magazin Nr. 49/2015
Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Eine Gesellschaft in seelischer Not. Krankheiten unserer Zeit.
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Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Psychotherapie, Psychiatrie, Psychosomatik auf christlicher Basis.
Meine Seele verdient die beste Behandlung. In der de’ignis-Fachklinik erhalten Sie bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen, Ängste, Zwänge und Burnout, sowohl stationär als auch ambulant oder tagesklinisch, eine individuell auf Sie ausgerichtete Behandlung. Nutzen Sie auch unsere Präventionsangebote, um bereits heute Ihrer seelischen Gesundheit nachhaltig etwas Gutes zu tun. Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung oder Sie besuchen uns auf www.deignis.de
de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik · Walddorfer Str. 23 · 72227 Egenhausen Telefon + 49 (0) 7453 93 91- 0 · info @ deignis.de
Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Titelbild: Seleneos / photocase.de
in den vergangenen Jahren hat die Bedeutung der Gesundheit stark zugenommen. Bis ins hohe Alter vital und damit leistungsfähig zu sein, sind mitunter wichtige Maximen der heutigen Gesellschaft. Doch befindet sich die Gesellschaft auch in einer seelischen Not? Der Mensch, mit seiner Zielsetzung einer eigenverantwortlichen Selbstverwirklichung, sieht sich zunehmend einem komplexeren und global interagierenden Umfeld, dessen Anforderungen stetig steigen, gegenüber. Er wird gefordert und ist dabei in bestimmten Situationen auch überfordert. Wissenschaftliche Studien und die jährlichen Gesundheitsberichte verschiedener Institutionen zeigen auf, dass die Anzahl psychischer Erkrankungen über die letzten Jahrzehnte hinweg signifikant gestiegen ist. Fast jeder scheint im direkten oder indirekten Umfeld mit Krankheiten der Psyche wie Depression, Ängste, Zwänge, Essstörung oder Burn-out konfrontiert zu sein, die unter anderem auch als Krankheiten unserer Zeit benannt werden. Somit steht die psychische Gesundheit im gesellschaftlichen Fokus wie nie zuvor. Die Fähigkeit des Balance-Haltens scheint in einer Zeit der Erschöpfung und des Leistungsdruckes von besonderer Bedeutung zu sein (S. 6). Manchem Menschen gelingt dieser Balanceakt nur bedingt. Eine besondere Herausforderung ergibt sich hierdurch in der Differenzierung einer vorrübergehenden emotionalen Stimmungsschwankung von einer wirklichen psychischen Erkrankung (S. 10). Gerade für Angehörige, Freunde, Vorgesetzte oder sonstige Personen im Umfeld eines psychisch angeschlagenen Menschen stellt es sich oftmals als schwierig dar, psychische Veränderungen einer Person richtig einzuschätzen und adäquat zur Hilfe zu stehen (S. 16). Da jeder Mensch ein Original ist, gibt es ebenso unterschiedliche Ausprägungen einer psychischen Erkrankung und ihrer jeweiligen Behandlung (S. 20). Den Glauben oder das Gottvertrauen als eine persönliche Ressource bei der Bewältigung von psychischen Erkrankungen und viel mehr für die psychische Gesundheit zu sehen, ist eine Erkenntnis die für den Einzelnen elementar sein kann (S. 26).
Als de’ignis greifen wir die geschilderten Themen in unserem täglichen Handeln vielfältig auf und helfen so seit fast 30 Jahren Menschen die sich in einer seelischen Not befinden. Daher möchten wir Ihnen neben den interessanten Artikeln zum Titelthema dieses Magazins, auch gerne wieder einen Einblick sowohl zu aktuellen Themen in den einzelnen Bereichen bei de’ignis als auch der Therapieentwicklung geben. Wir wünschen Ihnen angeregte Gedanken beim Lesen des Magazins.
Ihr Claus Jürgen Hartmann und Winfried Hahn, die Herausgeber
Claus-Jürgen Hartmann
Winfried Hahn
Geschäftsführer,
Geschäftsführender Heimleiter,
de’ignis-Fachklinik und
de’ignis-Wohnheim,
de’ignis-Institut
Vorstandsvorsitzender Christliche Stiftung de’ignis-Polen
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Alles zum Thema Winfried Hahn, Claus J. Hartmann, Sebastian Hartmann, Rainer Oberbillig, Maike Prolingheuer, PD Dr. med. Herbert Scheiblich
Redaktion
Balance halten in einer Zeit der Erschöpfung und des Leistungsdrucks.
von Margot Käßmann 6
Blues-Stimmungen? Oder Depressiv erkrankt? Beschreibung eines Krankheitsbildes. von Rainer Oberbillig
AD Dipl.-Ing. Rainer Haas, haas@ad-stuttgart.de
Druck
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Die unterschiedlichen Gesichter der Angststörungen und ihre Behandlung. Soziale Phobie, Generalisierte Angststörung, Agoraphobie, Panikstörung, spezifische Phobien.
von Dr. Benjamin Zeller 20
Angstbewältigung. Und christlicher Glaube.
von Winfried Hahn 26
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Theorie- und Therapieentwicklung Die Leiden des jungen Werther. Nie Erwachsen – ewig jung bleiben, oder!? von PD Dr. med. Herbert Scheiblich
Umgang mit Schuld in der Therapie. von Jan Hilbig
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de,ignis-Aktuell Termine, Berichte, Aktuelles
Papier
Henkel GmbH Druckerei, Stuttgart LuxoArt Samt New
Auflage
16.000
de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik Walddorfer Straße 23 72227 Egenhausen Telefon: +49 (0) 7453 9391 0 Fax: +49 (0) 7453 9391 193 E-Mail: info@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG IBAN: DE50 6426 1853 0062 1680 02 BIC: GENODES1PGW
Herausgeber
von Simone Marquardt 16
von Rainer Oberbillig
Timm Hartmann, mail@nimmtimm.de Gestaltung und Produktion
In guten wie in schlechten Tagen? Über die emotionale Situation von Angehörigen Depressiver.
Aus der Abhängigkeit zur Freiheit: Sehnsucht, Sucht und Gnade.
Konzept, Layout und Gestaltung
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de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: +49 (0) 7575 9250 70 Fax: +49 (0) 7575 9250 730 E-Mail: wohnheim@deignis.de Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch IBAN: DE46 6905 1620 0000 1053 38 BIC: SOLADES1PFD de’ignis-Institut gGmbH für Psychotherapie und christlichen Glauben Markgrafenweg 17 72213 Altensteig Telefon: +49 (0) 7453 9494 0 Fax: +49 (0) 7453 9494 396 E-Mail: institut@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG IBAN: DE60 6426 1853 0066 6240 02 BIC: GENODES1PGW Christliche Stiftung de’ignis-Polen Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: +49 (0) 7575 9250 70 Fax: +49 (0) 7575 9250 730 E-Mail: wohnheim@deignis.de Sparkasse Pforzheim IBAN: DE83 6665 0085 0007 2605 12 BIC: PZHSDE66XXX Alle de’ignis Einrichtungen sind gemeinnützig und arbeiten überkonfessionell. Spendenbescheinigungen werden auf Wunsch gerne ausgestellt.
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Balance halten in einer Zeit der Erschöpfung und des Leistungsdrucks. von Margot Käßmann
Manchmal entsteht der Eindruck, es und nachmittags wurde Kaffee getrunwürde eine Art Dauererschöpfung um ken. Das begann um 15 Uhr, der Kuchen sich greifen. Alle Menschen scheinen wurde am Samstag gebacken; die eine permanent beschäftigt, es ist schwer, Zeit oder andere Tante kam vorbei – ohne füreinander zu finden – glücklich wirken vorherige Verabredung! Wir saßen einwenige. Viele sind offenbar erdrückt von fach zusammen. Keiner sprang auf, um Erwartungen: Beruflich wird Höchstleis- schnell mal zu telefonieren, eine SMS zu tung erwartet, Mails türmen sich stünd- schicken oder Mails abzurufen. Was halich und sind nur schwer zu ignorieren, ben wir nur mit all der uns zur Verfügung die Familie braucht Zeit, und Zeit ist stehenden Zeit gemacht? Niemand hatte knapp, sogar für sich selbst. Das kenne ich das Gefühl, sie wäre vertan. Es wurden auch selbst sehr gut: Die SMS wartet auf meist keine tiefgründigen Gespräche geAntwort, am Text für die Predigt sollte führt; es war schlicht Kaffeezeit. Irgendich intensiver arbeiten, meine Mutter wie war das auch Schonzeit, wie so manmüsste ich längst besucht haben, und che Rituale sie ermöglicht haben: Keine meine Freundin wartet auf einen Anruf. Wäsche waschen am Sonntag oder „zwiDazu kommt, dass ich gerne mehr lesen schen den Jahren“, kein Kino in der Passiwürde, mir natürlich bewusst bin, dass onszeit, Schlafen gehen um 22 Uhr, denn die Seele auch mal baumeln muss, und „der Schlaf vor Mitternacht ist der beste“, ich möchte öfter joggen gehen. Gleich- wie meine Mutter uns immer wieder gezeitig gibt es Alltagsnormalität: Die sagt hat. Blumen wollen gegossen sein, der Kühl- Heute würden viele in einer solchen schrank ist schon wieder leer, und ich Situation Unruhe befallen. Wir verabmüsste dringend meine Wohnung put- reden uns von 15 bis 16 Uhr auf einen zen, ganz abgesehen davon, dass ich beim Kaffee und tragen das Tage, ja, Wochen letzten Umzug die Bücher einfach so ins vorher in den Terminkalender ein. Auch Regal gesteckt habe und nichts mehr in den Restaurants bimmelt und schnurrt finde, weil sie noch immer unsortiert während des Essens oft ein Handy nach sind. Nicht zuletzt muss ich aufpassen, dem anderen. Immer muss etwas offenbar dass ich keinen Geburtstag verpasse, ich sofort erledigt oder beantwortet werden. möchte eigentlich sinnvoll schreiben, Die Waschmaschine läuft, der Trockund auch das Tagebuchführen hatte ich ner wird bestückt, wann immer es nötig mir doch eigentlich fest vorgenommen. scheint. Während Menschen früher eiWie habe ich das alles nur bewältigt, als nen Brief geschrieben haben, ihn zum Briefkasten brachten und dann in Ruhe ich noch Schulkinder im Haus hatte? Mit einer Freundin sprach ich neu- auf eine Antwort warteten, bekomme lich darüber, wie geregelt die Sonntage in ich heute nach zwei Stunden eine emunserer Kindheit waren. Nach dem Früh- pörte Mail, warum um Himmels willen stück ging es in die Kirche, nach dem ich noch nicht auf die Anfrage reagiert Mittagessen gab es einen Spaziergang habe. Das Lied von Tim Benzko, „Muss
nur noch kurz die Welt retten“, bringt das wunderbar auf den Punkt. Balance suchen
Sosehr wir bei dem Lied auch lächeln mögen, oft ist solches Leben längst Realität. Es gibt Menschen, die für ihren Beruf, ihre Sache den ganzen Tag engagiert sind – völlig absorbiert von dem, was sie tun. Viele sind so im Schaffens- oder Aktivitätsrausch, dass sie nicht mehr wissen, wofür sie eigentlich Tag und Nacht arbeiten. Sie merken gar nicht, wie die eigene Lebenszeit ihnen durch die Hände rinnt, sie die wichtigsten Dinge im Leben, die sich eben nicht kaufen lassen, verlieren: Beziehung, Liebe, Zuwendung, Vertrauen. Zeit darf nicht mehr „vertrödelt“ werden – ein altmodischer Begriff, ich weiß! Doch so verlieren wir den Rhythmus zwischen Schaffen und Ruhen. Genau diesen Rhythmus hat das dritte biblische Gebot im Sinne: „Du sollst den Feiertag heiligen.“ Es ist kein Verbot, sondern das Angebot für ein anderes Leben, eines, das Prioritäten setzen kann und heilsame Rhythmen kennt, ja, etwas wie Muße kennt. In dem Gebot geht es nicht zuallererst darum, dass Gott diesen Tag braucht, damit wir ihn loben und ehren. Nein, es geht um den Menschen, der Zeit braucht, um sich auf das Wesentliche im Leben zu besinnen. Es geht um den Menschen, der Zeit benötigt, in der er nicht arbeitet, sondern der Seele Raum gibt, frei ist von Druck, sich mit Freunden trifft, nachdenkt, spazieren geht, Leerlauf zulässt. Und ja, auch zum Gottesdienst geht, sich einbringt in das Lob Gottes rund um die
Foto: zweisam / photocase.de
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„Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten. Denn welchen Nutzen hätte der Mensch, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre sich selbst oder nähme Schade an sich selbst?“ (LK 9,24 – 25)
Foto: goegi / photocase.de
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Erde, ohne dass ein irgendwie gearteter Zweck dahintersteckt. Eine Gesellschaft, die um eines vermeintlichen Wirtschaftswachstums willen solche Rhythmen abschaffen will, wird irgendwann einem kollektiven Burn-out-Syndrom erliegen, wird vor Erschöpfung und Verlust von Sinn und Ziel zusammenbrechen. Vor einiger Zeit habe ich genau das erlebt. Ein Kollege, der immer so stark, souverän, geradezu unerschütterlich schien, ließ „die Flügel hängen“. Bei ihm konntest du noch im Urlaub abends Mailantworten erhalten und er war stolz auf diese Dauererreichbarkeit. Aber dann war Schluss. Er konnte nicht mehr, hat von einem Tag auf den anderen alles fallen lassen müssen. Ihm fehlte die Kraft zum Weitermachen. Und das war bitter für ihn und schwer zu tragen für sein Umfeld. Ich muss zugeben: Mir fällt Muße auch schwer. Keine Mails abrufen, das Handy abschalten – ich will das allerdings auch nicht schon wieder als Zwang ansehen nach dem Motto: Aber im Urlaub darfst du den PC nicht anwerfen! Eine Balance scheint mir erstrebenswert, eine Gelassenheit, die weiß, dass nichts, was ich tue, und nichts, was ich heute versäume, gleich „die Welt rettet“ – oder eben nicht.
wirken sie oft haltlos, wurzellos. Ich sehe sie im Fernsehen und frage mich: Welcher Mensch steckt dahinter? Welche Gefühle, Lebensziele hat er? Was treibt ihn wirklich an, was macht diesen Menschen im Innersten aus? Wo sieht er Sinn? Ein Wort Jesus zielt genau auf diesen Fragen: „Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s erhalten. Denn welchen Nutzen hätte der Mensch, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre sich selbst oder nähme Schade an sich selbst?“ (Lk 9,24 – 25). Ein Politiker, sehr expo-
niert, immer unter Druck, hat mir einmal gesagt, dieser Bibelvers hätte für ihn oft die notwendige Bremsfunktion. Was will ich eigentlich? Wer bin ich? Was treibt mich wirklich an? Der Kornbauer agiert angesichts der Anforderungen ökonomisch gesehen sinnvoll: Scheunen erweitern, Möglichkeiten schaffen. Aber er verliert den Blick auf sein Leben. Schaden an der Seele – das wäre ja Depression oder eine andere der vielen seelischen Erkrankungen, die immer mehr Menschen betreffen. Vielleicht ist es aber auch schon die Daueranspannung und damit gleichzeitig Dauererschöpfung, die um sich zu greifen scheint. Da sind zum einen die vielen Anforderungen an unser Leben. Das gilt sicher besonders Schaden an der Seele in der sogenannten „Rushhour“ zwischen Eine Therapeutin sagte mir, „Burn-out“ Mitte zwanzig und Mitte vierzig, wenn sei ein Begriff, den es nur im Deutschen wir beruflich gefordert sind, eine Famigebe – absurderweise ein Anglizismus! lie gründen, Eltern begleiten sollen. In Letzten Endes sei Burn-out eine Depres- diesem Jahr hatte ich manchmal den sion. Wer Burn-out habe, werde in unse- Eindruck, nur weitermachen zu können, rer Gesellschaft als gestresster Vielarbei- wenn ich nicht anhalte. Einmal pausiert, ter anerkannt, wer dagegen depressiv sei, dann findest du keine Kraft mehr, das müsse mit Verachtung und Ausgrenzung Tempo wieder aufzunehmen. Der Tagesrechnen. Gerade das ist doch deprimie- ablauf berufstätiger Eltern kennt keine rend! Warum darf niemand klarmachen, Pause. Kinder sind eine Daueranfordedass er dem Druck nicht mehr standhält, rung an deine Präsenz und Kraft. Und Schwäche zugeben? Wer das tut, muss wer Angehörige versorgt oder pflegt, kann nicht einfach mal unterbrechen. mit einer gewissen Verachtung rechnen. Die „Macher“ rasen um den Globus, Dabei ist es doch wunderbar, Kinder zu scheinen 24 Stunden am Tag zu arbeiten, erziehen und für Eltern Zeit zu haben! bewegen Millionen Euro locker hin und Aber wir müssen und dürfen auch sehen, her über die Märkte der Welt. Und doch dass es viel Kraft kostet.
Vielleicht ist es erst einmal wichtig, die eigene Erschöpfung wahrzunehmen. Mir selbst zuzugestehen, dass ich nicht mehr kann. Und mich auf die Suche nach einer Kraftquelle zu machen. Eine Frau erzählte mir neulich, sie sei auf einer Tagung gewesen und ihr Mann habe an dem Wochenende die Kinder versorgt. Sie sei glücklich gewesen, intellektuell gefordert, Frühstücken am gedeckten Tisch, abends nicht auf die Uhr zu schauen, sondern mit anderen bei einem Glas Wein ohne Druck plaudern. Wenn sie sich das ehrlich anschaue, müsse sie sagen, sie habe keine Lust gehabt, nach Hause zu fahren. Aber das dürfte sie natürlich niemandem erzählen. Warum eigentlich nicht? Warum sind diese Bilder, denen wir meinen, entsprechen zu müssen, so stark?
Aus dem Buch „Mehr als Ja und Amen – doch, wir können die Welt verbessern.“ von Margot Käßmann adeo Verlag 2013, Seite 55 -59
Margot Käßmann Prof. Dr. theol., Dr. h.c., geb. 1958, ist evangelisch-lutherische Theologin und Pfarrerin. Sie war von 1999 bis 2010 Bischöfin der größten evangelischen Landeskirche in Hannover und 2009/2010 Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Davor war sie Gemeindepfarrerin, Studienleiterin der Evangelischen Akademie Hofgeismar und Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Seit April 2012 wirkt sie als „Botschafterin des Rates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017“. Margot Käßmann ist Mutter von vier erwachsenen Töchtern.
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Blues-Stimmungen? Oder Depressiv erkrankt? Beschreibung eines Krankheitsbildes. von Dipl.- Psych. Rainer Oberbillig
Das Kreuz mit den negativen Gefühlen und Stimmungen
Färbung ihrer Persönlichkeit, ihrer Sicht am besten mit Moll-Tönen verglichen der Welt. Dies wäre dann eine überdau- werden, die zudem noch eine gewisse ernde Gerichtetheit/Ausrichtung zum Le- Disharmonie in der Gefühlsmusik rüberben, eine melancholische Einstellung zum bringen. „Hallo, wie läuft’s? Alles klar?“ Leben, zu sich selbst, zu anderen, zu Gott. Von der Stimmung muss die emoti„Oh je, fragt bloß nicht […] Ich hab’ Damit sehen wir auch schon den ganz- onale Verstimmung/negative Gefühlsmämal wieder meine Depressionen!“ Der kleine Dialog zeigt uns einen ver- heitlichen Charakter einer Stimmung: ßige Befindlichkeit unterschieden werden, breiteten Gebrauch des Begriffs Depres- Sie wird schon körperlich sichtbar, er- die wesentlich kurzfristiger anhält und sionen in der Alltagssprache. In diesem scheint in der Stimme und findet die sich eher auf konkrete Situationen beZusammenhang der Frage nach dem Be- entsprechenden Worte, beeinflusst die zieht. Manchmal ist es gar nicht so einfinden meint Depressionen sicher nicht Beziehung zu anderen mit z. B. Griesgrä- fach, zu unterscheiden, ob ich jetzt eher die Volkskrankheit Nr. 1 (zumindest un- migkeit. „Du nervst!“ – kann als Echo frustriert/lustlos/gelangweilt/angefrester den seelischen Erkrankungen). Eher zurückkommen. Es handelt sich dabei sen/einsam/bedrückt/traurig/unausgemuss hier bei diesem Beispiel gedacht auch um eine für einen gewissen Zeit- schlafen oder sonst was bin oder ob ich werden an eine typische morgendliche raum andauernde emotionale (Gefühle), eine depressive Verstimmung habe oder Verstimmung oder eine durchaus ein paar kognitive (gedankliche) und verhaltens- in einer tagelangen depressiven GrundTage anhaltende „dysphorische“ (nieder- mäßige (Körperausdruck, Sprache, Be- stimmung bin, die ich mir selbst nicht so richtig erklären kann. (siehe Abbildung gedrückte) Stimmung. Eine bessere Be- nehmen) Gestimmtheit. schreibung des gefühlsmäßigen Befin- In der Zeit des Heranwachsens zwi- „Der Gefühlsstern“) dens in unserem Beispiel könnte so aus- schen 12 und 18/20 können solche Stim- Hier haben wir ein weiteres Untersehen in der Umgangssprache: „Ich habe mungen auch ständig wechseln. Dies scheidungskriterium: Welchen Namen gerade mal wieder einen Blues, bin grad hängt mit Hormonen zusammen, die hat mein Gefühl? Auf welche Situation unser Gefühlsleben steuern und in der bezieht es sich, kann man es also erklären? mies drauf usw. […]“ Wenn wir den Begriff „Stimmung“ Zeit der biologischen Reifung oft star- Ist es unabhängig von der Situation, also näher betrachten, fällt uns vielleicht auf, ken Schwankungen unterworfen sind: schwerer zu erklären und nicht so genau dass das Wort Stimme darin enthalten Zwischen himmelhoch jauchzend und zu beschreibbar: Dann handelt es sich eher ist. Mit einer von mir beschriebenen Tode betrübt also. In letzterer Beschrei- um eine (vorübergehende?) Stimmung. Stimmung sage ich, dass meine Stimme bung finden wir schon einen Hinweis auf Die schon erwähnten Hormonz. B. „bedrückt/gedrückt“ klingt, eventu- eine Eigenart von Depressionen: Eine schwankungen in der Wachstumsphase ell auch meine Körpersprache/nonver- abnorme/ungewohnte Traurigkeit, die oder Jugendlichenentwicklungsphase fühbale Stimme meines Körpers die gefühls- sich von dem unterscheidet, worüber ren zu einem Auf und Ab in der Gefühlsmäßige Last, die ich auf mir liegend emp- ich manchmal echt betrübt bin, für eine welt, die der geplagte Jugendliche oder finde, schon ausdrückt. Nicht umsonst begrenzte Zeit eben und in begrenztem junge Erwachsene meist selbst nicht versteht. Die extremen Schwankungen sprechen wir auch von Schwermut oder Ausmaß. Schwermütigkeit, dann allerdings im Zu- Auch an die Stimmung eines Musik- werden von der Umgebung als Launen sammenhang mit der Grundstimmung instrumentes kann gedacht werden. Die wahrgenommen, die unberechtigt sind einer Person, der emotionalen Farbe/ vorübergehende traurige Stimmung kann und die anderen nur „nerven“. Frustra-
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tionen können schwer verkraftet werden, sog. Biorhythmus, der mit unserem geübertrieben aggressive Reaktionen wie samten Stoffwechsel zusammenhängt. „du nervst! Ich hasse dich!“– lautstark Bei den meisten Menschen steigt die heraus gebrüllt – wechseln mit Selbst- Tagesleistungskurve bis zu einem „Hoch“ hass, Selbstmitleid und „Depri-Gefüh- zwischen 9:00 Uhr bis 12:00 Uhr morlen“. Letzteres kann auch ein Synonym – gens an. Man kann dann das berüchtigte gleich lautende Beschreibung – von „Mittagstief “ zwischen 13:00 Uhr bis „Niemand versteht mich“/„Keiner akzep- 16:00 Uhr beobachten, wobei dann wietiert mich“ sein. der ein Leistungshoch bis ca. 20:00 Uhr Oder ist das meine Grundstim- zu erwarten ist. Bei jungen Erwachsemung: Bin ich grundsätzlich eher me- nen kann sich diese Kurve allerdings belancholisch, pessimistisch, vorsichtiger, trächtlich in die Abendstunden verschiegrüblerischer […] bedrückter […] nehme ben, sodass die für die Eltern oft schwer Dinge schwerer als andere??? nachvollziehbare Nachtaktivität möglich Noch auf ein letztes soll eingegan- ist: z. B. Disco, unter anderem Verabregen werden, bevor wir uns der ernsten dungen frühestens ab 22 Uhr […] morgens und erst recht ernst zu nehmenden sitzt man dann in der Schule wie ein Krankheit Depression zuwenden: dies „Schluck Wasser in der Kurve“, fühlt sich betrifft die Gefühlsschwankungen im unausstehlich, deprimiert, schlecht geVerlauf eines Tages oder in Abhängigkeit launt, „angemacht“ oder schlicht „neben von der Jahreszeit. Unser Leistungsver- der Kap“. Dieser morgendliche Hänger mögen unterliegt einem Tagesrhythmus/ hat natürlich nichts mit wirklichen
Depressionen zu tun, sondern mit einem noch wenig ausbalancierten Lebensstil. Auch jahreszeitliche Rhythmen sind in der Natur bekannt: „Im Frühling erwacht die Natur, im Herbst/Winter versinkt sie in den Winterschlaf “. In ähnlicher Weise entwickeln wir in Abhängigkeit vom zunehmenden Lichteinfall, der unseren Stoffwechsel hormonell positiv ankurbelt, im Frühling möglicherweise Frühlingsgefühle, könnten Bäume ausreißen […] In entgegengesetzter Weise kann es im Herbst dann zu saisonalen Eintrübungen des Lebensgefühls kommen: man fühlt sich ganz allgemein müder, körperlich weniger aktiv, neigt vielleicht mehr zum Grübeln.
Der Gefühlsstern
Angst
Ärger Wut/Haß
Panik Angst
Ärger
Schiss
Genervtheit
Bammel Besorgnis
Zuneigung
Liebe
Zuneigung
Sympathie
Unzufriedenheit
Gleichgültigkeit
Scham Niedergeschlagenheit
Freude
Glück
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Zufriedenheit
Bedauern Enttäuschung Mitleid
Minderwertigkeit Verzweiflung
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Erscheinungsformen von Depressionen 1 2 Das depressive Syndrom bezeichnet nicht eine ätiologisch 3 einheitliche Erkrankung, sondern wohl eher eine Gruppe von Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen, unterschiedlichen Ursachen und auch voneinander abweichenden Verläufen.
