de’ignis Magazin Nr. 51

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magazin Nr. 51/2016

Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Winfried Hahn

Martin Steinbach

Johannes Freitag

PersĂśnlichkeitsentwicklung. In Zeiten von Isolation und Medialisierung.

Alt aber glĂźcklich. Herausforderung der Einsamkeit.

Einsamkeit von Migranten. Erfahrungsberichte.

Gemeinsam einsam.


Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Psychotherapie, Psychiatrie, Psychosomatik auf christlicher Basis.

Meine Seele verdient die beste Behandlung. In der de’ignis-Fachklinik erhalten Sie bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen, Ängsten, Zwängen und Burnout, sowohl stationär als auch ambulant oder tagesklinisch eine individuell auf Sie ausgerichtete Behandlung. Nutzen Sie auch unsere Präventionsangebote, um bereits heute Ihrer seelischen Gesundheit nachhaltig etwas Gutes zu tun. Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung oder Sie besuchen uns auf www.deignis.de

de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik · Walddorfer Straße 23 · 72227 Egenhausen Telefon +49 (0) 7453 93 91-0 · info@ deignis.de


• Ed i tori al •

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

viele erkennen es nicht oder wollen es nicht sehen, kaum jemand redet darüber, keiner will es zeigen ... die Rede ist von Einsamkeit und Alleinsein. In Deutschland gab es laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2014 rund 16 Millionen alleinlebende Menschen. Also ein Fünftel der deutschen Bevölkerung und so viel wie nie zuvor. Die demographische Entwicklung zeigt zudem, dass die Bevölkerung in Deutschland älter wird. Doch sind Alleinlebende und Ältere vor allem von Einsamkeit und Alleinsein betroffen? Die britische Mental Health Foundation fand im Rahmen ihrer Studien heraus, dass die Anzahl derjenigen, die sich einsam fühlen, unabhängig vom Alter oder den Lebensumständen, zunimmt. Hierzu gehören Faktoren wie eine zunehmende Anonymisierung der Gesellschaft beispielsweise durch die Urbanisierung oder die Medialisierung und einer davon geprägten Persönlichkeitsentwicklung (S. 06, von Winfried Hahn) . Heute hier und morgen dort, wer kann sich da noch um Partnerschaft, Ehe, Familie oder Freunde kümmern. Oftmals entsteht hierbei ein Gefühl der Heimatlosigkeit oder des Außen-vor-seins (S. 09, von Martin Steinbach) . Diese Entwicklungen bringen soziologische Veränderungen in der Gesellschaft mit sich, bei denen ein Blickwinkel aus biblischer Sicht interessant erscheint (S. 12, von Herbert Scheiblich) . Das Gefühl des Alleinseins erleben die verschiedensten Gruppen. Seien es Kinder und Jugendliche, denen z. B. ihre Eltern nicht mehr verfügbar erscheinen (S. 16, von Barbara Schwab) ; die zunehmende Anzahl älterer Menschen, die sich der Herausforderung von Einsamkeit gegenübersehen (S. 18, von Anna-Lena Bauer) ; Migranten und Asylanten, die auf der Suche nach einem Ort der Zuflucht sind (S. 29, von Johannes Freitag) oder auch Geistliche in ihrem alleinstehenden Umfeld (S. 22,

Ihr Sebastian Hartmann Claus-Jürgen Hartmann, und Winfried Hahn, die Herausgeber

von Weihbischof Thomas Maria Renz und S. 26, von Diet-

Claus-Jürgen Hartmann Geschäftsführer, de’ignis-Fachklinik und de’ignis-Institut

mar Schwabe) . Alleinsein betrifft viele und scheint etwas

Titelbild: Kemter / istockphoto.com

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Gemeinsames zu sein. Die Autoren, der vielfältigen Artikel dieses Magazins, gehen auf die verschiedensten Aspekte zum Thema Einsamkeit sowie Alleinsein ein und geben Ihnen hierzu einen interessanten Einblick. Darüber hinaus informieren wir Sie wieder zu aktuellen Themen der einzelnen Bereiche von de’ignis. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihr Interesse und all Ihre Unterstützung unserer de’ignis-Arbeit sowie das Vertrauen das Sie uns entgegenbringen. Über Spenden zur Unterstützung unseres für Sie kostenfreien Magazins freuen wir uns. Wir wünschen Ihnen viel Freude und interessante Anregungen beim Lesen dieser neuen Magazinausgabe.

Sebastian Hartmann Unternehmensentwicklung, de’ignis-Fachklinik und de’ignis-Institut

Winfried Hahn Geschäftsführender Heimleiter, de’ignis-Wohnheim, Vorstandsvorsitzender Christliche Stiftung de’ignis-Polen


Titelthema

Persönlichkeitsentwicklung. In Zeiten von Isolation und Medialisierung.

Die Vereinsamung im geistlichen Hirtendienst 06

Winfried Hahn

Dr. med. Martin Steinbach

09

PD Dr. med. Herbert Scheiblich

12

Interview mit Barbara Schwab

16

18

Der Seelsorger als „Homo isolatus“?

Weihbischof Thomas Maria Renz

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Winfried Hahn, Claus J. Hartmann, Sebastian Hartmann, Rainer Oberbillig, Maike Prolingheuer, PD Dr. med. Herbert Scheiblich

Redaktion

Konzept und Design

Timm Hartmann, mail@nimmtimm.de Implementierung und Produktion AD Dipl.-Ing. Rainer Haas, haas@ad-stuttgart.de Druck Offizin Scheufele, Stuttgart Papier Circle Offset Premium White Auflage 16.000 Herausgeber de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik Walddorfer Straße 23 72227 Egenhausen Telefon: +49 (0) 7453 9391 0 Fax: +49 (0) 7453 9391 193 E-Mail: info@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG IBAN: DE50 6426 1853 0062 1680 02 BIC: GENODES1PGW

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Prof. Dr. Ulrich Giesekus

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Ehemalige Patienten berichten

Gemeinschaftliches Leben

Alt aber glücklich. Das Alter und die Herausforderung der Einsamkeit Anna-Lena Bauer

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Johannes Freitag

Beziehungstiefe durch gemeinsame Leidbewältigung

Einsamkeit und Alleinsein im Leben von Kindern und Jugendlichen

Christliche Glaubensgemeinschaften: Heilsames Miteinander oder Risikofaktor?

Soziologische Veränderungen in der Gesellschaft aus biblischer Sicht

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Dietmar Schwabe

Einsamkeit von Migranten. Erfahrungsberichte.

Heimatlos?

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Astrid Eichler

Aktuell

Was hat sich entwickelt? Welche Angebote gibt es? Berichte, Termine und Aktuelles von de’ignis

Fachklinik, Institut und Wohnheim

de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: +49 (0) 7575 9250 70 Fax: +49 (0) 7575 9250 730 E-Mail: wohnheim@deignis.de Sparkasse Pfullendorf-Meßkirch IBAN: DE46 6905 1620 0000 1053 38 BIC: SOLADES1PFD de’ignis-Institut gGmbH für Psychotherapie und christlichen Glauben Markgrafenweg 17 72213 Altensteig Telefon: +49 (0) 7453 9494 0 Fax: +49 (0) 7453 9494 396 E-Mail: institut@deignis.de Volksbank Nordschwarzwald eG IBAN: DE60 6426 1853 0066 6240 02 BIC: GENODES1PGW

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Christliche Stiftung de’ignis-Polen Fred-Hahn-Straße 30 72514 Engelswies Telefon: +49 (0) 7575 9250 70 Fax: +49 (0) 7575 9250 730 E-Mail: wohnheim@deignis.de Sparkasse Pforzheim IBAN: DE83 6665 0085 0007 2605 12 BIC: PZHSDE66XXX Alle de’ignis Einrichtungen sind gemeinnützig und arbeiten überkonfessionell. Spendenbescheinigungen werden auf Wunsch gerne ausgestellt.

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T i te l t h e m a • Text: Winfried Hahn

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Persönlichkeitsentwicklung. In Zeiten von Isolation und Medialisierung. Gottes heilsame Ökologie in einer Zeit sozialer Kälte und Vereinsamung.


Foto: Guenter Guni / istockphoto.com

Ein Hauptmerkmal unserer Zeit ist der •Verlust von Heimat, dem Millionen von Menschen unserer Zeit ausgesetzt sind. Kriege, Vertreibung, ethnische Säuberungen rauben gerade in unseren Tagen Tausenden von Menschen ihre Heimat. Heimat, das heißt: Verwurzelung in der Familie, die Nähe und Wärme der Kinder zu ihren Eltern, gute Beziehungen zu Verwandten, Freunden und Bekannten, sich wohlfühlen in den eigenen vier Wänden, gute oder auch weniger gute Gewohnheiten pflegen, einfach irgendwo wie ein Baum verwurzelt sein. Dann das Unbegreifliche und Unfassbare erleben zu müssen: vertrieben, auseinandergerissen, zerstreut, gedemütigt, geschlagen, vergewaltigt, getötet. Tausendfach, millionenfach. Bosnien, Kosovo, Timor, Tschetschenien, Syrien, Irak und und und… . Heimatlose Menschen, schlimmer behandelt als Schlachtvieh, und das zu Beginn des dritten Jahrtausends. Aber es geht nicht nur um äußere Heimatlosigkeit. Genauso schlimm ist der innerlich heimatlos gewordene Mensch der modernen Industrienationen: Es ist der kaum zu bremsende Mobilitätswahn unserer Gesellschaft, der die Menschen unserer Zeit fast zu Tode hetzt. Flexibilität ist das große Schlagwort, ja die entscheidende Fähigkeit, um in unserer Zeit erfolgreich sein zu können. Ständige Anpassung an Neuerungen im beruflichen Alltag. Software jagt Software. Kaum ist das eine Computerprogramm installiert und funktioniert endlich, kaum hat der Mitarbeiter gelernt, damit umzugehen, wird es schon wieder modifiziert, optimiert, geupdatet, ersetzt – ständiger Wechsel, Anpassung an Neuerungen. Nichts bleibt, wie es war. Rasant das Tempo des Wandels. Wer mithalten will, muss ständig in Bewegung bleiben. Flexibilität und Mobilität – unabdingbare Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein. Nur wer bereit ist, seinen Arbeitsplatz öfters zu wechseln und häufig umzuziehen, kann seine Existenz langfristig sichern. Ein Hauptmerkmal unserer Zeit ist der Verlust von Heimat, dem Millionen von Menschen unserer Zeit ausgesetzt sind. Aber auch die familiären Bindungen werden lockerer und brüchiger. Fast jede zweite

Ehe wird geschieden. Zurück bleiben ver- mit einem Du eine gesunde Identität entletzte, entmutigte Ehepartner, innerlich wickeln kann (vgl. hierzu die Anmerkung am zerrissene, heimatlose Kinder. Die Folge: Ende des Artikels zu der interessanten Theorie rasante Zunahme der psychischen Erkran- des „Selbst“ von G.H. Mead). In der Begegnung kungen. Alle zehn Jahre verdoppelt sich mit einem Gegenüber wird der Mensch die Anzahl der Personen, die an Depres- sich seiner selbst bewusst. So entsteht eine sionen leiden. Ängste unterschiedlichster Entwicklung vom Du zum Ich. Dabei ist Art greifen um sich, Süchte breiten sich es wichtig, dass eine echte tiefe Beziehung aus. Der innerlich heimatlos gewordene zum Gegenüber entsteht. Dies ist nur dann Mensch sucht verzweifelt nach Halt und möglich, wenn der Gesprächspartner nicht Sicherheit. Auch die weltanschauliche Plu- als „Es“ als Mittel zur eigenen Bedürfnisralität bietet immer weniger Orientierung, befriedigung wahrgenommen wird, vielund es gibt auf wichtige Fragen kaum noch mehr als ein „unverfügbares Du“. Nicht die schlüssige Antworten. Wahrheit ist, was Frage: Was nützt mir der andere? soll im der Einzelne für richtig hält. Wahrheit, Vordergrund stehen, sondern das Interesse an der man sich orientieren kann, gültige an der Person und am Wohlergehen des Wahrheiten, die feste Orientierungspunkte Gegenübers. Persönlichkeitsentwicklung, sind, werden in Frage gestellt. Auch viele Identitätsfindung und Reifung geschieht Kirchen verkündigen das Evangelium nicht also durch die persönliche Begegnung mit mehr als richtungs- und sinngebende Bot- einem Gegenüber, mit einem „Du“. 2 schaft, sondern verstehen sich immer mehr Diese Qualität in den sozialen Beziehunals weltanschauliches Diskussionsforum.1 gen verliert in den heutigen gesellschaftliVerstärkt wird die zunehmende innere Hei- chen Rahmenbedingungen immer mehr matlosigkeit vieler Zeitgenossen durch die an Bedeutung. Effektivität, Anonymität, sogenannten sozialen Netzwerke. Viele Kosten-Nutzen-Denken schränkt die WertStunden verbringen immer mehr Menschen, schätzung persönlicher Beziehungen und vor allem Jugendliche vor dem Bildschirm, … zwischenmenschlicher Wärme immer mehr sammeln hunderte bzw. tausende sogenannte ein. Es entsteht allzu oft nicht Begegnung, Freunde, ohne dass wirklich echte Begeg- sondern wie Buber es einmal formuliert hat nungen von Mensch zu Mensch stattfinden. „Vergegnung“. 3 Viele geben ständig Kommentare zu fast Zu Recht sprach Benedikt XVI in seiner allen Ereignissen und Problemfeldern ab, Rede im Deutschen Bundestag im Jahre peinlich das zumeist erbärmliche Niveau der 2011 davon, dass es nicht nur eine Ökologie geäußerten Meinungen, unverantwortlich der Umwelt gibt: „Es gibt auch eine Ökologie viele Statements, die da „gepostet“ werden. des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, An die Stelle des verantwortungsbewussten die er achten muss und die er nicht beliebig maUmgangs miteinander, gepaart mit Kom- nipulieren kann.“ 4 Das bedeutet, dass der petenz, treten anonyme Plattheiten mit Mensch Rahmenbedingungen braucht, unverantwortlichem Sozialverhalten. Im die ihm guttun. Von daher wird gerade Schutz der Anonymität entwickeln sich in der Anonymität, Vereinsamung und gefährliche Verhaltensweisen sozialer und sozialen Kälte unserer gesellschaftlichen nicht selten sexueller Ausbeutung. Realität die Erfahrung von Wärme und Das bedeutet, mitmenschliche Beziehun- Geborgenheit in christlichen Gemeinden gen mit wertschätzenden Begegnungen und Kirchen von immer größerer Bedeuhaben im Kontext moderner Industriege- tung. In Zeiten, in denen auch der familiäre sellschaften mit ihrer Priorität auf Effizienz Zusammenhalt immer mehr schwindet, und Produktivität bei höchster Rendite gewinnen gemeinschaftsfördernde und und Gewinnmaximierung eher geringe haltgebende Sozialbeziehungen immer Bedeutung. mehr an Bedeutung. 5 Es war Martin Buber der darauf hingewiesen Nähe, Wärme, Schutz und Geliebtsein hat, dass der Mensch nur in der Begegnung gehören unabdingbar zu einer gesunden mit einem Gegenüber, in der Begegnung Ökologie des Menschen. Gerade das bietet


öffnet uns mit seiner Zärtlichkeit das Herz, öffnet uns seine Liebe – gegen Formen von Starrheit ist er allergisch.“ 6 Diese zärtliche Liebe, die

Papst Franziskus: „Wenn wir uns umsehen, finden wir Menschen, die bereit wären, einen Weg des Glaubens aufzunehmen oder heute zu beginnen, wenn Ihnen in Jesus verliebte Christen begegnen würden. Sollten oder könnten wir nicht jene Christen sein? Ich überlasse euch eine Frage: Ich – bin ich wirklich in Jesus verliebt? Bin ich überzeugt, dass mir Jesus das Heil anbietet und schenkt? Und wenn ich verliebt bin, dann muss ich es mitteilen.“ 8 Dies ist eine wirklich

erst eine tiefe Gottesbeziehung ermöglicht, wohltuende Ökologie des Menschen in gibt uns den Schutz, die Geborgenheit, die einer Zeit der sozialen UmweltverschmutHeimat, die wir in dieser Welt nicht finden zung: Heimat und Identität finden in der können. Gott ist an einer ganz persönlichen liebevollen Begegnung mit Gott um dann Beziehung zu uns interessiert. Er fragt nicht das Empfangene weiterzugeben an andere. danach, was wir ihm nützen, wir sind für ihn kein „Es“. Er spricht uns voller Liebe Anmerkung: an und ruft: „Du“ – „ich sehne mich nach Auch bei G.H. Mead, der eine nicht unbeDir.“ Das gibt uns den Mut, Ihm dem All- deutende Theorie zur Bildung des Selbstmächtigen zu begegnen und dabei selbst bewusstseins entwickelt hat, spielt das zum Ich zu werden. Wer Gott wirklich soziale Umfeld (anders als bei Buber das kennt, staunt immer wieder neu darüber „Du“) beim Identitätsbildungsprozess eine mit wieviel Respekt er uns begegnet, „Der entscheidende Rolle. Nach Mead ist das Herr bricht nie die Tür auf: Auch er bittet um Selbstbild eines Menschen ein Konstrukt, Erlaubnis, eintreten zu dürfen. Im Buch der das sich durch die Auseinandersetzung Offenbarung heißt es: Ich stehe vor der Tür und mit seiner Umgebung bildet. Demzufolge klopfe an. Wer meine Stimme hört, bei dem werde kann das Selbstbild eines Menschen variich eintreten und wir werden Mahl halten, ich ieren, je nachdem in welcher Gruppe bzw. mit ihm und er mit mir. (Offenbarung 3, Vers sozialen Umgebung er sich gerade befindet. 20) Das müssen wir uns einmal vorstellen: Der Die Außenwirkung, (wie das Individuum Herr klopft an die Tür unseres Herzens!“ 7 auf andere Menschen wirkt und bewertet wird) hat bedeutenden Einfluss auf das Diese Gottesbegegnung, diese tiefe persön- Selbstbild eines Menschen. Letztlich ist liche Beziehung zu Gott, zu Jesus, erfüllt die Identität eines Menschen eine Kompromit dem Feuer des Heiligen Geistes gibt missbildung zwischen dem idealen Selbstuns nicht nur ein inneres Zuhause in einer bild, das ein Mensch in sich trägt und der kalten Zeit, sondern erfüllt uns auch mit Rückmeldung, die der Mensch von seiner Energie, gibt uns Motivation zum Enga- Umgebung bekommt, also ein Ergebnis der gement und lässt uns erkennen, worauf es Selbstreflexion. Mead unterscheidet dabei eigentlich ankommt. Aus dieser zutiefst zwischen dem „Ich“ eines Menschen und christozentrischen Spiritualität erwächst seinem Selbst. Das Selbst entsteht durch uns die Fähigkeit, nicht aus Selbstbezogen- die Reflexion des Ich über seine soziale heit und Kompensation von Mangelerfah- Rolle. (vgl. hierzu Pannenberg a.a.O. Seite rungen getrieben zu sein, sondern von der 179). Interessant hierbei ist aus christlicher Begegnung mit dem Allmächtigen. Diese Perspektive, welche Rolle das Gottesbild Gottesbegegnung ist faszinierend, erfüllend eines Menschen bei seiner Identitätsbilund identitätsstiftend. Sie erfüllt uns mit dung spielt. Wichtig für den Prozess der tiefem Frieden und macht uns gleichzeitig Identitätsbildung ist wie oben ausgeführt engagiert. Es ist das Engagement einer hei- die Frage nach der Außenwahrnehmung ligen Berufung, einer Berufung, die darin („Wie sehen die anderen mich?“) Nicht besteht, das Empfangene weiterzugeben. vernachlässigt werden darf hierbei, die ebenSehr zutreffend äußert sich auch hierzu falls wichtige Frage, die für viele Menschen

hohe Priorität hat, nämlich: Wie sieht Gott mich? Wenn also nach Mead der Prozess der Identitätsbildung eines Menschen die Bewertung seiner sozialen Umgebung eine große Rolle spielt, darf die Bedeutung des Gottesbildes, das ein Mensch in sich trägt, nicht unterschätzt werden. Literatur: Winfried Hahn, Psychische Erkrankungen im Licht der Bibel. Grundlagen für eine biblisch fundierte und fachlich qualifizierte Seelsorge. 3. Auflage. SCM Hänssler. Holzgerlingen. 2013 Seite 14 und 15. 2 vgl. hierzu: Wolfhart Pannenberg, Anthropologie in theologischer Perspektive. Göttingen 2011. Seite 173 – 178. 3 vgl. hierzu Dr. Cornelius Grupen (Hrsg.), Die grossen Philosophen. Köln. Seite 126. 4 Benedikt XVI., In Gott ist unsere Zukunft. Impulse für unser Land. St.-Benno Verlag. Leipzig 2011. Seite 37. 5 vgl. hierzu: Winfried Hahn, a.a.O. Seite 15 – 18. 6 Papst Franziskus, Predigt 12. Dezember 2015, zitiert nach Gemeinsam Glauben. Nr. 2/2016. Herder. Seite 5. 7 Papst Franziskus, Generalaudienz, 18. November 2015, a.a.O., Seite 4. 8 Papst Franziskus, Angelus 6. Dezember 2015, zitiert nach Gemeinsam Glauben, a.a.O. 1

Winfried Hahn ist Pastor und Pädagoge. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern studierte Pädagogik, war Pastor in mehreren freikirchlichen Gemeinden, und machte eine Ausbildung zum Christlichen Therapeuten. Heute leitet er das de’ignisWohnheim – Haus Tabor zur außerklinischen psychiatrischen Betreuung und ist Vorsitzender der Christlichen Stiftung de’ignisPolen. Er ist verantwortlich für den Fachbereich Theologie am de’ignis-Institut. Als Pastor im übergemeindlichen Dienst und Buchautor hält er Predigten, Vorträge und Seminare im In- und Ausland.

Foto: RadekProcyk / istockphoto.com

der christliche Glaube an, sofern er nicht in intellektuellen, theologischen bzw. dogmatischen Erwägungen steckenbleibt, sondern zu einer tiefen persönlichen Jesus- und Gottesbeziehung durchdringt. Treffend formulierte dies Papst Franziskus in einer Predigt am 12. Dezember 2015: „Der Herr


Titelthema • Text: Dr. med. Martin Steinbach

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Heimatlos? Eine Heimat zu haben ist für die meisten Menschen von großer Bedeutung. Hier sind sie zu Hause, hier sind sie aufgewachsen, hier spricht man ihre Sprache, hier fühlen Sie sich angenommen und sind Teil einer größeren Gemeinschaft.

Eine Heimat zu haben ist für die meisten Menschen von großer Bedeutung. Hier sind sie zu Hause, hier sind sie aufgewachsen, hier spricht man ihre Sprache, hier fühlen Sie sich angenommen und sind Teil einer größeren Gemeinschaft. Dieses Gefühl von Heimat ist auch verbunden mit einer bestimmten Landschaft, einem Ort und einem Land. Oft wurde die Liebe zur Heimat auch von politischen Systemen missbraucht, um

junge Menschen in den Krieg zu schicken, die „die Heimat verteidigen“ sollten. Noch wichtiger als diese äußere Zugehörigkeit zu einem Volk ist ein inneres Heimatgefühl. Viele Menschen in der Vergangenheit bis heute haben nun den Verlust ihrer Heimat erleben müssen: Menschen mussten im Dritten Reich aus Deutschland fliehen, Juden wurden verfolgt und ermordet, nach dem Krieg sind fast 12 Millionen Deutsche

aus den Ostgebieten vertrieben worden und sind geflüchtet, 1,2 Millionen starben auf der Flucht. Oder denken wir an die Vertreibung bis Ausrottung der Urbewohner in Nordamerika oder Australien. Aber auch in Friedenszeiten gibt es Menschen, die keine Heimat haben die obdachlos sind, viele Migranten, die aus anderen Ländern zum Beispiel nach Deutschland gekommen sind und hier eine neue Heimat


suchen, aber oft nicht finden. Zurzeit sind in Deutschland über eine Million Flüchtlinge, weltweit sind knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Die geistige Heimat bedeutet innere Zugehörigkeit, gemeinsame Werte, gemeinsames erleben, „hier bin ich Mensch, hier darf ich sein“. Gerade da ergibt sich für viele unserer Mitbürger eine Not: Sie erleben eine innere Entwurzelung, sie fühlen sich nirgendwo zugehörig, sie finden keinen Sinn für ihr Leben. Oft waren diese Menschen in der Familie, in der sie aufgewachsen sind, nicht wirklich geborgen, sie hatten nicht das Gefühl vermittelt bekommen, willkommen und geliebt zu sein. Viele dieser jungen Leute fühlten sich in ihrer Ursprungsfamilie nicht geborgen, nicht erwünscht, sie haben keine Wertschätzung und Liebe erfahren. Hier können sich verschiedene psychische und psychosomatische Symptome und Krankheiten entwickeln: Neigung zu depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, vegetative Störungen, Ängstlichkeit, Magen-Darm-Symptome oder Herzbeschwerden. Noch schwerer haben es Kinder, die in einer Familie aufwachsen, wo es ständig Streit zwischen den Eltern gibt, wo Vater oder Mutter alkoholkrank oder drogenabhängig sind oder wo Kinder sexuellen Missbrauch oder Misshandlung oder Verwahrlosung erleben mussten. Dies sind oft Bedingungen, wo sich Borderline-Persönlichkeitsstörungen entwickeln können. Bei dieser Störung sind die Betroffenen emotional instabil, sie sind in ihren sozialen Beziehungen stark beeinträchtigt, neigen zu beruflichen und privaten Konflikten, haben Störungen in ihrer Identität, sind impulsiv, leicht reizbar, neigen zu Wutausbrüchen und depressiven Störungen sowie zu selbstverletzendem Verhalten – und meist klagen sie über ein Gefühl der inneren Leere, sie fühlen sich heimatlos. Heute wissen wir, dass Borderline-Persönlichkeitsstörungen nicht durch ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit allein entstehen, sondern eine wiederholte Exposition traumatischer Erfahrungen und ein gestörtes Umfeld, fehlende Unterstützung durch das Elternhaus und anderer Bezugspersonen sind wesentlicher als ein

Trauma selbst. Bei den Kranken entsteht auch das Gefühl seelischer Heimatlosigkeit, vor allem durch weltanschauliche Entwurzelung und Unverbindlichkeit in den sozialen Beziehungen. Sie leiden unter der „Eiseskälte“ und geringem Einfühlungsvermögen ihrer Mitmenschen – dadurch entsteht eine innere Einsamkeit. Eine andere ungünstige Konstellation für ein heranwachsendes Kind ist das vaterlose Kind. Eine allein erziehende Mutter hat es schwer, die vielfältigen Bedürfnisse des Kindes oder der Kinder ausreichend zu befriedigen. Aus finanziellen Gründen muss die Mutter meist arbeiten, sie hat nach der Arbeit nicht mehr genügend Kraft sich emotional den Kindern zuzuwenden und auch den Vater zu ersetzen. Trotzdem schaffen es viele allein erziehende Mütter, ihren Kindern eine schöne Kindheit und Jugendzeit zu ermöglichen. Hier gibt es auch viele Möglichkeiten durch „Ersatzväter“ (Onkels, Lehrer, andere Männer in der Bekanntschaft), den Verlust des leiblichen Vaters auszugleichen. Dasselbe gilt für allein erziehende Väter, die sich oft in vorbildlicher Weise um ihre Kinder kümmern und darauf achten, dass kein emotionales Defizit entsteht. Trotzdem fehlt hier die Mutter. Noch schwerer haben es Kinder, die in einem Heim aufwachsen müssen, ohne Vater und ohne Mutter. Das betrifft Waisenkinder, aber auch Kinder, die von den Eltern getrennt werden mussten, weil sich die Eltern nicht um die Kinder kümmerten oder wegen Gewalt, Missbrauch, asozialen Verhältnissen. Diese Kinder haben keine Bindung an Mutter und Vater erlebt, sie sind heimatlos, oft neigen sie zu schweren Verhaltensstörungen und psychischen Krankheiten. Heimkinder sind gegenüber Familienkindern fast immer retardiert und intellektuell, emotional und in der Sprachentwicklung verzögert. Wenn wir solchen Menschen helfen wollen, müssen wir eine gute zwischenmenschliche Beziehung herstellen oder versuchen herzustellen, damit unser Gegenüber Vertrauen fassen kann und über seine Gefühle von Enttäuschung, Wut, Ängsten, Versagensgefühle, Wünsche sprechen kann.

