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Konsum in der Krise
Fair einkaufen – jetzt erst recht Noch ist nicht abzusehen, welche Folgen die Pandemie für die Weltwirtschaft haben wird. Eines aber steht bereits fest: Am meisten haben – wie so oft – die Schwächsten darunter zu leiden. Dazu gehören auch all jene Kleinbauern, die den Markt mit Kaffee, Tee, Kakao und anderen Südprodukten beliefern. Denn für ihre Ernte- und Exportausfälle gibt es keine Corona-Hilfen. Deshalb gilt es gerade jetzt, beim Einkauf auf Fairen Handel zu achten. // Claudia Mattuschat Allen Menschen unabhängig ihrer Herkunft ein gutes Leben zu ermöglichen – mit der Vision ist die Fair-Handels-Bewegung vor 50 Jahren gestartet. Im Jubiläumsjahr 2020 bekommt die Haltung eine neue Dringlichkeit. Denn die Pandemie zeigt, dass unsere Welt trotz ihrer Größe doch nur ein Dorf ist. Was zunächst wie ein „Problem Chinas“ schien, hat in nur wenigen Wochen und Monaten alle Länder in den Ausnahmezustand gezwungen. Nie hätte man mit Lockdowns gerechnet, die besonders streng umgesetzt werden, wo Gesundheitssysteme eher schlecht
Problem mag sich auf den ersten Blick in weiter Ferne abspielen. Aber es betrifft – wie Corona – die ganze Welt und stellt bisherige Selbstverständlichkeiten in Frage. Eine Rückkehr zur bisherigen Normalität der Globalisierung schließt Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller schon jetzt aus. Zum Auftakt der Fairen Woche betonte er: „Die Pandemie zeigt, wie wichtig Gerechtigkeit in der Globalisierung ist: mit klaren Spielregeln, Gesundheitsstandards, Arbeitsschutz und sozialen Sicherheitsnetzen. Das Wohl der Menschen ist nicht verhandelbar.“
Pioniere geben den Weg vor
Samabeong war der erste ökologisch bewirtschaftete Teegarten Indiens. Foto: GEPA
aufgestellt sind. Besonders betroffen sind daher Menschen aus Ländern des Südens, die nicht selten als Kleinbauern mit Rohstoffen wie Kaffee, Tee oder Kakao am Anfang der Lebensmittelketten stehen. Wenn jedoch Arbeitskräfte zu Hause bleiben müssen, Ernten nicht eingeholt werden können, Handelswege zum Stillstand kommen und eine Absicherung fehlt, stehen über kurz oder lang Existenzen auf dem Spiel. Auch dieses
Beispielhaft schnell haben Fair-Handelspioniere wie GEPA, WeltPartner, El Puente und Globo auf die dramatischen Entwicklungen reagiert. Als insgesamt 800 Weltläden während des Lockdowns in Deutschland schließen mussten, haben sie eine Solidaritätsaktion in ihren Online-Shops gestartet. Unter Angabe der bevorzugten Einkaufsstätte konnten die Kunden dort ihre Fair-Handelsprodukte bestellen, und der Gewinn wurde entsprechend weitergeleitet. Für die Weltläden als Hauptvertriebskanal fair gehandelter Waren ist der Ausnahmezustand hoffentlich endgültig vorüber. Noch nicht absehen lässt sich allerdings, wie sich die Situation für die Handelspartner entwickelt. Während Erzeuger hierzulande durch neue Hygieneregeln und Abläufe mehr und mehr zurück zur Normalität finden, ist in vielen Teilen des Globalen Südens noch keine Entspannung zu sehen. Bei der GEPA steht man in engem Austausch mit den Menschen vor Ort und ist trotz aller Widernisse zuversichtlich, den Warenfluss weiter aufrechterhalten zu können. Zur Unterstützung werden zinslose Vorauszahlungen gewährt, der Handelspartnerfonds wird für Corona-Initiativen eingesetzt und Spendengelder akquiriert. Essenziell ist aber vor allem, dass die Nachfrage am Weltmarkt nicht abreißt – insbesondere in Deutschland, wo der Faire Handel seinen Umsatz in den letzten fünf Jahren verdreifachen und allein 2019 insgesamt 1,85 Milliarden Euro erwirtschaften konnte. Starke Märkte und positive Entwicklungen wie diese sind unerlässlich, damit unterm Strich alle Menschen gut von ihrem Beitrag zur globalen Wertschöpfungskette leben können.
(Nicht nur) Aufgabe der Politik
Immer mehr fair gehandelte Produkte stammen aus ökologischem Anbau. Foto: WeltPartner
Kleinbauern sind derzeit nicht nur den Belastungen der Corona-Krise ausgesetzt. Auch der Verfall der Weltmarktpreise für Kaffee, Kakao und andere Rohstoffe gefährdet Existenzen ebenso wie der Klimawandel, der in vielen Ländern des Südens bereits für Ernterückgänge und erhebliche Anbauprobleme sorgt. Das Forum Fairer Handel fordert daher, die aktuelle Krise als Chance zu sehen und für einen fairen Neustart im Sinne eines sozial-ökologischen Wandels zu nutzen. „Mit Blick auf die Klimakrise bleiben uns keine weiteren fünfzig Jahre, um den Welthandel gerechter zu gestalten und die Vision eines guten Lebens für alle umzusetzen“, so die Vorstandsvorsitzen-
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der Spatz 4|2020