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SCHILLER MEETS TROLLINGER & LEMBERGER

Unter Deutschlands großen Weinbaugebieten belegt Württemberg mit rund 11.300 Hektar Rebfläche Platz vier. Von diesen ist es das einzige, das mehr Rotwein als Weißwein produziert. Bei etwa 70 Prozent liegt der Rotweinanteil, am bekanntesten ist nach wie vor der Trollinger. Man nennt den süffigen Rotwein das „Nationalgetränk der Württemberger“, das gerne und häufig zum Vesper getrunken wird.

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Bekanntermaßen liegt der weinkonsum in württemberg deutlich höher als anderswo. Der trollinger trägt einen großen teil dazu bei, vermutlich auch nach dem trollinger-Marathon, der alljährlich in Heilbronn veranstaltet wird. Dagegen verstehen sich Schwarzriesling, Lemberger und Spätburgunder, württembergs weitere wichtige rotweinsorten, vornehmlich als genussvolle Begleiter einer anspruchsvollen Küche. Im Sommer genießt man im Übrigen gerne einen württemberger

Schillerwein, eine aus roten und weißen trauben hergestellte weinspezialität, oder auch ein Glas riesling, die wichtigste weißweinsorte württembergs.

weinbau betreiben die weingärtner entlang des Neckars, aber auch in den geschützten Flusstälern der NeckarNebenflüsse rems, Enz, Kocher, Jagst und tauber und sogar am Bodensee. Herzstück des weinbaugebiets ist der Bereich württembergisches Unterland am Mittleren Neckar, südlich davon schließt sich der Bereich remstal-Stuttgart an. Der Anteil der wertvollen Steillagen ist hoch. Vielfach bewirtschaften die winzer nur kleine Parzellen, deren Ertrag sie traditionell an die nächstgelegene weingärtnergenossenschaft liefern. Mehr als 50 gibt es davon in württemberg; sie vermarkten etwa 80 Prozent der württemberger weine. weite teile des weinbaugebiets erschließt die württemberger weinstraße, die von weikersheim bei Bad Mergentheim bis

WÜRTTEMBERG IM ÜBERBLICK

Geografische Lage: zwischen reutlingen nach Metzingen, östlich von tübingen gelegen, über 500 Kilometer hauptsächlich am Neckar und seinen reizvollen Seitentälern entlang führt. Einladend liest stimmungsvoller Umgebung kennenzulernen. Zu den berg auch als Land der Philosophen und Dichterfürsten. Der erste Präsident der Bundesrepublik soll, durch ein ben, auch Schiller und Hölderlin fanden wohl Inspiratietwa bei einem Abstecher ins schwäbische Marbach mit dem Schiller-Nationalmuseum oder bei der Besichtigung der Burg Hornberg des Götz von Berlichingen.

und Bad Mergentheim; Zentren in Stuttgart und Heilbronn · Klima: milde Jahrestemperaturen, durch Schwarzwald und Schwäbische Alb geschützte tallage des Neckars · Böden: verschiedene Keuperformationen; am mittleren Neckarraum Muschelkalkinseln · Rebfläche: ca. 11.300 ha · Rebsorten: trollinger, riesling, Schwarzriesling, Lemberger, Spätburgunder, Kerner, Silvaner, Müller-thurgau und als Spezialitäten Samtrot

sich auch württembergs weinfestkalender mit mehr als 200 Angeboten, um den vor ort angebauten wein in bekanntesten und größten weinfesten zählt das Heilbronner weindorf. Schließlich versteht sich württemGlas Lemberger beflügelt, seine reden geschrieben haon beim württemberger. So kommt eine weinreise nach württemberg wohl kaum an Kunst und Kultur vorbei, und Frühburgunder (Clevner)

Information: Werbegemeinschaft Württembergischer Weingärtnergenossenschaften eG raiffeisenstraße 6 71696 Möglingen tel. 07141 2446-0 Fax 07141 2446-20 www.wwg.de info@wwg.de

Weinbauverband Württemberg e. V. Hirschbergstraße 2 74189 weinsberg tel. 07134 8091 Fax 07134 8917 www.weinbauverband-wuerttemberg.de info@weinbauverband-wuerttemberg.de

Württemberg: Höhepunkte der Weinkultur

DER WINZERHOF GIERER AM BODENSEE

Seit über 300 Jahren widmet sich die Winzerfamilie Gierer am sonnenverwöhnten Nordufer des Bodensees dem Weinbau. Kein Wunder, dass sich im Lauf der Zeit allerhand ausrangiertes Arbeitsgerät angesammelt hat. Vom Kummet bis zur Kelter wurde alles beiseite geräumt, um Platz zu schaffen für den neuen Eingangsbereich zur Vinothek – einen unkonventionell gestalteten Anbau, der den alten Holzfasskeller mit einbezieht und gleichzeitig die zeitgemäße Visitenkarte des Weinguts darstellt. die gutseigenen weine reifen. Nach