Aber nicht nur bei solchen schweren Störungen, sondern auch bei den vielfältigen anderen nicht so auffälligen Symptomen brauchen Menschen Hilfe und Unterstützung, um ein sinnvolles und zufriedenes Leben führen zu können. Dies ist nur möglich, wenn wir Frieden schließen können mit unserer Geschichte, wenn wir uns versöhnen können mit Vater und Mutter, gleichgültig, was im Einzelnen vorgelegen hat. Oft gibt es Verletzungen aus der Kindheit, woraus eine Ablehnung von Vater oder Mutter resultiert, die die weitere Lebensführung behindern und sogar blockieren kann. Ein Mann braucht Frieden mit seinem Vater, um selbst Mann zu werden. Eine Frau braucht Frieden mit ihrer Mutter, um selbst eine Frau zu werden. Unbewältigte Konflikte in der Biografie mit Vater oder Mutter wirken sich auch im Erwachsenenleben aus. Bei einer bestehenden Vaterwunde leben Männer oft Macht, Kontrolle und Unterdrückung aus, haben Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten oder können Gesetze nicht einhalten, kennen keine Grenzen. In solchen Fällen ist es immer gut, Kontakt mit dem Vater zu suchen, wenn möglich. Wenn eine gute Vorbereitung erfolgte, kann ein Gespräch mit dem Vater entlastend und hilfreich sein. Wenn aber der Vater tot ist oder nicht zu erreichen, kann man auch einen Brief schreiben, mit dem Thema „Was ich dir schon immer mal sagen wollte“. In diesem Brief kann man alle seine Gefühle, seine Enttäuschung, seine Wut und auch seine Wünsche und die ersehnte Liebe ausdrücken. Hier geht es um unsere innersten Bilder und Gefühle. Es ist eine gute Möglichkeit, diesen Brief einem Therapeuten oder Seelsorger vorzulesen. Manchmal genügt dies, um Abstand zu bekommen und innerlich zur Ruhe zu finden. In manchen Fällen kann man den Brief auch abschicken. Rachegefühle binden an den Täter und machen uns selbst zum Opfer. Deshalb ist es wichtig, diese Rachegefühle zu überwinden und Vater und Mutter zu vergeben. Wir brauchen Anerkennung vom Vater. Es ist wichtig, vom Vater zu hören „Ich bin stolz auf dich.“ Wenn wir das nicht von unserem Vater gehört haben, suchen wir ein


dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ zu (Jesaja

43, Vers 2). Das ist die gesund machende Erfahrung: Gott liebt mich, er hat mich angenommen, ich bin sein geliebtes Kind. Und dann gibt es noch einen wichtigen Gesichtspunkt in der Bibel: wir sind nur Gäste und Fremde in dieser Welt (1. Petrus 2, Vers 11). Unsere Heimat ist also nicht hier auf der Erde, sondern sie ist bei Gott. „Denn hier auf der Erde gibt es keinen Ort, der wirklich unsere Heimat wäre und wo wir für immer bleiben könnten.“ (Hebräer 13, Vers 14).

Und im Epheserbrief Kapitel 2, Vers 19 lesen wir: „Auch ihr seid jetzt also nicht länger Fremde ohne Bürgerrecht, sondern seid – zusammen mit allen anderen, die zu seinem heiligen Volk gehören – Bürger des Himmels, ihr gehört zu Gottes Haus, zu Gottes Familie.“ Die Familie

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Gottes ist die Gemeinde. Dort dürfen wir uns geborgen und wohl fühlen. Und auch Aufgaben übernehmen. Und noch ein Vorbild aus dem Alten Testament: Abraham. Er verließ seine Heimat mit seiner ganzen Familie und machte sich auf den Weg zu einer neuen Heimat, die ihm Gott verheißen hatte. Er wusste nicht, wo sie war, wie sie war und wann er dort ankommen würde. Er hatte nur die Zusage Gottes und er glaubte und machte sich auf den Weg. So hat er Gottes Anerkennung gefunden . Und so ist er Vorbild geworden für alle Glaubenden. Wir sind also als Christen Bürger zweier Welten: Wir haben eine vorübergehende Heimat hier auf der Erde und eine himmlische, ewige Heimat bei Gott.

T i te l t he m a • Heimatlos

Leben lang Ersatz: durch Leistungsstreben, erfolgreich sein müssen bis hin zur totalen Überforderung und Erschöpfung. Wie können wir nun vergeben, wenn der Vater oder die Mutter ein Alkoholiker, Spieler, notorischer Fremdgänger war? Wenn wir vergeben wollen, dann können wir in einen Prozess eintreten: ganz langsam Verständnis für den Vater oder die Mutter entwickeln: jeder Mensch versucht das Beste zu tun, was für sie möglich ist. Auch unsere Väter und Mütter sind Menschen, sie haben eine eigene Biografie, vielleicht konnten sie nicht mehr geben. Auch ein Vater war mal ein Junge und hatte seinen Vater. Sie waren oft im Krieg traumatisiert und konnten ihre Rolle nicht besser ausfüllen. Dasselbe gilt für Mütter, die oft total überfordert waren. Dabei sollen wir nicht die negativen Taten verharmlosen, sondern wollen eine mutige Auseinandersetzung mit dem Gegenüber führen. Dann aber loslassen und vergeben. Dasselbe gilt für Frauen und ihre Mütter, natürlich auch für die Väter. Wir sehen, dass Menschen mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen und Lebensbedingungen an einem Gefühl der Heimatlosigkeit leiden, sie fühlen sich nicht dazugehörig, nicht angenommen, vielleicht sogar verfolgt und haben keinen inneren Frieden und keine Zufriedenheit. Spätestens hier merken wir, dass wir die Liebe Gottes brauchen, seine Zusage: „Fürchte

Dr. med. Martin Steinbach Facharzt für Innere Medizin, Psychosomatik und Psychotherapie, bis 2009 Chefarzt des DiakonieKrankenhauses Elbingerode/Harz, seitdem tätig in einer Praxis für Psychotherapie in Elbingerode, verheiratet, vier erwachsene Kinder, zwölf Enkelkinder, Mitglied der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Wernigerode

Statistik zum Artikel (Quelle: UNO-Flüchtlingshilfe)

Ende 2014 waren 59,5 Millionen Menschen auf der Flucht. Dies ist die höchste Zahl, die jemals von UNHCR verzeichnet wurde. 2014 flohen im Durchschnitt pro Tag 42.500 Menschen. Einer von 122 Menschen ist entweder Flüchtling oder Binnenvertriebener. 50 Prozent der Flüchtlinge weltweit sind Kinder. 2014 konnten nur 126.800 Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren – die niedrigste Anzahl seit 31 Jahren. 9 von 10 Flüchtlingen (86 %) leben in Entwicklungsländern. Die Türkei ist das Land, das weltweit die meisten Flüchtlinge (1,59 Millionen, Ende 2014) aufgenommen hat.


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T i te l t h e m a • Text: Herbert Scheiblich

Soziologische Veränderungen in der Gesellschaft aus christlicher Perspektive.

Mensch, bleib locker.

Wie begegne ich persönlich als Mensch und als Christ den Globalisierungs- und Megatrends in der heutigen Gesellschaft?

Zwei Begriffe beherrschen die heutige •Diskussion, einen Burn-out zu verhindern

und eine Work-Life-Balance herzustellen. Der Begriff des Burn-out ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits nimmt er von Menschen, die sich im Rahmen ihres Arbeitsprozesses überfordert haben und überbelastet sind, das Stigma durch die Umwelt des psychisch Kranken, des Versagers, des psychisch Schwachen. Andererseits aber verschleiert dieser Begriff, dass der Betroffene durch sein eigenes Verhalten und durch Lebensmuster, die andere von ihm fordern, nicht mehr in der Lage ist, in seinen eigenen psychischen und physischen Grenzen angepasst zu leben. D. h. der Begriff führt den Betroffenen keiner Behandlung zu, verschleiert den grundlegenden pathologischen Mechanismus der Überforderung und Ausbeutung durch das Prinzip „immer höher, immer schneller, immer besser“ und akzeptiert daher nicht, die von Gott gesetzten Grenzen, achtsam mit sich und seinem Körper umzugehen. Der Begriff der Work-Life-Balance ist ebenfalls sehr kritisch zu betrachten. Er versucht, den Menschen klar zu machen, dass er Ressourcen braucht, Zeiten zur


Erholung benötigt, in denen er Dinge tut Rhythmen der Gesellschaft. Dies hat die und Verhaltensmuster zeigt, die ihm wieder Konsequenz, dass wir noch mehr in die Kraft und Stärke geben. Vereinzelung gehen und in Pseudorealitäten Ich sehe Work-Life-Balance deswegen leben, wo Außenkontakte auf ein Minimum kritisch, weil wir lernen müssen, dass wir des Notwendigen beschränkt sind. Zeiten benötigen, in denen wir frei und Dieser globale Trend tritt leider auch in nicht zweckbestimmt einfach ausruhen, christlichen Gemeinden auf, z. B. durch neu-deutsch: chillen. Wir müssen begreifen, Streaming von Gottesdiensten. Ich kann bedass zwischen Arbeit und arbeitsfreier Zeit quem von zu Hause aus, meinen der eigenen kein Gegensatz besteht, sondern dass wir Bequemlichkeit angepassten Gottesdienst Menschen sind, die überall, sowohl in der feiern und habe dabei das Pseudogefühl, Arbeit, wie auch in der Freizeit, dieselben mit anderen in einer großen, weltweiten sind. Die Menschen streben im Allgemei- Gemeinschaft zu sein. nen danach, in der Arbeit sich selbst zu verwirklichen und in der arbeitsfreien Daher bleibt nach dieser Einführung die Zeit sich selbstverliebt zu verwöhnen – erste Feststellung: Wir selber sollten unser sich als Egoisten zu verhalten, die ihrem Leben überprüfen, ob wir gemäß den Narzissmus frönen. Erkennbar wird dies Rhythmen leben, die Gott in ein System durch die große Anzahl von Selfies oder wie die Jahreszeiten gesetzt hat, und ob z. B. durch die Mitteilung, was ich gerade wir die eigenen Biorhythmen beachten. esse. Der Mensch stellt einen künstlichen Wir leben zumeist nicht in einer Balance Gegensatz her zwischen Arbeit, die ein not- zwischen Geben und Nehmen sondern im wendiges, nicht vermeidbares Übel ist und kapitalistischen Rhythmus von InvestieFreizeit, die einen paradiesischen Zustand ren, Investieren und mehr erwirtschaften. verwirklicht. Diese Sichtweise verschleiert Die große Lüge der Zeit, sich selbst zu wiederum das Grundübel, dass der Mensch verwirklichen, führt zu dem großen nedie göttliche Schöpfungsordnung von sechs gativen Effekt, dass es keine Solidarität, Tagen Arbeit und einem Tag Erholung nicht keine Werte, keine Identität und keine ernst nimmt. Dadurch kommt er in einen Bindung mehr gibt. Lebensrhythmus, wo er die eigentliche Wenn dieser Prozess in unserem Leben Kraftquelle am Sonntag verleugnet: in der an Dynamik gewonnen hat, stehen wir Gegenwart Gottes sein, für die Familie daher nicht nur vor einem psychischen und sich selbst da sein und dadurch Kraft Burn-out und einer sozialen Isolierung, zu schöpfen. Des Weiteren ist es sinnvoll sondern auch vor einem spirituellen Tod. jeden Tag nach einem einfachen Prinzip in Es ist daher notwendig, die Mathematik Drittel einzuteilen: Acht Stunden Arbeit, Gottes anzuwenden: „Geben ist seliger denn acht Stunden freie Zeit bzw. für andere da Nehmen“. Als die Jünger Jesu fragten, was sein, acht Stunden Schlaf. sie für ihren Einsatz bekommen, nachdem Durch die Veränderung unserer Lebens- sie ihr gesamtes psychosoziales Umfeld rhythmen und der Zugriffsmöglichkeiten auf verlassen hatten, sagte Er zwei bemerkensKonsumgüter etc. verändern wir nachhaltig werte Sätze: „Wer sein Leben versucht zu diesen vom Körper eingespielten Biorhyth- erhalten, der wird es verlieren“. (Mat. 10, mus und kämpfen gegen uns selbst, z. B. 39) Dies ist die spirituelle Dynamik des durch Arbeit im Drei-Schicht-System oder oben beschriebenen Erosionsprozesses im durch das Verlängern der wöchentlichen Leben jedes Einzelnen und der Gesellschaft. Arbeitszeit von zweimal fünf Tagen auf Aber noch viel wichtiger ist: „Wer sein einmal zehn Tage und dann vier Tage frei. Leben verliert um meinetwillen wird es vielfältig zurück bekommen“ (Mk 8, 35). Der permanente Zugriff auf Waren, durch Dies ist die göttliche Mathematik, die aus die Ausweitung der Geschäftsöffnungs- dem Negativen, das wir produzieren, wenn zeiten und den Internethandel, führt zu wir uns auf ihn fixieren und nach seinem einer Abkopplung von allgemeinen sozialen Rhythmus leben, ein riesiges Plus macht.

Der Mensch kann nach dem Prinzip von Segen und Fluch leben:

Segen bedeutet hierbei unter anderem, in den biologischen Grenzen der Schöpfung und in den Wachstumsprozessen der Erkenntnis mit Vermehrung unseres Könnens, unserer Macht und unseres Reichtums zu leben. Der Mensch befolgt seit dem Sündenfall den biblischen Auftrag, den er im Garten Eden erhalten hat, „Machet euch die Erde untertan“, „Herrschet über sie“, aber ohne ihn aus der Beziehung zum Schöpfer zu leben. Wir verstehen durch unseren wissenschaftlichen Fortschritt die Mechanismen der Schöpfung immer mehr. Wir wissen sie zu unserem Wohl zu nutzen, und beuten unsere Umwelt dabei immer mehr aus. Dem Auftrag „Mehret euch“ gemäß ist die Menschheit allerdings zu einer Kopfzahl herangewachsen, die die Erde anscheinend nicht mehr ernähren kann. Dies liegt mit daran, dass wir den wichtigsten Teil der Botschaft, nämlich in Anerkennung und Verehrung Gottes zu leben, vergessen haben. Dies wäre ein Korrektiv, das uns den Sinn unseres Lebens und Werte vermittelt, die weit über unser derzeitiges soziales Dasein hinausgeht. Außerdem ist hier der Verlust der Balance des größten Gebotes des Evangeliums: „Liebe Gott von ganzem Herzen und deinen Nächsten wie dich selbst“ verloren gegangen. Vor diesem Hintergrund ist die Flüchtlingskrise vielleicht der feine Humor Gottes, der uns gezwungenermaßen aus unserer Selbstverliebtheit in den reichen westlichen Gesellschaften herauslöst und herausfordert mit anderen, den Fremden, den Nächsten tatsächlich in unserem Alltag, in unseren Städten, Häusern und Gemeinden gemeinsam zu leben und zu teilen. Dabei können wir lernen, das, was wir erwirtschaften wieder als Segen Gottes, und nicht nur als sichtbaren Beweis unseres eigenen Könnens zu sehen. In letzter Zeit wird häufig in christlichen Medien und auch zunehmend in säkularen Medien berichtet, dass wir in einer Zeit leben, bei der sich die Katastrophen potenzieren und so große Probleme entstehen, dass sie anscheinend nur noch durch


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Titelthema • Soziologische Veränderungen in der Gesellschaft

einen Kollaps oder großen Knall gelöst werden können. Aber cave (hüte dich) vor Endzeitstimmung. Wir beobachten große Megatrends

Die Globalisierung ist der erste Megatrend. Die Welt wird von einem Ort mit mehreren separaten Räumen zu einem großen „gemeinsamen Dorf “, in dem eine Sache sich mit Dominoeffekt auf alle anderen auswirkt, z. B. in dem Bestreben große wirtschaftliche und politische Räume zu schaffen, in denen für alle die gleichen Spielregeln gelten (Schengen-Abkommen). Dagegen besteht der Trend zur Regionalisierung, wo Menschen sich absichern, ihre Identität, bzw. ihre Produkte zu bewahren, d. h. die Frage zu beantworten, wie viel Schwarzwald und Schwein ist im Schwarzwälder Schinken, der Made in Texas hergestellt wird. Der zweite Megatrend sind Veränderungen in der Wirtschaft. Immer mehr rücken Dienstleistungsjobs in den Vordergrund und Arbeitsplätze in produktiven Gewerben werden weniger. Das hat zur Folge, dass z. B. der Sektor der Finanzdienstleistungen mit einer viel höheren Rendite von bis zu 20 % rechnet, während die reale Wirtschaft mit ihren Gewerben und Produktionen bei maximal 7 % Rendite arbeitet. Diese Diskrepanz ist die eigentliche Ursache unserer derzeitigen Wirtschaftskrise, aber gleichzeitig auch der Motor für das Wachsen des Wohlstandes. Leider müssen die Schwächsten in der Dritten Welt diese Diskrepanz zwischen der Profitrate der gewerblichen Wirtschaft und der Finanzwirtschaft ausgleichen, indem sie z. B. geringe Einkommen, ausbeuterisch fast wie Sklaven diesen Mehrwert erwirtschaften. Wir Christen leben in der Welt des Mammons und wir sollten die Warnung Gottes: „Man kann nicht beiden Herren dienen, Mammon und Gott“ (Mt. 6, 24) ernst nehmen und uns allmählich in eine Lebensweise hineinbewegen, die die Solidarität, die oben beschrieben ist, lebt. Der dritte große Megatrend ist die Entwicklung von neuen Technologien.

Finde den Flow in Dir.


Einerseits im Bereich der Kommunikation mittels moderner Computertechniken. Das erste iPad sah ich in der ersten StarTrek-Serie, in der Captain Kirk immer eine Aluminiumschachtel gereicht bekam, in der dann alles visuell aufbereitet wurde und ihm zur Entscheidung diente. Wenn man heute durch die Großstädte zieht und die Menschen in ihr Smartphone vertieft sieht, ist diese Vision von Star-Trek wahr geworden. Ein weiterer Trend ist das Ersetzen der menschlichen Arbeitskraft durch Roboter, die die monotone und schwere körperliche Arbeit effektiver machen oder dem Menschen ganz abnehmen. Im Hintergrund drohen die künstlichen Intelligenzen, die dann z. B. in Fabriken effektiver, aber genauso eigenständig wie Menschen handeln können. Entsteht hier der Homo-Roboticus? Der vierte große Trend ist der demographische Wandel. Die Schere zwischen immer mehr Alten und immer weniger jüngeren Menschen wird immer größer. Diese Überalterung hat die Folge, dass es zu einer Neuinterpretation des Alters kommen muss. Das Alter nicht mehr als Feierabend oder Ruhestand, in dem man dann selbstbestimmt seinen Hobbies nachgeht, sondern der Trend geht immer mehr dazu, länger zu arbeiten, lebenslang zu lernen und dann, wie oben beschrieben, in dem derzeitigen Prozess der ständigen Verfügbarkeit auch als alter Mensch zu leben. Man überlegt sich dann als Älterer, dem Trend der jungen Mensch zu folgen, die nicht mehr in ihre Altersvorsorge investieren, da ungewiss ist, ob sie für das angesparte Geld noch etwas bekommen werden und deshalb entscheiden, besser im Augenblick zu leben. Der fünfte große Trend ist die Veränderung der politischen Landschaft: Nicht mehr in einer Welt zu leben, die von Symmetrie, von Druck und Gegendruck, Aktion und Reaktion lebt, sondern in einer asymmetrischen Welt zu leben, in der der Aufwand Katastrophen bzw. irrationales Handeln wie Terrorismus zu verhindern, immens groß wird und die trotzdem keine hundertprozentige Sicherheit mehr bietet. Diese emotionale Verunsicherung des Menschen, dass er nicht mehr in einer be-

rechenbaren Zukunft lebt, die nur Besseres bringt, führt zu allmählichen Bewusstseinsveränderungen, deren Ergebnisse kaum abzuschätzen sind. Genau diese emotionale Unsicherheit führt dazu, dass sich immer mehr politisch extreme Gruppierungen bilden und damit die Konsensbildung, die in unseren Demokratien für Problemlösungen vorherrscht, zunehmend schwieriger oder gar unmöglich wird. Wo die Politik früher bemüht war, in einem Konsens Lösungen zu entwickeln, die über Legislaturperioden hinausreichen, entwickelt man heute nur Minimallösungen, die maximal eine Legislaturperiode dauern. Diese Megatrends müssen wir als Christen kritisieren und anmahnen, damit die Menschen wieder zur Besinnung und Reflexion kommen. Wir sollten uns aber umso mehr die Megatrends Gottes verdeutlichen. Gott, der schon immer da war, bediente sich als erster der Globalisierung, um das Christentum über die ganze Welt zu verbreiten. Dies konsequent umgesetzt, führt zu einer veränderten Lebensweise, die auch zu einer veränderten Art zu arbeiten und zu wirtschaften führt. Gott bedient sich „Technologien“, die wir noch gar nicht kennen und die wir dann als Wunder bezeichnen. Diese Sichtweise, dass Gott in diesem für uns erlebbaren und nicht mehr nachvollziehbaren Chaos wirkt, gibt Sicherheit. Von ihm bekommt er Sinn für sein Leben und seinen Wert. Damit kann jeder Christ mitten in diesem dramatischen Wandel seinen Platz sowohl in der Gemeinde vor Ort, wie auch in der Kirche überörtlich und im Reiche Gottes finden. Der christliche Megatrend ist daher, dass wir Menschen in der Politik fördern sollten, die Gott noch die Ehre geben und versuchen, nach biblischen Prinzipien zu leben. Persönlich brauchen wir eine Life-Balance, einen Flow, der uns immer im Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen hält. Fazit

Nehmen wir die Globalisierungstendenzen, die unser Leben verändern, kritisch wahr und richten wir uns auf das aus, was Gott seit 2000 Jahren in seinem Wort und durch

das Leben anderer Christen vorlebt, so dass es in unserem Leben Gestalt gewinnt. Werden wir vom Zuseher und Zuhörer zum Täter.

PD Dr. med. Herbert Scheiblich ist Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie, Suchtmedizin, Verkehrsmedizin, Ernährungsmedizin, Kinder- und Jugendpsychotherapie und Lauftherapie. Habilitation als Privatdozent und akademischer Abschluss in evangelischer Theologie. Psychotherapieausbildungen in Systemischer Familientherapie, Individualpsychologie, Rational-Emotiver Therapie und Logotherapie. Er wohnt in Altensteig und ist Mitglied der de’ignis-Institutsleitung.


Barbara Schwab Dipl.-Sozialpädagogin bei der Ambulanten Beratungsstelle (de’ignis) für Kinder, Jugendliche und Familien in Altensteig.

Einsamkeit im Leben von Kindern und Jugendlichen. Maike Prolingheuer im Gespräch mit Barbara Schwab, Dipl.-Sozialpädagogin bei der Ambulanten Beratungsstelle (de’ignis) für Kinder, Jugendliche und Familien in Altensteig.

