch Krankheiten, Streit, schlimme Vorfälle oder unerklärliche Unfälle verursacht hätten. In der Diskussion werden mögliche Konsequenzen dieser Befunde für die Spiritualitätsforschung und den Begriff der Spiritualität reflektiert. Dabei werden Verbindungen zu Forschungen über außergewöhnliche Erfahrungen – die weit verbreitet sind – hergestellt und Anregungen für weitere Forschungen gegeben. In Bezug auf die Begriffsdiskussion plädiert der Beitrag dafür, Spiritualität konsequent auf Erfahrungen „großer Transzendenzen“ im Sinne Luckmanns zu beziehen. Dadurch wird der Begriff für negative spirituelle Erfahrungen geöffnet. Daneben ergeben sich dadurch neue Impulse für die Bestimmung des Verhältnisses von Spiritualität und Religion.
Der Begriff „Spiritualität“ ist in sozialen Diskursen fast durchgängig mit positiven Konnotationen verbunden und wird dabei oft in Abgrenzung zu den Begriffen „Religion“ und „Religiosität“ verwendet, die dadurch als das Negative des Spirituellen erscheinen. Dies spiegelt sich in empirischen Studien, die den alltäglichen Gebrauch dieses Wortes untersuchen (Altmeyer et al. 2015; Demmrich und Huber 2019, im Druck; Eisenmann et al. 2016; Tong und Yang 2018). Analoge Tendenzen lassen sich in wissenschaftlichen Diskursen beobachten, die Spiritualität im Kontext von Gesundheit, Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit und Intelligenz thematisieren (vgl. Emmons 2000; Koenig 2008, 2011; Zinnbauer und Pargament 2005). Doch werden spirituelle Erfahrungen tatsächlich immer nur als positiv, d. h. als angenehm und förderlich erlebt? Gibt es auch Fälle, in denen Spiritualität als unangenehm, bedrohlich oder destruktiv erlebt wird? Was folgt daraus für die zukünftige Forschung und die begriffliche Bestimmung von Spiritualität? Diesen Fragen soll im vorliegenden Beitrag auf der Basis von vier Fallbeispielen nachgegangen werden. Um im Folgenden den Bereich des Spirituellen einzugrenzen, orientieren wir uns an der Arbeitsdefinition, die Bucher (2014) vorgeschlagen hat. Er „plädiert für ein breites Verständnis von Spiritualität, deren Kern Verbundenheit ist, zum einen horizontal mit der sozialen Mitwelt, der Natur und dem Kosmos, zum anderen vertikal mit einem den Menschen übersteigenden, alles umgreifenden Letztgültigen, Geistigen, Heiligen, für viele nach wie vor Gott. Diese Öffnung aber setzt voraus, dass der Mensch auch zu Selbsttranszendenz fähig ist und vom eigenen Ego absehen kann.“ (Bucher 2014, S. 69). Unserer Ansicht nach ist dabei die menschliche Fähigkeit der Selbsttranszendenz im Sinne des Begriffs der „exzentrischen
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Werden spirituelle Erfahrungen tatsächlich immer nur als positiv, d. h. als angenehm und förderlich erlebt? 35
Positionalität“ (Plessner 1928) und der Vergesellschaftung des Umgangs mit Transzendenzerfahrungen (Luckmann 1991) fundamental. In dieser Linie erscheint Spiritualität als ein anthropologisch und soziologisch tief verankertes Phänomen. Auch aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Frage nach negativen spirituellen Erfahrungen zu stellen. Stichprobe und Methode
Die vier Fälle, auf die wir im Folgenden eingehen, stammen aus einer Teilstichprobe eines von Stefan Huber und Jörg Stolz geleiteten und vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Projekts zu Säkularen in der Schweiz.1 Ausgangspunkt war die repräsentative Umfrage des Religionsmonitors in der Schweiz (n=1003), die im November und Dezember 2012 durchgeführt wurde. Während der computergestützten Telefonumfrage wurden Teilnehmende, die sich im Interview als „gar nicht religiös“ oder zumindest als „eher atheistisch“ charakterisiert haben (341 Teilnehmende, 34 Prozent der Stichprobe), gefragt, ob sie zu einem vertiefenden Interview bereit wären. Dies bejahten 113 Personen (33 Prozent der Kategorie). Aus dieser Gruppe wurden 83 Personen nach einer Schichtung in Bezug auf die Kategorien Alter, Geschlecht, Sprache und konfessionelle Zugehörigkeit per Zufall für Interviews ausgewählt. Von diesen Interviews wurden 48 auf Deutsch geführt. Diese 48 Interviews wurden bereits von Demmrich und Huber (2019) in Bezug auf das Spiritualitätsmodell von Bucher (2014) sowie das Religiositätsmodell von Huber (2003) analysiert. Dabei zeigte sich, dass sich beide Modelle gut dafür eignen, Erzählungen von Säkularen zur Spiritualität und zu Spirituellem in strukturierter Weise abzubilden. Weiter konnten Demmrich und Huber (im Druck) auf der Basis dieser Interviews das von Eisenmann et al. (2016) induktiv gewonnene Kategoriensystem subjektiver Definitionen der Spiritualität replizieren. Dabei zeigte sich, dass es sich auch zur Beschreibung der Spiritualität von Säkularen eignet. Die 48 vertiefenden Interviews standen im Kontext eines Forschungsprojekts zu Selbstverständnis, Werten, Zielen und
Engagements von Säkularen und wurden in den Jahren 2013 und 2014 geführt. In den Leitfadeninterviews wurden Fragen zum persönlichen und familiären Leben, der Zugehörigkeit zu Gruppen, Vereinen oder Clubs sowie zur säkularen Identität gestellt. Gegen Ende des Interviews wurden die Themen Lebenssinn, alternative Heilmethoden und Spiritualität („Gibt es etwas Spirituelles in Ihrem Leben?“) angesprochen. Danach folgten Fragen zu Religiosität („Gibt es etwas Religiöses in Ihrem Leben?“) und Kirchen („Welche Erfahrungen haben Sie mit Kirchen oder anderen religiösen Gemeinschaften gemacht?“). Rund vier Jahre später konnten mit 35 Personen Zweitinterviews geführt werden. Diese Leitfadeninterviews fanden nicht mehr im theoretischen Rahmen des Forschungsprojekts zur Säkularität statt. Stattdessen richtete sich das Erkenntnisinteresse nun auf Spiritualität und Religiosität. Nach der Eingangs- und Aufwärmfrage zu wichtigen Lebensereignissen seit dem Erstinterview wurden diesmal zunächst die Themenbereiche Spiritualität („Ist in den letzten Jahren etwas Spirituelles in Ihrem Leben vorgekommen?“), Religiosität sowie Kirchen und Religionsgemeinschaften angesprochen.
Erst danach richtete sich das Interview auf die anderen Themenbereiche des Erstinterviews. In vier Interviews, die wir im Folgenden vertieft analysieren, sprechen die Auskunftspersonen negative Aspekte der Spiritualität an. Eine Person erzählte dies im Erstinterview. Drei Personen kamen darauf erst im Zweitinterview zu sprechen. Empirische Befunde
Die Abb. 1 präsentiert Basisdaten zu den vier Leitfadeninterviews mit negativen spirituellen Erfahrungen sowie zu ausgewählten Variablen der quantitativen Befragung. Zunächst wird jeweils der Durchschnittswert der 48 Interviews aufgeführt, dann folgen die Werte zu den vier Fällen. Bei den Fallnamen handelt es sich um Pseudonyme. In den folgenden Abschnitten sprechen die vier Interviewten über ihre negativen spirituellen Erfahrungen. Dabei dokumentieren wir alle relevanten Stellen aus dem Interview. Die Originalaussagen werden durch Kursivschrift hervorgehoben. Weiter werden in Klammern Parasprachliches (z. B. „lacht“) sowie Betonungen durch Großbuchstaben und Pausen durch Punkte oder Sekundenangaben dokumentiert.
Ariane – „Wünsche an da s Un iversum“ Im Erstinterview hatte Ariane erzählt, dass sie „Wünsche an das Universum“ richte, „solche Sachen, wenn man sich (...) etwas wünscht, dann wird das irgendwann in Erfüllung gehen“. Das habe für sie „auch eine gewisse Spiritualität, weil es in das Esoterische geht“. Demgegenüber bewertet sie dieses Wünschen im Zweitinterview negativ: „Da sind alle meine Wünsche in Erfüllung gegangen. Und das habe ich teilweise teuer bezahlt. (..) Wissen Sie, die Wünsche, die man manchmal hat, die sind nicht immer zu seinem Besten. (..) Finde ich jetzt.“ Dazu erklärt sie: „Es ist nicht immer gut, wenn man immer selber bestimmen kann, was man sich wünscht (..) und es geht dann in Erfüllung, weil man muss es sich dann nicht erarbeiten; es geht dann in Erfüllung, und dann hat man es dann. Und das kann dann unter Umständen (.) gar nicht so gut sein für einen.“ Weiter erklärt sie: „Ja es war auf den ersten Blick schon gut, aber ich habe nachher in der Konsequenz am Schluss in der Endabrechnung musste ich sagen: Eigentlich will ich das nicht mehr. Ich will nicht mir etwas wünschen, sondern es soll passieren. (..) Sonst, wenn ich mir etwas wünsche, dann warte ich
Ba sisdaten zu den vier L eitf aden inter vie ws und der Stichpro b e aus der sie stammen 48/35 Fälle ∅
Vier Einzelfälle
Qualitative Interviews
–
Ariane
Antonio
Gabriel
Martin
1. Interview, Zeitpunkt Länge 2. Interview, Zeitpunkt Länge Quantitative Studie Alter (2012) Geschlecht (männlich) Bildung (Universität) Ökonomische Lage (1– 4) Gesundheit (1– 4)
2013/14 77 min 2017/18 72 min 48 Fälle ∅ 51 73 % 65 % 3,2
Juni 2013 90 min Nov. 2017 155 min Ariane 50 Weiblich Gymnasium Sehr gut (4)
Jan. 2014 49 min Nov. 2018 60 min Antonio 46 Männlich Berufsschule Eher gut (3)
Jan. 2014 56 min Kein Interview da verstorben Gabriel 21 Männlich Berufsschule Eher gut (3)
Nov. 2013 40 min März 2018 55 min Martin 47 Männlich Universität Sehr gut (4)
3,2
Sehr gut (4)
Eher gut (3)
Eher gut (3)
Eher gut (3)
Abb. 2
de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
auch darauf. Und wenn es dann kommt, dann kommt ja noch meine Interpretation dazu und meine Begeisterung, denn ich habe ja etwas gehofft. Und wenn man etwas/das ist wie ein Schönsaufen (lacht). Von dem, was nachher kommt, oder. Denn das habe ich mir ja gewünscht! Jetzt nehme ich mir das! Oder. Und vielleicht hat man ursprünglich schon noch zwei, drei andere Ecken und Kanten gesehen, von denen man gesagt hat: ,Ja, aber so dann nicht.‘ Aber wenn es dann da ist, dann nimmt man es, oder. Man hat es dann gewünscht. Man ist dann in diesem Modus drin. Und da musste ich sagen: ,Nein, das will ich gar nicht mehr‘. (..) Ich habe dieses Buch auch weggeworfen (lacht).“ Anton io – „G eister“ und „L euten schaden“ Im Erstinterview assoziiert Antonio Spirituelles in seinem Leben mit Naturerfahrungen: „Ich bin sehr gern in der Natur. Das ist so ein bisschen meine Spiritualität. Ich bin sehr gern im Wald und so, ganz allein. Ich gehe auch immer (zeigt mit der Hand:) Da hinten habe ich mein Aussichtsplätzchen und so. Oder auf unserer Alp oben. Dort fühle ich mich eigentlich so ein bisschen spirituell geborgen.“ Und: „Möglichst wenig Menschen, das ist meine Spiritualität (lacht).“ Im Zweitinterview erzählt Antonio – wieder direkt nach der Frage zu Spirituellem in seinem Leben – eine Angsterfahrung, die er bei seiner Alphütte, die er im Erstinterview positiv erwähnt hatte, erlebt hat: „Also gestern (...) ist (..) also etwas ganz Komisches gewesen. Gestern wollte ich in die Alp hinein. Ich konnte nicht hinein. Es war ganz komisch.“ Auf Nachfragen fügt er folgende Beschreibungen hinzu: „Ich konnte nicht. Ich musste gleich wieder raus. Etwas war nicht gut. Da bin ich gleich wieder gegangen. (...) Das habe ich jetzt schon lange nicht mehr erlebt, so etwas. (...) Dubios gewesen. Ja – ha-hatte Angst hinein zu gehen, einfach (...). Das hatte ich eher in der Jugend. Und gedacht etwas stimme da nicht, bin gleich wieder raus. (lacht) Dubios gewesen.“ Als Erklärung verweist er auf ähnliche Erfahrungen in seiner Jugendzeit: „Ja, ich hatte das in der Jugend ab und zu. Ich weiß auch nicht, (..) ob da irgendetwas da ist, irgendwelche (lacht) Geister oder ich weiß