Mit ihrer Stirnwand aus Valser Quarzit, der markant abgewinkelten Linienführung und den transparenten Fassaden vereint die neue Vinothek regionale Materialien und außergewöhnliche Formen mit umwerfenden Aus- und Einblicken – nicht nur auf die nahe und ferne Umgebung, sondern auch in den Keller, in dem Norden hin lenkt die verglaste rückfront den Blick direkt in die weinberge. Nach Süden hin reicht der Blick durch die gläserne Eingansfront über den Bodensee auf die Alpen. Und der unter der Scheune liegende Barriquekeller wird durch ein begehbares Fenster im Fußboden in den Präsentationsbereich mit einbezogen. Einen passenderen rahmen kann man sich eigentlich nicht vorstellen, um die gutseigenen weine zu verkosten: Müller-thurgau, Bacchus, Spätburgunder und Dornfelder, weißherbst und den für den Bodensee typischen rotling.

Reizvolle Aus- und Einblicke riesling, Grauburgunder, Sauvignon blanc und Winzerhof Gierer Nonnenhorn, Sonnenbichlstraße 31 tel. 08382 89581 www.winzerhof-gierer.de

DIE KELLEREI WILHELM KERN IM REMSTAL

„Die Schnörkellosigkeit, die unsere Weine und uns selbst ausmacht, findet sich auch in unseren Räumlichkeiten wieder“, meinen die Kerns vom Weingut Wilhelm Kern in Kernen-Rommelshausen. Sie arbeiten mit über 150 Winzern aus ganz Württemberg zusammen, deren Lesegut – Kerner, Riesling, Silvaner, Weiß-, Grau- und Spätburgunder, Zweigelt, Lemberger und natürlich Trollinger – in den Edelstahltanks und Holzfässern des Familienunternehmens zu gebietstypischen, aber auch individuellen Weinen ausgebaut werden.

Kern, Kerner, Kernen Begonnen hat alles in der Stuttgarter Innenstadt, wo wilhelm Kern im Jahr 1903 eine Küferei nebst Kelterei und weinhandlung eröffnete. Im Zuge des wirtschaftswunders suchten die Kerns nach mehr Platz für ihr florierendes Unternehmen und verlegten den Firmensitz nach Fellbach-Schmiden nordöstlich der Stadtgrenze Stuttgarts. Doch auch dort war es irgendwann zu eng, und so wurde der Firmensitz 2012 ins remstal verlegt. Heute präsentiert sich die Kellerei in Kernen-rommelshausen als moderner Kubus, der komplett mit Lärchenholz verkleidet ist. Dynamisch geschwungene Öffnungen, die an die Silhouette einer hügeligen weinbergslandschaft erinnern, durchbrechen die Geschlossenheit der Fassaden. Alles wirkt ruhig und gelassen, damit die Besucher sich auf das wesentliche konzentrieren können: die weine der Kellerei. Denn „die weinberge in ihrer vielfältigen und reizvollen Umgebung“, so die Kerns, „sind das Kapital und das Fundament, auf dem wir unsere Zukunft gestalten.“

Kellerei Wilhelm Kern Kernen-rommelshausen, wilhelm-Maybach-Straße 25 tel. 07151 2766790 www.kern-weine.de

DIE SEKTMANUFAKTUR KESSLER IN ESSLINGEN

„Wie lieb und luftig perlt die Blase der Witwe Klicko in dem Glase“, reimte Wilhelm Busch in seiner Bildergeschichte über „Die fromme Helene“. So oder ähnlich mag Georg Christian Kessler gedacht haben, denn der Gründer von Deutschlands ältester Sektmanufaktur lernte die hohe Kunst der Schaumweinherstellung in der Champagne – genauer gesagt in der Kellerei Veuve Clicquot-Ponsardin in Reims.

