Themenheft zur Schweizer Geschichte auf der Sekundarstufe I

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Themenheft zur Schweizer Geschichte auf der Sekundarstufe I Geschichte ist überall – auch und gerade in deiner Umgebung. Wenn du aufmerksam dein Quartier, deinen Wohnort, deine Heimat betrachtest, dann findest du eine Reihe von Spuren, die in die Vergangenheit weisen: Denkmäler, Kirchen, Bilder und natürlich Bücher. Vieles davon prägt auch dein Leben heute! Wie geschieht das? Wie erkennst du das? Um dies herauszufinden, gehst du auf eine «Obwaldner Zeitreise». Und du wirst merken: Geschichte ist interessant und wichtig. Und gerade die Geschichte deiner Umgebung hat viel mit dir zu tun!

Geschichte verbindet Das Weisse Buch von Sarnen Niklaus von Flüe Eine Obwaldner Zeitreise

ISBN 978-3-271-60012-4

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Themenheft zur Schweizer Geschichte auf der Sekundarstufe I

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6 Lesen und Schreiben Q1 Im Scriptorium, der Schreibstube eines Klosters, werden zwei schreibende Mönche dargestellt. Im Mittelalter waren Klöster wichtige Zentren der Bildung und Kultur. Mönche verfassten und kopierten Bücher, verzierten sie teilweise mit prächtigen Buchmalereien. Während des Mittelalters war das Lesen und Schreiben vor allem in Klöstern verbreitet. Handschrift aus dem Kloster Echternach, 1039–1043.

Q2 Federurkunde. Der Schreiber der Abtei Saint-Maurice im Wallis notierte im Jahr 1268, dass Michel de Sez gegen jährliche Weizenabgaben eine Mühle der Abtei betreiben durfte. Die Schreibfeder hängt nach wie vor am Dokument. Feder und Urkunde sind ein symbolträchtiges Zeugnis der zunehmenden Bedeutung von Schrift für die Verwaltung von herrschaftlichen Rechten.

Orte der Schriftkultur Im Mittelalter konnten nur wenige Men­ schen, vor allem Mönche und Kleriker, lesen und schreiben. Für den grössten Teil der Bevölkerung war es nicht nötig, lesen und schreiben zu können. Wissen wurde mündlich weitergegeben. Beschlüsse und Regeln wurden ebenfalls mündlich ge­ troffen. Nur wenig wurde schriftlich festge­ halten. Aufgrund ihrer Seltenheit hatten Schriftstücke eine hohe Bedeutung: Es ging oft nicht nur um den Inhalt, die Schrift­ stücke dienten auch als Vorzeigeobjekte. Papier war in Europa in grösserem Stil erst seit dem 15. Jahrhundert verbreitet. Davor wurde das viel teurere Pergament verwendet, das aus Tierhäuten hergestellt wurde. Der Einsatz von Schrift wandelt sich Ab dem 13. Jahrhundert wurden Ab­ machungen, die bisher mündlich getroffen wurden, immer häufiger schriftlich festgehalten. So versprachen sich zum Bei­ spiel zwei Länderorte gegenseitige Hilfe im Falle eines Konflikts, oder der Verlauf von Grenzen, Besitzverhältnisse oder Nutzungsrechte wurden aufgeschrieben. Manchmal wurden auch nur Ansprüche festgehalten. Die Schriftstücke sollten bei der Durchsetzung der Ansprüche helfen. Dazu brauchte es professionelle Schreiber, die in Kanzleien solche Schriftstücke verfassten, kopierten und sorgfältig aufbe­ wahrten. Das Weisse Buch von Sarnen ist ein Beispiel eines solchen Schriftstückes: Ein Kopialbuch, das Kopien der wichtigsten Urkunden und Verträge enthielt.

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Scriptorium be­zeichnet die Schreibstube eines Klosters.

Q3 Professionelle Schreiber. Ein professioneller Schreiber wird in seiner Schreibstube gezeigt. Es handelt sich hier um ein Bild aus der sogenannten Spiezer Chronik von Diebold Schilling dem Älteren. In einer Chronik werden geschichtliche Ereignisse in zeitlicher Reihenfolge dargestellt. Die Spiezer Chronik enthält die Geschichte des Stadtortes Bern von der Stadtgründung bis zu Vorkommnissen Mitte des 15. Jahrhunderts. Sie ist 1485 / 86 entstanden.

Aufgaben 1 Fasse zusammen, warum Schriftstücke im Mittelalter eine so grosse Bedeutung hatten (VT1, Q1).

2 a) Beschreibe, was auf Q3 dargestellt ist.

3 Erkläre, welchen Wandel die Schriftkultur im Mittelalter erlebte (VT1, VT2, Q1, Q3).

4 Wofür steht Q2? Erkläre die Bedeutung dieser Quelle.

b) Was bedeutet die Bezeichnung «Chronist»? Erkläre mithilfe von Q3.