1.1. Typische Symptome
Während einer depressiven Episode leidet die betreffende Person gewöhnlich unter 1. gedrückter Stimmung 2. Interessenverlust, 3. Freudlosigkeit und einer 4. Verminderung des Antriebs. Die Verminderung der Energie führt zu erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung. Deutliche Müdigkeit tritt oft nach nur kleinen Anstrengungen auf. Für die Diagnosestellung – nach der Internationalen Klassifikation (psy4 chischer) Erkrankungen sollten mindestens zwei der erwähnten Symptome in der Regel während mindestens zwei Wochen vorhanden sein und zusätzlich mindestens zwei der folgenden, häufig auftretenden Symptome 1.2. Häufige Symptome 1. Verminderte Konzentration und
Aufmerksamkeit 2. Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen 3. Schuldgefühle und Gefühle der Wertlosigkeit 4. Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven 5. Suizidgedanken, erfolgte Selbstver letzung oder Suizidhandlungen 6. Schlafstörungen 7. Verminderter Appetit Während einer leichten depressiven Episode leidet der Betreffende unter den Symptomen und Schwierigkeiten, seine normale Berufstätigkeit/Ausbildung und seine sozialen Aktivitäten fortzusetzen, gibt aber die alltäglichen Aktivitäten
nicht vollständig auf. Eine mittelschwere depressive Episode zeichnet sich oft durch eine größere Anzahl von Symptomen aus und der Patient kann seine sozialen, häuslichen und beruflichen Aktivitäten nur unter erheblichen Schwierigkeiten fortsetzen, während dies bei Vorliegen einer schweren depressiven Episode sehr unwahrscheinlich oder nur noch sehr begrenzt möglich ist. 1.3. Körperliche Symptome
Manchmal besteht während einer depressiven Episode ein so genanntes somatisches Syndrom. Es sollten dann wenigstens vier der folgenden Symptome vorhanden sein: 1. Interessenverlust oder Verlust der Freude an normalerweise angeneh men Aktivitäten 2. Mangelnde Fähigkeit, auf eine freundliche Umgebung oder freudige Ereignisse emotional zu reagieren. 3. Frühmorgendliches Erwachen; zwei oder mehr Stunden vor der gewohn ten Zeit 4. Morgentief 5. Der objektive Befund einer psycho motorischen Hemmung oder Agi tiertheit 6. Deutlicher Appetitverlust 7. Gewichtsverlust, häufig mehr als 5 % des Körpergewichts im vergange nen Monat 8. Deutlicher Libidoverlust Entsprechend dem Verständnis des Menschen als dreidimensionale Leib-SeeleGeist-Ganzheit kann eine Depression nicht einfach als Erkrankung im psychischen Bereich aufgefasst werden. Sie muss verstanden werden als Erkrankung des ganzen Menschen in seiner somatischen/körperlichen, seiner psychischen/ seelischen und in seiner geistig-geistlichen (pneumatischen) Dimension. Die Ursache (Ätiologie), die Auswirkungen (Symptomatik) sowie auch die therapeutischen Möglichkeiten (Ressourcen) müssen in jeder einzelnen Dimension untersucht (gesucht) werden. Dies jedoch
im Sinne eines vernetzten, ganzheitlichen, integrierenden Vorgehens. Auswirkungen der Depression auf den ganzen Menschen
Die Auswirkungen der Depression betreffen gemäß unserer Definition in der seelischen (psychischen) Dimension den gesamten Bereich unserer Affekte (Gefühlsebene), den Bereich unserer Kognitonen (Wahrnehmungs-, Denk- und Verstandesebene) sowie den Bereich der Motivation (Willensebene). Zu den negativen Gefühlen gesellt sich also eine negativ gefärbte Wahrnehmung mit negativem Denken sowie das „Nicht mehr Wollen können“. Die konkret auftretenden Symptome sind in der Beschreibung gemäß ICD-10 ausreichend aufgelistet. In der körperlichen (somatischen) Dimension lässt sich die Beschreibung des somatischen Syndroms gemäß ICD-10 ergänzen durch Müdigkeit, Schlafstörungen, Verlust an sexuellem Interesse sowie Sexualfunktionsstörungen, Verstopfung, Verlangsamung, veränderte Körperhaltung, allgemein erhöhte Krankheitsanfälligkeit. In der geistig-geistlichen (pneumatischen) Dimension kann sich die Depression so auswirken, dass der Patient seinen (Lebens)sinn verliert. Als Folge einer Vertrauenskrise glaubt der Patient nicht mehr glauben und vertrauen zu können, er kann nicht mehr beten, er kann Gott nicht mehr „erleben“, er kann nicht mehr in der Bibel lesen, er kann das Interesse an religiösen Veranstaltungen verlieren. Das negative Selbstbild wird durch ein negatives Gottesbild (Gott wird primär als strafend, richtend etc. gesehen und nicht als liebend, vergebend […]) ergänzt. Schuldgefühle und Versündigungsideen können dominieren und von Gott ist keine Gnade und kein Erbarmen mehr zu erwarten. (Auch im geistig-geistlichen Bereich gilt was für die anderen Bereiche gültig ist: Es müssen nicht alle Symptome auftreten. Ich habe auch Fälle gesehen, wo sich der Patient im schwärzesten Loch der Depression nahe bei Gott wusste (Ps. 23 „Auch im finsteren Tal, du Gott bist bei mir“).
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„Eine wesentliche empirische Studie über den Glauben bei 110 depressiven Patienten verdanken wir Günter Hole (1977). Dabei zeigte sich: Eine Depression überschattet nicht nur das Leben allgemein, sondern auch das Glaubensleben, das für den religiösen Menschen von besonderer Bedeutung ist. Von vielen Betroffenen wird sie als Glaubensverlust erlebt, als Verdunkelung des Lichtes, das sonst das Leben erhellte, als Versiegen der Lebensenergie, die über natürliche Ressourcen hinausging, als Rückzug Gottes aus der bisherigen Erfahrung des Getragen- und Geführtwerdens. Diese subjektiv empfundene Gottverlassenheit wiegt für den religiösen Menschen oft schwerer als alle anderen Defizite und Verluste. Die depressiven Leitsymptome der Freudund Hoffnungslosigkeit trüben auch die Freude an Gott und die christlich inspirierte Hoffnung für das Leben; die mangelnde kommunikative Resonanzfähigkeit wird auch im Gebet spürbar und
führt zum subjektiven Eindruck, Gott könne nicht mehr hören und erhören; die rasche Erschöpfbarkeit und der soziale Rückzug verhindern die Teilnahme an Gottesdiensten und sozialen Aktivitäten der Kirche und erhöhen das Gefühl der Isolation.“ (Siehe Abbildung „Das Erscheinungsbild von Depressionen ganzheitlich betrachtet“) Zwei Beispiele sollen das Alltagsbild depressiv erkrankter junger Erwachsener illustrieren 5 : Ulrike, 18 Jahre, ist zwar eine ganz gute Schülerin, traut sich aber wenig zu. Ihre guten Schulleistungen führt sie darauf zurück, dass sie Glück hatte und in einer leistungsschwachen Klasse ist. Ulrike sieht die Zukunft düster und weiß nicht, was sie nach der Schule machen soll. Die Mitschüler von Ulrike verstehen nicht, warum sie so traurig und manchmal schon gleichgültig wirkt. In der Klasse hat zwar niemand so richtig Kontakt zu Ulrike,
aber sie wird auch nicht abgelehnt. Ulrike geht von sich aus nie auf andere zu, ist sehr still und möchte schon bei kleinen Fehlern im Erdboden versinken. Seit einiger Zeit leidet Ulrike an (Ein)Schlafproblemen, hat keinen Appetit und fühlt sich wie gerädert. Felix, 20 Jahre, weiß nicht so richtig, was er mit sich anfangen soll. Er möchte sich nicht binden und sich nicht mit einer Freundin auseinandersetzen. Er fühlt sich aber auch schrecklich alleine; er glaubt, dass niemand ihn versteht und gern hat. Oft ist Felix vollkommen passiv und schlapp – manchmal aber auch beängstigend aktiv, wobei man nicht erkennt, was Felix damit bezwecken will. Nach einer solchen ziellosen Aktivität ist Felix wieder „zerschlagen“, fühlt sich nutzlos und glaubt, dass sein Leben überflüssig ist. In solchen Stunden denkt Felix immer wieder an den Tod und entwickelt Selbstmordfantasien. In einer solchen Phase ist er auch nicht ansprechbar und konzentrationsfähig.
Das Erscheinungsbild von Depressionen ganzheitlich betrachtet
Beziehungen: Kontaktfähigkeit eingeschränkt
· Interessenverlust · Gedrückte Stimmung · Freudlosigkeit
· Verminderung des Antriebs · Verminderter Selbstwert · Negative Zukunftsperspektiven u. a.
Seele
Geist
· Kein Sinn mehr sehen · Vertrauensverlust · negatives Gottesbild
· Nicht mehr Beten können · (falsche) Schuldgefühle(?) · Sterbenswunsch(?) u. a.
Körper · Verminderter Appetit · Gewichtsverlust · Schlafstörungen · Sexualfunktionsstörungen · Verlangsamung · Verstopfung u.a.
Beziehungen: Patient sieht sich als Last Umwelt wird tatsächlich beeinträchtigt
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Über die Ursachen auch Folge eines anhaltenden, nicht Depressionen können ihre Ursachen in der gelösten seelischen Konflikts sein, z. B. somatischen Dimension haben. So kön- in der Familie oder Schule oder am Arnen sie z. B. quasi ein Symptom einer Hy- beits-/Ausbildungsplatz. pothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), Depression kann ebenso gut die einer Funktionsstörung der Nebenniere Folge von „falsch“ verarbeiteten Erlebnis(M. Addison, M. Cushing) oder einer sen in der Vergangenheit sein wie auch Suchterkrankung (Alkoholismus) sein. von falschen Zielsetzungen in der GegenEine Depression kann ebenfalls durch wart oder für die Zukunft. Falsche Leitlängeren Cannabis-Missbrauch ausgelöst sätze und falscher Umgang im Bereich werden oder einer schweren oder aus- der Emotionen („ich muss von allen gezehrenden Allgemeinerkrankung (Herz- liebt werden“, „Schmerzvermeidung um infarkt, Lungenentzündung, Krebsleiden) jeden Preis“, „ein Christ ärgert sich nie, folgen. Depressionen werden begünstigt ist immer freudig“), im Bereich der Kodurch Mangelernährung (z. B: Vitamin gnitionen („ich muss perfekt sein“, „ich B1, B12, Folsäure) und auch durch einen kann nichts“, „ich bin nichts wert“, „mir Mangel an Bewegung (aber auch Schlaf- läuft alles schief “, „ich bin ein Versager“) oder Erholungsmangel) oder durch zu ge- sowie auch im Bereich der Motivation ringe (Sonnen-)Lichtexposition (saisonale („ich will alles schaffen, was ich mir vorDepression). Bekannt ist ebenfalls die nehme“, „zu viel Arbeit, keine Ferien“) so genannte Wochenbettdepression, die können alle zu Depressionen führen. wohl durch die mit der Schwangerschaft In der geistig-geistlichen Dimension bzw. Entbindung einher gehenden hor- stellt unvergebene Sünde/Schuld die bekannteste Ursache einer Depression dar. monellen Umstellungen ausgelöst wird. Wichtiger als die oben genann- Pro-depressiv wirken können m. E. jedoch ten krankhaften somatischen Zustände auch „ungesunde Glaubensinhalte oder scheint mir (Ruedi Brodbeck) aber eine -ausprägungen“, ein negatives Gottesbild, meines Erachtens erhöhte wohl gene- eine extrinsische (nur an äußeren Regeln tisch bedingte Bereitschaft zu sein, eine orientierte) religiöse Motivation und die Depression zu entwickeln. Depressionen Teilnahme an okkulten Praktiken. kommen weltweit vor, sie sind familiär Während in unserem zeitgenössigehäuft und auch Zwillingsstudien wei- schen Kontext die Bedeutung der geissen auf einen genetischen Zusammen- tig-geistlichen Dimension oft negiert wird, besteht innerhalb des christlichen hang hin. Dass der somatische Anteil an De- Umfelds die Gefahr, diese gerade in pressionen bedeutsam ist, darauf weist Bezug auf die Entstehung von Depresauch das oft gute Ansprechen auf eine sionen über zu bewerten. Gary Collins medikamentöse antidepressive Therapie schreibt deshalb zurecht 6: „The Christian counselor’s task is made more difficult by a numhin. Oft liegen die Ursachen von De- ber of myths about depression that are widely pressionen in der seelischen Dimension. accepted and sometimes preached. It is not true, Bekannt sind hier die reaktiven Depres- for example, that depression always results from sionen, also Reaktionen des betreffenden sin or a lack of faith in God, that all depression Menschen auf ein Verlusterlebnis, also is caused by self-pity, that it is wrong for a Chrisz. B. auf den Tod einer ihm nahe stehen- tian to ever be depressed, that depressed feeden Person (Eltern, Kind, Lebenspartner, lings can be removed permanently by spiritual Freund […]), auf eine Trennung oder Schei- exercises, that happiness is a choice, or that a dung, auf den Verlust einer Freundschaft, „depressed Christian is a contradiction of terms“. der Arbeitsstelle/Klassengemeinschaft oder (Christian Counseling S. 106) der Position/Aufgabe in der Gemeinde oder im Verein u.a.m. Depression kann
Synthese der seelsorgerlichtherapeutischen Möglichkeiten
Sicher ist bis hierhin schon deutlich geworden, dass ein depressiv erkrankter Mensch fachliche Hilfe benötigt. Vor allem sollte eine fachärztliche Behandlung gesucht werden, da die schlimmsten Auswirkungen von Depressionen mit der heutigen Generation von antidepressiven Medikamenten für den Patienten sehr gemildert werden können. Da der Patient ein Individuum ist, kann eine Behandlung nie schematisch erfolgen. Es ist auch nicht möglich, die drei genannten Dimensionen (s. o.) in unabhängige Sektoren aufzugliedern und quasi nacheinander anzugehen. Jede Veränderung in einer Dimension führt auch zu Auswirkungen in den anderen Dimensionen. Idealerweise werden im therapeutischen Prozess immer alle drei Dimensionen berücksichtigt. Es wird also nicht nur nach dem seelischen und körperlichen Befinden sondern auch nach dem geistlichen Befinden gefragt. (Allerdings darf hier kein Druck ausgeübt werden.) Ebenfalls können in der gleichen Sitzung auch Interventionen in allen Dimensionen getätigt werden z. B. Medikamentenkontrolle, Motivation zu mehr Bewegung, Analyse und Korrektur falscher Leitsätze, Zusprechen von Trost, Hilfe, Anleitung und Motivation zu religiöser Praxis inkl. gemeinsamem Gebet (falls gewünscht). Erfahrungsgemäß kommt es dann einmal hier einmal da zu kleinen Fortschritten die immer weiter auf dem Weg der Heilung führen. Über den Suizid
Auf den Wunsch zu sterben, der zu Suizidgedanken, Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen führen kann, soll wegen der schweren Konsequenzen dieses Symptoms, speziell eingegangen werden. Grundsätzlich ist Suizidalität als ein Symptom des depressiven Syndroms wie jedes andere zu werten. Es kommt in ca. 70 % der Fälle mehr oder weniger stark vor. Allerdings stellt das depressive Syndrom das größte Risiko für einen Suizid
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Es ist hilfreich für den Patienten zu erfahren, dass sein Todeswunsch ein Krankheitssymptom ist (z. B. wie Kopfschmerzen bei Grippe) und dass er offen darüber sprechen darf. Diese Suizidgedanken haben primär nichts mit Sünde und Schuld zu tun, sie resultieren nicht aus „einem Mangel an Glauben“ und es liegt nicht in der Macht des Patienten, ob diese Gedanken kommen oder nicht. Diese Gedanken entsprechen auch nicht „dem freien Willen“ des Patienten. Die Mehrzahl von nach Suizidversuchen geretteten Patienten möchte später nicht mehr sterben und versucht es nicht nochmals. Ebenfalls ist es nicht wahr, dass das Sprechen über Suizid die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Suizid ausgeführt wird. Das Gegenteil trifft zu. Das offene, nicht moralisierende Gespräch hilft Suizide verhüten. Zudem bietet nur das offene Gespräch die Möglichkeit, dem Patienten eine Perspektive zu eröffnen, dass er von diesen quälenden Gedanken wieder befreit und wieder echte Freude am Leben finden kann.
Literatur: Z. f. „Psychotherapie & Seelsorge 1/07 – Depression www.psychotherapieundseelsorge.info Möglichkeiten zu einer ersten Bestandsaufnahme (Fragebogen), ersetzt nicht die ärztliche Diagnose: www.palverlag.de (Hier unter Informationen zu Depressionen schauen)
Fußnoten
Im Folgenden beziehe ich mich überwiegend – in verkürzter Fassung – auf eine unveröffentlichte Seminararbeit von Dr. med. Ruedi Brodbeck (2001)
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2 Syndrom ist der Begriff für eine „Ansammlung/Gruppe“ von Warnzeichen
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von ihren Ursachen her
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ICD – Kapitel V
Aus: U. Petermann (1986) – Kinder und Jugendliche besser verstehen. Ein Ratgeber bei seelischen Problemen. Kösel Verlag.
In deutscher Übertragung: „Die Aufgabe des Christlichen Beraters ist erheblich schwieriger gemacht worden von einer Anzahl Mythen über Depression, die weithin akzeptiert sind und manchmal gepredigt werden. Es ist zum Beispiel nicht wahr, dass Depression immer resultiert aus Sünde oder einem Mangel an Glauben/Vertrauen in Gott, dass jede Depression verursacht wird von Selbstmitleid, dass es falsch ist für einen Christen jemals bedrückt/depressiv zu sein, dass bedrückte Stimmungen auf Dauer beseitigt werden können durch geistliche Übungen, dass Glücksgefühle eine Wahl sind, oder dass ein „niedergedrückter Christ ein begrifflicher Widerspruch“ ist.“ 6
Rainer Oberbillig ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Verhaltenstherapeut (dgvt), Selbsterfahrungsleiter und Supervisor (lpk-BW), Fortbildung in Psychodrama, Christlicher Therapeut (IACP/de’ignis), Leitender Psychologe der de’ignis-Fachklinik.
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dar. Andere Risikofaktoren sind z. B. erhöhter Alkoholkonsum, Drogenkonsum, frühere Suizidversuche sowie Suizide in der Familie. Ebenfalls kommen Suizide häufiger vor bei Männern, im Alter über 45 Jahren, bei Arbeitsunfähigkeit, Pensionierung oder Arbeitslosigkeit sowie bei alleinlebenden Personen. Da sich die Patienten (insbesondere Christen) für diese Gedanken schämen und sie meist deswegen nicht von sich aus zu äußern wagen, ist es unbedingt notwendig, dass der Therapeut das Gespräch über diesen Punkt sucht. Hierzu eignen sich z. B. folgende Fragen: Haben Sie sich in letzter Zeit darüber Gedanken gemacht, dass das Leben keinen Sinn mehr hat? Haben Sie in letzter Zeit den Wunsch verspürt, nicht mehr Leben zu müssen? Wenn ja, erzählen Sie mir bitte Einzelheiten. Selbstmord – haben Sie schon darüber nachgedacht, wie Sie das tun würden?
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In guten wie in schlechten Tagen? Über die emotionale Situation von Angehörigen Depressiver. von Simone Marquardt
Erst einmal: Sie sind wichtig, die Angehörigen, sowohl für den Depressiven als auch für einen (positiven) Verlauf der Krise, und sie können sich nicht einfach aus der Situation herausnehmen, auch wenn sie in den Therapieprozessen oft „übersehen“ oder gar als Ursache der Depression interpretiert werden. Im Gegensatz zu den professionellen Helfern sind sie mit dem Kranken verheiratet, verwandt oder befreundet, und stehen plötzlich vor der Herausforderung, mit einer völlig anderen Situation umzugehen – und das meist 24 Stunden am Tag. Was dies auch emotional bei Angehörigen auslösen kann, und welche Möglichkeiten es gibt, aus emotionalen Fallen, die daraus entstehen können, herauszukommen, versuche ich im Folgenden zu schildern.
Wie Angehörige eine Depression erleben
Wenn ein Mensch an einer Depression erkrankt, wird die Situation für die Angehörigen zunehmend zu einer hochkomplexen und schwierigen Angelegenheit: Auf der einen Seite sollen sie sich mit Interpretationen und Ratschlägen gegenüber dem Betroffenen zurückhalten, ihn in seiner Eigeninitiative unterstützen, ihm eine Struktur (z. B. durch einen geregelten Tagesablauf ) geben und auch für Stabilität (gleich bleibende Verhältnisse, Aufrechterhalten von Beziehungen etc.) sorgen, sie sollten bei allem geduldig und
verständnisvoll sein und dem Betroffenen Rückhalt und Stärke geben – auf der anderen Seite dennoch die eigenen Interessen nicht vernachlässigen und für sich selbst sorgen. Alle diese Ratschläge haben ihre Berechtigung und sind wichtige Hilfestellungen für den Depressiven und auch die Angehörigen – die Schwierigkeit besteht aber wie so oft im Transfer auf die persönliche und emotionale Situation der Angehörigen – und in der Umsetzung. Während einer depressiven Episode werden Angehörige mit der Schattenseite der Sensibilität und einem ungekannten Teil des vertrauten Menschen konfrontiert. Selbst sonst aktive und sozial zugewandte Menschen ziehen sich in der depressiven Phase in sich, ihr Bett und endlose Grübeleien zurück. Tiefe Traurigkeit, Unruhe und quälende Gedanken, innere Leere und Hoffnungslosigkeit machen die Bewältigung des Alltags meist unmöglich, wofür sich der Depressive wieder verurteilt. Sowieso landet er bei dem Versuch, die Ursachen seiner Gefühle zu ergründen, immer wieder bei sich: Er ist in seinen selbstanklagenden und sich verurteilenden Gedanken gefangen, getrieben von Ängsten und Bedrohungsgefühlen und wird zunehmend unerreichbarer in seinen Tiefen wie eine in sich verschlossene Welt, die sich immer weiter
vom Alltag und seinen Mitmenschen entfremdet, selbst wenn er die Inhalte seiner Gedanken äußert. Er kann kaum mehr ein Gegenüber sein – und somit fehlt auf einmal der Vater, die Mutter, der Partner/ die Partnerin. Die eigenen Kinder werden einem fremd und ihr Erleben nicht nachvollziehbar. Innerhalb der Familie verschieben sich durch diese Dynamik Rollen, und Lasten werden aufgenommen, die eigentlich zu groß für die Angehörigen sind. Während der Krise gibt es keinen Alltag mehr, und nichts, nicht einmal die einfachsten Tätigkeiten, sind mehr selbstverständlich. Der Schmerz, das mitzuerleben, ist immens. Und dennoch: Es wird geschwiegen, schön geredet, sofern möglich die Fassade nach außen hin aufrechterhalten, die Krankheit versteckt oder heruntergespielt. Auch wenn die Depression inzwischen zur Volkskrankheit avanciert ist, ist es doch immer noch ein Tabu in der Gesellschaft, wenn man daran erkrankt. Irgendwann wird man dankbar für jede einigermaßen „normale“ Minute, in der ein Gespräch oder sogar eine gemeinsame Unternehmung möglich ist – und dankbar für Nähe, die nicht hilfloses Klammern ist. Es geschieht schleichend und vor allem schneller als man denkt, dass man nur noch auf den Betroffenen reagiert und mit ihm um ihn und die Depression kreist – sei es im
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Wunsch und dem Bemühen, dem Betroffenen zu helfen oder die eigene Hilflosigkeit damit zu kompensieren. Dass es dabei immer schwerer wird, sich selbst und die eigenen Gefühle und Grenzen genau wahrnehmen zu können, ist nur eine Frage der Zeit: Denn es kostet sehr viel Kraft, auch wenn man – zumindest nach dem eigenen Empfinden – eigentlich nichts tun kann. Die innere Verpflichtung ist aber dennoch da, auch wenn man eigentlich schon längst keine Kraft mehr hat. Und wenn man sich herausnimmt bzw. wenn es überhaupt möglich ist, geschieht es meist mit einem schlechten Gewissen und ohne die Möglichkeit, wirklich innerlich zu entspannen, zur Ruhe zu kommen und Kraft zu tanken. Die eigenen Gefühle und vor allem die Gefühle dem Depressiven gegenüber sind in sich widersprüchlich. Neben Loyalität und dem Wunsch, den Kranken zu unterstützen tauchen
auch negative Gefühlen wie Wut, Hass, Sinnlosigkeit oder Resignation auf, die aber meist der eigenen Zensur zum Opfer fallen. Das ganze System ist schon instabil genug und darf dadurch nicht noch mehr ins Wanken gebracht werden. Gerade auf der Beziehungsebene geschehen die meisten, oft ungewollten Verletzungen. Beziehungen kosten Kraft, und die hat in dieser angespannten Situation kaum einer. Der Depressive spürt den Anspruch, den die Angehörigen – trotz aller Unterstützung und allem Verständnis – an ihn stellen, spürt aber auch, dass er ihm in keinster Weise gerecht werden kann. Was er ebenso wenig kann, ist über sich und seinen Überlebenskampf hinaussehen – und auch für alle Zwischenstufen des Fühlens oder Handelns, für alles Abwägen und differenzierte Entscheidungen fehlt die Kraft. In schweren depressiven Krisen kann es
sogar soweit kommen, dass das Leben für die Angehörigen nur noch in Extremen abläuft: zwischen Bekämpft- und gleichzeitig vereinnahmt werden, zwischen totalem Rückzug oder Aggression, Distanz oder Intimität, Leben und Tod. Selbst wenn man als Angehöriger weiß, wie depressive Erkrankungen verlaufen können und welche Symptome dazugehören, selbst wenn man bereits mehrere depressive Phasen mit dem Betroffenen durchlebt hat, kommt doch immer wieder die Angst und oft auch das Gefühl von Scham mit dazu. Was, wenn der Betroffene suizidale Impulse wirklich umsetzt, es zu Suizidversuchen kommt? Was, wenn er tatsächlich in die Psychiatrie müsste? Wie erklärt man das Freunden, der Familie, Arbeitskollegen oder Bekannten? Was, wenn der Betroffene nicht mehr gesund oder erwerbsunfähig wird? Bisherige (existenzielle) Sicherheiten werden erschüttert,
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Schuld, für die auch er in einem gewissen Maß Verantwortung trägt. Es ist auch wichtig, dass Angehörige ihre eigene Rolle oder Position definieren und ggf. Überverantwortung ablegen. In erster Linie sollten Angehörige Angehörige bleiben dürfen und nicht die Rolle des Therapeuten übernehmen, auch wenn fachliches Wissen oft dazu beiträgt, Situationen besser einschätzen Und danach Den wenigsten Angehörigen gelingt es, und verstehen zu können. Dennoch benach Abklingen der depressiven Phase nötigt der Depressive in der Krise eher wieder zum Alltag überzugehen – und den Partner/die Partnerin als einen weidort zu bleiben. Obwohl die Krise über- teren Therapeuten, selbst wenn die Gestanden ist, beginnt erst dann – oder auch spräche am Küchentisch ähnlich klingen erst Monate später – ein langsames Reali- dürften wie in der Praxis des Psychiaters. sieren, was denn eigentlich genau passiert Hier stellt sich auch für die Angehöist. Oder es treten Erschöpfungszustände rigen die Frage, welche Motivation hinter und Ängste auf, wieder in ähnliche Situ- ihrem Handeln steckt: Ist es die (übriationen zu kommen, denen man sich – gens sehr plausible und nachvollziehbare) trotz überstandener Krise – nicht ge- Sehnsucht, etwas Kontrolle in der Situawachsen fühlt und man sich gerade dann tion zu behalten, oder der Wunsch, keine dem Ganzen gegenüber hilflos fühlt. fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu Es kann sogar zu Anpassungsstörungen müssen? Des Weiteren ist es auch wichoder Posttraumatischen Belastungsstörun- tig, die eigenen Grenzen zu kennen und zu vertreten. Es ist niemandem damit gegen kommen. Generell finde ich es wichtig, dass es dient, keine ärztliche Hilfe in Anspruch Orte für Angehörige gibt, an denen ein zu nehmen oder einen akut suizidalen offener Austausch über das Erlebte mög- Angehörigen nur aus Schutz vor einer lich ist, z. B. in Selbsthilfegruppen, beim möglichen Stigmatisierung nicht in eine Arzt, Sozialarbeiter oder Therapeuten. Klinik einweisen zu lassen. Es trägt viel zur inneren Stabilisierung Belastbarkeit und persönliche Grenbei, wenn ich weiß, dass es einen Raum zen sind individuell verschieden, genauund Verständnis für die eigenen Gefühle so wie der Verlauf und die Schwere einer gibt, auch und gerade für die Gefühle, depressiven Erkrankung. Niemand kann die sonst gar nicht in unser Weltbild pas- einem vorschreiben, bis zu welchem sen. Hier können auch weitere und für Grad man die Krise aushalten muss oder die jeweilige Situation passende Bewälti- prognostizieren, wie der Verlauf derselben sein wird. Es wäre wünschenswert, gungsstrategien erarbeitet werden. Ein realistisches Krankheitsverständ- dass Angehörige auch in diesem Bereich nis ist ebenso ein sehr wichtiger Bestand- mehr Unterstützung bekommen oder teil der Angehörigenarbeit. Es trägt dazu Hilfe in Anspruch nehmen, Kontakt mit bei, dass Angehörige Gefühle und Hand- behandelnden Ärzten oder Therapeuten lungsweisen des Kranken nachvollziehen aufnehmen und – soweit möglich – mehr und verstehen können, darf aber nicht in die Behandlung miteinbezogen werdazu dienen, dass alle Verhaltensweisen den würden. des Depressiven damit („er ist halt krank, Bei wiederkehrenden Krisen ist es kann nichts dafür“) entschuldigt werden. oft hilfreich zu wissen, dass es trotz Früh Der Depressive kann in der Krise warnzeichen nicht unbedingt zu einer wirklich nicht anders handeln – aber erneuten Katastrophe kommen muss. trotz der Erkrankung gibt es so etwas wie Depressionen verlaufen meist in ihrer Beziehungen können unter dieser Belastung zerbrechen oder werden gelöst. Das kann sogar soweit gehen, dass Angehörigen am Ende lediglich das Gefühl bleibt, zum Überleben benutzt und dann weggeworfen zu werden – und dass man am Ende doch gegen die Krankheit verloren hat.