Barbara, du bist nicht nur in unserer •Beratungsstelle, sondern auch als Familienhelferin im Gespräch mit Kindern und Jugendlichen und ihren Familien. Ist Einsamkeit ein Thema für diese Personengruppe? Sicherlich. Doch viele Jugendliche, die zu uns kommen, bewerten Gemeinschaft zunächst eher negativ. So nennen Sie bei einem Brainstorming zum Begriff „Gemeinschaft“ einige positiv belegte Begriffe wie dem Bedürfnis und der Sehnsucht Dazuzugehören, Freude oder Abenteuer. Aber dann folgen deutlich mehr Worte wie Freiheitsentzug, Hierarchie, Ausgrenzung, Entwertung, sich unwohl fühlen, Konflikte oder Stress. Wie erklärst du dir diese negative Sicht auf Gemeinschaft Manche Kinder, die Ängste in sozialen Situationen entwickelt haben, mangelt es an den entsprechenden grundlegen-

den Kompetenzen zur Bewältigung so- entspannen und mir was Gutes tun“, „Habe zialer Situationen. Da ihnen das nötige meine Ruhe, muss keine Rücksicht auf Selbstbewusstsein fehlt, verhalten sie sich andere nehmen und kann machen, was unsicher und bekommen deshalb leichter mir Spaß macht“, „bin selbstständig“ oder auch negative Rückmeldungen. Oft steckt „hab’s allein geschafft“. ein negatives Selbstbild dahinter, das im Allerdings kommt es dann auch schnell Zusammenhang mit dem Familiengefüge zum Gefühl der Einsamkeit, denn da „ist stehen kann. keiner, der sich um mich kümmert“, „ich Welche Auswirkungen hat das auf das fühle mich schutzlos, nicht geliebt“, „bin hilflos, habe Angst“. psychische Wohlbefinden? Eine Gruppensituation löst in diesen Kin- Die Jugendlichen sind zerrissen zwischen dern und Jugendlichen Kognitionen (Ge- ihren Autonomiebedürfnissen (z. B. eigendanken) aus, die Ängste erzeugen, weil sie ständig und frei sein, selbst entscheiden und damit eine Gefahr in Verbindung bringen. wahrnehmen können) und Symbiotischen Durch dysfunktionale Grundannahmen Bedürfnissen (z. B. gesehen, verstanden, wie „mich liebt eh keiner“, „ich kann nichts unterstützt werden, willkommen sein und gut“, … wird ein solches Denken gefördert. zusammen gehören). Die Folge ist, dass diese Kinder sich nicht Welche Tipps hast du, wie kommt man mehr trauen, sich mit anderen zu verabre- aus der „Einsamkeitsfalle“ wieder heraus? den. Sie vermeiden es an Gruppenangebo- Die Kinder und Jugendlichen wünschen ten teilzunehmen. Sie ziehen das Alleinsein sich „Respekt“, wollen „auf Augenhöhe vor, das sie stärker positiv bewerten: „Kann behandelt werden“, wollen also positive


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Spendenkonto:

de’ignis-Beratungsstelle für Kinder, Jungendliche und Familien Volksbank Nordschwarzwald IBAN: DE85 6426 1853 0066 6240 37 BIC: GENODES1PGW

17 I n te rview • mit Barbara Schwab

soziale Erfahrungen machen. Dazu hilft ein soziales Kompetenztraining. Dabei wird die Selbstwirksamkeit gestärkt, um in der Lage zu sein, situationsgebundene Anforderungen erfolgreich zu bewältigen. Es gilt kognitive, emotionale und motivationale Ressourcen zu mobilisieren. Die Primärsozialisation im Elternhaus weist oft Defizite auf. Ein demokratisches Grundverständnis, soziale Konfliktfähigkeit und Regeln für ein faires Miteinander müssen oft nachträglich vermittelt werden. Manchmal reicht es aber auch schon, die Eltern darauf hinzuweisen, einen Blick dafür zu bekommen, was es bei ihren Kindern/Jugendlichen alles Positives zu erkennen gibt und gut läuft und dies dann z. B. durch Lob oder gemeinsame Zeiten zum Ausdruck zu bringen. So bekommt das Kind, bzw. der Jugendliche die Rückmeldung: auch wenn einiges nicht so gut läuft, es gibt es doch vieles, was anerkennungswürdig ist und ich bin so wichtig, dass meine Eltern Zeit mit mir verbringen. Das beugt der „Einsamkeitsfalle“ auf jeden Fall vor, und stärkt das Selbstbewusstsein, das nötig ist, um sich auch außerhalb der Familie auf andere einzulassen. Was ist dir noch zum Thema wichtig? Wichtig finde ich es, die Kinder und Jugendlichen auch darauf hinzuweisen und Ihnen bewusstwerden zu lassen: Ich bin von Gott gewollt, einzigartig und geliebt (vgl. z. B. Johannes 3, Vers 16 oder Psalm 139). Das kann motivierend wirken in der Einstellung, sich nicht verkriechen und verstecken zu müssen, sondern sich als wertvolles und geliebtes Kind Gottes zu sehen, das auch im gemeinschaftlichen Leben etwas mit Gewinn beitragen kann und es oftmals eben „nur“ eines sozialen Handwerkszeugs bedarf (und das kann jeder lernen), um sich angemessen und entspannt in dieser Gemeinschaft bewegen zu können. Vielen Dank für das Gespräch!

Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Wir begleiten Sie und Ihr Kind. In eine positive Zukunft. In jeder Familie gibt es Krisenzeiten, besonders während der Pubertät der Kinder. Bei anhaltenden oder gravierenden Krisen kann es für die Überwindung sehr hilfreich sein, fachliche Unterstützung von außen in Anspruch zu nehmen, z. B. unsere Sozialpädagogische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Familien. Aktuell bieten wir: • Ambulante Beratung, insbesondere Erziehungsberatung • Unterstützung von Jugendlichen in ihrem Identitätsfindungsprozess und bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung • Sozialpädagogisches Handeln in akuten Krisensituationen (z. B. Hausbesuch, Einsatz vor Ort) • Training sozialer Kompetenzen mit Kindern und Jugendlichen • Konzentrations- bzw. Aufmerksamkeitstraining • Begabungsdiagnostik, Unterstützung bei der Lebensund Berufsplanung • AD(H)S -Konzept für Versicherte der DAK Gesundheit und einiger BKKen (in Kooperation mit Dr. med. Herbert Scheiblich) • Therapie und Elterntraining

de’ignis -Institut gGmbH · Markgrafenweg 17 · 72213 Altensteig Telefon 07453/94 94 - 0 · info@ deignis.de · www.deignis.de


Alt aber glücklich. Herausforderung der Einsamkeit. Krankheit, Armut, Kinderlosigkeit, Tod des Partners … Die möglichen Gründe für Einsamkeit im Alter sind vielfältig. Zweifellos ist Einsamkeit kein erwünschter Zustand, allerdings lassen sich die ausschlaggebenden Lebensumstände meist nicht beeinflussen. Schließlich wünscht sich auch niemand, krank oder arm zu sein.


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Ti telthema • von Anna-Lena Bauer

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Frau K. ist 75 Jahre alt, verwitwet und lebt in einem Altenpflegeheim. Sich auf diesen neuen Lebensabschnitt einzulassen, war die richtige Entscheidung. Im Heim hat Frau K. viele neue Kontakte geknüpft, wodurch für jedes Anliegen immer jemand da ist. Ihre Kinder besuchen sie oft, was Frau K. viel bedeutet. Regelmäßig nimmt sie an den vielfältigen Angeboten im Haus, z. B. der Gymnastik oder den Andachten teil. Besonders viel Freude bereiten Frau K. die Musiknachmittage, bei denen sie die altbekannten Lieder mitsingen kann. Doch nicht immer war die Seniorin in solch einer guten Verfassung. Ihre Heiterkeit gewann sie erst vor kurzer Zeit wieder zurück. Zuvor durchlebte sie schwere Phasen der Einsamkeit und Depression. Heute weiß sie es sehr zu schätzen, sich aufgehoben zu fühlen, wichtig für andere und Teil einer Gemeinschaft zu sein. Nachdem ihr Mann vor zwei Jahren verstarb, verschlechterte sich ihr Zustand


innerhalb kürzester Zeit, was letztlich der Grund für den Umzug ins Heim war. Seit die Kinder des Ehepaares auszogen, lebten die beiden viele Jahre zu zweit in ihrer Wohnung und konnten ihren Alltag stets selbstständig bewältigen. Gemeinsame Freunde, Kontakte und die wöchentliche Singstunde im Chor als gemeinsames Hobby bereicherten das Leben und die Verbundenheit des Ehepaares. Durch den Tod von Herrn K. nach einem Schlaganfall stand Frau K. vor überwältigenden Herausforderungen. Zwar waren ihre Kinder besonders in dieser Zeit eine große Unterstützung und sind es auch bis heute, jedoch ist ihr Leben allein nicht mehr dasselbe. Die gemeinsamen vier Wände, die seit jeher geteilt wurden, all die gemeinsamen Freunde, Interessen und Beschäftigungen – nichts wird mehr so sein wie es war. Erschüttert von Trauer und Schmerz hat Frau K. ihre Lebenslust verloren. Sie zog sich immer mehr zurück, pflegte keine Kontakte mehr und gab auch das damalige gemeinsame Hobby Singen auf. Ohne jeglichen Sinn vergingen die Tage immer langsamer und Frau K. verharrte in Schwermut und Langeweile. Da sie auch keinen Appetit mehr hatte, verlor sie bedenklich viel an Gewicht. So baute sie nicht nur psychisch, sondern auch körperlich sehr ab. Angesichts des problematischen Zustands wurde klar, dass sich etwas ändern musste, um der Vereinsamung von Frau K. einen Schlussstrich zu ziehen. Auf den Vorschlag ihrer Kinder hin, in ein Heim zu ziehen und nach langen Überlegungen entschied sich Frau K. schweren Herzens dafür, ihre vertraute Wohnung zu verlassen. Niedergeschlagen und deprimiert lässt sie sich auf die neue Umgebung ein. Heute bereut sie diesen Schritt keinesfalls. Frau K. war einsam, jedoch hat sie ihren Weg aus der Einsamkeit gefunden. Das Alter bringt nicht nur körperliche, sondern auch psychische, soziale und geistige Veränderungen mit sich. Entgegen der (zu) viel verbreiteten negativen Gesichtspunkte, die mit dem Alter verbunden werden, sind jedoch Erfahrungen, vielfältige Erkenntnisse und Lebensweisheit

wertvolle Eigenschaften, in denen ältere Menschen den jüngeren einen weiten Schritt voraus sind. Durchschnittlich kann in Deutschland ein gutes Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit alter Menschen festgestellt werden. Durch den relativ hohen Wohn- und Lebensstandard, der heutzutage zu beobachten ist, ergibt sich für ältere Menschen in den meisten Fällen kein Wunsch nach einem Wohnwechsel vom häuslichen Umfeld in eine stationäre Altenpflegeeinrichtung oder andere altersgerechte Einrichtungen. Dementsprechend entscheiden sich nur wenige Senioren freiwillig für das Verlassen der vertrauten Umgebung, sondern nur sofern es die Umstände nicht anders zulassen. Familienverbünde werden immer kleiner, was sich auf die heutige Gesellschaft durchaus problematisch auswirkt. Noch vor einigen Jahrzehnten herrschte das traditionelle Bild der Mehrgenerationen-Familie, bei dem mehrere Generationen, meist Großeltern, Eltern und Kinder bzw. Enkelkinder, in einem Haus einen gemeinsamen Haushalt führten. Zwar bedeutete diese Wohnform oft eingeengte Wohnverhältnisse und sehr einfache Lebensstandards, jedoch ist es offensichtlich, dass die Wahrscheinlichkeit einer Vereinsamung umso kleiner ist, je mehr Menschen in einer Hausgemeinschaft zusammen leben. Durch die Wohlstandsentwicklung der letzten Jahre sind die familiären Wohnverhältnisse heute anders. Einpersonenhaushalte kommen immer mehr in Mode und werden zunehmend attraktiver: Vor allem von neuen Rentnergenerationen wird der Alleinlebende mit wirtschaftlicher und sozialer Selbstständigkeit, Autonomie und verstärkter Individualisierung in Verbindung gebracht; das eigene Zuhause steht für Sicherheit und Privatsphäre. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass sich Alleinlebende hinter den eigenen Mauern abschotten und immer schlechter mit wichtigen Herausforderungen des Lebens umgehen können. Diese isolierte Haltung verursacht Frustration und Resignation, wodurch der Horizont und der Blickwinkel nach außen deutlich eingeschränkt wird.

Wie am Beispiel von Frau K. deutlich wird, kann Vereinsamung die schmerzliche Folge solcher Umstände sein. Unser Beispiel zeigt auch, dass zu den häufigsten Auslösern für Vereinsamung im Alter Beziehungsverluste gehören. Da Beziehungen, die über Jahre hinweg gepflegt worden sind, im Alter durch den Tod oft abrupt abbrechen, müssen bei den Hinterbliebenen unweigerlich neue Lebensmuster entwickelt werden. Wenn es sich um den eigenen Lebenspartner handelt, sitzen Trauer und Schmerz besonders tief. Meist geht mit dem Verlust eines langjährigen Lebenspartners gleichzeitig ein Teil der eigenen Identität verloren, zumal der Alltag, Freundes- und Bekanntenkreise oder Freizeitaktivitäten gemeinsam erlebt und gepflegt worden sind. Die Sicherung von Zuneigung, Geborgenheit und sozialer Gemeinschaft verschwindet von einem Moment auf den anderen durch den Abbruch einer Paarbeziehung. Der Hinterbliebene ist kurzerhand alleinstehend und gewissermaßen dazu gezwungen, wesentliche Veränderungen des alltäglichen Lebens anzunehmen. Wie geht es weiter? Wie soll ich umgehen mit dem Frust und der Trauer? Was ist der Sinn meines Daseins? Werde ich jemals wieder glücklich sein? Wird das schmerzhafte Gefühl dieser Leere und Einsamkeit jemals wieder verschwinden? Dies sind nur wenige der beinahe endlosen Fragen, die sich Betroffene in einer Situation der Einsamkeit stellen. Wichtig zu wissen ist: Einsamkeit kann bekämpft werden und muss kein andauernder Zustand bleiben. Die effektivste Hilfs- oder Unterstützungsmaßnahme bedarf zunächst der grundsätzlichen Zustimmung des betroffenen Menschen und muss für jeden Menschen individuell getroffen werden. Dazu gibt es zahlreiche Möglichkeiten, der Vereinsamung vorzubeugen oder den verloren gegangenen Lebenssinn wiederherzustellen. Nicht zwingend muss dies der Kontakt zu anderen Menschen sein, viele werden bereits zufriedener, indem sie ihre Interessen verfolgen und auf diesem Wege einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen. Aktivitäten, bei denen ältere Menschen ihre


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Lebenserfahrungen und Kompetenzen aktiv einbringen können, bereiten Freude und sind wirksam gegen Langeweile, die durch das Nichtstun aufkommt. Manche beginnen, Seniorentreffs zu besuchen und dort neue Kontakte zu knüpfen oder den Kontakt zu alten Freunden wieder aufzunehmen; anderen hilft es wiederum, sich in Büchern über interessante Themen weiterzubilden oder sich ein Haustier anzuschaffen; wieder andere engagieren sich ehrenamtlich oder treten Hobbygruppen bei. Gesellschaftlicher Zusammenhalt und ein besseres Miteinander zwischen Generationen kann durch Ehrenamt gestärkt werden. Je nach Interessengebiet gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich freiwillig für einen guten Zweck einzubringen. Durch Erfahrungen, vorhandene Kompetenzen und Zeit, was gerade für ältere Menschen kennzeichnend ist, verhilft eine ehrenamtliche Tätigkeit zu mehr Selbstvertrauen und Anerkennung. Kleine Alltagsaktivitäten wie beispielsweise Hausarbeiten, Gartenarbeiten, Fahrten zur Apotheke, oder auch die Zubereitung von Mahlzeiten, können mit Hilfe von sozialen Netzwerken wie Familie oder Freunde leichter bewältigt werden. Eine zuverlässige Unterstützung tut dem emotionalen Wohlbefinden gut; Erfahrungsaustausch und Geselligkeit beugen Einsamkeit, Isolation und depressiven Verstimmungen vor. Ein Werbespot kursiert derzeit im Internet und Fernsehen, der die Thematik besonders auf emotionaler Ebene anspricht. Ein einsamer Familiengroßvater wird an Weihnachten von all seinen entfernten, viel beschäftigten Kindern versetzt: Keine Zeit für dich, sorry! Seine Enttäuschung ist groß. Um das Fest der Liebe nicht allein verbringen zu müssen, zieht er die Reißleine und verschickt seine eigene Todesanzeige an die Liebsten. Mehr oder weniger gezwungen finden diese nun doch Zeit zu kommen. „Wie hätte ich euch denn sonst alle zusammen bringen sollen?“ Seine Antwort auf die entsetzte und erleichterte Reaktion seiner Kinder. Während der Werbespot die einen zu Tränen rührt und möglicherweise ein schlechtes Gewissen erweckt, ärgern sich andere über Geschmacklosigkeit und schwarzen Humor.

Das Video löst unzählige Diskussionen aus, bei denen unterschiedlichste Kommentare und Meinungen aufeinanderprallen. Nachdem Einsamkeit im Alter nun neuerdings als Werbethema in den Medien präsentiert wird, zeigt sich die Öffentlichkeit äußerst aufmerksam und betroffen. Die Thematik scheint aktueller denn je zu sein. Automatisch erweckt diese Betrachtungsweise deutlich negative Assoziationen. Doch trotz allen Bemühungen, gegen deprimierende Einsamkeit und Vereinsamung anzukämpfen, sollte die Zeit für sich selbst nicht zu kurz kommen. Einsamkeit darf nicht mit Alleinsein verwechselt werden. Allein zu sein meint nämlich zunächst nichts Negatives, es kann in einigen Situationen sogar bewusst als befreiender und wohltuender Zustand erlebt werden. Und Momente, in denen man für sich allein ist, sind es tatsächlich ab und zu würdig, sie zu genießen – egal ob jung oder alt. Quellenangabe • Ruthe, R. 2008: Zufrieden im Alter. Die Kunst der vierten Lebensphase. Brendow Verlag Moers

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Ti telthem a Alt und Glücklich

Anna-Lena Bauer Studentin Sozialwirtschaft im Seniorenzentrum Emmaus, Beihingen


22 Tite lthe m a • Von Weihbischof Thomas Maria Renz

Der Seelsorger als „Homo isolatus“? Eine schleichende und zunehmende Vereinsamung ist gerade für Hauptverantwortliche in komplexen Seelsorgesituationen eine reale und ständige Gefahr. Über die Ursachen und Auswirkungen der Vereinsamung im pastoralen Dienst.

Vor kurzem traf ich mich mit einem liebenswerten Pfarrer zum Abendessen, den ich in den vergangenen Jahren etwas aus den Augen verloren hatte und dem ich nun bei einem offiziellen Anlass wieder begegnet bin. Dabei haben wir uns für ein persönliches Gespräch verabredet, das uns beiden gut getan hat. Als junger Priester war dieser Geistliche in einer führenden Position in der katholischen Kirche tätig, bei der es auch um Kommunikationsfähigkeit, Gemeinschaft unter Pfarrern und Teamarbeit ging. Nach persönlichen Enttäuschungen

zog er sich dann aber in eine pastorale Aufgabe zurück, die ihn als Wegbegleiter von Menschen in zum Teil höchst prekären Lebenssituationen ganz und gar fordert. Ich bin überzeugt, dass er seine Aufgabe als Seelsorger prima meistert, aber er hat sich als eigentlich zugewandter und offener Mensch weitgehend zurückgezogen. Bei unserem Gespräch fällt mir auf, dass seine hellwachen, blitzenden Augen immer wieder für einen kurzen Augenblick in eine andere Ausdrucksweise wechseln, die eine gewisse Einsamkeit und Traurigkeit verrät.

Eine schleichende und zunehmende Vereinsamung ist gerade für Hauptverantwortliche in komplexen Seelsorgesituationen eine reale und ständige Gefahr. Natürlich spielt im katholischen Kontext auch die zölibatäre Lebensform der Priester eine nicht unbeträchtliche Rolle. In meinem Zuständigkeitsbereich haben innerhalb weniger Jahre drei begabte junge Priester ihr Amt aufgegeben, weil sie sich für eine Partnerin entschieden haben. Bei aller Wertschätzung der zölibatären Lebensform, die der Lebensweise Jesu wohl am ehesten


entspricht, der ja nicht nur für einen Menschen da war, sondern für alle (vgl. Matthäus 19, Vers 29), schmerzt mich doch jeder Verlust eines Priesters, der kündigt, weil er sein Zölibatsversprechen nicht mehr halten kann. In Zeiten von dramatischem, ja für die Katholische Kirche existenziellem Priestermangel müssen wir uns ernsthaft fragen, wie lange wir uns einen solchen „Verlustluxus“ noch leisten können. Dennoch ist die Gefahr einer zunehmenden Vereinsamung im kirchlichen Dienst mitnichten nur ein katholisches Phänomen. Einsamkeit kann sich bei verheirateten pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genauso breit machen wie bei zölibatär lebenden. Deshalb lohnt es sich, über die Ursachen der akuten Vereinsamungsgefahr in heutigen pastoralen Arbeitsstrukturen genauer nachzudenken.

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„Lost in space“ oder: Pfarrer auf der Flucht

Eine zentrale Ursache für die Vereinsamung im pastoralen Dienst sehe ich in den immer größer werdenden und komplexen Gebilden von Seelsorgeeinheiten, die eine persönliche Seelsorge immer schwieriger machen. Wenn Pfarrer oder Diakone, Gemeindereferentinnen oder Pastoralreferentinnen für immer größere „pastorale Räume“ zuständig sind, wächst die Gefahr, dass sie sich in diesen weiten Räumen verlieren. Ein Pfarrer, der heute für fünf, sechs, sieben oder gar acht Gemeinden zuständig ist und dabei in paulinischem Sinne „allen alles werden“ soll (vgl. 1 Korinther 9, Vers 22), wird sich kaum noch Zeit nehmen können für die Anliegen und Sorgen einzelner Menschen. Aber genau das wäre ja seine vornehmliche und wichtigste Aufgabe als Seelsorger! Dafür sind die meisten, die Pfarrer geworden sind, irgendwann einmal angetreten. Aber heute ist ein Seelsorger oft nur noch fürs Ganze da und nicht mehr fürs Einzelne, nur noch fürs Grobe und nicht mehr fürs Feine, nur noch fürs Große und nicht mehr fürs Kleine. Er wird dann aber von den Menschen eher als ein versierter Pastoralmanager wahrgenommen, denn als persönlicher Zeuge eines Größeren. Er steht ständig in der Gefahr, vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen. Eine Jugendliche

formulierte es einmal mit Traurigkeit in der Stimme so: „Früher hat der Pfarrer uns Ministranten noch persönlich gekannt und in der Sakristei mit Namen angesprochen. Seit er für mehrere Gemeinden zuständig ist, kennt er unsere Namen nicht mehr und wir sehen ihn fast nur noch von hinten!“

Pfarrer auf dem Sprung, ständig unterwegs und immer unter Zeitdruck, sind weder für Menschen ansprechbar, die ein seelsorgerliches Anliegen haben, noch sind sie ein erstrebenswertes Berufsideal für junge Menschen. Wenn ein Pfarrer fast nur noch von hinten gesehen wird, weil er schon wieder weg ist, nachdem er kaum da gewesen war, kann keine wirkliche Beziehung entstehen. Das aber wäre der Tod jeglicher Seelsorge, die ja wesentlich von Beziehung und Begegnung lebt. Die bekannte Erkenntnis von Martin Buber, „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“, gilt natürlich besonders für jeden pastoralen Kontext: Alle wirkliche Seelsorge ist geglückte Begegnung und gelingende Beziehung! Das ist das A und O jeder pastoralen Arbeit und jeder seelsorgerlichen Initiative. Wie kein Mensch auf Dauer von flüchtigen, oberflächlichen Begegnungen leben kann, so auch nicht ein Seelsorger, der ja „auch nur ein Mensch ist“. Was Michael Franck im Jahr 1652 im Hinblick auf die menschliche Vergänglichkeit formuliert hat, das könnte man heute auch über so manchen „flüchtigen“ Pfarrer sagen: „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig ist der Menschen Leben! Wie ein Nebel bald entstehet und auch wie er bald vergehet, so ist unser Leben, sehet!“ Ein solches Leben im-

mer „auf der Flucht“, immer unterwegs, ist oftmals Ursache für die Vereinsamung von Seelsorgern zwischen flüchtigen Kontakten. Diese Einsamkeitsursache ist eindeutig systembedingt und hausgemacht! Deshalb müssten neue Pastoralpläne und Strukturprozesse sich immer wieder hinterfragen lassen, ob sie auch den Menschen dienen und in der Realität „lebbar“ sind. Andernfalls versündigen sich die Strukturen an den Menschen, und die Kirchenleitungen an den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, und die Seelsorgerinnen und Seelsorger an denen, zu denen sie gesandt sind.

„Der unfruchtbare Feigenbaum“ oder: Minimaler Ertrag bei maximalem Aufwand

Eine andere Ursache für Einsamkeit im pastoralen Dienst kann das dauerhafte Gefühl von Erfolglosigkeit sein. Wir bemühen uns heute mehr denn je, Menschen zu erreichen, die sich längst von der Kirche und ihrem Gemeindeleben verabschiedet haben, schaffen das aber nur noch in Einzelfällen. Höchstwahrscheinlich hat es in der rund 2000-jährigen Geschichte der Christenheit noch nie eine Epoche gegeben, in der ein so hoher Aufwand für Glaubensverkündigung, Katechese und Seelsorge betrieben worden ist wie heute, bei gleichzeitig so wenig gefühltem wie messbarem Erfolg. Die für die Pastoral Verantwortlichen mühen sich ab und fühlen sich doch nicht besser als ein Hamster im Rad, der sich abstrampelt wie ein Weltmeister, aber keinen Millimeter vorankommt. Das ist die typische Situation, die Mark Twain im 19. Jahrhundert mit der verblüffenden Diagnose beschrieben hat: „Nachdem wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen!“ Diese knappe Aussage spricht Bände und müsste eigentlich zu einer ständigen Gewissenserforschung und fundamentalen Selbstkritik bei denen führen, die den Ruf gehört haben: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Markus 1, Vers 15). Erfolglosigkeit und Unfruchtbarkeit sind auch in der Heiligen Schrift ein Thema. Zum Beispiel im Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum, das Jesus den Jüngern erzählt: „Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine. Da sagte er zu seinem Weingärtner: Jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen? Der Weingärtner erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er doch noch Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen.“ (Lukas 13,

Vers 6 - 9). An diese Hoffnung, „Vielleicht klappt’s ja doch noch“, hängen oftmals auch wir Seelsorger und Seelsorgerinnen.