auch nicht.“ Das Thema abschließend betont Antonio: „Aber ich tue mich jetzt nicht groß damit beschäftigen. Ich bin einfach wieder gegangen, und fertig (lacht).“ Danach fragt der Interviewer nach weiteren Beispielen, die er als spirituell bezeichnen würde. Antonio: „Nein, ja, ich denke ich kann den Leuten eher schaden als nützen, wenn ich will. Wenn ich wirklich wütend bin (lacht). Danach merke ich, dass es den andern nicht gut geht, oder (...). Wobei, das ist auch schon lange nicht mehr vorgekommen (lacht). Also wenn mich irgendein Arbeitskollege oder so so richtig aufregt, dann ist der garantiert nächste Woche krank. Das habe ich inzwischen gemerkt. Ich habe ihnen nichts Schlechtes gewünscht. Aber es ist einfach selber schon (...). Nur schon (...). Nur schon, dass ich mich aufregte hat offenbar gereicht.“ Gabriel – „schwar ze Ma g ie“ Gabriel erzählt direkt nach der Frage zu Spirituellem in seinem Leben negative Erfahrungen: „Ja, das hatte ich schon erlebt. Definitiv. Aber das war nicht so lustig, sagen wir es so (lacht). Nein, das war wirklich nicht mehr so lustig. Die eine Ex- Freundin, die hat immer wieder von so Dingen erzählt. Und dann sind wirklich Dinge passiert, von denen ich mir eigentlich auch nicht mehr erklären konnte, ob es mit rechten Dingen zugeht oder menschlich ist.“ Er nennt einige Ereignisse, die er mit der Ex-Freundin erlebt hat: „Bei der einen Ex-Freundin war es zum Beispiel so: Sie hatte eigentlich dunkelbraune Augen. Und sie hatte so Phasen. Wenn du ihr dann in die Augen geschaut hattest: Erstens war sie nicht mehr ansprechbar.“ Weiter: „Und wenn du ihr dann in die Augen schautest, dann waren die Augen wirklich hellbraun. Und ich bin nicht
farbenblind oder sonst irgendetwas. Wenn du das irgendjemandem erzählst, dann: hä? Aber das waren dann jeweils so Dinge, dann ging es fünf, zehn Minuten, dann sackte sie zusammen. Wie ein Sack Kartoffeln. Und dann kam sie wieder zu sich. Dann konntest du wieder normal mit ihr sprechen. Und ihre Augen waren wieder schön dunkelbraun.“ Und: „Oder du lagst im Bett mit ihr. Und es war eigentlich 25 Grad in dem Zimmer. Und du warst nicht krank. Aber plötzlich begannst du zu frieren, und dir war kalt, du fühltest dich leer. Und bösere Sachen, sagen wir es so. Mehr schwarze Magie. So etwas. Oder dass Fenster auf und zu gingen, wo du eigentlich sagtest: Du, es gab keinen Luftzug, nichts, keinen Durchzug, wirklich nicht. Und die Türen gingen auf und zu. Fenster gingen auf und zu. Es knallte im Haus drin. Solche Dinge sind mir passiert, echt.“ Einer vertieften Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen wich Gabriel letztendlich aus: „Es interessierte mich dann auch, was denn eigentlich genau dahintersteht.Was denn das eigentlich ist. Aber im Großen und Ganzen habe ich die Finger davon gelassen. Weil ich wusste – ich habe es bei ihr gesehen –, dass es nicht gut war (...) Irgendwo macht dich das kaputt. Deswegen ließ ich es sein.“ Mar tin – „o kku lte Pra ktiken“ und „sch le chte Energ ie“ Im Zweitinterview berichtet Martin auf die Einstiegsfrage zu wichtigen Ereignissen, die sich in den letzten Jahren zugetragen haben, dass er unter einer akuten Psychose leide und seit Langem eine schizoaffektive Störung habe. Kurz nach der akuten Psychose sei er für etwa ein Jahr einer Freikirche beigetreten. Der Kontakt mit der Freikirche
„Und dann sind wirklich Dinge passiert, von denen ich mir eigentlich auch nicht mehr erklären konnte, ob es mit rechten Dingen zugeht oder menschlich ist.“ 37
sei zustande gekommen wegen okkulter Praktiken, die seiner Ansicht nach früher auf dem Gelände, auf dem auch sein Haus steht, vorgekommen seien. Martin: „(...) Auf dem Gelände hier hat man okkulte Praktiken praktiziert, zum Beispiel pendeln und Karten legen. Und ich war der Meinung, dass hat einen schlechten Einfluss auf das Familienleben, was auch so war. Wir stritten oft.“ Auf die spiegelnde Rückfrage präzisiert Martin: „Auf dem Gelände, als die Häuser noch nicht standen. Das ist eine Überbauung, die jemandem gehörte, der hier unten lebt. Einem älteren Herrn. Und der machte das, er vollzog okkulte Praktiken. Und ich habe da mit einem ... also angesprochen hat mich ein Mitbewohner dieser Siedlung. Er sagte, da stimme etwas nicht auf diesem Gelände. Das ist ganz schlechte Energie da. Wir streiten oft. Auch die Polizei war schon hier. Wirklich schlimme Sachen, schlimme Vorfälle. Und Unfälle gab es, ganz unerklärliche. Und dann sagten wir, da stimmt etwas nicht, das muss man auflösen. Dann diskutierten wir darüber, wie wir das machen könnten: katholischer Priester oder reformierter Priester. Und ich kam dann darauf, dass die Freikirche in A. einen Dienst anbietet speziell für Befreiung von Geländen, wo okkulte Praktiken vollzogen worden sind. Und so kam ich auf die Idee, die Freikirche in A. zu engagieren. Die kamen dann auch, und seither ist eigentlich Ruhe.“ Auf die Frage, was dabei geschehen sei, berichtet Martin sehr knapp, fünf, sechs Leute hätten die Häuser und das Gelände frei gebetet. Interpretative Vertiefung der vier Fälle
Bei der interpretativen Vertiefung und Verdichtung der vier Erzählungen orientieren wir uns an dem Spiritualitätsmodell von Bucher (2014) sowie an dem multidimensionalen Modell der Religiosität von Huber (2003). Beide Modelle haben sich bereits bei der Analyse der Spiritualität der 48 Fälle der
Ausgangsstichprobe als produktiv erwiesen (Demmrich und Huber 2019). Ariane fühlt sich in der Praxis des Wünschens mit dem Universum verbunden, was sie zunächst fasziniert und begeistert. In späteren Reflexionen bewertet sie diese Art der Verbundenheit jedoch negativ und distanziert sich klar davon. Arianes Zuwendung zur Praxis des Wünschens ereignet sich in der Dimension der privaten Praxis, die von der intellektuellen Dimension im Sinn einer spirituellen Suche geführt wird. Die intellektuelle Dimension ist dann auch bei der Abwendung von dieser Praxis leitend („Endabrechnung“), was zu einer Positionierung in der ideologischen Dimension führt („es ist nicht immer gut“). Antonio erlebt eine Situation, in der er mit „etwas“ verbunden ist, was „nicht gut“ ist und was auch „Geister“ sein könnten. In diesem Erzählkontext erinnert er sich an frühere Ereignisse, in denen er so stark mit von ihm als negativ wahrgenommenen Personen verbunden war, dass ihnen bereits seine innere Erregung „schaden“ konnte. Die Erzählung dieser Ereignisse konzentriert sich eindeutig auf die Dimension der Erfahrung. Reflexionen werden nur ansatzweise thematisiert. Ebenso fehlt eine eindeutige ideologische Positionierung („dubios“), was vermutlich mit seiner Verdrängung dieser Ereignisse zusammenhängt. Gabriel beobachtet an seiner Freundin, wie sie mit einer Macht verbunden ist, welche ihr negativ zusetzt und welche auch er selbst – vermittelt über sie – in Form von Kälte- und Leeregefühlen körperlich wahrnimmt. Wie bei Antonio steht die Dimension der Erfahrung im Zentrum. Gabriel nimmt Ereignisse wahr, die er davor nicht für möglich gehalten hatte. Daher führen diese Erfahrungen zu einer ideologischen Neupositionierung, er hält eine spirituelle Welt nun „definitiv“ für real und definiert den Zugang zu ihr als „schwarze Magie“. Die Entdeckung dieser
Negative spirituelle Ladungen können alle Bereiche des Spirituellen betreffen.
neuen Welt stimuliert auch sein intellektuelles Interesse, doch er geht diesem Interesse nicht nach, sondern entscheidet sich wie Antonio für eine Strategie des Meidens dieses Bereichs. Martin interpretiert negative Vorfälle in seiner Siedlung im Licht der Konzepte „schlechte Energien“ und „okkulte Praktiken“. Er versucht, die Verbundenheit mit diesen Kräften durch ein „Freibeten“, das von religiösen Spezialisten ausgeführt wird, aufzulösen. Die Erzählung von Martin spielt fast ausschließlich in der ideologischen Dimension, da er in einem Gespräch mit einem Nachbarn Attribuierungen in Bezug auf zurückliegende Ereignisse auf der Basis eines fest gefügten Weltbildes vornimmt. Erst mit dem „Freibeten“ kommt eine weitere Dimension ins Spiel. Zur religiösen Praxis äußert sich Martin jedoch nur sehr knapp, vermutlich, weil er dabei nicht aktiv beteiligt war. Die vertiefende Interpretation belegt, dass die zentrale Spiritualitätskategorie der „Verbundenheit“ stark negativ geladen sein kann. Dabei kann die negative Verbundenheit im Sinne Buchers (2014) sowohl als horizontal („anderen schaden“, „Kälte- und Leerheitsgefühl“) als auch vertikal („Geister“, „schwarze Magie“, „ganz schlechte Energie“) klassifiziert werden. Dies spricht dafür, dass negative spirituelle Ladungen alle Bereiche des Spirituellen betreffen können. Daneben zeigt sich, dass verschiedene Dimensionen der Religiosität (Huber 2003) beim Umgang mit negativen spirituellen Phänomenen beteiligt sind. Auch dies spricht dafür, dass es sich dabei nicht um ein Randphänomen handelt. Diskussion
Wie bereits festgehalten, können die vier Erzählungen sowohl horizontaler als auch vertikaler Verbundenheit im Spiritualitätsmodell von Bucher (2014) sowie unterschiedlichen Dimensionen der Religiosität nach Huber (2003) zugeordnet werden. Diese Variationsbreite spricht dafür, dass es sich nicht um singuläre und zufällige Phänomene handelt, sondern dass sie
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anthropologisch und soziologisch tiefer verankert sind. Dagegen kann eingewandt werden, dass derartige Erzählungen nur bei etwa 8 Prozent der Ausgangsstichprobe von 48 Fällen beobachtbar waren. Dem kann entgegengehalten werden, dass die Fälle nicht ausgesucht sind, sondern aus einer, nach theoretischen Kriterien gezogenen Zufallsstichprobe stammen, die auf einer repräsentativ angelegten Bevölkerungsumfrage basiert. Dies gibt den Fällen soziologisch ein größeres Gewicht. Dazu kommt, dass im Interviewleitfaden nicht nach negativen spirituellen Erfahrungen gefragt wurde. Vielmehr kann dem Interviewleitfaden im Erstinterview eher ein Priming in Bezug auf positive spirituelle Erfahrungen unterstellt werden, da vor der Frage zur Spiritualität der persönliche Umgang mit der Sinnfrage angesprochen wurde. Schließlich kann hervorgehoben werden, dass die vier Fälle aus einer Stichprobe von Säkularen stammen. Es kann vermutet werden, dass bei religiösen Auskunftspersonen, die mit einer spirituellen Welt vertrauter sind, auch mehr Erzählungen mit negativen spirituellen Erfahrungen vorkommen. Daher sollte die empirische Reichweite der vorliegenden Befunde nicht unterschätzt werden. Zwei der vier Fälle (Antonio und Gabriel) lassen sich gut dem Formenkreis außergewöhnlicher Erfahrungen zuordnen (vgl. Bauer und Schetsche 2003; Belz 2009; Kohls 2004, 2016; Mayer und Kohls 2018; Schäfer 2012). In einer im Jahr 2000 durchgeführten, für Deutschland repräsentativen, Telefonbefragung (n=1510) berichteten fast drei Viertel der Teilnehmenden mindestens ein außergewöhnliches Erlebnis, „das sich im weitesten Sinn dem Bereich übersinnlicher Erfahrungen zuordnen lässt“ (Schmied-Knittel und Schetsche 2003, S. 33). Leider liegen keine Angaben vor, wie viele dieser Erlebnisse als bedrohlich oder in anderer Weise negativ interpretiert wurden. Wegen der Unerklärlichkeit, die mit derartigen Erlebnissen verbunden ist, kann jedoch vermutet werden, dass dies bei einer größeren Anzahl der Fall ist. Auch dies spricht dafür, dass die empirische Reichweite der vorliegenden Befunde nicht unterschätzt werden sollte.
