Weltzeit 1-2021 | FrauENtscheiderinnen bewegen die Welt

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©©TUT.BY/AFP via Getty Images

Nur nicht klein beigeben Die 74-jährige Aktivistin Nina Baginskaja leistet regelmäßig bei Protesten in Minsk Widerstand gegen die P ­ olizei. Hier wird sie auf einer Kundgebung erneut inhaftiert.

Auch ohne die riesige selbstgenähte Fahne, die sie bei den Protesten im vergangenen Sommer in Minsk mit sich führte, ist Nina Baginskaja sofort erkennbar. Die stahlumrandete Brille, die zierliche Statur und ihr trotziger Gesichtsausdruck veranlassen Passanten immer wieder, ihr freundlich zuzuwinken und sie um Selfies zu bitten, selbst an einem kalten Morgen in der belarussischen Hauptstadt. Die TV-Bilder über Baginskaja, wie sie sich etwa mit der Bereitschaftspolizei anlegt, um sich ihre rot-weiße Oppositionsfahne nicht abnehmen zu lassen, gingen im August 2020 viral und machten B ­ aginskaja zu einer Heldin für die junge Generation des Landes. Insgesamt wurden bereits mehr als ein Dutzend ihrer Fahnen konfisziert; jedes Mal fertigte sie eine neue auf ihrer Nähmaschine an. An dem Tag, an dem wir uns zum Gespräch treffen, hat sie eine Fahne im Taschenformat dabei, klein genug, um eingepackt in einer Handtasche versteckt zu werden. Baginskajas Bereitschaft, die Machthaber des Landes herauszufordern, begann schon vor Jahrzehnten. 1986 arbeitete sie als Geologin an einem staatlichen Forschungsinstitut, als eine Explosion im Atomkraft-

werk Tschernobyl zum bis heute schwersten Atomunfall der Welt führte. „Die Behörden versuchten, alles zu vertuschen und bestanden darauf, dass unsere Kinder weitermachen, als wäre nichts passiert. Monatelang gab es radioaktiven Niederschlag“, erinnert sich die heute 74-jährige. Baginskaja begann damit, ihre Kolleginnen und Kollegen über die Auswirkungen der Strahlung aufzuklären und engagierte sich in der Opposition. Schon bald war sie arbeitslos. Doch das System, das sie für ihre Offenheit bestraft hatte, war bald selbst Geschichte. Im Jahr 1991 wurde Belarus unabhängig, die rot-weiße Flagge wurde wiederbelebt, dazu kam Weißrussisch als Amtssprache – statt Russisch. Vieles von dem, wovon Baginskaja und ihre Dissidentenfreunde geträumt hatten, war Wirklichkeit geworden. Aber die Freude sollte nicht von Dauer sein. Nur drei Jahre später ging ein Kolchose-Chef, der aus seiner Nostalgie für die Sowjetzeit keinen Hehl machte, als Sieger aus den Präsidentschaftswahlen hervor: Alexander ­Lukaschenko. Nina Baginskaja ist seit langer Zeit fester Bestandteil der Minsker Demonstrationen. Von zweifelhaften Wahlergebnissen bis zur

„Bei 16.000 Dollar habe ich aufgehört, meine Bußgelder zu zählen.“ Die belarussische Oppositions-­ Ikone Nina Baginskaja im Gespräch mit der DW über ein vom p ­ olitischen ­Protest geprägtes Leben und ihre Hoffnungen. Text Nicholas Connolly, DW Bureau Chief Kiev

­ olidarität mit der Ukraine im Konflikt mit S Russland – ­Baginskaja hat sich nie gescheut, für ihre Haltung auf die Straße zu gehen. Sie hat den Preis dafür bezahlt – buchstäblich. „Bei 16.000 Dollar habe ich aufgehört, meine Bußgelder zu addieren. Ich mag keine ­Arithmetik“, sagt Baginskaja. Sie erhält nur die Hälfte ihrer ohnehin kargen Rente. Die andere Hälfte wird vom Staat einbehalten, um ihre Geldstrafen für nicht genehmigte Protest­ aktionen zu begleichen. Bei diesem Tempo würde es noch etwa 50 Jahre dauern, bis sie alles abbezahlt hat, scherzt sie. Hatte sie erwartet, dass die Proteste im vergangenen Jahr solche Dimensionen annehmen würden? „Ich war überrascht von

Deutsche Welle

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