Diogenes Magazin Nr. 15

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Diogenes

Magazin In (fast) jeder Ausgabe des Diogenes Magazin als kleines Geschenk (und zum Sammeln):

Diogenes Lesezeichen

Gratis-Probeexemplar bestellen! E-Mail an vertrieb@reportagen.com

Reportagen, Weltgeschehen im Kleinformat. Jeden zweiten Monat neu. Erhältlich im Buchhandel, an grossen Kiosken und im Abonnement. www.reportagen.com Zeichnung von Paul Flora

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Diogenes Magazin

Lesestoff für Entdecker

John Banville Friedrich Dönhoff Friedrich Dürrenmatt Friedrich Glauser Petra Hartlieb Lukas Hartmann Patricia Highsmith Dennis Lehane Petros Markaris Sławomir Mrożek Christian Schünemann Georges Simenon

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Nr.15 Frühling 2014

Diogenes

Magazin

Dennis Lehane Der Krimistar aus den USA

»Beim Krimiautor ist das Böse in guten Händen.« Loriot Krimi-Spezial mit Ingrid Noll, Martin Walker, Friedrich Dönhoff, Christian Schünemann, Patricia Highsmith und vielen anderen

Georges Simenon Zum Erscheinen von Band 50 der Ausgewählten Romane

4 Euro / 7 Franken

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04.10.13 17:26


Man munkelt Als Jugendlicher war Daniel Keel, der 1952 im Alter von nur 23 Jahren den Diogenes Verlag gründete, in seinem Innerschweizer Heimatort Einsiedeln Redakteur der lokalen Pfadfinderzeitung Haarus. Die beliebteste Rubrik der Zeitschrift, die der junge Redakteur höchstpersönlich schrieb, hieß ›Man munkelt‹. Hier wurden Interna aus der Pfadfindergruppe Einsiedeln ausgeplaudert. Diese Tradition wollen wir nun im Diogenes Magazin fortführen, versteckt hinter dem Lesezeichen auf der letzten Heftseite. Denn die Indiskretionen, die hier ausgeplaudert werden, sollen ja nicht von jedem gelesen werden.

Dank & Abschied

Goldene Diogenes Eule

Diogenes

Magazin

Daniel Kampa

4 Euro / 7 Franken

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Tonne

Doris Dörrie ist im September in Zürich mit der Goldenen Diogenes Eule ausgezeichnet worden. Bei der Zeremonie im Büro des Verlegers Philipp Keel unterhielt die Ausgezeichnete die Runde unter anderem mit herrlichen Anekdoten vom Filmset zu Alles inklusive in Torremolinos. Bisherige Eulenträger: Ian McEwan, Dick Francis, Urs Widmer, Martin Suter, Patrick Süskind, Donna Leon, John Irving, Ingrid Noll, Henry Slesar, Bernhard Schlink, Paulo Coelho, Tomi Ungerer, Barbara Vine, Jakob Arjouni, Leon de Winter und Martin Walker.

»Lesen ist ein großes Wunder. Was hast du vor dir, wenn du ein Buch aufschlägst? Kleine schwarze Zeilen auf hellem Grunde. Du siehst sie an, und sie verwandeln sich in klingende Worte, die erzählen, schildern, belehren.« Marie von Ebner-Eschenbach

Leserbrief

1964 – dieses Jahr ist ein ganz besonderes. Nein, die Deutschen wurden nicht Fußballweltmeister, sie flogen auch nicht zum Mond. Aber sie bekamen 1 357 304 Kinder – ein Rekord, der seit der Nachkriegszeit bis heute ungebrochen ist. Im Jahr 2014 wird dieser Jahrgang 50 Jahre alt – genauso wie Jan Josef Liefers, Ilse Aigner, Kai Diekmann, Johannes B. Kerner, Caroline Link, Nicole und viele andere Prominente. Zeit für ein Buch zum Fest, für eine Zeitreise und eine erste Bilanz. Mit Geschichten, Gesprächen, nostalgischen Betrachtungen und überraschenden Einsichten.

Jochen Arntz Stellvertretender Ressortleiter Seite Drei Theodor-Wolff-Preisträger 2013

Der Namensgeber des Verlags war ein großer Befürworter des einfachen Lebens, er lehnte jede Art von Besitz ab und warf seinen Becher fort, um bloß noch aus der hohlen Hand zu trinken. Und so war auch seine Behausung äußerst schlicht: Er schlief in einem Weinfass. Ein Trendsetter, wie es scheint: Seit einiger Zeit ist diese Übernachtungsart wieder sehr in Mode: so zum Beispiel in Fasshotels in Salgeschoder, einem Weindorf im Wallis; im südsteirischen Weingut Kögl; im Hotel Lindenwirt in Rüdesheim am Rhein oder in Campingparks in Bad Dürkheim und in Pleinfeld (siehe kleines Foto oben). Diogenes war auch Inspirationsquelle für ein weiteres Bauprojekt: Der berühmte italienische Architekt Renzo Piano hat seine ganz eigene Version der Diogenes-Tonne realisiert, auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein. Piano nennt diese Wohneinheit mit einer Grundfläche von 6 m² ›das kleinste Haus der Welt‹, ein hochkomplexes Gebilde, das in punkto Nachhaltigkeit und Energieeffizienz vorbildlich sei und »alle elementaren Funkionen temporären Wohnens unter einem Dach vereint«. Ab 2014 ist Pianos »Diogene« in drei verschiedenen Varianten bei Vitra erhältlich.

Zahl

1328 Seiten von und über Diogenes Autoren sind im Diogenes Magazin bis zur Ausgabe, die Sie in den Händen halten, erschienen. Als Chefredakteur dafür verantwortlich war Daniel Kampa (siehe nächste Spalte). Ab Mai 2014 wird das Diogenes Magazin unter der Verantwortung eines neuen Chefredakteurs erscheinen, gestaltet von einem neuen Grafikverantwortlichen. Wir freuen uns auf viele weitere abwechslungsreiche, amüsante, informative, verblüffende und kreative Diogenes Magazin Seiten.

Er hat über 100 erfolgreiche Anthologien herausgegeben, etliche Vor- und Nachworte zu Klassikern verfasst, das Haus immer wieder mit genialen Ideen verblüfft, die Treppen im Verlag durch sein Hoch- und Runterrasen zum Beben gebracht, die Kollegen zum Lachen und die ihn Suchenden schon mal zur Verzweiflung. Und er hat – nicht zuletzt – das Diogenes Magazin zum Leben erweckt. Nun hat Daniel Kampa den Diogenes Verlag gen hohen Norden verlassen. Bei Hoffmann und Campe (noch nicht Hoffmann und Kampa, aber das kann ja noch werden) tritt er als Verleger an. Zu seinem Abschied überreichte ihm das Haus mit Stolz sein ganz eigenes Magazin: das Daniel Magazin. Die Idee zu diesem Gesamtkunstwerk, an dem sich fast das ganze Haus mit Abschiedsworten, Erinnerungen, Zeichnungen und Rätseln beteiligte, hatten Catherine Bourquin und Cornelia Künne (Foto: die beiden bei der Arbeit, Cornelia Künne links), die beide ebenfalls mit großer Leidenschaft das Diogenes Magazin gestalteten und füllten und nun in neue Lebensbereiche aufgebrochen sind. Wir wünschen euch in Nah und Fern nur das Beste – vergesst die Sprecherstraße nicht und vergesst uns nicht!

Da wir umziehen mussten, also gezuegelt sind, war es notwendig am neuen Ort eine Buchhandlung zu finden, als geistige Heimat, wie ich sie in der frueheren Gegend hatte. Dort wurde mir auch immer das neueste Diogenesmagazin ausgehaendigt, das mir schon immer sehr gut gefallen hat und welches ich unbedingt wieder haben wollte. Ich besuchte also auf der Spur nach einer neuen Buchhandlung einen Laden in der Landkreishauptstadt, um nach der neuesten Ausgabe zu fragen. Die Buchhaendlerin antwortete mir nur kurz angebunden: »Wir bekommen nur 10 Exemplare«. Ich antwortete: »Ich will ja nur eines.« Also das war nichts. Tage spaeter fand ich an einem kleineren, fremdengewohnten Ort eine andere Buchhandlung und ich erkundigte mich nach der neuesten Ausgabe des Diogenesmagazin. Die freundliche Dame zeigte mir ihr Exemplar und wollte es mir uebers Wochenende ausleihen, ploetzlich sagte sie jedoch: »Sie koennen es auch behalten; es werden schon noch einige Exemplare bald mal nachkommen.« Nun hatte ich endlich mithilfe des Diogenesmagazin meine neue Buchhandlung gefunden. Mit freundlichen Gruessen nach Zuerich Siegfried Volkwein

Illustration: © Paul Flora

Ein Fest für Deutschlands stärksten Jahrgang.

Illustration: © Paul Flora; Fotos oben rechts und Mitte: © Diogenes Verlag; Foto links: © Bildquelle: © Steiner; Foto Cover Daniel Kampa Magazin: © Kilian Kessler

Sehr geehrter Herr Daniel Kampa,

Für 19,64 € überall im Handel, unter sz-shop.de oder 089 – 21 83 18 10 13_II_diomag15_lehane_umschlag.indd 5-8

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Erste Seite

»Beim Krimiautor ist das Böse in guten Händen.«

Foto Titelseite: Gaby Gerster / © Diogenes Verlag; Illustration: © 1959 Chas Addams. With Permission Tee and Charles Addams Foundation

Wir können Loriot nur beipflichten. Und hoffen, dass dieses, fast ganz dem Krimi-Genre gewidmete, Diogenes Magazin eine fesselnde Lektüre ist. Mittäter dafür sind bekannte Diogenes Krimiautorinnen und -autoren.

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Ersatz für das leidige

Editorial

»In Wirklichkeit sehe ich hier drunter ein bisschen aus wie Claudia Schiffer – wenn sie einen Bart und dicke Beine hätte und klein und dunkelhäutig wäre.« »Man hat mir tatsächlich Geld geboten, wenn ich die Burka ausziehe und mich zu erkennen gebe – so ähnlich wie bei Batman –, aber ich persönlich bin überzeugt, dass Bruce Wayne und ich für die Gesellschaft, der wir dienen, ein Geheimnis bleiben müssen.« »Für meine Begriffe wird Gesundheit überschätzt. Was heißt das denn, wenn man gesund ist? Nur dass man so langsam wie möglich stirbt.« »Wir haben die Wahl. Wir können uns entscheiden! Ein langes elendes Leben aus lauter ›Nein‹ oder ein kurzes glückliches, in dem man sagt: ›O ja, bitte gern – und die extragroße Portion Fritten, wo wir schon dabei sind!‹« 2

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Georges Simenon 18 war ein Romancier gigantischen Ausmaßes: unermüdlich im Schreiben, unerreicht in seiner Kunst, die Seelen der Menschen in wenigen Worten zu entblößen. Diogenes Verleger Daniel Keel erinnert sich an die erste Begegnung mit dem Balzac des 20. Jahrhunderts in Lausanne und den Beginn einer großen (Verleger-)Aufgabe.

Auszeichnung Petros Markaris 56 Die Goethe-Medaille wird für Verdienste um die Pflege der deutschen Sprache im Ausland und zur Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit verliehen – 2013 bekam sie verdientermaßen Petros Markaris. Die Laudatio von Christiane Schlötzer.

Impressum Vorschaufenster

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John Banville 20 kommt beim Nachdenken über Georges Simenon eine Frage in den Sinn: War er ein Mensch aus Fleisch und Blut? In seinem wunderbaren Essay geht der irische Autor und Literaturkritiker dieser Frage nach und für deren Beantwortung weit zurück in der Lebensgeschichte des Maigret-Erfinders: bis nach Liège – dem belgischen Heimatort –, wo bereits der sechzehnjährige Georges als Lokalreporter mit dem Schreiben begann und sich einem wilden Haufen junger Männer namens La Caque anschloss. Banville weiß außerdem von Simenons Frauen, Häusern, Reisen und von den tragischen Ereignissen zu berichten, die dessen Leben prägten und die, wie alles andere, Eingang in die rund 400 Romane fanden.

Interviews Friedrich Dönhoff und Christian Schünemann

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Hansjörg Schneider

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Foto links: © Robert Picard / Antenne 2, Paris; Foto rechts: © Alberto Cristofari / A3 / Contrasto / Dukas

Fast ein ganzes Diogenes Magazin zum Thema Krimi, das ist sicherlich sehr spannend, aber viel zu lachen gibt es dabei wohl nicht. Deshalb an dieser Stelle eine kleine Auswahl an Witzen aus dem neuen Roman Funny Girl von Anthony McCarten, der im Frühjahr 2014 bei Diogenes erscheinen wird. Die Hauptfigur darin ist eine junge Frau in London, die bekannt wird als erste muslimische Stand-up-Comedian – und dazu noch in einer Burka. Sehr lustig (und auch sehr spannend)!


Diogenes Magazin Nr. 15

lllustration links: © Paul Flora; Illustration oben: © Tomi Ungerer; Foto Mitte: © Li Erben / Kipa / Corbis / Dukas; Foto rechts: Gaby Gerster / © Diogenes Verlag

Inhalt

Lieblingskrimis 46 Was macht einen guten Krimi aus? Plot, Setting, der Schreibstil oder schlicht der Protagonist? Diogenes Krimiautoren schwärmen von ihren Lieblingen unter den Diogenes-Krimis.

Krimi-Who’s-Who Typologie 24 Detektiv, Kommissär oder Chef de police – so unterschiedlich die Bezeichnungen der Spürnasen sind, so unterschiedlich sind sie auch als Menschen.

Patricia Highsmith 38 ist bekannt dafür, nicht die zugänglichste und menschenfreundlichste Autorin gewesen zu sein. Doch kann es jedem widerfahren, über sie oder ihr alter Ego Tom Ripley zu stolpern und nicht mehr von ihnen loszukommen. So erging es auch dem spanischen Schriftsteller Enrique Vila-Matas, der sich noch genau erinnert, wann und wie er die Schneckenliebhaberin entdeckte und wie ihn schon diese erste, wenn auch einseitige Begegnung zum Mondsüchtigen werden ließ.

Rubriken Nachdenken über den Kriminalroman

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Kopfnüsschen

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Eine Autorin – Eine Stadt Wien mit Petra Hartlieb

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Krimi-Lesefrüchtchen Literarisches Kochen Mit Donna Leon

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Die einsame Insel Lukas Hartmann

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Wer schreibt hier? Gewinnspiel

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Mag ich – Mag ich nicht Martin Suter

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4 Dennis Lehane ist hierzulande hauptsächlich durch die Verfilmungen seiner Bücher, unter anderem Shutter Island und Mystic River, bekannt. Der Diogenes Verlag darf Dennis Lehane mit seinem gerade erschienenen Roman In der Nacht nun endlich zu seinen Autoren zählen. Ein Grund mehr, den Bestsellerautor und sein Leben besser kennenzulernen. Sein Übersetzer Sky Nonhoff gibt uns Einblick über Herkunft und Werdegang des Bostoners zwischen Arbeiterkneipen und der Bibliothek der Jesuitenschule, Limousinenservice und Anrufen von Clint Eastwood. Außerdem: ein exklusiver Vorabdruck aus Dennis Lehanes neuem Roman.

Nachruf Sławomir Mrożek 54 ist mit 83 Jahren in Nizza gestorben. Marta Kijowska erinnert an die so unterschiedlichen Etappen und Schicksalsschläge im Leben des großen polnischen Dramatikers und Erzählers. Diogenes Magazin

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Foto: Gaby © NN Gerster / © Diogenes Verlag


Porträt

Dennis Lehane

Alle Vergangenheit ist Prolog Wenn er nicht gerade mit Clint Eastwood oder Martin Scorsese zum Lunch verabredet ist, schreibt Dennis Lehane Romane. Für seine epische Gangster-Elegie In der Nacht wurde der Bostoner Bestsellerautor erst kürzlich mit dem Edgar Award für den besten Kriminalroman ausgezeichnet. Dabei gab es in seinem Elternhaus keine Bücher. Ein Porträt von seinem Übersetzer Sky Nonhoff.

Illustration: © Tomi Ungerer

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m Frühjahr 2001 erhielt Dennis Lehane einen Anruf von seiner Literaturagentin – ein Regisseur aus Hollywood interessiere sich für seinen letzten Roman und habe um Rückruf gebeten. »Nun ja«, erinnert sich Lehane, »er ging direkt dran, und nach fünfzehn oder zwanzig Sekunden dachte ich: Moment mal, du sprichst gerade mit Clint Eastwood! Das ist kein Traum. Jedenfalls brachte ich kein einziges vernünftiges Wort mehr heraus. Und dann sagte er: ›Ach ja, wäre nett, wenn Sie in Ihrem nächsten Buch auch eine kleine Rolle für einen älteren Herrn wie mich unterbringen könnten.‹« Lehanes Mutter Ann war völlig aus dem Häuschen, als er ihr von dem Anruf erzählte. Nur sein Vater Mike runzelte mürrisch die Stirn: »Wer ist dieser Eastwood? Hat der in Bonanza mitgespielt?« Aufgewachsen ist der bullige Autor mit den blassblauen Augen im Bostoner

Arbeiterviertel Dorchester, einer »rau- Schriftsteller geworden. Wenn die hen Gegend, in der man schnell Ärger Männer am Tresen hockten und Geschichten zum Besten gaben, ging es bekommen kann, wenn man jemanden schräg von der Seite ansieht«. Lehanes nicht zuletzt darum, wer die verweVater arbeitete im Lager des Versand- genste, die lustigste, die authentischste hauses Sears & Roebuck, seine Mutter Story zu bieten hatte. Es war wie Jazz in einer Cafeteria. »Meine Eltern wa- – alle improvisierten und fabulierten, ren so irisch, dass man quasi noch den um ihre Storys immer noch einen Tick Torf auf dem Feuer roch«, so Lehane. weiter zu veredeln.« Nach der Schule schmeißt Lehane »Wenn ich nach Hause kam, verließ ich erst ein Lehramts-, dann ein Journalisdas Boston der 70er und befand mich urplötzlich im erzkatholischen Irland mus-Studium. Das professionelle Handder 40er Jahre.« werk des Erzählens lernt er schließlich Literatur galt bei den Lehanes als am Eckerd College in St. Petersburg, überflüssiger Zeitvertreib. Außer einem Florida, wo er sich für ein Creativemehrbändigen Universallexikon gab es Writing-Programm einschreibt und zudort keine Bücher; Romane musste nächst in die literarische Falle tappt, in sich der junge Dennis in der Bibliothek die so viele Anfänger schliddern: »Ich der Jesuitenschule ausleihen, die er in machte andere nach, war nichts anderes den 70ern besuchte. Erzähler ganz als ein weiterer Don-DeLillo-Imitator.« anderer Art lernte er kennen, wenn er Während das Gros seiner Kommiseinen Vater am Wochenende auf das litonen weiter Nabelschau betreibt eine oder andere Guinness in die nächs- oder den Ennui der amerikanischen te Bar begleitete. »Ohne Dorchester Mittelschicht auszuloten versucht, und seine Kneipen wäre ich wohl nie strebt Lehane nach Handfesterem, Diogenes Magazin

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Doch zwei Tage nachdem seine Agentin einen Verlag gefunden hat, steht Lehanes Entscheidung ein für alle Mal fest. »Ich hatte gar keine andere Wahl. Wenn ich als gescheiterter Schriftsteller nach Dorchester zurückkehrte, würde ich über kurz oder lang in irgendeiner Bar als Zapfer hinter dem Tresen stehen und mir das Geflachse der Gäste anhören müssen: ›He, Hemingway, mach mir noch ’n Bier.‹« Anfangs fährt Lehane noch für einen Limousinenservice, während er zwischen 1996 und 1999 einen Roman pro Jahr schreibt, darunter Gone, Baby, Gone, einen Genre-Klassiker, der knapp ein Jahrzehnt später von Ben Affleck mit großem Erfolg verfilmt wird. »Ich hatte eine Zweizimmerbude und eine Schrottkarre vor der Tür stehen. Ich lebte den amerikanischen Traum, aber wie!« Und dann schnellten die Verkaufszahlen seiner Bücher urplötzlich in die Höhe, als die Presse Bill Clinton beim Aussteigen aus der Air Force One knipste – mit Lehanes Roman Prayers for Rain in der Hand.