Die berichteten Befunde legen nahe, negative spirituelle Erfahrungen systematisch und vertieft zu untersuchen. Dabei bietet es sich an, nicht zu schnell mit dem Begriff der Spiritualität zu operieren, da dieser im gesellschaftlichen Diskurs eher positiv besetzt ist und dies zu einem positiven Priming dieses Begriffs führt. Stattdessen sollten zunächst außergewöhnliche, paranormale und übersinnliche Erfahrungen angesprochen werden. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte in einer Sekundäranalyse der 220 halbstrukturierten Interviews bestehen, die im Anschluss an die im vorangegangenen Absatz beschriebene, repräsentative Studie durchgeführt wurden. In diesem Material sollten auch negative Erlebnisse vorhanden sein. Ihre Auswertung könnte weitere Aufschlüsse über die innere Struktur und den Verbreitungsgrad negativer spiritueller Erfahrungen zur Verfügung stellen. Daneben wären Studien zu negativen spirituellen Erfahrungen in psychiatrischen Kontexten vielversprechend – vergleiche den Fall Martin. Dazu ist am Berner Institut für Empirische Religionsforschung bereits ein von Herbert Scheiblich geleitetes Projekt angelaufen. Für derartige Studien ist ein Begriff der Spiritualität notwendig, der nicht auf positive Empfindungen und Effekte des spirituellen Erlebens und Verhaltens zentriert ist, sondern auch für die Möglichkeit negativer Empfindungen und Effekte offen ist. Dies kann unserer Ansicht nach erreicht werden, wenn die Definition von Spiritualität nicht die – durchaus deutlich vorhandenen – positiven psychohygienischen Korrelate von Spiritualität in den Vordergrund rückt, sondern stattdessen den Fokus auf die menschliche Fähigkeit der Selbsttranszendenz im Sinne des Begriffs der „exzentrischen Positionalität“ (Plessner 1928) und die Vergesellschaftung des Umgangs mit Transzendenzerfahrungen (Luckmann 1991) richtet. Spiritualität würde dann zum Begriff für Erfahrungen „großer Transzendenzen“ im Sinne Luckmanns. Auf diese Weise bekäme auch die Debatte um die Verhältnisbestimmung von Spiritualität und Religion neue Impulse. Spiritualität könnte als eine, anthropologisch
gesetzte und selbst noch nicht religiöse Quelle von Religion verstanden werden, die in der Interaktion und Verschmelzung mit religiösen Traditionen einen guten Teil des religiösen Erlebens immer wieder von Neuem fundiert. Spirituelle Erfahrung und religiöse Tradition würden dabei als zwei grundlegende und relativ unabhängige Quellen des Religiösen bestimmt. Darin hätten auch negative spirituelle Erfahrungen Platz und könnten mit entsprechenden religiösen Traditionen amalgamiert werden (vgl. den Fall Martin). Auf der anderen Seite ist es bei einer derartigen Verhältnisbestimmung immer noch möglich, dass Spirituelles sich nicht mit religiösen Traditionen amalgamiert und so außerhalb des Bereichs des Religiösen bleibt (vgl. die Fälle Antonio und Gabriel). Fußnoten 1
Siehe: http://p3.snf.ch/Project-156241.
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de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
Autor
PD Dr. med. Herbert Scheiblich ist Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychotherapie. Er ist in eigener Praxis tätig, zudem ist er Mitglied der de’ignis-Institutsleitung.
Foto: Pawel Czerwinski / unsplash
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Der Grundkonflikt als Störungsmodell mit Blick auf das Krankheitsbild der Schizophrenie Von Rainer Oberbillig
de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
Zur Diskussion: Hier werden Beiträge veröffentlicht, die nicht in allen Punkten der Meinung des Redaktionsteams entsprechen müssen.
Vor ca. 20 Jahren schrieb der damals leitende Psychologe der de’ignis-Klinik Rainer Oberbillig die nachfolgende Abhandlung. Wir stellen diesen lesenswerten, herausfordernden und nach wie vor aktuellen Text zur Diskussion. „Konflikt bedeutet: Zusammenstoß, • Streit, Zerwürfnis, Widerstreit der Motive, Zwiespalt, kriegerische Auseinandersetzung“ (Duden-Fremdwörterbuch). Wenn von diesem unheimlichen Zwiespalt im Menschen, seinem Grundkonflikt mit Gott, im Folgenden die Rede sein soll, werden wir uns den Fragen stellen:
[A] Wie kann man diesen grundlegenden
Widerstreit zentraler Beziehungsmotive im Menschen beschreiben und erklären? [B] In welcher Wechselwirkung steht die Gottesbeziehung zum Selbstkonzept der Person? [C] Wie äußert sich der Grundkonflikt in Zusammenschau mit psychischen Erkrankungen? [A] Der Weg in den inneren Abgrund und Zwiespalt jedes Menschen in seiner Beziehung zu Gott
Bild: Simon Lee / unsplash
1. Je der Mensch steht in einer B e z iehung zu G ott In einem Bildwort (Metapher) vom „Töpfer und Ton“ wird Gott einmal in seiner schöpferischen Wesenskraft als Töpfer beschrieben, der den Ton so lange formt, bis er gemäß des göttlichen Designs die vollkommene Form gefunden hat. Das Schöpfungsdesign kommt von Gott (Genetik), so lehrt uns die Bibel, er ist der Vater aller Menschen ( Jer. 18,1– 6; Jus. 64,7). In seinem Design des Menschen ging Gott von seinem eigenen (Selbst-)Bild aus (1. Mose 1,27a). Er schuf einen unzerstörbaren (ewigen) Kern, die unsichtbare Substanz unseres menschlichen Geistes (1. Mose 2,7), gemäß seiner eigenen Existenzform: „Gott ist Geist …“ (Joh. 4,23). In dieser Beschaffenheit hat jeder Mensch auch ein Grundwissen um seinen ewigen
Wert, der die Tatsache des Sterbenmüssens transzendiert (Pred. 3,11). Darum kann auch der Psalmist seinen göttlichen Ursprung und seine Würde, die er bei Gott hat, bestaunen. „Ich preise dich darüber, dass ich auf eine erstaunliche, ausgezeichnete Weise gemacht bin. Wunderbar sind deine Werke und meine Seele erkennt es sehr wohl“ (Ps. 139,14). Aus der Anerkenntnis dieser Schöpfungstatsache folgt ein positives Selbstkonzept. 2. D er We g in einen ab g r ünd ig en B e z iehung skonfl ikt m it G ott Zur Ebenbildlichkeit des Menschen mit seinem Schöpfer gehört auch die Beziehungsausrichtung zu der Trinität Gottes und der gesamten Schöpfung, die Ausdruck seines Wesens ist. Der Mensch ist geschaffen zu vertrauter und vertraulicher Kommunikation mit Gott, wie es symbolhaft im Geschehen des gewohnheitsmäßigen gemeinsamen Spaziergangs im Paradiesgarten dargestellt wird (1. Mose 3,8 –9). Er bekam auch mit seiner Erschaffung gleichsam einen kreativen Gestaltungsauftrag eingehaucht: Er soll sich selbst „regenerieren“ in der Bildung von untereinander unabhängigen Kernzellen oder Familienverbänden, dazu muss die eigene Herkunftsfamilie wieder verlassen werden; er soll sich alle Regionen der Erde urbar machen; er bekommt einen Fürsorgeauftrag für die Schöpfung, bildhaft so formuliert, „Gott, der Herr, brachte also den Menschen in den Garten Eden. Er übertrug ihm die Aufgabe, den Garten zu pflegen und zu schützen.“ (1. Mose 2,15) Der Mensch wurde also geschaffen mit einer Liebesbeziehung zur Schöpfung. Auch wenn die Beziehungsinitiative zwischen Gott und Mensch immer von Gott ausgeht, sollte Adam auch initiativ werden in vorgegebenem Rahmen: Er soll Gott suchen, sich vom Baum des Lebens ernähren – Gottes Wegweisungen und ganzheitliche Versorgung nach Geist, Seele und Leib. Er kann sich frei entscheiden, nach Gottes Geboten als Leitplanken des Lebens zu leben und andere selbstbestimmte Lebenskonzepte, sein eigener Gott zu sein, im Namen Gottes zurückzuweisen (1. Mose 2,8–9 und 16 –17; 1. Mose 3). Auch das Beziehungsfeld des Menschen zu sich selbst, seinem Nächsten, zwischen Mann
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und Frau (Adam – Eva), zwischen Mensch und Tier, zwischen ihm und der Natur ist von Unschuld und Unbefangenheit, von tiefer Freundschaft geprägt. Die existenzielle Sicherheit vor dem Fall bestand in geordneten Verhältnissen: Adam und Eva wurden vor die Wahl gestellt, ob sie in einer immer währenden Gottesbeziehung leben wollen, die ihnen alle Lebens- und Liebesbedürfnisse zu erfüllen hilft. Dazu sollte sich Adam (Mensch) den Ordnungen Gottes unterordnen, seiner Güte anvertrauen und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen meiden. Gottes Ordnung zur Bestätigung aller menschlichen Grundbedürfnisse wird in der Bibel so beschrieben: „Und Gott, der Herr, ließ aus dem Erdboden allerlei Bäume wachsen, begehrenswert anzusehen und gut zur Nahrung, und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen“ (1. Mose 2,9). Satan (die Schlange) versuchte den Menschen seiner Autorität (Verwalterschaft) über die Schöpfung zu entreißen, indem er ihn in seine eigene Auflehnung gegen Gott mit einbeziehen wollte, „Gott gleich sein zu wollen“. Adam und Eva wählten das von der Schlange geschickt unterbreitete Alternativangebot: Selber wie Gott sein können, indem man sich unabhängig macht von Gottes Wort und Weisung, nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen zu sollen; man müsse nicht sterben, wenn man sich („autistisch“) selbst versorgt, sich selbst verwirklicht nach einem humanistischen Lebensmodell, in dem der Mensch in seinem Kern als gut (nicht gefallen) betrachtet wird. Grundsätzlich wurden Adam von der Schlange die Augen aufgemacht für einen Annäherungs-/Vermeidungskonflikt zwischen dem Baum des Lebens, seiner existenziellen Mitte in der Beziehung zu Gott, auf der anderen Seite dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Durch die Wahl des Angebotes der Schlange, „wie Gott sein zu können“ beim Essen vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, verließ Adam die Beziehung zu seinem Töpfer-Vater, leugnete die Tatsache seiner Geschöpflichkeit, die auch Vergänglichkeit mit einschließt, wurde von Misstrauen in die Integrität Gottes erfüllt. Der Mensch verlor seine
