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MITTEILUNGEN
03.2020
COVID-19
»WAS BLEIBT FÜR INDUSTRIEDESIGN RELEVANT, NACH COVID-19?«… von Rudolf Greger … fragte ein Freund kürzlich in die Runde. »Das kann doch nicht sein, dass die Kreativen als erstes gefressen werden?« Doch, sage ich, Industriedesign war immer schon ein Add-on, in vielen Fällen, es ist (auch) eine Funktion für mehr Konsum. Diese Verwerfungen im Design werden nun sichtbar. Jährlich eine neue Variante eines Gegenstands auf den Markt zu bringen, nur damit es etwas Neues gibt, ohne sonstigen erkennbaren Mehrwert, war schon immer bedenklich. Aber der Mensch leidet an »Neophilie«, der Lust am Neuen, erklärt uns der Anthropologe. Viele KollegInnen griffen diese Gier nach Neuem auf und gestalteten Einzigartiges und Begehrlichkeiten. DesignerInnen, die dem Credo folgten, wonach die Wirtschaft jährlich wachsen muss, die dabei auch vergaßen, dass sie zu einer privilegierten Minderheit gehören, die sich »Schönes« leisten kann, weil die Grundversorgung gegeben ist, die meinten, dass ein Wasserglas aus Musselinglas läppische 44 Euro kosten muss, und die 1-EuroGläser von Ikea verschmähten, die erleben nun ein böses Erwachen.
BEDEUTUNGEN WERDEN KORRIGIERT Berufe, die sozial niedrig bewertet wurden, bekommen nun wieder ihren wahren Stellenwert zugewiesen. Plötzlich ist der/die GeneraldirektorIn, der/die BankerIn, der/die DesignerIn (!) nicht mehr der Star der Gesellschaft, sondern jene Personen, die die Nahversorgung aufrecht erhalten, die Leute im Supermarkt, ZustellerInnen, LKW-FahrerInnen, Menschen, die die Infrastruktur am Leben erhalten, die Wasserversorgung, Strom und Internet. Nicht dass es die Führungskräfte in diesen Wirtschaftszweigen nicht braucht, aber ihre Bedeutung ist wieder auf ein normales Maß geschrumpft – wir
erleben eine Korrektur. Das ist für manche von uns ein Schock. Da ist man verwundert, dass »statt der Kreativen, die die Welt gestalten wollten, plötzlich andere Berufe wichtig sind.«
DESIGN BLEIBT NOTWENDIG Wer allerdings immer schon mit dem konsumanregenden Aspekt des Designberufs haderte, der findet sich schnell zurecht. Denn natürlich braucht es auch in Zukunft Design, und das mehr denn je, betone ich hier. Design im Allgemeinen, Industriedesign im Speziellen, ist bloß zurückgeworfen auf seinen Ursprung. Die Dinge müssen funktionieren und sollen »nicht hässlich« sein. Design soll das Leben der Menschen verbessern. Verbessert ist es dann, wenn technische Funktion klar erkennbar ist, wenn man weiß, wofür ein Gerät gebraucht wird und wie man es nutzt. Wir knüpfen (endlich) wieder wenn nicht gar bei Victor Papanek, dann zumindest bei Donald Norman und seinen Prinzipien an. Wir schaffen keine Begehrlichkeiten und feuern damit den Konsum an, sondern wir verbessern das Leben, indem die Dinge nützlich und praktisch sind – und bei dieser Gelegenheit gerne auch »schön« – ich nenne es »nicht hässlich«.
DESIGNERINNEN AN DER SCHLÜSSELSTELLE DesignerInnen können Einfluss auf Industrie und die Gesellschaft ausüben, können Veränderungen einleiten. Sie müssten bloß die Mechanismen der Wirtschaft verstehen und keinen Luftschlössern nachhängen. Der Mensch handelt als Einzelner immer zu seinem Vorteil. Das muss nicht zwangsläufig zum Nachteil der anderen sein. Der Designer/ die Designerin kann Kraft seiner/ihrer Denkweise Strategien entwickeln, bei denen der Vorteil für den Einzelnen auch ein Vorteil für die Gesellschaft ist.