»Noch so etwas, wofür ich ihm über alle Maßen dankbar bin.« Lehanes endgültiger Durchbruch kam zwei Jahre später mit der Tragödie Mystic River, einem ebenso melancholischen wie erbarmungslosen Blick ins dunkle Herz der amerikanischen Familie. Die Geschichte dreier irisch-amerikanischer Freunde, die ihrer Vergangenheit nicht entkommen können, erhielt enthusiastische Kritiken und erklomm unmittelbar nach Erscheinen die Bestsellerlisten. Und dann rief Clint Eastwood an. Ob die Filmrechte an Mystic River noch zu haben seien. Vom Glasscherbenpflaster Dorchesters auf die roten Teppiche von Hollywood: Nur Dennis Lehane selbst hatte das Gefühl, ganz unten angekommen zu sein. »Zur selben Zeit ging meine erste Ehe in die Brüche. Ein Freund fragte mich, wie es sei, auf einer derartigen Erfolgswelle zu surfen. Worauf ich sagte: ›Mit meiner Frau ist Schluss, und ich bin gerade zu Hause ausgezogen – worüber, zum Teufel,

Foto: Gaby Gerster / © Diogenes Verlag

nun beeinflusst von Richard Price, James Crumley und James Lee Burke. Mit 25 schreibt er in nur drei Wochen seinen ersten Roman, in dem er erstmals sein Ermittler-Duo Patrick Kenzie und Angela Gennaro auf die schäbigen Straßen von Dorchester schickt. In A Drink Before the War geht es um die Bostoner Unterwelt, Rassismus, Bandenkriege und Kindesmissbrauch, und nebenbei glänzt Lehane bereits als kleiner Meister des verbalen Schlagabtauschs – mit höchst pointierten Dialogen, die deutlich erkennen lassen, wie genau er als kleiner Junge in den irischen Kneipen seines Viertels gelauscht hat. Drei Jahre lang feilt Lehane unermüdlich an seinem Debüt, während er nebenbei als Sozialarbeiter traumatisierte Kinder betreut und ihm sein Vater Mike ein ums andere Mal die Flausen auszutreiben versucht: »Alle naselang lag er mir damit in den Ohren, dass bei der Post händeringend Leute gesucht würden. Das war seine Vorstellung von einer anständigen Arbeit.«


Foto: Gaby Gerster / © Diogenes Verlag

soll ich mich also freuen?‹ Nicht dass ich mich darüber beklagen würde, gelegentlich ein Steak mit Clint Eastwood zu essen. Aber in dem Moment wollte ich einfach nur mein altes Leben zurück.« Mit dem literarischen Spiegelkabinett Shutter Island – wiederum einem Millionenseller, der kurz darauf von Regie-Legende Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle verfilmt wurde – trieb Lehane die Dämonen seiner gescheiterten Ehe aus. Vordergründig eine kühne Mischung aus Polizeithriller und Schauerroman, in der zwei Polizisten den bizarren Vorkommnissen in einem Irrenhaus auf den Grund zu gehen versuchen, handelt es sich um Lehanes persönlichstes Werk: »Ich war in eine Sackgasse geraten, und mein Leben geriet immer weiter aus den Fugen. Im Mittelpunkt von Shutter Island steht ein Mann, der am Ende ist und verzweifelt herauszufinden versucht, ob er je wieder an die Liebe glauben kann.« Unter der Oberfläche aller LehaneRomane liegt stets die gleiche tückische Strömung: »Alle Vergangenheit ist Prolog. Niemand kann seinem Wesen entkommen, niemand dem Gestern entfliehen.« Was ebenso für die letzten beiden Romane des Bostoner Autors gilt. Nach The Given Day, seinem ersten epischen Abstecher auf das Terrain des historischen Romans, hat er mit In der Nacht einen zur Prohibitionszeit spielenden Gangster-Roman vorgelegt, der natürlich auch eine Hommage an die James-Cagney-Filme darstellt, die er als Kind abends bei seinem Onkel sehen durfte. Erst kürzlich mit dem Edgar Award als bester Roman des Jahres ausgezeichnet, ist auch In der Nacht eine durch und durch irische Geschichte von Vätern und Söhnen, Autorität und Aufbegehren, Konflikt und Verlust. Die Sonne fällt durch sein Bürofenster, das auf ein paar heruntergekommene Bungalows und zerzauste Palmen hinausgeht. An der Wand hängt ein großformatiges, gerahmtes Foto, auf dem er im ernsten Zwiegespräch mit Leonardo DiCaprio am Set von Shutter Island zu sehen ist. Aber da ist noch ein anderes Foto, das weit mehr Bedeutung haben dürfte.

Dennis Lehane, 48, ist Vater geworden. Wenn Lehane früher gefragt wurde, ob er Kinder habe, pflegte er stets im Stil eines richtig hartgesottenen Autors zu antworten: »Wir haben schon Hunde.« Nun klingt er ganz anders, wenn seine Gedanken zu seiner mittlerweile knapp vierjährigen Tochter schweifen. Die Kleine weiß, was er kann. Und sie weiß, was sie will. Neulich hat sie sich wieder einmal über das Babyfon gemeldet, während er unten vor dem Fernseher saß. Daddy, ich habe Durst. Daddy, ich muss Pipi. Daddy, ich habe Bauchschmerzen. Als er zum dritten Mal ins Kinderzimmer hinaufging, sagte er: »Schatz, du hast keinen Durst. Du musst nicht aufs Klo, und du hast auch keine Bauchschmerzen. Also, was willst du wirklich?« Sie sah ihn mitleidig an, als sei er ein bisschen schwer von Begriff. Aber dann hellte sich ihr Gesicht plötzlich auf. »Ich will, dass du mir drei Geschichten erzählst.«

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Buchtipp

592 Seiten, Leinen ISBN 978-3-257-06872-6 Auch als Diogenes E-Book

Das Amerika der Prohibition: Die Korruption grassiert, die Gewalt eskaliert, man tanzt den Swing, der Alkohol fließt in Strömen, und ein Mann will ganz nach oben: Joe Coughlin, Sohn eines Polizeibeamten. Dies ist die Geschichte eines unaufhaltsamen Aufstiegs in der Welt des organisierten Verbrechen, eine Geschichte von Liebe und Hass, Gewalt und Verrat. »Das ist nicht nur ein brillanter Krimi, sondern ein brillantes Buch. Punkt.« The Independent, London

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Foto: Š Trevor Payne / Trevillion Images


Vorabdruck

Dennis Lehane

In der Nacht 1926. Es sind die Zeiten der Prohibition, in Boston fließt der Alkohol, die Korruption greift um sich, Vertrauen gibt es keines mehr. Mitten drin: Joe Coughlin, Sohn eines Polizeibeamten, der seinen amerikanischen Traum in Gangsterkreisen sucht und die Liebe kennenlernt. In der Nacht – ein atemloses Epos von großer sprachlicher Wucht, eine bewegende Geschichte um Geld und Macht, um Liebe und Rache, schon jetzt »ein Klassiker über die Unterwelt« (Washington Times).

Illustration: © Tomi Ungerer

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in paar Jahre später fand sich Joe Coughlin auf einem Schlepper im Golf von Mexiko wieder. Seine Füße steckten in einem Block Zement. Zwölf bewaffnete Kerle warteten darauf, dass sie endlich weit genug draußen waren, um ihn über Bord werfen zu können, während Joe dem Tuckern des Motors lauschte, den Blick auf das schäumende Kielwasser gerichtet. Und plötzlich kam ihm der Gedanke, dass sein Leben – im positiven wie im negativen Sinne – nicht halb so bemerkenswert verlaufen wäre, hätte ihn das Schicksal an jenem Morgen nicht mit Emma Gould zusammengeführt. Sie begegneten sich kurz nach Morgengrauen, an einem Tag im Jahre 1926, als Joe und die Bartolo-Brüder die Spielhölle im Hinterzimmer eines Speakeasy in South Boston ausraubten. Als sie den Fuß über die Schwelle setzten, hatten Joe und die Bartolos keine Ahnung, dass auch dieses Speakeasy Albert White gehörte. Ansonsten hät-

ten sie auf dem Absatz kehrtgemacht und die Beine in die Hand genommen. Die Hintertreppe war kein Problem. Auch die Bar, die sich zusammen mit dem Kasino im hinteren Teil eines Möbellagers am Hafen befand, passierten sie ohne Zwischenfall; Joes Boss, Tim Hickey, hatte ihm versichert, dass der Laden ein paar harmlosen Griechen gehörte, die kürzlich aus Maryland zugezogen waren. Doch als sie das Hinterzimmer betraten, war dort eine Pokerrunde in vollem Gange; über den fünf Spielern, die bernsteinfarbenen Whiskey aus schweren Kristallgläsern tranken, hing ein grauer Teppich aus Zigarettenrauch. In der Mitte des Tischs stapelte sich ein beachtlicher Haufen Geld. Keiner der Männer sah griechisch aus. Oder harmlos. Da sie ihre Anzugjacken über die Stuhllehnen gehängt hatten, waren die Waffen an ihren Hüften deutlich zu sehen. Als Joe, Dion und Paolo mit gezückten Pistolen

den Raum betraten, griff keiner von ihnen nach seiner Waffe, doch Joe sah genau, dass zwei, drei von ihnen durchaus mit dem Gedanken spielten. Eine junge Frau war gerade dabei, Drinks zu servieren. Sie stellte das Tablett auf dem Tresen ab, nahm ihre Zigarette aus einem Aschenbecher und zog daran; mit einem Gesichtsausdruck, als fiele es ihr schwer, angesichts der drei Pistolen ein Gähnen zu unterdrücken. Und sonst habt ihr nichts zu bieten, Jungs? Joe und die Bartolos hatten ihre Hüte tief in die Stirn gezogen und trugen schwarze Tücher über Mund und Nase. Eine gute Idee, denn hätte sie einer der Männer erkannt, hätten sie bestenfalls noch einen halben Tag zu leben gehabt. Ein Spaziergang, hatte Tim Hickey gesagt. Ihr schlagt bei Morgengrauen zu, wenn sich bloß noch ein paar müde Gestalten im Hinterzimmer herumtreiben. Diogenes Magazin

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»Und Sie kommen hierher, Miss«, sagte Joe zu dem Mädchen. »Keine Angst, wir tun Ihnen nichts.« Sie drückte ihre Zigarette aus und blickte ihn an, als spiele sie mit dem Gedanken, sich eine neue anzustecken, sich vielleicht sogar noch einen frischen Drink einzuschenken. Dann durchquerte sie den Raum, eine junge Frau in seinem Alter, um die zwanzig, mit Winteraugen und so blasser Haut, dass er meinte, bis auf ihre Adern und das Gewebe hindurchsehen zu können. Während sie auf ihn zukam, nahmen die Bartolo-Brüder den Spielern ihre Waffen ab. Mit dumpfem Geräusch landeten die Pistolen auf dem unweit entfernten Blackjack-Tisch, doch das Mädchen zuckte nicht mal mit der Wimper, während hinter ihren dezembergrauen Augen helle Flammen zu lodern schienen.

Sie blieb direkt vor ihm stehen, ohne seiner Waffe Beachtung zu schenken, und sagte: »Und was darf ich dem Herrn zu seinem Überfall servieren?« Joe reichte ihr einen der zwei Leinensäcke, mit denen er hereingekommen war. »Das Geld, das dort auf dem Tisch liegt, bitte sehr.« »Kommt sofort, der Herr.« Während sie zum Tisch zurückging, förderte er ein Paar Handschellen aus dem anderen Sack zutage. Dann warf er ihn Paolo zu, der sich über den ersten Spieler beugte und ihm die Hände auf den Rücken fesselte und sich gleich darauf den nächsten vornahm. Mit dem Arm schob das Mädchen den Pot zusammen – Joe sah, dass dort nicht nur Dollarnoten, sondern auch teure Armbanduhren und allerlei Schmuck lagen – , ehe sie auch das Geld zusammenklaubte, das vor den Spielern gelegen hatte. In der Zwischenzeit fesselte Paolo auch die anderen Männer

und machte sich anschließend daran, einen nach dem anderen zu knebeln. Joe ließ den Blick durch den Raum schweifen – hinter ihm befand sich das Rouletterad, an der Wand unter der Treppe stand der Craps-Tisch. Er zählte drei Blackjack-Tische und einen Baccarat-Tisch. Sechs Spielautomaten nahmen die hintere Wand ein. Von einem Dutzend Telefonen auf einem niedrigen Tisch war jederzeit das nächste Wettbüro zu erreichen; auf einer Tafel konnte er die Namen der Pferde lesen, die am Vorabend beim zwölften Rennen in Readville gestartet waren. Abgesehen von der Tür, durch die sie hereingekommen waren, gab es nur eine weitere, auf der sich ein mit Kreide geschriebenes T befand – die Toilette, wie er annahm, da Leute, die tranken, zwischendurch auch mal eine Stange Wasser wegstellen mussten. Nur dass Joe auf dem Weg durch die Bar bereits an zwei Toiletten vorbeigekommen war, also mehr als genug. Außerdem hing vor diesem Klosett ein Vorhängeschloss. Er sah zu Brenny Loomis, der gefesselt und geknebelt auf dem Boden lag, aber genau beobachtete, wie sich die Rädchen in Joes Kopf zu drehen begannen, während Joe wiederum genau sah, wie es in Loomis’ Oberstübchen arbeitete. Und in diesem Moment wusste er eines ganz sicher – dass sich hinter der Tür nie und nimmer eine Toilette befand, was ihm beim Anblick des Vorhängeschlosses ohnehin klar gewesen war. Sondern der Geldzählraum. Albert Whites Geldzählraum. Und gemessen daran, dass Tim Hickeys Spielhöllen die letzten zwei Tage nur so gebrummt hatten – es war das erste, ausgesprochen kühle Oktoberwochenende – , vermutete Joe, dass hinter jener Tür ein kleines Vermögen auf sie wartete. Albert Whites kleines Vermögen. Das Mädchen trat zu ihm und reichte ihm dem Sack mit der Poker-Beute. »Ihr Dessert, Sir«, sagte sie. Er konnte kaum glauben, wie gelassen sie wirkte. Sie blickte ihn nicht nur an, sie sah gleichsam durch ihn hindurch. Er war fest davon überzeugt, dass sie sein Gesicht trotz der Maskierung und des

Illustration: © Tomi Ungerer

Und nun sahen sie sich fünf bewaffneten Gangstern gegenüber. »Ihr wisst, wem der Laden hier gehört?«, fragte einer der Spieler. Joe hatte den Mann noch nie gesehen, aber den Kerl neben ihm kannte er – Brenny Loomis, Ex-Boxer und einer von Albert Whites Leuten, Tim Hickeys größtem Rivalen im SchwarzbrennerGeschäft. Seit neuestem ging das Gerücht, dass Albert kistenweise Thompson-Maschinenpistolen für einen bevorstehenden Bandenkrieg hortete. Es hieß: Wer auf der falschen Seite stand, stand schon mit einem Bein im Grab. »Solange hier keiner Dummheiten macht, passiert auch niemandem was«, sagte Joe. Der Mann neben Loomis ergriff abermals das Wort. »Ich habe dich gefragt, ob du weißt, wem die Bude hier gehört, du Vollidiot.« Dion Bartolo schlug ihm mit der Pistole ins Gesicht, so hart, dass er blutend von seinem Stuhl fiel. Was allen anderen anschaulich vor Augen führte, dass das nicht sonderlich erstrebenswert war. »Alle auf die Knie, und Hände hinter den Kopf«, sagte Joe. »Das Mädchen kann stehen bleiben.« Brenny Loomis sah Joe herausfordernd an. »Wenn das hier vorbei ist, rufe ich deine Mutter an, Junge. Damit sie schon mal deinen Sarg bestellen kann.« Loomis war ein ehemaliger Vereinsboxer, der des Öfteren in der Mechanics Hall gekämpft hatte; ihm wurde nachgesagt, er habe einen Schlag wie ein Sack Billardkugeln. Er tötete im Auftrag von Albert White. Bislang zwar nur gelegentlich, aber die Leute munkelten, dass er bei Bedarf sicher auch nichts gegen eine Vollzeitstelle einzuwenden hatte. Als Joe in Loomis’ winzige braune Augen sah, machte er sich fast in die Hose, doch er deutete trotzdem mit seiner Pistole auf den Boden, einigermaßen verblüfft darüber, dass seine Hand nicht zitterte. Brendan Loomis verschränkte die Hände hinter dem Kopf und ging auf die Knie. Und nachdem er nachgegeben hatte, gaben auch die anderen klein bei.


Illustration: © Tomi Ungerer; Foto: Gaby Gerster / © Diogenes Verlag

tief in die Stirn gezogenen Hutes genau erkennen konnte. Eines Morgens würde er beim Zigarettenholen plötzlich ihre Stimme hinter sich hören: »Das ist der Kerl!« Ihm würde nicht mal Zeit bleiben, die Augen zu schließen, bevor die Kugeln seinen Körper trafen.