Gottesebenbildlichkeit (Spiegelbildlichkeit), sein von Gott geprägtes Selbstkonzept in dem Maß, dass er mit dem Beziehungsbruch mit Gott seinen unbestechlichen „Spiegel“ verlor: In diesem hatte er sich immer als angenommenes, geliebtes und umsorgtes Geschöpf Gottes (Sohn, Tochter) erkennen und aufbauen können. Seine Sünde, die Tragik, seine Würde verloren zu haben, hatte den Spiegel Gottes blind gemacht! Neben dem Zugehörigkeitsverlust, dem Autoritätsverlust, dem existenziellen Vertrauensverlust kam es auch zu einer existenziellen Verunsicherung: der Grundangst, überleben zu sollen angesichts einer als feindlich oder bedrohlich erlebten Umgebung, unabhängig von der Realität der Bedrohung (1. Mose 3,16ff.). Jesus formulierte diese Realität einmal so: „In der Welt habt ihr Bedrängnis/Bedrückung/Stress/Angst …“ ( Joh. 16,33). Der gefallene Mensch sehnt sich seither nach paradiesischen Zuständen, die er durch Flucht in Traumwelten oder Süchte herzustellen versucht (Abb. 1) . In
seinem Buch „Die Kunst des Liebens“ spricht Erich Fromm von der Tragik der Paradiesverlorenheit des modernen Menschen, der die intrauterine Geborgenheit vermisst und sich ungern in die kalte Realität der zwischenmenschlichen Beziehungen begibt. 3. Die ind ividuel le Ausformung eines Gr und konfl iktes a ls Ausdr uck existenz iel ler Ver unsiche r ung nach dem Parad ies verlust Der Mensch verfehlte Gottes Ziel, mit ihm gemeinsam die Schöpfung zu verwalten und zu regieren. Er hätte Anteil an Gottes Allmacht, seiner Allwissenheit, seiner Heiligkeit und seiner Allversorgung (Güte) haben können, in dem Maß, in dem er sich zunehmend vom Baum des Lebens ernährt hätte. Dazu bot Gott seine Gegenwart und entspannende Gemeinschaft dem Menschen an, kurz: das Paradies auf Erden. In seinem Herzen – das biblische „Ich“ als Humanspezifikum – akzeptierte der Mensch die selbstverschuldete Zielverfehlung
Paradies
Harmonie ohne Schmerz durch Sicherheitsstreben und Schmerzvermeidung (Vers 16 –19)
Notwendigkeit der Entscheidung
Flucht in psychotische Welten
Gott: Wer darf in deinem Leben bestimmen, wem vertraust du letztlich? Ich: Ich vertraue nur mir selbst, Gott! Gott: Aber wie kommt es dann, dass du weißt, dass du nackt und jämmerlich dastehst? Ich: Da kann ich doch nichts dafür, bin ich doch nur das Opfer meiner Lebensumstände, Herr! Gott: Oh Adam, wo bist du (selbst) und wer bist du (wirklich) geworden? Ich: Ich habe mich auch vor mir selbst und dir versteckt und möchte nicht, dass du weißt, wer ich wirklich bin; denn ich bin dann bloßgestellt vor dir und anderen, Gott!
Allmacht durch Machtstreben
Vertreibung Einbruch von Schmerz, Beschwernis, Last der Arbeit, Krankheit, Tod
Schmerzverneinung
(Sünde) der Gottesebenbildlichkeit nicht. Er leugnete, „Mangel an Gottes Herrlichkeit zu leiden“, wie es Paulus im Römerbrief feststellt (Röm. 3,23). Aus dem dritten Kapitel der Genesis können wir Grundfragen Gottes an unser Leben ableiten. Wir können uns das in einem fiktiven Dialog vorstellen:
Schmerzbejahung im Sinne von Schmerzbewältigung (Mut zur Schmerzbewältigung durch freundschaftliche Beziehung zu Jesus Christus, durch die Vaterschaft Gottes und die Hilfe des Heiligen Geistes)
Allwissenheit durch Verantwortungsflucht und Lüge (Vers 11 –13)
Helligkeit / Fehlerlosigkeit durch SchamAngst-Verhüllung (Vers 7 und 10)
Abb. 2
Abb. 1 (aus Winfried Hahn: Psychische Erkrankungen im Licht der Bibel. S. 137)
de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
Wem vertraust du?
(Machtstreben, Autonomie)
Welches Paradies
(Absicherung, Schmerzvermeidung)
Woher Gott
(Ausreden, Lüge, Flucht)
suchst du …?
weißt du …?
Wo bist du?
(Scham, Angst, Verhüllung) Wer bist du (geworden)?
Abb. 3
Gott: Was für ein Paradies suchst du denn dann, nachdem du die innige Beziehung mit mir verlassen hast und jetzt Schmerzen erleiden musst? Ich: Ich baue mir eben in meiner Sehnsucht meine eigenen Sicherheitssysteme auf, mein privates Paradies, meine Fantasiewelten und vermeide den Kontakt zur Realität, wo es eben geht, Gott!
Sich der Allmacht Gottes anzuvertrauen, wird durch Machtstreben oder Selbstbezogenheit, in eigener Regie ohne Gott leben zu können, als Ziel verfehlt (Sünde bedeutet Zielverfehlung!) (Abb. 2) . Statt mich der unbestechlichen Allwissenheit Gottes unterzuordnen, der schon vom Fall des Menschen wusste, versuche ich klüger zu sein durch Ausreden, Lüge, Flucht und Verleugnung meiner Gesetzesübertretungen, die Gott hinterfragt mit: „Woher weißt du…?“. Die Heiligkeit und Souveränität Gottes auch in seiner Identität ( Jahwe: Ich bin, der ich bin) soll durch Scham-Angst-Verhüllung meiner (minderwertigen) Identität nur äußerlich „aufgebläht“ dargestellt werden. Schein statt Sein mit der Angst vor Entdeckung und Entblößung. So stellt der „Grundkonflikt“ auch den „Trotzigversuch“ dar, voller Sehnsucht das synthetische Paradies aus eigener Anstrengung zu schaffen, Harmonie ohne Schmerz.
4. Die Tür zum verlorenen Parad ies Der Grundkonflikt des Menschen kann existenziell aufgelöst werden, wobei die Initiative von Gott ausgeht (Abb. 3) . Die Sünde als elementare Störungsquelle (hamartia [Sünde]: Zielverfehlung) liegt als Grundstörung letztlich allen Beziehungsstörungen zugrunde. Eine Lösung meines zentralen Beziehungskonfliktthemas (siehe Abb. 3) kann durch Gottes Einladung erfolgen, durch die angebotene „Tür“ – Jesus Christus – zurückzukehren in die Gemeinschaft mit seinem Schöpfer ( Joh. 10,9) (Abb. 4) . Jeder Mensch wird erneut vor eine Wahl gestellt: Soll er seine Wiederherstellung am Kreuz, die Lösung der Schuldfrage, annehmen im Glauben an das stellvertretende Opfer Jesu Christi (Jes. 53,4 – 6; Eph. 2,13– 18; Kol. 2,14 –15)? Soll er seine Identitätsunsicherheit überhaupt zugeben, seine inneren Zwiespälte (Grundkonflikt) und Ängste gegenüber Gott? Ist er bereit, sich auch der (noch) unbewussten Angst als „Quelle“ möglicher neurotischer Störungen zu stellen? Möchte er die neue Identität in Jesus Christus kennen lernen (2. Kor. 5,17; Kol. 1,27)? Möchte er Gottes Zusage vertrauen (lernen), für seine Sicherheit und Versorgung die Zuständigkeit zu übernehmen? Oder: Will er trotzig weiterhin sein synthetisches
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Paradies aus eigener Anstrengung zu verwirklichen versuchen, wenn nötig auch mit Hilfe von wie auch immer gearteten „Drogen“? Ist seine Konfliktlösung: Nein, ich bleibe mein eigener Gott? Für jeden einzelnen Menschen gibt es ein individuelles Ausprägungsmuster seiner zentralen Störung (Sünde), wie es in psychischen Kategorien beschrieben werden kann: ein ganz persönliches Grundstörungskonfliktmuster. Die Anfragen Gottes müssen auf dem Hintergrund meiner persönlichen Grundstörung beantwortet werden, will ich den Grundkonflikt in der Beziehung zu Gott auflösen. Dabei können wir die zwei Variationen noch einmal unterscheiden: schon mit Jesus Christus oder ohne Bindung an Jesus Christus. Auch für die Christen liegen verschiedene Hindernisse auf ihrem Weg, aus der ambivalenten Beziehung zu Gott herauszukommen. Wir haben eine Tendenz zur Restauration statt Transformation, d. h. ein unheimlicher Drang bestimmt uns, das Gesetz, das uns schuldig gesprochen hat, wieder aufzurichten. Wir arbeiten selber hart an der Auflösung des Konflikts, statt unsere Zweifel offen vor Gott ins Gespräch zu bringen, ob er den notwendigen Umgestaltungsprozess in unserem Inneren wirklich hinkriegt. Auch Unwissenheit kann Christen behindern, indem sie sich nicht die Veränderungen vergegenwärtigen, nachdem sie die „Jesus-Tür“
Baum des Lebens:
Baum der Erkenntnis:
Jesus der Herr
Eigenwille „Fleisch“
Jesus -Tür
Religion
vermittelt
Lehre Institution Mythos Ethik Ritual Erfahrung
Sünde = Trennung, Zielverfehlung
Beziehung zu Gott Religiösen „Spezialisten“ Religiösen Gemeinschaften Mitmenschen und Umwelt Dem eigenen Selbst
Abb. 5
Konstitution, Beziehungserfahrungen
Abb. 4
Wechselwirkung Selbstkonzept
(personale Ressourcen)
Psychische Gesundheit
Gottesbeziehung
Zugehörigkeit zur religiösen Gemeinschaft
Soziale Unterstützung
(soziale Ressourcen)
Wechselwirkung
Anforderungen und Belastungen
Abb. 6
Angst vor Nähe
Schizoide Struktur Angst vor Veränderung
Angst vor Dauer
Zwanghafte Struktur
Hysterische Struktur
Autonomie
Abhängigkeit
Unterwerfung
Kontrolle
Versorgung
Autarkie
Selbstwertkontrolle Über-Ich / Schuldkonflikt
Angst vor Distanz
Depressive Struktur Abb. 8 Abb. 7
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genommen haben. Sei verbleiben oft im alten Dialogmuster. Auch eine so genannte „Galaterose“ (Gal. 3,1–5) kann Christen befallen. Im Paulusbrief an die Galater ist von einem religiösen Perfektionismus die Rede, der versucht, den Grundkonflikt letztlich zu überdecken und Gott nicht vertrauen zu müssen (gesetzliche Leistungsorientierung statt Annahmeerfahrung durch Gnade). [B] Die Gottesbeziehung in ihrer Wechselbeziehung zum Selbstkonzept