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9 Das Weisse Buch im Archiv

D1 Eines der wichtigsten Archive für die Schweiz

ist das Bundesarchiv in Bern. Es wurde als zentraler Aufbewahrungsort und Archivdienst der Eid­ genossenschaft 1849 gegründet. Es verwaltet zurzeit über 60 Lau­f­kilometer Archivgut. Der jährliche Zuwachs beträgt etwa 1,5 Laufkilometer. Der grösste Teil der Unterlagen sind Papier­ dokumente. Diese werden bei kons­tanten klima­ tischen Be­dingungen archiviert. Foto 2016.

D2 Vom Original im Archiv in Sarnen …

Virtuell ist etwas, das in Wirklichkeit nicht vorhanden ist, aber echt erscheint.

Ein Original – zwei Versionen? Bisher hast du viel über das Weisse Buch in Sarnen erfahren: Du hast Quellen und Darstellungen zu seiner Entstehung und Be­deutung betrachtet und gelesen. Du hast den Verfasser Hans Schriber kennenge­­lernt und kennst die Geschichten, die er darin festgehalten hat. Nun wird es Zeit, sich das Original noch genauer anzu­ schauen. Das Original des Weis­sen Buches wird heute im Staatsarchiv Obwalden, im Hexenturm von Sarnen, aufbewahrt. Ein Archiv ist eine wichtige Institution, wo verschiedenste Quellen und Dar­-

stel­lungen aufbewahrt werden, die uns Zugang zur Vergangenheit schaffen können. Um Objekte wie das Weisse Buch zu be­wahren, muss es fachgemäss behandelt und geschützt werden. Möglichst wenig Tageslicht und Berührungen sind deshalb wichtig. Umso nützlicher sind die Mög­ lichkeiten, die uns die digitale Welt bietet: Das Weisse Buch wurde komplett foto­ grafiert und auf einer Plattform im Internet digital zugänglich gemacht. In diesem virtuellen Archiv können wir es uns genau anschauen und es untersuchen.

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D3 … zum Original im virtuellen Archiv im Internet. Screenshot 2016.

Aufgaben 1 Suche auf der Plattform «e-codices» das Weisse Buch von Sarnen. Hier kannst du das Original anschauen, aber auch Informationen über das Weisse Buch finden.

2 Erstelle einen Steckbrief des Weissen Buchs, der Informationen zu folgenden Punkten enthält: Umfang, Format, Beschreibstoff, Einband.

4 Suche auf der Plattform «e-codices» eine andere Handschrift, die dir gefällt. Dokumentiere sie mithilfe von Bildschirmfotografien und Kommentaren dazu.

5 «Wir haben ja das Internet!» – warum braucht es heute immer noch Archive? Nimm Stellung zu dieser Frage.

3 Wähle zwei Doppelseiten und finde heraus, was darauf festgehalten wird. Erstelle zwei Bildschirmfotografien und halte den Inhalt in Stichworten fest.

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10 Konflikte zwischen Stadt und Land Nach dem Sieg in den Burgunderkriegen waren sich die eidgenössischen Orte nicht nur über die Verteilung der Burgunderbeute uneinig. Grundsätzliche Konflikte zwischen den Städte- und Länderorten wurden immer offensichtlicher.

Das Beispiel einer Eskalation: Saubannerzug und Burgrecht Im Februar 1477 machte sich eine Freischar von jungen Männern aus der Innerschweiz Richtung Genf auf. Sie zogen in der Fas­ nachtszeit los, um Geld einzutreiben, das ihnen in den Burgunderkriegen verspro­ chen worden war. Den Städten Bern und Freiburg kam dieser Zug äusserst ungelegen. Sie konnten ihn vor Freiburg stoppen und eine Regelung zur Ausbezahlung der Gelder finden. Im Mai schlossen Bern, Zürich und Luzern mit Freiburg und Solothurn ein Burgrecht ab, einen Sonderbund innerhalb der eidgenössischen Bünde.

Q1 Der Saubannerzug von 1477. Die jungen Männer sammeln sich in Zug, um Richtung Genf loszuziehen. Der Name «Saubannerzug» bezieht sich auf die mitgetragene Fahne, auf der eine Sau auf blauem Grund ab­gebildet war. Bilderchronik von Diebold Schilling, 1510–1535.

Unterschiedliche Ausgangslage und Ziele Die Städteorte, wie Bern, Zürich und Luzern, gaben den Ton an. Sie hatten die Herrschaft auch auf ausgedehnte länd­­liche Gebiete und Landstädte ausgedehnt, herrschten also über ein Territorium mit Stadtbürgern auf der einen und Unter­ tanen auf der anderen Seite. Sicherheit für Handel und Landfrieden waren beson­ ders wichtig für die Städteorte. Die Länder­ orte, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und Glarus, hatten sich zunehmend auf die Viehwirtschaft spezialisiert. Sie hingen deshalb vom Import von Getreide und Salz, aber auch von den Viehexporten ab. Die Vermittlung von Söldnern war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. In den Länderorten kämpften verschiedene Familien um die Herrschaft, oft waren sie untereinander zerstritten.