Ausrichtung und von der Symptomatik her ähnlich, aber unterschiedlich schwer. Zudem besteht auch immer noch die Möglichkeit, dass der Depressive durch die Krisenzeiten reift und an innerer Stabilität gewinnt – was wiederum auch den Verlauf weiterer Krisen beeinflusst. Es geht in alledem nicht darum, dass Angehörige ihre eigene (Parallel-) Krise entwickeln, um sich aus der Verantwortung zu ziehen oder endlich auch einmal im Mittelpunkt zu stehen. Angehörigenarbeit verhindert auch nicht den Schmerz, wenn es zu einer erneuten Krise kommt. Sie soll aber dazu beitragen, dass Beziehungen erhalten bleiben und Verantwortung für den Betroffenen, die Beziehung und für sich selbst in einem guten und sinnvollen Maß übernommen werden kann. Angehörigenarbeit hat in erster Linie zum Ziel, dass beide Seiten möglichst unbeschadet aus der Krise hervorgehen und ein Miteinander wieder möglich wird – für die guten Tage.
Simone Marquardt Dipl. Sozialpädagogin (BA), Christliche Therapeutin (de’ignis), langjährige Mitarbeit im pädagogisch-therapeutischen Team des de’ignis-Wohnheimes, verheiratet, 2 Kinder.
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Die unterschiedlichen Gesichter der Angststörungen und ihre Behandlung. Soziale Phobie, Generalisierte Angststörung, Agoraphobie, Panikstörung, spezifische Phobien. von Dr. Benjamin Zeller
Herzrasen, Schweißausbrüche, Schwindel, Engegefühl in der Brust und die Angst, jeden Moment die Kontrolle zu verlieren, vielleicht sogar zu sterben – das sind typische Symptome einer Panikstörung – eine Erkrankung, die vor einigen Jahrzehnten noch weitgehend unbekannt war. Nicht immer allerdings sind Ängste für die Betroffenen so massiv und körperlich spürbar. Die Angst vor einer Blamage, Höhenangst, Ängste vor schweren Erkrankungen, vor dem Flugzeug-Fliegen oder vor Spinnen sind weit verbreitet und nicht immer behandlungsbedürftig.
Angst übt zunächst einmal eine gesunde Warnfunktion vor Gefahren aus. Wenn Ängste jedoch das Leben stark einschränken und eigentlich ungefährliche Situationen nur unter intensiver Anspannung durchlebt werden können oder ganz vermieden werden, hat die Angst ihre Funktion als „Wachhund“ verloren und kann behandlungsbedürftig werden. Der „Wachhund“ hat Panik bekommen! Die international verbindliche Norm ICD-10 (International Classification of Diseases) unterscheidet in ihrem Kapitel F zu seelischen Störungen verschiedene Arten von Angsterkrankungen. Die gängigsten dieser Angsterkrankungen sind die Agoraphobie mit oder ohne Panikattacken, isolierte Panikattacken, die sozialen Phobien, spezifische Phobien und
die generalisierte Angststörung. Im weitesten Sinne zählen dazu auch noch die Zwangsstörung, die Hypochondrie und Dysmorphophobie, die posttraumatische Belastungsstörung und einige kindliche Angststörungen. Im Folgenden sollen diese Erkrankungen mit Ausnahme der letztgenannten in aller Kürze dargestellt werden sowie ein lerntheoretisches (kognitivverhaltenstherapeutisches) Konzept zur Behandlung dieser Störungen erläutert werden. Biological Preparedness
Auf die vielfältigen genetischen, lebensgeschichtlichen und geistlichen Ursachen von Ängsten kann an dieser Stelle nicht ausführlich eingegangen werden. Es sei jedoch kurz angerissen, dass die gängigsten Ängste (z. B. Höhe, hohe Geschwindigkeit, soziale Entwertung, gefährliche Tiere, Schmerz, Krankheit, Enge) in uns sinnvollerweise schon vorangelegt sind – bereits Säuglinge kennen diese Ängste. Diese Tatsache nennt sich „biological preparedness“. Es besteht oft auch eine familiäre Erbgeschichte besonders ausgeprägter Ängste (z. B. Höhenangst oder Schüchternheit/soziale Angst). Durch unangenehme Erfahrungen im Laufe der Lebensgeschichte (z. B. Hundebiss, Aus-
lachen durch Klassenkameraden, Autounfall) werden solche Ängste dann durch die Lernprozesse der sogenannten klassischen und operanten Konditionierung bestätigt und intensiviert. Auch die reine Beobachtung einer unangenehmen Erfahrung eines anderen Menschen kann Ängste erzeugen (Modelllernen). Vielfältige Überzeugungen über die Gefährlichkeit bestimmter Lebensumstände und über unsere Hilflosigkeit ihnen gegenüber werden ausgebildet – natürlich auch manche hilfreiche Überzeugungen und Angewohnheiten wie z. B. den Sicherheitsgurt anzulegen. Schließlich werden dann häufig vielfältige Strategien entwickelt, um einer Angst auslösenden Situation aus dem Weg zu gehen. Dies führt zwar zu einer kurzfristigen Beruhigung, jedoch zur langfristigen Verschlimmerung und Ausbreitung der Ängste, da ein solches Vermeidungsverhalten keine positiven Bewältigungserfahrungen ermöglicht und Hilflosigkeitsüberzeugungen bestärkt. Durch positive Bewältigungserfahrungen und Reifung hingegen werden Ängste überwunden – so z. B. die kindliche Angst vor Dunkelheit oder vor der Trennung von der Mutter. Kern einer jeden Angst ist die Furcht vor dem Kontrollverlust. Egal welche Angst betrachtet wird: Es geht immer
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um den Kontrollverlust bezüglich eines unangenehmen Ereignisses. Unsere Urangst betrifft den ultimativen Kontrollverlust: Die Angst vor dem Tod, die uns Jesus am Kreuz von Golgatha durch die Hoffnung auf die Auferstehung nehmen kann. Dennoch sagt Jesus „In der Welt habt ihr Angst“ und nicht etwa „Als gute Christen habt ihr keine Angst zu haben“. Er fügt allerdings hinzu: „Seid getrost, ich habe die Welt (und alles in ihr, was Angst macht) überwunden“. Angst hat
also neben den biologischen und psychologischen Ursachen auch eine geistliche Komponente. Agoraphobie
Die Agoraphobie umfasst eine klar umrissene Gruppe von Ängsten, wie Befürchtungen, alleine das Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, in Menschenmengen und auf öffentlichen Plätzen zu sein, alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen. Oft wird sie begleitet von einer Panikstörung (s. u.). Die Vermeidung der phobischen Situation steht oft im Vordergrund und einige Agoraphobiker erleben nur wenig Angst, da sie den phobischen Situationen erfolgreich ausweichen. Gemeinsames Merkmal der agoraphobischen Ängste ist die Befürchtung, in einer bestimmten Situation intensive Hilflosigkeit zu empfinden, eventuell eine Panikattacke zu erleiden und entweder keine Hilfe zu erhalten (außer Haus, ohne Telefon, alleine auf Reisen, kein Arzt in der Nähe) oder durch Angstsymptome großes Aufsehen bei anderen zu erregen und/oder nicht schnell genug die Flucht antreten zu können, um sich in Sicherheit zu bringen bzw. die peinliche Situation zu beenden (in Menschenmengen, beim Schlangestehen, in überfüllten Kaufhäusern, in Kino, Theater und Kirche – aber auch im Stau oder Tunnel). Panikstörung
Das wesentliche Kennzeichen einer Panikstörung sind wiederkehrende schwere Angstattacken, welche für den Betroffenen nicht kontrollierbar und vorherseh-
bar sind. Panikattacken treten häufig bei der Agoraphobie auf, können aber auch spezifische, soziale und weitere Phobien begleiten oder ganz „frei flottierend“ auftreten, d. h. völlig unvorhersagbar und an keine konkreten Auslöser gekoppelt. Auch Panikattacken aus dem Schlaf heraus sind ein häufiges Phänomen. Plötzlich auftretendes Herzklopfen, Brustschmerz, Erstickungsgefühle, Schwindel und Unwirklichkeitsgefühle gehören zu den Kernsymptomen, oft treten auch Hitze- oder Kältewallungen, wachsweiche Knie, Zittern, Todesangst, Übelkeit, Hyperventilation (schnelles, flaches Atmen) und Taubheit und Kribbeln in Händen oder Füßen auf. Eine Panikattacke klingt meist nach kurzer Zeit wieder ab, es kann jedoch eine dauerhafte, stark schwankende Nervosität als Angst vor der nächsten Panikattacke („Angst vor der Angst“) verbleiben. Häufig wird eine Panikattacke zunächst mit einem Herzinfarkt verwechselt – eine 100 % sichere Unterscheidung gibt es auch nur bei ärztlicher Untersuchung, wenngleich der Herzinfarkt im Gegensatz zur Panikattacke häufig mit Intensivierung der Druckund Schmerzgefühle bei körperlicher Anstrengung einhergeht. Soziale Phobie
Eine milde Form sozialer Angst kennt wohl jeder Mensch – oder waren Sie noch nie aufgeregt vor einem Vortrag oder haben befürchtet, bei anderen „nicht gut anzukommen“? Die Furcht vor prüfender Betrachtung und negativer Bewertung durch andere Menschen führt, wenn sie stark ausgeprägt ist, zur Vermeidung sozialer Situationen. Welche Situationen vermieden werden, kann je nach Ausprägung sehr unterschiedlich sein. Wenn Angst machende soziale Situationen nicht vermieden werden können, treten häufig Beschwerden wie Aufregung, Scham, Erröten, Schwitzen, Zittern, Schwankungen der Stimmmelodie, Sprachlosigkeit und innerliche Erstarrung (Blackout), Übelkeit oder Drang zum Wasserlassen auf. Umfassende resoziale Phobien sind in der
Regel mit niedrigem Selbstwertgefühl und starker Furcht vor Kritik und Entwertung verbunden. Häufig meinen Betroffene, dass eines der Angstsymptome wie z. B. das Erröten das primäre Problem darstellt („Würde ich nicht immer rot werden, hätte ich keine Scheu“). Der kausale Zusammenhang ist jedoch eher anders herum zu sehen. Spezifische Phobien
Ängste, die auf eng umschriebene Situationen beschränkt sind, nennt man spezifische Phobien. Häufige Auslösereize sind die Nähe zu Tieren wie z. B. Insekten, Schlangen, Ratten, Mäuse, Hunde und Vögel, Zahnärzte/Zahnbehandlungen, Höhe, Fliegen, Dunkelheit, Donner, geschlossene oder enge Räume, Aufzüge, Urinieren oder Defäkieren auf öffentlichen Toiletten, der Genuss bestimmter Speisen oder der Anblick von Blut, Spritzen oder Verletzungen. Es gibt hier eine Vielzahl von möglichen Ängsten, welche allesamt mit gelehrt klingenden lateinischen Namen bezeichnet werden können (Arachnophobie, Klaustrophobie etc.) – wodurch sie aber auch nicht besser erträglich werden. Viele dieser Ängste haben auf den ersten Blick eine sinnvolle Warnfunktion, sind jedoch meist stark überzeichnet und schränken so das Leben manchmal gravierend ein. Obwohl die auslösende Situation streng begrenzt ist, kann sie Panikzustände wie bei Agoraphobie oder sozialer Phobie hervorrufen. Generalisierte Angststörung
Wie der Name bereits sagt, handelt es sich hierbei um Ängste, die eine Vielzahl von Auslösern kennen. Generalisierte Ängste sind nicht auf bestimmte Umgebungsbedingungen beschränkt. Häufig besteht eine starke und mindestens etliche Monate bestehende Neigung zu Sorgenverhalten – verbunden mit der Unfähigkeit, sich von Sorgen abzulenken. Insbesondere wird die Befürchtung geäußert, der Patient selbst oder ein Angehöriger könnten demnächst erkranken oder einen Unfall haben. Vermeidungs-
Angststörungen
verhalten im Sinne von Sicherheit herstellen (z. B. Angehörige anrufen, ob es ihnen gut geht) ist weit verbreitet, ebenso psychosomatische Beschwerden wie ständige muskuläre Anspannung, Nervosität, Zittern, Schwitzen, Benommenheit, Herzklopfen, Schwindelgefühle oder Oberbauchbeschwerden. Nicht immer ist diese Erkrankung einfach von einer Zwangserkrankung mit vorwiegend Zwangsgedanken zu trennen. Behandlung von Ängsten
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, Ängste zu überwinden. Das Erleben göttlicher und menschlicher Geborgenheit in der Seelsorge wie auch die tiefenpsychologische Einsicht in bisher verborgene innerseelische Konflikte und die (systemische) Analyse und Lösung sozialer Konflikte sind allesamt gute Ansätze, um Angsterkrankungen zurückzudrängen. Die kognitive Verhaltenstherapie betont darüber hinaus noch die Reduktion von Alltagsstress, die Verminderung der Reizdichte, das Einüben von Entspannungstechniken und Ruhezeiten (unspezifische Erregung und Anspannung verstärkt Ängste), die Analyse von Lebensskripten/Lebenslügen und Grundüberzeugungen, Ausdauersport (Endorphinausschüttung wirkt angstlindernd) sowie das Training von (sozialen) Kompetenzen. Auch Medikation kann bei chronischen Angsterkrankungen gelegentlich eine sinnvolle Option sein. Medikamente aus der Gruppe der sogenannten Benzodiazepine (z. B. Diazepam/Valium® oder Lorazepam/Tavor®) wirken binnen weniger Minuten angstlindernd, jedoch sind sie nur für den vorübergehenden Einsatz geeignet, da sie die Gefahr schwerster Abhängigkeit bei Daueranwendung beinhalten. Nicht selten werden Angststörungen durch unkritisch hausärztlich verschriebene Benzodiazepine erst richtig gravierend, da nun noch der Entzug hinzukommt. Moderne Antidepressiva vor allem der SSRI- und SNRI-Gruppe (z. B. Escitalopram/Cipralex®, Sertralin/ Zoloft® oder Venlafaxin/Trevilor®) und
einige trizyklische Antidepressiva (z. B. Opipramol/Insidon®) wirken ebenfalls gegen Ängste und teils auch Zwänge und sind insbesondere bei schweren, generalisierten oder frei flottierenden Ängsten als langandauernde Medikation zusätzlich zur Psychotherapie einsetzbar.
Schon Goethe wusste jedoch, dass letztlich immer auch die erfolgreiche Bewältigung der Angstsituation an sich notwendig ist, um eine Angst zu überwinden. Der Dichter litt unter Höhenängsten und Ängsten vor lauten Geräuschen. Seine Eigentherapie bestand darin, auf Türme und Gerüste zu steigen und sich lauten Geräuschen auszusetzen. Die kognitive Verhaltenstherapie hat diesen Ansatz zum Schwerpunkt ihrer Angstbewältigungstherapie ausgebaut und unterscheidet dabei mehrere, unterschiedlich gestufte Vorgehensweisen. Eine gute Erarbeitung eines individuellen und lerntheoretischen Angst- und Behandlungsmodells, die Erstellung einer gestuften Angsthierarchie und unbedingte Freiwilligkeit sind wichtige Vorbedingungen für diese Art der Therapie. Medikation kann dabei manchmal sogar hinderlich für den Erfolg sein, insbesondere Benzodiazepine: Nur wenn ich die Angst in der Übung deutlich spüre, kann ich sie überhaupt erfolgreich bewältigen. Und wenn ich die Angstsituation nur mit Tablette bewältige,
traue ich sie mir vielleicht ohne Medikament dann doch nicht zu. Die systematische Desensibilisierung beruht auf einer ganz langsamen Heranführung an einen phobischen Reiz, meist verbunden mit Entspannungstechniken. Es wird mit der niedrigsten Angststufe, z. B. einem Foto von einer Spinne in 2 m Entfernung, begonnen. Dieser Reiz wird so lange wechselnd mit Entspannung präsentiert (also 20 sek phobischer Reiz, dann 30 sek Entspannung etc.), bis der Patient (fast) keine Angst mehr empfindet. Dann erst wird die nächste Stufe präsentiert (z. B. ein großes Foto von einer Spinne). Nach vielen Sitzungen erst geht es darum, beispielsweise eine lebendige Spinne anzufassen. Durch die immer wieder erzielten Erfolge ist dies am Ende gut möglich. Man klettert also sozusagen Stufe für Stufe ein Podest hinauf. Da jede Stufe gleich hoch ist, ist am Ende auch die letzte Stufe nicht viel schwieriger, als es am Anfang die erste Stufe war. Manche Ängste werden auch mangels Möglichkeit nur in Vorstellungsübungen konfrontiert (z. B. Prüfungsängste, Zahnarztbesuche, Katastrophensorgen). Die Reizüberflutung (Flooding) ist da etwas direkter. Der Phobiker springt direkt zur obersten Stufe – steckt also z. B. die Hand in einen Behälter mit Spinnen und behält sie so lange im Behälter, bis die Angst sich deutlich gelegt hat (dies kann in seltenen Fällen mehrere Stunden am Stück dauern). Der Vorteil dieser Methode ist die Schnelligkeit und Effizienz der Angstbewältigung – man hat es schnell hinter sich. Die Rückfallquoten sind ebenso nachgewiesenermaßen geringer als bei der Desensibilisierung. Der Stolz über den eigenen Erfolg ist oft viel größer und damit auch die Selbstwertstärkung. Der Nachteil besteht im hohen Stress und der potentiellen Verweigerung vieler Patienten selbst bei guter Aufklärung. Für Kinder, traumatisierte Menschen, herzkranke Personen, Epileptiker und Schwangere ist diese Methode ungeeignet. Bei falscher Anwendung kann sie Ängste gravierend verschlimmern, sie
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gehört also immer in die Hand eines professionellen und erfahrenen psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten. Die graduierte Exposition ist ein oft gut gangbarer Mittelweg zwischen diesen beiden Vorgehensweisen. Hier werden manchmal mehrere Stufen auf einmal gegangen, auf jeden Fall aber wird mit der Stufe angefangen, die sich der Betroffene zu Beginn schon zutraut. Im ersten Schritt werden also manchmal schon 50 % der Stufen erklommen, danach geht es dann meist langsamer zu. Es wird nicht auf jeder Stufe verharrt, bis sich die Angst vollständig gelegt hat (eine Reduktion der Angst um jeweils 50 – 75 % reicht aus, um die nächste Herausforderung anzugehen) und es werden keine Entspannungstechniken eingesetzt. Fallberichte
Die Patientin berichtete von Panikattacken, insbesondere beim Autofahren (hier vor allem bei hohem Tempo, im Tunnel und im Stau), in Kino, Kirche und Theater (vor allem beim Sitzen in der Mitte) und in Menschenmengen (Weihnachtsmarkt, überfüllte Kaufhäuser) sowie Aufzügen. Mittlerweile waren diese Ängste so stark geworden, dass sie zeitweise mehrmals wöchentlich eine Panikattacke erlitt, obwohl sie sich alle Mühe gab, jegliche „gefährliche“ Situationen zu vermeiden. Die Angehörigen waren umfangreich eingespannt, ihr dieses Vermeidungsverhalten überhaupt erst zu ermöglichen und reagierten nach anfänglichem Mitgefühl zunehmend genervt, was die Patientin erst recht unter Druck setzte. Die Ehe war durch das Angstverhalten stark belastet. Manche Vermeidungsverhaltensweisen bestanden schon 30 Jahre lang. In der Behandlung wurde zunächst ein gründliches, auch biographisches Mo-
dell erstellt, die Patientin wurde umfangreich aufgeklärt, die Angst auslösenden Situationen und Vermeidungsverhaltensweisen wurden genau exploriert und der Schwere nach aufgelistet. Aufgrund des Vertrauens zum Therapeuten und zum Bewältigungsmodell ließ sich die Patientin dann schrittweise darauf ein, den Kontakt mit der Angstsituation zu erproben. Über etwa ein Dreivierteljahr Psychotherapie wurden nun Übungen durchgeführt, in welchen es darum ging, mit dem Therapeuten zusammen externe Angstsituationen zu konfrontieren. Dies bedeutete, gemeinsam Autobahn zu fahren, Tunnel mehrfach hintereinander zu durchfahren, Menschenmassen aufzusuchen, immer engere und ältere Aufzüge zu nutzen etc. Vor jeder Übung wurde das geplante Vorgehen transparent besprochen und das Einverständnis abgewartet, so dass es immer die Entscheidung der Patientin war, sich einer konkreten Angstsituation zu stellen. Nach einer
Foto: JoeEsco / photocase.de
Im Folgenden soll nun das Vorgehen der graduierten Exposition an zwei Fallbeispielen aus meiner Praxis geschildert werden.
Agoraphobie mit Panikstörung
Angststörungen
erfolgreichen Übung ging es dann als Hausaufgabe darum, diese Herausforderung nun alleine zu meistern – anfangs noch mit einem Handy mit der Telefonnummer des Therapeuten in der Hand. Auch innere Angstauslöser wurden konfrontiert, z. B. Herzklopfen, Atemnot oder Schwindel als ankündigende Auslöser von Panikattacken, indem die Patientin Sport betrieb, durch enge Strohhalme atmete, oder sich auf einem Drehstuhl drehen ließ. Am Ende der Behandlung konnten alle gängigen Herausforderungen bewältigt werden, die meisten davon weitgehend ohne Ängste, manche noch mit gelegentlichem Unwohlsein. Ein halbes Jahr nach der Therapie bemerkte die Patientin, dass sie in vielen Situationen überhaupt nicht mehr darüber nachdachte, dass sie ja Angst haben könnte, sondern diese Situationen ganz automatisch in den Alltag integrierte. Soziale Phobie
Der Patient war selbständiger Unternehmensberater und führte überwiegend Schulungen für Unternehmen durch. Trotz fast wöchentlicher Konfrontation mit der Situation, vor Gruppen Vorträge zu halten und eines lockeren, selbstsicheren Auftretens litt er unsägliche Ängste vor seinen Präsentationen, welche dazu führten, dass er die 2 – 3 Nächte vor der nächsten Schulung kaum schlafen konnte und diverse psychosomatische Anspannungssymptome aufwies. Langsam fragte er sich, ob er für diesen Job überhaupt geeignet war. Privat hingegen hatte er keinerlei Scheu vor sozialen Begegnungen. Auch hier wurde ein umfangreiches Angstentstehungs- und Angstbewältigungsmodell erarbeitet. Relativ schnell kam die Frage auf, warum er denn seine Ängste noch nicht überwunden hatte, obwohl er doch ohnehin schon wöchentlich „Eigentherapie“ durch seine beruflichen Herausforderungen betrieb und jedes Mal sehr gute Rückmeldungen der Kursteilnehmer bekam. Es wurde herausgearbeitet, dass er
subtile Vermeidungsverhaltensweisen einsetzte: Er bereitete sich weit übertrieben sorgfältig vor und versuchte in extremer Weise, alles daran zu setzen, dass seine Schulungen perfekt gelangen. Er hatte immer ein kleines „Gimmick“ in der Anzugjacke, welches er für eine kleine auflockernde Übung einsetzen konnte, falls er einmal den Faden verlieren sollte (was jedoch nie vorkam). Er suchte während der Schulungen ständig nach „Gefahrenreizen“ wie kritischen Blicken oder Wortmeldungen, um auf solche vorbereitet zu sein und reagieren zu können. Durch sein Perfektionsbemühen und die erzielten Erfolge hatte er also ständig vermieden, sich einer „wirklich peinlichen Situation“ auszusetzen und konnte deshalb auch seine Angst vor dem Versagen nicht überwinden. Er war der Blamage einfach immer aus dem Weg gegangen. Es wurde besprochen, diese Verhaltensweisen zu unterlassen und sich im Gegenteil für seine Schulungen besonders nachlässig vorzubereiten, künstlich den Faden zu verlieren, kein „NotfallSpielzeug“ in der Jackettasche zu tragen etc. Weiter wurden diverse sogenannte Scham-Angst-Übungen eingesetzt – Patient und Therapeut setzten sich gemeinsam schamhaften, blamablen Situationen auf der Straße aus: Wir fragten Passanten auf der Straße, wo es denn nach Stuttgart gehe (wir waren bereits mitten in der Stadt), wir hielten spontane 30-Sekunden Vorträge zu einem vorher unbekannten Stichwort vor Passanten, wir ließen uns mit einem Schild „Achtung, ich bin bekloppt“ von Fremden fotografieren, boten Mitmenschen eine Massage an oder fuhren gemeinsam U-Bahn und begrüßten alle Einsteigenden mit Handschlag und freundlichen Worten. Während dieser Übungen konnte der Patient erfahren, dass die beteiligten Passanten weit weniger abwertend reagierten, als er befürchtet hatte – viele reagierten entspannt humorvoll oder auch ganz ernst nehmend auf unsere Darbietungen. Manche waren verunsicherter als er selbst. Zum anderen bemerkte er schrittweise
eine Reduktion der Ängste vor der Blamage („ist ja gar nicht so schlimm, sich zu blamieren, man kann es aushalten und das Gefühl wird mit jeder Wiederholung schwächer“). In der Folge reduzierten sich seine beruflichen sozialen Ängste und psychosomatischen Beschwerden relativ schnell und dauerhaft. Nach einigen Monaten Psychotherapie konnte diese symptomfrei beendet werden. Ein Nachkontrolltermin einige Zeit später bestätigte den Erfolg.