1. G ottesb ild und S el bstb ild des Menschen Für den religiös orientierten Menschen ist seine Lebensqualität, auch sein psychisches Funktionieren, untrennbar verbunden mit seiner Beziehung zur Transzendenz. Für den Christen ist die Beziehungsqualität zu Jesus Christus entscheidend. Aber wie sehen wir Gott letztlich, wie wird die Beziehung zu ihm vermittelt? Wie hängt die Beziehung zu Gott auch mit religiösen Vorbildern in der Gemeinde, unseren Mitmenschen und den prägenden Elternpersonen und zuletzt dem Aufbau unseres Selbstbildes zusammen (Abb. 5) ? Die Religiosität des Menschen, sein Erleben und Verhalten, seine religiöse Grundeinstellung wird durch verschiedene Faktoren geprägt und kann nach Sebastian Murken auf verschiedenen Beziehungsebenen erfasst werden. In seiner wissenschaftlichen Forschungsarbeit (Promotion) untersucht der Autor Sebastian Murken auch die mögliche Wechselwirkung zwischen einem negativen Gottesbild, einem negativen Selbstkonzept und der psychischen Gesundheit bzw. Beeinträchtigungen der Gesundheit. Er stellt fest, dass ein negatives Selbstkonzept und ein negatives Gottesbild korrespondieren, wobei ein negatives Selbstkonzept nachweislich auch in einem negativen Zusammenhang zur psychischen Gesundheit steht (siehe Abb. 6) . Ein Beispiel soll dies veranschaulichen: Herr Maier hat immer wieder Angst, von Gott für seine Fehler bestraft zu werden. Er kann sich Gottes vergebender Liebe schwer anvertrauen, verleugnet darum die Lieblosigkeit
in der Beziehung zu seiner Ehefrau, hat seinerseits aber auch Angst, seine Frau zu verlieren wegen derselben. Im Hintergrund dieser Verleugnung von Schuld (realen Beziehungsfehlern), und dadurch schließlich auch der Boykottierung von Gnadenerfahrungen in der Gottesbeziehung, steht ein negatives Selbstwertgefühl, als Person letztlich nicht liebenswert zu sein. Das Selbstbild und das Gottesbild stehen hier in einer Wechselwirkung miteinander und mit dem unmittelbaren Beziehungsumfeld, wobei die sozialen Ressourcen (vertrauensvolle Paarbeziehung) nicht genutzt werden können. 2. Ang st in B e z iehung en Der Psychoanalytiker Fritz Riemann hat in seinem klassischen Werk „Grundformen der Angst“ vier Angstorientierungen in der zwischenmenschlichen Beziehungsgestaltung beschrieben. Aus der jeweiligen Entwicklung des Menschen und Prägung durch seine primären Bezugspersonen wird die Hauptangstrichtung bestimmt mit der dazugehörigen Persönlichkeitsstruktur (Psychodynamik). Er ordnete die vier Angstrichtungen auf einem Achsenkreuz bipolar an, womit auch durch die Gegensätzlichkeit der Pole Konflikte zwischen verschiedenen Angstrichtungen angedeutet werden können. Riemann geht davon aus, dass jede Persönlichkeitsstruktur dabei von unterschiedlichen Angstanteilen bestimmt ist (siehe Abb. 7) . Eine Wechselwirkung zwischen der grundlegenden individuellen Persönlichkeitsstruktur, zusammengesetzt aus den verschiedenen Anteilen sowie der entsprechenden Angststruktur und dem Grundkonflikt, kann auf der Ebene der Gottesbeziehung mit folgenden Fragen aufgeschlossen werden (siehe Abb. 3 auf Seite 45) : • Wem vertraust du in deiner Angst vor Nähe, deinem schizoiden Autonomiebedürfnis? • Wer bist du (geworden) hinter deiner Scham-/Angstmaske, deiner hysterischen Angst vor Dauer/Bindung? • Woher nimmst du deine Gewissensorientierung in deiner depressiven Selbstverleugnung aus Angst vor Distanz und in deinen Selbstanklagen?
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• Wie und wo willst du in deiner Angst vor Veränderung zwanghaft Sicherheit finden, deine Sehnsucht nach Harmonie kontrollieren? 3. Da s zentra le B e z iehung skonfl iktthema des Menschen in der We chselwirkung m it dem Gr und konfl ikt Die psychoanalytische Therapie von Beziehungsstörungen oder zwischenmenschlichen Beziehungskonflikten versucht, die Beziehungswünsche von Menschen und die Ambivalenzen zwischen widerstreitenden Wünschen dem Individuum zugänglich zu machen und aufzulösen. Sie führt die interaktionelle Dynamik dabei auf frühe frustrierte Beziehungserfahrungen mit den primären Bezugspersonen zurück. Für jeden Menschen wird dabei ein zentrales Beziehungskonfliktthema angenommen, das immer wieder seine gegenwärtigen Beziehungen bestimmt, belasten und zu neuen Enttäuschungen führen kann. Letzteres geschieht besonders dann, wenn mir meine unbewusste Beziehungsdynamik, meine sich widerstreitenden Beziehungsbedürfnisse/wünsche, verborgen bleiben (siehe Abb. 8) . Die innere Ambivalenz zwischen verschiedenen Beziehungswünschen soll an einem Beispiel dargestellt werden: Bei einer Lehrerin in Ausbildung (Referendarin) überwiegen Selbstwertkonflikte, die sie folgendermaßen zu verarbeiten sucht. In einer ausgeprägten beruflichen Leistungsorientierung sucht sie unbewusst nach bestätigender persönlicher Anerkennung durch die Seminarleiterin; von dieser fühlt sich dann aber die Referendarin durch deren Einschätzung, sie sei den Belastungen des Lehramts nicht gewachsen, stark gekränkt. Aktiv versucht nun die Referendarin, die Bedrohung ihres Selbstwertes zu verarbeiten mit der Identifizierung mit einem idealisierten Frauenbild, das dem „Pagentypus“ oder „Model-Image“ entspricht. Sie versucht deshalb die Einhaltung einer „Traumgewichtsgrenze“, die für ihre Körpergröße völlig unrealistisch ist. Es kommt zu einer Körperbildstörung (Störung in der Wahrnehmung der körperlichen Erscheinung). In ihrem Bemühen um eine perfekte Figur kommt es zu unzureichender
Ernährung, die Konzentration sinkt, die Selbstwertkompensation gelingt nicht, da die Seminarleiterin jetzt mit ihrer negativen Einschätzung der mangelnden Belastbarkeit der Referendarin wieder Recht behält und eine Kränkung dieses Beziehungswunsches die Folge ist. 4. Da s Zusammenwirken von soz ia ler Unterstützung , Gr undkonfl ikt und ps ychosomatischer G esund heit Beziehungserfahrungen eines Menschen im Verlauf seiner Entwicklung, seine gegenwärtige soziale Unterstützung, der Einfluss dieser Faktoren auf sein Selbstkonzept und die Wechselwirkung mit der Gottesbeziehung sollen noch einmal am Beispiel der Lehrerin in Ausbildung (siehe zuvor) transparent gemacht werden: In ihrem Streben nach einer Traumfigur, nach dem idealen Aussehen, möchte die junge Lehrerin jemand anders sein, als sie ist. Sie ist innerlich unsicher, ob sie genügend leistet und macht sich abhängig von der Beurteilung durch ihre Ausbilderin. Die Frage Gottes: „Wem vertraust du in deiner Angst vor Nähe, deinem schizoiden Autonomiebedürfnis?“ müsste sie mit den Worten erwidern: „Ich schäme mich in meinem Frausein, habe eine geradezu hysterische Angst vor dauerhafter Bindung, wo ich beherrscht werden könnte. Da ich mich nicht leiden kann, glaube ich auch nicht, dass du es ehrlich mit mir meinst und mich wirklich liebst ohne Leistung. Ich muss aber auch wieder in dieser Konfliktsituation bleiben, ich habe Angst vor Veränderung; so bin ich ja auch gezwungen, zu dir eine Beziehung zu haben, sonst verklagt mich mein Gewissen und verdammt mich; dann fühle ich mich noch schlechter, weil ich deine Erwartungen an mich nicht erfüllt habe. Dann könnte ich erst recht in ein depressives Loch fallen.“ An diesem erfundenen Zwiegespräch mit Gott können wir uns eine ungefähre Vorstellung machen, inwieweit diese Spannung zwischen dem individuellen Grundstörungskonfliktmuster in der Beziehung zu Gott, dem zentralen Beziehungskonfliktthema (gegenwärtig soziales Beziehungsfeld) und dem Selbstkonzept (Psychodynamik) die
psychische Gesundheit der angehenden Lehrerin über kurz oder lang beeinträchtigen wird. Eine psychotherapeutische Möglichkeit wäre das Bewusstmachen der innerseelischen Problematik (Psychodynamik) und/ oder des zentralen Beziehungskonfliktthemas vor dem Hintergrund der biographischen Entstehung. Die Möglichkeiten einer christlich-integrativen Psychotherapie liegen aber auch in der Klärung des individuellen Grundstörungskonfliktmusters und der Veränderung des religiösen Erlebens durch geeignete spirituelle (seelsorgerliche) Interventionen. In der therapeutischen Beziehungsgestaltung kann auch eine korrigierende Beziehungserfahrung für unsere Lehrerin erwartet werden, sodass sie in der zwischenmenschlichen Annahmeerfahrung etwas von Gottes Wesen (vergebende und bedingungslos annehmende Liebe) widergespiegelt bekommt. Davon könnte ein positiver Einfluss auf die Selbstwertkonflikte erwartet werden: „Ich muss mich nicht durch Leistung verbiegen und von anderen abhängig machen, um Anerkennung zu bekommen, ich bin in mir selbst respektabel.“ [C] Der Grundkonflikt in Zusammenschau mit psychischen Erkrankungen
Wir wollen im Folgenden unterschiedliche Krankheitsbilder von einem phänotypischen Standpunkt aus betrachten, d. h. die durch Beobachtung wahrgenommene Erscheinungsform des Grundstörungskonfliktmusters darstellen. Eine erschöpfende Betrachtung der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen primären Beziehungserfahrungen, dem negativen Selbstkonzept, dem möglichen Mangel an sozialer Unterstützung und dem negativen Gottesbild (individuelle Ausprägung des Grundstörungskonfliktmusters) und dem Krankheitsbild, wie es sich schließlich auch von Person zu Person individuell unterscheidet, ist hier in der gebotenen Kürze natürlich nicht möglich. Wir werden also nur Tendenzen aufzeigen können, welcher Kernkonflikt bei unterschiedlichen Krankheitsbildern vorliegt, im Zusammenhang mit der Persönlichkeitsstruktur und dem Selbstkonzept.