„Selfiemanie“ oder: Die Angst, sich in die Karten schauen zu lassen

Und es gibt noch eine weitere Versuchung zur Vereinsamung: die der Intransparenz und Informationsphobie. Ich beobachte immer wieder, dass sich Pfarrer nicht gerne in die Karten schauen lassen. So wie sich viele Menschen heute lieber selbst fotografieren, als sich von anderen fotografieren zu lassen, so macht man auch in der Pastoral lieber selbst „sein Ding“. Ist es die Angst vor eigenen Schwächen, die man aus übertriebenem Perfektionismus nicht preisgeben möchte? Meint man, sich eine Blöße zu geben, wenn man anderen offenbart, dass man selbst auch „nur mit Wasser kocht“? Glaubt man vielleicht, die anderen seien besser als man selbst? Gerade das Eingeständnis der eigenen Grenzen, Schwächen und Enttäuschungen hätte aber etwas sehr Befreiendes und Verbindendes,

wenn es Glaubensgeschwister miteinander teilen würden. Dazu wäre aber eine Grundhaltung der Demut, der Offenheit und der Ehrlichkeit vonnöten. Wenn wir als Jüngerinnen und Jünger Jesu alle demselben Herrn dienen, dann müssten wir nicht darum besorgt sein, wer von uns es vermeintlich besser kann und wer von uns auf Platz 1 steht (vgl. Markus 9, Vers 33 -35). Dann wären wir nämlich allesamt in der Position des kleinen Jungen, der zur Brotvermehrung für „eine große Menschenmenge“ lediglich fünf Brote und zwei Fische beitragen kann. Und in der Tat: „Was ist das für so viele?“ ( Johannes 6, Vers 9). Erst wenn wir vor uns selbst und vor anderen eingestehen, dass es in der Tat erbärmlich wenig ist, was wir von uns selbst aus beitragen können, damit Gottes Wunder auch heute geschehen, kann ER aus dem Wenigen, das wir bringen, einen Überfluss schenken, der alle satt macht. Was könnte man Seelsorgerinnen und Seelsorgern also empfehlen, damit sie nicht in die pastorale Isolations- und Einsamkeitsfalle tappen? Ich möchte dreierlei nennen:

Thomas Maria Renz ist Weihbischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Renz wurde 1984 in Rom für die Diözese Rottenburg-Stuttgart zum Priester geweiht. Am 29. April 1997 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Titularbischof von Rucuma und zum Weihbischof in Rottenburg-Stuttgart. Er war bis zu seiner Ernennung zum Weihbischof 1997 in Bad Saulgau tätig. Mit 39 Jahren war er das jüngste Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz. Auf Grund seiner unkomplizierten Art gilt er als Bischof der Jugend. Er ist als Leiter der Hauptabteilung Jugend des Bischöflichen Ordinariats in Rottenburg Vorstand der Jugendstiftung just. Seit 2005 ist Renz Familiare im Deutschen Orden. Im theologischen Beirat de’ignis.

1 Eine kräftige Portion Demut und Gott-

vertrauen. 2 Eine spirituelle Gruppe von Mitbrüdern und Mitschwestern, die sich als geistliche Weggemeinschaft findet, stärkt, begleitet, ermutigt und segnet. 3 Eine regelmäßige Auszeit für die Zwiesprache mit dem „Herrn der Ernte“ möglichst eine Stunde pro Tag, ein Tag pro Monat, eine Woche pro Jahr. Das kann helfen, um in der Spur der Nachfolge Jesu zu bleiben, sich erfolgsunabhängiger zu machen und zu erkennen, dass ER immer erst am Anfang seiner unbegrenzten Möglichkeiten ist, wenn ich bereits am Ende meiner begrenzten Möglichkeiten angekommen bin.

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Wir hangeln uns von Taufe zu Taufe, von Konfirmation zu Konfirmation, von Gottesdienst zu Gottesdienst und hoffen, dass sich das Blatt vielleicht doch nochmal wendet. Und oft fällt uns der Blick auf die nackte Wirklichkeit schwer, die uns deutlich sagt, dass die alten Zeiten nicht mehr zurückkehren werden. Dabei vergessen wir leicht, dass der Weingärtner im Gleichnis zwar alles in seiner Macht Stehende tut, um die Bedingungen für die Fruchtbarkeit des Feigenbaums zu optimieren, dass er aber die Fruchtbarkeit selbst nicht „machen“ kann. Der Weingärtner tut alles, was er kann, damit seine Ernte möglichst reichlich ausfällt, aber er kann das Letzte und Entscheidende nicht selbst tun, weil er nicht der „Herr der Ernte“ ist (Matthäus 9, Vers 38). Aber diese Einsicht fällt schwer! Denn auf Dauer kann eben kein Mensch satt werden mit dem täglichen Brot der Erfolglosigkeit und Unfruchtbarkeit. Natürlich hat Martin Buber recht, wenn er sagt, dass „Erfolg keiner der Namen Gottes“ ist. Und doch leben wir Menschen auch davon, dass wir einen Sinn sehen in unserem Tun, dass wir ankommen mit dem, was wir machen, dass wir uns nicht völlig vergeblich abmühen und abstrampeln.


25 •

Ti telthema Homo isolatus

Das Ergebnis einer innerkirchliche Untersuchung der Wissenschaftler-Gruppe unter Leitung des Jesuiten Eckhard Frick: Ein Drittel der Priester gab an, dass sich der Zölibat belastend auf ihren Dienst auswirkt. Ein Viertel würde sich, wäre ein Neustart möglich, nicht noch einmal für ein zölibatäres Leben entscheiden. Ein weiteres Viertel ist unentschlossen. Die Studie basiert auf den Antworten von 8.600 Seelsorgern, 4.200 von ihnen arbeiteten als Priester. Quelle: dpa, 16. April 2015


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Tite l t he ma • von Dietmar Schwabe Das Bild des Hirten als Metapher für den Leitungsdienst

Das Bild des Hirten ist eines der aus•drucksstärksten für den geistlichen Lei-

Der Dienst von Pastoren und Seelsorgern ist intensiv und vielfältig. Nicht selten werden die Menschen dahinter, ihre Bedürfnisse, Ansprüche, Verwundbartkeit und Sehnsüchte vergessen.

„Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder der Herde. So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen“. 1

Auch Paulus sieht seinen und den Dienst der Ältesten unter diesen Vorgaben, indem er an die Ältesten der Gemeinde in Ephesus schreibt: „So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat.“ (Apostelgeschichte 20, 28 ff )

Auch wenn das Bild des Hirten ganz sicherlich auf eine exponierte Stellung hinweist, ist dieser Dienst immer gemeinschaftlich gedacht. So erwählte Jesus zwölf Jünger und nicht einen. Seine Beziehung zu ihnen war - in Ausnahmen von gewähltem Alleinsein - geprägt von intensiver Gemeinschaft. Nicht allein sollten sie ihren Dienst tun, sondern er sendet zu zweit aus (Markus 6, 7). Dies war die „kleinste Leitereinheit“ 2

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Die Vereinsamung im geistlichen Hirtendienst.

tungsdienst. Schon im Alten Testament ist dieses Wort Inbegriff von Verantwortung, Führung und Leitung. Gott selber wird als Hirte Israels bezeichnet (1. Mose 49, 24; Psalm 23, 1; Psalm 80, 2; Jesaja 40, 11). Hesekiel 34 spricht von dem Versagen der Hirten Israels: Sie denken zuerst an sich, stärken nicht das Schwache, heilen nicht das Kranke und verbinden nicht das Verwundete – und kommen so ihrem Auftrag nicht nach. Jesus selber beschreibt sich als der gute Hirte und so auch gleichsam seinen Auftrag und Dienst. Er kennt seine (einzelnen) Schafe, er beschützt und ernährt sie, flieht nicht, wenn Gefahr droht und ist bereit für sie zu sterben. Jesus überträgt dies auf seine Jünger in der erneuerten Berufung des Petrus, seine Lämmer und Schafe zu weiden (Johannes 21, 15 -17). Petrus führt diesen Gedanken weiter und schreibt später an die Ältesten und Leiter der Gemeinden:


im Neuen Testament. Auch Paulus und an dem zu hohen Maß an Arbeit, aber auch. Barnabas wurden zu zweit ausgesandt Es liegt nicht nur an dem Mangel seelischer (Apostelgeschichte13, 1). Gemeinschaft ist Belastbarkeit und Robustheit – aber auch. Schöpfungsordnung Gottes. Er ist Ge- Es sind immer, so Matthias Burisch 5 , inmeinschaft, hat das Bedürfnis nach und die nere und äußere Faktoren beteiligt, mit Notwendigkeit von Gemeinschaft in den unterschiedlicher Gewichtung. „Wenn eine Menschen verankert und erhebt sie zum Angelschnur reißt – war dann die Leine zu dünn Proprium für seine Nachfolger (Johannes oder der Fisch zu schwer? Oder: Wenn ein Hoch13, 35; Johannes 17, 11 und 22).

Einsamkeit ist jedem Leitungsdienst, ob geistlich oder im säkularen Umfeld, aufgrund der speziellen Verantwortungs-, Sonder- und Aufgabenstellung vertraut. Dies trifft auch auf den pastoralen Dienst zu. 3 Sie kann auch bewusst gewählt sein im Sinne von Kontemplation, Stressreduzierung und Erholung, aber auch ungewollt aufgrund verschiedener, oft sehr herausfordernder und schwieriger Umstände. 4 Die andere Seite des Hirtendienstes

Es ist nicht selbstverständlich, dass Pastoren (Hirten) in guten, heilsamen und stützenden Beziehungen leben. Sehr intensiv ist man mit den Aufgaben beschäftigt und vernachlässigt mitunter dabei die inneren seelischen und geistlichen Prozesse. „Habt acht auf euch selbst“ sagt Paulus den Leitern der Gemeinde in Ephesus (Apostelgeschichte 20, 28). Auch Timotheus weist er darauf hin (1. Timotheus 4, 16). Dieser Teil der Selbstwahrnehmung ist notwendig, um Signale, die den Weg in die Vereinsamung markieren, als Warnsymptome rechtzeitig zu erkennen und zu deuten. Vereinsamung geschieht nicht plötzlich, sondern beginnt oft ganz subtil und verstärkt sich schleichend. Ihre Ursachen sind nicht monokausal, sondern haben verschiedene, oft sich gegenseitig verstärkende Faktoren. Hirten sind Menschen - mit ihren Bedürfnissen, Ansprüchen, mit Verwundbarkeit und Sehnsüchten. Immer wieder begegnen mir Leiter und Pastoren, die in vertraulichen Gesprächen über ihre Einsamkeit berichten – oft begleitet von Ärger und Wut, von dem Gefühl nicht anerkannt zu sein, von Enttäuschungen und Bitterkeit, bis hin zu depressiven Episoden. Viele Türen, große und kleine sind es, die den Weg in die Vereinsamung öffnen. Dabei liegt es vielleicht nicht nur

springer die Latte reißt, lag dann die Marke zu hoch oder war der Sprung zu niedrig?“ 6 Je nach

persönlicher Überzeugung und Vergleichen fällt die Antwort entsprechend aus. Auch äußere Faktoren können zermürben und überfordern: „Das Hirtenbild kann gehörig unter Druck setzen: der gute Hirte, der sich hingebungsvoll um seine Schafe kümmert. Könnten wir nicht immer noch einen mehr anrufen? Gäbe es nicht noch jemanden zu besuchen? Könnten wir schwierigen Leuten nicht noch geduldiger etwas mehr Zeit schenken …)“ 7

Auch die oben erwähnte Hesekielstelle kann ‚wie Peitschenhiebe knallen‘ 8 . Diese Liste ließe sich noch verlängern. Rollendiffusität ohne positive Rückmeldung, unklare oder überhöhte eigene Erwartungshaltungen oder solche des Vorstandes bzw. der Gemeindeglieder (Rollenkonflikte) können den emotionalen Druck erhöhen. Überidendifikation mit der Gemeinde (alles für den Herrn) und die Möglichkeit zur Omnipräsenz (E-Mail, Handy) verführen dazu, Grenzen zu überschreiten und Kräfte zu überschätzen. Leistung und vielleicht auch Erfolg werden zum Maßstab guter Pastorenarbeit. Wo der Erfolg ausbleibt, wird es eng. Die Balance zwischen göttlicher Gnade und menschlichem Tun kommt aus dem Gleichgewicht. Wenn dann Vorwürfe und verbale Verletzungen das Klima bestimmen, wird Rückzug und in der Folge Einsamkeit zum Selbstschutz der eigenen Seele bzw. der Familie. Was kränkt, macht krank; sagt ein Sprichwort. Was negativ und stressverstärkend wirkt, sind Begleitumstände: „Damit ist das Gefühl

modellen verbunden mit einem hohen Selbstanspruch, können schnell zu Überforderungen der eigenen und der gemeindeinternen Ressourcen führen. Gemeindemitglieder und Mitarbeiter ziehen sich zurück oder suchen sich eine andere Weide. Innere Dispositionen stehen in Wechselwirkung zu den äußeren Anforderungen. Es ist nicht nur die Menge an Arbeit, sondern die innere seelische Konstitution und die kognitiven Überzeugungen. Wenn eigenes Wertgefühl und Identifikation abhängig sind von Anerkennung und Wertschätzung, macht das verwundbar. Wo diese ausbleiben, zerbrechen die inneren Säulen nacheinander. Dies ist den Betroffenen oft gar nicht bewusst. Überzeugungen wie: „Ich muss es allen recht machen.“ oder „Immer das Beste geben!“ führen zu einer ungesunden Hingabe ohne gesunde Abgrenzung. Fehlende Copingstrategien und somit keine stattfindende Ressourcenaktivierung führen zu Ermüdung und zunehmendem Rückzug aus sozialen Kontakten. Sinn- und Zielverlust der Arbeit, für die ich mich einmal begeistert habe, kann der Beginn einer Vereinsamung im geistlichen Dienst sein. Warum tue ich das eigentlich? Muss ich mir das antun lassen? Lohnt es sich noch? Solche Krisen sind schmerzhaft und doch helfen sie, ehrlich zu fragen: Was muss sich ändern? Wie kann ein heilsamer Weg gefunden werden? Gott hat uns nicht dazu geschaffen, als Hirten einsam und allein mit unseren Verletzungen zurechtzukommen. Meine Grundüberzeugung und Erfahrung ist es, dass gerade hier heilende und tragfähige Beziehungen wichtig sind. Sind meine Beziehungen tragfähig und heilsam?

gemeint, hilflos zu sein, den unberechenbaren Umständen … preisgegeben zu sein oder nicht beachtet zu werden.“ 9

Jesus aber antwortete ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. (Matthäus 22, 37- 39)

Überhöhte und unrealistische Vorstellungen (Visionen) und Ideale, ein ungesundes Vergleichen mit „Star-Pastoren“ oder mit idealisierten Gemeinde- und Wachstums-

„Hast du mich lieb?“ Dreimal richtet Jesus diese Frage an Petrus. Erst dann spricht er

Die Beziehung zu Gott


Seele ist meine wichtigste Ressource, um ermutigt arbeiten und Menschen dienen zu können. Es ist eine Seele, die von der persönlichen Begegnung mit Christus herkommt und deshalb mit Zufriedenheit, Vertrauen und Liebe erfüllt ist.“ 12

Es ist nicht die beruflich bedingte Gottesbeziehung, sondern eine tiefe und ehrliche, persönliche Beziehung zu dem Vater im Himmel. Zeiten der gewollten Ruhe und Stille machen empfindsam für das Reden Gottes. Hier finde ich die Quelle und die Weide für meine Seele. Es sind die offenen Arme des Vaters, die mich willkommen heißen, und es ist seine Stimme, die ich höre. Selbst in Krisenzeiten redet er (vgl. Elia am Berg Horeb). Dieses seelsorgerliche Reden stärkt und gibt neuen Ausblick. Beziehung zum Nächsten und zu mir

Ich möchte diese beiden Beziehungsaspekte zusammennehmen. Nur wer sich selbst annehmen und lieben kann, wird gesunde Beziehungen zu seinen Nächsten aufbauen können. Ein narzisstisches Selbstverliebtsein ist genauso problematisch wie willenlose Hingabe. Gesunde und stabilisierende Beziehungen sind geprägt von einer guten Balance zwischen Distanz und Nähe. Es gilt zu lernen, wann ich „Ja“ oder „Nein“ sage. Gesunde Grenzen setzen ist unabdingbar. Wir sehen dies an Jesus: Er nahm sich viel Zeit für die Menschen, zog sich aber auch zurück. 13 Um Überlastung und Überforderung vorzubeugen ist es wichtig, meine mir von Gott gesetzten Grenzen nicht als Einengung, sondern als Schutz wahrzunehmen. So spricht Römer 12, 3 von einer gesunden Selbsteinschätzung und einem persönlich zugeteilten Maß des Glaubens und in

Matthäus 25, 15 bekommt nicht jeder dasselbe, sondern entsprechend seinem individuellen Leistungsvermögen. Verletzungen und Wunden im zwischenmenschlichen Bereich müssen versorgt und behandelt, nicht verdrängt und unterdrückt werden. Wo dies nicht allein gelingt braucht es Hilfe und Zuwendung durch Geschwister: „Darum braucht der Christ den Christen, der ihm Gottes Wort sagt, er braucht ihn immer wieder, wenn er ungewiss und verzagt wird […] Der Christus im eigenen Herzen ist oft schwächer als der Christus im Wort des Bruders […] Damit ist zugleich das Ziel aller Gemeinschaft der Christen deutlich: sie begegnen einander als Bringer der Heilsbotschaft“ 14

Jeder braucht gesunde und stabile Beziehungen, um sich gesund entfalten zu können. Dies gilt genauso für den Hirten wie für die Herde. Es ist gut, sich immer wieder selbst zu reflektieren und zu fragen, wie sich meine Lebenswelt verändert. Wurden meine Beziehungen besser, offener, wertvoller oder hab mich zurückgezogen? Fühle ich mich wertvoll um meiner selbst willen? Gibt es positive oder negative Veränderung in der Liebe zu meiner Arbeit? Geht es meiner Seele gut? Wie sehen mich Menschen, die mit mir zusammen sind? Gibt es Bereiche in meinem Leben, die ich mit jemand durchsprechen sollte? Jeder Hirte braucht auch einen Hirten. Wer gibt, muss auch erhalten. Wer Wunden der anderen heilt, braucht auch Heilung für die eigenen Wunden. Wer Lasten der anderen mitträgt, braucht jemand, dem er seine Lasten abgeben kann. Wer tröstet, muss auch selber Trost erfahren.15 Baue tragfähige und ehrliche Beziehungen! Habe Freunde, denen du dich anvertrauen kannst! Mir selber hat die jahrelange Zugehörigkeit zu einer klar umrissenen Gruppe von Pastoren geholfen, deren regelmäßige Treffen von einem hohen Maß an Vertrauen und Ehrlichkeit geprägt war. Wie schreibt es Salomo so trefflich – und wer könnte dem widersprechen: Ein Freund liebt allezeit und ein Bruder wird für die Not geboren (Sprüche 17, 17).

Pastor Dietmar Schwabe ist verheiratet, hat drei Kinder und ist Fachbereichsleiter für Praktische Theologie am Theologischen Seminar BERÖA. Davor war Dietmar Schwabe Gemeindepastor und im Vorstand der Volksmission. Außerdem ist er verantwortlich für den Arbeitskreis Seelsorge im Bf P.

Quellen: 1. Petrus 5, 2-4 Malm, Magnus 1997: Gott braucht keine Helden, Brockhaus Verlag Wuppertal S. 175 3 Manfred Josuttis thematisiert dies in seinem Buch „Der Pfarrer ist anders“ 4 Beispiele aus dem alten und dem neuen Testament bezeugen das. Elia sehen wir nach dem überwältigendem Erlebnis am Karmel einsam und deprimiert am Berg Horeb (1. Könige 18). Jeremia klagt Gott gegenüber seine Einsamkeit aufgrund seines Auftrages ( Jeremia 15, 17). Mose fühlte sich allein gelassen in der Bewältigung der Aufgaben (4. Mose 11). David in Psalm 22; Jesus wurde von seinen Jüngern allein gelassen (im Garten Gethsemane (Matthäus 26, 40) und nach seiner Verhaftung (Markus 14, 50f ). Paulus schreibt an Timotheus, dass sich die ganze Provinz Asien von ihm abgewendet habe (2. Timotheus 1, 15) und ihn bei seinem ersten Verhör niemand unterstütze sondern er allein gelassen wurde (2. Timotheus 4, 16) … u. a. 5 Burisch, Matthias: Das Burnout-Syndrom Springer 2014, S. 55 6 Burisch, Matthias, S. 170f 7 Wolff, Matthias C.: Stimmt’s noch? Wie mein Dienst wieder Schärfe gewinnt, Forum Theologie und Gemeinde, Erzhausen 2014, S. 32 8 Wolff, Matthias, S. 32 9 Grabe, Martin: Zeitkrankheit Burnout Francke 2010, S. 47 10 Johannes 21, 19 und Markus 1, 17 11 Malm, Magnus, S. 49 12 Härry, Thomas, S. 112 13 z. B. Markus 1, 32ff 14 Bohnhoeffer, Dietrich: Gemeinsames Leben, Kaiser Verlag 1987, S. 19f 15 Ich verweise hier auf Paulus, der selbst Trost benötigt, um andere trösten zu können. (2. Korinther 1, 3) 1

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zu ihm ein zweites Mal: „Folge mir nach.“ 10 Liebe wird somit zum zentralen Bindemittel in der Gottesbeziehung. „Hast du mich lieb“ ist die Frage des Hirten auch an jeden Pastor und Leiter. Nicht die Frage: „Was tust du? Was kannst du? Welche Gaben hast du?“ „Berufung meint keine fromme Leistung“ schreibt Magnus Malm in seinem Buch: Gott braucht keine Helden. 11 Es ist der Ruf zu ihm. Treffend formuliert es Thomas Härry: „Meine versorgte und gesättigte


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Ti te l t h ema • von Johannes Freitag

Einsamkeit von Migranten. Erfahrungsberichte. Eine Zusammenfassung von unzähligen langen und kurzen Gesprächen mit Asylsuchenden aus einer Notunterkunft in Sachsen. In der Arbeit mit Geflüchteten wird Einsamkeit unterschiedlich erlebt und verarbeitet.