Mehr Lebensqualität als Folge der Angstbewältigung
Letztlich können Sie sich als Betroffener darauf verlassen, dass Angst vor tatsächlich ungefährlichen Situationen immer weicht, wenn Sie ihr offensiv entgegenlaufen. Nicht immer verschwindet sie sofort und vielleicht benötigen Sie die Unterstützung eines erfahrenen Psychotherapeuten – denn manchmal gibt es bestimmte „Tricks“ zu beachten. Am Ende aber siegen Sie und nicht die Angst! Und es ist einfach schön, angstfrei durch das Leben zu gehen.
Dr. Benjamin Zeller Dipl. DiplomPsychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Psychotherapie für Erwachsene, Kinder und Jugendliche.
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Angstbewältigung. Und christlicher Glaube. von Winfried Hahn
Angst: Jeder kennt sie, keiner will sie. Und dennoch: Jeder hat sie. Sie ist so weit verbreitet, dass sie als Grundbefindlichkeit des Menschen bezeichnet werden kann. Sie gehört anscheinend unvermeidlich zum Leben des Menschen. Für den einen mehr, für den anderen weniger. Existenzangst begleitet den Menschen von der Wiege bis zur Bahre: Angst vor dem Alleinsein, Angst, nicht akzeptiert zu werden, Angst vor inneren und äußeren Verletzungen, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, Angst, ein Versager zu sein. Ja, letztlich steht hinter allen Ängsten die Angst vor dem Verlust der eigenen Existenz, die Angst vor dem Tod. Wie ein roter Faden zieht sie sich durch alle Lebensalter und Lebensbereiche. Typisch ist die Angst vor dem Unbekannten, dem Unerwarteten. So machen viele Menschen besonders dann, wenn Veränderungen im Leben anstehen, die Erfahrung der Angst. Das kleine Kind fürchtet sich vor fremden Menschen, vor dem Neuen, das zum Beispiel beim Eintritt in den Kindergarten oder die Schule auf es zukommt. Der heranwachsende Mensch erlebt die Herausforderung, erwachsen zu werden, oft besonders bedrohlich, weil er aus dem Schutzraum der Familie mehr und mehr herauswächst und damit allein im Leben stehen muss. Das Sich-bewähren-müssen im Berufsleben, die Rolle als Ehemann und Familienvater: All das sind Verantwortlichkeiten, die Angst einflößen können. Aber auch die Angst vor dem Älterwerden ist schon bei jungen Leuten weit verbreitet. Angst, nicht mehr so schön zu sein, Falten oder Haarausfall zu bekommen, nicht mehr gebraucht zu werden,
nicht mehr mitreden zu können. Mit zunehmendem Alter spielt dann die Angst vor Krankheiten eine wichtige Rolle. So schreibt der Psychologe Fritz Riemann in seinem Buch „Grundformen der Angst“ folgendes: „Wenn nun Angst unausweichlich zu unserem Leben gehört, will das nicht heißen, dass wir uns dauernd ihrer bewusst wären. Doch sie ist gleichsam immer gegenwärtig und kann jeden Augenblick ins Bewusstsein treten, wenn sie innen oder außen durch ein Erlebnis konstelliert wird. Wir haben dann meist die Neigung, ihr auszuweichen, sie zu vermeiden, und wir haben mancherlei Techniken und Methoden entwickelt, um sie zu verdrängen, sie zu betäuben oder zu überspielen und zu leugnen. Aber wie der Tod nicht aufhört zu existieren, wenn wir nicht an ihn denken, so auch nicht die Angst.“
Angst auch im 21. Jahrhundert
Es scheint wohl normal zu sein, dass jeder Mensch Angst hat, auch wenn er es nicht zugibt. Zu bedroht, zu zerbrechlich ist das körperliche, aber auch das psychische Leben des Menschen. Auch der stolze Mensch des einundzwanzigsten Jahrhunderts muss sich selbst eingestehen, die Angst nicht besiegt zu haben. Denn Angst ist die psychische Reaktion auf Bedrohung. Gerade der moderne Mensch empfindet trotz aller Fortschritte eine Vielzahl an Bedrohungen: Überforderung im Beruf durch ständige Innovation und steigenden Leistungsdruck, psychischer Stress durch zunehmenden Egoismus im Umgang miteinander, Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und weltweiten Terrorismus. Vor allem aber das Ringen um die eigene Identität, weil die zen-
tralen Fragen des Lebens unbeantwortet bleiben:
Woher komme ich? Wozu lebe ich? Wohin gehe ich? Die Sinnentleerung, das heißt der Verlust an Orientierung, macht den modernen Menschen anfällig für Ängste jeder Art. Statt Ängste zu verringern, leidet der moderne Mensch trotz Fortschritten in Medizin und Technik, trotz aufgeklärtem und emanzipiertem Bewusstsein an einer ständigen Zunahme der Angstbereitschaft – sehr zur Freude der Pharmaindustrie, die mit Beruhigungsmitteln und Tranquilizern riesige Gewinne einfährt. Bei allen gesellschaftlichen und entwicklungspsychologischen Gegebenheiten ist Angst jedoch ein sehr persönliches und individuelles Problem. Jeder hat seine ganz persönliche Angst und ist mit ihr allein. Der eine hat Angst vor Einsamkeit. Der andere hat Angst vor Menschen oder Menschenansammlungen. Ein anderer bekommt Angstanfälle, wenn er mit dem Lift oder einer Seilbahn fahren will. Ein anderer kann sich nicht in geschlossenen Räumen oder auf freien Plätzen aufhalten. Wieder ein anderer hat Angst vor harmlosen Tieren. Die Aufzählung verschiedener Ängste ließe sich beliebig fortsetzen. Millionen von Menschen, man spricht von 15 Prozent der Bevölkerung, werden von ihr befallen. Dann ist da noch die Angst nach schlimmen Erfahrungen.
Angstbewältigung und christlicher Glaube
Tiefe Kränkungen, wie zum Beispiel Mobbingerfahrungen, Schockerlebnisse, wie zum Beispiel bei Vergewaltigungen oder Unfällen, erzeugen oft jahrelang anhaltende Angstzustände. Es handelt sich dabei oftmals um Zustände unbeschreiblicher Qual. Der Mensch fühlt sich ausgeliefert, entwürdigt, verletzt, preisgegeben. Dunkelheit bemächtigt sich seiner. Eine kalte Hand legt sich ihm ins Genick und drückt ihn zu Boden. Dabei können Atemnot, Beklemmungsgefühle, Schwindel, Benommenheit, Herzrasen, Zittern und Beben, Schwitzen, Übelkeit, Hitzewallungen oder Kälteschauer und vieles andere mehr empfunden werden. Besonders quälend ist das Empfinden, all diesem ausgeliefert zu sein, keine Chance zu haben, vielleicht sogar verrückt zu werden. Tiefe Kränkungen, wie zum Beispiel bei Vergewaltigungen oder sexuellem Missbrauch können so starke Empfindungen der Entwürdigung und des Grauens hervorrufen, dass der Mensch es in seiner Person nicht mehr aushält und er das Gefühl bekommt, nicht mehr er selbst zu sein und gleichsam neben sich zu stehen, sich wie von außerhalb beobachtet, als wäre er ein Fremder gegenüber sich selbst. Zustände, bei denen der Einzelne den Eindruck hat, nicht mehr sich selbst zu sein, sich nicht mehr erleben, nicht mehr spüren, nicht mehr kontrollieren und steuern zu können, erzeugen Angst und Hilflosigkeit. Auch wenn nicht jeder Ängste dieser Ausprägung und Intensität erlebt, so beschäftigt doch jeden denkenden und bewusst lebenden Menschen die Frage: Wer bin ich eigentlich? Warum handle ich so, wie ich es tue, was ist meine Identität? Nur wer eine Standortbestimmung vollzogen hat, nur wer die Frage nach dem Sinn und Ziel seinen Lebens beantworten kann, hat das Stehvermögen, die Herausforderungen des Lebens so zu bewältigen, dass er seine Angst in den Griff bekommt.
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Hilfreiche innere Einstellungen
Um die unterschiedlichen Bedrohungen, Herausforderungen und Ängste unseres
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Lebens bewältigen zu können, brauchen wir die richtige innere Einstellung. Einige dieser Einstellungen möchte ich an dieser Stelle (in Anlehnung an Fritz Riemann, Grundformen der Angst) kurz ausführen: 1. Wir brauchen ein gesundes Maß an Öffnung und Hingabebereitschaft, um mit anderen in Kommunikation, Freundschaft und Partnerschaft treten zu können. 2. Wir brauchen andererseits auch die Fähigkeit, uns gegenüber anderen Personen abgrenzen zu können, um sich selbst nicht zu verlieren, aber nur in dem Maße, dass man sich nicht isoliert oder zum Einzelgänger und Rechthaber wird. 3. Wir benötigen, um unser Leben meistern zu können, Zielstrebigkeit, Stetigkeit, Verlässlichkeit, Kontinuität und ein gewisses Maß an Beharrungsvermögen, um Verantwortung für uns selbst und andere Menschen übernehmen zu können. 4. Im Gegensatz dazu steht die Notwendigkeit und Bereitschaft, das Erreichte, Gewohnte und Vertraute immer wieder loszulassen und seine Angst vor Veränderung zu überwinden. Nur wer loslassen kann, ist in der Lage, seine Existenzangst, ein Vorbote oder in uns allen schlummernden Todesangst, zu bewältigen. Diese vier in manchen Bereichen gegensätzlichen Einstellungen, befähigen uns, Ängste unterschiedlichster Art in den Griff zu bekommen und damit umzugehen. Allerdings ist dies ein Weg, der dem Einzelnen oftmals nicht leicht fällt, vor allem, wenn sein Innerstes getrieben und von Unsicherheit erfüllt ist. Hier die Balance zu finden zwischen Hingabebereitschaft und der Fähigkeit, sich abzugrenzen, ist für den verunsicherten Menschen nicht leicht. Dasselbe gilt für den Balanceakt zwischen Zielstrebigkeit, Stetigkeit und Verantwortungsbewusstsein auf der einen Seite und andererseits die Fähigkeit, alles loszulassen, um immer wieder flexibel reagieren zu können. So bewegt sich unser Leben einerseits zwischen den Gegensätzen von
Hingabebereitschaft und der Fähigkeit, sich abzugrenzen, andererseits zwischen Zielstrebigkeit und Loslassen. Auch wenn dies hohe Anforderungen an den Einzelnen, vor allem an den schwachen und ängstlichen Menschen stellt, so ist es dennoch möglich. Hier bietet sich Jesus als Helfer und Zufluchtsort an. Er ruft dem ängstlichen Menschen zu: „In der Welt habt ihr Angst, aber fürchtet euch nicht: Ich habe die Welt überwunden.“ Es gibt jedoch auch
berechtigte Ängste, die uns wie ein Warnsignal auf Gefahren aufmerksam machen und eine wichtige Schutzfunktion haben. Andererseits gibt es quälende, überzogene und situationsunangemessene Ängste, bei deren Bewältigung uns die Bibel Wege zeigt und Jesus uns helfen will. Viele Menschen leiden unter religiösen Ängsten. Dabei spielt die Angst vor Gott eine entscheidende Rolle: Angst verdammt zu werden, weil man ein Sünder ist, und erkennt, dass man versagt hat. Diese Angst macht uns auf einen wichtigen Aspekt der göttlichen Wahrheit aufmerksam und hat durchaus ihre Berechtigung. Der natürliche Mensch ist erlösungsbedürftig und geht, auch wenn das heute unmodern klingt, in die ewige Verdammnis, wenn er nicht Jesus als seinen Heiland und Retter annimmt. Somit ist diese Angst für selbstgerechte Menschen ein durchaus ernstzunehmendes Alarmsignal. Wege des Glaubens
Allerdings gibt es auch dafür eine Lösung. Jesus bietet uns Vergebung für unsere Schuld an, und jeder, der an Ihn glaubt, seine Sünden bekennt und mit Ihm lebt, darf die Gewissheit haben, dass ihm alles vergeben und Gott ihm zum Vater und Jesus zum Freund geworden ist. Wenn dann noch Verdammungsängste auftreten, darf und soll der Mensch diesen in Glaubenszuversicht und Entschlossenheit entgegentreten und für sich die Erlösung in Anspruch nehmen. Hier sind wir bei einem wichtigen Punkt der Angstbewältigung. Die Botschaft der Angst lautet oftmals: Du schaffst es nicht; du hast keine Chance; alles ist sinnlos. Diese Botschaften müssen entkräftet werden.
Gott ruft uns in Seinem Wort zu, dass wir mutig und entschlossen sein dürfen im Vertrauen auf Ihn. Gott ermutigt uns und verspricht uns Hilfe. Die Angst lähmt, ist bedrohlich und pessimistisch. Die Botschaft Gottes und die Botschaft der Angst sind einander entgegengesetzt. Nun geht es darum, dass die göttliche Wahrheit das Innere des Menschen erreicht und die Lügen der Angst entkräftet. Wie kann dies geschehen? Der angsterfüllte Mensch ist ja zutiefst von der Wahrheit der Angstbotschaften überzeugt: Du schaffst es nicht; du wirst niemals herauskommen; die Sache geht ganz bestimmt schief; ich mache ja immer alles falsch; der Schmerz ist zu groß; ich werde mich nie mehr freuen können; ich bin zu schwach und zu unbegabt, um leben zu können; und und und. Nun, wie gesagt, der angsterfüllte Mensch sollte die Zusagen Gottes trotz des inneren Widerspruchs ernst nehmen und sich sagen: Wenn ich in Jesus Christus eine neue Schöpfung, ein neuer Mensch geworden bin, dann gibt es einen Weg für mich. Vielleicht spüre oder erkenne ich diesen Weg noch nicht, aber er ist da und ich will lernen, ihn zu entdecken. Hier geht es um die Herausforderung des Glaubens.
Es ist nicht leicht, an das Licht zu glauben, wenn man es nicht sieht und nur von Dunkelheit umgeben ist. Hier ist es wichtig, den angsterfüllten Menschen behutsam zu ermutigen, er braucht Verständnis in seiner Not. Er braucht unsere ermutigende, geduldige Begleitung. Es sind zwei Gefahren, die es zu beachten gilt:
Angstbewältigung und christlicher Glaube
• Der angsterfüllte Mensch darf nicht überfordert werden, denn wenn er bei dem Versuch, seine Situation zu ändern, scheitert, ist die Verzweiflung und Resignation größer als zuvor. Dennoch muss die Herausforderung bleiben, damit der Mensch nicht in seiner Angst hängen bleibt. Niemand kommt aus seiner Angst heraus, wenn er sich ihr nicht stellt. • Angst muss bewältigt werden, in kleinen Schritten und geschützter Atmosphäre. Man muss sich seiner Angst stellen, sie anschauen. Wird sie beim Anschauen übermächtig, dann besser wegschauen und sich mit etwas anderem beschäftigen, aber nicht verdrängen. Zu gegebener Zeit wieder hinschauen, bis die Angst, der Schmerz, das bevorstehende Ereignis, die Angst erzeugende Situation ihren Schrecken verliert. Das Ungeheuer Angst wird oftmals in Etappen besiegt. Wichtig ist, dass man dran bleibt. Hier spielt das Vertrauen eine entscheidende Rolle. Ein Mensch hat es leichter, wenn er weiß: Ich bin nicht allein, meine Familie steht hinter mir, mein Seelsorger versteht mich, mein Therapeut begleitet mich. Entscheidend ist jedoch das Wissen: Jesus geht mit mir, Er ist bei mir in der Angst, Er geht mit mir durch die Angst, ich brauche nicht zu fliehen. Oftmals übertragen sich Autoritätsängste, zum Beispiel Probleme mit dem Vater oder das Gefühl, von der Familie oder von Freunden allein gelassen worden zu sein, auf Gott: Unterdrückt der mich auch? Lässt Er mich auch im Stich? Da dürfen wir voller Hoffnung sein in dem Wissen: Gott ist anders, Er steht zu uns; Er ist unser sicherer Ort, eine Burg der Zuflucht und des Schutzes. Angst als Herausforderung
Allerdings nimmt Er uns aus der Herausforderung, uns den Dingen des Lebens, auch unseren Ängsten zu stellen, nicht heraus, weil Er uns zu mündigen Menschen und Persönlichkeiten formen will. Er ersparte es dem Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten nicht, die Feinde selbst zu vertreiben. Dieses Volk, das nur Schläge
und Unterdrückung kannte, forderte Er heraus, selbst zu kämpfen, selbst das Schwert in die Hand zu nehmen, auch wenn die Feinde übermächtig waren. So wurde aus diesem unterdrückten Sklavenvolk ein kämpfendes Volk. Er will auch uns aus der Sklavenmentalität gegenüber unseren Ängsten befreien. Und so wie Er damals dem Volk Israel auf Schritt und Tritt zeigte: Ich bin bei euch in der Nacht als Feuersäule, am Tag als Wolkensäule, ich versorge euch mit Speise mitten in der Wüste, so ruft Er heute noch jedem ängstlichen Menschen zu: Ich bin dein Trost, fürchte dich nicht vor mir, ich helfe dir in deiner Angst, vertraue mir, ich stehe dir bei, wenn es um die Bewältigung von Bedrohung und Überforderung geht. Durch die sanfte Berührung meines Geistes will ich dich heilen von deinem Schmerz. Ich will die Wunden der Kränkung, der Entwürdigung, der Respektlosigkeit gegenüber deiner Person heilen. Öffne dich mir und meinem Heiligen Geist. Aber Er fordert uns auch heraus, indem Er uns aufruft, Seinem Wort und Seinen Verheißungen zu glauben. Er möchte nicht, dass wir durch Unglauben der Resignation die Oberhand lassen. Er zeigt uns deutlich, dass Angst letztendlich Misstrauen und mangelnder Glaube ist. Aber Er verurteilt uns deswegen nicht, sondern Er erweist sich als der gute Hirte, der seinen Schafen nachgeht und sich für sie aufopfert.
Neues ist geworden. Christus in mir ist größer als alles Zerstörerische, Negative und Dunkle. Auch ich bin dazu berufen, im Leben mit Christus zu herrschen und brauche mich nicht beherrschen zu lassen. Es ist die alles überragende Botschaft: Weil Gott mich liebt, darf ich sein. Nichts kann mich scheiden von Seiner Liebe, weder Hohes, noch Tiefes, noch Mächtiges. Weil Er „Ja“ zu mir sagt, darf ich leben. Wenn diese Botschaft das Innere eines Menschen erreicht, schmilzt die Angst wie ein Eisberg oder wie Wachs in der Sonne. Die durch die Angst zerstörte Vertrauensfähigkeit wird wieder hergestellt und er wird heil im Vertrauen zu Gott.
Weiterführende Inhalte im Buch „Psychische Erkrankungen im Licht der Bibel.“ von Winfried Hahn. SCM Hänssler, 3. Auflage 2013
Wiederherstellung der zerbrochenen Vertrauensfähigkeit
So stellt Er die zerbrochene Vertrauensfähigkeit auf eine zweifache Weise wieder her. In Seiner Gnade begegnet Er uns geduldig und liebevoll durch Seinen Geist, durch Zuwendung und Trost. Durch Seinen Geist fordert Er uns auf, der Wahrheit zu glauben und die Lügen der Angst zu entlarven und zurückzuweisen. So entwickelt sich im angsterfüllten Menschen eine neue geistliche Identität, die nach und nach auch mit dem Herzen die Worte begreift: In Christus bin ich wirklich eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen,
Winfried Hahn ist Pastor und Pädagoge. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern studierte Pädagogik, war Pastor in mehreren freikirchlichen Gemeinden, und machte eine Ausbildung zum Christlichen Therapeuten. Heute leitet er das de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung und ist Vorsitzender der Christlichen Stiftung de’ignis-Polen. Er ist verantwortlich für den Fachbereich Theologie am de’ignis-Institut. Als Pastor im übergemeindlichen Dienst und Buchautor hält er Predigten, Vorträge und Seminare im In- und Ausland.
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Aus der Abh채ngigkeit zur Freiheit: Sehnsucht, Sucht und Gnade.
Sehnsucht, Sucht und Gna de
Prolog und Epilog von Rainer Oberbillig Text von Gerald May
Anmerkung der Redaktion:
Sehnsucht nach Gott scheint etwas den ganzen Menschen mit Geist, Seele und Leib Ausfüllendes und Umtreibendes zu sein. Auch der bildhafte Vergleich des Seelenhungers nach Gott mit dem animalischen Durst eines Hirsches lässt uns ahnen, dass diese Sehnsucht nach Gott die ganze Schöpfung durchzieht: „Wie der
Im folgenden Artikel stützen wir uns zum weitaus größten Teil auf Gedanken von Gerald May, die er vor fast zwei Jahrzehnten in seinem Buch mit dem Titel „Sehnsucht, Sucht und Gnade – aus der Abhängigkeit zur Freiheit“ 1 veröffentlicht hat. Wir denken, dass es gute Anregungen sind, um sich mit dem Thema Sucht und menschlicher Freiheit zu beschäftigen. Dazu beschränken wir uns auf den rein „philosophischen“ Aspekt aus dem vorliegenden Buch. Die sehr komplexe Struktur der Sucht mit ihren neurobiologischen und psychosozialen Hintergründen wird hier bewusst außer Acht gelassen. Die weltanschauliche Grundlage des Autors ist übrigens seine christliche Identität, die von einem angeborenen Hunger und Durst nach Gott ausgeht, die jeder Mensch in sich trägt.
Hirsch nach frischem Wasser lechzt, so lechzt meine Seele nach dir, o Gott. Meine Seele dürstet nach Gott, ja, nach dem lebendigen Gott […]“ 3
sucht nach dir ist in einem dürren, ausgetrockneten Land, wo es kein Wasser mehr gibt.“ 2 Die
der trinke vom Wasser des Lebens; er bekommt es umsonst.“ 6
Letzteres lässt uns schon erahnen, dass die Sehnsucht nur aus Gnade (wir bekommen „es“ umsonst, ohne es verdient zu haben) erfüllt werden kann; anderenfalls könnte sie in die Sucht aus dem Verlangen nach Selbsterlösung führen. Hans-Joachim Eckstein hat aus Psalm-Versen, die uns viel über unser Thema sagen, ein Gedicht gemacht. Es ist überschrieben: „Der Herr ist mein Gut und mein Teil“ 7:
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Warum verlieren oder verfangen wir uns dann in so vielen anderen (Sehn)- Gott sagt zu dir nicht: „Lass los!“, Süchten? Warum haben Menschen über- sondern: „Gib es mir!“ Nicht: „Du darfst haupt solch eine unbewusste Sehnsucht dich nicht an vergängliches Gut klamnach Gott? Was suchen wir und finden mern!“, sondern: „Begreife, dass ich dein es doch nicht dort, wo wir die schnelle ewiger Schatz bin!“ Er fordert nicht: „Du Lebenslösung gefunden zu haben mei- musst hinnehmen, dass du vergänglich nen? Der Psalmist spricht in diesem Zu- bist!“, sondern: „Du darfst annehmen, sammenhang vom Lebens-Hunger, den er dass ich niemals von deiner Seite weiche!“ Prolog Die Sehnsucht des Menschen nach Gott nach seiner (schmerzlichen) Erkenntnis Nicht: „Gib zu, dass du stürzt!“, sondern: ist im Grunde genommen das Thema, das vor allem bei Gott zu stillen hofft: „Du „Lass dich bei mir und in meine Arme faldie ganze Bibel durchzieht. Diese zeigt zeigst mir den Weg zum Leben. Dort, wo du bist, len!“ Er spricht nicht: „Du darfst nicht sich in der Schilderung der Erfahrun- gibt es Freude in Fülle; „ungetrübtes“ Glück hält verkrampft an den Dingen festhalten!“, gen von ganz gewöhnlichen Menschen. deine Hand ewig bereit […] Bei dir ist die Quelle sondern: „Komm, lass mich deine Hand Letztlich geht es in der Bibel um die Ge- allen Lebens, in deinem Licht sehen wir das ergreifen!“ Er erhebt nicht den Anspruch: „Du musst mir blind vertrauen!“, sondern schichte der Erwählung des Volkes Israel Licht.“ 4 und seine abenteuerliche Geschichte mit Jesus selbst verdichtet diese Aus- er schenkt mir seinen vertrauenswürdigen Gott, die über Sehnsucht und Sucht in sagen über die Lebensquelle und die Zuspruch: „Ich habe dich schon immer Katastrophen führt. Erst am Ende der notwendige Hinwendung unseres Su- in Liebe angesehen!“ Gott nimmt mir Geschichte wird Israel wiederhergestellt chens zu ihm allein, als er zum „Wasser nicht weg, woran ich hänge, sondern er und kommt durch seinen Messias Jesus des Lebens“ einlädt mit den Worten: erweist sich mir selbst als das, was ich so „[…] Wer Durst hat, soll zu mir kommen und sehr vermisst habe. ans Ziel seiner Sehnsucht. Dieser Durst nach Gott wird in trinken! Wenn jemand an mich glaubt, werden den Psalmen in ergreifenden Bildworten aus seinem Inneren, wie es in der Schrift heißt, Doch ich bleibe stets bei dir; denn ausgedrückt. Hintergrund ist bei David Ströme von lebendigem Wasser fließen. Er sagte du hältst mich bei meiner rechten Hand. das eigene Leben mit Mangelerfahrun- das im Hinblick auf den Heiligen Geist, den die Du leitest mich nach deinem Rat und gen. So beschreibt er z. B. den Durst nach empfangen sollten, die an Jesus glaubten […]“ 5 nimmst mich am Ende in deine HerrlichGott aus seiner misslichen Lage in der Diese Einladung wird vom Geist Gottes keit auf. Wen habe ich im Himmel außer Wüste, auf der Flucht vor seinen Wider- und der Jesus vertrauenden Gemeinde dir? Und neben dir erfreut mich nichts sachern: „Gott, mein Gott bist du, dich suche am Ende der Zeiten wiederholt werden: auf der Erde. Wenn mir auch mein Leib ich. Wie ein Durstiger, der nach Wasser lechzt, „Der Geist Gottes und die Braut rufen: Komm! – und mein Herz vergehen, so bist du doch, so verlangt meine Seele nach dir. Mit meinem Und wer diesen Ruf hört, soll ebenfalls sagen: Gott, meines Herzens Fels und mein Teil ganzen Körper spüre ich, wie groß meine Sehn- Komm! Wer Durst hat, der komme! Wer will, für immer.