Ps ychosen des sch izop hrenen und man ischen Formen kreises Im Kontakt mit an Psychose erkrankten Patienten fällt immer wieder auf: Sie scheinen für ihre Umwelt unerreichbar, verschlossen, zu sein, in einer eigenen Welt zu leben nach Gesetzmäßigkeiten, die für andere nicht erkenntlich sind. In der Medikamenteneinnahme, der so genannten „Compliance“, scheinen sie für den Arzt oft auch schwer beeinflussbar zu sein: Geht es ihnen schlechter in ihrem zunehmenden inneren Chaos, verlangen sie nach einer von ihnen selbst festgesetzten Medikamentendosis, die sie nach einiger Zeit willkürlich und meist abrupt absetzen, wenn es ihnen besser geht. Einerseits erwecken sie den Anschein, sie wüssten genau, was für sie gut und schlecht ist, andererseits geben sie zu Protokoll, ihre psychotischen Gedanken nicht kontrollieren zu können und eine Verschlechterung ihres psychischen Befindens nicht steuern zu können. Vom äußeren Aspekt her wird eine Luststeuerung sichtbar, der Psychotiker macht, was er will, er raucht, wann und wo er will, verkriecht sich in der Klink in sein Bett, wann er will. Verbindliche Vereinbarungen in möglichst kleinen Schritten der Alltagsbewältigung hält er meist nur über kurze Zeitspannen aufrecht. Fast verzweifelt scheint er zu versuchen, seine Unabhängigkeit zu behaupten. Bei Realitätskonfrontation mit diesem Lebensstil droht er, seine „Trumpfkarte“ auszuspielen, die Flucht in die Innenwelt, an deren Ende die alptraumartige psychotische Erlebniswelt steht. Von der Persönlichkeitsstruktur (siehe oben) bestimmt den psychotisch Erkrankten die Angst vor Nähe und Verbindlichkeit in Beziehungen, vom Hintergrund her wäre eher an eine schizoide Persönlichkeitsstruktur zu denken. Es scheint ein starkes Schutzbedürfnis vorzuliegen, von Anforderungen und Belastungen nicht überschwemmt zu werden, die sogenannte Vulnerabilitätsschwelle (Vulnerabilität = Verwundbarkeit) ist vielleicht niedriger als bei anderen Menschen, dadurch ist die Gefahr einer Überschwemmung der Sinneswahrnehmung mit Stressimpulsen größer, die gedankliche Sortierung fällt schwerer.
de’ig n is-ma g a z in – Therapeutische Fachartikel
Bild: Simon Lee / unsplash
Entsprechend spielt in der Beziehung zu Gott Angst vor Gottes Allmacht eine große Rolle: Der psychotisch erkrankte Mensch scheint oft erdrückt von Gottes Möglichkeiten, sieht diese weniger als Chance, denn als Bedrohung; er äußert seine Stimmung der Ausgeliefertheit meist in Form von sogenannten „Verdammnisgedanken“ oder der wahnhaften Befürchtung, die unvergebbare sogenannte „Sünde gegen den Heiligen Geist“ begangen zu haben. In dem Versuch, eine schmale Plattform von Macht oder Selbstbestimmung gegen alle möglichen realen und eingebildeten Einengungen zu verteidigen, wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet: Weil der psychotisch erkrankte Mensch Panik hat, dass etwas ganz Bestimmtes passiert, was er aber geheim halten muss, damit eben nicht passiert, was er unter gar keinen Umständen zulassen will, flüchtet er sich intrapsychisch auf ein schmales Entscheidungspodest, die „Alles-nur-das-nicht-Plattform“. Lieber wehrt er jede fremde Autorität in seinem Leben ab, vertraut sich Gott nicht an, ohne Letzteres allerdings laut zu sagen, damit ihm sein offener Widerstand nicht die Feindschaft Gottes verschafft. Gegenüber Gott wird eine „doppelte Buchführung“ aufrecht zu erhalten versucht, indem er sich einerseits bedingungslos unter sogenannte innere Stimmen Gottes unterwirft und gleichzeitig beständige Angst erleidet, mit seinem „Misstraue-jedem-Doktrin“ von Gott letztlich durchschaut und verworfen zu werden. Die Flucht in die Innenwelt wird schließlich zum Albtraum, die Fantasieweltliebe aber vor sich selbst und gegenüber außen verleugnet, die Liebe zur Wahrheit im moralischen Sinne als auch im Sinne einer objektiv entgegenstehenden Realität kann nicht angenommen werden, aus Angst, die Selbstbestimmungsplattform, auch wenn sie noch so schmal wäre, nur für einige Momente verlassen zu müssen. Auch die Liebe zur Lüge im Sinne von Schonhaltungen, Rechtfertigungen und Ausreden kann nicht zugegeben werden, denn dann würde der psychotisch erkrankte Mensch ins Licht der Wahrheit treten und zugeben, „doppelte Buchführung“ zu betreiben. Diese innere Dialektik
zwischen verworfener Liebe zur Wahrheit und nicht zugegebener Liebe zur Lüge kann sich z. B. in paranoiden Vorstellungen allgemeiner Art äußern: „Man kommt mir auf die Spur, schickt mir mich beeinträchtigende negative Gedanken“ oder: „Stimmen verbieten mir, zu essen als Auflage Gottes zur Buße“. Auch chronische Gewissenqualen des psychotisch erkrankten Menschen begegnen uns: „Ich muss Gott zufrieden stellen, ihm ein wiederholtes Sündenbekenntnis als Friedensopfer anbieten, dann lässt er mich vielleicht in Ruhe, wenn er sieht, wie ich unter ihm leide.“ Psychoseerkrankte geben oft vor, sich zu schämen, an einer Psychose erkrankt zu sein und nicht mehr die leistungsfähige Person aus prämorbider (vor Ausbruch der Erkrankung) Zeit zu sein. Sie äußern Ängste, verachtet zu werden oder als „verrückt“ stigmatisiert zu sein. Allerdings zeigt sich bei näherer Betrachtung der „verrückten“ (aus einer guten Struktur herausgerückt) Identität ein erheblicher Widerstand, den Schutzschild der Psychose fahren zu lassen (Scham-Psychose-Stolz-Identität).
Autor
Die vierte Frage Gottes schließlich, „Welches Paradies suchst du?“, scheint vom psychotisch erkrankten Menschen beantwortet zu werden in einer Realitätsschmerzvermeidungssicherheit, d. h. der seelische Schmerz wird vom Psychoseerkrankten oft geleugnet, z. B. die Verletzlichkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen. Aus dem Buch
„Damit die Seele heil wird“ (Seite 84 –102), herausgegeben von Claus J. Hartmann und Winfried Hahn. Erschienen 2003 im Hänssler Verlag.
Rainer Oberbillig ist Dipl.-Psychologe, approbierter Psychotherapeut, ehemals langjähriger Mitarbeiter in der de’ignisFachklinik und Mitgründer, jetzt i. R.; auf Honorarbasis in freier Praxistätigkeit und am de’ignis-Institut engagiert. Doktorat-Studium am Institut für Empirische Religionsforschung (IER), Uni Bern.
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Das Hilfsangebot des Sozialtherapeutischen Zentrums de’ignisWohnheim für Menschen mit Schizophrenie Von Winfried Hahn
de’ig n is-ma g a z in – Impulse und Erfahrungen
Bei der Diagnose Schizophrenie han• delt es sich um eine psychische Erkrankung mit nicht selten chronifiziertem Verlauf. Sowohl die wahnhaften Erlebnisse in der Akutphase eines psychotischen Schubes (Plussymptomatik) als auch die häufig anzutreffende länger anhaltende Residualsymptomatik (Minussymptomatik) sowie die ebenfalls häufig auftretende postpsychotische Depression bedeuten für betroffene Personen massive Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität. Um diese schwerwiegenden und leidvollen Erfahrungen zu vermindern, die mit dem Ausbruch schizophrener Symptome verbunden sind, bemühen wir uns im de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Stabilisierung des emotionalen Gleichgewichtes dieser oftmals sehr vulnerablen Menschen entgegenkommt. • Wir bemühen uns um eine möglichst stressarme Umgebung, da sowohl Handlungsdruck als auch Sozialstress pathogene Auswirkungen haben können. Dabei geht es um die richtige Balance zwischen
notwendigem Schonraum und einem angemessenen Maß an Herausforderung und Motivation, um die Handlungsfähigkeit zu fördern und ein zu intensives Abgleiten in Passivität zu vermeiden. • Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für ein ausgewogenes Maß an Tagesstruktur, die die Aufrechterhaltung von Ressourcen fördert, eine sinngebende Beschäftigung ermöglicht, ohne zu überfordern. Aber auch unsere vielfältigen Freizeitangebote wie z. B. Fahrradtouren, Ausflüge, Walking und Wandern, Segeln auf dem Bodensee, Reiten, Grillen, Feste feiern und viele mehr bieten die Möglichkeit, die angenehmen Seiten des Lebens neu zu entdecken und genießen zu lernen. • Durch psychoedukative Gespräche versuchen wir, auf der Basis gegenseitigen Vertrauens Einsicht in das Krankheitsgeschehen zu vermitteln, um die Unterscheidung zwischen Wahn und Realität zu fördern. Dies setzt sehr viel Empathie und Behutsamkeit voraus, da für den oder die Betroffene wahnhafte Symptome als
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Realität erlebt werden und die Fähigkeit, sich von wahnhaften Realitätsverzerrungen zu distanzieren, ein hohes Maß an Selbstreflektion voraussetzt. Wenn man bedenkt, dass realitätsverzerrende Wahrnehmungen oftmals dysfunktionale Verhaltensmuster sind, um den Realitätsdruck zu lindern (im Sinne von: Minderwertigkeitsgefühle durch Überwertigkeitsideen zu kompensieren, Ohnmachtserfahrungen durch Omnipotenzphantasien zu begegnen etc.) wird deutlich, dass die Preisgabe dieser Kompensationsstrategien bei Betroffenen innere Widerstände auslösen können. Umso mehr achten wir darauf, die Compliance aufrecht zu erhalten. • Einen sehr hohen Stellenwert hat die medikamentöse Behandlung zur Regulation des Gehirnstoffwechsels, der bei Schizophrenie eine bedeutende Rolle spielt. • Hilfreich für die Verarbeitung der übermächtig gewordenen Paradiessehnsucht (siehe Artikel „Der Grundkonflikt als Störungsmodell“, Seite 44) ist die hoffnungsgebende Botschaft von der bedingungslosen
de’ig n is-ma g a z in – Impulse und Erfahrungen
Annahme durch Gott, der in Jesus Christus zum liebenden Vater geworden ist, unabhängig von Leistungsfähigkeit und der Erfüllung religiöser Normen. Dies kann eine Hilfe sein bei der Bewältigung psychogener Krankheitsfaktoren wie z. B. mangelnder Selbstannahme, Minderwertigkeitsgefühlen, sowie damit eventuell verbundenen narzisstischen und anderen Kompensationsversuchen. Deshalb besteht im de’ignis-Wohnheim die Möglichkeit der Teilnahme an unseren täglich stattfindenden pädagogisch und theologisch orientierten Großgruppen und Gottesdiensten. Bei all diesen Bemühungen steht die Förderung eines Selbstkonzeptes im Vordergrund, das durch einen wertschätzenden und würdevollen Umgang mit sich selbst, unabhängig von Leistungsfähigkeit und der Erfüllung familiärer und gesellschaftlicher Erwartungen, geprägt ist. Das Wahrnehmen und Akzeptieren der eigenen Grenzen bei gleichzeitiger Bereitschaft, im Rahmen seiner Möglichkeiten und Ressourcen Verantwortung für sich selbst im
Sinne einer sozialverträglichen Lebensführung zu übernehmen, hat bei so manchen Heimbewohner:innen zu einer Förderung der seelischen Gesundheit beigetragen. Entscheidend für den seelischen Gesundungsprozess bei schizophren erkrankten Menschen ist nach unserer Erfahrung die Bereitschaft, nicht sich selbst und sein Erleben zum Maß aller Dinge zu machen. Auch hier gilt der Ausspruch Jesu: „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort … werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ ( Joh. 8,31 und 32). Die Preisgabe der häufig zu beobachtenden narzisstischen Respektlosigkeit vor der Realität steht im Zusammenhang mit der Bereitschaft, Krankheitseinsicht zu entwickeln. Hierbei ist die Einstellung und das Wertesystem des Klienten bzw. der Klientin von großer Bedeutung.
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Autor
Winfried Hahn ist Pastor und Pädagoge. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern studierte Pädagogik, war Pastor in mehreren freikirchlichen Gemeinden und machte eine Ausbildung zum christlichen Therapeuten. Heute leitet er das de’ignis -Wohnheim – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung und ist Vorsitzender der de’ignisStiftung Polen. Er ist verantwortlich für den Fachbereich Theologie am de’ignisInstitut. Als Pastor im übergemeindlichen Dienst und Buchautor hält er Predigten, Vorträge und Seminare im In- und Ausland.