Es gibt einen Unterschied zwischen Mig•ranten und Asylsuchenden. Beide Gruppen verlassen ihre Heimat und beide Gruppen möchten dort nicht mehr leben. Die einen kommen freiwillig aus eigener Wahl in ein fremdes Land, weil sie sich eine bessere Zukunft für sich oder zumindest für die Kinder erhoffen.

versuche ihnen klar zu machen, dass keiner diese Fragen beantworten kann. Momentan bleibt ihnen also nur das Telefonieren. In der Zwischenzeit müssen ihre Familien in Syrien, im Irak oder in Afghanistan auf die frohe Botschaft, nach Deutschland in Sicherheit geholt werden zu können, warten. Ich versuche herauszufinden, warum so viele Männer auf der Flucht sind und Frauen und Kinder zurückgelassen werden. Von einem jungen Syrer aus Damaskus erhalte ich die Antwort:

Die andere Gruppe, also diejenigen, die als Flüchtlinge oder Asylanten bezeichnet werden, fliehen aus einem fremdbestimmten Anlass heraus. Sie flüchten aufgrund „Meine Eltern leben in einem Gebiet, das relativ politischer Verfolgung oder diversen hu- sicher ist. Sie können sich frei bewegen und ihnen manitären Gründen. Während Migration geschieht nichts. Meine Schwestern können noch zu nicht nur ein geläufiger Begriff der Aus- Ende studieren. Ich musste stets in der Angst leben wanderung und zudem meistens ein genau entweder von der IS oder von einer der anderen geplanter Akt ist, gehört das Asylsuchen, Armeen oder Milizen rekrutiert zu werden. Ich das Flüchten, eher zu einer Handlung, die bin ja noch jung und kann kämpfen, aber ich will aus einer misslichen Lage heraus entsteht nicht kämpfen. Hätte ich mich geweigert, wäre und daraus vollzogen wird. Nun sind mil- ich getötet worden. Deswegen bin ich sofort nach lionenfach Asylsuchende nach Europa Abschluss meines Studiums geflohen.“ „Und was gewandert. Tausende stehen vor den Toren willst du nun in Deutschland machen?“, und möchten in sichere Länder fliehen. Die hake ich nach. „Ich möchte hier gern meinen Mehrheit der Asylsuchenden entflieht dem Masterabschluss machen und dann wieder zuKrieg im eigenen Land und hofft Frieden rückkehren und mein Land wieder aufbauen“, und Sicherheit in einem der europäischen bekam ich als Antwort. Länder zu finden. Sie suchen Schutz vor Mord. Sie suchen Schutz vor Gewalt. Sie Doch bis das möglich sein wird, möchte der suchen Sicherheit für ein freies Leben. junge Syrer in Deutschland arbeiten und er mache auch einfache Arbeiten. Ihnen Erfahrungen fällt die Decke auf den Kopf, habe ich den Ich sitze in einem Zimmer voller junger Eindruck. Es wird einstimmig genickt und Männer trinke Tee und versuche mich es herrscht ein kurzer Moment der Stille. mit Händen, Füßen und mit Hilfe des Es ist diese ungewisse Stille, die die Männer Smartphones zu verständigen. Zwei scheinbar zermürbt und in einen Trott der Männer verstehen Englisch, sie dienen Lustlosig- und Perspektivlosigkeit drängt. als Dolmetscher. Es muss gleichzeitig ins Obwohl Deutschland das Land der unbeKurdische, Türkische, Arabische und Farsi grenzten Möglichkeiten ist und sie genau übersetzt werden. Ich möchte herausfinden deswegen hierher gekommen sind, scheint was sie denken, wie sie nach Deutschland das Ungewisse sie zu lähmen. Das Neue, gekommen sind. Ich will diese Menschen, das Fremde macht ihnen Angst. Sie kennen deren Kultur und Sprache ich nicht kenne, sich hier nicht aus und in den Gesprächen verstehen. Vier der sechs Männer zeigen über ihre Zukunft merke ich, dass sie keine mir Fotos von ihren Frauen und Kindern. Vorstellung vom Leben in Deutschland Auf den Fotos sehen sie mit ihrer Fami- haben. Sie fühlen sich einsam in dieser lie glücklich aus. Stolz wird sichtbar und fremden und doch schönen Gegend, aber gleichzeitig schwingt die Unruhe mit, wann diese Männer zeigen es nicht offen. Nur wird es wohl soweit sein. Sie fragen mich, am Rande schwingt diese Unruhe mit. wie lang es normalerweise dauert, bis ein Warum sind nur Männer unterwegs? Aus Asylantrag genehmigt wird und wann sie Gründen des Schutzes. Diese Männer am ihre Familien wiedersehen können. Ich Tisch, die mich zu Tee und Essen eingeladen

haben, möchten ihre Frauen schützen und sicher nach Deutschland kommen lassen. Herr T. meint, dass es umgerechnet 8.000 Euro gekostet hat, um aus Afghanistan zu flüchten. Dafür habe er alles verkauft und auch von den Großeltern Geld bekommen. Für Frau und Kind hat das Geld einfach nicht mehr gereicht. Deswegen musste er alleine los. Seine neugeborene Tochter habe er noch nicht gesehen, seine Frau war noch schwanger als er ging. Trotzdem wird man schnell eingeladen zum Tee oder zum Essen zu bleiben. Alles wirkt freundlich und herzlich. Diese Männer kannten sich außerhalb Deutschlands nicht. Nun müssen sie hier gemeinsam in einem Zimmer warten, bis ihr Asylantrag bewilligt wird. Wann das sein wird, das weiß keiner. Bis dahin bleibt ihnen nur das gemeinsame Essen, Schlafen und das ewige Nichts-tun und die Langeweile. Doch eigentlich muss sich niemand in Deutschland langweilen, müsste man meinen. Es gibt genügend Ablenkung, wie Printmedien oder digitale Medien. Man muss ja noch nicht einmal das Haus verlassen, um Kontakt mit der Außenwelt zu haben. Doch auch inmitten einer feiernden Gruppe von Menschen kann man sich schnell einsam fühlen. Doch alleine sein und sich einsam fühlen ist nicht dasselbe. Man kann alleine sein und sich dennoch nicht einsam fühlen. Die Einsamkeit tötet und löscht einen irgendwann aus. Man wird erst zum Selbst im Kontakt mit anderen. Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen und der Mensch leidet, wenn sich kein anderer für Ihn interessiert und wenn er anderen Menschen nichts bedeuten. Auch die jungen Männer und Frauen in der Unterkunft waren in ihren Heimatländern unabhängig, hatten zum Teil eigene Häuser oder eine eigene Firma. Jetzt dürfen sie nichts ohne Genehmigung unternehmen. Wäre das Bedürfnis nach Gemeinschaft nicht so ein elementarer Bestandteil unseres Wesens, würden wir uns nicht so vor Isolation und Einsamkeit fürchten. Wer aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wird, der wird zur Unperson und hört auf, für die anderen zu existieren. Empathie ist unser


inneres Instrument, das uns ermöglicht am Leben und an den Erfahrungen anderer Menschen teilzuhaben.

Bild vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung betitelt. Genügend Zeit haben alle Asylanten, Zeit um sich Gedanken über das Leben zu machen, wie es später weitergehen soll. Doch die Ungewissheit, wann das eigentliche Leben weitergeht, ist das größte Hindernis. Das eigentliche Leben wird nicht dort weitergehen, wo es einst aufhörte. Dieses unbestimmte Stadium von Raum und Zeit können die wartenden Asylsuchenden nicht selbstständig aufheben und sind daher explizit auf externe Hilfe angewiesen. Diese Hilfe lähmt ihre Entscheidungskraft. Es lähmt den Willen Neues zu erlernen. Es lähmt die Motivation selbst aktiv zu werden. Nicht alle werden den Sprung in eine erfolgreiche Integration schaffen. Aus dem momentanen Alleine sein, weil Frau, Kind, Familie oder Freunde weit entfernt sind, wird eine langsame Einsamkeit, eine gewisse Leere im Inneren wachsen. Dies ist mitunter auch der Grund, warum einige wieder in ihr zerbombtes Heimatland zurückkehren. Dort hoffen sie ihre alten sozialen Kontakte wieder zu finden. Dort finden sie ihr zurückgelassenes Leben wieder, das erhofft man sich zumindest. Essen, Trinken, Schlafen und Umherlaufen und immer wieder das Handy in die Hand nehmen; sich vergewissern, dass Frau und Kind noch gesund sind. Doch während die einen nach Hause telefonieren, sind andere mit ihrer gesamten Familie nach Deutschland gekommen. Für Frau M. sieht ihr momentanes Leben erstaunlicherweise ganz anders aus. „Ich brauche Ruhe und Zeit für mich“, erzählt mir die junge syrische Frau M. im guten Englisch. „Du fühlst dich also nicht einsam“, entgegne ich Ihr. Irritiert schaut sie mich an: „Einsam, nein. Mir ist das hier manchmal zu viel. Ich muss mich um meinen kleinen Bruder kümmern und alle Entscheidungen treffen. Wohin sollen wir ziehen, wenn unser Asylantrag bearbeitet wurde? Und dann soll ich mir noch Gedanken

des Gespräches wird deutlich, dass für sie Deutschland das Land der Möglichkeiten ist. Ihre Mutter bestand darauf nach Europa, nach Deutschland zu kommen. Sie möchte eine bessere Zukunft für ihre Tochter. Sie lerne fleißig die neue Sprache, versorge ihre alten Eltern medizinisch, kümmere sich um ihren kleinen Bruder und dolmetsche immer wieder aus dem Englischen ins Arabische. Es bleibe kaum Zeit, über ihr eigenes Leben nach zu denken. Sie habe aber auch schon Freundschaften geknüpft, sei es außerhalb oder innerhalb der Notunterkunft. Nur so könne sie sich zumindest zeitweise dem organisatorischen Chaos entziehen. Gemeinsam alleine, geprägt von Einsamkeit? Jede Geschichte ist und bleibt einzigartig. In den Gesprächen wurde immer mehr deutlich, dass vor allem den jungen Asylsuchenden ähnliche Probleme plagen, wie den Jugendlichen hier in Deutschland. Die Frage nach der eigenen Identität, steht zentral im Leben. Wer bin ich, wo komme ich her und was macht mich aus? Äußeren Umständen wie Krieg, Terror, Verfolgung usw. kann man sich entgegenstellen. Doch was bleibt? Man bleibt nach wie vor Mensch mit menschlichen Bedürfnissen, ob aus Deutschland, aus Syrien, aus Eritrea, aus Afghanistan oder aus einem „sicheren“ Herkunftsland. Allgemein möchten die in Deutschland schutzsuchenden Menschen einfach nur Leben. Das ist der Konsens aller Gespräche.

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Tite lthe m a • Einsamkeit von Migranten

„Ist man denn zu Hause, nur weil man genug zum Essen hat und nicht mehr mit dem Tod bedroht wird?“, so oder so ähnlich war ein

machen, wie ich leben möchte. Wie treffe ich die richtige Entscheidung für meine Eltern, meinen Bruder und für mich?“ Im weiteren Verlauf

Johannes Freitag arbeitet als Koordinator für Asyl für die Gemeindeverwaltung in Niederdorf/Erz. Er studierte ev. Theologie in Elstal und absolviert derzeitig seinen Master in Religion und Psychotherapie an der ev. Hochschule Tabor. Er ist Mitglied im Lenkungsausschuss für den Erzgebirgskreis im Bereich Ausbildungs- und Arbeitsintegration.


+ Das wichtigste an meinem stationären Aufenthalt in der christlichen Klinik war die Gemeinschaft mit anderen Patienten. Die Therapie war hilfreich, aber die gemeinsamen Gebetszeiten und die Begegnungen mit anderen Christen, die auch Probleme haben, haben mir einen neuen Zugang zu mir selbst, zu anderen, aber auch zu Gott und zum Glauben eröffnet. In meiner Kirche zu Hause durfte nie jemand wissen, wie schlecht es mir ging – hier gehörte ich dazu und wurde angenommen, so wie ich bin.

„Die Kirche ist die einzige Armee, die ihre Verwundeten erschießt.“ Pfarrer M., 43, Burnout-Patient

Maike S., 52 Jahre, ein halbes Jahr nach dem stationären Therapieaufenthalt zur Behandlung einer Angststörung

In den 25 Jahren, in denen ich im •Kontext christlicher Gemeinden psycho-

Als unser Kind starb, war der Schmerz unerträglich. Unsere Geschwister [gemeint ist: Menschen aus der Gemeinde] haben uns da durchgetragen. In der Seelsorge: kein billiger Trost, sondern tiefes Mitgefühl. Und von anderen ganz praktische Hilfe im Alltag: Kinder hüten, wenn ich nicht mehr konnte, usw. Und das über Jahre. Ich weiß nicht, wie wir heute ohne sie dastünden. Eine verwaiste Mutter, 6 Jahre nach dem Tod ihres Kindes, das mit 4 Jahren an Leukämie starb

Es geht nicht ohne Differenzierung

Die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft und deren Einfluss auf die seelische Gesundheit wird unter diesen Voraussetzungen allerdings zu oft schwarzweiß, kontrovers diskutiert. Religiöse

Foto: LP12INCH / photocase.com

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therapeutisch tätig bin, habe ich unzählige flammende Zeugnisse für die positive Kraft verändernder Gemeinschaft gehört – und vermutlich ebenso viele traurige Geschichten von Verletzungen, Machtmissbrauch, Unterdrückung oder anderen Missbrauchserfahrungen. Ich habe miterlebt, wie Menschen in einer christlichen Gemeinschaft aufblühen, wie ihr Leben wieder Freude macht, und ich wurde Zeuge davon, wie christliche Gemeinschaften einen destruktiven und lebensfeindlichen Einfluss auf Einzelne ausübten. Ich kenne Beispiele von Personen, die sich vor dem sicheren Suizid gerettet fühlen, und von anderen, die in den Suizid getrieben wurden – alles im Kontext christlicher Gemeinschaft. Die psychotherapeutische Praxis zeigt ein Schlüsselloch auf die Gemeinde durch die Erfahrung der „Schwachen“, und diese Perspektive ist oft polarisiert. Es gibt beides: zutiefst verletzte und liebevoll geheilte Menschen.


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T ite l t he ma von Prof. Dr. Ulrich Giesekus

Christliche Glaubensgemeinschaften: Heilsames Miteinander oder Risikofaktor? Glaubensgemeinschaft und deren Einfluss auf die seelische Gesundheit werden oft schwarz-weiß, kontrovers diskutiert. Was stimmt?

Bekenntnisse sind oft „absolute Wahrhei- Eberhard Schaetzing geprägt und in den ten“, die mit völliger Gewissheit behauptet Fünfzigerjahren schnell zum Allgemeinund bei Angriff heftig verteidigt werden. gut der Psychiatrie und Psychotherapie1 . „Wer richtig glaubt, kann doch nicht see- Auch wenn Schaetzing sich spezifisch auf lisch krank sein. Vertrau auf den Herrn!“ einzelne Sexualstörungen bezog, die er Fallbeispiele toxischen Glaubens und als Auswirkungen einer lustfeindlichen Missbrauchsgeschichten werden ebenso religiösen Erziehung verstand, wurde der absolut als generell gültige Beweise mit Begriff bald unspezifisch für eine Vielzahl Wahrheitsanspruch vorgetragen. „Da von angeblich religiös begründeten Stöwird alles vertuscht. Denen geht es doch rungen verwendet. Abgesehen davon, dass nur um Mitgliederzahlen und die Kir- eine monokausale Neurosenlehre heute chensteuer“. unter keinen Umständen haltbar ist, ist In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die Gleichsetzung einer streng sexualfeinddie Psychotherapie ein eher schlechtes Bild lichen Erziehung mit der Zugehörigkeit von der ungesunden Wirkung christlicher zu einer Glaubensgemeinschaft (ekklesia: Gemeinschaft gezeichnet. Das mag daran Kirche) fraglich. liegen, dass Helfer durch die therapeutische Praxis oft mit seelisch gestörten Menschen Ein Problem bei der Auswertung der bekonfrontiert werden. Diese Wahrnehmung stehenden Forschungen ist jedoch, dass es ist aber negativ selektiv: Man erlebt häufig, keinen Konsens darüber gibt, wie „Spirituwie die religiöse Dimension nicht nur zur alität“ bzw. „Religiosität“ definiert wurde. Störung beigetragen hat, sondern von den So werden eine Vielzahl unterschiedlicher Patienten selbst auch zur Zementierung Konstrukte betrachtet: von einer allgelebensfeindlicher Einstellungen benutzt meinen inneren Einstellung, bei der es ein wird. Dass auch lebensfördernde Einstellun- „höheres Wesen“ geben kann, aber nicht gen durch religiöse Gemeinschaft gestützt muss (z. B. „Ich finde Wohlbefinden, Sinn werden, dass also die Glaubensgemeinschaft oder Orientierung durch Meditation“) von vielen gesunden Menschen als eine bis zu einer sehr spezifischen Religiosiwichtige Quelle ihres Wohlseins erlebt wird, tät, die sich in der Zugehörigkeit zu einer ist aus dem Blickwinkel des Behandlers von Glaubensgemeinschaft und in religiösen Kranken weniger sichtbar. Verhaltensmustern zeigt („Ich besuche Der Begriff „ekklesiogene Neurose“ wurde Gottesdienste und bete regelmäßig“). Es von dem Frauenarzt und Psychoanalytiker ist also möglich, z. B. die Liebe zur Natur

„Was man so aus dem Fernsehen und Zeitungen mitbekommt über sexuellen Missbrauch und so – also ich weiß nicht, ob ich meine Tochter auf diese Konfi-Freizeit mitfahren lasse.“ Sabine F., alleinerziehende Mutter einer Konfirmandin

als spirituelle Erfahrung zu sehen („Meine Kirche ist der Wald“) oder Religiosität am Bekenntnis zu einer Konfession zu messen. Es ist prinzipiell schwierig, zwischen den Einflüssen einer Glaubensgemeinschaft und der unmittelbaren Wirkung des dort propagierten persönlichen Glaubens zu trennen. Es gibt manche Äußerungen, aus denen hervorgeht, dass eine persönliche Spiritualität hilfreich ist, die kirchlichen Organisationen, die diese Spiritualität vertreten, dagegen nicht. Ob sich die Effekte des Glaubens von den Effekten einer Glaubensgemeinschaft sauber differenzieren lassen, wage ich zu bezweifeln. Religionsgemeinschaften sind selbstverständlich auch soziale Netzwerke wie andere Gruppen, Vereine oder Freundeskreise. Sie folgen den gleichen Gesetzen der Sozialpsychologie und haben die gleichen prinzipiellen Probleme. Intrigen in


der Ortsgruppe einer politischen Partei, dass es wichtige Bezugspersonen geben Mobbing im Hundezüchterverein oder muss, die die fehlenden gesunden ElternMachtmissbrauch im religiösen Kontext bindungen ausgleichen. Das sind häufig unterscheiden sich zuerst einmal nicht Mitglieder einer Glaubensgemeinschaft, prinzipiell. Allerdings geht es bei Glaubens- die in einer Art Großfamilie fehlende fafragen in der Regel um zentrale Fragen der miliäre Bindungen ersetzen können. Bei Identität und nicht nur um eine Freizeit- einer besonders gefährdeten Untergruppe beschäftigung, so dass religiös begründete dieser „Glück-im-Unglück“-Lebenskünstler Störungen vermutlich eine tiefere und gab es in der Teenagerzeit ernste Probleme, vor allem nachhaltigere Wirkung auf die aber als junge Erwachsene lebten sie ein Persönlichkeit haben. Die Erfahrung vieler gutes Leben. Werner stellt dazu fest: „Der Psychotherapeuten, dass religiös untermau- Beitritt zu einer Religionsgemeinschaft, die ihnen erte neurotische Einstellungen besonders Struktur, das Gefühl für Gemeinschaft und die hartnäckig und oft behandlungsresistent Gewissheit der Erlösung vermittelte, war für viele Jugendliche mit Problemen ein wichtiger sind, hat vermutlich hier ihre Gründe. Die einseitige Pathologisierung der Religi- Wendepunkt im Leben“ 3 . osität, z. B. durch wichtige Gründerperso- Die Zugehörigkeit zu einer Religionsnen der Psychotherapie, ist Vergangenheit. gemeinschaft ist also für viele Menschen Die gegenwärtige Gesundheitsforschung ein wichtiger Faktor seelischer Gesundschreibt religiösen Ressourcen einen hohen heit. Das gilt für viele Religionen mit der positiven Stellenwert zu. Inzwischen zeigen Einschränkung, dass angstbesetzte und die berühmten Therapeuten und viele streng restriktive religiöse Ausprägungen bekannte Forscher eine deutlich positivere die Glaubenspraxis zum Schadensfaktor Sicht religiöser Einflüsse. Maßgeblich für werden lassen. Tugenden wie Weisheit, Mut, diese neue Sichtweise sind vermutlich zum Gerechtigkeit, Liebe und Mäßigung – die in einen die Ergebnisse wissenschaftlicher religiösen Gemeinschaften vermittelt und Forschungen in verschiedenen Human- oft auch gelebt werden – helfen Menschen, wissenschaften, zum anderen die generelle gut zu leben 4 . Der Glaube selbst bietet Wende zur „positiven“ Forschung: Durch vielen Menschen offensichtlich emotionale die Beschäftigung mit gesunden, starken, Entlastung, moralische Orientierung, soziwiderstandsfähigen Menschen zeigen sich ale Unterstützung und die Möglichkeit, die die Ressourcen der Gesundheit noch deut- eigenen Lebensumstände positiv zu deuten. licher, als es in der „negativen“ Forschung „Um ein Kind glücklich zu machen, braucht geschieht. man ein ganzes Dorf “, sagt ein afrikanisches Sprichwort. Für viele Familien, die Christliche Gemeinschaft als in der Gründungsphase sind und mit ihren Kindern an den Rand ihrer Ressourcen Faktor seelischer Gesundheit Seit den Fünfzigerjahren gab es in der ge- kommen, ist eine christliche Gemeinschaft samten westlichen Welt unzählige empiri- das „Dorf “, das ihnen als soziales Netzwerk sche Untersuchungen, die zusammengefasst eine Art Großfamilie und Nachbarschaft ergeben: Religiös gläubige Menschen sind bietet. Veranstaltungen für bestimmte gesünder, glücklicher, leben länger und Gruppen – von der „Krabbelgruppe“ über haben weniger zwischenmenschliche Stö- die „Singlefreizeit“ und „Candlelightrungen als der Bevölkerungsdurchschnitt. Dinner“ bis zum „Seniorentreff “ – bieten So zeigt z. B. eine berühmte Studie der Austausch, Gemeinschaft und Information. amerikanischen Entwicklungspsychologin Jugendgruppen bieten Freundschaft und Emmy Werner 2 , die 550 Männer jahrelang Möglichkeiten für Zusammengehörigkeit, wissenschaftlich begleitet hat, dass es eine oft mit viel gesünderen Normen und weerhebliche Anzahl von Personen gibt, die niger Mobbing als die informelle Gruppe als sogenannte Risikokinder aufgewachsen (die Clique, mit der man „rumhängt“). sind und trotzdem rundherum lebenstüch- Jugendleiter und -leiterinnen sind oft konsttig werden. Ein Ergebnis dieser Studie ist, ruktive „Nebeneltern“, die einen prägenden

und positiven Einfluss haben können und das Vertrauen der Jugendlichen genießen, wenn die eigenen Eltern schwierig werden. Sexualaufklärung und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Erwachsenwerden findet oft auf sehr hohem fachlichen und menschlichen Niveau statt. Themen wie Essstörungen und Schönheitswahn, Porno und Sucht werden oft ohne erhobenen Zeigefinger bewusstgemacht. In vielen Bereichen christlicher Jugendarbeit besteht eine hohe Sensibilität dafür, dass eigene Werte und Überzeugungen nicht übergestülpt werden dürfen. Gerade dadurch werden Werte wie Respekt und Akzeptanz, Verantwortung und Gerechtigkeit gefördert. Neben den altersspezifischen Angeboten bieten kirchliche Gemeinschaften generationsübergreifende Beziehungsangebote, von denen alle Seiten profitieren können: Es gibt die „Leih-Oma“, die Kontakt mit Kindern pflegen kann, auch wenn die eigenen Enkel ein paar hundert Kilometer entfernt wohnen, oder den vaterlos aufwachsenden Teenager, der unterschiedliche Modelle für Männlichkeit erlebt. Kaum eine andere soziale Gemeinschaft ist so mehrgenerationen-orientiert. Die Fakten und der Ruf

Wie kommt es, dass christliche Gemeinschaft einen so viel schlechteren Ruf hat, als die Forschungsergebnisse es auch nur annäherungsweise nahe legen? Wissenschaftliche Untersuchungen müssten an sich zu dem Schluss kommen, dass eine aktive Teilnahme an einer christlichen Gemeinschaft zu dem Besten gehört, was ein Mensch für sich tun kann. Trotzdem sind die meisten Menschen (auch viele Christen) der Ansicht, es handele sich bei der christlichen Gemeinde um einen eher verkorksten Haufen weltfremder Spinner, die mit dem Leben nicht klarkommen. Für die Zugehörigkeit zu diesem Club sollte man sich dann eher schämen (was viele auch tatsächlich tun). Ein Grund für diese Einschätzung liegt sicherlich darin, dass die real existierende christliche Gemeinde mit einem unerreichbar perfekten, himmlischen Ideal verglichen wird. Und dann schlagen wir völlig zu Recht


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„Ohne die Hilfe unserer Gemeinde wäre ich immer noch die hilflose kodependente Ehefrau, und mein Mann wäre sicher immer noch der heimliche Alkoholiker. Seine Sucht war meine Schande, und durch erst die Gemeinschaft mit Christen habe ich begriffen, dass ich so o.k. bin, wie ich bin. Inzwischen sind wir wieder eine echte Familie. Ohne die Gemeinschaft und den Glauben hätten wir das nie geschafft.“ Frau H., 47 Jahre, inzwischen aktive Mitarbeiterin einer Selbsthilfegruppe für Ehepartner von Alkoholabhängigen

sehr individuell für eine betroffene Person schädlich sein können. Beispiel: Ein von den Eltern vernachlässigter junger Mann, der mit exzessivem Alkoholkonsum und impulsivem Sexualleben seine Beziehungen zerstört und weder in der Freizeit noch im Beruf zurechtkommt, findet sich in einer christlichen Gemeinschaft 5 wieder. Er begegnet dort strengen und klaren Regeln und beginnt sich eine persönliche Disziplin aufzuerlegen. Davon profitiert er – zum ersten Mal in seinem Leben gibt es klare Vorstellungen von Gut und Böse, und auch wenn er diesen Vorstellungen nicht immer entspricht, bleibt er trotzdem akzeptiert. Ein Schwerpunkt auf strengen Moralvorstellungen würde einem eng-fromm erzogenen gleichaltrigen Mann mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstruktur eher schaden und möglicherweise zu Versündigungsängsten führen. Was für den einen gut ist, kann also für einen anderen auch schlecht sein. Eine „Passung“ von Persönlichkeitsstruktur und Gemeinschaftsstil findet in der Regel dadurch statt, dass Gläubige sich ihre Gemeinschaft selbst aussuchen. Wenn jedoch, z. B. durch familiären Druck, ein starker äußerer Zwang ausgeübt wird, bekommt der Wechsel in eine andere Gemeinde den Charakter eines Hochverrats. Familiäre Ächtung, ständige Konfrontation oder Konflikte sind absehbar. In diesen Situationen braucht es viel Mut und Stärke, sich den krankmachenden

Gemeinde als Risikofaktor

Dass im Kontext religiöser Gemeinschaften oft lebensfremde und persönlichkeitsfeindliche Einstellung kultiviert werden, ist unbestreitbar. Zu den häufigen Beobachtungen in der klinischen Praxis gehören nicht nur Beziehungen, die man als „religiösen Missbrauch“ bezeichnen muss, sondern ganz allgemein Einflüsse, die oft

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Tite lthe m a Christliche Glaubensgemeinschaften

die Hände über dem Kopf zusammen: Die Liebe regiert nicht die Beziehungen, die unterschiedlichen Begabungen werden nicht immer bedingungslos wertschätzend angenommen und ihre Vielfalt als Schatz angesehen, Entscheidungen fallen nicht immer nach den Machtstrukturen, die Jesus vorgibt („Wer herrschen will, diene allen“), und die Freude über das ewige Leben scheint oft eher verkrampft den Neid über den Spaß der Anderen zu verdecken. Man könnte die christliche Gemeinde jedoch auch einmal mit anderen menschlichen Gruppen vergleichen. Wenn die … • Intrigen und Machtspiele in der Gemeinde schlimmer sind als in einer politischen Partei, • die Kleinkrämerei penetranter als im Schrebergartenverein, • die Falschheit der Freundlichkeiten den Gebrauchtwagenhändler noch übertrifft, • die Lebensfreude so künstlich und abhängig vom Blutalkoholspiegel ist wie im Karnevalsverein, • das Regelbewusstsein so erdrückend ist wie in einer Wohnungseigentümerversammlung, • das Hinten-herum-Gerede dem dörflichen Frisörsalon Konkurrenz macht, • Konkurrenz und Rivalitäten schlimmer sind als im Tennisclub, • die Informationen, die im Jugendkreis zum Thema Sex weitergegeben werden, nicht über dem Niveau von „Bravo“ oder den Nachmittagstalkshows bei einem TVPrivatsender liegen • und die Annahme von Menschen unterschiedlicher Begabungen unabhängig von ihrer Leistung wirklich nicht besser ist als in einer durchschnittlichen deutschen Schule … dann sollte man die Gemeinde wechseln. Es gibt andere, bessere.