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und lockt uns, das große Doppelgebot der Liebe zu erfüllen: Du sollst Gott mit ganzem Herzen lieben und deinen Nächsten wie dich selbst! Wenn wir unsere Sehnsucht nach Liebe als den wahren Schatz unseres Herzens anerkennen könnten, dann wären wir in der Lage, mit Gottes Gnade dieses Doppelgebot auch zu leben. […] Unsere Sehnsucht wird gefangen gehalten, und wir unterwerfen uns Dingen, die wir wenn wir ganz ehrlich sind, in Wirklichkeit nicht wollen. Es gibt Augenblicke, da erkennt sich jede und jeder von uns in den Worten des Paulus wieder: „Ich verstehe mein Verhalten nicht: Was ich will, das führe ich nicht aus, aber was ich hasse, das tue ich. Der Wille, das Gute zu tun, ist zwar in mir, die Kraft dazu aber nicht. Nicht das Gute das ich will, tue ich, sondern das Böse, das ich nicht will. […]“ 8 Psychologisch gesprochen
Sehnsucht
sind hier zwei Kräfte am Werk: Verdrängung und Sucht. Wir leiden unter beiden. Verdrängung ist dabei die weitaus harmlosere.
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Seit 20 Jahren kommen Menschen mit ihren Sorgen zu mir und schütten mir ihr Herz aus und so bin ich inzwischen davon überzeugt, dass alle Menschen Von der Sehnsucht in die Sucht eine angeborene Sehnsucht nach Gott in Häufig verdrängen wir unseren Hunger sich tragen. Ob wir nun bewusst religiös nach Liebe, weil Liebe uns verwundbar sind oder nicht, diese Sehnsucht ist unser macht. Das englische Wort „Passion“, tiefstes Verlangen und unser wertvollster mit dem wir diesen starken Liebeshunger Schatz. Sie gibt unserem Leben Sinn und ausdrücken, kommt vom lateinischen Ziel. Einige von uns unterdrücken dieses „Passio“, also „erleiden“. Wir alle wissen, Verlangen: Es liegt unter vielen anderen dass Liebe sowohl Freude als auch Leiden Reizen begraben, so dass wir es nicht bringt. Oft verdrängen wir unser Verlanmehr wahrnehmen. Oder wir erleben es gen nach Liebe, um das Leiden gering zu in anderer Gestalt: als Sehnsucht nach halten […] Die Begegnung mit Gott verGanzheit, nach Vollkommenheit oder läuft für uns ja nicht immer so angenehm, nach Erfüllung. Egal wie wir es nennen, wie wir es erhoffen. Folglich verdrängen es ist ein Sehnen nach Liebe, ein Hun- wir unsere Sehnsucht nach Gott. Wenn ger zu lieben, geliebt zu werden und der wir aber unsere Sehnsucht verdrängen, Quelle der Liebe näher zu kommen. Die- versuchen wir gleichzeitig, diese Tatsache ses Sehnen gehört zu unserem innersten nicht ins Bewusstsein dringen zu lassen. menschlichen Wesen und ist Ursprung Deshalb wenden wir uns anderen, ungegrößter Hoffnungen und edelster Träume. fährlicheren Dingen zu. Die Psychologie Die moderne Theologie beschreibt nennt das Verschiebung […] Wir mögen dieses Verlangen als von Gott gegeben. unser Sehnen nach Gott verdrängen, aber In überfließender Liebe hat uns Gott es verfolgt uns hartnäckig, weil es darauf erschaffen und uns dabei den Keim der wartet, uns zu begegnen, wann immer wir Sehnsucht eingepflanzt. Unser ganzes dazu bereit sind. Trotz aller gegenteiliLeben lang nährt Gott dieses Verlangen gen Beteuerungen ist Verdrängung recht
flexibel zu handhaben. Sucht dagegen – die andere Macht, die uns von der Liebe fernhält – ist ungleich tückischer. Generationen von Psychologen und Psychologinnen sind davon ausgegangen, dass praktisch jede Form selbstzerstörerischen Verhaltens ihre Ursache in der Verdrängung hat. Ich bin inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass Sucht eine eigenständige und noch schädlichere Größe ist. Sucht missbraucht unsere Freiheit und veranlasst uns zu tun, was wir eigentlich nicht wollen. Während Verdrängung unser Verlangen erstickt, bindet und kettet Sucht es an ein bestimmtes Verhalten, an Gegenstände oder Menschen. Dieses gebunden sein führt zu Befangenheit und Besessenheit, die unser Leben regieren. Seit jeher kennt die geistliche Tradition in der englischen Sprache das Wort Attachment, um diesen Vorgang zu beschreiben. Es kommt vom alten französischen Wort „Atache“ und bedeutet so viel wie „angenagelt“. Unser Verlangen wird also an bestimmte Objekte „genagelt“ und auf diese Weise zur Sucht. […] In jedem Menschen sind die psychologischen, neurologischen und geistigen Kräfte einer ausgewachsenen Suchtkrankheit am Werk. Dieselben Mechanismen, die zu Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit führen, wirken in uns, wenn wir an Idealen hängen, Macht anstreben, Arbeit und Beziehungen nachjagen, von Stimmungen und Fantasien abhängig sind oder was dergleichen an Abhängigkeiten noch denkbar ist. Im wahrsten Sinne des Wortes sind wir alle süchtig. Mehr noch: Unsere Süchte sind unsere schlimmsten Feinde. Sie haben uns Ketten angelegt, die wir zwar selbst geschmiedet haben, die aber faktisch nicht mehr unserer Kontrolle unterliegen. Die Sucht macht uns zu Götzendienern und -dienerinnen. Indem wir gezwungen werden, dem Objekt unserer Begierde zu huldigen, sind wir unfähig, Gott und unseren nächsten in Freiheit zu lieben. Es ist paradox: Sucht bringt einen starken Willen hervor, unser Wille ist jedoch nicht mehr frei und unsere Würde längst untergraben. Sucht ist
Sehnsucht, Sucht und Gna de
also ein Teil der menschlichen Natur und arbeitet dennoch gegen sie. Sie ist eine erbitterte Feindin der menschlichen Freiheit, geradezu eine Gegenleidenschaft zur Liebe. Aber – und auch das mag paradox klingen – unsere Früchte lassen uns die Gnade neu schätzen. Sie zwingen uns sozusagen auf die Knie. In der Tradition der AA werden die so genannten Zwölf Schritte lebendig gehalten. Aus vielfältiger leidvoller Erfahrung ist die folgende Erkenntnis erwachsen: „Wir gaben zu, dass wir unseren Abhängigkeiten und Problemen gegenüber machtlos sind und unser Leben nicht mehr meistern konnten. Wir kamen zu dem Glauben, dass eine Macht – größer als wir selbst – uns unsere geistige Gesundheit wiedergeben kann. Wir fassten den Entschluss, unseren Willen und unser Leben der Sorge Gottes – soweit wir ihn verstanden – anzuvertrauen.“ 9 Im Prozess der Auseinandersetzung mit dem Thema dieses Buches beschreibt der Autor sowohl seine Selbsterfahrung in seiner Arbeit als Psychiater und Psychotherapeut als auch seine Selbsterkenntnis in der kritischen Reflektion eigener Gebundenheiten. Fortsetzung
Zuletzt wurde mir klar, dass Abhängigkeit sich nicht nur auf Drogen oder bestimmte Substanzen begrenzen ließ. Ich war ja auch abhängig von meiner Arbeit und davon, wie sie bei den Leuten ankam. Ich brauchte Verantwortung, Nähe und Streicheleinheiten. Es war notwendig für mich, gebraucht zu werden und helfen zu können. Noch viele andere Lebensvollzüge und Verhaltensweisen kam mir in den Sinn: Da waren Fesseln, mit denen ich teilweise ganz zufrieden lebte. Doch von anderen wäre ich lieber befreit worden. Ich musste zugeben, dass ich sie weder freiwillig gewählt, noch dass ich sie unter Kontrolle hatte. Im Gegenteil: sie waren zwanghaft. Soviel war mir klar geworden, und
ich konnte dem Eingeständnis meiner Rebellen. Sie erscheinen eher unschuldig Abhängigkeiten und ihre Symptome und leichtgläubig – fast wie kleine Kinnicht mehr ausweichen. Egal wie viel der. Wie uns die Bibel berichtet, aßen Erfolg, Nähe und Bestätigung ich auch sie die Frucht nicht, weil es verboten fand, das war nie genug. Stets wollte ich war, sondern weil sie „verführerisch anmehr. Wenn eines davon ausblieb, dann zusehen und schmackhaft“ war. Außerversuchte ich verzweifelt, es zu bekom- dem hat ihnen die Schlange versprochen, men, und erlebte zugleich Ängste, seeli- dass sie wie Götter werden würden. Fast sche Nöte oder gar körperliche Beschwer- möchte ich sagen, sie waren nicht reden. Ich durchschaute jetzt, dass meine bellisch, sondern dumm. Ihr Mangel an anfängliche „berufsbedingte Depression“ Klugheit machte sie für die Versuchung eine Folge des Bedürfnisses nach Erfolg anfällig. Und als sie der Versuchung einund Macht gewesen war. Genau genom- mal nachgegeben hatten, war ihre Freimen war sie eine Entzugserscheinung, heit vom Verlangen besiegt. Sie wollten die dann auftrat, wenn beruflicher Er- mehr. Gott wusste: Bei diesem Baum folg ausblieb. Sogar meine harmloseren würde – ja konnte – es nicht bleiben. Gewohnheiten und meine geheimsten „Sie dürfen ihre Hand nicht ausstrecken Fantasien waren dem Wesen nach Süchte. und auch noch vom Baum des Lebens Ich tröstete mich mit Sätzen wie: „Meine nehmen.“ Also gab Gott ihnen Kleidung schlechten Angewohnheiten sind doch und verbannte sie aus dem Garten. Diese unbedeutend, verglichen mit Alkoho- anschauliche Erzählung verdichtet die lismus oder Drogensucht.“ Natürlich Grundelemente von Sucht und Gnade: stimmte das. Gleichzeitig aber war es Es geht um Freiheit, Willkür, Verlangen, eine Selbstrechtfertigung, ein Rationali- Versuchung, Bindung und natürlich um sierungsversuch, um einer lieben Ge- den Sündenfall. Mir scheint, jede unserer wohnheit weiterhin nachgeben zu kön- Abhängigkeiten spiegelt die Geschichte nen. Es klang, wie wenn AlkoholikerIn- von Adam und Eva. Eden ist noch nicht nen betonten: „Immerhin sind wir keine vorbei. […] Junkies“ während sich im selben Kran- Die Bibel nennt die Liebe, aus der kenhaus die Drogensüchtigen brüsteten: und für die wir geschaffen sind, vollkom„Wenigstens saufen wir nicht!“ men. Ich weiß nicht, was vollkommene Auf einen Nenner gebracht: Ich Liebe bedeutet. Aber sicher weiß ich, dass hatte versucht, mein Leben selbst in die unsere tiefste Sehnsucht uns zu ihr hinHand zu nehmen, mich allein auf meine zieht. Ich glaube auch, dass eine solche Willensstärke zu verlassen. Und immer, Liebe unseren freien Willen möchte. Wir wenn diese Stärke nachließ und sich der sollen die Wahl haben. Wir sind eben Erfolg einer solchen egozentrierten Auto- nicht von Grund auf vorprogrammiert. nomie nicht einstellte, folgte die Depres- Wir sind weder Marionetten noch Masion. Durch sie aber gelangte ich – Gott schinen. Theologisch gesprochen: Unser sei Dank – zur geistlichen Öffnung […] freier Wille ermöglicht uns die EntscheiIch weiß jetzt auch, dass alle Menschen dung für oder gegen Gott, das Leben und abhängig sind. Alkohol- und Drogen- die Liebe. Diese Liebe verfolgt uns, aber sucht sind nur auffälliger und tragischer sie zwingt uns nicht. Sie ist allgegenwärals andere Formen der Sucht. Leben heißt tig und dennoch grenzenlos offen. süchtig sein. Leben und süchtig sein aber Ich denke, der freie Wille ist uns zu heißt, die Gnade nicht entbehren zu kön- einem bestimmten Zweck gegeben wornen. […] den: Wir sollen völlig frei, ohne genö Wenn ich die Schöpfungsgeschich- tigt und manipuliert zu werden, Gottes te genau lese, verspüre ich Sympathie für Liebe erwidern und einander – endlich Adam und Eva. Sie sind zwar verantwort- vollkommen – lieben können. Das ist es lich für ihre Tat, aber sie wirken nicht wie auch, was wir uns im Innersten letztlich
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wünschen. Anders ausgedrückt: Wir sind aus Liebe, in Liebe und für die Liebe geschaffen. Somit ist es unser ureigenstes Geburtsrecht und zugleich unser eigentliches Ziel, an dieser schöpferischen Liebe teilzuhaben. Dazu aber bedarf es eines freien Willens. Doch unsere Freiheit ist unvollkommen. Kraftvoll arbeitet die Sucht gegen sie. Psychologisch gesehen bindet die Sucht unsere Sehnsucht. Wie ein seelisches Geschwür verzehrt sie unsere Lebenskraft und bindet sie an ausgewählte Bedürfnisse und Zwänge. Es bleibt immer weniger Energie übrig, um uns auf andere Menschen oder höhere Ziele zu konzentrieren. Geistlich gesehen ist Sucht die grundlegende Abkehr von Gott. Die Objekte unserer Abhängigkeiten werden zu unseren Göttern. Ihnen dienen wir. Ihnen – nicht der Liebe – opfern wir Zeit und Kraft. Sucht verdrängt und ersetzt die Liebe Gottes als Quelle und Objekt unseres tiefen und echten Verlangens. Sie ist eine „Vorspiegelung religiöser Existenz“, wie es ein zeitgenössischer Schriftsteller formuliert hat. Dort, wo wir uns gezwungen sehen, unsere Energie an falsche Ziele zu verschwenden, herrscht Sucht. Um es klar zu sagen: Sucht ist ein Zustand der Voreingenommenheit, Zwanghaftigkeit oder Besessenheit, der unser Wollen und Streben verfremdet. Dabei vernachlässigen wir unser eigentliches Anliegen, nämlich zu lieben und gut zu sein. Wir unterliegen einer Macht, die unsere Antriebskräfte an einzelnen Gewohnheiten, Dinge oder Menschen kettet. Diese Bindungen missbrauchen unsere Sehnsucht und erzeugen Sucht […] Aus der jüdischen Tradition kennen wir die Klage des Predigers: „Was meine Augen auch begehrten, das entzog ich Ihnen nicht, und keine Freude versagte ich meinem Herzen, […] und siehe, da war alles eitel und nichtig und ein Haschen nach dem Wind.“ […]
Gnade
Judentum und Christentum haben beide als erstes und wichtigstes Gebot „Du
sollst keine anderen Götter neben mir haben!“
Auch das Grundbekenntnis des Islam beginnt damit: „es gibt keinen Gott außer Gott.“ Es ist kein Zufall dass die drei großen monotheistischen Religionen diese Grundaussage teilen. Gott will uns sagen: „Nichts darf dir wichtiger sein als ich. Ich bin der höchste Wert. Alle anderen Werte müssen sich daran messen lassen, und die wahre Liebe zu allen Dingen muss dort ihren Ausgangspunkt haben.“
Wir haben schon von dem Doppelgebot der Liebe gesprochen, dass Jesus als das höchste Gebot bezeichnet: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit ganzem Herzen, ganzer Seele und alle Kraft, und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“
Aber Sucht bewirkt, dass unsere Liebe zu Gott und zum Nächsten unvollkommen bleibt. Sucht ist es, die uns andere Götter schafft. Sucht sorgt dafür, dass wir uns überall Schätze anhäufen, nur nicht im Himmel. Solche Schätze aber berauben uns unseres Herzens, unserer Seele und unserer Kraft.
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Jesus warnte einmal in den Evangelien „Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein.“
Aufgrund unserer Süchte ist es uns unmöglich, aus eigener Kraft nach dem Doppelgebot der Liebe zu leben. Wir haben es immer wieder probiert und dabei versagt. Manche haben sogar erkannt, dass wir tatsächlich in unserem Innersten nach der Erfüllung dieser Gebote streben. Wir widmen Ihnen unser ganzes Leben, haben aber dennoch keinen Erfolg. Ich halte unser Versagen für notwendig, denn nur wenn wir unser Versagen und unsere Hilflosigkeit erkennen, können wir uns ernsthaft und vollständig der Gnade zuwenden. Und Gnade ist unsere einzige Hoffnung im Umgang mit der Sucht – die einzige Macht, die die Zerstörungskraft der Sucht überwinden kann. Gnade ist die unschlagbare Verteidigerin der Freiheit und der absolute Ausdruck vollkommener Liebe. Für Christen und Christinnen ist Gnade ein dynamischer
Sehnsucht, Sucht und Gn a de
Prozess. Gottes liebendes Wesen fließt in seiner Schöpfung und durchzieht sie: als Heilung, Liebe, Erleuchtung und Versöhnung in endloser Selbsthingabe. Wir haben die Freiheit, dieses Geschenk zu ignorieren oder zurückzuweisen, darum zu bitten oder es einfach anzunehmen. Es ist ein Geschenk, das wir nicht selten auch dann erhalten, wenn unsere eigenen Vorsätze und Irrtümer in eine andere Richtung gehen. Wenn Gnade geschenkt wird, ohne dass wir sie erbeten, eingeladen oder gar verdient haben, kann es nur eine Antwort geben: Dankbarkeit und Ehrfurcht. Es kann passieren, dass wir Gnade zum Beziehungspunkt unserer Sucht machen, dass wir sie sammeln und horten möchten. Aber so erhalten wir nur ein Abziehbild der Gnade. Gnade selbst lässt sich nicht besitzen. Sie ist ewig frei und weht, wo sie will, so wie der Geist, der sie gibt. „Wir können Gnade suchen und für sie offen sein, aber wir können sie nicht beherrschen.“
(vgl. Joh. 3,8). Genauso ist es aus Sicht der Gnade: Sie sucht uns, aber sie kontrolliert
uns nicht. Augustinus sagte einmal, dass Epilog Gott ständig versuche, uns Gutes zu schen- Die Sehnsucht, die uns falsch verstanden ken. Doch unsere Hände seien zu voll, an die Sucht kettet und doch über diesen um etwas zu empfangen. Wenn unsere fast notwendigen Umweg zur Gnade GotHände voll sind, dann mit den Dingen, tes in Jesus Christus führt – was für ein nach denen wir süchtig sind. Und nicht spiritueller Weg für jeden Menschen, um nur die Hände, auch unsere Herzen, un- einmal so wie Paulus ausrufen zu dürfen: sere Gedanken und unsere Aufmerksam- „Ich unglückseliger Mensch! Mein ganzes Dasein keit sind auf die Sucht gerichtet. Sucht ist dem Tod verfallen. Wird mich denn niemand füllt die Bahnen, in denen Gnade fließen aus diesem elenden Zustand befreien? Doch! Und dafür danke ich Gott durch Jesus Christus könnte. Gerade hier aber ist es wichtig zu unseren Herrn […] Müssen wir denn nun noch unterscheiden: Es sind nicht die Objekte damit rechnen, verurteilt zu werden? Nein, für unserer Sucht, die unsere Hände und die, die mit Jesus Christus verbunden sind, gibt Herzen so in Beschlag nehmen, es ist es keine Verurteilung mehr. Denn wenn du mit vielmehr unsere eigene Besessenheit, die Jesus Christus verbunden bist, bist du nicht mehr uns nach diesen Objekten greifen und sie unter dem Gesetzt der Sünde und des Todes; das festhalten lässt. Mit Johannes vom Kreuz Gesetz des Geistes, der lebendig macht, hat dich gesprochen, „sind es nicht die Dinge der Welt, davon befreit.“ 10 die die Seele erobern und beschädigen, denn sie Die Bibel zeigt uns, dass wir den dringen nicht ein. Es ist vielmehr der Wille und lebendig machenden Heiligen Geist braudas Verlangen nach ihnen.“ Der Wille und chen, der uns frei macht von dem Angedas Verlangen, das Streben und Festhal- kettet sein an die Objekte unserer Sehnten – das alles macht aus, was wir Bin- sucht, das uns in die Sucht geführt hat. dung genannt haben. (1. Kor 3,17 – 18) Paulus spricht sogar von einer Neuschöpfung in Christus, die erforderlich ist, um uns aus unseren Abhängigkeiten oder Bindungen immer wieder neu, wenn wir sie denn bemerken, freizumachen: „Vielmehr wissen wir: Wenn jemand zu Christus gehört, ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen; etwas ganz Neues hat begonnen! Das alles ist Gottes Werk. Er hat uns durch Christus mit sich selbst versöhnt […]“ 11
Fußnoten
May, Gerald (1993): Sehnsucht, Sucht und Gnade. Aus der Abhängigkeit zur Freiheit. Claudius Verlag, Kapitel 1 „SEHNSUCHT: Sucht und menschliche Freiheit“, S. 13 – 30. 1
Rainer Oberbillig ist Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Verhaltenstherapeut (dgvt), Selbsterfahrungsleiter und Supervisor (lpk-BW), Fortbildung in Psychodrama, Christlicher Therapeut (IACP/de’ignis), Leitender Psychologe der de’ignis-Fachklinik.
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EPsalm 63,2 (NGÜ)
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Psalm 42, 2.3a (NGÜ) Psalm 16,11 und Psalm 36,10 (NGÜ) Jo 7,37a.38.39a (NGÜ) Offenbarung 22,17 (NGÜ)
H.-J. Eckstein (2012): Du bist ein Wunsch, den Gott sich selbst erfüllt hat. SCM Hänssler im SCM Verlag, S. 18 – 19
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Römer
Seekamp, H. et al. (1994): Endlich leben! Das 12-Schritte-Programm. Brunnen Verlag 10 11
Rö 7,24.25;8,1 – 2 (NGÜ) 2. Kor 5, 17f (NGÜ)
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T h eo r i e- u n d T he ra pie e n t wic k l u n g
Die Leiden des jungen Werther. Nie erwachsen – ewig jung bleiben, oder!?
von PD Dr. med.Herbert Scheiblich
Als Goethe den „Jungen Werther“ schrieb, schuf er einen Roman, der den Nerv der damaligen Zeit traf und das Problem eines Adoleszenten zum ersten Mal in der Weltliteratur beschrieb. Nur ungerne erinnere ich mich an meine Unterprimanerzeit, wo im Deutschunterricht der Roman literarisch bearbeitet wurde und somit erhebt sich die Frage: Sind die Leiden des jungen Werther auch heute noch die Leiden der jungen Erwachsenen? Darauf gehen wir später ein. Um das Problem, bei dem es in diesem Artikel geht, zu umreißen, möchte ich zwei Fallbeispiele schildern. In meiner klinischen Arbeit treffe ich immer häufiger auf junge Menschen, die nach dem Abitur das Haus nicht verlassen und lieber Kind bleiben wollen, als groß zu werden und Kinder zu bekommen. Sie zeigen dabei keine offene psychische Symptomatik, sondern sind ganz einfach unmotiviert, Hotel Mama und Kasse Papa zu verlassen. Eine zweite Gruppe von jungen Klienten sind Studienanfänger, die nach erfolgreichem Abschluss der Schulausbildung eine Ausbildung oder ein Studium außerhalb des familiären Umfeldes beginnen. Sie starten hoffnungsvoll und stürzen dann spätestens beim Absolvieren der ersten Prüfung in eine mittlere emotionale Kata-
strophe, nach Nichtbestehen der Prüfung beginnt dann die Entwicklung einer Angstsymptomatik bzw. Depression. In beiden Fällen handelt es sich um adoleszente junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren, die in einer schwierigen Schwellensituation aus ihrem Teenager-Sein hinaus in das Erwachsenenleben treten. Die Zeit zwischen Eintritt in diese psychische Entwicklungsperiode bis zu ihrem Abschluss als autonome Persönlichkeit ist die Zeit der frühen Erwachsenenreifung. Als Erwachsenen bezeichnet man einen Menschen beiderlei Geschlechts mit einer einigermaßen stabilen Identität, die auf die drei banalen Fragen: „Wer bin ich?“, „Woher komme ich?“, „Wohin gehe ich?“ oder „Was will ich?“ eine stabile Antwort gefunden haben. In dieser Periode sollten drei mehr oder weniger einfache Aufgaben bewältigt werden: Eintritt in das Berufsleben nach einer Explorationsphase Aufbau eines eigenen Haushaltes mit eigenem Geld und eigenem Auto Eine feste Partnerschaft Bei den heutigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen scheint es zu einem Wandel gekommen zu sein, nämlich dass
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sich der Eintritt in den Beruf heute stark dann später zu verlängerten Adaptionsverzögert mit Verlängerung der Berufs- prozessen im Rahmen von anderen Sofindungsphase und der beruflichen Aus- zialstrukturen. Des Weiteren fallen sozibildung. Zu beobachten ist eine Werte- ale Reifungsmechanismen, z. B. für junge verlagerung: Ein einfaches Leben ohne Männer die Wehrpflicht, weg, welche eigenen Hausstand, möglichst flexibel noch eine Korrektur für ihre weitere gesein mit dem Ziel, viel Spaß zu haben sellschaftliche Eingliederung darstellten. und eine innere Freiheit, von materiellen Das bedeutet, dass in einigen Bereichen Dingen, aber auch Beziehungen zu ande- die Auseinandersetzung mit der Erwachsenenwelt weitgehend erfolgreich vermieren Menschen. Adoleszente von heute haben daher den werden kann. viele Beziehungen mit wenig Bindung Auf der einen Seite leben wir in einer und noch weniger Verantwortungsüber- Gesellschaft mit einem hohen sozialen nahme. Es kommt zu einer Veränderung Standard und sehr vielfältigen Wahlmögder Definition eines Erwachsenen: Die lichkeiten. Jedoch ist die Zukunft des junAntwort liegt zwischen „Ja“ in einigen gen Menschen offen. Es kommt immer Bereichen und „Nein“ in anderen Aufga- wieder vor, dass Adoleszente nach einem erfolgreichen Berufsabschluss arbeitslos benbereichen. Während in früheren Jahrhunderten sind (Praktikantengeneration), oder Arder Übergang vom Jugendlichen in das beit finden, die ihnen jedoch nicht die Erwachsenenalter ritualisiert war, zeigen Möglichkeiten gibt, mit dem Verdienst sich heute doch massive Veränderungen. eine eigenständigen Lebensführung aufDiese Veränderungen umfassen zuerst zubauen, d. h. der junge Erwachsene von den Bereich der Biologie und betreffen morgen braucht immer mehrere parallele somit die körperliche und neurologische Arbeitsverhältnisse, um wirtschaftlich in Entwicklung. Diese Veränderungen zeich- der Gesellschaft existieren zu können. nen sich durch einen früheren Eintritt Die wirtschaftliche Organisation mit der Kinder in die Pubertät und eine Ver- kapitalistischen Stukturen führt unter längerung, um nicht zu sagen Retardie- anderem zu einer Klassendiffusion im Sinne sozialer Durchlässigkeit. Auf der rung, der Adoleszenz aus. Außerdem kam es zu Veränderungen einen Seite ermöglicht sie Menschen aus in der Gesellschaft. Während früher das unteren sozialen Schichten aufzusteigen, klassische Familienmodell „Vater/Mutter“ andererseit aber bedeutet eine höhere in meistens bis zum Tode verbundenen Qualifikation durch eine gute Ausbilfesten Strukturen mit Kindern das vor- dung nicht immer einen Selektionsvorteil herrschende Familienmodell war, treten bezüglich einer besseren Position. immer mehr Patchwork-Familien multi- Der wichtigste Umstand ist die kulturell auf. Das bedeutet, dass Kinder Veränderung der Kommunikationsstrukbzw. Adoleszente, schon frühzeitig unter- turen durch die neuen elektronischen schiedlichen Kommunikations- und Be- Medien. Im Rahmen dieser Mediengeziehungsmustern ausgesetzt sind und staltung verliert man immer mehr den dort frühzeitig umfassende Strategien direkten sozialen Kontakt. So verlernen entwickeln müssen, die früher erst im junge Erwachsene z. B. zu küssen und es früheren Erwachsenenalter erforderlich kommt immer mehr zur Entwicklung von Kommunikationsstrategien, die in waren. Die Erziehung ist aufgrund der zu- der virtuellen Welt wichtig sind, aber in nehmenden 1- oder 2-Kinder-Familie ge- der realen Welt keine Relevanz bzw. eine kennzeichnet von einer starken Verzärte- Behinderung darstellen können. Dieser lung des Kindes, worauf sich eine starke Zusammenhang zwingt viele in eine Ich-Bezogenheit bis zum Narzissmus ent- Mitgliedschaft von Peergroups, die eng wickelt. Diese gesteigerte Egozentrik führt mit den elektronischen Medien verkop-
pelt sind und führt zum Verlust der Imitations- und Prägungsrolle von Eltern, Schule und Autoritäten. Der vierte weitere wesentliche Bereich ist die Wertediffusion. Während den Jugendlichen früher nur wenige Werte, die in einer inneren Verbindung und Hierarchie waren, als Leitlinie zur Verfügung standen, sind es heute unterschiedliche Werte, die sich gegenseitig ausschließen und nur begrenzte Wirkung auf den gesamten Lebensraum eines jungen Menschen haben. Diese Wertediffusion bezieht sich auf Ethik, Moral und Religion. Der junge Adoleszente kann heute aus den Werteangeboten nur noch schwer den Rahmen eines Wertekanons erkennen, der über Jahrzehnte gültig ist, sondern muss in verschiedenen Rollen verschiedene Werte, die sich z. T. gegenseitig ausschließen, entwickeln. In dieser Situation ist es klar und verständlich, dass der junge Erwachsene eine verlängerte Experimentierphase benötigt, in der er nach der Explorationsphase herausfindet, welche Werte für ihn wichtig sind, um eine Entscheidung zu fällen.