Er nahm den Sack entgegen und ließ ein weiteres Paar Handschellen von seinem Zeigefinger baumeln. »Drehen Sie sich um.« »Ja, Sir. Selbstverständlich, Sir.« Sie wandte sich um und legte die Hände auf den Rücken, presste die Knöchel gegen das Steißbein. Ihre Fingerspitzen befanden sich genau über ihrem Hintern, während Joe jäh aufging, dass jetzt weiß Gott nicht der richtige Moment war, sich auf irgendeinen Mädchenhintern zu konzentrieren, Schluss, aus. Er ließ die erste Fessel einrasten. »Keine Angst, ich ziehe sie nicht zu fest an.« »Machen Sie sich keine Umstände.« Sie warf einen Blick über die Schulter. »Aber es wäre schön, wenn ich keine blauen Flecken bekommen würde.« Du lieber Himmel. »Wie heißen Sie?« »Emma Gould«, sagte das Mädchen. »Und Sie?« »Nummer eins.« »Bei den Girls? Oder bloß bei den Cops?« Er konnte nicht mit ihr herumplänkeln und gleichzeitig den Raum im Auge behalten, und so drehte er sie zu sich um und zog einen Knebel aus der Tasche. Die Knebel waren Socken, die Paolo in dem Woolworth’s geklaut hatte, wo er sonst arbeitete. »Sie wollen mir eine Socke in den Mund stopfen?« »Ja.« »Eine Socke? In meinen Mund?« »Brandneu und unbenutzt«, sagte Joe. »Ehrenwort.«

Ihre hochgezogene Augenbraue hatte dieselbe Farbe wie ihr Haar, das wie angelaufenes Messing schimmerte und weich wie Hermelin aussah. »Ehrlich, ich würde Sie nicht anlügen«, fuhr Joe fort, und in diesem Moment fühlte es sich wie die Wahrheit an. »Das sagen meistens die, die’s doch tun.« Sie öffnete den Mund wie ein Kind, das den Widerstand gegen einen Löffel bittere Medizin aufgab, und Joe überlegte, was er noch sagen konnte, aber ihm wollte ums Verrecken nichts einfallen. Vielleicht konnte er ihr ja eine Frage stellen. Nur, um noch mal ihre Stimme zu hören. Ihre Augen traten leicht hervor, als er ihr die Socke in den Mund drückte. Als sie das Klebeband in seiner Hand sah, schüttelte sie den Kopf und versuchte, die Socke auszuspucken, doch darauf war er vorbereitet, presste ihr die Hand auf den Mund und strich die Enden auf ihren Wangen glatt. Sie blickte ihn an, als wäre die ganze Situation bis zu diesem Zeitpunkt völlig unverfänglich – ja, sogar reizvoll – gewesen, doch nun hatte er mit einem Mal den Bogen überspannt und alles verdorben. »Fünfzig Prozent Seide«, sagte er. Abermals zog sie die Augenbraue hoch. »Die Socke«, sagte er. »Und jetzt da rüber.« Sie kniete neben Brendan Loomis nieder, der Joe die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen hatte, keine einzige Sekunde lang. Joe ließ den Blick in aller Ruhe über die Tür zum Geldzählraum und über das Vorhängeschloss schweifen, um ganz sicherzugehen, dass Loomis es auch mitbekam. Dann sah er Loomis in die Augen, der dumpf zurückstierte, während er darauf wartete, was nun folgen würde. Joe hielt seinem Blick stand. »Lasst uns abhauen, Jungs«, sagte er. »Die Sache ist gelaufen.« Loomis schloss ein Mal die Augen, ganz langsam, und Joe betrachtete das als Friedensangebot – zumindest potentiell. Und dann machten sie sich im Eiltempo aus dem Staub.

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Aus dem Amerikanischen von Sky Nonhoff

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Schaufenster

Loriot Weine abgezapft und originalverkork(s)t Und es gibt sie doch, die berühmten Weine aus Loriots Kult-Sketch Vertreterbesuch! »Von deutschen Sonnenhügeln frisch auf den Tisch« sind die Oberföhringer Vogelspinne, das Hupfheimer Jungferngärtchen und der Klöbener Krötenpfuhl passend zum 90. Geburtstag von Loriot nach einer Idee des Bremer Roten Kreuzes zum Leben erweckt worden. Erzeuger und Abfüller ist das Weingut vom DRK-Sozialwerk Bernkastel-

Wittlich, eine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen. Die LoriotWeine stammen aus ausgesuchten, erstklassigen Mosellagen. Der Erlös kommt der ehrenamtlichen Arbeit des Bremer Roten Kreuzes zugute. Als besondere Zugabe hat das Rote Kreuz – passend zum Buch – eine Spätlese aufgelegt. Alle Weine sind im Fachhandel erhältlich oder unter www.pahlgruberundsoehne.de zu bestellen. Wohlsein!

Diogenes weltweit

Schlaflose Nächte Medienschrank, der rund um die Uhr mit einem gültigen Bibliotheksausweis geleert werden kann. Die Bibliothek für Schlaflose enthält ein wechselndes Angebot an DVDs, CDs und Büchern – darunter selbstverständlich auch das Schlaflose-Nächte-Buch.

Wer nicht schlafen kann, hat immerhin Zeit zum Lesen, zum Beispiel das Diogenes Schlaflose-Nächte-Buch, das traumhaft schöne Geschichten von Autoren wie John Irving, Bernhard Schlink oder Doris Dörrie versammelt. Wer dieses Diogenes Buch nicht auf seinem Nachtisch liegen hat und keinen Schlaf findet, dem kann in Stuttgart geholfen werden. Denn die Stadtbibliothek Stuttgart hat eine Bibliothek für Schlaflose eingerichtet: einen 12

Diogenes Magazin

Diogenes Taschenbuch detebe 24066, 400 Seiten

Illustration oben: © Tomi Ungerer; Illustrationen mitte: © Loriot; Illustration unten: © F.K. Waechter; Foto unten: © Jagat Eberding

Das Diogenes Magazin gibt es gratis in der Buchhandlung Ihres Vertrauens – und zwar an genau 2631 Standorten: vor allem natürlich in Deutschland, Österreich und der Schweiz, aber auch in Luxemburg, Liechtenstein und Italien (im Südtirol) und in deutschsprachigen Buchhandlungen in Madrid (Libreria Alemana Auryn) und Paris (Librairie Marissal). Man kann das Diogenes Magazin auch abonnieren, wobei der Abopreis die Bearbeitungsund Portokosten deckt. Fast 3 000 Abonnenten hat das Magazin mittlerweile: Es gibt Abonnenten in Frankreich, Italien, Griechenland, Ungarn, Dänemark, Belgien, den Niederlanden, Kroatien, in Paraguay und Peru. Den weitesten Weg muss das Diogenes Magazin dreimal jährlich nach Australien nehmen, wo die ehemalige DiogenesMitarbeiterin Gladys Lardelli, die 2003 in Rente gegangen ist, lebt. (Liebe Gladys: Herzliche Grüße nach Down Under – Dein Abo ist ab sofort gratis!)


Worstseller Alle reden von Bestsellern, reden wir einmal von Worstsellern. 2006 erschien zum ersten Mal die Diogenes Worstseller-Liste mit den neun schlechtestverkauften Diogenes Büchern des Jahres 2005 (siehe dazu auch das Diogenes Magazin Nr. 1 vom Sommer 2009). Dass sich ein Buch schlecht verkauft, kann auch dem größten Autor passieren. Das gilt zum Beispiel für Goethe und seinen West-östlichen Diwan. 191 Jahre soll es gedauert haben, bis die gesamte erste Auflage verkauft war, pro Jahr fand das Buch selten mehr als zwei Käufer. Ein anderes Beispiel: Stendhal war zu Lebzeiten unbekannt, und seine Bücher wurden so wenig gelesen, dass er in seinen letzten Roman, das Meisterwerk Die Kartause von Parma, die Widmung setzen ließ: »To the happy few«. Wir haben unsere WorstsellerListe aktualisiert und präsentieren die Top 9 der Diogenes Ladenhüter 2012: zum Entdecken und Wiederentdecken (für die »happy few«) oder auch zum Nichtbestellen und Nichtlesen (für alle anderen).

DIOGENES Worstseller 2012 Muriel Spark Junggesellen

Muriel Spark Ju un nggesellen Rooman · Diogen nees

Nachruf auf Ludwig L udwig d i Marcuse

Ludwig Marcuse

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Nachruf auf Ludwig Marcuse

Hugo Loetscher Die Papiere des Immunen

Hugo Loetsc cher Die Papiere dees Imm m unen Roman om o · Diiogen nees

Balzac

Balzac Geliebtes Leben Ein Breevier

Geliebtes Leben

Dashiell Hammett Das Dingsbums Küken

Diiogen nees

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Liam O'Flaherty

Liam O’Flaherty Sillbervoggel und n an nd dere Meeiistererzählungen

Silbervogel

Molière Illustration: © Paul Flora

Die Schule der Frauen

Dioggenes

Molière

Die Scchule der Frrauen Kritik der ›Scchule der Frrauen‹ Die Scchule der Ehemänner Deutsch von Han ans Weigel

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G.K.Chesterton

G. K. Chesterton Die seltsamen Scchritttte Pater Brown Stories

Die seltsamen Schritte

Brian Moore Hetzjagd

1 verkauftes Exemplar 2012

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4 verkaufte Exemplare 2012

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12 verkaufte Exemplare 2012

3

16 verkaufte Exemplare 2012

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23 verkaufte Exemplare 2012

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30 verkaufte Exemplare 2012

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45 verkaufte Exemplare 2012

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63 verkaufte Exemplare 2012

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74 verkaufte Exemplare 2012

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Ludwig Marcuse

Diiogenes

Brian Moore Heettzja ag gd

Ro oman · Diogen nees

Jedes Jahr zehn spannende Premieren abo @ du-magazin.com +41 71 272 71 80 www.du-magazin.com

Die Zeitschrift der Kultur

»To the happy few.« Diogenes Magazin

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Dürrenmatt Der Verdacht

Dürrenmatt Das Versprechen

Roman · Diogenes

Roman · Diogenes

Roman · Diogenes

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Foto: © RDB NN / ATP

Dürrenmatt DerRichter und sein Henker


Biographischer Essay

Peter Rüedi

Dürrenmatts Kriminalromane Friedrich Dürrenmatt misstraute den sogenannten Kunstidealen. Sein Verhältnis zum Schreiben war ein handfestes. So wird es ihn sehr gereizt haben, als der Schweizerische Beobachter ihn um einen Fortsetzungskrimi bat, ermöglichte ihm dieser Auftrag doch, »Kunst da zu tun, wo niemand sie vermutet«. Der Dürrenmatt-Biograph Peter Rüedi führt uns durch den Kosmos der Dürrenmatt’schen Kriminalromane.

Illustration: Friedrich Dürrenmatt, © Erben Dürrenmatt

D

ürrenmatt selbst hat sich immer geweigert, zwischen Haupt- und Gelegenheitswerken zu unterscheiden. Von seinen größten Erfolgen sprach er mit Herablassung, ja geradezu Missachtung, zu seinen größten Misserfolgen stand er mit der Liebe eines Vaters für missratene Kinder. Schriftstellerische Arbeit als Beruf: Deutlicher noch als in den Hörspielen war für ihn die Trivialform des Kriminalromans die Herausforderung, »Kunst da zu tun, wo niemand sie vermutet«. Seine Lust an der Verkappung im Trivialen, die Ablenkung von Konstruktionen und Konzeptionen, notfalls noch durch die banalsten Scherze und klapprigsten Kalauer – als bewusste Strategien irrlichtern sie durch sein ganzes Werk, mit Ausnahme der frühen Prosa. Besonders in seinen Kriminalromanen führte Dürrenmatt also einen Kampf gegen ein Kunstideal, das er als

Hohlform beargwöhnte und in welchem er eine Anmaßung der Kunst gegenüber der Wirklichkeit sah. Einen Akt der Hybris: Kunst als Religionsersatz mit dem damit verbundenen Priestertum, der Aura, der Weihe und der Gleichsetzung von idealistischer Ästhetik und Wahrheit (»das Wahre, Gute und Schöne«). Und, andererseits, Kunst als Absolutsetzung der Ästhetik, als eine Form von Nihilismus. Er erkannte die Trivialform (wie die Parodie) als Chance, den Mythos in die Gegenwart zu retten. Die Möglichkeit der »Kunst über die Bande« und als Angriff auch gegen ein Kunstideal, das auf Perfektion zielt. Auf »Vollkommenheit«. Es ist unschwer einzusehen, dass man von Dürrenmatts Kriminalromanen nicht als »Nebenwerken« sprechen darf. Ungewiss schon, was wir diesem Genre zuzurechnen haben. Dürrenmatt selbst sagte wiederholt, er habe »zwei

Kriminalromane« geschrieben, die 1950/ 1951 entstandenen Der Richter und sein Henker und Der Verdacht. Bei näherem Hinsehen erweisen sich jedoch schon diese als Requiem auf den Kriminalroman, wie das 1957 erschienene Buch Das Versprechen untertitelt war. Die Panne ist gewiss keine Detektivgeschichte, aber ebenso gewiss eine »Kriminalgeschichte«, wie der späte Roman Justiz oder das nachgelassene Fragment Der Pensionierte (mehr eine Elegie als ein Requiem auf die Gattung). So gesehen ist auch der Ödipus von Sophokles eine Kriminalgeschichte wie auch Kleists Zerbrochener Krug und Dürrenmatts Physiker, beides Ödipus-Parodien. Auch Kriminalassistent Tschanz in Der Richter und sein Henker ist aus dieser Perspektive eine ironische Variante des Ödipus: einer, der ausgeschickt wird, den Mord aufzuklären, den er selbst begangen hat. Der am Tag Diogenes Magazin

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der Beerdigung des von ihm erschossenen Kollegen Schmied im Handstreich dessen Braut gewinnt: So wirft Shakespeares Richard III. seinen Schatten auch auf den schäbigen karriereversessenen bernischen Kriminalbeamten. Auch Anspielungen auf das eigene Werk flackern auf, zum Beispiel in der faustischen Wette zwischen Bärlach und seinem Gegenspieler Gastmann, einer für den »realistischen« Kriminalroman haarsträubenden Konstruktion. Dass solche Anspielungen die naive Lektüre der Geschichte nicht behindern, beweist der Erfolg des Buchs, das bei Dürrenmatts Tod eine Weltauflage von über 6,3 Millionen erreicht hatte. Der Leser, nur auf eine spannende Story erpicht, merkt kaum, dass der Autor hier »das Seine« betreibt. Die Gattung bedient er nebenher und mitunter ziemlich schlampig: schon mal einen Wochentag mit einem anderen verwechselnd; mal steht der blaue Mercedes, in dem Clenin, der Dorfpolizist von Twann, den ermordeten Schmied findet, »am Straßenrande«, dann, bei Wiederbesichtigung des Tatorts und in der Erinnerung des besagten Clenin, steht er »fast in der Straßenmitte«. Und so fort. An solchen Rissen im Realismus wird sichtbar, dass es Dürrenmatt auf den gar nicht ankam. Realismus war nur die Maske, hinter der er seine alte Thematik um Recht, Gerechtigkeit, das Böse und die Freiheit versteckte. Zwei Szenen sind in diesem Buch von einer theatralischen Schärfe, die den Dürrenmatt der »großen« Stücke 16

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Foto: © CCC Filmkunst GmbH/ Deutsches Filminstitut (DIF). Artur Branner Archiv; Quelle:SLA, Bern

Gerd Fröbe in der Verfilmung von Das Versprechen, 1958

ankündigt. In der ersten, allein schon steigerte sich der Regen zu einem solchen Sturm, die Eiben peitschend, dass rhythmisch-musikalisch eine starke alles vom Grabe wegfloh, bei dem Passage, taumeln zwei betrunkene Sendboten Gastmanns wie ins Berni- allein die Totengräber zurückblieben, sche verirrte Shakespeare-Figuren in schwarze Vogelscheuchen im Heulen die von Regengüssen ertränkte Beerdi- der Winde, im Prasseln der Wolkenbrüche, bemüht, den Sarg endlich hingung Schmieds: abzusenken. »Der Tüfel geit um, Die zweite, auf die schon Elisabeth der Tüfel geit um, er schlat die Menscher alli krumm!« Brock-Sulzer hingewiesen hat, ist die Zwei Männer in schwarzen Fräcken Schlussszene, in welcher Bärlach seinen kamen über den Kirchhof getorkelt. Henker Tschanz des Mordes überführt Ohne Schirm und Mantel waren sie – während eines Abendmahls. In verdem Regen schutzlos preisgegeben. nichtender Lebensgier (Bärlach hat Die Kleider klebten an ihren Leibern. Magenkrebs) verschlingt der KommisAuf dem Kopf hatte jeder einen sär noch einmal die Welt in sich, wähZylinder, von dem das Wasser über ihr rend er seinen Henker überführt, Gesicht floss. Sie trugen einen mächti- »mächtig und gelassen, das Bild einer gen, grünen Lorbeerkranz, dessen übermenschlichen Überlegenheit, ein Band zur Erde hing und über den Tiger, der mit seinem Opfer spielt [. . .]«. Boden schleifte. Es waren zwei brutale, Hier aufersteht in einem Fortsetriesenhafte Kerle, befrackte Schlächter, zungsroman für eine populäre Zeitschwer betrunken, stets dem Umsin- schrift kein Geringerer als der von ken nah, doch da sie nie gleichzeitig Dürrenmatt seit seiner Kindheit bestolperten, konnten sie sich immer wunderte Gotthelf. F. D.s Kommissär (Dürrenmatt noch am Lorbeerkranz zwischen ihnen festhalten, der wie ein Schiff in See- besteht auf dem bernischen Umlaut, not auf und nieder schwankte. Nun auch das) Bärlach ruht nicht in sich selbst, agiert bei aller Autorität nicht stimmten sie ein neues Lied an: aus einer gottväterlichen Sicherheit, »Der Müllere ihre Ma isch todet, sondern aus Besessenheit. Der Krieg d’Müllere läbt, sie läbt, d’Müllere het der Chnecht ghürotet, gegen Gastmann ist ein weltanschaulicher Ringkampf zwischen Recht und d’Müllere läbt, sie läbt.« Sie rannten auf die Trauergemeinde zu, Freiheit. Aber er ist auch ein Privatstürzten in sie hinein, zwischen Frau krieg. Bärlach maßt sich den Vollzug der Gerechtigkeit an und unterscheidet Schönler und Tschanz, ohne dass sie gehindert wurden, denn alle waren wie sich so nur in der Motivation von der erstarrt, und schon taumelten sie Hybris Gastmanns. Streng genommen wieder hinweg durch das nasse Gras, verliert Bärlach die Wette mit Gastsich aneinander stützend, sich um- mann, den er nicht eines begangenen klammernd, über Grabhügel fallend, Verbrechens überführen kann und den Kreuze umwerfend in gigantischer er darum für eines hinrichten lässt, an Trunkenheit. Ihr Singsang verhallte im dem dieser nicht schuld ist. Die Justiz Regen, und alles war wieder zugedeckt. ist »dem Bösen« nicht gewachsen. Der es vernichtet, macht sich selbst schuldig. »Es geht alles vorüber, Bärlach ist kein schweizerisches Idol, es geht alles vorbei!«, war das Letzte, was man von ihnen sondern ein bernischer Dämon. Nur hörte. Nur noch der Kranz lag da, hin- die Fixierung der Leser (und zum geworfen über den Sarg, und auf dem Teil der Interpreten) auf die Klischees schmutzigen Band stand in verfließen- des Kriminalromans erklärt, dass hindem Schwarz: »Unserem lieben Dok- ter der scheinbaren Bonhomie des tor Prantl.« Doch wie sich die Leute Dürrenmatt’schen Kommissärs dessen ums Grab von ihrer Bestürzung erholt Monstrosität weitgehend unbeachtet hatten und sich über den Zwischenfall blieb. Seine alttestamentarische Unbeempören wollten, und wie die Stadt- dingtheit ist die Rücksichtslosigkeit musik, um die Feierlichkeit zu retten, dessen, der nichts zu verlieren hat: wieder verzweifelt zu blasen anfing, Bärlach trägt den Krebs im Leib.