Widerstand und Aufruhr: Der Amstalden-Handel Auch Konflikte, die zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen den einzelnen Orten ausgetragen wurden, sorgten für Unruhe. Die Entlebucher Untertanen waren schon lange unzufrieden mit ihrer Luzerner Herrschaft. Obwalden sah im Gegenzug im Entlebuch eine Möglichkeit, sein Territorium auszuweiten und versuchte die Situation auszunutzen. Der Obwaldner Land­ammann Heinrich Bürgler plante mit seinem Verwandten Peter Amstalden, einem Entlebucher Wirt und Landeshaupt­ mann, einen Überfall auf die Stadt Luzern. Nachdem die Verschwörung aufgedeckt worden war, wurde Amstalden gefangen, nach Luzern geführt, verhört und hin­ gerichtet. Das Verhältnis zwischen Luzern und Obwalden war nachhaltig belastet.

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Q2 Amstaldenhandel – der Beginn. Unter der Dorflinde von Schüpfheim tafelt der Entlebucher Peter Amstalden mit seinen Gesellen und erzählt von seinen aufrührerischen Plänen gegen die Stadt Luzern. Im Vordergrund notiert der städtische Beamte die Aussagen einiger Kundschafter. Bilderchronik von Diebold Schilling, 1513.

Q3 Amstaldenhandel – das Ende. Unter Androhung der Folter gesteht Amstalden im offenen Obergaden des Wasserturms in Luzern seinen Plan, Luzern am Fest der Kirchweih 1478 zu überfallen. Seine anschliessende Hinrichtung sollte als Exempel wirken: Wenn jemand sich als Untertan gegen die Obrigkeit der Stadt auflehnt, muss er einen hohen Preis bezahlen. Bilderchronik von Diebold Schilling, 1513.

Aufgaben 1 Nenne die Unterschiede zwischen Städteund Länderorten (VT1).

2 a) Warum wurde ein Burgrecht abgeschlossen? Erkläre mithilfe von VT2. b) Arbeite die Reaktion der Länderorte auf das Burgrecht heraus (VT2).

3 Erkläre, woher der Begriff «Saubannerzug» kommt (VT1, Q1).

4 a) Überlege dir, wer in Q2 Peter Amstalden sein könnte. Was könnte er gesagt haben? Formuliere einen Sprechblasentext (VT3). b) Wie reagierte Luzern auf den geplanten Überfall? Begründe die Reaktion (VT3, Q3).

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19 Das lange Leben des Wilhelm Tell

Q1 1950 wirbt Tell für die Partei der Arbeit.

Q2 Tell wirbt für Levi’s Jeans, 1973.

Tell & Co. Tell ist nicht nur Gegenstand der Geschichtswissenschaft, sondern zugleich ein symbolisches, psychologisches, mythisches und emotionales Thema. Die Politik hat es sehr früh verstanden, das Tellenbild zu nutzen. Alle gesellschaftlichen, politischen und ideologischen Strömungen, selbst die gegensätzlichsten, haben versucht, daraus Nutzen zu ziehen. Auch die Werbung hat sich Tells bemächtigt. Sie nimmt aus dem Tellbild das, was sie für werbewirksam hält. Auch in der Kultur spielt Tell immer wieder seine Rolle. Die Tellspiele in Altdorf gehören zur ältesten Tradition, die sich auf Schillers Theaterstück bezieht und dieses immer wieder neu interpretiert. Wilhelm Tell hat viele Gesichter und wird uns wohl noch lange begleiten.

Q3 In einem Inserat in der «Neuen Zürcher Zeitung» wirbt der von Hodler geschaffene Tell 1986 gegen einen UNO-Beitritt der Schweiz. 40

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Q4 Seit 1931 ist die Armbrust als Markenzeichen und internationale Schutzmarke registriert. Sie soll Qualität garantieren.

Q5 Tell wirbt für Butter aus Rahm von Käsereien. 1995 bis 2016 auf dem Markt.

Q6 Werbung für Tellspiele in Altdorf 2016.

Aufgaben 1 a) Welches Objekt oder welche Fotografie spricht dich am meisten an? Begründe deine Wahl. b) Zu welchem Objekt möchtest du mehr wissen? Formuliere eine Frage.

2 a) Wie wird Tell auf Q1 dargestellt? Beschreibe genau. b) Was will das Plakat Q1 aussagen? Formuliere eine Hauptaussage. c) Vergleiche den Tell auf Plakat Q1 mit dem Tell im Inserat Q2. Welche Unterschiede, welche Gemeinsamkeiten erkennst du?

3 Erkläre, was der Titel «Das lange Leben des Wilhelm Tell» ausdrücken will (Q1–Q6).

4 Überlege dir, wie du die Objekte Q1–Q6 ordnen könntest. Begründe deine Ordnung.

5 Hättest du eine eigene Idee, wofür Tell heute werben könnte? Mache eine Skizze.

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