Wie läuft eine Adoleszentenentwicklung ab? Die Entwicklung zum Erwachsenen läuft, ob die Großeltern vorhanden sind oder nicht, immer in einem Dreigenerationenmodell zwischen Kollektivation und Individuation ab. Die Generation von Opa und Oma lässt sich als eine Generation beschreiben, die unter dem Stichwort „früher war alles besser“ aufwuchs. In der Generation der Großeltern waren die Übergänge ins Erwachsenenalter ritualisiert, es fand eine starke Außensteuerung statt, es wurde
Die Leiden des jungen Werther
sehr viel Wert auf Verzicht und Trennungsleistungen gelegt: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ und es bestand in der Gesellschaft eine große Starrheit in den Machtstrukturen und ein geringeres Potenzial an Individuation, man war mehr gemeinschaftsorientiert. In der Generation von Mama und Papa, sprich der Elterngeneration, entwickelten die Eltern gegenüber ihren Großeltern größere Spielräume für individuelle Entwicklungen, Adoleszenz mit ihren Integrationsforderungen war stärker individualisiert und mehr an den Heranwachsenden orientiert. Diese Flexibilisierung, verbunden mit größeren Freiheiten, zeigte jedoch das Potenzial einer Überforderung. In der Generation von Enkel und Enkelinnen, d. h. auf der Stufe der Kinder, zeigt sich eine Vermehrung der unterschiedlichen Optionen, erwachsen zu werden, gleichzeitig mit einer geradezu gesteigerten Beschleunigung und Vermehrung der zu entwickelnden Fähigkeiten für das Erwachsenenalter. Der Zeitbezug veränderte sich von Vergangenheit bei den Großeltern, über Zukunft bei den Eltern auf Gegenwartsorientierung bei den Jugendlichen. Die Normen wurden flexibler, diffuser und widersprüchlicher. Es kam entweder zur Entwicklung der „Helikopter-Eltern“ mit Beschlagnahme und Überwachung der adoleszenten Entwicklungsräume, oder Übernahme von elterlichen Funktionen durch den Heranwachsenden selbst, im Sinne einer Pseudounabhängigkeit und -erwachsenheit. Diese Veränderung des Dreigenerationenmodells führte zu einer Veränderung des Rollenverständnisses bei Erwachsenen und Adoleszenten. Früher sah man zu Beginn einer Ausbildung als Ziele für das Erwachsenenalter, die der Jugendliche erreichen sollte, wirtschaftlichen Erfolg, sozialen Aufstieg und Befriedigung von Konsumbedürfnissen. Stattdessen zeigt sich bei den Kindern und jungen Erwachsenen eine deutliche emotionale Ablehnung dieser Werte und Verlust der Fürsorge für andere und der Gesellschaft mit einer stärkeren Eigenzentrierung
und flexibler Zukunftsgestaltung. So ist z. B. die Wichtigkeit einer frühzeitigen Alters-versorgung nicht mehr so bedeutsam. Feste Strukturen, wie die Verbindlichkeit in einer Partnerschaft, werden durch das Modell des Probierens und der Vorläufigkeit abgelöst. Inhaltliche Veränderung grundlegender Faktoren, was die Grundlage des Erwachsenseins sei, führt zu einem Vakuum der Selbstbestimmung, des Stellenwerts der anderen und der Umwelt. Aus psychodynamischer Sicht ist die Adoleszenz in einem Dreischritt zu sehen: Trennung Umgestaltung Neuschöpfung In der Adoleszenz laufen alle Prozesse mehr oder weniger parallel ab. In der Phase der Trennung, des Abschieds von der Kindheit mit der entsprechenden Trauer, können sich starke Ängste bzw. Depressionen entwickeln. In der Phase der Umgestaltung hat der junge Erwachsene die Fähigkeit, Bestehendes zu hinterfragen, revolutionäre und rebellische Gedanken zu entwickeln, und mit zunehmendem Risikos, zu scheitern. Er muss also Wut und Neugier als Grundgefühle aushalten, ebenso wie Freude.
Wie geht nun eine Adoleszentenentwicklung vor sich? In der Phase der Neuschöpfung kommt es dann zur Integration von Vergangenem, Überliefertem, Neuem, Gegenwärtigem und Zukünftigem in einem eigenständigen Lebensentwurf. In diesem Zyklus
muss der Betroffene unterschiedliche Grundgefühle unterscheiden können: Psychodynamisch zwischen Regression und Progression, Aggression und Depression. In dieser Entwicklungsperiode kommt es dann zum Abschluss der Adoleszentenzeit mit ihren psychischen Anforderungen und Entwicklungsaufgaben. Dies ist ein kognitiver, emotionaler, körperlicher, sozialer, spiritueller Vorgang, der mit einer Exploration beginnt. In der Exploration kommt es zur Informationssammlung, welche Lebensentwürfe und -muster möglich sein können. Nach einer vorläufigen Festlegung kommt es zum Ausprobieren diverser Kommunikations- und Verhaltensmuster. In dieser Phase des Probierens kam es in früheren Gesellschaften relativ rasch zu einer starken einseitigen Festlegung, ohne Wenn und Aber, quasi alternativlos. In der heutigen Zeit kann man in der Phase des Probierens eine vorläufige Wertefestlegung machen und dann erneut in eine Phase der Exploration eintreten. Diese vorläufige Phase ist auch der unbewusste Grund zur Retardierung in der Erwachsenenentwicklung. Nur 25 % aller jungen Erwachsenen bezeichnen sich im 25. Lebensjahr als „fertig“ abgeschlossen. Der häufigste Typ der Entscheidung in der Phase des Probierens ist eine diffuse Entscheidung mit „sowohl als auch“. In diesen Ambivalenzen können sich dann psychische Störungen entwickeln, oder es kommt zu einem Stillstand und damit zu einem „postmodernen Selbst“. Bei Mädchen beginnt die Pubertät und Adoleszenz früher, effektiver und schneller, sie zeigen hier einen Entwicklungsvorsprung vor Jungen, die etwas länger brauchen, um später als junge Erwachsene auf den gleichen Entwicklungsstand wie die Mädchen zu kommen. Es gibt auch geschlechtsspezifische Schwerpunktbildungen in der Ausprägung der Krankheiten, z. B. bei Mädchen gehäuft Essstörungen, Borderline-Probleme und Konflikte mit der Geschlechtsrolle.
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Während es beim weiblichen Geschlecht zu einer Erweiterung der früher sehr eingeengten Rolle (3 K: Kinder, Küche, Kirche) durch Übernahme männlicher Verhaltensmuster kam, zeigt sich in der männlichen Entwicklung das Gegenteil. Es kommt zu einer Auflösung der Kernkompetenzen des Mannseins mit einer unklaren Entwicklung, was ein Mann ist. Dieser Umstand erschwert es nun auch den jungen männlichen Erwachsenen, ihren Platz in der Welt zu finden. Es kommt in der Zeit der Adoleszenz zu einem verstärkten Auftreten von psychischen Erkrankungen, die je nach Persönlichkeit und Temperamentsstruktur von den Heranwachsenden intrinsisch oder extrinsisch gelöst werden. Intrinsisch entwickelt sich bei Adoleszenten häufig eine chronische Suizidalität als unbewusste Verweigerung gegenüber der Verantwortung der Erwachsenenrolle und der Abwehr, die Anforderungen der Umwelt zu erfüllen. Bei intrinsischen Verhaltensmustern entwickeln sich auch häufiger extreme Formen der Internetsucht und Abhängigkeit von elektronischen Medien, sodass sich der junge Mensch in eine Pseudowelt mit Pseudounabhängigkeit zurückzieht. Es kommt auch häufiger zum Auftreten von Angststörungen, sozialen Phobien und der Unfähigkeit, sich außerhalb des gewohnten Rahmens zu bewegen, oder/ und zu Depressionen, die in ihrer Ausprägung mehr launisch geprägt sind. Extrinsisch entwickeln sich häufig Störungen von Impulsfunktionen, wie Essstörungen oder Störungen des Sozialverhaltens mit Entwicklung von Soziopathie, Delinquenz und Dissozialität. D. h. der kleine Prinz und die kleine Prinzessin aus der Kindheit werden zu einem König, Kaiser und Cäsar ohne Königreich bzw. Imperium. Zwischen dem intrinsischen und extrinsischen Schenkel der Adoleszentenentwicklung finden sich dann Störungen wie prolongierte ADHS-Symptomatik, wobei nicht gesagt ist, dass der Patient in der Kindheit und Pubertät ein ADHS
hatte, sondern diese Symptomatik ist gekennzeichnet von sehr widersprüchlichen Symptomen, die auf der einen Seite reife Erwachsenenstrukturen und deutlich infantile Strukturen zeigen, wie z. B. in der Gestaltung bestimmter Lebensräume, wo man kognitiv starke Absichten hat, die aber emotional auf Abwehr stoßen und dann in Pseudolösungen, wie z. B dem Messi-Syndrom, enden. In diesem Zusammenhang sind besonders auch Borderline-Störungen zu sehen oder eine Suchtentwicklung.
Wie umgehen mit den Adoleszenten von heute? In der Frage was tun, wenn ein Adoleszenter deutliche Krankheitssymptome zeigt, ist man deutlich darauf angewiesen, eine komplexe Therapie zu entwickeln, die dialektisch-territorial orientiert sein muss, also ein „Sowohl als auch“. Auf der einen Seite dreht es sich darum, dass ein Containing geschieht, d. h. den Jugendlichen und jungen Heranwachsenden deutlich mit Entscheidungssituationen zu konfrontieren und ihn zu zwingen, Entscheidungen für die Identitätsbildung zu entwickeln. Andererseits ist es wichtig, auch Bording zuzulassen, so dass er merkt, er kann selber noch probieren und somit ein Selbstwertgefühl entwickeln. Häufiger ist jedoch für die Adoleszenten wichtig, dass sie gesellschaftliche Strukturen finden, die präventiv wirken. Am meisten belastet mich in der Arbeit als Kinder- und Jugendpsychotherapeut das Ungleichgewicht in dem Bereich von Rechten und Pflichten im Bereich der Kinder-/Jugendhilfe. In einem Hilfeplangespräch forderte der Vertreter des
Kostenträgers, hier Jugendamt, dass unbedingt die Kinderrechte zu stärken und zu beachten sind. Als ich ihn dann ansprach, dass es auch Pflichten gibt, z. B. das Einhalten von Absprachen, Respekt vor Erwachsenen, meinte er, dies sei ein überholter Standpunkt. Diese einseitige Betonung des Schutzes der Kinderrechte, des Jugendlichen und des Heranwachsenden vor einseitigen Übergriffen, ist sicher bestimmten historischen Entwicklungen geschuldet. Aber nach wie vor besteht die Anforderung an den Adoleszenten, das Gleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten zu finden. Der weitere Bereich, der einer Balance bedarf, ist der Ausgleich zwischen Solidarität, Fürsorge für andere und Egozentrikfürsorge für das eigene Befinden. Dieser Ausgleich ist nur zu gestalten, wenn dem Jugendlichen und Adoleszenten ein Wertekanon, der sich an dem Dekalog der Bibel orientiert, zur Verfügung gestellt wird. Dieser Wertekatalog beschreibt auch (s. u.) das Verhältnis der Generationen zueinander aus christlicher Sicht. Nun zur vorläufigen Beantwortung der Eingangsfrage: Ist der junge Werther auch heute noch aktuell? Ich denke, eindeutig „Ja“. Der junge Werther beschreibt in der Sprache der damaligen Zeit mit den Rahmenbedingungen einer feudalistischen Gesellschaft eine unreife Persönlichkeit, die versucht, ihren Platz in der Welt zu finden durch berufliche Positionierung und Bindungsverhalten bei der gleichzeitigen Suche nach einem eigenständigen Heim. Die psychologische Sicht, ich zitiere hier Gerhard Oberlin, 2007: „Das Krankheitsmodell Werther umfasst eine Reihe von Merkmalen, die vermuten lassen, dass eine narzisstische Symptomatik präsentiert wird. Dazu gehören neben Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen vor allem Existenzangst, Antriebsschwäche, Unrast, Stimmungsschwankungen, Realitätsverlust, der Drang zur Idealisierung, unerfüllter Kreativitätsdrang, Melancholie, Megalomie, extreme Vulnerabilität, Psychose und euphorische Suizidneigung.“
Aufgrund dieses psychopathologischen Erklärungsmodells zeigt sich deutlich,
Die Leiden des jungen Werther
dass die Beschreibung der „Leiden des jungen Werthers“ auch heute noch aktuell sind. Aus christlicher Sicht ist daher festzuhalten, dass die Identitätsbildung des Adoleszenten sich anhand der Bibel entwickeln sollte: Gemäß 1. Mose 2,4 entwickelt sich der junge Heranwachsende als Mann und Frau in eine Polarität mit eigener Identitätsbildung, die sich gegenseitig ergänzt. Gleichzeitig stellt er sich der Aufgabe, Vater und Mutter zu verlassen, um mit Partner/Partnerin ein neues „Wir“ als ein höheres „Ich“ zu entwickeln. Dieser Grundlegung in der sozialen Entwicklung des Menschen kann niemand aus der Sicht Gottes in allen Kultur-, Zeitund Lebensräumen entgehen. Ein weiterer schwieriger Punkt ist der Umgang der Generationen miteinander gemäß 2. Mose 20,12 : „Du sollst Vater und Mutter ehren“. Dies ist das einzige Gebot, das sich auf die besondere Stellung von Vater und Mutter nach den drei Geboten, wo es um die herausragende Position von Gott im Leben eines Menschen geht, und mit einem Segen „auf dass du im Land deiner Väter bleibst“, belegt ist. Hier ist jedoch nicht eine Unterordnung des Adoleszenten unter Vater und Mutter im Sinne einer lebenslangen Autorität der Eltern gemeint, sondern ein geordneter Übergang vom Kind in das Erwachsenenalter, wo auch die Eltern die Rechte der Kinder und des Adoleszenten zunehmend zu beachten haben. Ein weiterer Konfliktpunkt ist immer wieder die Verantwortung der jungen Generation der Heranwachsenden für die Entscheidungen der Eltern, wie z. B. der Altersvorsorge. Ohne Zweifel sind gesellschaftlich gesehen generationsübergreifende Lösungen mit der Beschreibung von Pflichten, Rechten und Verantwortung wichtig. Diese Zwangsmechanismen stehen jedoch gegen die eigenständige individuelle Daseinsvorsorge des Betroffenen. Hier zeigt sich z. B. ein deutlicher Unterschied zwischen Deutschland als einem hochstrukturierten Land mit einem „deutlichen Generationsvertrag“ und den
Staaten von Amerika mit einem Modell, wo die Verantwortung für die Altersvorsorge dem Individuum überlassen ist. In christlichen Kreisen ist es häufig so, dass die Aussage: „Der Herr wird die Sünden der Väter (hier: der Eltern), bis ins 3. und 4. Glied der nachfolgenden Generationen bestrafen und verfolgen“ für die Zeit des
Neuen Testamentes nicht fortbesteht. Dies gilt für das Volk Israel. Ich denke, dass für Gott das Prinzip: „Jeder ist für seine eigene Sünde/Schuld verantwortlich“, weil er jedem seine eigene Chance gibt, gültig ist. Gemäß Hesekiel 18,20 ff wird Gott die Schuld der Vorfahren, nicht den Nachfahren und die Schuld der Nachfahren nicht den Vorfahren anrechnen. Dieses Modell der Verantwortlichkeit der Generationen untereinander sollte in der heutigen Diskussion beachtet werden. Ein Beispiel für einen erfolgreichen alltäglichen Umgang der älteren mit der jungen Generation stellen Timotheus und Paulus dar: Paulus schreibt im 1. Timotheusbrief 1,18 dass er Timotheus wie seinen eigenen Sohn angenommen hat, der erfolgreich in eigenständiger Regie die Aufgaben von Paulus übernommen hat, aber auch wie er im 1. Timotheus 4,12 schreibt, dass Timotheus als der Jüngere von Älteren respektiert und nicht verachtet wird. Dieser dialektische Umgang zwischen den Generationen von alten und jungen Erwachsenen ist das Bild, das Jesus im Rahmen seines Verhältnisses zur Gemeinde festgelegt hat, dass er diese liebt, dafür sich selber aufgibt und alles tut, dass es der Gemeinde gutgeht. Dies ist ebenso auf das Verhältnis der Geschlechter zu übertragen.
Fazit 1. Erwachsen zu werden, ist eine Auf-
gabe, der niemand ausweichen kann. Diese Aufgabe ist nicht leicht und be darf der vielfältigen Hilfe der Umgebung. 2. Erwachsen sein bedeutet, mit sich und Gott in Frieden zu leben und mit den anderen, soweit es möglich ist.
3. Erwachsensein bleibt eine Entwick lung von Reifwerden und kindlich sein.
Leider ist die gesellschaftliche Entwicklung weit von diesem Ideal entfernt, aber seien wir optimistisch und versuchen wir mit der Hilfe Gottes, diesem Ideal nachzueifern.
PD Dr. med. Herbert Scheiblich ist Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie, Suchtmedizin, Verkehrsmedizin, Ernährungsmedizin, Kinder- und Jugendpsychotherapie und Lauftherapie. Habilitation als Privatdozent und akademischer Abschluss in evangelischer Theologie. Psychotherapieausbildungen in Systemischer Familientherapie, Individualpsychologie, Rational-Emotiver Therapie und Logotherapie. Er wohnt in Altensteig und ist Mitglied der de’ignisInstitutsleitung.