Im Roman geht der Autor einmal in den Jahren 1950 /51 von Folge zu mehr auf Distanz zu seiner Erfindung, Folge für die schweizerische Illustrierte unter anderem, indem er sich selbst Der Beobachter entstanden. Das war einführt. Im 13. Kapitel tritt ein Schrift- Teil der Strategie, den Kunstanspruch des Kriminalromans zu unterlaufen. steller auf, empfängt den Richter und dessen Henker in seinem Arbeitszim- Das wird auch bestätigt von Cousin mer (das einem Zimmer der Parterre- Peter, der sich in seinen Lebenserinnewohnung im Schernelzer Haus seiner rungen sozusagen als Initiator vorstellt: Schwiegermutter entspricht). Die bei- »[Max] Ras [der Verleger des Beobden Polizisten sehen ihn als eine achters] erklärt mir eines Tages, er wäre »dunkle Masse zwischen den Fens- bereit, meinem Vetter ein Honorar von tern«. »Im Zimmer war es dunkler 3 000 Franken auszurichten, für einen geworden, doch fiel es dem Schrift- Roman, den er im Beobachter in Fortsteller nicht ein, Licht zu machen. Er setzungen publizieren könnte. ›Aber‹, setzte sich in die Fensternische, so dass fügte Ras hinzu, ›es müsste ein Krimidie beiden Polizisten wie Gefangene in nalroman sein, einen solchen würde einer Höhle saßen« – wie die Gefessel- unsere Leserschaft goutieren.‹ Ich sprach mit Fritz und er entgegnete ten in Platons Höhlengleichnis. sofort, der Auftrag interessiere ihn. So Die Szene ist mehr als eine eitle selbstironische Volte, ihr Sinn in dieAllesamt sind sie nicht sem scheinbar realistischen, in Wahrheit waghalsig konstruierten ProsaHerren der Lage, wie stück ist der einer kleinen immanenten dies das Genre verlangt. Poetik. »›Ich habe es mit einem wirklichen Gastmann zu tun‹, sagte der Alte endlich. ›Mit einem Menschen, der bei kam der Roman Der Richter und sein Lamlingen auf der Ebene des Tessen- Henker zustande. Der Ausdruck ›er berges wohnt und Gesellschaften gibt, kam zustande‹ ist zutreffend: Nachdie einen Polizeileutnant das Leben ge- dem es mit der Niederschrift zunächst kostet haben. Ich sollte wissen, ob das fließend vor sich gegangen war, stellten Bild, das Sie mir gezeigt haben, das sich Stockungen ein. Jedes Mal, wenn Bild Gastmanns ist oder jenes Ihrer eine Fortsetzung für die Druckerei des Träume.‹ – ›Unserer Träume‹, sagte der Beobachters fällig geworden war, Schriftsteller. Der Kommissär schwieg. schellte auf den [Basler] Nachrichten ›Ich weiß es nicht‹, schloss der Schrift- das Telefon: Die erwartete Fortsetzung steller und kam auf die beiden zu, sich war noch nicht da! Ich musste bei Fritz zu verabschieden, nur Bärlach die – der kein Telefon besaß – Dampf aufHand reichend, nur ihm: ›Ich habe setzen; schließlich wurde der Roman mich um dergleichen nie gekümmert. doch fertig.« Dürrenmatt selbst amüEs ist schließlich Aufgabe der Polizei, sierte sich ob der Vorstellung, er könndiese Frage zu untersuchen.‹« Der te plötzlich sterben und kein Mensch Auftritt des Autors (der beleidigt ist, wüsste, wie der Roman enden würde. dass ihm die Polizei keinen Mord zuDen Plan jedenfalls trug er im Kopf, traut), hat darüber hinaus freilich noch bevor er sich an die erste Folge machte, einen dramaturgischen Grund. Der bei einer »finalen« Gattung wie dem geniale Schachspieler Bärlach, der hy- Kriminalroman eigentlich eine Selbstbride selbsternannte Richter, der über verständlichkeit. Die lässt sich in den die Bande einen Mord aufklärt, einen Scharnieren der Handlung nun mal anstiftet und viele Morde rächt, wird nicht induktiv fortschreiben. Als er mit selbst als Marionette sichtbar, in der den ersten 500 Franken Vorschuss von Hand des Autors, der sich in der Bib- Ras ankam, berichtet Peter Wyrsch, liothek seines Schernelzer Hochsitzes habe Gattin Lotti geglaubt, sie wären in Erinnerung bringt. Dass auch der an gestohlen. An der Geschichte des RoFäden hängt, wird nicht gesagt. Aber mans feilte er allerdings weiter herum. wie die letzte Instanz tritt er nicht auf. In der Buchfassung, 1952 entstanden, Dürrenmatt selbst hat die Legende ge- finden sich gegenüber den einzelnen nährt, die beiden Kriminalromane seien Fortsetzungen vor allem stilistische

Korrekturen und eine psychologischweltanschaulich besser nachvollziehbare Motivation der Figur des Nihilisten Gastmann. Ursprünglich war auch der Kommissär buchstäblich »auf den Tod hin angelegt«. Allein die Serie war ein solcher Erfolg und Dürrenmatt zu der Zeit so sehr auf zusätzliche Einnahmen angewiesen, dass er Bärlachs Hinscheiden aussetzte. Der übersteht die selbstmörderische Fressorgie und rückt ins Krankenhaus ein, um sich durch seinen Freund Dr. Hungertobel (!) durch eine Operation noch eine Gnadenfrist von einem Jahr zu verschaffen. So erfolgt Bärlachs langer Abschied in zwei Etappen. Ein Antiheld wie alle späteren Kriminalisten bei Dürrenmatt. Alle sind sie zwielichtig in ihren Motiven, selbstherrlich, wo sie Moralisten (Bärlach), frivol, wo sie geistreich (die alten Herren in der Panne), verblendet, wo sie spekulativ intelligent sind (Matthäi im Versprechen). Allesamt sind sie nicht Herren der Lage, wie dies das Genre eigentlich verlangt. Sie wissen, dass die Welt um keine Nuance besser wird, wenn sie ihr Opfer zur Strecke gebracht haben, und sind selbst Opfer im aussichtslosen Kampf gegen den Zufall und die Unvorhersehbarkeit menschlicher Reaktionen. Auch sie gehören in den Zusammenhang von Dürrenmatts lebenslang währender Demontage des Heldenbegriffs. Freilich ist ihre Hinfälligkeit auch ihre Stärke.

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Auszug aus dem 2011 erschienenen Buch ›Dürrenmatt oder Die Ahnung vom Ganzen‹ von Peter Rüedi

Buch- und Hörbuch-Tipp

992 Seiten, Leinen ISBN 978-3-257-06795-8 Auch als Diogenes Hörbuch

Alle fünf Kriminalromane Dürrenmatts endlich in einem Band vereint.

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Erinnerung

Daniel Keel

Simenon auf Deutsch I

ch konnte nie glauben, dass Simenon wirklich existiert. Seine ungeheure Produktion, mein immer neues Staunen über die Vollkommenheit seiner Erzählungen, die psychologische Genauigkeit seiner unendlich vielen Figuren, die Eindrücklichkeit der Landschaftsbeschreibungen vermittelten mir stets das Bild eines großartigen Schriftstellers, das aber so ungreifbar und unbestimmt blieb wie etwa das Bild des Frühlings, des Meeres. Manchmal schien mir Simenon auch Allgemeingut zu sein, ungefähr wie Elektrizität, die Schule, die Feuerwehr. Ich möchte damit nur sagen, dass Simenon viel mehr ist als nur ein Schriftsteller«, schwärmte Federico Fellini. Er hatte Simenon 1960 beim Filmfestival in Cannes kennengelernt, wo Simenon als Vorsitzender der Jury gegen einigen Widerstand und mit Hilfe von Henry Miller die Goldene Palme für La dolce vita durchgesetzt hatte. Daraus entwickelte sich zwischen Simenon und Fellini eine Freundschaft und ein regelmäßiger Briefwechsel. »Warum verlegst du nicht Simenon? Gibt es den auf Deutsch?«, fragte mich

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einmal Fellini. Ich las daraufhin Als ich alt war, die Tagebücher Simenons, die gerade in Frankreich erschienen waren, dann einige Non-Maigrets, danach lernte ich Maigret kennen, und ich konnte nicht mehr aufhören. Wie viele Millionen Leser vor und nach mir wurde ich vom Simenon-Fieber ergriffen. Natürlich wollte ich Simenon verlegen, doch er hatte leider bereits einen deutschsprachigen Verlag – einen großen und finanzkräftigen noch dazu. Fellini arrangierte trotzdem ein Treffen.

Simenon empfing mich in seiner riesigen Villa bei Lausanne, ließ mir ein großes Glas Whisky servieren und komplimentierte mich in eine Ecke des Raumes, während er mit einem Glas Mineralwasser in der schräg gegenüberliegenden Ecke Platz nahm. Dieses Arrangement verstärkte natürlich meine Scheu. Erst als wir darauf zu sprechen kamen, dass ich Anton Čechov verlegte und diesen als Hausheiligen meines Verlags betrachtete, wurde das Gespräch gemütlich. Simenon mochte Čechov sehr. Im selben Jahr veröffentlichte ich einen Band mit drei Erzählungen Simenons unter dem Titel Der kleine Doktor. Doch was waren drei Erzählungen bei einem Werk von über zweihundert Romanen? Simenon war einem Verlagswechsel nicht abgeneigt, denn er ärgerte sich, dass sein damaliger deutschsprachiger Verlag fast ausschließlich die Maigret-Romane veröffentlichte, die meist auch noch stark gekürzt und schlecht übersetzt waren. Es vergingen sechs Jahre, bis die Rechte frei wurden. 1977, als mein Verlag das 25. Jubiläum feierte, war es endlich so

Foto: Anna Keel / © Archiv Diogenes Verlag

Zum Abschluss der großen Simenon-Edition: Der Diogenes Verleger erzählt, wie sein Freund Federico Fellini ihn mit dem Simenon-Fieber ansteckte und von einem Besuch in dessen gigantischer Villa bei Lausanne – eine eher frostige Begegnung. Doch Keel ließ nicht locker und erhielt schließlich die Übersetzungsrechte am Gesamtwerk des Balzac des 20. Jahrhunderts. Und damit begann die Arbeit erst . . .


weit. Passenderweise veröffentlichte ich damals die komplette Comédie humaine von Balzac in 40 Bänden – und daneben Simenon, den Balzac des 20. Jahrhunderts. Zum Auftakt erschienen Als ich alt war, der Briefwechsel mit André Gide und die zwei NonMaigret-Romane Der Verdächtige und Der Mörder – alle erstmals auf Deutsch und als Hardcover. Es war der Start der ersten deutschsprachigen SimenonGesamtedition. Die Presseresonanz war gewaltig: »Nach einem Vierteljahrhundert Simenon-Veröffentlichungen in deutscher Sprache kommen erst jetzt seine wichtigsten Bücher heraus, die Romane und die autobiographischen Schriften. Der andere Simenon, der Non-MaigretSimenon, wird endlich auch im deutschen Sprachbereich sichtbar«, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Doch hartnäckig hielt sich bei vielen Journalisten und Buchhändlern das Bild von Simenon als Bestseller- und bloßem Unterhaltungsschriftsteller. Ein Autor, der in mehr als 50 Sprachen übersetzt war, sich über 1 Milliarde Mal verkauft hatte – der konnte in den Augen vieler nicht gut sein. Um dem entgegenzuwirken, wollte ich Simenon als das präsentieren, was er ist: große Literatur. Die Bücher sollten nicht wie Krimis aussehen, und so entschied ich mich, Picasso-Zeichnungen und -Radierungen auf den Umschlägen zu verwenden, um die literarische Stellung deutlich zu markieren. Simenon gefielen die Umschläge sehr, die Buchhändler hassten sie – und die Käufer blieben aus. Ich musste mich geschlagen geben und die Covermotive ändern.

Unterstützung in Sachen Simenon erfuhr ich durch viele Schriftsteller und Künstler, die Simenons Werk leidenschaftlich liebten und für ihn trommelten. Von den Diogenes Autoren waren dies zum Beispiel Patricia Highsmith, Alfred Andersch, William Faulkner, Raymond Chandler, Dashiell Hammett, Muriel Spark; heute sind es Patrick Süskind, Bernhard Schlink, Petros Markaris oder Donna Leon. Eine Schützenhilfe für den Verkauf waren die vielen Verfilmungen von berühmten Regisseuren. Viele Jahre lang vermittelte der Diogenes Verlag die Filmrechte an Simenons Büchern im deutschsprachigen Raum. Dutzende TV-Verfilmungen kamen so zustande. Sie machten Simenon in Deutschland bekannt.

Simenon ist allein ein Verlag für sich. Den ganzen Simenon zu verlegen war eine Riesenaufgabe: »Simenon ist allein ein Verlag für sich«, stöhnten unsere Lektoren in dieser Zeit. Erst 1994, also fast zwanzig Jahre nach dem Startschuss, wurde die riesige 218bändige Ausgabe vollendet. Und das war nicht einmal der Schlusspunkt. 2009 haben wir eine erneute GesamtMaigret-Edition abgeschlossen: alle 75 Maigrets und alle Maigret-Erzählungen in neuen oder revidierten Übersetzungen. 2010 starteten wir die Edition von 50 Non-Maigret-Romanen, wiederum in neuen oder revidierten Übersetzungen, die 2014 abgeschlossen wird. Warum neue Übersetzungen? Die frühen Übersetzungen waren nicht nur

gekürzt, sondern auch oft schlecht. Schlimmer noch: Die Übersetzer griffen zum Teil fatal in den Text ein. Ein Paradebeispiel ist der Fall Paul Celan, der einer der ersten SimenonÜbersetzer war und 1955 zum Glück nur zwei Maigrets übersetzte. Ein Artikel darüber im Kulturmagazin Du trug den schönen Titel: »Diesmal ermordet: der Text«. Simenons konzentrierter Stil wurde bei Celan schwafelig, und er hielt sich nicht an die Vorlage. Als der Verlag ihm vorwarf, hinzugedichtet zu haben, bekannte Celan, dass »mich der – meines Erachtens recht mediokre – Originaltext nicht eben inspirierte und ich ihn beim Übersetzen nicht eben als ehrfurchtsgebietendes Kunstwerk ansah«. Paul Celan selbst und der Verlag betrachteten die Arbeit als völlig »danebengelungen«. Die Übersetzungen wurden trotzdem veröffentlicht. Simenon galt damals als Krimiautor – und Krimis waren einfach keine Literatur. Respekt vor dem Text gab es also nicht. Wie Celan hatten die meisten Übersetzer Schwierigkeiten mit der Sprache Simenons. Ein Roman von Simenon besteht aus Sätzen von schlichter Schönheit, ein einfacher Satz nach dem anderen, und jeder Satz treibt die Handlung voran. So einfach, und doch so schwierig zu schreiben – und äußerst schwierig zu übersetzen. Die Kritikerin Elke Schmitter schrieb über unsere Neuausgabe: »Zu Simenons neuerlichem Erfolg in deutscher Sprache gehört untrennbar und im wahrsten Sinne fundamental die Überarbeitung aller Übersetzungen.« Heute steht der literarische Rang Simenons auch im deutschsprachigen Raum außer Frage. Und wahrscheinlich hat gerade der Belgier Simenon dem deutschsprachigen Publikum Paris und Frankreich so nahe gebracht wie kein französischer Autor. Aber vor allem: Simenon wird gelesen! Mehr denn je. Simenon ist, was äußerst selten im heutigen, schnelllebigen Büchermarkt ist: ein Klassiker, der gelesen wird. Der Balzac des 20. Jahrhunderts hat auch im 21. Jahrhundert eine große Zukunft vor sich.

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Zuerst erschienen in ›Le Monde‹, Paris, 2011

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Essay

John Banville

Die Fluchten des Monsieur Simenon W

enn man Leben und Werk von Georges Simenon betrachtet, muss man sich früher oder später die Frage stellen: War er ein Mensch aus Fleisch und Blut? Seine schöpferische und erotische Energie war zweifellos außergewöhnlich. Er schrieb rund 400

Romane, unzählige Kurzgeschichten und Drehbücher unter diversen Pseudonymen, und gegen Ende seines Lebens, als er offiziell mit dem Schreiben aufgehört hatte, diktierte er seine Tausende von Seiten umfassenden Lebenserinnerungen – darunter auch die Intimen Memoiren. In nur zehn Tagen tippte er wie manisch einen ganzen Roman in die Maschine; von Überarbeitungen hielt er nichts, was man einigen seiner Werke auch anmerkt. In den 1920er Jahren – er lebte damals in Paris – trennte er sich von Josephine Baker, dem amerikanischen Star der Revue Nègre, weil er so leidenschaftlich in sie verliebt war, dass er in dem Jahr, das sie miteinander verbrachten, nur drei oder vier Romane geschrieben hatte. Ablenkungen dieser Art gab es unablässig: 1976, über 70-jährig, verriet Simenon seinem Freund Federico Fellini, den er für das französische Magazin L’Express interviewte, dass er mit über 10 000 Frauen geschlafen habe. Zugegeben, er war ziemlich frühreif

und erlebte sein erstes Mal schon mit zwölf. Das Mädchen war drei Jahre älter als er. Um sie häufiger sehen zu können, wechselte er sogar die Schule – mit der Konsequenz, dass sie ihn für einen anderen sitzenließ. Die erste Lektion in der harten Schule des Lebens für den jungen Georges. Geboren wurde Georges Simenon in Liège, Belgien, als Sohn eines grundgütigen, ambitionslosen Versicherungsangestellten. Mit der Mutter, die unter chronischen Existenzängsten litt, verband ihn zeitlebens eine intensive Hassliebe. Mit sechzehn verließ er die Schule, bekam seine erste Stelle als Lokalreporter bei der Gazette de Liège und schloss sich La Caque an, einer Gruppe junger Dandies und Bohemiens um den Maler Luc Lafnet. Später sollte Simenon den Junisonntag, an dem er Lafnet zum ersten Mal begegnete, als »einen Wendepunkt in meiner Jugend« bezeichnen. La Caque war ein wilder Haufen junger Männer, die sich dem Alkohol, den Drogen und der freien Liebe ver-

Illustration: © Tomi Ungerer; Foto: © Alberto Cristofari / A3 / Contrasto / Dukas

Wann fing er an zu schreiben? Woher kamen seine Ideen und Themen? Welche Frauen, Häuser, Menschen umgaben und inspirierten ihn? Und: Mit welchem Roman von Simenon sollte man beginnen? Der Autor John Banville beleuchtet und erhellt für uns die Welt des genialen Vielschreibers.