Aktuell
•
Fachklinik • Wohnheim • Institut • Stiftung
In der de’ignis-Fachklinik erhalten Menschen bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen, Ängsten, Zwängen und Burn-out, sowohl stationär als auch ambulant oder tagesklinisch eine individuell auf sie ausgerichtete Behandlung. Zusätzlich bietet sie Nachsorge- und Sonderprogramme mit einzelnen Sozialversicherungsträgern sowie verschiedene Präventionsangebote an. ↗ Ab Seite 55 Das de’ignis -Wohnheim nimmt Menschen mit psychischen Erkrankungen und Lebenskrisen auf, die vorübergehend oder langfristig nicht in der Lage sind, selbstständig zu leben. Es deckt die Bereiche des intensiven und teilstationären Heimbereichs, den Wohntrainingsbereich sowie den ambulanten Bereich ab. Dabei bietet es ein umfangreiches sozialtherapeutisches Programm an. Das de’ignis -Institut bietet seit über 20 Jahren erfolgreich Fortbildung, Schulung, Supervision und Beratung für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche an, hierbei insbesondere die Fortbildung für Christlich-integrative Beratung und Therapie. Das Institut bildet eine Schnittstelle zwischen Medizin, Psychologie und Theologie. ↗ Ab Seite 57 Die de’ignis - Stiftung in Polen bietet bereits seit einigen Jahren Seelsorgekurse an und unterstützt den Aufbau eines Netzwerks von Seelsorge-Beratungsstellen. Des Weiteren erhalten Menschen mit psychischen Erkrankungen in der de’ignis-Beratungsstelle in Warschau ambulante Psychotherapie. ↗ Seite 62
de’ig n is-ma g a z in – Aktuell
Aktuelle Informationen finden Sie auch auf www.deignis.de/aktuelles
Berufsbegleitende Rehabilitation Neues Projekt der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und der de’ignis-Fachklinik Die de’ignis-Fachklinik bietet zusammen mit der Deutschen •Rentenversicherung Baden-Württemberg eine besonders niedrigschwellige und flexible Form der Rehabilitation an: ambulant und berufsbegleitend. Die neue berufsbegleitende Rehabilitation richtet sich an Versicherte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, die: • aufgrund einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung von Arbeitsunfähigkeit bedroht, • aktuell berufstätig und • aktuell nicht krankgeschrieben sind.
Foto: Halfpoint / Adobe Stock
Die ambulante Rehabilitationsleistung umfasst 20 Termine, die einmal pro Woche im de’ignis-Gesundheitszentrum durchgeführt werden. Diese bestehen aus multiprofessionellen Therapiemodulen, darunter Psychotherapie, medizinische Diagnostik, Ergotherapie sowie Sport- und Bewegungstherapie. Die zeitliche
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Vereinbarkeit der berufsbegleitenden Rehabilitation mit der laufenden beruflichen Tätigkeit wird von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg unterstützt. Durch die längerfristige Begleitung und die Möglichkeit der direkten Umsetzung des Erlernten am Arbeitsplatz oder im privaten Umfeld wird der Therapieerfolg sogar langfristig erhöht. So ist das Ziel, dass die Patientinnen und Patienten des Programms an ihrem privaten und beruflichen Leben wieder belastbar und leistungsfähig teilnehmen und ihre Herausforderungen bewältigen können. Sie sind Versicherte:r der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und haben Fragen zur berufsbegleitenden Rehabilitation? Gerne beantworten wir Ihre Anfragen – nutzen Sie dazu am besten unser Kontaktformular oder schreiben Sie uns per E-Mail an info@deignis.de.
Deutsche Rentenversicherung bescheinigt der de’ignis-Fachklinik eine Spitzenqualität Bereits 1996 haben wir systematisch qualitätssichernde Maß•nahmen in unserer Fachklinik eingeführt und seit 2003 auch einen gesonderten Fachbereich Qualitätsmanagement für die Initiierung, Koordinierung und stetige Weiterentwicklung der Qualität in der Fachklinik geschaffen. Dass in der de’ignisFachklinik auf einem sehr hohen Qualitätsniveau gearbeitet wird, bescheinigen uns auch externe Fachleute. Wiederholte Belege dafür sind die sehr guten Ergebnisse sowohl von QS-Reha (Qualitätssicherung medizinische Rehabilitation), dem vergleichenden Qualitätsmanagement-Programm der gesetzlichen Krankenkassen, als auch vom Zertifizierungsverfahren nach IQMP-Reha/EQR. Darüber hinaus werden durch eine fortlaufende externe Qualitätssicherung der de’ignis-Fachklinik in vergleichenden Verfahren der Deutschen Rentenversicherung sowohl die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität als auch die Patient:innenzufriedenheit ausgewertet. Die de’ignis-Fachklinik nimmt an dieser umfassenden Qualitätssicherung der Deutschen Rentenversicherung fortlaufend teil. Ziel dieser qualitätssichernden Maßnahmen ist eine kontinuierliche Verbesserung. Für die RehaQualitätssicherung werden zahlreiche Instrumente und Verfahren eingesetzt und weiterentwickelt. Als spezielles Instrument der Reha-Qualitätssicherung setzt die Deutsche Rentenversicherung Visitationen ein. Bei dieser „Qualitätssicherung vor Ort“
erfolgt eine Aufnahme unmittelbarer Informationen direkt in der Reha-Einrichtung zur umfassenden Qualitätssicherung. Die Einrichtung kann in ihrer ganzen Komplexität einschließlich der Beschäftigten und Rehabilitand:innen umfänglich wahrgenommen und geprüft werden. Daher hat die Visitation in der Reha-Qualitätssicherung einen besonderen Stellenwert. Visitationen können in ihrer Begutachtung und Bewertung nicht nur die einrichtungsbezogenen Ergebnisse aus der Reha-Qualitätssicherung berücksichtigen, vielmehr nutzen sie eine Vielzahl von vor Ort gewonnenen Informationen aus verschiedenen Quellen. Hierzu gehört auch die Vor-Ort-Befragung von Patient:innen zur Qualität der und Zufriedenheit mit der Klinik, die eine umfassende Bestandsaufnahme ermöglicht. So wird die Qualität der de’ignis-Fachklinik stetig und intensiv geprüft und weiter verbessert. Sowohl im Hinblick auf die Patientenzufriedenheit als auch auf die Behandlungsergebnisse erzielte die de’ignis-Fachklinik ein herausragendes Ergebnis bei der Visitation der Deutschen Rentenversicherung 2021. Wir sind Gott sehr dankbar für dieses tolle Ergebnis und für die großartige Leistung, die das tägliche Engagement aller Beschäftigten der de’ignis-Fachklinik für die bestmögliche Behandlung psychisch erkrankter Menschen widerspiegelt.
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Fortbildung Christlich-Integrative Beratung und Therapie Zum ersten Mal im de’ignis-Zentrum Stuttgart Seit mehr als 25 Jahren bilden wir mit unserer berufsbeglei• tenden Intensivausbildung praxisnah aus, damit Teilnehmer:innen unserer Kurse Menschen qualifiziert in Beratung und Therapie helfen können. Mit dem modularen System bietet die Fortbildung ChristlichIntegrative Beratung und Therapie (CiBT) die Möglichkeit, individuelle Vertiefungen, beispielsweise im Bereich Therapie oder der Beratungstätigkeit in dem Bereich Gesundheitscoaching/Prävention, zu wählen – eine erstklassige Fortbildungsmöglichkeit, die sich über die Jahrzehnte etabliert hat.
In den vergangenen Jahren fanden die CiBT-Fortbildungen in der Regel im Nordschwarzwald in Egenhausen statt, in den letzten zwei Jahren zudem auch digital als Live-Online-Seminare. Im März 2022 fand die Fortbildung erstmals im de’ignisZentrum Stuttgart statt. Warum auch nicht? Schon in der Vergangenheit gab es hier Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen und Vorträge. Die bewährten Räumlichkeiten bieten mit ihrer zentralen Lage in der Landeshauptstadt Stuttgart eine optimale Location. Vom 24. bis 26. März 2022 veranstalteten wir das CiBT basic Seminar: Gesprächsführung und systemische Beratung. Die Kursteilnehmer:innen wurden von der Institutsleitung herzlich begrüßt und von den Referent:innen exzellent über die Dauer des Seminars hinweg geschult und betreut. Im Seminar wurden Grundlagen einer effektiven Gesprächsführung mit dem Schwerpunkt des systemischen Ansatzes vermittelt und handwerkliche Fähigkeiten dazu, wie im Krisenfall umgegangen werden muss, weitergegeben. So erhielten die Kursteilnehmer:innen Einblicke in die Themenfelder der Systemischen Beratung, der Paar- und Familienberatung, zu Krisen (ICD 10: V/X/Y/Z-Achse) sowie Kommunikationsund Interaktionsstilen. Wir sind stolz auf ein sehr gelungenes Seminar mit vielen neuen Erkenntnissen. Die Kursteilnehmer:innen waren begeistert und motiviert, die gelernten Inhalte umzusetzen. Es wird mit Sicherheit nicht die letzte Schulungs- und Fortbildungsveranstaltung in unserem attraktiven de’ignis-Zentrum in Stuttgart gewesen sein.
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Sie wollen Ihren Wissenshorizont und Ihre Kompetenzen im Bereich der psychischen Gesundheit aufbauen, erweitern oder verbessern? Hierzu finden Sie bei uns ein interessantes Spektrum an Fortbildungen, Schulungen, Seminaren und Vorträgen, die genau zu Ihren Anforderungen passen. Wachsen Sie mit einer hohen Qualität in Ihren Fähigkeiten und profitieren Sie von der langjährigen Erfahrung sowie Kompetenz von de’ignis.
Ausgewählte Dozent:innen aus Wissenschaft und Praxis schulen Sie in den verschiedenen Bereichen nach den aktuellen Standards und geben Ihnen exklusive Einblicke sowie Hilfestellung in der direkten Umsetzung relevanter Lerninhalte. Mit unseren Fortbildungs- und Schulungsangeboten profitieren Sie einerseits selbst für Ihr eigenes Leben und werden andererseits in die Lage versetzt, anderen Menschen in ihrem seelischen Wohlbefinden kompetent zu helfen. Die Fortbildungsangebote von de’ignis zeichnet unter anderem aus: Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung im ambulanten 1
und stationären Bereich der Behandlung psychischer Störungen verbinden wir klinische und sozialtherapeutische Kompetenz mit einer kontinuierlichen Theorieentwicklung. 2
Aufgrund unserer christozentrischen spirituellen Erfahrung und theologischen Kompetenz gelingt uns ein bewusstes Crossover der Grenze zwischen Theologie und Psychologie. 3
Aufgrund unserer klaren biblischen Positionierung und gleichzeitiger Interkonfessionalität und Interkulturalität basiert unser theologischer Standpunkt auf den Prinzipien der Sola-
Aussagen Luthers und ergänzend dazu auf der gemeinsamen Erklärung des Lutherischen Weltbundes und des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen über Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre. Unsere Hermeneutik ist an der Kanonischen Exegese orientiert. Unser wissenschaftlicher Beirat besteht aus Mitgliedern anerkannter Konfessionen. 6
Aufgrund der hohen Fachkompetenz unserer Mitarbeitenden und Referent:innen gelingt uns eine Gesamtschau medizinischer, psychiatrischer, psychotherapeutischer und sozial-therapeutischer Aspekte und deren Vermittlung auf hohem Niveau durch Selbsterfahrung und praktische Übungen. 5
Aufgrund unseres engagierten und persönlich gelebten Glaubens bieten wir einen wissenschaftlich fundierten Theorierahmen, in dem Glaube und Wissenschaft, Theologie und Psychotherapie nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern sich in dem von uns entwickelten Konzept der Christlichintegrativen Beratung und Therapie (CiBT) zu einer Theorie der menschlichen Existenz verbinden; hin zu einer Anthropologie, die besonders im bio-psycho-sozial-spirituellen Modell des Menschen, neben anderen Modellen und der Praxis der CiBT, ihren Ausdruck findet.
→ Das Ineinandergreifen von hoher Fachkompetenz und einer christozentrischen überkonfessionellen Theologie mit persönlichen Glaubenserfahrungen (Gottvertrauen) sind das unverwechselbar Besondere und Einzigartige unserer Fortbildungsund Schulungsangebote.