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Umgang mit Schuld in der Therapie. von Jan Hilbig
Eine Mutter, die vor 10 Jahren ihre Tochter bei einem Autounfall verloren hat, beschäftigt sich bis heute fast täglich mit der Überzeugung, sie habe zur Autofahrt gedrängt und zusätzlich durch einen ungewöhnlichen Platzwechsel mit der Tochter im Auto deren Tod mitverursacht und selbst überlebt. Eine in einer Alkoholikerfamilie aufgewachsene junge Frau ist überzeugt, durch ihren schwachen Widerspruch gegenüber den Vergewaltigungen ihres mehrere Jahre älteren Partners Anfang der Pubertät die Verantwortung für diesen sexuellen Missbrauch zu tragen. Eine unter Depressionen leidende Mutter meint durch ihr schweigendes Mitwissen um das Doppelleben des Vaters als Kind die Verantwortung für das Schicksal ihrer Familie und ihre jetzige Krankheit zu tragen. Ein vom engagierten Einsatz im Berufs- und Freizeitleben erschöpfter junger Ingenieur berichtet unter Tränen, wie er vor Jahren seiner Ehefrau durch Inanspruchnahme von erotischen Diensten untreu geworden ist. Beim Erfragen der gynäkologische Anamnese erzählt eine Großmutter sichtlich beschämt und trauernd von zwei Schwangerschaftsabbrüchen, zu denen sie sich gemeinsam mit ihrem Mann entschieden hat, nachdem bereits zwei Kinder geboren waren. Dies sind einige wenige Beispiele aus der Therapie, in denen mir Schuldgefühle, Schuld, Schuldwahn, aber auch Scham begegnen. Allein die Häufigkeit, aber auch Komplexität und Wechselwirkung dieser Fragestellungen rund um Schuld mit der Biographie machen den
Themenkreis Schuld für mich zu einem Schlüsselphänomen der Therapie, der Aufmerksamkeit und Vertiefung verdient. In der beratenden und therapeutischen Arbeit kommen Elemente aus dem Themenkreis Schuld in der einen oder anderen Form häufig zum Vorschein, oft stehen sie in direktem Zusammenhang mit dem Behandlungsanlass und verursachen erhebliches Leid bzw. tragen zur Aufrechterhaltung der Symptomatik bei. Dabei ergibt sich eine für die Begleitung und Beziehung aufschlussreiche Dialektik in mehreren Dimensionen: Einerseits gilt es, sich gemeinsam mit dem Ratsuchenden im Spannungsfeld von Schuld als Ursache von Leid und ihrer motivationsstiftenden Kraft für Veränderung und Heilung zu bewegen. Andererseits ist die Trennung zwischen Schuldgefühlen oder Schuldwahn als Krankheitssymptom und tatsächlicher Schuld sowie Verantwortlichkeit als möglichem Lebenshemmnis nicht immer klar für alle am Beratungs- oder Therapieprozess Beteiligten zu ziehen. Lebensregeln von Berater und Ratsuchendem treffen aufeinander und können bei fehlender Kongruenz eine erhebliche Herausforderung bei der Umsetzung einer werteorientierten und doch nicht-verurteilenden Beziehungshaltung darstellen. So läuft bei den meisten Menschen in so gut wie jeder Begegnung mit einer neuen Situation oder Person ein automatischer sekundenschneller Beurteilungsprozess ab, der das oder den Beobachteten in eine Kategorie einstuft. So verfährt der Ratsuchende selbst mit
seinen Lebensereignissen, aber auch der Berater oder Therapeut steht in der Gefahr vorschnelle Urteile über Verantwortlichkeit zu fällen. Diese sind einerseits hilfreich zur eigenen oft in kurzer Zeit geforderten Entscheidungsfindung, verbauen aber leicht das tiefere empathische Verständnis für komplexe Lebenszusammenhänge und können die therapeutische Beziehung erheblich stören, weil sie über nonverbale Kanäle dem Ratsuchenden kommuniziert werden, der sich dann verurteilt oder in seiner krankheitsfördernden Haltung bestätigt sieht. Ein christlich integrativer therapeutischer Ansatz bietet in diesem Zusammenhang reiche Möglichkeiten zur Förderung ganzheitlicher Heilung bei Leid, das im Zusammenhang mit dem Themenkreis Schuld steht, weil er durch seine gemeinsame biologisch, psychologisch und theologisch-spirituell fundierte Perspektive nachhaltige Auswege aus den Verflechtungen von Schuld, Schuldgefühlen, Verantwortung und Scham zur Verfügung stellt. Der Themenkreis Schuld im Einzelnen: Versuch einer Problemdefinition
Der Schuldbegriff Von Schuld spricht man, wenn ein Verstoß gegen eine Regel vorliegt. Daher ergibt sich Schuld immer aus der Perspektive des Handelnden selbst oder eines außenstehenden Betrachters, die sich bei Feststellung des Verstoßes an einem Regelsatz orientieren, dem sie in der Situation Gültigkeit zuschreiben. Schuld ist in
Umgang mit Schuld in der Therapie
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der Gesellschaft also zunächst ein weitgehend subjektives Phänomen, da es keine Einigkeit und Klarheit über ein allgemein für alle erdenklichen Lebenssituationen gültiges Regelwerk gibt. Andererseits existieren für gewisse Handlungen wie Partnerwahl oder Schutz menschlichen Lebens auch Normen, die über die meisten Kulturkreise hinweg als universell angesehen werden (Wer ein anderes Mitglied der sozialen Gruppe tötet oder eine sexuelle Beziehung mit einem solchen in fester Partnerschaft stehenden Mitglied eingeht, macht sich in den meisten Kulturen schuldig). Religiös, sozial oder weltanschaulich begründete Normen stellen einen universellen Anspruch und decken weite Lebensbereiche ab, Gesetze und soziale Regeln sind oft weniger weitreichend, zum Teil aber alltagsrelevanter und genauer definiert. Gewissen Der Mensch selbst hat in Form seines Gewissens einen kritischen inneren Beobachter und Urteiler, der für die Überwachung der Einhaltung als relevant eingestufter Regeln zuständig ist und in
Form von Zweifeln und Schuldgefühlen Rückmeldung geben soll, falls Ansichten, Gedanken oder Handlungen nicht mehr damit in Einklang stehen. Es stützt sich dabei auf eine Sammlung von Lebensregeln, die sich im Laufe des Lebens durch den Einfluss wichtiger Bezugspersonen und eigener Erfahrungen zusammengestellt hat, muss aber keinesfalls deckungsgleich mit gesellschaftlichen Regelsammlungen sein. Der innere Bewertungsprozess und Dialog mit dem Gewissen läuft hierbei weitgehend unbewusst und sehr schnell ab und dringt ins Bewusstsein häufig nur in Form eines Schuldgefühls in Bezug des als falsch eingestuften Verhaltens vor. Häufig entsteht zusätzlich ein Gedanke welche alternative Verhaltensweise aus Sicht des Urteilenden richtig gewesen wäre. Falls der Urteilende ein außenstehender Beobachter ist, ergibt sich eine Schuldzuweisung an den vermeintlich Schuldigen. Schuld als Bewältigungsstrategie Mit der Zuweisung von Schuld findet gleichzeitig auch die Zuweisung von Verantwortung für eine Handlung und de-
ren Folgen statt. Nur wer die Bedeutung und möglichen Folgen seiner Handlung zum Handlungszeitpunkt überblicken kann, ist schuldfähig, in westlichen Gesellschaften setzt man dafür meist 14 Lebensjahre und ausreichendes psychisches Urteilsvermögen voraus. Sobald Schuld zugewiesen worden ist, entsteht eine Erklärung für das Geschehene. Aus diesem Grund entwickeln Menschen manchmal zunächst absurd erscheinende Schuldgefühle nach schrecklichen Ereignissen, für die es keinen klar ersichtlichen Verantwortlichen gab (Naturkatastrophen, Unfälle). Überlebende deuten das Geschehene retrospektiv um, so dass sie eine Teilverantwortung für die Geschehnisse tragen und entwickeln Schuldgefühle gegenüber den Geschädigten oder Verstorbenen. Psychologisch scheint dieses Phänomen dadurch verständlich, dass unbegreifliches Leid leichter ertragen wird, wenn es durch eine Schuldübernahme erklärbar wird. Die Erklärbarkeit an sich entlastet offensichtlich mehr, als die damit aufgenommene Schuld belastet. Daher scheint es auch oft unmöglich, den Betroffenen mit logischen Argumenten
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von seinen Schuldgefühlen zu befreien, weil der Verzicht auf Schuld auch den Verzicht auf Verstehbarkeit bedeuten würde. Umgekehrt kann auch verdrängte Schuld und Meidung von Verantwortung zur Aufrechterhaltung von Leiden beitragen sowie Vergebung und Versöhnung erschweren. Scham Eng verbunden, aber nicht identisch mit Schuldgefühlen ist das Gefühl der Scham, das aus dem Bekanntwerden einer als schuldhaft eingestuften Handlung entsteht. Scham ist somit ein soziales Gefühl, das unmittelbar die Beziehungen zu anderen bestimmt und so erhebliches Leid, Isolation und Vereinsamung verursachen kann. Ebenso wie Schuldgefühle kann Scham eine wichtige Signalfunktion für den Betroffenen tragen, dass sein Verhalten nicht in Ordnung war und so Veränderung bewirken. Noch mehr als Schuld birgt es durch einen erheblichen Leidensdruck die Gefahr, Vermeidung, Vertuschung oder Rückzug zu bewirken. Nicht selten gelingt der konstruktive Umgang mit diesen Gefühlen und Gefahren besser in Begleitung eines empathischen wohlwollenden Mitmenschen, wie weiter unten beschrieben wird. Auch Spiritualität, die von einer persönlichen Gottesbeziehung geprägt ist, kann wesentlich zur lebensfördernden Bewältigung von Schuld und Scham beitragen. Sünde Während sich der Begriff Schuld auf den Verstoß gegen Regeln im Allgemeinen bezieht, geht es bei Sünde immer um die Bewertung einer Absicht, eines Gedankens oder einer Handlung in Bezug auf göttliche Regeln. Im therapeutischen Kontext ist dies dann relevant, wenn sich einer der beiden Beteiligten bei seinen Urteilen auf genau diese Regeln bezieht. Jesu Umgang mit Schuld
Für den christlichen Beratungskontext ist vor allem Jesu Umgang mit dem Thema
Schuld aufschlussreich und kann vor vorschnellen Urteilen schützen. Zunächst einmal geht die Bibel davon aus, dass weder der Handelnde selbst noch Außenstehende wie etwa ein Therapeut oder Berater vollkommene Einsicht in dessen Herzensangelegenheiten haben: „Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz; prüfe mich und erfahre, wie ich,s meine. Und siehe, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“ (Die Bibel, Psalm 139,23 – 24
(Luther 1912)), Gott aber die Motive des Herzens ansieht: „Aber der HERR sprach zu Samuel: Sieh nicht an seine Gestalt noch seine große Person; ich habe ihn verworfen. Denn es geht nicht, wie ein Mensch sieht: ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.“ (Die Bibel, 1. Samuel 16,7
(Luther 1912)). Damit ist es nur konsequent, wenn Jesus den Menschen das Richten über Schuld und Unschuld verwehrt und dies ein Privileg Gottes bleibt (Die Bibel, Matthäus 7,1; Lukas 6,37). Jesus selbst nähert sich der Schuldfrage in der Begegnung mit Leidenden auf unterschiedliche Weise: Als Jesus im 9. Kapitel des Johannesevangeliums der Bibel gefragt wird, wessen Sünde als Ursache der Blindheit eines Mannes einzuordnen ist, durchbricht seine Antwort die allgemein gültige jüdische Überzeugung über die zwingende Verbindung von Sünde und Krankheit: Zweck der Krankheit ist in diesem Fall, die Macht Gottes sichtbar werden zu lassen. Einem Gelähmten, der vor seine Füße hinabgelassen wird, spricht er zunächst Vergebung zu, ohne überhaupt auf sein körperliches Problem einzugehen und vollzieht so von sich aus eine unerbetene und unerwartete Neufokussierung der Begegnung. Es entsteht der Eindruck, Jesus wolle die Prioritäten verschiedener Probleme des Mannes verdeutlichen und ihn im Kern heil machen, um dann noch seinen Körper wiederherzustellen. Als Petrus an Jesus schuldig wird, indem er ihn am Abend seiner Verhaftung verleugnet, sucht Jesus das Gespräch mit dem beschämten Jünger und rückt nicht die Schuldfrage, sondern die tiefer
greifende Beziehungsfrage „Hast du mich lieb“ ins Zentrum der Klärung (Die Bibel, Johannes 21,17). Zum konstruktiven Umgang mit Schuld anderer empfiehlt Jesus Vergebung (Die Bibel, Matthäus 6,12; Lukas 6,37) und macht davon auch die göttliche Vergebung eigener Schuld abhängig (Die Bibel, Markus 11,25). Der Blick auf das als unvollkommen Wahrgenommene des anderen soll immer erst nach Beschäftigung mit der eigenen Schuld geschehen: „Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt stille, Bruder, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuvor den Balken aus deinem Auge und siehe dann zu, dass du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest!“
(Die Bibel, Lukas 6,42 (Luther 1912)). Zur Sprache können Schuldfragen dann in einer engen Beziehung kommen, wenn dahinter die Zielsetzung steht, den anderen vor einer Entfernung von Gott zu bewahren: „Sehet zu, liebe Brüder, dass nicht jemand unter euch ein arges, ungläubiges Herz habe, das da abtrete von dem lebendigen Gott; sondern ermahnet euch selbst alle Tage, solange es „heute“ heißt, dass nicht jemand unter euch verstockt werde durch Betrug der Sünde.“ (Die
Bibel, Hebräer 3, 12 – 13 (Luther 1912)). Schuldfragen in Beratung und Therapie: Ein christlichintegrativer Ansatz
Aus dieser nicht-urteilenden aber dennoch werteorientierten und wohlwollenden, beziehungsstiftenden Grundhaltung heraus, ist es Aufgabe des Therapeuten und Beraters den Blick des Ratsuchenden zu weiten und eine lebensfördernde Wahrnehmung der Tatsachen, Gedankengänge, Absichten und Gefühle zu ermöglichen, um schließlich Auswege als positive Perspektive zu entwickeln. Würdigung des Schuldgefühls Ohne damit eine Schuld des Ratsuchenden zu bekräftigen kann ein Leid verursachendes Schuldgefühl zunächst als verständlich validiert und in den Lebens-
Umgang mit Schuld in der Therapie
kontext eingeordnet werden. Ausgehend von einer empathische Perspektive, die den Leidensdruck nachvollzieht, wird der Ratsuchende zu einer Wanderung vom Ursprung des Schuldgefühls zu einem angemessenen Umgang mit diesem eingeladen. Erforschung von Lebensregeln Wenn der Ratsuchende über Schuldgefühle berichtet, die eine bedeutende Rolle in der Gesamtproblematik spielen, ist es sinnvoll zunächst gemeinsam ihren Hintergrund zu klären: Welchen Vorwurf macht er sich genau? Gegen welche seiner Lebensregeln hat er verstoßen? Hierbei ist es wichtig, den Ratsuchenden selbst die Lebensregel aufstellen zu lassen. Auch der Therapeut oder Berater sollte sich in diesem Prozess darüber klar werden, wie er selbst zu der betreffenden Regel steht und welche Rolle, wenn überhaupt, sein Urteil im Beratungsverlauf spielen soll und darf. Manchmal wird der unter Schuldgefühlen Leidende feststellen, dass es unmöglich ist, eine Regel für das betreffende Verhalten aufzustellen. So zum Beispiel im Fall der Mutter, deren Schuldgefühle auf der Platzwahl im Auto beruhen. In anderen Fällen wird die zu Grunde liegende Lebensregel absurd, veraltet oder unvereinbar mit anderen eventuell sogar wichtigeren Lebensregeln erscheinen. Dann ist der Zeitpunkt gekommen dem Ratsuchenden auf möglichst sokratische Art zu verdeutlichen, dass eine Aktualisierung seiner Lebensregeln sinnvoll wäre. Lässt sich keine Regel aufstellen, kann auf den Unterschied zwischen Schuld und Schuldgefühlen hingewiesen werden und der Frage nachgegangen werden, warum sich das Gefühl entgegen aller Logik so hartnäckig hält. Was wäre, wenn niemand schuld wäre und welchen Zweck hat dann das Schuldgefühl? Letztlich wird in all diesen Fällen der Ratsuchende vor die Entscheidung gestellt, weiter an einer lebenshemmenden Lebensregel oder einem solchen Schuldgefühl festzuhalten, oder sich für eine Aktualisierung zu ent-
scheiden. Diesen Abschied von veralteten Lebensregeln kann man in der Therapie auch symbolisieren, indem man wichtige Lebensregeln erarbeitet und überflüssige verbrennt oder streicht. Jedes Mal, wenn betreffende Schuldgefühle wieder aufkommen, kann der Ratsuchende sich an seine Lebensregeln erinnern und sich selbst von der Anklage frei sprechen, bis er durch stetige Wiederholung der neuen Überzeugung auch emotional Glauben schenkt. Falls in der Therapie der Eindruck entsteht, dass Leiden durch verdrängte Schuld und Meidung von Verantwortung aufrecht erhalten bleibt, kann es je nach Therapiesituation notwendig sein, den Ratsuchenden mit seinem dysfunktionalen Verhalten zu konfrontieren und die Chancen einer selbstverantwortlichen Lebensführung aufzuzeigen. Falls angemessen: Neuzuweisung der Schuld und positive Neuausrichtung der Aufmerksamkeit Falls bei der Erforschung der Lebensregeln deutlich wird, dass die eigentliche Verantwortung für geschehenes Unrecht bei anderen liegt, ist es wichtig den Ratsuchenden an diese oft entlastende Sichtweise heranzuführen. Vor allem Opfern von Missbrauch und Gewalt, die Schuldzuweisungen der Täter übernommen haben, ist dieser Mechanismus fremdzugewiesener Schuld nicht immer klar. Geradezu befreiend kann es sein, wenn durch gelungene und emotional nachvollzogene Neuzuweisung von Schuld eine Umwandlung in Ärger gegen den eigentlich Schuldigen geschehen kann. Dies ist bei Traumafolgestörungen nach Missbrauch bei gefestigten Schuldschemata jedoch häufig nur nach spezieller Bearbeitung der Traumatisierung möglich. Statt nun weiter an der Reduzierung der Schuldgefühle zu arbeiten, kann im Sinne der positiven Psychologie eine Neuausrichtung der therapeutischen Aufmerksamkeit auf positive Inhalte sinnvoll sein: Was sind die Stärken des Ratsuchenden, wie hat er diese in der Vergan-
genheit erfolgreich zur Meisterung von Lebenskrisen genutzt und welche Stärken möchte er nun weiter ausbauen? Welches positive messbare Lebensziel möchte er für einen überschaubaren Zeitraum aufstellen, welche konkreten Schritte will er zur Erreichung gehen? Welche Bedürfnisse stehen momentan im Vordergrund und wie kann der Ratsuchende gut für sich sorgen? Falls angemessen: Betrachtung von Buße und Vergebung als Ausweg Falls Berater und Ratsuchender zur gemeinsamen Sicht gelangen, dass ein Verstoß gegen eine für den Ratsuchenden relevante Lebensregel vorliegt, kann die Möglichkeit der Vergebung als lebensfördernder Umgang mit Schuld betrachtet werden. Weiter ist dann noch zu klären, ob der Ratsuchende sich als vor anderen Menschen, vor sich selbst oder vor einer höheren Instanz schuldig sieht. Zur Klärung von Schuld gegenüber Mitmenschen kann dann in der Therapie erarbeitet werden, wie der Ratsuchende das Gespräch mit dem Betreffenden suchen, wie Schuld eingestanden und die Bitte um Verzeihen formuliert werden kann. Wünscht der Ratsuchende sich neben Vergebung auch Versöhnung? Möchte er eine Wiedergutmachungsgeste leisten? Für manche Ratsuchende kann es wichtig sein zu wissen, dass ihre Verantwortung in der zwischenmenschlichen Beziehung dahin reicht ein Gesprächsangebot zu machen, Schuld einzugestehen, um Vergebung zu bitten und ggf. eine Wiedergutmachungsgeste zu leisten und den Zeitpunkt für ein solches Gespräch so sorgfältig wie möglich zu wählen. Die Entscheidung über den Umgang damit liegt dann beim anderen, er trägt somit auch die Verantwortung für seine Reaktion. Möchte der Ratsuchende Schuld vor Gott bekennen und klären, kann dies im Beratungskontext geschehen, auch eine Bitte um Vergebung kann dort ausgesprochen werden. Der Berater oder Therapeut kann dann explizit die biblische
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Zusage der Vergebung bekräftigen. Anschließend sollte erforscht werden, wie der Ratsuchende weiter mit Schuldvorwürfen, die er sich selbst gegenüber macht, verfahren möchte? Hat er sich selbst bereits vergeben, oder ist hier eine bewusste Entscheidung notwendig? Manche Menschen zeigen sich selbst gegenüber das größte Maß an Unbarmherzigkeit und können dies nur durch tägliche Übung eines gütigen Umgangs mit sich selbst lernen. Umgang mit Scham Ähnlich wie Angst kann Scham in eine Abwärtsspirale von Vermeidung, sozialer Isolation und Vereinsamung führen, die letztlich immer größer werdende Schamgefühle zur Folge hat. Dieser Mechanismus sollte dem von Scham geplagten Ratsuchenden psychoedukativ verdeutlicht werden, nachdem die Scham selbst validiert worden ist. Der empathische Umgang mit Schuld und Scham des Ratsuchenden kann entlastend und schamreduzierend wirken. Für manchen Ratsuchenden kann es hilfreich sein, den Umgang Jesu mit beschämten Mitgliedern der Gesellschaft zu reflektieren und auf die eigene Lebenssituation zu beziehen. So stellt Jesus die Schuld der Ehebrecherin, die von den Umstehenden aufs Schärfste verurteilt wird, zurück in den Kontext der allgemeinen Schuldhaftigkeit des Menschen. Die Scham, die zunächst erdrückend auf der Angeklagten lastet, erfasst alle Umstehenden und bewegt diese nach und nach zum Rückzug. Die Frau selbst entlässt Jesus schließlich mit der Zusage nicht verdammt zu werden sowie dem Hinweis Schuld nicht zu wiederholen (Die Bibel, Johannes 8, 1 – 11). Sich selbst als einen unter ausnahmslos schuldigen Mitmenschen zu sehen, kann entlasten, bedeutet aber auch Verzicht auf narzisstische Überlegenheitsansprüche und Ambitionen. Beispielhaft für einen lebensfördernden Umgang mit schamhaften Lebensinhalten kann die Begegnung der Frau am Jakobsbrunnen mit Jesus gese-
hen werden. Sie nimmt Jesu Kenntnis ihres unsteten Lebenswandels als Anlass zur Lebenswende und handelt dann entgegen vom Scham ausgelöster Vermeidungsimpulse, indem sie ihre Freude über die Begegnung mit Jesus in ihre Gesellschaft hineinträgt ( Johannes 4, 1 – 42). Folgerungen für mich und meine therapeutische Arbeit
In der Begegnung mit Schuld, Scham und Schuldgefühlen kommt meinen eigenen Lebensregeln eine zentrale Bedeutung zu, weil sie den Umgang mit der Situation des Ratsuchenden und auch die therapeutische Beziehung beeinflussen. Als Therapeut stehe ich selbst in der Verantwortung in Einklang mit eigenen Werten authentisch zu leben und mein Regelwerk stetig zu aktualisieren, so dass es lebensfördernd wirkt. Gleichzeitig soll dabei nicht die Anwendung von Regeln, sondern eine Grundhaltung der Liebe, Gnade und Barmherzigkeit in allen drei Dimensionen gegenüber Gott, mir selbst und den Mitmenschen die Basis jeglichen Denkens und Handelns sein. Meine Tendenz vorschnelle Urteile zu fällen gilt es dabei immer wieder kritisch zu reflektieren und Festlegungen/Verurteilungen im Wissen um meine unvollkommene Einsicht zu vermeiden. Verhalten anderer kann ich immer erst dann einschätzen, wenn ich mir zunächst eigene Unzulänglichkeiten bewusst gemacht und angemessen darauf reagiert habe. Bei dieser Einschätzung will ich mich von der Annahme leiten lassen, dass der andere gute Gründe für sein Handeln hatte und aus seiner Perspektive eine verständliche Entscheidung getroffen hat. Das Streben nach dieser Perspektive kommt einem stetigen Training meiner Empathiefähigkeit gleich. Hierzu sind Achtsamkeitsübungen, aber auch ein stetiger Dialog mit Gott, meinem Gewissen und vertrauten Mitmenschen sowie Supervision hilfreich. Zusammenfassung
Schuldgefühle, Scham und Schuld können bei Ratsuchenden erhebliches Leid
verursachen und bedürfen daher besonderer Aufmerksamkeit in der Therapie. Nach einer sorgfältigen Analyse und Klärung der dahinterliegenden psychischen Prozesse bzw. Lebenssituation ist eine heilsame Aufarbeitung möglich. Grundlage dafür ist eine sokratische, werteorientierte aber nicht-urteilende Begleitung des Ratsuchenden durch den Therapeuten oder Berater, die den Blick hin zu Auswegen aus lähmenden Gefühlszuständen und belasteten Beziehungssituationen weitet und Perspektiven jenseits davon aufzeigt, indem sie positive Ziele setzt. Jesu Umgang mit Schuld und Scham kann dabei ein wertvoller Leidfaden auf dem gemeinsamen Weg sein. Verfasst als Hausarbeit im Rahmen der Fortbildung in Christlich-integrativer Beratung & Therapie.
Literatur: •
Die Bibel, Lutherübersetzung 1912
•
Bannink, F. Praxisbuch positive KVT.
Beltz-Verlag, Weinheim 2014 •
Hahn, W. Psychische Erkrankungen im
Licht der Bibel. SCM-Verlag, Holzgerlingen 2009
Jan Hilbig ist Arzt und Therapeut im de’ignis Gesundheitszentrum.
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Fachklinik Aktuell
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de’ignis beim Kongress christlicher Führungskräfte in Hamburg. Vom 26. bis 28. Februar 2015 fand in Hamburg der Kongress christlicher Führungskräfte mit mehr als 3.200 Teilnehmern statt. Wie bereits in den früheren Jahren stand die Veranstaltung unter dem Motto „Mit Werten in Führung gehen“. Der Kongress soll Christen in Führungspositionen dazu ermutigen, Verantwortung zu übernehmen und Werte zu leben. Begleitet wurde der Kongress von einer Messe mit rund 180 Ausstellern, darunter auch der große und einladend gestaltete Messestand von de’ignis. Die Besucher – neben Führungskräften aus der Wirtschaft auch Ärzte, Geistliche Leiter und Berater – nutzten die erstklassige Gelegenheit, sich umfassend über de’ignis zu informieren. Hierbei konnten die Besucher des Messestandes bereits einen ersten Eindruck vom einzigartigen de’ignisCharakter gewinnen, indem sie in entspannter Wohlfühlatmosphäre mit de’ignis-Mitarbeitern so manches gute Gespräch bei einer Tasse Kaffee, Tee oder einem Kaltgetränk und kleinen Leckereien führten.
Musiktherapie. In der de’ignis-Fachklinik. Nur selten liegen die Gründe für das Auftreten einer seelischen Erkrankung (Depression, Angsterkrankung, Essstörung, Zwangserkrankung, körperliche Symptomatik ohne fassbaren organischen Befund etc.) offen auf der Hand. Meist sind sie dem Betreffenden wenig oder gar nicht bewusst. Und auch wenn im Kopf alles klar ist, bleibt die Frage: Wie kann eine Änderung geschehen? Welche (häufig wiederum meist unbewussten) Widerstände gilt es zu überwinden? Und schließlich: Wo kommen Kreativität, Kraft und Hoffnung zur Veränderung her? Die Stärke einer stationären psychotherapeutischen Behandlung steckt mitunter in der Vielfalt der Zugangswege und der adäquaten Dichte des Programms. Einer dieser Zugangswege ist unter anderem Musik. So sind Musik und Stimmung Verwandte. Jeder kennt das aus seinem Alltag. Dass Musik auch therapeutische Wirkung entfalten kann, ist schon lange bekannt. Seit April diesen Jahres bietet die de’ignis-Fachklinik nun wieder Musiktherapie in ihrem Programm an. Dies ist eine erfreuliche Neuigkeit, da über viele Jahre hinweg Musiktherapie als fester Bestandteil im Therapieangebot der de’ignisFachklinik vorgehalten und nun neu aufgesetzt wurde.
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Termine · Berichte · Neues
WLAN klinikweit eingeführt. Nachdem bereits seit einiger Zeit in der Klinik Altensteig für die Gäste der de’ignis-Fachklinik das Angebot zur WLANNutzung besteht, ist nun dieses Serviceangebot auch in der Klinik Egenhausen verfügbar. Gäste erhalten dabei auf Wunsch mittels eines transparenten Abrechnungssystems Zugang zum sicheren mobilen Internet und können dies jederzeit individuell nutzen. So bietet es den Gästen die Möglichkeit, sich frei einzuwählen und einen beliebigen Geldbetrag auf ihr Kundenkonto zu laden. Ist kein eigenes WLAN-fähiges Gerät, wie z. B. ein Notebook, ein Tablet-PC oder ein Smartphone vorhanden, können die Gäste der de’ignis-Fachklinik zusätzlich Internetterminals nutzen.
Neue, moderne Küche am Standort Egenhausen in Betrieb genommen. Das Küchenteam der de’ignis-Fachklinik freut sich über eine neue, moderne Küche, die ihnen seit Ende 2014 zur Verfügung steht. Über einige Wochen wurde das Projekt, die Küche zu modernisieren und Abläufe zu optimieren, stringent verfolgt. Das Ergebnis lässt sich sehen. Mit der Restrukturierung der Prozesse und der unter anderem damit einhergehenden Verlagerung des Spülbereichs gewann die Küche zusätzlich an Fläche, sodass ein Zonenkonzept eingeführt werden konnte. Dies ermöglicht nun die getrennte Zubereitung von warmen und kalten Speisen. Moderne Geräte und ergonomisch abgestimmte Arbeitsbereiche erlauben es dem routinierten Küchenteam, feine Gerichte besonders schonend zuzubereiten und so die natürlichen Aromen und Vitamine der Nahrungsmittel zu nutzen. Damit trug dieses Projekt zu einer weiteren Steigerung der Qualität in der Speisenversorgung der Gäste bei, sodass weiterhin eine hohe Qualität und Vielfalt an saisonalen und frisch zubereiteten Gerichten angeboten werden kann.
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Institut Aktuell
Fortbildung in „Christlich-integrativer Beratung & Therapie“ CiBT in Egenhausen. Die „Christlich-integrative Beratung & Therapie“ ist eine Integration von: Theologie, Pastoralpsychologie, Psychotherapie, Psychiatrie und Psychosomatik, Pädagogik zu einem ganzheitlichen Konzept, das alle Aspekte des Menschseins ausgewogen umfasst. Die Teilnehmer lernen, Menschen mit seelischen Problemen qualif iziert auf der Basis biblischer Werte und Wahrheiten in Kombination mit wissenschaf tlicher, klinisch -psychotherapeutischer Fachkenntnis zu helfen.
Alle Termine finden Sie auf deignis.de Die Fortbildung ist als dreijährige berufsbegleitende Intensivausbildung in zwei Phasen konzipiert. In Phase I (1. Jahr Basic) wird innerhalb von sieben dreitägigen Seminaren grundlegendes Wissen für Berater vermittelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Werkzeugen für eine psychologische Beratung. Gleichzeitig dient dieses Jahr der Orientierung, ob eine umfassendere Beratungs-/Therapieausbildung (Phase II) angestrebt werden soll. Ein Abschluss mit Zertifikat als Psychologische/r Berater/in (de’ignis) für seelische Gesundheit ist möglich. Das Ausüben von Heilkunde ist ausgeschlossen. In Phase II (2. Jahr Advanced, 3. Jahr Skills & Tools) werden vertieftes Wissen, praktische Fähigkeiten und Werkzeuge für Berater und Therapeuten vermittelt. Nach Erfüllung aller Zertifizierungsvoraussetzungen wird ein Zertifikat als Psychologische/r Berater/in (de’ignis) für Pastoralpsychologie und psychosoziale Arbeit verliehen. Das Ausüben von Heilkunde
ist damit noch ausgeschlossen. Ein Zertifikat als Therapeut/ in (de’ignis) für Pastoralpsychologie, Psychotherapie und psychosoziale Arbeit kann nach bestandener, selbstorganisierter staatlicher Prüfung zum Heilpraktiker für Psychotherapie vergeben werden. Auf diese Prüfung bereiten wir mit unserer Fortbildung in Theorie und Praxis vor. Die Durchführung der Fortbildung geschieht in einer offenen Gruppe von ca. 20 Teilnehmern, die in Workshops, Kleingruppen zur Selbsterfahrung und Supervision sowie durch praktische Übungen die Vermittlung von Theorie und Praxis erhalten. Für Interessenten, die eine vergleichbare Ausbildung schon abgeschlossen haben, besteht die Möglichkeit einzelne Workshops zu buchen.
Termine · Berichte · Neues
Jetzt teilnehmen! Der Kurs steht jedem offen, der mindestens 25 Jahre alt ist über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt aufgrund seiner Persönlichkeit für eine Tätigkeit als Berater/Therpeut geeignet ist einen praktischen beruflichen Bezug zu den Ausbildungsinhalten der CiBT hat in den Feldern von Beratung, Therapie und psychosozialer Arbeit in Institutionen, Gemeinden oder Ähnlichem tätig ist Bestimmte berufliche Qualifikationen wie in einem Ausbildungsberuf (z. B. Krankenpfleger/in, Gesundheitsberater/in, Erzieher/in) oder einem akademischen Beruf (Ärztin/Arzt, Psychologe/in, Sozialarbeiter/in, Pastor/in) sind erwünscht. Für Teilnehmer ohne akademische Voraussetzungen ist es erforderlich, dass sie die Begrifflichkeiten der oben genannten Fachgebiete beherrschen bzw. sich diese im Selbststudium aneignen. Neben den Präsenzseminaren ist Eigenstudium anhand einer Literaturliste erforderlich.
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Neue Perspektiven entdecken. Beim nächsten Campustag. Herzliche Einladung zum nächsten Campustag. Hier erfahren Sie alle Details über das inhaltliche Anliegen der Fortbildung in Christlichintegrativer Beratung & Therapie und deren Aufbau. Lernen Sie die Therapiekursleitung kennen und finden Sie Raum um Antworten auf Ihre Fragen zu erhalten. Wir freuen uns auf Sie!