Foto: Louis Monier © Keystone / Rue des Archives

schrieben hatten. »Wir waren so was wie eine geistige Elite, die der Zufall zusammengebracht hatte«, schrieb Simenon viele Jahre später. Gefährlich waren sie auch, und, zumindest in einem Fall, selbstzerstörerisch. Nach einer durchzechten Nacht wurde Joseph Kleine, ein kokainsüchtiger Möchtegernkünstler, der seinem Spitznamen »le petit Kleine« alle Ehre machte, am Tor der Kirche SaintPholien erhängt aufgefunden. Man vermutete Selbstmord, vielleicht war es auch ein Mord, der wie ein Selbstmord aussehen sollte. Für die Gazette de Liège war die Sachlage klar: Selbstmord. Erst viele Jahre später gab Simenon zu, der Autor dieses für die Gruppe günstigen Artikels gewesen zu sein, der noch vor Beginn der polizeilichen Untersuchungen erschienen war. »Ich plädiere auf ›nicht schuldig‹«, schrieb Simenon in seinen Intimen Memoiren. »Vielmehr erkläre ich hiermit, dass wir nicht vorsätzlich gehandelt haben. Wir hatten keine Ahnung, wie es um ›le Kleine‹ stand. Aber haben wir ihn nicht trotzdem auf dem Gewissen?« Das Bild des Erhängten verfolgte Simenon noch lange. Sein zweiter Maigret-Roman hieß Maigret und der Gehängte von Saint-Pholien, und in einem seiner besten Non-MaigretRomane, Fremd im eigenen Haus, geht es um eine wilde Bande selbstzerstörerischer junger Leute, die eindeutig La Caque zum Vorbild hatten und deren Orgien in einem Mord enden. Der Schriftsteller Simenon wusste, worüber er schrieb. 1920, mit 17, veröffentlichte Simenon seinen ersten Roman, Au Pont des Arches, von mehreren Künstlern illustriert, unter anderem von seinem Mentor, dem Satanisten Lafnet. Der Erstling, ein heiterer Roman und in Liège ein ziemlicher Erfolg, erschien unter dem Pseudonym Georges Sim, das Simenon auch nach seinem Umzug mit zwanzig nach Paris beibehielt, wo er ein ernsthafter Schriftsteller werden wollte. Als Erstes schickte Simenon der französischen Schriftstellerin Colette, die damals das Feuilleton der Pariser Tageszeitung Le Matin leitete, seine

Kurzgeschichten. Colette riet ihm, seinen Stil drastisch zu entschlacken, ein weiser Rat, den er klugerweise befolgte. Er begann mit Schundliteratur, mit der er sehr erfolgreich war und die er dutzendweise unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlichte und die ihn innerhalb weniger Jahre reich machte. Mit Mitte zwanzig konnte er sich bereits ausgedehnte Reisen leisten, die ihn durch ganz Europa, bis nach Afrika und schließlich, 1934, um die ganze Welt führten. Obsessives Schreiben und rastloses Umherreisen sollten sein ganzes Leben prägen. 1923 heiratete er die junge Malerin Régine Renchon, doch die Ehe war nicht von Dauer. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg lernte Simenon in New York die siebzehn Jahre jüngere Denyse Ouimet kennen, die sich als Sekretärin bei ihm beworben hatte. Sie heirateten 1950 in Reno – der amerikanischen Stadt, wo man sich am schnellsten scheiden lassen konnte, keine sonderlich glückliche Wahl für eine Eheschließung – und zogen zunächst nach Connecticut. 1955 kehrte Simenon nach Europa zurück und wohnte fortan in Epalinges bei Lausanne in einem nach eigenen Ideen gebauten riesigen Haus, das angeblich nicht nur einen voll funktionsfähigen Operationssaal beherbergte, sondern auch an Hässlichkeit einer Klinik in nichts nachstand. Als die Ehe zunehmend Risse bekam – und Simenon sich mit einer Haushälterin tröstete –, versank Denyse in Depressionen. 1964 verließ sie Epalinges und ging in eine richtige Klinik. Kurz darauf musste sich auch die gemeinsame Tochter in psychiatrische Behandlung begeben, die allerdings erfolglos blieb: 1978 beging Marie-Jo Selbstmord. Das Mädchen war von klein auf hoffnungslos in den Vater verliebt, doch in seinen Intimen Memoiren (1981) machte Simenon Denyse für Marie-Jos Selbstmord verantwortlich – nachdem Denyse drei Jahre zuvor in einer wütenden Abrechnung (Un oiseau pour le chat) dem berühmten Gatten die Schuld gegeben hatte. Ein Rosenkrieg, der klingt wie

von Simenon entworfen, nur dass der Autor ihn vermutlich als zu melodramatisch für einen Roman verworfen hätte. Mit Pietr der Lette (1930), dem ersten unter seinem eigenen Namen publizierten Roman, betrat Simenons bekannteste Figur die Bühne: der pfeiferauchende Kommissar Maigret. Zwischen 1930 und 1973, als er beschloss, keine Romane mehr zu schreiben, und begann, seine Memoiren zu diktieren, verfasste Simenon fast achzig MaigretRomane. Diese Bücher begründeten seinen Ruhm. Doch seine wahren Meisterwerke sind die sogenannten »romans durs«, die Non-Maigrets. Die meisten Kriminalromane sind, egal wie hard-boiled oder blutrünstig sie daherkommen, im Grunde sentimental, denn die meisten Krimiautoren sind hoffnungslose Romantiker. William T. Vollmann vergleicht Simenon in seinem Nachwort zur amerika-


unter dem Dach nächtliche Orgien mit ihren Freunden gefeiert hat, von denen einer der Mörder sein muss. Es ist typisch für Simenon, dass die Entdeckung dieses geheimen Lebens Loursat aus seiner langjährigen Lethargie reißt und ihm neuen Elan und neue Lebenslust gibt. Henri CartierBresson sprach einmal von dem »entscheidenden Moment«, wenn die Wirklichkeit sich unvermutet verdichtet – in diesen Momenten setzen Simenons Romane ein. Eine Passage in Fremd im eigenen Haus beschreibt die plötzliche Sehnsucht, die Loursats eiskaltes Herz zum Schmelzen bringt: »[E]r hatte angefangen […], Menschen zu entdecken, Gerüche, Geräusche, Geschäfte, Beleuchtungen, Gefühle, ein Magma, ein Gewimmel. Leben, das nichts mehr mit einer Tragödie zu tun hatte, faszinierende Idioten, unerwartet, unerklärliche Beziehungen zwischen Menschen und Dingen, um die Straßenecken pfeifenden Wind und einen verspäteten Passanten, ein kleines Geschäft, das noch geöffnet hatte, weiß Gott, warum, und einen nervösen, verkrampften jungen Mann, der unter einer großen, stadtbekannten Uhr auf seinen Freund wartete, der ihn in die Zukunft führen sollte . . . « In Drei Zimmer in Manhattan (Erstveröffentlichung 1946) ist die Hauptfigur François Combe, ein Pariser Schauspieler Ende vierzig, der nach der skandalumwitterten Trennung von seiner Frau nach New York geflohen ist – ein kaum verhülltes Selbstporträt. In einer Bar in Manhattan trifft er auf eine Diplomatengattin, Kay Miller, und verliebt sich wider

Willen in sie. Miller ist zweifellos ein Porträt von Denyse Ouimet. Die zwei taumeln durch die Bars, die nächtlichen Straßen der Stadt und die im Titel genannten drei Zimmer (das erste ist ein billiges Hotelzimmer, das zweite Combes Schlupfloch und das dritte Kays Zimmer in einer Wohngemeinschaft) und über emotionale Hindernisse (einschließlich Combes gewalttätiger Eifersucht und Kays Minderwertigkeitskomplexen) in eine Liebe, die Combe offenbar gleichermaßen glücklich macht wie bestürzt. In ihrer Vorstellung des Buches in der New York Review of Books beschreibt Joyce Carol Oates das Buch als fiktionalisierte Autobiographie und den Autor als »Meister der Ironie, der aus dem Staunen darüber, was ihm widerfährt, nicht herauskommt und nicht fassen kann, dass man sich in fortgeschrittenem Alter noch einmal so heftig verlieben kann«. Der Drang, den Schwierigkeiten des Lebens zu entfliehen und in Anonymität zu versinken, den viele Männer haben und auch einige Frauen, ist ein obsessiv wiederkehrendes Motiv in Simenons Werk. Und nirgendwo wird

Foto: © Archiv John Simenon, Lausanne

nischen Neuausgabe von Der Schnee war schmutzig mit Raymond Chandler, dessen Philip-Marlowe-Romane trotz ihrer stilistischen Eleganz und Lakonie heute fast feinfühlig wirken. »Chandlers Romane«, schreibt Vollmann, »sind bei aller Düsternis doch von Lichtstreifen der Sehnsucht und Hoffnung durchzogen, Simenons romans durs dagegen sind tiefschwarz und undurchdringlich wie das Innere eines Zwergsterns.« Nur Patricia Highsmith kann es darin mit ihm aufnehmen, nur sie hat ähnlich zwanghaft die Welt so dargestellt, wie sie wirklich ist, verkommen, zügellos und von grassierender Grausamkeit. Newcomer in Simenons existentialistischem Romanwerk sollten zuerst Fremd im eigenen Haus lesen, einen typischen roman dur: unmittelbar, knapp, höchst sinnlich, fesselnd realistisch und so schonungslos, wie wenige Schriftsteller zu schreiben wagen. »Es hatte so gewaltsam begonnen, mit so viel Schlamm, Blut und Kotze, dass die Katastrophe unausweichlich war.« Die Hauptfigur ist Loursat, ein großbürgerlicher Rechtsanwalt in einer Kleinstadt, der das Leben eines misanthropischen und versoffenen Einsiedlers führt, seit ihn seine Frau vor zwanzig Jahren verlassen hat. Als in einer Winternacht Schüsse in dem heruntergekommenen Haus fallen, wagt er sich hervor und findet nach langem Suchen einen Mann, der vor seinen Augen an einem Genickschuss stirbt. Es stellt sich heraus, dass Loursats Tochter, die zwar bei ihm lebt, mit der er jedoch seit dem Verschwinden der Mutter kaum ein Wort gewechselt hat,

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Foto: © KEYSTONE / Camera Press / Snowdon

es so deutlich und überzeugend dargestellt wie in Die Flucht des Monsieur Monde. Norbert Monde — Simenon hat einfach ein Talent für Namen – ist ein erfolgreicher Pariser Geschäftsmann, der die von seinem Großvater gegründete Import- und Exportfirma leitet. Am Morgen seines 48. Geburtstags (er ist – und das ist kein Zufall – im selben Alter wie François Combe und wie Simenon selbst zur Zeit seiner Heirat mit Denyse Ouimet) lässt der Held sich in einem Friseurladen den Bart abrasieren, hebt 300 000 Franc von seinem Bankkonto ab, tauscht seinen Maßanzug gegen unauffällige Secondhand-Kleidung und verschwindet sangund klanglos aus seinem Leben. Mondes Flucht ist nicht die Folge einer großen Krise, obwohl seine Arbeit ihn nicht mehr interessiert und seine Familie sich für ihn nicht mehr interessiert. Er lässt sich einfach davontreiben und »folgt einem Plan, der seit langem festgelegt war, wenn auch nicht von ihm selbst«. Er fährt mit dem Zug nach Marseille und nimmt ein Zimmer in einem unscheinbaren Hotel, wo er am nächsten Morgen mit einem Weinkrampf aufwacht: »Es waren keine gewöhnlichen Tränen. Sie stiegen stetig, lauwarm und wunderbar flüssig aus einer tiefen Quelle.« Er führt tonlose Selbstgespräche, in denen er sich eingesteht, »wie unendlich leid er alles ist und wie sehr ihn alles fast körperlich schmerzt, nicht als Folge seiner Bahnreise, sondern wegen der langen Reise durch sein Leben«. Der Zustand, in den Monde gefallen oder zu dem er aufgestiegen ist, ist schwer zu beschreiben: Er fühlt sich gleichermaßen betäubt wie erleuchtet. »Sein Geist war klar, doch nicht von jener alltäglichen Klarheit, zu der man sich bekennt, sondern von einer Klarheit, deren man sich später schämt, vielleicht, weil sie den Dingen, die man für trivial hält, eine Würde gibt, die ihnen sonst nur Dichter und Religionen verleihen.« Die hier völlig unerwartete und doch so angemessene Andeutung von Scham ist reinster Simenon.

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Aus dem Englischen von Anna von Planta Zuerst erschienen in ›LA Weekly‹, 28.5.08. Copyright © 2008 by John Banville

Georges

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Foto: © Sabine NN Weiss, ›Sortie du Métro‹, 1955 Copyright © Agence Rapho/Dukas


Ermittler-Typologie

Who’s Who Lew Archer Privatdetektiv, Los Angeles Für circa 50 Dollar am Tag kauft man seine professionelle Hilfe, sein Fachwissen, auch seine Loyalität – nicht aber seine Meinung und sein Wohlverhalten. Als Junge zog er mit einer Bande von kleinen Gangstern herum. Ein Polizist erwischte ihn beim Stehlen, doch anstatt ihn in den Knast zu schicken, gab er dem Jungen eine Chance. Archer wurde Polizist in Los Angeles, hatte aber bald die Schnauze voll von seinen korrupten Vorgesetzten. Als er Privatdetektiv wurde, Lizenznummer 6345 m, und sein Büro am Sunset Boulevard 8411 eröffnete, ließ sich seine Frau von ihm scheiden – ihr gefielen die Leute nicht, mit denen er nun zu tun hatte. Archer, 1,88 m groß, dunkles Haar und blaugraue Augen, ist eigentlich ein friedfertiger Mensch, der die Waffe nur zur Selbstverteidigung nutzt und von Fausthieben als Mittel der Wahrheitsfindung wenig hält. Er kämpft sich nicht zur Lösung seiner Fälle vor – er fragt sich durch und wirkt dabei fast als Psychologe mit Detektivlizenz. Nur dass kein Psychologe so hinreißend schlagfertig ist wie Archer.

Jakob Studer Wachtmeister, Bern Kostas Charitos Athener Polizei Kostas Charitos von der Athener Polizei liebt es, Souflaki aus der Tüte zu essen, dabei im Wörterbuch zu blättern und sich die neuesten Amerikanismen einzuverleiben. Er quält sich mit seinem Auto durch das Athener Verkehrschaos und streitet oft mit seiner Frau Adriani. Das Fernsehen ist ein rotes Tuch für Charitos, denn seit seine Tochter ausgezogen ist, sitzt seine Frau täglich stundenlang vor der Mattscheibe und ist vor lauter Soap-Operas, Fernsehkrimis und Nachrichten unansprechbar geworden. Seine Arbeit bei der Athener Polizei ist auch kein Honigschlecken, denn wo Charitos tätig wird, gibt es keine Akropolis, keine weißen Rosen weit und breit. Doch selbst im dicksten Trubel gelingt es ihm stets, er selbst zu bleiben – ein hitziger Einzelgänger, ein Nostalgiker im modernen Athen.

Er ist ein massiger Typ mit Schnurrbart und Brissago. Doch das Äußere täuscht, ist der kurz vor der Pensionierung stehende Wachtmeister doch eher ein gutmütiger und warmblütiger Typ, dessen Sympathie den kleinen Leute und Außenseitern gehört. Oppositionsbereitschaft hingegen zeigt Studer gegenüber jeder Obrigkeit. Und ab und an vielleicht auch gegenüber seiner Frau Hedwig, die er Hedy nennt und mit der er eine Tochter hat. In seinen Ermittlungen erinnert er mit seiner spürsinnigen Kombinationsgabe ein wenig an Sherlock Holmes, doch zeigt er dessen Rationalität nicht in allen Lebenslagen – im Geheimen ist er sogar ein wenig abergläubisch. Im Geheimen liegt auch die undurchsichtige Geschichte, wegen der der frühere Kommissär zum Wachtmeister degradiert wurde.

Diogenes Taschenbuch detebe 21733, 256 Seiten

Illustration: © Tomi Ungerer

432 Seiten, Broschur mit Klappen ISBN 978-3-257-30015-4

Von Lew Archer sind fünf Fälle bei Diogenes lieferbar: Der blaue Hammer, Unter Wasser stirbt man nicht, Die Küste der Barbaren, Gänsehaut und Der Fall Galton

320 Seiten, Leinen ISBN 978-3-257-06873-3 Auch als Diogenes E-Book

Wachtmeister Studer ermittelt in fünf Fällen, die bei Diogenes lieferbar sind: Wachtmeister Studer, Matto regiert, Die Fieberkurve, Der Chinese und Krock & Co.

Von Kostas Charitos sind bei Diogenes acht Fälle lieferbar. Zuletzt erschienen: Abrechnung

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Philip Marlowe Privatdetektiv, Los Angeles Er gehört zu den wenigen Vertretern seines Berufszweiges, die sich auf keinerlei krumme Sachen einlassen und sich durch nichts von der Suche nach der Wahrheit abbringen lassen, so dass seine finanziellen Verhältnisse alles andere als rosig sind. Sein Äußeres – er ist einen Meter achtzig groß, hat braunes Haar mit einem leichten Graustich und braune Augen – ist nicht besonders einnehmend, trotzdem muss Marlowe eine gewisse Wirkung auf Frauen haben. Wie ließe es sich sonst erklären, dass die Frauen sich darum reißen, mit ihm ins Bett zu gehen? Sein Auftreten ist nicht sehr feinfühlig, seine Konversation von beißender Ironie und sein Respekt vor hochgestellten Persönlichkeiten gleich null. Seine Hobbys: Whiskykonsum von erstaunlichem Ausmaß sowie das klaglose Einstecken von Prügeln, die ihm Gangster und Vertreter der kalifornischen Polizei verpassen. Gefährten: keine! Marlowe ist der typische einsame Wolf und gerade deshalb so etwas wie ein echter Held unserer Zeit.

Bruno Courrèges Chef de police, Saint-Denis Sam Spade Privatdetektiv, San Francisco »Samuel Spades Unterkiefer war lang und knochig, sein Kinn ein scharf vorspringendes V unter dem ausdrucksvolleren V seines Mundes. Seine gelbgrauen Augen lagen waagerecht. Er sah wie ein eigentlich ganz umgänglicher, blonder Satan aus.« Würde die Polizei eine Beschreibung von Sam Spade durch den Funk jagen, sie würde weniger poetisch ausfallen. Sam Spade wäre das egal. Er betreibt in San Francisco ein kleines Detektivbüro, in dem die Kundschaft nicht gerade Schlange steht. Von chronischen Geldsorgen geplagt, führt er ein rauhes Leben im Verbrechermilieu, wo er sich bestens auskennt. Wichtig ist ihm seine Unabhängigkeit; man kann ihn kaufen, nicht aber seinen Willen brechen. Er spielt sein eigenes Spiel, mit harter Faust und losem Mundwerk. Nur schöne Frauen können ihn allenfalls verwirren, doch nicht so sehr, dass er den Ehrenkodex vergessen würde, den er sich trotz allem bewahrt hat. Er nennt sie »Schätzchen« und »Engel« und gibt nach einer Weile zu: »Von Frauen versteh ich nichts.«

Bruno wurde als Säugling von seiner unverheirateten Mutter in einem Korb auf einer Kirchenbank ausgesetzt; seinen Vater hat er nie kennengelernt. Ein Priester fand ihn und brachte ihn in einem kirchlichen Waisenhaus unter. Bruno lebt in Saint-Denis, einem kleinen Städtchen im Périgord am Ufer der Vézère. Als einfacher und einziger Gemeindepolizist ist er direkt dem Bürgermeister unterstellt. Er findet entlaufene Hunde, löscht Brände, registriert Geburten und wacht über die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung. Doch ab und zu gibt es härtere Fälle, denn auch in einer so wunderschönen Gegend wie dem Périgord passieren Morde. Bruno geht gerne auf die Jagd, renoviert in seiner Freizeit ein altes Haus, um darin zu wohnen, und pflanzt in seinem Garten Gemüse an. Viele alleinstehende Frauen würden Bruno gerne näher kennenlernen, doch Bruno ist stolz darauf, keinen Ehering zu tragen – und auch keine Pistole. Sein Gerechtigkeitssinn sorgt manchmal für Ärger mit Gendarmen, Ermittlern der Police Nationale oder Politikern aus Paris. Bruno ist ein Gourmet: Er isst und kocht gerne und gut und tischt seinen Gästen am liebsten die Spezialitäten seiner Region auf.