Einflüssen zu entziehen. Oft sind es nicht nur die christlichen Glaubensgemeinschaften, sondern familiäre Systeme, die einen völlig überzogenen Loyalitätsanspruch zu einer Glaubensgemeinschaft oder sogar zu einer bestimmten Strömung innerhalb einer solchen erzwingen. Was Missbrauch fördert

In allen sozialen Systemen gibt es ein Potenzial für Ausbeutung, Mobbing oder Machtmissbrauch. In christlichen Gemeinden gibt es jedoch oft eine verhängnisvolle Mischung von Bedingungen, die Missbrauch fördern. Dazu gehört eine hohe Vertrauensbereitschaft, die in dem Bewusstsein wurzelt, bekennende Gläubige müssten auch immer integer und vertrauenswürdig sein. In den über dreißig Jahren, in denen ich ehrenamtlich im Raum der Kirchen mit Jugendlichen tätig bin – auf Sommerfreizeiten, Wochenenden, mit Musikteams oder in der persönlichen Seelsorge – bin ich noch niemals um ein polizeiliches Führungszeugnis gebeten worden, musste ich nie eine Selbstverpflichtung unterschreiben. Als unsere Tochter eine Jugendfreizeit der Arbeiterwohlfahrt betreute, war das so ziemlich das Erste, was dort angefragt wurde. In religiösen Kontexten gibt es oft eine Naivität, die unausgesprochen davon ausgeht, dass „so etwas bei uns nicht passiert“. Diese Vertrauensseligkeit öffnet Tätern Tür und Tor.


Prof. Dr. Ulrich Giesekus geboren 1957, hat einen Ph.D. in Psychology, ist klinischer Psychologe in freier Praxis und Inhaber des Lehrstuhls für Psychologie und Counseling an der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL)

Anmerkung

Dieser Artikel erschien zuerst in P&S Magazin für Psychotherapie und Seelsorge, SCM Bundes-Verlag, Witten, Heft 1/2014. Der Beitrag ist eine gekürzte und bearbeitete Fassung seines Artikels in Jürgen Armbruster et al.: Spiritualität und seelische Gesundheit, Psychiatrie Verlag, Köln 2013. Fußnoten Eberhard Schaetzing: Die ekklesiogenen Neurosen, in: Wege zum Menschen, 7, 1955, S. 97 – 108. 2 Werner, Emmy, in: Margherita Zander (Hg.): Handbuch Resilienzförderung, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011. 3 Werner, Emmy, a.a.O. 4 Martin E.P. Seligman: Der GlücksFaktor. Warum Optimisten länger leben, München 2003 5 Im konkreten Fall waren das die „Jesus Freaks“, eine christliche Jugendkultur mit sehr unkonventionellen Umgangsformen, aber klaren moralischen Regeln (z. B. der Forderung nach sexueller Abstinenz außerhalb der Ehe). 6 Viele Impulse für diese Absätze verdanke ich Inge Tempelmann, vgl.: Inge Tempelmann: Geistlicher Missbrauch. Ein Handbuch für Betroffene und Berater, SCM R. Brockhaus, Witten 2007ff. 1

Leseempfehlungen Ulrich Giesekus: Glaub dich nicht krank. Befreites Christsein leben, SCM Hänssler, Holzgerlingen 2012 • Ronald Grossarth-Maticek: Autonomietraining, Gesundheit udn Problemlösung durch Anregung der Selbstregulation, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2000 • Ronald Grossarth-Maticek: Systemische Epidemiologie und präventive Verhaltensmedizin chronischer Erkrankungen. Strategien zur Erhaltung der Gesundheit, Walter de Gruyter, Berlin/ New York 1999 •

Foto: LP12INCH / photocase.com

Ein weiterer Aspekt, der Missbrauch eher • Sexualgestörte Täter suchen sich ihre begünstigt, ist die fehlende Wahrnehmung Tätigkeitsbereiche bewusst oder unbeder Realität solcher Ereignisse bzw. ein wusst so, dass sie ihren sexuellen Impulsen ausgeprägter Widerstand gegen die Kennt- nachgehen können (z. B. Jugendarbeit bei nisnahme. „Was nicht wahr sein darf, gibt es Pädophilie, Rotlichtmilieu bei Sexsucht). auch nicht.“ Diese Atmosphäre begünstigt Sie sind Wiederholungstäter und müssen das Schweigen der Opfer („Mir glaubt eh lebenslange Fernhaltung von den Opferniemand“) und trägt so zur Tabuisierung gruppen praktizieren. von Missbrauchsverhalten bei – wie auch • Überforderte Täter sind getrieben zum Schutz der Täter auf Kosten der Opfer. vom Ohnmachtsgefühl. Ihr Machtgebaren Nicht zuletzt sind Täter oft auch Perso- ist ihnen oft nicht bewusst und kommt nen, die ihr eigenes destruktives Potenzial aus der Angst vor eigenem Scheitern. Sie kennen und fürchten – und im kirchlichen fühlen sich als Opfer des Systems und Kontext eigentlich „Heilung“ erwarten. rechtfertigen die Ausbeutung anderer mit Das mag ein Selbstbetrug sein, der teilweise der Notwendigkeit. Sie respektieren weder auch durch entsprechende Suggestionen ge- eigene noch andere Grenzen. fördert wird. Dass diese „Heilungswünsche“ Es gibt wohl so viele Täterprofile, wie es die Täter nicht davon abhalten, in der Kir- Täter gibt. Und es gibt so viele Opferprofile, che gleichzeitig einen idealen Ausübungsort wie es Opfer gibt. Viele der religiös geschäfür Missbrauch zu suchen, entspricht der digten Menschen sind weder Täter noch gestörten Persönlichkeitsstruktur vieler Opfer, sondern leben freiwillig in einem Täter, die ihren aggressiven oder sexuellen sozialen Umfeld, das ihre Persönlichkeit Impulsen mit Abspaltung begegnen. Mit nicht entfaltet, sondern unterdrückt. Es anderen Worten: Sie kennen verschiedene, gibt Menschen, die unter dem Eindruck im Bewusstsein stark voneinander getrennte einer gesetzlichen Verkündigung, aus Angst emotionale Zustände. Ein Doppelleben vor einem strafenden und heiligen Gott wird von ihnen selbst oft nicht als solches oder aus selbstgerechter Zwanghaftigkeit wahrgenommen: „Ich bereue zutiefst und in einer christlichen Gemeinschaft eine aufrichtig, tue Buße und nehme Verge- ständige Verstärkung ihrer Störungen und bung in Anspruch, und ab jetzt passiert Symptome erreichen. Dass sie sich diesen das nie wieder“ und „Man gönnt sich ja Einflüssen nicht entziehen und eine für sonst nichts, andere machen das ja auch…“ sie gesündere soziale Umgebung suchen, wechseln sich ab. liegt oft an der Verabsolutierung religiöser Auch im religiösen Kontext gibt es unter- Überzeugungen, die das Nachdenken über schiedliche Täterprofile des Missbrauchs, Alternativen verbietet. von denen ich einige beispielhaft nennen Dennoch: Die weitaus meisten Menschen möchte 6 : erleben in einer christlichen Gemeinschaft • Narzisstische Täter sind fest davon ein soziales Netzwerk, in dem sie eingeüberzeugt, besonders, auserwählt, berech- bunden sind. Sie erleben dort Trost im tigt zu sein. Sie wenden ethische Regeln Leid, eine Basis für Freundschaften und auf andere, aber nicht auf sich selbst an. Gemeinschaft, Lebenssinn und Hoffnung Sie delegieren „niedrige“ Arbeiten, brau- für ein Leben danach. Und oft sind es die chen „Jünger“ und Bewunderer, und sind ganz banalen Alltagsdinge, in denen sich kritikunfähig. christliche Gemeinden nicht prinzipiell • Hysterische Täter sind emotional be- von anderen Freundeskreisen unterscheistimmt, impulsiv und inkonsequent. Das den: jemand zu haben, der am Umzugstag Leben ist ein großes Theater. Sie sind über- einen Eintopf vorbeibringt und von dem zeugt, dass ihre Emotionen die einzige Rea- man sich ein Auto ausleihen kann, wenn lität sind, die es gibt. Sie sind oft sehr char- das eigene kaputt ist. mant, und besonders bei Menschen in der Distanz sehr beliebt. Sie gewinnen Macht durch Gruppendynamik und Suggestion.


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Ti telthema • Christliche Glaubensgemeinschaften


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Tite lthe m a Von Rainer Oberbillig und ehemaligen Patienten

Auf Hochtouren

Jeder Mensch weiß, dass Rauchen ungesund ist und nicht gut tut … Ist ja auch so! Wenn man aber schon „falsch gepolt“ ist und so viele Probleme hat, ist es oft ein gutes Mittel für die persönliche Auszeit (zumindest denkt man das). Hat man gerade eine Heilmethode für die vielen Probleme genehmigt bekommen und fährt zur erholsamen Reha-Kur, ist der Weg zum Entzug doch eigentlich ganz einfach vorgegeben … Nicht so bei mir!

Das Glückslos fiel für mich auf einen Aufenthalt in der de’ignis-Klinik in Altensteig im August 2014. Am Einführungstag wurde mir u. a. eine einsame, aber nett ausgestattete Raucherecke mit gerümpfter Nase vorgestellt. Sie war gerade mit zwei Personen besetzt, die freundlich grüßten. Für mich war das fortan ein gängiger Platz, der manchmal mehr, manchmal weniger Gäste hatte. Eine ehemalige Patientengruppe aus der stationären Irgendwann kamen in jeder Pause viele andere Therapie berichtet von ihren Erfahrungen. „Problem-Menschen“ dazu und nach kurzer Zeit waren es nicht mehr nur Raucher, sondern auch viele Nichtraucher. Wir wurden ein richtig „bunter Haufen“ mit vielen Problemen aber auch kreativen Immer wieder berichten uns Gäste aus • „Jeder weiß, wovon ich spreche in Energien. Die Freude aneinander und der Spaß, der stationären medizinischen Rehabilita- meiner Kleingruppe, ich brauche keine lang- der sich dazugesellte, machte allen Beteiligten tion, dass die Gemeinschaft untereinander – atmigen Erklärungen, wie es mir gerade das Leben für diese Momente leichter. das „Connecting“ oder Seelenberührung – geht.“ für sie das entscheidende Medium oder Die wertschätzende und liebevolle Betreuung in wichtig(st)er Schlüssel zur Genesung war. Der folgende Erfahrungsbericht betrifft der Klinik hat natürlich ein Übriges in unserem So halten Ehemalige häufig auch noch eine Gruppe von Menschen aus Nord und Leben bewirkt: Wir liefen so manches Mal derart nach Monaten oder sogar Jahren anhaltend Süd, West und Ost der Bundesrepublik zu Hochtouren auf, dass sogar die Nachbarschaft regelmäßigen Kontakt zueinander; dies Deutschland. Sie haben sich getroffen in sich über so viel nächtliche Fröhlichkeit gestört können Zweier-Gruppen sein, die sich der „Raucherecke“ und sich deswegen zu- fühlte. Immer öfter saßen auch die Nichtraucher besonders intensiv gefunden haben oder nächst die (einmalige) „Rauchergruppe“ bei uns. Diese Gemeinschaft/Gemeinsamkeit eine Gruppe Gleichgesinnter, die sich nach genannt. Wie bekannt sind Raucher in hat bei vielen von uns herzliche Verbindungen Art einer Selbsthilfegruppe in Abständen Reha-Kliniken sowieso als kommunikativ hinterlassen, die wir heute zum Teil noch pflegen. kontaktiert oder an einem Ort getroffen untereinander angesehen, allerdings häufig So hat sich unsere What’s-App-Gruppe „Heidis’ haben. Berichte aus diesen „Meetings“ stim- eher als Nachrichtenbörse betrachtet denn Esszimmerrunde“ entwickelt und wir sind fünf men überein in folgenden Feststellungen: als Gruppe mit tiefem Austausch über Personen, die sich heute noch zwei- bis dreimal im • Die gemeinsame Zeit der Wiederher- Lebensthemen. Jahr treffen. Dafür reisten zweimal drei Personen stellung aus tiefen Lebenskrisen verband Aber was sich einmal in der Klinik anbahnte, aus Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen stärker miteinander wie andere auch hilf- scheint mir bei dieser „Gruppe“ doch etwas und Sachsen in den Schwarzwald zu den anderen reiche und inspirierende Begegnungen, die Besonderes zu sein. Ich werde im Folgenden beiden; einmal ging es von Süden nach Nordosten. sie vorher gemacht hatten über meine Kontaktperson zur What’s- Das ist allen das Wiedersehen wert! • Das Zusammentreffen in geschützter App-Gruppe „Heidis’ Esszimmerrunde“ Danke an de’ignis in Altensteig! Ihre WertschätUmgebung mit „seinesgleichen“ machte die Berichte einzelner aus dem „Ensemble“, zung und Hilfe hat uns allen gut getan. es rasch möglich, sich weitgehend ohne stellvertretend für die anderen, in möglichst ‚Masken‘ auszutauschen unverfälschter Form weitergeben.

Beziehungstiefe durch gemeinsame Leidbewältigung.

Seite 38: Oliver Hoffmann / istockphoto.com

Seite 39: Jürgen Wackenhut / istockphoto.com


Was mich bewogen hat, an das Redaktionsteam des de’ignisMagazin heranzutreten

ist es ein starkes Bedürfnis, „Danke“ zu •sagen.MirDanke für diese unglaublich bereichernde Zeit, zwar oft schmerzlich, mit viel innerer Arbeit und Tränen behaftet – aber auch Zeit des Lachens, Genuss der leckeren Mahlzeiten, der schönen „tipptopp“ sauberen Zimmer, dem Garten, der Morgenandachten und vieles mehr. Ja und danke auch für die Raucherecke. Dort nahm alles seinen Anfang … Anfangs etwas scheu konnten wir uns doch einander gegenüber mehr und mehr öffnen in dieser geschützten Umgebung. Völlig unterschiedliche Menschen mit viel Schmerz und Erfahrungen aus verschiedenen Bundesländern mit fremden Dialekten und Talenten. Wir konnten völlig frei gemeinsam „Blödsinn“ reden, uns gegenseitig Rat geben, lachen, weinen, beten oder auch einfach nur schweigen. Wir durften und konnten authentisch sein ohne das Gefühl zu haben, uns „erklären“ zu müssen. Dies haben wohl auch andere Mitpatienten gespürt. So gibt es Fotos, da war die Raucherecke überfüllt und nicht jeder konnte einen Sitzplatz bekommen, vor allem wenn einer aus unserer Gruppe Gitarre gespielt hat und wir dazu gesungen haben oder zum Teil ins Tanzen kamen. Kein Mensch hätte uns in diesen Zeiten geglaubt, dass wir an Depressionen leiden! Ja – daraus entstand dann unsere „Raucher-Therapie-Gruppe“, die heute noch besteht. Wir haben uns seit Spätsommer 2014 bisher getroffen bei unserem begnadeten Musiker im Badischen, bei mir daheim im Schwarzwald und letzten Sommer dann in Leipzig. Auch ein nächstes Treffen ist schon geplant für das Frühjahr, wieder bei mir im Schwarzwald. Außerdem haben wir eine „What’sApp-Gruppe“ eingerichtet und telefonieren öfter und dann auch meist lange miteinander, was uns ermutigt und stärkt. Gott hat Wunderbares in uns bewirkt! Mit diesem Bericht möchte ich ganz einfach allen ehemaligen, derzeitigen und zukünftigen Patienten Mut machen: Lasst euch „ungeschminkt“ aufeinander ein, sucht euch „Lieblingsmenschen“ und die anhaltende Gemeinschaft mit ihnen. Es lohnt sich!

Was für eine Wohltat

Endlich nach einem Widerspruch bei der Rentenversicherung und anderen Schwierigkeiten war es soweit: Ich konnte zur Reha nach Altensteig. Ich hatte mich sozial sehr zurückgezogen und fürchtete mich schon vor den vielen Menschen und vor den Kontakten, die ich dort zwangsläufig knüpfen müsste; so zog ich mich auch anfangs sehr zurück. Ich weiß Rauchen ist kein guter Anlass, aber aufgrund meiner Sucht musste ich ja die Raucherecke aufsuchen und traf dort auf einen Menschen, mit dem ich mich so vertraut fühlte, als würden wir uns schon immer kennen. So verlegte ich meine Handarbeit raus aus dem Zimmer in die Raucherecke. Es kamen andere nach, mehr und mehr und auch Nichtraucher hinzu; wir verstanden uns auf Anhieb und es wurde gelacht und geweint, getanzt und gesungen. Ich fühlte mich als kein besonders gläubiger oder „guter“ Christ, da mir dieses auch von anderer Seite öfters so gesagt wurde. Durch die wunderbaren Morgenandachten und Therapien wurde das für mich leidige Thema schon aufgeweicht. In unserer Rauchergruppe konnte ich ohne jedes Wort zu überlegen reden, ohne Angst haben zu müssen, gerade nicht besonders „christlich“ geklungen zu haben. Niemand zweifelte an meinem Glauben: Was für eine Wohltat! So kam es, dass ich für eine andere aus der Rauchergruppe beten sollte. Ich bat mir Bedenkzeit aus, zu tief saß noch die Sorge, nicht wert genug zu sein, für jemand beten zu dürfen. In dieser Bedenkzeit begegnete ich Gott in solcher Nähe und Intensität, wie ich sie nur ganz selten erlebt hatte. Ich erkannte endlich, wie wertvoll ich für Gott bin und wie sehr er mich liebt. Ich war wirklich erschüttert und so dankbar, das Gebet selbst war auch wunderbar und ich fühlte mich Gott wieder nah. Auch nach Altensteig halten wir weiterhin Kontakt zueinander, telefonieren und besuchen uns über viele Kilometer hinweg. Ich bin sehr glücklich in dieser Gemeinschaft, in der man sich auch ohne viele Worte versteht. Ich bin auch dankbar für die wirklich engagierten, am einzelnen Menschen interessierten Mitarbeiter in Altensteig. Und ich hoffe, dass diese hohe Qualität erhalten werden kann!


Modelle fĂźr gemeinschaftliches Leben im 21. Jahrhundert Was ist nĂśtig damit Gemenschaft im 21. Jahrhundert gelebt werden und gelingen kann? Es gibt viele Fragen, viele Themen, viel zu tun. Dabei ist Gemeinschaft wie ein Land, das erkundet und erobert werden muss. Bereiten wir uns vor und brechen wir auf in dieses Land, das uns so viel zu bieten hat.

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Ti telth e m a von Astrid Eichler


landet auf der Erde •undEinlerntMarsmensch alles, was es über den Planeten und seine Bewohner zu erfahren gibt. Es ist wohl Hamburg, wo ihm alles gezeigt wird. Unter anderem auch der Zoo. Er lernt alles über die Tiere und vor allem die Säugetiere haben es ihm angetan. Er sieht wie sie in ihren Käfigen zusammen sind, spielen, kuscheln, streiten. Er lernt, dass auch der Mensch ein Säugetier ist. Später kommt er in eine Hochhaussiedlung. Er sieht die vielen kleinen Wohnungen und stellt fest: „So viele

Foto: John Dow / photocase.com

Säugetiere – in nicht artgerechter Haltung!“ (vgl. Wolfgang Paetzold, Teflonherz und Liebesgier).

Biologie und Theologie kommen zu derselben Erkenntnis: „Es ist nicht gut, wenn der Mensch allein ist.“ (Genesis 2,18) Es entspricht ihm nicht. Es bekommt ihm nicht. Es tut ihm nicht gut. Und doch leben so viele Menschen allein. Je länger je mehr habe ich den Eindruck, dass wir es hier vor allem mit einem kulturellen Problem zu tun haben … und mit einem Wohlstandsproblem. Wir können es uns leisten, dass jede/r seinen/ ihren Extrakäfig hat. Schon in dem, wie viele Menschen sich ausdrücken fällt es mir auf. Immer wieder höre ich von den Alternativen: „Entweder ich heirate noch oder ich bleibe eben allein.“ Sind das wirklich die Alternativen? Warum heißt unverheiratet sein meistens auch allein sein? Es ist nicht gut … es entspricht uns nicht, es bekommt uns nicht. Und warum ist die „bürgerliche Kleinfamilie“ für viele schon genug? Gerade unter Christen müsste doch bekannt und bewusst sein, dass es dieses Lebensmodell in der biblischen Zeit und weit darüber hinaus so nicht gegeben hat. Die Kirchengeschichte ist geprägt von einer Fülle verschiedener gemeinschaftlicher Lebensformen. Es waren Lebensgemeinschaften, die Europa geprägt haben. Die Orden und Klöster haben Land urbar gemacht, Landwirtschaft gegründet, Bildung geschaffen, Kultur geprägt. Fehlentwicklungen und Missstände im Mittelalter dürfen uns nicht vergessen lassen, welche Kraftwerke gesellschaftlicher Entwicklung in den Klöstern gegeben waren. Die Beginen und Begardenhäuser (männlich auch Lollarden oder Lollharden genannt) oder -höfe waren andere kraftvolle Orte

im Mittelalter. Seit dem 12. Jahrhundert lebendig sind. Einzelne Diakonissenhäuser, hatten sich diese christlichen Gemein- die noch Kraft für eine andere Zukunft in schaften zunächst in den Niederlanden, sich tragen. Einzelne Kommunitäten, die dann auch in Deutschland, Frankreich, nicht von Nachwuchssorgen geprägt sind. Oberitalien und in der Schweiz gebildet. Ist die Kraft gemeinschaftlichen Lebens Hier wollten vor allem Frauen aber auch erloschen? Entspricht das alles nicht dem Männer unabhängig von Herkunft und postmodernen Menschen? Was bedeutet Stand ein Leben in der Nachfolge Christi das für das 21. Jahrhundert? gemeinschaftlich gestalten. Sie verzichteten Es ist nicht gut, dass der Mensch allein auf persönlichen Besitz, lebten in Hausge- ist – und doch werden es immer mehr, meinschaften und verdienten sich ihren die nicht nur allein sind, sondern unter Lebensunterhalt durch ihrer Hände Arbeit. Einsamkeit leiden. Sie hatten kein Gelübde auf Lebenszeit und Die Psychologin Eva Wlodarek hat 2015 konnten die Gemeinschaften jeweils nach ein Buch herausgegeben mit dem schlichten einem Jahr wieder verlassen. Es verwundert Titel „Einsam“. Gleich am Anfang schreibt nicht, dass in der Blütezeit der Beginen vor sie: „Wer sich einsam fühlt befindet sich in bester allem Frauen über vierzig und deutlich älter Gesellschaft. Wissenschaftliche Untersuchungen in den Beginenhäusern und – höfen lebten. belegen, dass Einsame keine einheitliche Gruppe Oder schauen wir ins 19. Jahrhundert. sind. Man findet sie in sämtlichen sozialen MiTheodor Fliedner erkannte die Not in lieus und in allen Altersstufen.“ (Eva Wlodarek der Krankenpflege und die großen Schwie- „Einsam“, Seite 9). Sie unterscheidet zwischen rigkeiten, denen unverheiratete Frauen dem „Fakt“ des Alleinseins, denn immer ausgesetzt waren. Aus der Wahrnehmung wieder gibt es kürzere oder längere Zeiten, dieser Nöte wurde eine nachhaltige Hilfe in denen wir allein sind und dem „Gefühl“ entwickelt. Fliedner gründete gemeinsam der Einsamkeit, das sich quälend auf unmit seiner Frau in Kaiserswerth das erste sere Seele legt und das sich am besten in Diakonissenhaus. Es entstand eine welt- Bildern beschreiben lässt. „Wir fühlen uns weite Bewegung mit unzähligen Diakonis- wie ein verlassenes Kind. Wir stecken in einem senhäusern in Landes- und in Freikirchen. tiefen schwarzen Loch. Wir sitzen in einem Gemeinsamer Dienst an Kranken und Gefängnis, aus dem es keinen Ausweg gibt. GleichSchwachen verband sich mit gemeinsa- zeitig denken wir: Keiner liebt mich. Keinem bin ich wirklich wichtig. Nichts macht mir Freude.“ mem Leben. Im 20. Jahrhundert sehen wir wiederum (Eva Wlodarek „Einsam“, Seite 10) eine neue Etappe. Aus den alten Wurzeln Dieses Gefühl ist unabhängig davon, ob des Ordenswesens entstanden in verschie- wir gerade Menschen um uns haben oder denen kleinen Wellen vielfältige Formen nicht. Einsamkeit ist nicht zwangsläufig gemeinschaftlichen Lebens. Jeweils nach ans Alleinsein gekoppelt. Aber natürlich dem 1. und dem 2. Weltkrieg, aber auch bricht das Gefühl von Einsamkeit veraus den Unruhen der 68er Jahre heraus stärkt im Alleinsein auf und kann jegliche wurden Kommunitäten1 gegründet. Ge- Lebensenergie absaugen. Das Auffällige am meinschaften, die sehr verschieden aussehen Phänomen der Einsamkeit ist, dass man und leben, in denen aber überall etwas nicht darüber spricht. Irgendwie ist ein deutlich wird von der heilenden Kraft, die Makel damit verbunden. „Wenn Du einsam Gemeinschaft in sich trägt. Viele wissen bist, dann muss doch was mit dir nicht stimmen.“ davon zu berichten. Wer sich umschaut, (vgl. Eva Wlodarek „Einsam“, Seite 11) nimmt wahr, dass die Blütezeit der auf- Diese Blockade macht die Einsamen noch gezählten Lebensformen vorbei ist. Da einsamer. Einsamkeit ist ein Tabu. Woldarek gibt es nicht mehr große Blumenbeete mit will dazu helfen aus diesem Tabu aufzubreeiner unzähligen Vielfalt bunter, kräftiger chen. Denn Einsamkeit hat zerstörerische Blüten, in denen ständig Neues aufsprießt. Kräfte in sich. Da gibt es hier und da einzelne Blüten, die Der Neurobiologe Professor Dr. Dr. Gerald zeigen, was es mal gab. Einzelne Klöster, die Hüther kommt in seinem Buch „Etwas mehr


Hirn, bitte“ zu erstaunlichen Aussagen:

des 21. Jahrhunderts – die Vielfalt der Möglichkeiten und Modelle. Darum geht es z. B. in unserem Netzwerk für Lebenssucher und Zusammenfinder, Alleinleber und Gemeinschaftsmenschen (www.emwag.net). Wir wollen bewusst machen, dass wir vielfältige Formen von Gemeinschaft brauchen, um dem Sog der Einsamkeit zu widerstehen und dass es diese vielfältigen Formen auch gibt.