Samstag, 26. September 2015 9.00 bis 12.30 Uhr de’ignis-Gesundheitszentrum Sommerstraße 1, 72227 Egenhausen
Der nächste Basiskurs (Phase I) startet 2016. CiBT Basic mit dem ersten Seminar vom 14. – 16. Januar 2016
Bei Fragen rund um die Fortbildung berät Sie gerne Frau Maike Prolingheuer, Assistentin der Institutsleitung, Telefon 07453 9494 -385 oder E-Mail: m.prolingheuer@deignis.de
Anmelden können Sie sich bis spätestens 18. September 2015 per E-Mail an institut@deignis.de oder telefonisch unter 07453 9494 385 Eine Anmeldung zur Fortbildung ist auch unabhängig von der Teilnahme am Campustag möglich.
Institut Aktuell
Erfahrungsbericht mit der de’ignis-Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien. von Klara
Es begann mit Ritzen vor drei Jahren, Leistungsabfall in der Schule und starken Stimmungsschwankungen. Klara war 14 Jahre alt. Am Anfang versuchte sie es zu verheimlichen. Irgendwann merkte ich intuitiv, dass etwas nicht stimmte. Ich schlug Klara vor sich Hilfe zu holen. Zuerst wollte sie nicht. Der erste Ansprechpartner war für Klara und für uns Eltern das Jugendamt. Dort ließen wir uns mit Klara beraten. Schnell stellte sich heraus, dass sie zügig Hilfe benötigte. Im Herbst 2012 begann sie auch wegen einer Depression eine Psychotherapie. Der erste Klinikaufenthalt folgte im Frühjahr 2013. Eine Essstörung – erst Anorexie, dann Bulimie – kamen hinzu. Klara wollte nun zu einer Therapeutin, die sich auch auf Essstörung spezialisiert hatte. Ich machte mich auf die Suche und rief in der de’ignis-Fachklinik an. Dort empfahl man mir die Ambulante Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliche und Familie vom de’ignis-Institut. Bei Frau Schwab begann Klara ihre Therapie im Mai 2013. Schnell gewann Klara zu der offenen, herzlichen, humorvollen und direkten Art von Frau Schwab Vertrauen. Sie unterstützte Klara mit Gesprächen und Entspannungstechniken. Auch traf sich Frau Schwab mit Klara außerhalb der Ambulanz, um sie im Alltagsleben zu unterstützen, z. B. im BIZ. Unterstützung erhielten wir Eltern, in dem uns Frau Schwab in die Therapie mit einbezog und uns auf diesem schweren Weg begleitete. Ich finde es wichtig in solchen Situationen die ganze Familie mit in die Therapie einzubeziehen. Das Kind oder die Jugendliche signalisiert mit ihrem Verhalten: „Hier stimmt was nicht. Ich komme mit meiner jetzigen Lebenssituation alleine nicht mehr zurecht.“ Am Allerwichtigsten für den Heilungsprozess war für Klara, dass sie beschloss: Ich möchte gesund werden! Jeder versuchte das Beste für Klara zu tun und engagierte sich, um ihr irgendwie zu helfen. So gelangten einige Familienmitglieder in unbewusste und ungesunde Verhaltensweisen. Diese halfen ihr aber nicht. Ein weiterer wichtiger Schritt für Klara war die Entscheidung sich auf den Umzug in eine Essgestörten-WG einzulassen. Dort lernte sie Verantwortung für sich und ihr Leben zu überneh-
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Spendenkonto:
de’ignis-Beratungsstelle für Kinder, Jungendliche und Familien Volksbank Nordschwarzwald IBAN: DE85 6426 1853 0066 6240 37 BIC: GENODES1PGW
men. Der Abstand zur Familie half ihr, sich dies bewusst zu machen. Sie kämpfte sich ins Leben zurück. Diese Zeit war für alle sehr anstrengend und schmerzvoll. Viele Menschen begleiteten uns auf diesem Weg: Frau Schwab, Ärzte, Lehrer und Freunde. Mit der Aufnahme in die WG im Sommer 2014 endete die Therapie bei Frau Schwab aus der Ambulanz. Klara verlor die ganze Zeit nicht den Kontakt zu ihr. Sie unterstützte und bekräftigte sie auch darin, ihren neuen Lebensabschnitt zu gehen. Dieser heißt den Schritt in die Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu wagen, um auf eigenen Füßen zu stehen. Klara wird demnächst in ein Zimmer nach O. ziehen. In eine Stadt zu ziehen war immer ein Traum von ihr. Wir als Familie haben uns mit Unterstützung von außen auf einen gemeinsamen Weg begeben und helfen uns gegenseitig. Diesen Weg zu gehen ist nicht leicht und er wird auch noch lang sein, aber er lohnt sich! Ich als Mutter kann Familien nur empfehlen: Stellt euch ehrlich den Konflikten in der Familie! Wenn ihr nicht alleine weiterkommt holt euch Hilfe, z. B. in der de’ignis Kinder- und Jugendambulanz und wartet nicht zu lange! Geht diesen Weg gemeinsam, auch wenn er oft anstrengend, schmerzvoll und herausfordernd ist! Bei uns ist er mittlerweile auch sehr bereichernd und humorvoll. Ich wünsche allen Familien in solchen Situationen viel Kraft, Geduld, Liebe und Gottes schützende und helfende Hände! Die Arbeit der de’ignis-Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien wird zu einem Teil aus den Erlösen für die Beratungen finanziert, zum anderen Teil aus Spenden. Wenn Sie uns finanziell unterstützen möchten, nutzen Sie bitte das extra für den Bereich Kinder/Jugendliche eingerichtet Spendenkonto. Außerdem sind wir auf der Suche nach einem/einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in in Teilzeit für unsere Beratungsstelle. Bewerbungsunterlagen können gerne an info@deignis.de geschickt werden.
Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Wir begleiten Sie und Ihr Kind. In eine positive Zukunft. In jeder Familie gibt es Krisenzeiten, besonders während der Pubertät der Kinder. Bei anhaltenden oder gravierenden Krisen kann es für die Überwindung sehr hilfreich sein, fachliche Unterstützung von außen in Anspruch zu nehmen, z. B. unsere Sozialpädagogische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien.
Aktuell bieten wir: • Ambulante Beratung, insbesondere Erziehungsberatung • Unterstützung von Jugendlichen in ihrem Identitäts findungsprozess und bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung • Sozialpädagogisches Handeln in akuten Krisensituationen (z. B. Hausbesuch, Einsatz vor Ort) • Training sozialer Kompetenzen mit Kindern und Jugendlichen • Konzentrations- bzw. Aufmerksamkeitstraining • Begabungsdiagnostik, Unterstützung bei der Lebens und Berufsplanung • AD(H)S -Konzept für Versicherte der DAK Gesundheit und einiger BKKen (in Kooperation mit Dr. med. Herbert Scheiblich) • Therapie und Elterntraining
de’ignis-Institut gGmbH · info@ deignis.de · www.deignis.de Markgrafenweg 17 · 72213 Altensteig · Telefon +49 (0) 7453 94 94- 0
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Wohnheim Aktuell
de’ignis-Wohnheim. Erfolgreiche Re-Zertifizierung. Volle Belegung, breites Angebot. Das de’ignis Wohnheim arbeitet, dank seiner engagierten Mitarbeiterschaft, auf vorbildlich hohem Qualitätsniveau. So das Ergebnis der letzten Re-Zertifizierung vor einigen Wochen.
Das de’ignis-Wohnheim arbeitet, dank seiner engagierten Mitarbeiterschaft, auf vorbildlich hohem Qualitätsniveau. So das Ergebnis der letzten Re-Zertifizierung vor einigen Wochen. In der Tat ist es für uns Mitarbeiter ein großes Anliegen jeden einzelnen unserer Bewohner auf individuelle Weise zu begleiten, zu fördern und in seiner persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Diesem Ziel dienen die Großgruppen, in denen durch Lobpreis und Gebet und einem biblisch-theologischen Vortrag zur Lebensbewältigung jeden Morgen ermutigende Akzente gesetzt werden. Das tägliche Walking und die Gymnastik dienen der Aufrechterhaltung der körperlichen Fitness und Bewegungsfähigkeit. Sehr motivierend sind un-
Spendenkonto:
de’ignis-Wohnheim Sparkasse Pfullendorf-Messkirch Konto-Nr. 105 338, BLZ 690 516 20 IBAN: DE46 6905 1620 0000 1053 38 BIC: SOLADES1PFD
sere Angebote zur Freizeitgestaltung wie Ausflüge ins nahegelegene Donautal, Bodensee, Insel Mainau, Europapark, Schiffund Bootsfahrten auf dem Bodensee, Besuche einer nahegelegenen Kletterhalle, etc. Dies soll die Lebensfreude stärken und Ressourcen wecken. Unser Sozialdienst sorgt für einen reibungslosen Ablauf zwischen Bewohnern und den betreffenden Behörden und Institutionen, beginnend von der Begleitung zur Wohnortanmeldung über Hilfen beim Ausfüllen von Formularen für Krankenkassen, Rentenversicherung, Landratsämter (z. B. Beantragung oder Verlängerung von Schwerbehinderten-Ausweisen), Hilfen bei der Taschengeldeinteilung, Beantragung von Weiterbewilligungen bei den Kostenträgern,
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bis hin zu Unterstützung bei der Arbeitssuche (WfbM oder auch freier Arbeitsmarkt) und Unterstützung beim Suchen von Nachfolge-Einrichtungen oder anderen Wohnformen beim Verlassen des Wohnheims. Im Bereich „Durchblick im Alltag“ werden in vielen alltagsrelevanten Bereichen Anregungen und Unterstützung vermittelt bzw. gegeben. Bei verschiedenen Aktivitäten ist nicht nur die Wahrnehmung mit allen Sinnen wichtig, sondern es steht auch die Förderung sozialer Kompetenzen und die Gemeinschaft im Mittelpunkt, um neue Lebensqualität wieder entdecken zu können. Unsere Kleingruppen bestehen aus 6 – 8 Teilnehmern und finden regelmäßig wöchentlich statt. Die Themenschwerpunkte sind: Konflikte lösen, gewaltfreie Kommunikation und soziales Kompetenztraining. Dabei ist es von Vorteil, die eigene Charakterstruktur zu kennen und mit den eigenen Schwächen und Stärken in Berührung zu kommen. Ziel ist es zu entdecken, wann sind Konflikte sinnvoll und wie können sie ausgetragen werden, ohne dass „neue“ Konflikte entstehen, sondern, dass diese geklärt werden. Die Mitarbeiter unseres medizinischen Dienstes übernehmen für unsere Heimbewohner, wo nötig, viele gesundheitsfördernde Maßnahmen. Sie sind Ansprechpartner in allen relevanten Fragen bezüglich der Erhaltung der Gesundheit und Behandlung von Krankheiten. Sie stehen in guter Kooperation zu den Hausärzten/Fachärzten und weiteren Institutionen, so dass eine fachspezifische Umsetzung der ärztlichen Behandlung wie z. B. Medikationsverordnung oder Verordnungen zur Präventions- und Nachsorgemaßnahmen etc. gewährleistet ist. Der medizinische Dienst steht mit dem pädagogisch-therapeutischen Team des Hauses in ständigem Austausch, so dass die eigenverantwortliche Übernahme gesundheitsfördernder Maßnahmen seitens der Bewohner gefördert wird. In unseren Arbeitstrainingsbereichen geht es um das Erlernen alltagspraktischer Fähigkeiten und Fertigkeiten. Im Bereich Raumpflege lernen die Heimbewohner unter Anleitung Verantwortung für die Sauberkeit einzelner Räume zu übernehmen. Ihnen wird der sachgerechte Umgang mit verschiedenen Putzmitteln vermittelt und das systematische Vorgehen beim Putzen wird eingeübt. Dem Einzelnen werden, je nach seiner Leistungs- und Belastungsfähigkeit Aufgaben zugeteilt. Ziel dieses Bereichs soll es sein, die Heimbewohner zu befähigen, eigenständig für Sauberkeit in ihrem Lebensbereich sorgen zu können. Und trotz allem ist eine gesunde Portion Humor, Herz und Engagement wichtig, um mit Motivation und Einsatz diese täglichen Aufgaben in „Angriff “ nehmen zu können und aufrechtzuerhalten. Im Bereich Wäsche wird der hygienische Umgang und die Reinhaltung verschiedener Arten von Wäsche vermittelt. Im IT-Training des de’ignis-Wohnheims ist jeder für diese Tätigkeit geeignete Heimbewohner herzlich willkommen. Je
nach Konzentration und Wissensstand werden Aufgabenstellungen individuell an den Heimbewohner angepasst. Selbst wer keine Computerkenntnisse hat, wird Schritt für Schritt bei der Bedienung des Computers begleitet. Leichte Übungen in Word bilden den Anfang. Diejenigen, die über ein großes Know-How verfügen, bedingt durch schulisches oder privates Wissen am eigenen Laptop, erlernen anhand eines Skriptes, eigens von einer Mediengestalterin entwickelt, z. B. mit Grafikprogrammen „Scribus“ und „Gimp“ umzugehen. Mit diesen Programmen stehen den Bewohnern sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten, z. B. selbstgestaltete Visitenkarten, Postkarten, Fotobücher, Fotomontagen, Flyer etc. zur Anwendung bereit. Da wir an mehreren Computern über einen Internetzugang verfügen, besteht neben dem Erlernen von Computerkenntnissen die Möglichkeit, sich eine E-Mail Adresse einzurichten und sich mit dem Internet vertraut zu machen. Weiterhin bieten wir im IT-Training die Möglichkeit an, sein Schulwissen mit entsprechenden Computerprogrammen oder Schulbüchern aufzufrischen bzw. zu erweitern bis hin zur Vorbereitung auf einen Schulabschluss (Hauptschuloder Realschulabschluss, bzw. Abitur). Wir versuchen als Mitarbeiter im IT-Training unseren Heimbewohnern einen realitätsnahen Bezug zum Computer, Internet etc. zu ermöglichen und ihnen gleichzeitig Freude daran zu vermitteln. Der Arbeitstrainingsbereich Tierhaltung/Tierpflege beschäftigt sich mit der Haltung und der Pflege von Tieren wie z. B. Pferden, Katzen, Fischen etc. Es soll dazu dienen, Verantwortung zu übernehmen und dabei Einfühlungsvermögen für die Bedürfnisse anderer Lebewesen zu entwickeln. Insbesondere die Tierhaltung bietet dem Bewohner die Chance, eventuell vorhandenen sozialen Rückzug, Isolation, „autistische“ Selbstbezogenheit und Verstrickung in eigene Gedanken und Tagträume zu verlassen, um Verantwortung für ein auf Fürsorge angewiesenes Geschöpf zu übernehmen. Dabei spielt die kommunikative Komponente, die sich im Umgang mit Tieren ergibt, insbesondere im Umgang mit Pferden, eine wesentliche Rolle. Um all dies durchführen und weiterentwickeln zu können, brauchen wir weiterhin Unterstützung, denn ohne Spenden ist dieses anspruchsvolle, aber in der Praxis sehr hilfreiche Programm, nicht aufrecht zu erhalten. Dazu kommen noch notwendig gewordene bauliche Erweiterungen.
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Wohnheim Aktuell Anzeige
Seelsorgeschulung Kaleidoskop. Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Schulung für Seelsorge. Zur Begleitung von Menschen mit Lebenskrisen, psychischen Problemen und Krankheiten. Unsere Botschaft von Gnade und Liebe, gepaart mit Glaube und Hoffnung, fundiert mit solidem Fachwissen und dem Ziel einer prozesshaften Entwicklung ist das Fundament aller Seminarinhalte. Diese Seelsorgeschulung umfasst insgesamt 10 Seminare. Eingeladen sind Christen, die einen inneren Ruf zur Seelsorge verspüren, aber auch solche, die sich einfach nur für seelsorgerliche Fragen interessieren. Die Schulung soll zur qualifizierten Begleitung von Menschen mit seelischen Nöten befähigen. Darüber hinaus vermittelt der Kurs Einsichten in die verschiedenen Entwicklungsphasen des menschlichen Lebens und bietet damit die Möglichkeit, sich selbst besser verstehen und kennen zu lernen. Der Kurseinstieg ist jederzeit möglich, weil die verschiedenen Lehreinheiten regelmäßig in weiteren Zyklen in Süddeutschland wiederholt werden.
Teilnahme jederzeit möglich !
Seminar 3: 17. – 18. Juli 2015
Psychopathologie – Psychische Krankheitsbilder einordnen und verstehen lernen Seminar 4: 18. – 19. September 2015
Darstellung der gängigen Therapieschulen und ihrer Behandlungsverfahren
Seminar 5: 27. – 28. November 2015
Jugendseelsorge – Freundschaft, Liebe, Sexualität Veranstaltungsort:
Tabor Schulungszentrum für Seelsorge, Beratung und neutestamentliche Dienste Sigmaringer Straße 64 · 72474 Winterlingen
de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen, psychiatrischen Betreuung Telefon +49 (0) 7575 92 507-0 seelsorgekurs@ deignis.de · www.deignis.de
Teilnehmer berichten für Sie über Ihre Erfahrungen und Eindrücke nach der Teilnahme an unserem letzten Seelsorgekurs in Winterlingen .
Reich beschenkt „Die Themen der Seminare sprechen im-
mer konkret in meine Lebenssituation und ich werde dadurch reich beschenkt.“
Riesiges Geschenk „Es ist ein riesiges Geschenk für mich
an den Seminaren der de’ignis Schulung für Seelsorge in Winterlingen im Tabor Schulungszentrum teilnehmen zu können.“
Selbsterkenntnis „Ich habe gerade den zweiten Teil der 10-teiligen de’ignis Schulung für Seelsorge besucht und durfte das Seminar mit ganz viel Selbsterkenntnis verlassen. Es war für mein Leben eine ganz wichtige Entscheidung, mich auf Seelsorge einzulassen.“ Gottes Gnade erkennen und erleben „Es war sehr
gut, bei den Seelsorge Seminaren dabei gewesen zu sein. Durch die Lehre von Winfried Hahn, die Begegnung mit anderen und vieles mehr bei den Seminaren ist mir die Gnade Gottes wieder neu, tiefer und bewusster geworden.“
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Kompetenz. Und Gottvertrauen.
Fachliche und persönliche Kompetenz „Das
10-teilige Seelsorgeseminar hat mir nicht nur wertvolle, fachliche Einsichten und Kompetenzen geschenkt, sondern mich auch persönlich weitergebracht.“ Gott hat kein Problem mit Problemen „Die Seel-
sorgeseminare tun einfach gut, da gespiegelt wird, Gott hat kein Problem mit meinen Problemen. Gott ermutigt mich, mit ihm zusammen vorwärts zu gehen. In der Atmosphäre der Annahme traue ich mich, Seelsorge ganz praktisch zu üben. Das ist in diesem geschützten Rahmen und unter Anleitung einfach gut.“ Die Bibel als Basis Es gäbe noch viel mehr über die Seel-
sorgeseminare zu sagen – ich picke mal das für mich wichtige heraus. Die lebendigen Referate, die vermittelten Grundlagen sowie die Bibel als Basis. Dieses ganze Konzept, in einer Atmosphäre der Annahme erlebt, macht Mut und Freude.“ Alle Verfasser dieser Berichte sind der Redaktion bekannt.
Seelsorge mit allen Sinnen erleben. Identität. Der I C H B I N sagt mir, wer ich bin!
Vom 23. bis 25. Okt obe r
auf der Nordalb
Welches Ziel streben wir an?
Zu erleben was es heißt, „... dass ich für GOTT so wertvoll bin, dass ER mir ganz persönlich begegnen möchte und mir hilft, zu meiner gottgegebenen Identität zu finden und zu stehen“. Was ist „Seelsorge mit allen Sinnen erleben“?
In diesem Seminar werden alle Sinne angesprochen. Wie geschieht dies?
Durch Musik, Text, Foto-Impressionen … wird der Symbolgehalt des Wortes Gottes „erfahrbar“ gemacht. Was machen wir?
Gespräch, Austausch in der Gruppe, Einsatz neuer kreativer Methoden (Musik, Text, Foto-Impressionen, Symbolgehalt des Wortes Gottes), Lobpreis, Hören auf Gott, Gebet und manches mehr. Warum machen wir das?
Durch ressourcenorientierte, begleitende Seelsorge sollen die Teilnehmer gestärkt und ermutigt werden, um im Alltag weiterhin oder wieder zu bestehen.
Seminarleitung:
Dagmar Göhring und Alexandra Pfeifer mit Team Veranstaltungsort:
Tabor Schulungszentrum für Seelsorge, Beratung und neutestamentliche Dienste Sigmaringer Straße 64 · 72474 Winterlingen Tel. 07434 7234176 · info@tabor-schulungszentrum.de
Ein kleiner Einblick in die neu gestartete de’ignis Schulung für Seelsorge in Winterlingen.
de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen, psychiatrischen Betreuung Telefon +49 (0) 7575 92 507- 0 seelsorgekurs@ deignis.de · www.deignis.de
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Wohnheim Aktuell
Ambulante Therapie und Beratungsstellen (de’ignis) de’ignis-Gesundheitszentrum Sommerstraße 1, 72227 Egenhausen Telefon 07453 9391-0, info@deignis.de de’ignis-Wohnheim Fred-Hahn-Straße 32, 72514 Engelswies Telefon 07575 92507-0, wohnheim@deignis.de de’ignis-Institut, Beratungsstelle Lerchenstraße 40, 72213 Altensteig Telefon 07453 9494 -0, institut@deignis.de Gillian Flügel, Beratungsstelle Am Bauschbergle 45, 72108 Rottenburg Telefon 07472 7833, gillfluegel@hotmail.de
Wir benötigen weiter Eure Unterstützung! Für gesetzlich vorgeschriebene Erweiterungen und Neubauten am de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor in Engelswies benötigen wir in den nächsten Jahren eine gewaltige Investitionssumme. Diese Summe wird in 50.000 „Bausteine“ zu je 20 Euro aufgeteilt: Ich möchte Baustein(e) zu 20,- Euro pro Bausteinspenden und überweise den Gesamtbetrag von Euro auf das unten folgende Konto.
So können Sie ganz praktisch Teil des neuen de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor werden und dazu beitragen, dass wir auch weiterhin den Menschen dort Hilfe anbieten können, wo sie gebraucht wird. Als Spender erhalten Sie zudem ein Zertifikat über Ihre gespendeten „Bausteine“ sowie eine entsprechende Spendenbescheinigung.
Spendenkonto:
de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor Sparkasse Pfullendorf-Messkirch Konto-Nr. 105 338, BLZ 690 516 20 IBAN: DE46 6905 1620 0000 1053 38 BIC: SOLADES1PFD
Magdalene Schnabel, Beratungsstelle Max-Liebermann-Straße 9, 73257 Köngen/N. Telefon 07024 8689169, info@jahwe-rapha.de Dorothea Reuther, Beratungsstelle Dillweißensteiner Straße 9, 75180 Pforzheim Telefon 07231 784088-0, dorothea.reuther@gmx.net Dagmar Göhring Sigmaringer Straße 64, 72474 Winterlingen Telefon 07434 7234187, dabegoe@t-online.de Erika Gesper, Beratungsstelle Alte Jakobstraße 75, 10179 Berlin Telefon 030 27591782, e.gesper@googlemail.com Katrin Lehmann & Annette Kuhn, Beratungsstelle Großenhainer Straße 137, 01129 Dresden Telefon 0351 84387-77, kathrin.lehmann@deignis-dresden.de Dr. med. Martina Dickhaut, Beratungsstelle Flamweg 89, 25335 Elmshorn Telefon 0175 6552413, martinadickhaut@gmx.de
Polen Aktuell
Christliche Stiftung de’ignis-Polen. Eröffnung unserer ambulanten Beratungsstelle.
Foto: volff / fotolia.com
In Pomysk werden in unserem Gästehaus ICHTHYS das ganze Jahr über christliche Freizeiten durchgeführt, die je nachdem ins Land hineinwirken oder auch die deutsch-polnische Verständigung fördern. In Gnesen hat gerade ein neuer de’ignis Seelsorgekurs begonnen. Durch den Kontakt zu einer christlichen Ärztin, die vor einiger Zeit ein Praktikum in der de’ignis-Fachklinik absolviert hat, konnten viele Fachleute dafür gewonnen werden den Seelsorgekurs zu belegen. Dadurch wird wiederum die Vernetzung im Land gefördert. Winfried Hahn, der Vorsitzende der christlichen Stiftung Polen, ist wegen der Vernetzung der verschiedenen Fachkräfte und der Zusammenarbeit mit befreundeten Organisationen, wie z. B. eine christliche Psychologenvereinigung, die staatlich anerkannte Psychotherapeuten ausbildet, häufig in Warschau. Auch die Beteiligung an der Herausgabe einer Fachzeitschrift für christlich-integrative Therapie und Beratung erforderte in der Vergangenheit sehr viel Engagement. Auch die Vortragstätigkeit bei Gemeinden, Seminaren und Kongressen dient der Schaffung eines Bewusstseins für die Notwendigkeit von Seelsorge und Therapie. Ganz aktuell ist die Eröffnung einer de’ignis Beratungsstelle in Warschau in Planung. Diese Beratungsstelle kann
voraussichtlich an eine Arztpraxis andocken und wird von einer unserer staatlich anerkannten Psychotherapeutinnen geführt. Die Verhandlungen hierfür laufen gerade. Im April fand das letzte Beratungsstellentreffen in Warschau mit erfreulich vielen Teilnehmern statt, zu dem die bisher bereits gegründeten Beratungsstellen aus dem ganzen Land zur Fortbildung und zum Austausch zusammenkamen. Nach wie vor sind wir für unseren polnischen Arbeitszweig auf Spenden aus Deutschland angewiesen, da trotz stabiler Wirtschaftslage das Lohnniveau im Land, bei ständig steigenden Preisen, sehr niedrig ist.
Spendenkonto:
Christliche Stiftung de’ignis-Polen Sparkasse Pforzheim Konto 7 260 512 · BLZ 666 500 85 IBAN: DE83 6665 0085 0007 2605 12 BIC: PZHSDE66XXX
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Bei Unzustellbarkeit oder Mängeln in der Anschrift senden Sie bitte eine Benachrichtigungskarte an diese Adresse: de’ignis-Institut gGmbH Markgrafenweg 17 · 72213 Altensteig
de’ignis-Fachklinik Fachklinik auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik: • stationäre medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen • ambulante/teilstationäre Rehabilitation und Behandlungen • Sanatoriumsbehandlung • Nachsorge IRENA und ASP • Angebote zur gesundheitlichen Prävention und Vorsorge • Assessment-Center
de’ignis-Wohnheim Sozialtherapeutisches Wohnheim nach biblischen Grundsätzen mit Einzel- und Gruppenangeboten: • Gesprächstherapie • Sozialtraining • Arbeitstraining (z. B. im eigenen Verlag) • Freizeitpädagogik • individuelle Betreuung
de’ignis-Institut Institut für Psychotherapie und christlichen Glauben: • Fortbildung in Christlich-integrativer Beratung & Therapie • Interkonfessionelle Seelsorgeschulung • Vernetzung von Fachleuten • Supervision (ambulant) • Beratungsstellen (ambulant) • Sozialpädagogische Kinder- und Jugendambulanz • Weitere Angebote zur Prävention
de’ignis-Polen Christliche Stiftung mit Einzel- und Gruppenangeboten: • Schulungen • Freizeitpädagogik • Geplante ambulante und
stationäre Therapieangebote
www.deignis.de