Diogenes Taschenbuch detebe 20132, 208 Seiten Auch als Diogenes Hörbuch

Diogenes Taschenbuch detebe 24046, 352 Seiten Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

240 Seiten, Pappband ISBN 978-3-257-24071-9 Auch als Diogenes Hörbuch

Martin Walkers Protagonist Bruno ist mit fünf Fällen bei Diogenes vertreten: Bruno Chef de police, Grand Cru, Schwarze Diamanten, Delikatessen und Femme fatale

Illustration: © Tomi Ungerer

Philip Marlowe ermittelt in sieben Romanen bei Diogenes. Der große Schlaf, Die kleine Schwester, Der lange Abschied, Das hohe Fenster, Die Tote im See, Lebwohl, mein Liebling und Playback

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Maresciallo Guarnaccia Carabiniere, Florenz Als Kind war Guarnaccia rundlich und in sich gekehrt – soweit hat er sich bis heute kaum geändert. Im Gegensatz zu Guarnaccia steht seine Frau Teresa mit beiden Beinen auf dem Boden und regt sich schnell auf, wenn ihr Gatte wieder einmal vor sich hin träumt oder »wie ein gestrandeter Wal« in der Küche herumsteht und sie beim Kochen stört. Mit Teresa und seinen zwei kleinen Söhnen lebt Guarnaccia, der aus Sizilien stammt, in einer Amtswohnung direkt über seinem Carabinieri-Posten im Palazzo Pitti. Alle im Pitti-Quartier kennen ihn, nicht nur weil er wegen eines Augenleidens ständig eine Sonnenbrille tragt – sein Markenzeichen. Man schätzt ihn, weil er zuhören und sich in die Situation der einfachen Leute hineinversetzen kann. Diese Gaben, seine Menschenkenntnis, sein hartnäckiges Grübeln und sein Gespür für die kleinen Dinge des Alltags, lassen ihn scheinbar unlösbare Fälle aufklären. Das wissen seine Vorgesetzten, die ihm zu seiner stillen Verzweiflung immer wieder ihre schwierigsten Fälle aufbürden, obwohl er eigentlich für gestohlene Handtaschen zuständig ist. Wenn Guarnaccia nicht mit Verbrechern kämpft, kämpft er mit Gewichtsproblemen. Diäten sind eine harte Sache für einen Mann, für den Spaghetti und Rotwein die beste Seelenkur sind . . .

Zeitung, wenn Sie Zeit haben: taz am Wochenende. Jeden Samstag mit allem Wichtigen zur Woche die war und zur Woche die kommt. Mit neuen Perspektiven auf Gesellschaft, Politik und Kultur. Im Abo oder an Ihrem Kiosk! abo@taz.de | T (0 30) 25 90 25 90 | www.taz.de/testabo

bo: Test-A ge, sta 10 Sam ro. 10 Eu bo taz.de

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Diogenes Taschenbuch detebe 22550, 288 Seiten

Von Maresciallo Guarnaccia sind bei Diogenes 14 Fälle lieferbar.

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Guido Brunetti Commissario in der Questura, Venedig

Jules Maigret Kommissar in der Police Judiciaire, Paris Berühmt ist Maigrets Methode, die eigentlich gar keine ist. Er lässt sich von der Stimmung eines Ortes und den Eigenschaften der Protagonisten beeinflussen, findet den Täter durch Intuition und indem er sich in das Opfer hineinversetzt. Deshalb sucht Maigret lieber Zeugen und Täter auf, als hinter dem Schreibtisch zu sitzen. Wenn er lange Zeit im Büro sitzt, dann führt er wahrscheinlich eines seiner berüchtigten Verhöre. Sie können Stunden dauern, aufgelockert nur durch Bier und belegte Baguettes, die die Kellner aus der nahe gelegenen Brasserie Dauphine bringen. Auf 27 Stunden dehnte er ein solches Verhör einmal aus – dann kam das Geständnis. Und doch ist Maigret der menschlichste aller Ermittler, nie verurteilt er, sondern versucht zu verstehen. Er, der etwas Biedere, Gutbürgerliche und kinderlos Verheiratete, hat ein Herz, das den kleinen Leuten weit offen steht. Offen steht auch stets das Fenster seines Büros in der Pariser Police Judiciaire am Quai des Orfèvres, damit der Tabakqualm – fünfzehn Pfeifen hat er – und der Rauch seines Kanonenofens abziehen können.

Man muss ihn einfach mögen: humorvoll, klug, warmherzig, sorgfältig angezogen und bodenständig, wie er ist. Dabei hat Commissario Brunetti einen Doktortitel. Und was ihn auch so charmant macht: dass er nicht so sehr an seiner Karriere interessiert ist wie daran, etwas mehr Gerechtigkeit in diese Welt zu bringen. Und dass ihm neben seinem Beruf auch noch etwas anderes wichtig ist: seine Familie. Mit seiner Frau Paola, einer Anglistikdozentin aus einer alten venezianischen Adelsfamilie, ist Brunetti seit siebzehn Jahren glücklich verheiratet. Die Brunettis haben zwei Kinder, den ein wenig rebellischen Raffaele und Chiara, die gut in Mathe ist, aber katastrophal kochen kann. Der genießerische Brunetti liebt fast nichts mehr, als abends die Haustür aufzuschließen und vom Duft von Rosmarin und Knoblauch umnebelt zu werden. Das braucht der Commissario besonders an Tagen, wenn sein Vorgesetzter, der eitle und obrigkeitshörige Vice-Questore Patta, ihn in sein Büro zitiert hat. Zum Glück kommt er auf dem Canossagang in Pattas Büro an dessen Sekretärin Elettra vorbei, die ihn oft mit ihrem Computer bei seinen Recherchen unterstützt und deren Charme ihn jeden Ärger vergessen lässt. Doch auch ein anderer Anblick lässt den Commissario schwelgen: der Blick aus seinem Büro der Questura am Campo San Lorenzo auf die Lagunenstadt, die er trotz Überschwemmungen durch Touristen und Wasserfluten immer noch innig liebt.

Kemal Kayankaya Privatdetektiv, Frankfurt /Main Kemal Kayankaya ist Türke mit deutschem Pass oder Deutscher mit türkischem Namen und türkischem Aussehen. Seine Eltern, türkische Gastarbeiter, starben kurz nach seiner Geburt, er wuchs bei einer deutschen Familie auf. Türkisch spricht er deshalb nicht, dafür ist er im Deutschen genauso schlagfertig wie mit seiner Rechten, vor allem, wenn man ihm mit rechtslastigen Sprüchen kommt. Kayankaya, der Schnüffler mit dem ruppigen Charme, spielt Billard und redet am liebsten über Fußball und seinen Lieblingsverein Borussia Mönchengladbach – ernähren tut er sich von HB und Chivas Regal. Er wurde Privatdetektiv, »weil es zum Anwalt nicht gereicht hat. Ich hatte geglaubt, Privatdetektiv wäre so eine Art Hausarzt. Inzwischen weiß ich auch, es ist völlig egal, ob ich da bin oder nicht. Ich mache meine Arbeit, so gut es geht, das ist alles.« Für 200 Mark am Tag plus Spesen verlässt er sein Büro, das aussieht wie eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für anonyme Alkoholiker, steigt in seinen alten Opel und wühlt im Schmutz des Frankfurter Bahnhofsquartiers – oder in dem der feineren Gegenden.

336 Seiten, Leinen ISBN 978-3-257-06858-0 Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

Kommissar Maigret ermittelt in 75 Fällen. Alle Bücher sind im Diogenes Verlag erschienen.

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Von Commissario Brunetti sind 21 Fälle im Diogenes Verlag erschienen, zuletzt: Tierische Profite

Diogenes Taschenbuch detebe 21544, 176 Seiten Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

Jakob Arjounis Detektiv ist mit fünf Büchern im Diogenes Verlag vertreten: Happy birthday, Türke!, Mehr Bier, Ein Mann, ein Mord, Kismet und Bruder Kemal

Illustration: © Tomi Ungerer

192 Seiten, Pappband ISBN 978-3-257-23801-3 Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book


Peter Hunkeler Kommissär, Basel Hunkeler wohnt an der Mittleren Strasse in Basel, wo er jedoch als geborener Aargauer auch nur ein Zugezogener ist, und besitzt ein Haus im Elsass. Seine Freundin Hedwig (von seiner Frau und Mutter seiner Tochter ist er geschieden) ist Kindergärtnerin. Einst hat er Literatur und Jura studiert (beides abgebrochen) und beim Theater gearbeitet. Als seine Tochter Isabelle geboren wurde, ging er zur Polizei. Mittlerweile hat er kaum noch Kontakt zu ihr. Manchmal hat er als Alt-68er das Gefühl, auf der falschen Seite zu stehen. Vielleicht auch deswegen neigt er zu Wutanfällen – ist ein angry old man. Hingegen tiefe Genugtuung und Freude bereitet es ihm, im Sommer frühmorgens im Rheinbad St. Johann schwimmen zu gehen. Hunkeler prägt ein starker Gerechtigkeitssinn, Glauben an die staatliche Justiz jedoch fehlt ihm zur Gänze.

240 Seiten, Pappband ISBN 978-3-257-24001-6 Auch als Diogenes E-Book

Kati Hirschel Inhaberin einer Krimibuchhandlung und Hobbydetektivin, Istanbul Eigentlich ist Kati Hirschel eine ganz normale Frau mittleren Alters: Sie kämpft mit den Pfunden und Zellulitis, versucht stets abzunehmen, geht zur Entspannung gern shoppen (am liebsten sind ihr Seidenkleider: »Für ein Seidenkleid, von dem ich nicht einmal weiß, wann und zu welcher Gelegeneit ich es tragen würde, mache ich jederzeit bereitwillig Schulden«) oder putzt ihre Wohnung oder die Krimibuchhandlung, die sie im angesagtesten Viertel Istanbuls, dem GalataViertel, besitzt und mit Leidenschaft betreibt. Diese Leidenschaft für Krimis (jedoch nur in Buchform – Fernsehen schaut die Deutschstämmige gar nicht) und ihre Neugier an allem, was um sie herum passiert, bugsiert die Single-Frau und Hobbydetektivin regelmäßig in die kniffligsten Situationen, in denen sie sich plötzlich als Teil eines zu lösenden Verbrechens oder anderen Ungerechtigkeiten wiederfindet. Nicht nur in solchen Momenten greift sie dann sehnsüchtig in ihre Handtasche auf der Suche nach einer Zigarette, obwohl sie vor mittlerweile über sieben Jahren aufgehört hat zu rauchen. Auch das Whisky-Trinken hat sie aufgegeben – doch in diesem Fall hat sie als Ersatzdroge Raki (wie soll es in der Türkei anders sein?!) für sich entdeckt.

Johann Friedrich von Allmen Privatier, Zürich Als Hans Fritz von Allmen und Sohn eines Landwirts auf die Welt gekommen, beschloss der Lebemann und Gentlemanganove schon früh, seinem Namen das Bäurische zu nehmen und seinem Stil und dem Geld (das er damals noch reichlich besaß, sprich: geerbt hat) anzupassen. Das Vermögen ist mittlerweile durchgebracht, statt in der Villa Schwarzacker lebt er nun im dazugehörigen Gartenhaus, aber zumindest sein guatemaltekischer Koch, Schuhputzer, Lebensretter und Kompagnon Carlos ist ihm nach wie vor treu ergeben. Und Allmen selbst bleibt seinen Ansprüchen und Vorlieben ebenso treu: Luxushotels, Maßanzüge, edle Tropfen, Opernpremierenabo, Chauffeur, tägliche Mittagsruhe und andere Auszeiten (zum Beispiel beim Lesen) vom allzu ›stressigen‹ Alltag . . . Wie er sich das leisten kann? ›Allmen International Inquiries‹ steht auf der geprägten Visitenkarte – zusammen mit Carlos löst der charmante Stilist und Freund guter Manieren Fälle von verschwundenen Kunstwerken und anderen Kostbarkeiten. Hundertprozentig gesetzestreu geht es dabei nicht (immer) zu, aber wo geht es das schon?

Von Kommissär Hunkeler sind acht Fälle im Diogenes Verlag erschienen.

Illustration: Tomi Ungerer Foto: © Lord©Snowdon / Keystone / Camera Press

224 Seiten, Leinen ISBN 978-3-257-06860-3 Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

Allmen sucht in bisher drei Romanen nach verschwundenen Kunstwerken: Allmen und die Libellen, Allmen und der rosa Diamant und Allmen und die Dahlien Diogenes Taschenbuch detebe 23443, 288 Seiten

Von Kati Hirschel sind drei Fälle im Diogenes Verlag erschienen: Hotel Bosporus, Bakschisch und Scheidung auf Türkisch

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Anna Habel Chefinspektorin, Wien Thomas Bernhardt Hauptkommissar, Berlin Hans Bärlach Kommissär, Bern Bärlach steht kurz vor der Pensionierung, wohnt in Altenberg an der Aare in Bern und schließt seine Haustür nie ab. Er war in Istanbul, dann in Deutschland ein bekannter Kriminalist, bis er 1933 in die Schweiz zurückkehrte, und zwar wegen einer Ohrfeige, die er »einem hohen Beamten der damaligen neuen deutschen Regierung gegeben hatte«. Er setzt auf seinen Instinkt, auf Menschenkenntnis, und misstraut neuen, wissenschaftlichen Vorgehensweisen. Für Bärlach ist das Prinzip Zufall die Chance des Detektivs. Zuweilen überschreitet er die Grenzen des Legalen in seinen Ermittlungen. Er isst gern und liebt gutes Essen, er ist ein Gourmet und Gourmand. Bittere Ironie: Er hat Magenkrebs und nur noch ein Jahr zu leben. Dennoch oder vielleicht auch deswegen trinkt er gerne Wein und raucht Brissago. Liebt Ärzte noch weniger als die moderne Kriminalistik. Liebt Protokolle noch weniger als Tote. Spielt gerne mit dem Feuer und trägt nur selten eine Waffe bei sich. Der Kommissär ist konservativ, aber ein unbestechlicher Idealist. Und er besitzt eine große Hausbibliothek und liest gerne.

Milena Lukin Expertin für Strafrecht, Belgrad Strafrechtsspezialistin Milena Lukin, Ende vierzig, lebt mit ihrem zehnjährigen Sohn Adam und ihrer Mutter Vera in einer kleinen Belgrader Wohnung und ist auf prekäre Zeitverträge am Belgrader Institut für Kriminalistik und Kriminologie angewiesen, um ihre Familie finanziell über Wasser zu halten. Milenas Spezialgebiet ist die Strafverfolgung von Kriegsverbrechern im Jugoslawienkrieg von 1990 bis 1999. Sie hat lange in Berlin gelebt und war mit einem Deutschen verheiratet. Durch ihren langjährigen Freund, den charmanten montenegrinischen Anwalt und Bürgerrechtler Siniša Stojković, wird sie in einen spektakulären Mordfall verwickelt, der mit der jüngsten serbischen Vergangenheit zu tun hat. Milena Lukin liebt ihr Land mit all seinen Schattenseiten, hadert mit den Mächtigen und kämpft für die Festigung der jungen Demokratie. Last but not least ist sie die wunderbarste Reiseführerin, die man sich für Belgrad, diese faszinierende Metropole im Brennpunkt europäischer Geschichte, nur wünschen kann.

Ösi-Zicke und überkorrekter Berliner Bulle? Anna Habel ist Oberösterreicherin, die mit 19 nach Wien gekommen ist. Nun ist die Kriminalkommissarin Ende 30 und nach wie vor klein (knapp 1,60 m), sie ist chaotisch, alleinerziehend und belesen (verschlingt Bücher überall, auch gern auf der Toilette) – und wird von ihrem Kollegen Kolonja wegen ihres »Kulturticks« auch ganz gern aufgezogen. Sie hat vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Die temperamentvolle, resolute und zackige, deshalb gern auch ungeduldige Chefinspektorin mit kleinen Anfällen von Minderwertigkeitskomplex gegenüber Thomas Bernhardt, der sie ab und an nicht ganz ernst zu nehmen scheint. Er (Mitte 50) ging ebenfalls mit 19 in die Großstadt – jedoch nach Berlin. Hat sein Soziologiestudium abgebrochen (»Lieber ein frustrierter Polizist als ein frustrierter Soziologe«) und ist nun Kommissar in der Abteilung 5 der Berliner Mordkommission. Sarkastisch, etwas brummig vielleicht (etwa wenn er seine durch Brillengläser und wohl auch zu viel Alkohol recht vordergründigen Tränensäcke im Spiegelbild betrachtet), kauzig und bisweilen zu Melancholie neigend. Er fordert gern auch im Büro einmal eine halbe Stunde Aus- und Denkzeit ein, kommt zu Sitzungen prinzipiell zu spät und trägt seine grauen Haare kurz. Trotz aller Spannungen und Streitigkeiten zwischen Wien und Berlin knistert, funkt und zischt es auch zwischen den beiden. Zudem verbindet beide ihre politisch linke Vergangenheit und ihre Gesellschaftskritik.

Diogenes Taschenbuch detebe 22535, 192 Seiten Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

368 Seiten, Leinen ISBN 978-3-257-06833-7 Auch als Diogenes E-Book

Bis jetzt ist ein Fall mit Milena Lukin bei Diogenes erschienen. Weitere Bände sind in Planung.

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Diogenes Taschenbuch detebe 24068, 368 Seiten Auch als Diogenes E-Book

Vom Krimiduo Bielefeld und Hartlieb sind bis jetzt die drei folgenden Bände erschienen: Auf der Strecke, Bis zur Neige und Nach dem Applaus

Illustration: © Tomi Ungerer

Friedrich Dürrenmatts Kommissär ermittelt in zwei Fällen: Der Richter und sein Henker und Der Verdacht


Sebastian Fink Hauptkommissar, Hamburg Beim seinem ersten Fall war der aus einem Dorf bei Lübeck Stammende 34 Jahre alt, nach wie vor ist er Single (jedoch mit scharfer Mitbewohnerin namens Anna, mit der er aber irgendwie den Zeitpunkt, ein Paar zu werden, verpasst hat. Was nicht bedeutet, dass ihm das andere Geschlecht egal wäre oder es keine Rolle in seinem Leben spielen würde!), und lebt und ermittelt als (sehr junger, sogar jüngster) Hauptkommissar in Hamburg. Er ist im Gegensatz zu so vielen anderen Kriminalbeamten weder Kettenraucher noch Alkoholiker, hat keinen dicken Bauch und kennt keine Familienprobleme. Doch auch ihn hat ein traumatisches Erlebnis aus dem Jahr 1980, an dem er immer noch zu knabbern hat, dazu verleitet, Polizist zu werden. Zumindest eine Sucht ist dem vielleicht fast bieder zu nennenden Hauptkommissar jedoch nicht fremd: die nach Schokolade. Ansonsten versucht er sich in Perfektion – was ihm zum Glück nicht immer gelingt – und darin, erfolgreich und anständig sein Berufs- wie Privatleben zu meistern.

Tomas Prinz Starfrisör und Amateurdetektiv, München Wenn die Kundinnen bei ihm anrufen, weiß er, es ist immer dringend. Das Bedürfnis nach Schönheit duldet keinen Aufschub. Doch zuweilen gibt es Bedrängnisse, in denen geht es um mehr, nämlich um Leben und Tod. Dann suchen seinen Frisierstuhl auch die auf, die sich etwas von der Seele reden wollen. Und Prinz muss sie nicht ausfragen. Wenn man bei einem ins Reden kommt, dann bei ihm – unter den sanften Händen des Frisörs. Und so wird Prinz ungewollt in die unerhörtesten Geheimnisse verwickelt: in Delikates aus der Welt der Schönen und Reichen, der Journalisten, der Supermodels, der Kunstszene, aber auch des akademischen Milieus. Und selbst Prinz’ eigene großbürgerliche Familie, die seinen Berufsstand immer etwas belächelt hat, wartet mit handfesten Überraschungen auf. Unterstützt wird er dabei von seiner Farbstylistin Bea, ihrer Intuition und ihrem Hang zur Astrologie. Ein unschlagbares Team.