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Fortbildungsangebot des de’ignis-Instituts für Psychotherapie und christlichen Glauben Bei allen Fortbildungsangeboten können auch nur Einzelseminare besucht werden. Damit können Sie Ihre Fachkompetenz ganz gezielt weiter ausbauen. Der Einstieg in die jeweilige Fortbildung ist mit jedem Seminar möglich. Und das kennzeichnet die einzelnen Fortbildungsangebote:
Kurs in begleitender Seelsorge
Fortbildung in Christlich-integrativer Beratung und Therapie (CiBT)
In zehn Wochenendseminaren, die innerhalb von zwei Jahren angeboten werden, werden Sie in begleitender Seelsorge ausgebildet. Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt dabei auf der Begleitung von Menschen mit psychischen Schwierigkeiten im Gemeindekontext. In diesem Kurs ist Raum und Zeit für die persönliche Seelsorge und geistlichen Zuspruch durch ein großes Team von Mitarbeiter:innen.
CiBT basic Innerhalb von sieben dreitägigen Intensiv-Seminaren werden in einer kleinen Gruppe grundlegendes Wissen und Tools für die Lebensberatung vermittelt und Grundlagen für therapeutisches Handeln gelegt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Vermittlung von Krankheitsbildern (Psychoedukation, insbesondere bei Angststörungen und Depressionen), Lebensberatung unter Einbezug des Glaubens als Ressource, Stressbewältigung und Training von Kommunikation sowie theologischer Kompetenz. Dabei wird das persönliche Glaubensleben der Teilnehmenden gestärkt und die Persönlichkeitsentwicklung gefördert.
Fortbildung in Gesundheitscoaching
Bild links: Fa Barboza / Unsplash
Mit der Fortbildung in Gesundheitscoaching im betrieblichen und privaten Kontext erwerben Sie innerhalb von sechs zweitägigen Seminaren in überschaubarer Gruppe die Befähigung zu Aufbau und Durchführung von Gesundheitscoaching z. B. innerhalb eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) oder einer Gemeinde und lernen, andere zur Entwicklung eines gesunden Lebensstils sowie zu Spiritualität als Kompetenz und Haltung anzuleiten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Themen gesunde Ernährung, Bewegung, Entspannungstraining und Stressmanagement.
CiBT advanced Aufbauend auf CiBT basic vermittelt CiBT advanced vertieftes Wissen, praktische Fähigkeiten und Werkzeuge für Berater:innen und Therapeut:innen mit Schwerpunkt auf Kompetenz für Spiritualität. Mit den Seminaren von CiBT advanced und den begleitenden Praxiserfahrungen werden Sie optimal auf das Aufgabenfeld eines Heilpraktikers für Psychotherapie vorbereitet.
Die Fortbildungen finden in unserem modern gestalteten Seminarraum direkt angrenzend an das Naturschutzgebiet „Egenhäuser Kapf“ im Schwarzwald oder online statt.
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Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Jan (Arzt), Teilnehmer der CiBT Fortbildung:
Eine Fortbildung, die mir vermittelt, wer und was die Therapie wirklich tragfähig macht. erap
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de’ignis-Institut gGmbH · Markgrafenweg 17 72213 Altensteig · Telefon +49 (0) 7453 94 94 - 0 institut@deignis.de · www.deignis.de
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Alle weiteren Informationen finden Sie auf www.deignis.de
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Einstieg jederzeit möglich!
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Das de’ignis-Institut bietet Ihnen berufsbegleitende Fortbildungen in Christlich-integrativer Beratung und Therapie sowie Gesundheitscoaching. Dabei werden Theologie, Pastoralpsychologie, Psychotherapie, Psychiatrie und Psychosomatik sowie Pädagogik in einem ganzheitlichen Konzept integriert. Erhalten Sie praxisnah Einblick in die christlich-integrativen Therapie- und Beratungskonzepte von de’ignis und lernen Sie, diese in Ihre eigene Arbeit zu integrieren.
Die Termine zu den einzelnen Fortbildungsangeboten in der Übersicht Veranstaltungsort: de’ignis-Fachklinik, Walddorfer Straße 23, 72227 Egenhausen Alle Seminare auch einzeln buchbar!
Seminare CiBT basic
are Alle Semin ln auch einze buchbar!
Psychische Krankheitsbilder II 7. bis 9. Juli 2022 Vertiefung des Wissens über das Krankheitsbild der Angststörungen. Heranführung an die Psychoedukation bei psychischen Störungen im Allgemeinen und speziell bei Angststörungen sowie affektiven Störungen.
Theologische Grundlagen 6. bis 8. Oktober 2022 Vertiefung systematischer Theologie und Einführung in Anthropologie und Ethik nach einem überkonfessionellen Ansatz sowie Einbezug von Gebet in die Beratung.
Psychische Krankheitsbilder I 24. bis 26. November 2022 Einführung in allgemeine Psychotherapie und Überblick über alle psychischen Krankheitsbilder anhand der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10). Dabei Vertiefung von einem der häufigsten Krankheitsbilder: affektive Störungen.
Lebensstil und Stressmanagement 19. bis 21. Januar 2023 Erlernen eines auf Stärken fokussierten Persönlichkeitsmodells (Big Five). Vermittlung von umfassendem Wissen und Werkzeugen zum Thema Stressmanagement und Life-Balance.
Weitere Informationen und das Online-Formular für die Anmeldung finden Sie hier:
↗ www.deignis/CiBT
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Bericht aus der de’ignis-Stiftung Polen •
Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Betenden und Spender:innen für die Unterstützung unserer Arbeit in Polen. Nach wie vor sind wir dort aktiv, trotz Corona. Im Mai startet ein weiterer Durchgang unseres Seelsorgekurses, nachdem wir den letzten Durchgang in Wrocław (ehemals Breslau) abgeschossen haben. Der neue Kurs findet in Łódź statt. Auch die Beratungsstellentreffen in Warschau und die Summer-School in unserem Tagungs- und Freizeitheim in Pomysk sind geplant. Allerdings erschwert Corona unsere Arbeit erheblich, weil die persönlichen Kontakte nicht wie gewohnt stattfinden können. Dennoch bleiben wir dran, ob mit Präsenzveranstaltungen oder online. Der Bedarf an Seelsorge im Land ist sehr hoch Sie möchten die Arbeit der de’ignis-Stiftung unterstützen? Eine Spendenquittung kann auf Wunsch ausgestellt werden.
und es gibt außer uns wenige Anbieter, die fachlich fundierte und gleichzeitig biblisch orientierte Seelsorgeschulungen anbieten. Für uns ist die biblische Anthropologie bei aller notwendigen Fachlichkeit wegweisend. Gerade jetzt sind wir jedoch in besonderer Weise auf Gebet und weitere Unterstützung angewiesen, da wir die coronabedingten Rückgänge ausgleichen müssen. Unser Seminar- und Tagungshaus (Haus Ichtys) bei Bytów • hatte vorübergehend eine große Zahl an Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen. Sie konnten mittlerweile bei Familien in der Umgebung untergebracht werden. Danke für alle bisherige Unterstützung!
Spendenkonto: Christliche Stiftung de’ignis-Polen • Sparkasse Pforzheim IBAN: DE83 6665 0085 0007 2605 12 • BIC: PZHSDE66XXX
Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Online-Kurs in Stressbewältigung
Gelassen und sicher mit Stress umgehen. Sie möchten im Alltag Situationen gelassener begegnen, Stress abbauen, wieder Entspannung und Erholung finden? Unser Online-Kurs zur Stressbewältigung hilft Ihnen im Umgang mit Stress und fördert Ihre Stresskompetenz. Lernen Sie persönliche Stressfallen zu erkennen, Ihre Widerstandsfähigkeit gegen Stress zu verbessern, stressbedingte Gesundheitsrisiken effektiv zu verringern und Weichen für einen gesundheitsförderlichen Lebensstil zu stellen.
Ab sofort als Online-LiveVeranstaltung. Jetzt anmelden! en Sie auc Weitere Infos find .de auf www.deignis
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Interesse geweckt? Melden Sie sich ganz einfach online an!
de’ig n is-ma g a z in – Aktuell – Stiftung
Besuchen Sie uns auf www.deignis.de de’ignis-Fachklinik gGmbH • Walddorfer Straße 23 • 72227 Egenhausen • Telefon 07453 9391-0 • info@deignis.de
Kurs in begleitender Seelsorge Zur Begleitung von Menschen in Lebenskrisen, Glaubensfragen und psychischen Nöten. Unsere Botschaft von Gnade und Liebe, gepaart mit Glaube und Hoffnung, fundiert mit solidem Fachwissen und dem Ziel einer prozesshaften Entwicklung, ist das Fundament aller Seminarinhalte. Dieser Seelsorgekurs umfasst insgesamt zehn Seminare. Eingeladen sind Christen, die einen inneren Ruf zur Seelsorge verspüren, aber auch solche, die sich einfach nur für seelsorgerliche Fragen interessieren. Der Kurs in begleitender Seelsorge soll zur qualifizierten Begleitung von Menschen in Lebenskrisen, Glaubensfragen und psychischen Nöten befähigen. Darüber hinaus vermittelt der Kurs Einsichten in die verschiedenen Entwicklungsphasen des menschlichen Lebens und bietet damit die Möglichkeit, sich selbst besser verstehen und kennen zu lernen.
Der Kurseinstieg ist jederzeit möglich, da die Lehreinheiten regelmäßig in weiteren Zyklen im Tabor Schulungszentrum wiederholt werden. Weitere Informationen erhalten Sie im Internet unter www.deignis.de/fortbildung oder unter der Telefonnummer 07434 7234 -176
Seminar 3 22.–23.7.2022
Psychische Krankheitsbildere einordnen und verstehen lernen.
Seminar 4 Darstellung der gängigen Therapieschulen 30.9.–1.10.2022 und ihre Behandlungsverfahren Seminar 5 25.–26.11.2022
Freundschaft, Liebe, Sexualität – im Jugendalter und in der Ehe
Aufgrund der aktuellen Situation und den damit verbundenen Unsicherheiten bei der Planung bitten wir Sie, sich über aktuelle Termine und Informationen auf unserer Website unter www.deignis.de/fortbildung/seelsorge-schulung zu erkundigen und gegebenenfalls auf Ausweichtermine zu achten. Diese werden rechtzeitig online bekannt gegeben.
Veransta ltung s or t : Tabor Schulungszentrum für Seelsorge, Beratung und neutestamentliche Dienste Sigmaringer Straße 64 · 72474 Winterlingen www.tabor-schulungszentrum.de
S em inarleitung : Winfried Hahn
www.deignis.de/fortbildung de’ignis -Institut gGmbH • Markgrafenweg 17 • 72213 Altensteig Telefon 07453 9494-0 • institut@deignis.de • www.deignis.de
de’ignis-Fachklinik Fachklinik auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik • stationäre medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen • ambulante und teilstationäre Rehabilitation und Behandlungen • Sanatoriumsbehandlungen • Nachsorge IRENA und Psy-RENA • Prävention und Vorsorge • Assessment-Center
de’ignis-Wohnheim Sozialtherapeutisches Wohnheim nach biblischen Grundsätzen mit Einzel- und Gruppenangeboten • Gesprächstherapie • Sozialtraining • Arbeitstraining (z. B. im eigenen Verlag) • Freizeitpädagogik • individuelle Betreuung
de’ignis-Institut Institut für Psychotherapie und christlichen Glauben • Kurs in begleitender Seelsorge • Vernetzung von Fachleuten • Fortbildung in Christlich-integrativer Beratung und Therapie • Gesundheitscoaching • Supervision • ambulante Beratung für Erwachsene • Sozialpädagogische Beratung für Kinder, Jugendliche, Familien • Weitere Angebote zur Prävention
de’ignis-Stiftung Polen Christliche Stiftung mit Einzel- und Gruppenangeboten • Ambulante Therapieangebote, stationäre in Planung • Schulungen • Freizeitpädagogik
Besuchen Sie uns auf www.deignis.de