„ … was Menschen brauchen, damit sie den Mut finden, sich selbst auf den Weg zu machen, um all das, was in ihnen als Potential verborgen ist, schrittweise entfalten zu können: Sie brauchen dazu andere Menschen, und zwar in Form kleiner Gemeinschaften, entweder zu Hause, in der Nachbarschaft oder an ihren Ausbildungs- oder Arbeitsstätten. Und das müssen Gemeinschaften sein, deren Mitglieder einander einladen, ermutigen und inspirieren …“ Hüther spricht von „Gemeinschaft beginnt nicht mit Häusern, sondern Potenzialentfaltungsgemeinschaften und mit Herzen“ heißt es am Beginn eines Films „Leben ist davon überzeugt, dass es diese in der in Gemeinschaft“ (www.leben-in-gemeinschaft.ch)

Zukunft immer mehr brauchen wird – für Beginnen wir doch dort wo wir sind, dort das Glück der einzelnen, aber auch für die wo wir schon mit anderen verbunden sind, gesellschaftliche Entwicklung. das „Mehr“ an Gemeinschaft zu gestalten. Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist – Fangen wir nicht gleich mit den Häusern an aber reicht das Erleben, Empfinden und … und verschieben wir das gemeinschaftliche Erleiden von Einsamkeit aus, um Gemein- Leben nicht aufs Alter. „Früh übt sich, wer schaft zu leben? Bei den älteren Formen ein Meister werden will.“ Das gilt auch gemeinschaftlichen Lebens fällt auf, dass hier. Meister für Gemeinschaft müssen sie alle „irgendwie“ mit einer Berufung und üben. Gemeinschaft entsteht nicht von einem Dienst verbunden waren. Heute selbst. Gemeinschaft braucht bewusste leben die Menschen ihren Beruf völlig Gestaltungsarbeit. unabhängig von ihrer Lebensform und viele Wir sprechen gern von Hardware und Menschen werden noch einsamer, weil der Software. Menschen, die sich nach (mehr) Beruf sie völlig auffrisst. Gemeinschaft sehnen, beginnen oft mit Früher hatten vor allem Frauen weithin der Suche nach einem Haus oder der Ingar keine Möglichkeit, einen Beruf allein vestition in eins. Immer wieder hören wir auszuüben. Sie konnten es gar nicht ohne von Gemeinschaften, die sich über Jahre eine tragende Gemeinschaft. Das ist heute investiert haben in die Entwicklung eines ganz anders. Gerade die Anforderungen gemeinsamen Wohnprojektes. Doch wenn und Überforderungen im Beruf machen es dann so weit ist, dass sie in das Haus einMenschen, Männer und Frauen, zuneh- gezogen sind, dann wohnen sie zusammen. mend einsam. Dagegen ist auch die Familie Aber das ist noch nicht Gemeinschaft. Die kein automatischer Schutz. Software muss entwickelt werden. Und im Blick aufs Alter haben viele Angst, Immer wieder werden wir gefragt, was denn dass dann, wenn der Beruf sie nicht mehr nötig ist, damit Gemeinschaft gelebt werden rausholt aus ihrem Käfig, sie im Meer der und gelingen kann. Dazu wurde mir immer Einsamkeit ertrinken. deutlicher, wie sehr es Menschen braucht, Viele träumen von Mehrgenerationenhäu- die bereit sind, sich selbst wahrzunehmen sern. Ist das nicht das gemeinschaftliche und zu reflektieren. Es geht darum, offen Lebensmodell des 21. Jahrhunderts? wahrzunehmen, wer ich bin, wie ich bin Ja, vielleicht. Aber dazu darf es nicht nur und wie ich auf andere wirke. Da hilft es, eine Wohnmöglichkeit sein, sondern muss sich miteinander mit einem PersönlichkeitsGemeinschaft werden. Und das geschieht modell zu befassen, darüber ins Gespräch nicht von allein. Gemeinschaft entsteht zu kommen und einander Geschichten zu nicht von selbst, auch nicht, wenn wir unter erzählen. Wenn die anderen hören, wie es einem Dach wohnen. Und andersherum bei mir zu Hause war, werden sie manches genauso: Es gibt (mehr) Gemeinschaft, von meinem Verhalten verstehen können. auch wenn wir nicht unter einem Dach Und wenn wir einander erzählt haben, wann leben. Vielleicht ist das ja das Typische und wo wir Christen geworden sind, dann

können wir auch verstehen, dass wir auch in unserem geistlichen Leben nicht alle dasselbe wichtig finden und dasselbe praktizieren. Wenn wir unterwegs sind zu mehr Gemeinschaft, dann brauchen wir ein gemeinsames Fundament. Hier geht es um die Frage der Werte, die wir miteinander teilen, die für uns gelten sollen. In Seminaren wird immer wieder deutlich, wie schwer es uns fällt, über unsere Werte ins Gespräch zu kommen, weil sie uns gar nicht bewusst sind. Sie liegen wie ein Fundament unsichtbar unter dem Haus unseres Lebens. Wenn wir aber nun mit anderen das Lebenshaus teilen wollen, müssen wir das Fundament sichtbar machen. Und dann müssen wir Vereinbarungen treffen – egal, ob wir einmal in einer gemeinsamen Wohnung wohnen oder jede/r seine Wohnung hat, vielleicht in derselben Straße oder im selben Haus – wenn wir (mehr) Gemeinschaft wollen, brauchen wir Vereinbarungen. Wir müssen sprechen über Ort und Zeit. Wann und wo, wie oft und wie lange wollen wir zusammen Zeit verbringen? Wir müssen über Geld sprechen. Wie finanzieren wir uns? Diese Frage muss geklärt werden, unabhängig davon, ob wir nur einmal in der Woche gemeinsam essen, oder ob wir zusammen ein Haus bauen oder kaufen wollen. Wie gehen wir mit den materiellen und finanziellen Ressourcen um, die jeder hat oder auch nicht hat? Gemeinschaft ist immer eine Herausforderung zum Teilen. Das fällt den einen leicht, den anderen nicht. Manche können einfach geben, andere tun sich absolut schwer, etwas anzunehmen. Ein vierter Bereich muss auf dem Weg bedacht werden: Haben wir als Gemeinschaft ein gemeinsames Ziel, einen Auftrag, Dienst, ein Projekt? Oder aber sind wir „nur“ der Ort an dem wir einander ein zu Hause schenken. Vielleicht sind wir ja Menschen, die überall schon im Dienst sind und die in der Gemeinschaft Menschen brauchen, die einander einfach „nur“ zum Leben dienen? Ich denke an Larry Crabb, Psychologe und Psychotherapeut aus den USA. Als er sich zunehmend dem Thema Gemeinschaft zuwandte, kam er sich vor wie ein Chirurg, der Ernährungswissenschaften studiert. Ist es nicht viel besser Krankheiten zu verhindern,


43 •

Ti telthema Gemeinschaftliches Leben

als sie zu heilen? Er arbeitet auf den Tag hin, an dem Gemüse und nicht das Skalpell die Probleme löst (vgl. Crabb, Connecting S. 12). Crabb schreibt: „Hinter dem, was unsere Kultur als psychische Störung bezeichnet, verbirgt sich der Schrei der Seele nach etwas, was nur die Gemeinschaft geben kann. Das ist keine „Störung“, die eine „Therapie“ braucht … Hinter allen Problemen verbirgt sich eine verwundete Seele, die braucht, was allein Gemeinschaft ihr geben kann – oder sie muss sterben. Wir müssen mehr tun, als Experten heranzuziehen, die unsere psychischen Schäden heilen. Psychische Schäden sind nicht das Problem. Das eigentliche Problem ist unsere beziehungslose Seele … Was unsere Gesellschaft am meisten braucht, sind Gemeinschaften, wo Gott zu Hause ist, wo die Demütigen und Weisen lernen, denen, die ihnen folgen, den Weg zu zeigen, wo Menschen mit Problemen sich anderen anvertrauen können.“ (Connecting, S. 17f )

Doch Gemeinschaft fällt nicht vom Himmel. Es gibt viele Fragen, viele Themen, viel zu tun. Gemeinschaft ist wie ein Land, das erkundet und erobert werden muss. Bereiten wir uns vor und brechen wir auf in dieses Land, das uns so viel zu bieten hat. Das Netzwerk EmwAg hilft gern bei diesem Aufbruch mit Seminaren und anderen Angeboten. Damit Gemeinschaft gelingen kann.

Astrid Eichler aus Berlin ist Bundesreferentin des Netzwerks EmwAg e.V.

Anmerkungen Kommunitäten entstanden: • nach dem 1. Weltkrieg z. B. Evangelische ökumenische Johannesbruderschaft, Michaelsbruderschaft • nach dem 2. Weltkrieg z. B. Evangelische Marienschwestern Darmstadt, Christusbruderschaft Selbitz, Casteller Ring • aus den Umbrüchen der 68er Jahre z. B Offensive Junger Christen Reichelsheim, Basisgemeinde Wulfshagener Hütten.

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Verwendete und weiterführende Literatur L. Crabb, Connecting, Brunnen A. Eichler, Th. und I. Widmer-Huber, Es gibt was Anderes. Gemeinschaftliches Leben für Singles und Familien. SCM 2010 • J. Halkenhäuser, Kirche und Kommunität, Paderborn, 1977 • G. Hüther, Etwas mehr Hirn bitte, Göttingen 2015 • W. Paetzold, Teflonherz und Liebesgier • Eva Wlodarek, Einsam • J. Vanier, In Gemeinschaft leben • •

Foto: hiranda mobbs / photocase.com

Andere Hinweise www.emwag.net (Hier finden sie Angebote verschiedener Veranstaltungen zu den Themen gemeinschaftlichen Lebens.) • www.offenetuer.ch • www.leben-in-Gemeinschaft.ch •


Der Blick zurück. Und voraus.

Fa c h klinik • Berichte, Aktuelles

Aktuell

! Mehr Aktuelles? Auf

deignis.de/Unternehmen finden Sie alle Artikel und Fotostrecken.

Ausgezeichneter Arbeitsplatz. Die de’ignis-Fachklinik ist beim renommierten Great Place to Work ® Wettbewerb „Deutschlands Beste Arbeitgeber 2016“ als einer der besten Arbeitgeber deutschlandweit ausgezeichnet worden.

Nicht nur deutschlandweit, sondern auch in der Gesund•heitsbranche und der Region erhielt das Unternehmen Aus-

das unabhängige Great Place to Work® Institut. Als Bewertungsinstrumente wurden eine ausführliche Mitarbeiterbefragung zeichnungen. So erzielte die de’gnis-Fachklinik zusätzlich einen zur erlebten Arbeitsplatzkultur sowie eine Befragung des Mahervorragenden 2. Platz im Bereich „Beste Arbeitgeber Gesund- nagements zu den Maßnahmen der Personalarbeit eingesetzt. heit und Soziales 2016“ in der Kategorie „Kliniken“. Zudem Frank Hauser, Geschäftsführer beim Great Place to Work® erreichte das Unternehmen beim regionalen Great Place to Institut Deutschland sagte: „Die Auszeichnung steht für ein Work® Wettbewerb „Beste Arbeitgeber in Baden-Württemberg glaubwürdiges Management, das respektvoll und fair mit den 2016“ den 3. Platz in der Größenklasse „Unternehmen mit 50 Mitarbeitern zusammenarbeitet, für eine hohe Identifikation bis 500 Mitarbeitern“. der Beschäftigten mit ihrem Arbeitgeber und für einen starken Der Geschäftsführer der de’ignis-Fachklinik Claus-Jürgen Teamgeist.“ Hartmann sagte hierzu: „Wir freuen uns sehr über die erneute Insgesamt nahmen 613 Unternehmen an der aktuellen BenchAuszeichnung unserer Arbeitsplatzqualität und von de’ignis als mark-Untersuchung zur Qualität und Attraktivität der ArArbeitgeber. Es ist eine großartige Bestätigung der tollen Arbeit beitsplatzkultur teil; 100 wurden im Rahmen des Wettbewerbs unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und spornt uns an, „Deutschlands Beste Arbeitgeber 2016“ mit dem Great Place to weiterhin mit Kompetenz und Gottvertrauen an diesem einzig- Work® Qualitätssiegel ausgezeichnet. Partner des Wettbewerbs artigen Arbeitsplatz zu arbeiten und den Menschen die sich uns sind das Demographie Netzwerk ddn und als Medienpartner anvertrauen höchst professionell mit christlich-integrativen das Handelsblatt und das personalmagazin. Therapieangeboten zu helfen.“ Die Auszeichnung steht für besondere Leistungen und hohes Der Great Place to Work® Wettbewerb „Deutschlands Beste Engagement bei der Entwicklung vertrauensvoller Arbeitsbe- Arbeitgeber“ findet seit 2002 jährlich statt und die de’ignisziehungen und der Gestaltung förderlicher sowie attraktiver Fachklinik wurde bereits zum vierten Mal für ihre einzigartige Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Vorausgegangen war Arbeitsplatzqualität sowohl in der Gesundheitsbranche als auch der Auszeichnung eine Prüfung der Arbeitsplatzqualität durch branchenübergreifend ausgezeichnet.


635 mü.NN Anfang des Jahres 2016 nahm die de’ignisFachklinik am Standort Egenhausen ihr neues Veranstaltungs- und Fortbildungsgebäude in Betrieb.

Mit seiner charakteristischen Architektur ist der moderne Neubau optimal in die malerische Landschaft des Nordschwarzwaldes eingebettet und stellt mit seiner schönen Lage am Rande des Naturschutzgebietes „Kapf “ einen Zufluchts- sowie Rückzugsort dar. Dies widerspiegelt auch der Name des Gebäudes: „Refugium“. Zukünftig wird das „Refugium“ für de’ignis eine ergänzende Möglichkeit für Begegnungen von Menschen und der WeiInformationen terentwicklung ihrer Kompetenzen zu unseren Veranstaltsein. So werden in den neuen Räumungen, Fortbildungen lichkeiten verschiedene Veranstalund Schulungen finden tungen, Fortbildungen und SchuSie auf unserer Website lungen der de’ignis-Einrichtungen www.deignis.de stattfinden.

Ein Abend mit Dr. Johannes Hartl

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Am 4. November 2015 waren Dr. Johannes Hartl und sein Team zu Gast bei de’ignis in Egenhausen. Es folgte ein wunderschöner Tag mit großartiger Musik und überzeugendem Vortrag.

des Gebetshauses Augsburg studierte Germa•nistikDerundLeiter Philosophie und promovierte 2007 in katholischer Theologie. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht und ist ein gefragter Konferenzsprecher im ganzen europäischen Raum. Viele seiner Vorträge und Predigten können im Internet gehört und gesehen werden. Im Rahmen des Gesundheitsnachmittags war das Team aus Augsburg am Nachmittag ganz für die Mitarbeiter der de’ignisGruppe da. Einmal pro Jahr wird im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements den Mitarbeitern ein Gesundheitsnachmittag angeboten. In den letzten Jahren ging es dabei inhaltlich um die körperliche und die seelische Gesundheit. Im November stand die geistliche Gesundheit im Fokus. Nach einer von der Band des Gebetshauses Augsburg geleiteten Zeit der Anbetung referierte Dr. Johannes Hartl über einen „gesunden Lebensstil durch Gebet“ und überschrieb seinen Vortrag mit „Der innere Garten“. Gott ist ein Gott der Schönheit, der die Erde verschwenderisch schön geschaffen hat; die Vielfalt und Farbenpracht der Schöpfung wären nach Aussage von Dr. Hartl so nicht zwingend erforderlich. Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Mensch auch Freude an Schönheit hat, z. B. in der Natur, der Musik, der Kunst. Der Garten Eden war besonders schön und ein Ort der Begegnung von Adam und Eva mit Gott. Sie hatten die Aufgabe, den Garten zu kultivieren, zu pflegen. Adam und Eva verbrachten dort zweckfreie Zeit mit Gott. Seit dem Sündenfall leben wir Menschen nicht mehr im Garten Eden, können durch Jesus Christus Gott aber wieder begegnen. Diesen Ort, an dem wir Gott in unserem Inneren begegnen können, vergleicht Dr. Hartl mit einem Garten. Er ermutigte die de’ignis-Mitarbeiter, ihren inneren Garten zu pflegen und zweckfreie Zeit mit Gott zu verbringen. Zur Abendveranstaltung mit Dr. Johannes Hartl und Team hatte die Klinikleitung mit de’ignis freundschaftlich verbundene Personen der Region direkt und die Öffentlichkeit durch die örtliche Presse eingeladen. Das Interesse war erwartungsgemäß sehr groß. Viele folgten der Einladung, so dass die Sporthalle der de’ignis-Fachklinik bis auf den letzten Platz gefüllt war. Es kamen auch Bürgermeister, Gemeinderäte, Kirchenvertreter und niedergelassene Ärzte, um an dieser interessanten Veranstaltung teilzunehmen.


Auch bei der Abendveranstaltung ging es um das Gebet. Dr. Johannes Hartl führte alltagsnah und mit Humor gewürzt aus, dass Gott uns einlädt, Zeit mit ihm zu verbringen. Wenn wir eine Einladung von einem Menschen erhalten, der freundlich, sympathisch, intelligent, humorvoll und reich ist (also jemand unglaublich tolles) und wir herzlich willkommen sind, die einladende Person sich sehr über unser Kommen freut, werden wir die Einladung sicher annehmen. Gott wird uns in der Bibel als unglaublich toll und jemand, der sich über uns freut beschrieben. Nicht zuletzt deshalb sollten wir die Einladung Gottes annehmen. Als die Jünger Jesus baten, sie zu lehren wie man betet, forderte er sie zuerst auf, sich an einen verborgenen Ort zu begeben, wo sie einzig und allein unter dem Blick Gottes stehen und nicht unter den Blicken von Menschen. Im Alltag versuchen wir oft, die vielen Erwartungen von Menschen zu erfüllen, die auf uns schauen. Aber wir leben nicht in erster Linie, um die Erwartungen von Menschen zu erfüllen, sondern um Gott zu erfreuen. An dem verborgenen Ort, an dem nur Gott uns anschaut, stehen wir im Zentrum von Identität und Leben. Wenn Gott in unserem Leben an erster Stelle steht, macht uns das frei von dem Urteil von Menschen. Zu erfassen, dass Gott uns liebt, wir bei ihm willkommen sind, er gute Gedanken über uns hat und es ihm nicht in erster Linie um unsere Leistung geht, schützt vor Stress, Überforderung und Burnout. Beide Referate waren große Ermutigungen, Gott im Leben oberste Priorität zu geben, Zeit mit ihm zu verbringen und dadurch einen gesunden Lebensstil zu pflegen.

Erfahrungen von Teilnehmern der Fortbildung CiBT Ausschnitt aus ideaSpezial 3/2016 von Daniela Städter: Wo therapeutische Kompetenz und Gottvertrauen zusammenkommen

der Fortbildung „Christlich-integrative Bera•tungEin&Teilnehmer Therapie“ ist Norbert Monschau, Pastor der EvangelischFreikirchlichen Gemeinde (Baptisten) in Balingen bei Tübingen. „In den vergangenen 20 Jahren war ich häufig mit Situationen konfrontiert, in denen ich an meine Grenzen stieß“, erinnert er sich. „Oft ist es nicht mit einigen Gesprächen getan: Denn wie geht man fundiert damit um, wenn jemand depressiv ist?“ Er habe gerade im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen dazulernen wollen: „Um das zu können, braucht man viel mehr Verständnis für die Krankheitsbilder. Denn Christen mit psychischen Erkrankungen leiden oft unter einer Art von ,Stigmatisierung’.“ Bei de’ignis schätzt er, dass die klassische Betrachtung von psychischen Störungen mit einem biblischen Menschenbild und einer „christuszentrierten geistlichen Ausrichtung“ verbunden wird. Durch die Fortbildung werde zudem seine Gemeinde bereichert:

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In st i t u t • Berichte, Aktuelles

Auch Regina Oesterle besucht die CiBT-Fortbildung. Die 53-Jährige hat schon viele unterschiedliche Berufserfahrungen gesammelt. Sie ist Krankenschwester und Hebamme, hat ein vierjähriges Studium am Theologischen

Es ist ein ganz großer Gewinn, dass dort nun viel offener über seelische Belastungen gesprochen wird.


Seminar Adelshofen abgeschlossen und etwa neun Jahre in verschiedenen Ländern Südostasiens gearbeitet. Die vierfache Mutter bringt sich derzeit viel in ihrer Gemeinde ein und arbeitet bei der christlichen Organisation „Frontiers“, die unter dem Motto „Muslimen in der Liebe Jesu dienen“ tätig ist. Bei jeder Aktion sei ihr immer eine gute Gesprächsführung wichtig gewesen, sagt Oesterle. Dabei helfe ihr die Fortbildung: „Ich bin sehr beschenkt durch diese berufsbegleitende Ausbildung. Sie ist eine wertvolle Zugabe, denn mein Wirkungsbereich hat sich dadurch erweitert. Ich traue mir mehr zu und kann beispielsweise nun besser mit Panikattacken einer Bekannten umgehen.“ Bei den Fortbildungen komme sie zur Ruhe: „Ich gewinne tiefe psychologische Erkenntnisse, erweitere mein Wissen und erhalte Hilfestellungen für Beratungsgespräche.“ Sie habe sich auch selbst besser kennengelernt. Die zur Ausbildung gehörenden Supervisionen seien ein Augenöffner für eigene „blinde Flecke“ gewesen: „Wo übertrage ich zum Beispiel das Gehörte in einer falschen Weise auf mich und reagiere entsprechend unklug?“ Da habe ihr die Fortbildung geholfen: „Genau das hatte ich schon lange gesucht: Eine gut fundierte Fortbildung über wissenschaftlich bewährte und anwendbare Therapien.“ kombiniert mit der grundlegenden Einstellung, dass man sich im Beratungsgespräch in der Abhängigkeit von Gott weiß.“

Foto Hand: Izabela Habur / istockphoto.com

Fotos Johannes Hartl: Jürgen Weiss

Genau das hatte ich schon lange gesucht: Eine gut fundierte Fortbildung über wissenschaftlich bewährte und anwendbare Therapien.

Beide Teilnehmer haben 2015 einen Basic Kurs erfolgreich abgeschlossen und nehmen zur Zeit an Phase II der Fortbildung teil. Die Teilnehmer lernen, Menschen mit seelischen Problemen qualifiziert auf der Basis biblischer Werte und Wahrheiten in Kombination mit wissenschaftlicher, klinisch-psychotherapeutischer Fachkenntnis zu helfen. Die Fortbildung ist als dreijährige berufsbegleitende Intensivausbildung in zwei Phasen konzipiert. Die „Christlich-integrative Beratung & Therapie“ ist eine Integration von: Theologie, Pastoralpsychologie, Psychotherapie, Psychiatrie Psychosomatik und Pädagogik zu einem ganzheitlichen Konzept, das alle Aspekte des Menschseins ausgewogen umfasst.


48 Supervisionstage Anmeldung und weitere Informationen unter www.deignis.de/ Angebote/Fortbildung

Mehrmals im Jahr bieten wir einen Supervisionstag an. Dieser ist insbesondere auf Psychotherapie und Lebensberatung mit Patienten / Klienten mit religiöser Werteorientierung ausgerichtet.

NEU!

Jetzt anmelden!

I nstitut • Termine, Aktuelles

Diagnosenübergreifende Psychoedukation Das de’ignis-Institut bietet seit letztem Jahr eine Seminarreihe zur diagnosenübergreifenden Psychoedukation an. Die Teilnahme an einzelnen Seminaren ist möglich.

Fallbesprechungen in der Gruppe, angeleitet durch •einenNeben ausgebildeten Supervisor, können auch kurze Workshops zu Therapiethemen oder -Instrumenten mit einfließen. Hier können Teilnehmer eigene Wünsche und/oder eigenes Wissen mit einbringen. Die Teilnahme ist auch möglich, wenn kein eigener Fall eingebracht wird. Die aktuellen Termine

mit PD Dr. med. Herbert Scheiblich mit PD Dr. med. Herbert Scheiblich Freitag 18. Nov. 2016 mit Dipl.-Psych. Rainer Oberbillig Samstag 4. Juni 2016

Samstag 24. Sept. 2016

/// Jeweils von 9.00 – 16.00 Uhr

Psychoedukation ist eine moderne Methode zur systematischen didaktisch-psychotherapeutischen Intervention für Patienten, Klienten und Angehörige zur Mitbehandlung bei unterschiedlichen psychischen Störungen. Dabei werden das Krankheitsbild und ein hilfreicher Umgang mit der Erkrankung auf verständliche Weise vermittelt. Die Methode kann sowohl im Einzelgespräch, wie auch in der Gruppe angewendet werden. Im Seminar werden neben den allgemeinen diagnoseübergreifenden Grundlagen die spezifischen Besonderheiten der Psychoedukation für folgende Diagnosegruppen vermittelt: „Depression“ / Herbst 2017 „Angststörungen“ / Herbst 2017 Seminar 3 „Allgemeine Psychotherapie“ / Freitag, 17. Juni 2016 Seminar 4 „Suchterkrankungen“ / Freitag, 25. November 2016 Seminar 5 „Schizophrenie“/ Samstag, 26. November 2016 Seminar 1

Seminar 2

Leitung des Seminars

Die Leitung des Seminars hat PD Dr. med. Herbert Scheiblich (Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Zusatzqualifikation Kinder- und Jugendpsychotherapie, Suchtmedizin, Ernährungsmediziner, Lauftherapeut, Magister der Theologie, Mitglied der de’ignis-Institutsleitung) Teilnahmevoraussetzungen

Qualifizierte seelsorgerliche Ausbildung mit Abschluss oder Heilpraktiker für Psychotherapie oder medizinischer, sozialpädagogischer oder theologischer Beruf oder Teilnahme an unserer Fortbildung in Christlich-integrativer Beratung & Therapie.