Gerhard Selb Privatermittler, Mannheim »Gerhard Selb, private Ermittlungen« steht auf der Visitenkarte, darunter eine Mannheimer Adresse. Von seinem Titel als Doktor jur. steht aus gutem Grund nichts. »Seit ich nicht mehr Staatsanwalt bin, mach ich keinen Gebrauch von meinem Titel; ein promovierter Privatdetektiv ist lächerlich.« Doch Selbs juristische Karriere ist noch aus einem anderen Grund alles andere als erwähnenswert: Er hat eine Vergangenheit als Nazi-Staatsanwalt. Und mit fast 70 Jahren weiß er nicht, ob er noch eine Zukunft hat. Den Verdächtigen hinterherzurennen klappt jedenfalls nicht mehr so gut: Zu schnell kommt Selb außer Atem, bei seinem Alter und den vielen Sweet Afton, die er raucht, kein Wunder. Das Einzige, was Selb seinen Kontrahenten voraushat, ist seine Lebenserfahrung. Und seine Methode. Selb, der gerne Schach spielt, löst seine Fälle ganz anders als Schachprobleme: Er verstrickt sich in sie, kämpft mit ihnen. Und die Wahrheit, die er herausfindet, ist stets auch eine Wahrheit über ihn selbst.

Diogenes Taschenbuch detebe 23747, 320 Seiten Auch als Diogenes E-Book

Von Sebastian Fink sind drei Fälle im Diogenes Verlag erschienen: Savoy Blues, Der englische Tänzer und Seeluft Diogenes Taschenbuch detebe 21543, 352 Seiten Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

Illustrationen: © Tomi Ungerer

Diogenes Taschenbuch detebe 23509, 256 Seiten

Tomas Prinz ermittelt in vier Fällen bei Diogenes: Der Frisör, Der Bruder, Die Studentin und Daily Soap

Bei Diogenes sind drei Fälle von Gerhard Selb erschienen: Selbs Justiz, Selbs Betrug und Selbs Mord

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Foto: © Marvin NN Zilm

Friedrich Dönhoff (links) und Christian Schünemann auf den Stufen vor der Krimibuchhandlung Miss Marple in Berlin-Charlottenburg


Gespräch

Ein Gespräch zwischen Friedrich Dönhoff und Christian Schünemann

Von der Leiche bis zur Auflösung

Illustration: © Tomi Ungerer

Ihre Protagonisten Sebastian Fink und Tomas Prinz ermitteln in Hamburg und München. Für ihr Gespräch über Krimis und aus dem Alltag in ihren Schreibstuben trafen sich die beiden Autoren Christian Schünemann und Friedrich Dönhoff jedoch sozusagen in der Mitte – in Berlin, ganz passend vor und in der Krimibuchhandlung Miss Marple in Charlottenburg. Christian Schünemann: Es gäbe so viele Geschichten zu erzählen, warum schreibst du ausgerechnet über Mord? Friedrich Dönhoff: Ein Mord tritt eine Geschichte los, und an der Hand des Kommissars kommen Autor und Leser überallhin, wo man sonst nicht hinkommt: in die unterschiedlichsten Milieus, hinter jede verschlossene Tür bis in die Seelen der Menschen. Wunderbar! Christian Schünemann: Und der Weg von der Leiche bis zur Auflösung ist der rote Faden, um den herum man Geschichten erzählen kann, über Eifersucht, Habgier, Rache. Wo findest du die Ideen für einen neuen Krimi? Friedrich Dönhoff: Im Alltag. Bei Gesprächen, die ich im Restaurant oder in der S-Bahn belausche, in der Zeitung. Entscheidend ist das Gefühl der Euphorie, das klar zeigt: Dieses Thema ist jetzt dran. Christian Schünemann: Wenn du mit der Arbeit an einem neuen Buch be-

ginnst, was kommt zuerst: die Leiche? Friedrich Dönhoff: Ich beginne mit einem Oberthema und Milieu, zum Beispiel Umweltproblematik und Reedersfamilie wie in Seeluft. Dann entwickle ich Figuren, die fangen an, miteinander zu kommunizieren, Konflikte entstehen – und plötzlich gibt es eine Leiche. Hast du einen genauen Plan für deinen Krimiplot, bevor du losschreibst, oder entwickelt sich der während der Arbeit? Christian Schünemann: Beim Schreiben passiert es mir oft, dass Handlungsstränge, die ich mir vorher genau überlegt habe und die mir furchtbar schlau vorkamen, sich als zu naheliegend entpuppen. Dann verliere ich regelmäßig die Nerven, mache Kassensturz, und am Ende ist ein anderer der Mörder. Friedrich Dönhoff: Bevor ich mit der eigentlichen Niederschrift beginne, weiß ich genau, was passiert ist, so als wäre es Realität: Figur A hat Figur B an

jenem Tag auf diese Weise und aus jenem Grund umgebracht. Gesehen hat das Figur C, aber die will es nicht verraten, vielmehr erpresst sie Figur A wegen der Sache X, aber dies wird von Figur D vereitelt. Figur C bringt nun Figur D um, womit es zwei Leichen gibt. Jetzt muss ich entscheiden, an welcher Stelle ich den Leser an die Geschichte heranführe. Christian Schünemann: Im Buch könnte die zweite Leiche zuerst entdeckt werden. Friedrich Dönhoff: Ja, oder der Leser bekommt die Leiche noch vor dem Kommissar zu sehen. Hier spielt die Frage der Perspektive eine Rolle. Ich erzähle meine Geschichten gerne aus mehreren Perspektiven, natürlich der des Kommissars, aber auch mal des Mörders oder der Nebenfiguren. Deine ersten Bücher, die Frisör-Krimis, hast du in der Ich-Form geschrieben; das stelle ich mir sehr schwer vor. Christian Schünemann: Schwierig ist, Diogenes Magazin

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ge. Ich stelle beim Lesen in meinem Manuskript oft fest, dass die zweiten Sätze die besseren sind, und kann die Anfangssätze erstaunlich oft restlos streichen. Mir gefällt übrigens der Eingangssatz in Savoy Blues besonders gut: »Als er zum Himmel blickte, traf ihn ein Tropfen mitten ins Auge.« Wie bist du zu dem gekommen? Friedrich Dönhoff: Ähnlich, wie du es beschrieben hast. Der Satz führte lange Zeit eine ganz unscheinbare Existenz irgendwo mitten im ersten Kapitel, bis ich eines Tages dachte: Da ist er ja, der erste Satz! Dann habe ich ihn nach vorne gezogen. Christian Schünemann: In deinen Krimis ist die Hauptfigur der noch

relativ junge Kommissar Sebastian Fink. Wie ist deine Beziehung zu ihm? Friedrich Dönhoff: Es ist nicht leicht. Ich glaube zu wissen, was für Sebastian am besten ist, aber er hört meist nicht auf mich und macht, was er will. Das typische Phänomen der Romanfiguren, die ein Eigenleben führen. Du hast schon fünf Bücher geschrieben, gibt es Figuren darin, die dir besonders am Herzen liegen? Christian Schünemann: Sie liegen mir alle am Herzen, nicht nur meine Ermittler Tomas Prinz und Milena Lukin. Sie haben mich viele Monate, sogar Jahre in Gedanken und beim Schreiben begleitet. Ich versuche immer, einen durchweg bösen Charakter zu erschaffen, aber es gelingt mir nicht. Ich gewinne alle im Laufe der Zeit immer lieb. Hast du Lieblingsfiguren in deinen Büchern? Friedrich Dönhoff: Ich mag Linda Berick aus Der englische Tänzer. Sie arbeitet sich von einer einfachen Verkäuferin zu einer mächtigen Frau im

Musicalbusiness hoch. Sie wird von allen gehasst, weil sie glaubt, alles besser zu wissen. Im Grunde sucht sie nur nach Liebe und macht doch alles falsch. Als sie sich in Lebensgefahr bringt, merkt sie sogar dies nicht. Selbst von mir als ihrem Autor hat sie sich nicht helfen lassen. Christian Schünemann: Du hast mal gesagt, du würdest mit deinen Figuren Bewerbungsgespräche führen, bevor sie eine Rolle in deinem nächsten Buch bekommen. Wie kann man sich das vorstellen? Friedrich Dönhoff: Ich sitze vor dem Computer, schreibe Fragen in der Art: »Was ist dein größter Wunsch, wovor hast du am meisten Angst, was tust du am liebsten, wenn du dich unbeobachtet fühlst?« Dann schaue ich zu, wie meine Finger die Antworten tippen. Das funktioniert erstaunlich gut, und ich kann schnell erkennen, ob die Figur im Buch etwas wird bewegen können. Schreibst du deine Bücher eigentlich komplett mit dem Computer oder auch mit der Hand? Christian Schünemann: Ich schreibe im Prinzip mit dem Computer. Aber sobald ich einen fertigen Abschnitt habe, drucke ich aus und redigiere mit dem Bleistift auf Papier, korrigiere, streiche, stelle mit Pfeilen um, schreibe an den Rand. Und das gebe ich dann alles wieder in den Computer ein, wie eine gewissenhafte Sekretärin. Beim Redigieren starre ich mit dem Stift in der Hand manchmal eine halbe Stunde auf einen Absatz, um eine Wortwiederholung wegzukriegen oder ein schiefes Bild geradezurücken. Weil ich am nächsten Morgen immer als Erstes die vermeintlich fertige Seite lese, bleibe ich wieder hängen und redigiere neu. So ist dann jede Seite zehn bis dreißig Mal überarbeitet. Ich kann im Manuskript nur fortfahren, wenn ich das Gefühl habe, dass das, was hinter mir liegt, in Ordnung ist. Friedrich Dönhoff: Ich bewundere das, arbeite selber aber ganz anders. Ich prügle die erste Fassung meiner Geschichte durch, auch um die Spannung im Text aufrecht zu halten. Danach bearbeite ich den Text in aller Ruhe. Manche Passagen und Kapitel schreibe ich komplett neu.

Illustration: © Tomi Ungerer

dass man immer nur sehen und wissen kann, was der Kommissar sieht und weiß. Andererseits entsteht eine Dichte in der Erzählung, was ich gern habe. Wenn man dagegen aus mehreren Perspektiven erzählt, ergibt sich automatisch ein größeres Tempo. Friedrich Dönhoff: Wie recherchierst du? Stimmt es, dass du bei deinen Recherchen in Belgrad von der Polizei festgenommen wurdest? Christian Schünemann: Ich hatte die amerikanische Botschaft fotografiert und konnte mich nicht ausweisen. Da sagten die Polizisten: »Bitte steigen Sie ein.« Erst war ich erschrocken, aber dann habe ich gedacht, was kann mir bei einer Recherche zum Kriminalroman Besseres passieren? Außerdem wusste ich ja, dass Jelena, meine CoAutorin, mich da wieder rausholt. Friedrich Dönhoff: Und die Ergebnisse dieser Recherche . . . Christian Schünemann: . . . kannst du nachlesen in Kornblumenblau, Kapitel 17. Da wird Milena Lukin abgeführt und landet in einem Keller, wo man sie ziemlich lange mit Kleinkriminellen schmoren lässt. Friedrich Dönhoff: Arbeitest du viel mit technischen Hilfen wie Fotoapparat, Aufnahmegerät und so? Christian Schünemann: In Belgrad fotografiere ich alles, was mir vor die Linse kommt, und dann staune ich, was sich nachher alles auf den Fotos findet. Die Bilder benutze ich beim Schreiben als Inspirationsquelle. Als Milena Lukin auf den ältesten Friedhof von Belgrad gehen musste, schaute ich mir auf den Fotos die Friedhofsmauer genau an. Da entdeckte ich zum Beispiel seltsam gestauchte Säulen, die ich in der Realität nicht gesehen hatte. Die sind nun im Buch verewigt. Friedrich Dönhoff: Bei mir ist es meist andersherum: Ich fotografiere, mache mir Notizen, auch zu Atmo, Licht, Tönen, aber dann schaue ich es nicht wieder an. Durch das Festhalten ist es wohl im Gedächtnis gespeichert und fließt dann in den Text mit ein. Christian Schünemann: Ich würde gerne über erste Sätze sprechen. Das finde ich nämlich besonders schwer, nicht nur, was den ersten Satz im Buch angeht, sondern auch die Kapitelanfän-


Foto: © Marvin Zilm

Christian Schünemann: Ich finde die Frage immer spannend, was Menschen zu ihrem Tun antreibt. Je brutaler der Mord, desto weniger spannend ist es. Friedrich Dönhoff: Warum? Christian Schünemann: Weil es auf Effekte getrimmt ist, und Effekte interessieren mich nicht. Der Autor muss seiner Geschichte vertrauen, dem, was er hat, nachspüren. Ich komme während der Arbeit an einem Buch oft zu dem Punkt, wo ich sage: So, jetzt muss hier mal was passieren! Später denke ich manchmal, an der Stelle hätte ich vielleicht doch mehr ausschöpfen sollen. Friedrich Dönhoff: Von Krimiautor zu Krimiautor darf man diese Frage vielleicht stellen: Wie fühlt es sich an, einen Mord zu schreiben? Christian Schünemann: Das musste ich bisher noch nicht tun. Entweder war das Opfer schon tot, als der Kommissar zum Tatort kam, oder, wie im Fall von Kornblumenblau, das teilweise aus der Sicht des Mörders geschrieben ist, habe ich kurz vor dem Mord weggeblendet. Aber in deinen Krimis ist man ja manchmal dabei. Friedrich Dönhoff: Beim ersten Mal habe ich mich monatelang davor gefürchtet, den Mord zu schreiben. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich dann eines frühen Morgens ängstlich zu meinem Schreibtisch geschlichen bin, um den Mord zu begehen. Christian Schünemann: Und wie war es? Friedrich Dönhoff: Zu meiner Überraschung ganz einfach. Eine technische Sache, eine Geschichte auf Papier. Eben kein echter Mord. Nun war es auch keine blutige Sache, sondern eine saubere Tat mit Spritze und Gift. Christian Schünemann: Ein anderer passiert im Englischen Tänzer im Theatersaal, wo jemand an einem Strick von der Kuppel hängt. Friedrich Dönhoff: Da habe ich den Mord aus der Perspektive des Opfers erzählt, den Übergang in den Tod beschrieben, der, nebenbei bemerkt, sanft war. Auf Anraten meiner Testleser habe ich das aber nicht ins Buch aufgenommen. Christian Schünemann: Was war denn die Begründung?

Friedrich Dönhoff: Dass ein Mensch nach dem Genickbruch nichts denken könne. Im Nachhinein empfinde ich es als einen Fehler, diese Passage nicht ins Buch übernommen zu haben. Wer von uns Lebenden weiß denn letztlich, was man kurz nach dem Genickbruch sieht oder nicht sieht.

Ein Mord tritt eine Geschichte los, und an der Hand des Kommissars kommen Autor und Leser überallhin. Christian Schünemann: Du hältst also eine Existenz nach dem Tod für möglich? Friedrich Dönhoff: Ich habe ein merkwürdig sicheres Gefühl, dass es weitergeht und vor der Geburt auch schon einiges los war. Aber ich weiß

nicht, warum ich das so klar empfinde. Christian Schünemann: Ich glaube, der Tod funktioniert nach dem Prinzip Augen zu und Schluss. Friedrich Dönhoff: Ist das Krimischreiben vielleicht ein mehr oder weniger bewusstes Befassen mit dem Tod? Christian Schünemann: Für mich hat das Krimischreiben etwas Technisches, es geht mir um die Ermittlungen, an denen entlang ich Geschichten und Emotionen erzählen kann. Der Tod ist nur der Auslöser dafür. Friedrich Dönhoff: Im Krimi kommt ja neben dem Tod noch die ungeheuerliche Tat eines Menschen dazu. Das fasziniert zusätzlich, der Leser will wissen, warum ein Mensch zum Mörder wird. Christian Schünemann: Wir müssen noch über das Romanende reden. Friedrich Dönhoff: Wann weißt du, dass die Arbeit abgeschlossen ist? Christian Schünemann: Auf einmal steht der letzte Satz da. Das ist nicht vorhersehbar. Diogenes Magazin

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Friedrich Dönhoff: Der letzte Satz ist also das Ende des Romans? Christian Schünemann: Klar. Bei dir nicht? Friedrich Dönhoff: Das Ende, und damit meine ich die Auflösung des Kriminalfalls, ist bei mir immer etwas früher. Dann folgt noch etwas Geplänkel. Meist macht der Kommissar noch was Nettes mit der Familie.

Serie »Es ist der Kriminalroman gewesen, der schließlich zur Geburt einer neuen und eigentlichen Romanform geführt hat. Schon seine Initialzündungen durch Poe und Dostojewskij waren ja hoch literarisch.« Alfred Andersch

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»Der Krimi ist ja bloß eine mögliche Form, Geschichten zu erzählen.« Jakob Arjouni

Nachdenken über den

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Was zählt mehr: Geld oder Natur? Die Wirtschaft oder saubere Luft? Friedrich Dönhoff greift ein brisantes umweltpolitisches Thema auf. Eins, das alle angeht. Sebastian Finks neuer Fall: ein Krimi mit Hafen- und Meeresgeruch.

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Belgrad – eine europäische Metropole, so nah und doch so fern. Unter der kundigen, atmosphärischen Führung von Milena Lukin erschließt sich nicht nur ein aufsehenerregendes Verbrechen, sondern eine faszinierende Stadt im Brennpunkt europäischer Geschichte.

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»Der Verbrecher produziert nicht nur Kompendien über das Kriminalrecht, nicht nur Strafgesetzbücher und damit Strafgesetzgeber, sondern auch Kunst, schöne Literatur, Romane . . .« Karl Marx »Kriminalgeschichten muss man lesen, um zu erkennen, was, in moralischer Hinsicht, der Mensch eigentlich ist.« Arthur Schopenhauer

»Heutzutage haben die Wissenschaftler mehr Phantasie als die Verfasser von Kriminalromanen.« Werner Heisenberg »Ich gebe ja zu, dass zu viele Kriminalromane mittelmäßig sind, aber mittelmäßig sind überhaupt zu viele Bücher.« Raymond Chandler »Wenn Sie mir mehr Krimis schicken, werde ich keine Zeit mehr haben, Philosophie zu treiben.« Ludwig Wittgenstein in einem Brief an Norman Malcolm

»Gäbe es das Wort ›Tod‹ in unserem Sprachschatz nicht, wären die großen Werke der Literatur nie geschrieben worden.« Arthur Koestler

»Meine Umgebung hält mich für so dekadent, dass das Krimilesen wohl das einzig Normale ist, was ich tue. Dabei habe ich eine Erfahrung gemacht: Ich versteh’ mich mit Leuten, die Krimis lesen, besser als mit allen anderen. Das ist fast schon eine Lebensregel.« Elfriede Jelinek

»Spotten Sie nicht über Kriminalromane! Sie sind heutzutage das einzige Mittel, vernünftige Ideen zu popularisieren.« Friedrich Glauser

»Der Kriminalroman ›handelt‹ vom logischen Denken und ›verlangt‹ vom Leser logisches Denken.« Bertolt Brecht

»Wie besteht ein Künstler in einer Welt der Bildung? . . . Vielleicht am besten, indem er Kriminalromane schreibt. ›Kunst da tut‹, wo sie niemand vermutet.« Friedrich Dürrenmatt

»Das wichtigste Rezept für den Krimi: Der Detektiv darf niemals mehr wissen als der Leser.« Agatha Christie

»Der Thriller ist die letzte Zuflucht für den Moralisten!« Eric Ambler

»Alles, was man zu einem guten Krimi braucht, ist ein guter Anfang und ein Telefonbuch, damit die Namen stimmen.« Georges Simenon

Illustration: © Tomi Ungerer

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Wie man einen Thriller schreibt – wer wüsste das besser als die Meisterin des subtilen Terrors und der Banalität des alltäglichen Schreckens? Patricia Highsmith lässt sich über die Schulter schauen. Sie hat ein Werkstattbuch geschrieben für alle, die selbst schreiben oder nur wissen wollen, warum sie vom Werk dieser Autorin so gefesselt sind.