Schäumender Württemberger nach Champagner Art Dort machte der aus Heilbronn stammende Kaufmann eine steile Karriere, und witwe Barbe-Nicole Clicquot persönlich bestimmte ihn zum Erben ihres Champagnerimperiums. Doch dann kam alles ganz anders. Georg Christian Kessler ging ins heimatliche württemberg zurück und gründete 1826 in Esslingen sein eigenes Unternehmen, die G. C. Kessler & Compagnie. In der ehemaligen Kelter des Kaisheimer Pfleghofs unterhalb der Esslinger Burg stellte er nach der Champagnermethode die ersten 4.000 Flaschen „schäumenden württemberger wein“ aus Früh-

burgunder her. Da die Glasflaschen dem hohen Druck der Flaschengärung damals nicht immer standhielten, war die Schaumweinproduktion ein ziemlich riskantes Geschäft. Kesslers Unternehmen lief jedoch ausgesprochen erfolgreich, und 1832 nahm er die Verlegung des Firmensitzes an den heutigen Standort in Angriff: das Kesslerhaus im ehemaligen Speyrer Zehnthof am Esslinger Marktplatz. Dessen südlicher teil wurde 2013 zu Ehren des 1841 geadelten Firmengründers in Georg-Christian-vonKessler-Platz umbenannt.

Kessler Sekt Esslingen, Kessler-Karree 18 tel. 0711 31059341 www.kessler-sekt.de

Terrassensteillage über dem Neckar Im Jahr 1184 wurde Burg Hornberg erstmals urkundlich erwähnt – und mit ihr der weinbau an den Hängen über dem Neckar. Das macht die Burg zum ältesten durchgehend bewirtschafteten weingut Baden-württembergs und zum zweitältesten der welt. Dabei haben im 4. Jahrhundert vermutlich die römer die ersten reben an den Neckar gebracht und die Steilhänge als weinbergsterrassen angelegt. Heute durchziehen insgesamt neun Kilometer Mauerwerk das zehn Hektar große traditionsweingut, das vom Burgherrn persönlich geführt wird. Baron Dajo von GemmingenHornberg, diplomierter Ingenieur für weinbau und Kellerwirtschaft, nutzt das besondere Mikroklima auf den Steilterrassen über dem Fluss zum Anbau von weißburgunder, riesling, Muskateller, Chardonnay, Silvaner, trollinger, Spätburgunder und Dornfelder.

BURG HORNBERG AM NECKAR

Hoch hinaus ragen die Mauern von Burg Hornberg, der größten und ältesten Wehranlage am Neckar. Vor rund 500 Jahren diente sie dem viel zitierten Götz von Berlichingen als Wohnsitz. Hier lebte er bis zu seinem Tod im Sommer 1562. Wenn ihm nicht gerade danach war, „die Landesgegend ein Weilchen unsicher zu machen“ – wie er in seinen Lebenserinnerungen schreibt – oder er eine Haftstrafe verbüßen musste, widmete er sich dem Weinbau am Südwesthang unterhalb der Burg. Und das so erfolgreich, dass er seinen Wein bis an den Wiener Hof verkaufte. Burg Hornberg Neckarzimmern tel. 06261 5001 www.burg-hornberg.de

PFEDELBACH UND DAS FÜRSTENFASS

Der nackte Bacchus mit dem riesigen Feigenblatt sieht eigentlich aus, als hätte er schon mehr als genug Wein getrunken. Trotzdem hält er in jeder Hand einen leeren Weinbecher und scheint nach mehr zu verlangen. Die originelle Holzskulptur diente als Fassriegel – eine Verschlussvorrichtung, die bei Fässern ab 1.000 Liter Fassungsvermögen üblich war. Fassriegel verschlossen an der Unterseite großer Fässer die Öffnung, durch die der restliche Wein abgelassen und das Fass gereinigt werden konnte.

Ein Fass als Finanzamt 64.664 Liter wein fasste das Fürstenfass, das für Joseph Fürst zu Hohenloe und waldenburg Pfedelbach 1752 fertiggestellt wurde. So verkündet es jedenfalls die prachtvoll eingefasste Inschrift auf dem Prunkfass, das im weinbaumuseum von Pfedelbach im Herzen des Hohenloher

Landes zu sehen ist. Gebaut hat es der fürstliche Hofküfer Michael Mayer aus dem benachbarten Michelbach am wald. Das Fürstenfass war für den Zehntwein bestimmt, der hauptsächlich dazu diente, die Beamten im Dienste des Fürsten zu bezahlen. Die sonnenverwöhnten Hänge an Kocher, Jagst und Brettach bringen hervorragende weiß- und rotweine hervor – das wussten bereits die römer zu schätzen. Doch die Untertanen des Fürsten zu Hohenlohe lieferten nicht immer die edelsten tropfen als flüssige Steuern ab. Daher enthielt das prunkvolle Fürstenfass leider meist Cuvées von mittelmäßiger Qualität. 1822 wurde es zum letzten Mal mit dem weinzehnten gefüllt.

Weinbaumuseum Pfedelbach, Baierbacher Straße 12 tel. 07941 608111 www.pfedelbach.de

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