Leitung der Supervisionstage

Die Leitung hat Dipl.-Psych. Rainer Oberbillig, Psychologischer Psychotherapeut, Supervisor/ Selbsterfahrungsleiter (Ipk/BW) und PD Dr. med. Für weitere Herbert Scheiblich, Arzt für Psychiatrie Informationen und und Psychotherapie, Zusatzqualifikation Anmeldung Kinder- und Jugendpsychotherapie.

schreiben Sie uns an institut@deignis.de.


Einzigartige Aussichten. Einzigartige Menschen. Tage seelsorgerlicher

Profitieren Sie von unseren de’ignis-Fachexperten Sie haben die Möglichkeit de’ignis-Fachexperten zu Vorträgen oder Seminaren einzuladen. Neben festen Fortbildungen und Schulungen bieten das de’ignis-Institut auch individuell auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Seminare oder Vorträge an.

Begleitung.

Wir sind eine Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Und wir glauben. Daran, dass Menschen dann am besten helfen können, es ihnen Welcheswenn Ziel streben wirselbst an? gut geht. Dafür tun Teilnehmer–und Teilnehmerin ein Stücküberrascht weit auf wirJeden so einiges Siejede werden angenehm seinem/ihrem Weg der seelischen Verarbeitung zu begleiten. sein. Und wenn Sie glauben, dass Beruf Berufung sein sollte, dann möchten wir Sie kennenlernen.

Gerne kommen unsere Experten auch zu Ihnen, um einen •Vortrag zu halten oder ein Seminar in Ihren Räumen durchzuführen. Für Gemeinden, Organisationen, Einrichtungen und Firmen gestalten wir gerne mit Ihnen zusammen ein individuelles, auf Ihre Bedürfnisse, Themen und Fragen zugeschnittenes Seminar. Die Chance dieser Seminare besteht darin, ähnlich gelagerte bzw. gemeinsame Probleme oder Fragen herausgelöst vom Alltag einmal intensiv bewegen zu können. Hierbei werden bestehende Beziehungen vertieft und Gemeinschaft, die auch „im Alltag trägt“, wird gefördert. Wir stehen Ihnen dabei mit unserer Kompetenz in für Sie vorbereiteten Referaten und Impulsen zur Seite. Das Seminar können wir sowohl in unseren Räumlichkeiten in Egenhausen, als auch bei Ihnen, z. B. in Ihrer Gemeinde durchführen.

Was sind die „Tage seelsorgerlicher Begleitung“?

Diese Tage sind eine Einladung an alle als Abstand vom Alltag und geben Raum für die eigene Seele. Wie geschieht dies?

Ein Team von Seelsorgern wird die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in diesen Tagen bei Lobpreis, Gebet, Plenum, Kleingruppe, Stillezeiten und in Einzel-Seelsorge begleiten.

Alle Stellenangebote auf www.deignis.de machen wir das?Psychotherapeut/in z. Warum B. psychologische/r

Durch Seelsorge, Gemeinschaft und Abstand vom Alltag sollen (in Ausbildung) die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gestärkt und ermutigt (Vollzeit) z. werden, B. Assistenzärztin/Assistenzarzt um in ihrem Alltag weiterhin (oder wieder) bestehen z. zu B.können. Physiotherapeutin/Physiotherapeut

Mögliche Themenfelder können sein:

• • •

Selbstverständlich können unsere Referenten nach rechtzeitiger Vereinbarung auch über andere Themen sprechen. Wenn Sie Interesse haben, fragen Sie doch einfach bei uns an!

(Vollzeit oder Teilzeit)

z. B. Sportlehrerin/Sportlehrer (Vollzeit oder Teilzeit)

Vom 09. Teilzeit) ber z. B. Köchin/Koch (Vollzeit oderDe zem 11. z. B. Hauswirtschafterin/Hauswirtschafter 201 6 in (Vollzeit oder Teilzeit)

gen

Winterlin z. B. Halb- oder Ganzjahres-Praktikanten Foto Seite 48: misterQM / photocase.com

Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung Life-Balance Stressbewältigung Berufung und Orientierung Teamaufbau und Teamentwicklung Beziehungskompetenz Eheseminar Psychische Entwicklung bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern Umgang mit psychischen Erkrankungen in Organisationen und Gemeinden Berufliche Qualifizierung für die Arbeit mit Menschen Seelsorgeseminar Supervision oder eine thematische Fortbildung für Seelsorger(innen)

Foto Hand: Izabela Habur / istockphoto.com

• • • • • • • •

Seminarleitung:

Dagmar Göhring mit Team Veranstaltungsort:

Tabor Schulungszentrum für Seelsorge, Beratung und neutestamentliche Dienste Sigmaringer Straße 64 · 72474 Winterlingen Tel. 07434 7234176 · info@tabor-schulungszentrum.de

Wer‘s glaubt, wird glücklich. Tabor Schulungszentrum für Seelsorge, Beratung und neutestamentliche Dienste Psychotherapie, Psychosomatik · Walddorfer Straße 23 · 72227 Sigmaringer Straße 64, 72474 Winterlingen Egenhausen · Telefon 07453 9391-0 Telefon +49 (0) 74 34/72 34 17 6· info@deignis.de · www.deignis.de info@tabor-schulungszentrum.de de’ignis-Fachklinik gGmbH auf christlicher Basis für Psychiatrie,


Seelsorge mit allen Sinnen erleben.

I n stitu t • Termine, Berichte, Aktuelles

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Gott deckt mir einen Tisch – im Angesicht meiner Feinde Welches Ziel streben wir an?

Dass jede/r entdecken darf, dass Gott jederzeit „greifbar nah“ für jeden von uns ist. Wir wollen entdecken, welche Lebensweisheiten in diesem Psalmwort stecken und ihnen auf den Grund gehen. Was ist „Seelsorge mit allen Sinnen erleben“?

In diesem Seminar werden alle Sinne angesprochen. Wie geschieht dies?

Durch Musik, Text, Foto-Impressionen … wird der Symbolgehalt des Wortes Gottes „erfahrbar“ gemacht. Was machen wir?

Gespräch, Austausch in der Gruppe, Einsatz neuer kreativer Methoden (Musik, Text, Foto-Impressionen, Symbolgehalt des Wortes Gottes), Lobpreis, Hören auf Gott, Gebet und manches mehr. Warum machen wir das?

Durch ressourcenorientierte, begleitende Seelsorge sollen die Teilnehmer gestärkt und ermutigt werden, um im Alltag weiterhin oder wieder zu bestehen.

Seminarleitung:

Dagmar Göhring mit Team

Vom 28. bis 30. Ok tob er 201 6

Veranstaltungsort:

Tabor Schulungszentrum für Seelsorge, Beratung und neutestamentliche Dienste Sigmaringer Straße 64 · 72474 Winterlingen Tel. 07434 7234176 · info@tabor-schulungszentrum.de Tabor Schulungszentrum für Seelsorge, Beratung und neutestamentliche Dienste Sigmaringer Straße 64, 72474 Winterlingen Telefon +49 (0) 74 34/72 34 17 6 info@tabor-schulungszentrum.de

in Winterlingen

↓ Das Projekt „Serie A“ wurde von de’ignis unterstützt. In dem Projekt konnten Flüchtlingskinder des gemeinnützigen Sportvereins „Champions ohne Grenzen e.V.“ aus Berlin/Brandenburg in mehreren Workshops ihre eigenen Fußballtrikots gestalten und produzieren. Am Ende der mehrtägigen Workshops wurden ihre Arbeiten in einer Kunstgalerie der Öffentlichkeit präsentiert und konnten für einen Spendenbeitrag erworben werden. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Trikots werden weitere Flüchtlingsheime mit interkulturellen Sportangeboten in Berlin und Umgebung unterstützt und gefördert.


Gesundheitsvortrag am Mittwoch 16. März 2016 im Gesundheitszentrum Begleitung von Menschen im interkulturellen Kontext

Nicht erst seit der aktuellen Flüchtlingssituation sondern auch •in Anbetracht einer globalisierten Welt, stellt sich die Frage, wie

Unterstützendes Angebot von de’ignis für Flüchtlinge Das Leid der Flüchtlinge ist seit einigen Monaten ein beherrschendes Thema in Europa und der Welt.

wir Menschen aus verschiedenen kulturellen Hintergründen im Alltag begleiten und bei seelischen Fragen helfen können. Der Referent Prof. Dr. Detlef Hiller, der unter anderem als Professor für Internationale Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Interkulturelle Pädagogik und Entwicklungszusammenarbeit an der internationalen Hochschule Bad Liebenzell (IHL) arbeitet, wollte mit seinem Vortrag zu einem besseren interkulturellen Verständnis beitragen. So ging er auf kulturelle Unterschiede im Verständnis von Gesundheit und Heilung zwischen westlichen Industrieländern und den Entwicklungs- und Schwellenländern ein und gab Anregungen für den Umgang miteinander.

Foto Hände: Marc Walter / istockphoto.com

Flüchtlinge, die in unserem Land ankommen, haben allermeist •Schlimmes erlebt, zum einen in dem Land, aus dem sie geflüchtet sind, aber auch auf der langen, beschwerlichen und gefährlichen Flucht bis nach Deutschland. Hier angekommen hören die Probleme nicht auf: die Unterbringung in Massenlagern, kurzfristige Umzüge in andere Unterkünfte, hasserfüllte Anfeindungen von Einheimischen, Unsicherheit, ob sie in Deutschland bleiben können, um nur ein paar Beispiele zu nennen, sind starke Belastungen. Besonders schwierig ist die Situation für Kinder und Jugendliche, die von ihren Familien in eine bessere Zukunft geschickt wurden und sich nun alleine in einem fremden Land und einer fremden Kultur zurechtfinden müssen. Wir von de’ignis möchten Flüchtlingen, insbesondere Kindern und Jugendlichen, bei der Integration in unser Land und der Überwindungen traumatischer Erlebnisse mit unserer sozialpädagogischen und psychotherapeutischen Erfahrung helfen. Mit Verantwortlichen aus der Region sind wir bereits darüber im Gespräch, wie das konkret erfolgen kann. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns bei dieser Aufgabe finanziell unterstützen würden. Auch jeder Bitte überweisen Sie Ihre kleinste Beitrag hilft. Spende auf unser Konto bei der Spenden

Volksbank Nordschwarzwald: IBAN: DE85 6426 1853 0066 6240 37 BIC: GENODES1PGW

Vielen Dank!

Zum Ablauf

Die Moderation des Abends hatte der neue leitende Arzt des Gesundheitszentrums, Dr. med. Jan Gerges, Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie sowie für Rehabilitationswesen. Er ist gebürtig aus Ägypten und damit eine große Bereicherung gerade für die Therapie mit Menschen aus dem arabisch-sprechenden Raum. Die de’ignis-Fachklinik bietet viermal im Jahr Gesundheitsvorträge in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Oberes Nagoldtal an. Zu den Gesundheitsvorträgen kommen viele interessierte Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung. Die aktuellen Termine werden jeweils auf der de’ignis-Website bekannt gegeben.


Unser de’ignis-Wohnheim. Bewohner berichten. Bewohner berichten über Ihre Erfahrungen und Erlebnisse im de’ignis-Wohnheim und wie sie Ihr Leben mit Gottes Hilfe wieder neu ordnen.

• Nachdem ich fünf Jahre lang in den USA in katastrophalen Verhältnissen gelebt habe, bin ich nach Deutschland zurückgekehrt und nach einem langen Psychiatrieaufenthalt nach Norddeutschland gezogen. Zu dieser Zeit war ich mit meinem Leben am Ende, ich hatte keine Freunde, keine Arbeit, keinen Halt. Ich wusste zwar von Gott als liebenden Vater, hatte aber meine Vertrauensfähigkeit in ihn und auch in Menschen verloren. Eines Tages erfuhr ich von dem de’ignis-Wohnheim und durfte bald darauf einziehen. Nach einiger Zeit konnte ich in eine nahegelegene Wohngruppe umziehen, in der ich mit einer anderen Person, also zu zweit, lebe. Ich nehme weiterhin am Tagesprogramm des Wohnheimes teil. Durch die pädagogisch-therapeutischen Gespräche mit speziell ausgebildeten Mitarbeitern konnte ich meine psychische Stabilität wesentlich verbessern. Hauptsächlich habe ich es den morgendlichen Grossgruppen mit Lobpreis zu verdanken, dass sich meine Vertrauensbeziehung zu Gott Stück für Stück wieder aufbaute. Ich versuche mit ihm das Leben zu bewältigen und habe hier im Wohnheim meine äußere und innere Heimat gefunden. Mein Leben ist inzwischen sehr facettenreich geworden, bietet das Wohnheim doch jede Menge fördernde Angebote, wie z. B. Umgang mit Tieren (Pferden, …), Teilnahme am Chor, Kunsttherapie, Ausflüge, Begleitung bei Arzt – und Behördengängen, Ernährungstraining, Gymnastik usw. … Morgens arbeite ich regelmäßig in unserer Wäscherei. Die Mitarbeiter sind sehr engagiert, einmal blieb sogar eine Mitarbeiterin die ganze Nacht über bei mir, als ich in einer psychischen Krise war. Und neulich durfte ich mit einer anderen Bewohnerin in der privaten Küche einer Mitarbeiterin

kochen. Sie zeigte uns, wie man u.a. heutzutage mit moderneren Geräten ein Essen zubereitet. Das hat mir viel Spaß gemacht. Dankeschön für alles!

D. L . :

I. L.:

Wo h n h e im • Berichte, Aktuelles

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Als ich ins de’ignis• Wohnheim einzog, habe ich viele Schwierigkeiten mitgebracht. Ich war voller Unruhe, fühlte mich getrieben und hatte ständig das Gefühl, leistungsfähig sein zu müssen. Ich konnte mir keine Ruhe gönnen, hatte ständig negativ kreisende Gedanken und habe mir selbst nichts mehr zugetraut. Durch das Leben im Wohnheim und die Hilfe der Mitarbeiter gewann ich wieder mehr Mut, so dass ich erste Schritte in den Arbeitsalltag wagen konnte. Nach einer Belastungserprobung in der nahegelegenen Stadt Sigmaringen konnte ich eine weiterführende Maßnahme zur Rehabilitation in Langensteinbach durchlaufen. Obwohl ich immer wieder noch Angst gegenüber fremden Menschen hatte, konnte ich diese Maßnahme erfolgreich beenden. Zurzeit habe ich zwei Stellen als Zeitungsausträger annehmen können und bewerbe mich weiterhin bei verschiedenen Firmen. Ich habe zwar schon eine Ausbildung, möchte aber gerne noch eine weitere Ausbildung machen und hoffe, dass es eines Tages klappen wird. Bis dahin bin ich weiterhin auf dem guten Weg, mit Gottes Hilfe bei den Alltagsaufgaben mutig zu sein, mein Selbstwertgefühl weiterhin aufzubauen und die Angst, perfekt sein zu müssen, zu überwinden.


das de’ignis-Wohnheim an die Vorschriften der ab •2019Umgültigen Landesheimbauverordnung anzupassen, ist es

notwendig, einen Neubau mit 18 Einzelzimmern, integrierten Nasszellen, Aufenthaltsräumen und für jedes Stockwerk separate Küchen zu errichten. Der Neubau beherbergt zukünftig drei Wohngruppen mit jeweils sechs Bewohnern. Die bestehenden Gebäude werden in unterschiedlich große Wohnungen aufgeteilt. Dieses Wohnraumkonzept ermöglicht es, den Verselbstständigungsprozess unserer Bewohner stufenweise zu fördern. In den Wohngruppen wird ein spezielles Wohntrainingsprogramm durchgeführt, das die Selbstständigkeit des einzelnen erhöht, um dann in den Wohnungen, die erworbene Handlungsfähigkeit zu stabilisieren. Unterstützt wird diese Entwicklung durch pädagogisch-therapeutische Gespräche, sowie durch tagesstrukturierende und freizeitpädagogische Angebote.

Um dieses notwendige Bauvorhaben in die Praxis umsetzen zu können, brauchen wir dringend auch weiterhin die Unterstützung unserer Spender und Sponsoren. Deshalb haben wir die Aktion „Bausteine für das de’ignis-Wohnheim“ gestartet. →

Spenden Sie Bausteine und werden so ganz praktisch Teil des neuen de’ignis-Wohnheim.

DANKE Natürlich gibt es auch die Möglichkeit uns weiterhin über eine Spende am Bau zu unterstützen. Wir möchten uns schon jetzt für jede Unterstützung bedanken und hoffen bald über erste Ergebnisse berichten zu können.

weiterhin den Menschen dort Hilfe anbieten können, wo sie gebraucht wird. Als Spender erhalten Sie zudem ein Zertifikat über Ihre gespendeten „Bausteine“ sowie eine entsprechende Spendenbescheinigung.

PLZ, Ort

Telefon

Bitte ausfüllen und an de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor, Fred-Hahn-Straße 30, 72514 Engelswies senden.

Straße, Haus-Nr.

Name, Vorname

Bitte senden Sie das Zertifikat über meine(n) Baustein(e) und die Spendenbescheinigung an:

de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor, Sparkasse Pfullendorf-Messkirch Konto-Nr. 105 338, BLZ: 690 516 20, IBAN: DE46 6905 1620 0000 1053 38, BIC: SOLADES1PFD

Ich möchte Baustein(e) zu 20,- Euro pro Baustein spenden und überweise den Gesamtbetrag von Euro auf das unten folgende Konto:

So können Sie ganz praktisch Teil des neuen de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor werden und dazu beitragen, dass wir auch

Diese Summe wird in 50.000 „Bausteine“ zu je 20 Euro aufgeteilt.

Für gesetzlich vorgeschriebene Erweiterungen und Neubauten am de’ignis-Wohnheim – Haus Tabor in Engelswies benötigen wir in den nächsten Jahren eine gewaltige Investitionssumme.

Unterstützen Sie uns. Mit Bausteinen.

Die Planung für die Anpassung des de’ignisWohnheimes an die neue Landesheimbauverordnung nimmt konkrete Gestalt an

Foto Hand: rvlsoft / shutterstock.com

Stein für Stein für Stein für Stein.


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SeelsorgeschulungKaleidoskop.

Wohnheim • Bericht

Teilnehmer unseres Seelsorgekurses in Winterlingen berichten für Sie von ihren ermutigenden Erlebnissen und Erfahrungen. (Verfasser jeweils der Redaktion bekannt)

Gestärkt mit neuem Vertrauen auf Gott

Vor dem letzten Seminar fühlte ich mich nicht sehr stabil, doch durch die Gemeinschaft mit anderen Teilnehmern und den Mitarbeitern sowie der besonderen Atmosphäre, die während der Seminare immer herrscht, konnte ich am Ende des Seminars gestärkt und mit neuem Vertrauen auf Gott nach Hause fahren.

Fachlich und geistlich fundiert

Den Seelsorgekurs habe ich fachlich und geistlich als sehr fundiert erlebt – nicht nur bei den Referaten, sondern auch in den Kleingruppen und im Plenum.

Gott trägt Sorge für meine Seele

Ich habe das Wort Seelsorgekurs neu buchstabieren gelernt: Gott trägt Sorge für meine Seele. Ich darf das mehr und mehr durch den Kurs erfahren. Das dann als Beschenkte weitergeben zu können, empfinde ich als großes Vorrecht.

Bereichernde Gottesbeziehung

Eine gelungene Mischung aus Theorie und Praxis – lebensnah und die persönliche Gottesbeziehung bereichernd.

Ich bin Gott wichtig

Sehr positiv erlebe ich bei der Mitarbeit bei den Seminaren, dass sich in mich investiert wird. Sei es im persönlichen Gespräch oder im Team untereinander. Ich erlebe dass ich Gott wichtig bin – und zwar ich als ganze Person, nicht nur meine Gaben.

Neue Perspektiven kennen lernen

Im Seelsorgekurs darf ich immer wieder neue Perspektiven von mir selber als Seelsorgerin, aber auch von den Ratsuchenden, kennen lernen. Ich erlebe das als Hoffnung machend für meinen zukünftigen Dienst als Seelsorgerin.


Po le n • Aktuell

Kompetenz. Und Gottvertrauen.

Schulung für Seelsorge. Zur Begleitung von Menschen mit Lebenskrisen, psychischen Problemen und Krankheiten. Unsere Botschaft von Gnade und Liebe, gepaart mit Glaube und Hoffnung, fundiert mit solidem Fachwissen und dem Ziel einer prozesshaften Entwicklung ist das Fundament aller Seminarinhalte. Diese Seelsorgeschulung umfasst insgesamt 10 Seminare.

Positive Rückmeldungen aus Polen.

Eingeladen sind Christen, die einen inneren Ruf zur Seelsorge verspüren, aber auch solche, die sich einfach nur für seelsorgerliche Fragen interessieren. Die Schulung soll zur qualifizierten Begleitung von Menschen mit seelischen Nöten befähigen. Darüber hinaus vermittelt der Kurs Einsichten in die verschiedenen Entwicklungsphasen des menschlichen Lebens und bietet damit die Möglichkeit, sich selbst besser verstehen und kennen zu lernen. Der Kurseinstieg ist jederzeit möglich, da die Lehreinheiten regelmäßig in weiteren Zyklen im Tabor Schulungszentrum wiederholt werden.

Unseren Seminare werden von immer mehr Teilnehmern besucht. Gleichzeitig wurde eine de’ignis-Beratungsstelle in Warschau eröffnet.

Im Laufe der Zeit haben wir in Polen hunderte von Seel•sorgern ausgebildet. Mit vielen von ihnen befinden wir uns in regem Austausch, vor allem mit denen, die eine eigene Seelsorgeberatungsstelle gegründet haben. Anfang dieses Jahres haben wir mit einer Psychotherapeutin, eine sehr engagierte Fachfrau, in Warschau, eine Beratungsstelle für ChristlichIntegrative Therapie eröffnet. All dies erfordert einen hohen finanziellen Einsatz unsererseits. Zwar gibt es in Polen eine gewisse wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung und Stabilität, allerdings geht die Erhöhung des Wohlstandes an vielen vorbei, so dass es enorm große soziale Unterschiede im Land gibt, und die zum Teil bittere Armut ist immer noch weit verbreitet. Deshalb ist unsere Arbeit in Polen nach wie vor auf Spenden angewiesen.

Seminar 7: Innere Heilung durch Klärung der Beziehung zu Gott, zum Du (Mitmenschen) und zum Ich (zu sich selbst) in Vergangenheit und Gegenwart Seminar 8: 15. – 16. Juli 2016 Identitätsentwicklung und -störungen, Sucht, Borderline-Persönlichkeitsstörung Seminar 9: 16. – 17.09.2016 Die Persönlichkeit des Seelsorgers, Fähigkeit zur Selbstreflexion, Selbstkritik und Introspektion Seminar 10: 11. – 12.11.2016 Umgang mit Leid, Theodizee-Problematik, Posttraumatische Belastungsstörung Weitere Infos über Termine 2016/2017 sowie den Kursneustart unter Telefon 07434 72341 -76.

Veranstaltungsort:

Tabor Schulungszentrum für Seelsorge, Beratung und neutestamentliche Dienste Sigmaringer Straße 64 · 72474 Winterlingen www.tabor-schulungszentrum.de

Einstieg jederzeit möglich !

Spenden

Bitte überweisen Sie Ihre Spende auf unser Konto an: Christliche Stiftung de’ignis-Polen Sparkasse Pforzheim IBAN: DE83 6665 0085 0007 2605 12 BIC: PZHSDE66XXX

de’ignis-Wohnheim gGmbH – Haus Tabor zur außerklinischen, psychiatrischen Betreuung Telefon +49 (0) 7575 92 507-0 seelsorge@ deignis-wohnheim.de · www.deignis.de

Vielen Dank!


de’ignis-Institut gGmbH · Markgrafenweg 17 · 72213 Altensteig

de’ignis-Fachklinik Fachklinik auf christlicher Basis für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik

stationäre medizinische Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen ambulante/teilstationäre Rehabilitation und Behandlungen Sanatoriumsbehandlung Nachsorge IRENA und ASP Angebote zur gesundheitlichen Prävention und Vorsorge Assessment-Center

de’ignis-Wohnheim Sozialtherapeutisches Wohnheim nach biblischen Grundsätzen mit Einzel- und Gruppenangeboten

• Gesprächstherapie • Sozialtraining • Arbeitstraining • Freizeitpädagogik • individuelle (z. B. im eigenen Verlag)

de’ignis-Institut Institut für Psychotherapie und christlichen Glauben

• Fortbildung in Christlich-integrativer Beratung & Therapie • Interkonfessionelle Seelsorgeschulung • Vernetzung von Fachleuten • Supervision • Beratungsstellen • Sozialpädagogische Kinder- und Jugendambulanz Weitere Angebote zur Prävention • (ambulant)

(ambulant)

de’ignis-Polen Christliche Stiftung mit Einzel- und Gruppenangeboten

• Schulungen • Freizeitpädagogik • Ambulante Therapieangebote, stationäre in Planung

Besuchen Sie uns auf www.deignis.de

Betreuung


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