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Hommage

Enrique Vila-Matas

Die Einsiedlerin von Montcourt Ganz zufällig stolpert der spanische Schriftsteller Enrique Vila-Matas in einer Zeitung über ein Interview mit ihr und ist sogleich fasziniert von der so geheimnisvollen und zurückgezogenen Welt von Patricia Highsmith und ihrem charmanten Mörder namens Ripley. Die Hommage eines Mondsüchtigen.

Illustration: © Patricia Highsmith

G

eboren in Fort Worth, im Bundesstaat Texas, als Tochter einer schrecklichen Mutter und eines Vaters, der vor ihrer Geburt verschwand. Sehr bald kamen ihr die ganzen Vereinigten Staaten vor wie eine schreckliche Mutter, weshalb sie beschloss, die Flucht zu ergreifen. Sie ließ sich in Europa nieder, und als ich zum ersten Mal von ihrer Existenz erfuhr, lebte sie in Montcourt, einem kleinen französischen Dorf mit fünfhundert Einwohnern im Departement Seine-et-Marne. Dort nannte man sie nur die Einsiedlerin von Montcourt. Es war im Sommer 1980, als ich feststellte, dass es Patricia Highsmith gab. Fernando Trueba und Oscar Ladoire hatten ein Interview mit ihr veröffentlicht. Die geheimnisvolle Atmosphäre in der Art von Das Mysterium der Straße nach Sintra, die diese beiden Cineasten in ihrer Reportage schufen, veranlasste mich, das gesamte Interview zu lesen. »Um nach Montcourt zu gelangen, muss man sich auf eine Unmenge von Nebenstrecken begeben und den Loing überqueren. Dieser Fluss und die umliegenden Wälder kommen einem so vor, als lägen sie voller Leichen. Wir haben das Gefühl, in Wirklichkeit

sei es Tom Ripley, den wir besuchen wollen, der Mörder von Dickie Greenleaf, dieser labile junge Amerikaner, der inzwischen ein privilegiertes Leben auf dem französischen Land führt.« Wer war dieser Ripley überhaupt? Das zu entdecken war ein Schock. Schon bald nach Erscheinen dieses Interviews von Trueba und Ladoire kamen die ersten Bücher von Highsmith in Spanien heraus. Während der Lektüre von Nur die Sonne war Zeuge fühlte ich mich eher wie in einer Vollmondnacht – hellwach und unfähig, Schlaf zu finden, bevor ich den Roman nicht zu Ende gelesen hatte. Ich konnte mich nicht erinnern, dergleichen schon jemals erlebt zu haben. Manchmal amüsiert es mich bei Vorträgen oder Diskussionen, mir einen kleinen Scherz zu erlauben, der jedoch eine halbe Wahrheit enthält: Was literarische Prosa betrifft, so lese ich grundsätzlich nur Erzählungen. In meinem ganzen Leben habe ich erst einen einzigen Roman von Anfang bis Ende durchgelesen: Der talentierte Mr. Ripley (bei uns besser bekannt unter dem Titel Nur die Sonne war Zeuge). Bei Romanen steige ich für gewöhnlich beliebig in den Text ein oder aus,

wie es mir beliebt, schlage ihn auf irgendeiner Seite auf und klappe ihn auf die gleiche Weise wieder zu. Nur bei Der talentierte Mr. Ripley ist es mir nicht so ergangen. Ich konnte einfach nicht aufhören weiterzulesen, weil ich unbedingt wissen musste, welches Schicksal diesen so überaus charmanten Mörder ereilen würde, mit dem ich mich identifizierte. Jahre später kam Highsmith nach Barcelona, wo ich sie im Hotel Colón traf. Hinter ihren harschen Gesichtszügen verbarg sich eine edle Seele. Man konnte sie für eine äußerst merkwürdige Frau halten, doch in meinen Augen war die Einsiedlerin von Montcourt eine der angenehmsten Personen, denen ich im Leben jemals begegnet bin. Als ich sie nach Ripley fragte, gab sie mir die Antwort, die sie immer gab, wenn man sie nach dieser Person fragte, nur dass sie sich diesmal einen überraschenden Schlenker erlaubte: »Er erinnert mich an Sie. Er ist nicht wirklich ein Krimineller. Er wäre gerne ein Dandy gewesen.« Nach diesen ihren Worten fühlte ich mich für den Rest des Tages wie ein Mondsüchtiger.

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Aus dem Spanischen von Petra Strien Diogenes Magazin

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Serie

Kopfnüsschen Welcher Typ Detektiv sind Sie? Wie steht es um Ihre Finanzen? Kann nicht klagen. (A / C) Mies, immer. (B / D)

Treiben Sie Sport? Ja. Tennis, Rugby, Frühgymnastik und mehr. (A) Nein. Körperliche Aktivität dient allein der Selbstverteidigung. (B / C / D)

Ihre Hobbys? Schachpartien nachspielen, Gedichte lesen. (D) Lesen. (C) Bierdeckelhäuser bauen, Fußball schauen. (B) Jagd, Hausrenovation, Kochen, Gemüse anbauen. (A)

Wo würden Sie gerne leben? In einer Großstadt, wo sonst. Schön muss sie nicht sein, aber spannend. (B / D) Eine städtebauliche Perle wie Venedig, Rom oder Paris wäre schon nicht schlecht. (C) In einem kleinen, lauschigen Dorf auf dem Lande. (A) Wen würden Sie am ehesten als Ihren Gefährten / Ihre Vertrauensperson bezeichnen? Meine Frau / meinen Mann. (C) Lange Zeit keine, ich bin ein – wenn auch sentimentaler – Einzelgänger. (B / D) Meinen Hund. (A) Ihr liebstes Fahrzeug? Mein Boot. (C) Ein alter, klappriger Mittelklassewagen. (A / B) Ein richtiger Schlitten. Zum Beispiel ein Chrysler aus den späten 30ern. (D) 40

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Rauchen Sie? Ja, Zigaretten, sehr selten auch Pfeife. (D) Ich habe kürzlich aufgehört. (B) Aber nein! (A / C ) Was essen Sie am liebsten? Ganz klar: italienische Küche. Ist das herrlich, wenn man nach Hause kommt und einem der Geruch von Rosmarin in die Nase steigt. (C) Fast food. (B) Die feine französische Küche: Trüffeln zum Beispiel, Foie gras, gut gereifter Käse. (B) Weiß nicht, esse eher unregelmäßig, wenig und ungesund. (D) Wie würden Sie Ihr Äußeres beschreiben? Gepflegt und sorgfältig gekleidet. (C) Morgens vermeide ich den Blick in den Spiegel, aber die Frauen reißen sich trotzdem um mich. (B / D) Jung, geschmeidig, gute Kondition, attraktiv, legere Kleidung. (A)

Haben Sie ein erfülltes Privatleben? Ach, eigentlich schon. (A) Doch, eigentlich schon. Wenn mein Partner / meine Partnerin nur nicht so dickköpfig wäre. Immer diese Auseinandersetzungen. (C) Na ja. (B / D) Wie steht es um Ihren Zivilstand? Seit etlichen Jahren verheiratet, zwei oder mehr Kinder. (C) Viele Frauen, keine auf Dauer, erst spät einige ernsthafte Beziehungen. (D) Stolzer und umworbener Junggeselle (mit tragischer Liebesgeschichte in der Vergangenheit). (A) Lange nichts Verbindliches, nun aber in festen Händen. (B) Ihre Einstellung zu Gewalt / Waffen? Ich bin stolz darauf, keine Pistole zu tragen. (A / C) Der Satz: »In dieser Stadt gibt es zu viele Waffen und zu wenig Hirn« könnte von mir sein. Dennoch gerate ich manchmal in eine Schlägerei. (B / D)

Illustration: © Tomi Ungerer

Ihr Lieblingsdrink? Hochprozentiges – Bourbon, Brandy am liebsten. (D) Wein aus der Region, zuweilen auch etwas Exotisches wie ein Vin de noix. (A / C) Bier. (B)


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Wie arbeiten Sie am liebsten? Unabhängig, auf eigene Faust. Ich habe da sehr klare Vorstellungen. (B / C / D) Eingebunden in eine Gemeinschaft, in der jeder jeden kennt. (A)

Die drei ???

Und wie lässt sich Ihr Temperament eher beschreiben? Tough, hitzig, impertinent, aber immer ehrlich. (B / D) Engagiert, freundlich, leicht melancholisch. (A / C)

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Die drei ??? einmal anders. Kennen Sie den jeweiligen Autor zu den 3er-Titeln?

Die drei Räuber Wir drei Drei Schwestern Drei Zimmer in Manhattan Drei Stunden zwischen zwei Flügen 6) Die drei Musketiere 7) Drei Mann in einem Boot 8) Der Tee der drei alten Damen 1) 2) 3) 4) 5)

Auflösung

Drudel-Test

Nun zählen Sie, welchen Buchstaben Sie am häufigsten angekreuzt haben, und finden Sie alles über Ihr detektivisches Alter Ego auf den angegebenen Seiten!

Hier ist Phantasie gefragt. Was ist auf den folgenden Bildern zu sehen?

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Bilderrätsel Der Inhalt der wenigsten Romane lässt sich so leicht auf einen Satz oder gar zwei Bilder herunterbrechen. Mancher Titel jedoch schon! Können Sie die Titel der folgenden Bücher anhand der Piktogramme erraten?

Sudoku: © Puzzle Company GmbH für Diogenes Magazin; Drudel 1: © Roger Price

A = Bruno Courrèges, Saint-Denis (Seite 26) B = Kemal Kayankaya, Frankfurt (Seite 28)

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C = Guido Brunetti, Venedig (Seite 28) D = Philip Marlowe, Los Angeles (Seite 26) 2

Lösungen auf Seite 61 Diogenes Magazin

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Interview

Hansjörg Schneider im Gespräch mit Marc Krebs

Der zeitlose, großartige Friedrich Glauser Marc Krebs: Hansjörg Schneider, als Friedrich Glauser 1938 starb, kamen Sie gerade zur Welt. Sind Sie mit seiner Literatur aufgewachsen? Hansjörg Schneider: Nein, dem Namen Glauser bin ich erst begegnet, als ich 1958 nach Basel kam, um Germanistik zu studieren. Hier kam mir zu Ohren, dass es mal einen ›wilden Siech‹ gegeben habe, der in der Fremdenlegion gewesen sei und Krimis schrieb. So kauften Sie sich in der nächsten Buchhandlung ein Buch von Glauser? Das hätte ich gerne. Aber Glausers Bücher waren vergriffen. Erst Jahre später, als ich auf einer Fahrt ins Emmental einen Halt einlegte, fiel mir in einem Brockenhaus Matto regiert in die Hände. Ich las den Krimi. Später, um 1970, brachte ein Freund von mir – der Journalist Hugo Leber – Glausers Bücher neu heraus. Ich verschlang sie alle und wurde zum Fan. Das sind Sie bis heute geblieben? Ja. Glauser ist ein großartiger Autor, seine Texte sind ergreifend. Und, was 42

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phänomenal ist an seinen Büchern: Sie werden nicht alt. Warum? Weil er so genau beobachtet hat? Ja, schon. Glauser ist für mich der größte Schweizer Realist des 20. Jahrhunderts. Er fasziniert mit seiner scheinbar unpoetischen Literatur. Seine Kenntnisse der Menschen, wie er die Welt durchschaute und die dunklen Seiten aufzeigte, all das ist zeitlos großartig. Dass es sich dabei um Kriminalromane handelt, ist für mich nebensächlich. Das Gleiche gilt für Dürrenmatt: Abgesehen vom Besuch der alten Dame haben dessen Theaterstücke die Zeit nicht gut überstanden. Dürrenmatts Prosa aber, zum Beispiel Das Versprechen oder Der Verdacht, ist heute noch phänomenal. Wie bei Glauser kommt alles scheinbar einfach daher, als wäre es Alltagsliteratur. Im Vergleich dazu wirken die Bücher von Max Frisch ziemlich verstaubt. Dennoch wird Glauser nie im gleichen Atemzug genannt.

Was ich sehr bedaure. Er hat halt nicht im vordergründigen Sinn Kunst gemacht. Und er passte den Intellektuellen deshalb nicht. Als ich studierte, war Glausers Werk kein Thema, stattdessen rieb man uns anderes unter die Nase, Meinrad Inglin etwa. Ihn sollten wir verehren, hieß es, er sei ein Jahrhundertautor. Aber wer liest heutzutage noch Inglin außerhalb der Innerschweiz? Dieser schrieb am Ende ja immer, dass die Obrigkeiten recht hatten, biederte sich so bei der Aristokratie an – und damit auch bei den einflussreichen Professoren und Zürcher Feuilletonchefs. Glauser tat das Gegenteil, er wühlte im Dreck, war unbequem. Und fand doch sein Publikum. Die Geschichten mit Wachtmeister Studer wurden mit Heinrich Gretler verfilmt und populär. Aber das half ihm nicht, bei der großbürgerlichen Literaturkritik in Zürich anzukommen. Diese bestimmte damals, was gut war und was nicht. In diesen

Illustration: © Tomi Ungerer

Nach ihm ist heute der prestigeträchtigste Krimipreis im deutschsprachigen Raum benannt: Friedrich Glauser (1896 – 1938), der Erfinder des legendären Wachtmeister Studer, führte ein verrücktes Leben und schuf zeitlose Literatur. Krimiautor Hansjörg Schneider erzählt von seiner Glauser-Leidenschaft.


Foto oben: © Bastian Schweitzer / Diogenes Verlag; Foto unten: © Keystone / Limmat Verlag

Kreisen war auch Robert Walser nicht sehr beliebt – ausgerechnet jene zwei Weltklasse-Autoren, die die Schweiz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hervorgebracht hatte. Der berühmte Zürcher Literaturwissenschaftler Emil Staiger fragte einmal abschätzig: »In welchen Kreisen verkehren diese Leute?« Mitten im Leben. Ja. Und genau das gefällt mir so an Glauser: Seine Geschichten sind nah am sogenannt einfachen Volk, sie spielen bei den kleinen Leuten, in einem Milieu, in dem auch ich mich heimisch fühle. Ein Milieu, in dem sich auch Ihr Kommissär Hunkeler oft bewegt. Wer steht eigentlich wem näher: Schneider dem Glauser oder Studer dem Hunkeler? (lacht und winkt ab) Der Studer ist der Studer. Ich wüsste jetzt nicht, was dieser mit dem Hunkeler zu tun haben soll. Beide sind zwei verschiedenen Köpfen entsprungen. Glauser führte ja auch ein ganz anderes Leben als ich. Ich wuchs wohlbehütet auf, habe studiert, dann geheiratet und zwei Kinder mit aufgezogen. Natürlich, ich habe mir Glauser als Autor zu meinem Freund auserkoren. Davon weiß dieser aber nichts. Dennoch sind Parallelen auszumachen, auch Sie schreiben mit den Augen, auch Ihr Hunkeler ist ein gütiger Kommissar. Hat Sie Glauser inspiriert? Ob mich dieser groß beeinflusst hat, weiß ich nicht. Das ist Theorie. Man muss ja selbst erfinden, wenn man schreibt, sonst ist es nichts wert. Aber klar, man kann da eine Kontinuität herauslesen, wenn man Kommissare wie Simenons Maigret, Dürrenmatts Bärlach und Glausers Studer mit meinem Hunkeler vergleicht; es sind alles ältere, melancholische Männer und nicht toughe, schneidige Polizisten. Auch Glausers eigene Biographie scheint voller Dramatik. Ein Traumatisierter, der vom Vater pathologisiert und verstoßen wurde. Das hat was, ja. Glauser versuchte einmal, eine Autobiographie zu schreiben. Der Anfang heißt Mensch im Zwielicht, darin beschreibt er die zwei Pole seiner

Kindheit: Die Mutter stand für Liebe, für Wärme, Zärtlichkeit und Phantasie. Sein Vater verkörperte das Gegenteil. Seine Mutter starb, als er sehr jung war, was für ihn ein Schlüsselerlebnis war. Das war bei mir ziemlich ähnlich.

Friedrich Glauser ist für mich der größte Schweizer Realist des 20. Jahrhunderts.

Inwiefern? Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie die Rollenverteilung damals aussah: Die Frauen hatten zu jener Zeit, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, absolut nichts zu sagen. Die Männer befahlen, schrien und schlugen auch mal drein. Für die Männer von damals, sei es mein Vater oder die Lehrer, schien ein Bub in erster Linie mal frech, dumm und blöd zu sein. Und den musste man daher einfach mal . . . . . . disziplinieren? Jawohl. Die Frauen fanden einen herzig,

waren lieb. Die schlugen nicht. Das Muster von Glauser fand sich bei vielen Kindern dieser Zeit. Man kann nun behaupten, er habe die Liebe und die Zärtlichkeit sein Leben lang gesucht. Aber ich würde den Glauser nicht dermaßen psychologisieren. Man darf nicht vergessen, dass er schon sehr früh ein Morphinist, ein Lügner und ein Dieb war. Er machte alles, was Gott verboten hat, um einigermaßen durchzukommen. Zum Glück ist er dann einem Psychiater in die Hände gelaufen, der ihm auf die Beine half. Daraufhin begann Glauser richtig zu schreiben. Und doch kam er von seiner Abhängigkeit nicht los. Er schrieb einmal: »Ohne Opium wird man den eigenen Sachen gegenüber so kritisch eingestellt.« Dann beschleiche ihn das Gefühl, er schreibe wie ein Gymnasiast. Er war wohl sehr unsicher. (verwirft die Hände) Ach, wer hat schon keine Selbstzweifel? Mir scheint, das wird überbewertet. Natürlich, er war süchtig. Und ich kenne die Wirkung von Opium nicht. Aber er war auch ein unglaublich fleißiger Schreiber. Ich bin überzeugt, dass er wusste, was er leistete. Er stellte sein Licht immer unter den Scheffel und war bescheiden. Aber er muss gewusst haben, was er leistete. Und schien doch darunter zu leiden, dass er nicht akzeptiert wurde. Er träumte immer vom ganz großen Roman. Das muss man aber auch relativieren: Glausers Bücher wurden Ende der 1930er Jahre in für diese Zeit sehr hohen Auflagen gedruckt, zehntausend Exemplare und mehr. Natürlich gab es da auch einige Kollegen, die eifersüchtig waren und ihm den Erfolg übelnahmen. Er war nie Teil dieses Literaturkuchens, ging seinen eigenen Weg. Haben Sie selbst auch Ressentiments erlebt? Ja, aber das ist normal. Die echten Kollegen gratulierten mir immer. Peter Bichsel etwa sagte mir einmal: »Dein letzter Hunkeler ist so gut wie ein Glauser.« Das fand ich ein wunderschönes Kompliment. Er hat es eben nicht nötig, neidisch zu sein. Andere sagen mir hingegen: »Hör endlich auf mit den Krimis!« Diogenes Magazin

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Buchtipps

1232 Seiten, Leinen im Schmuckschuber Die Kriminalromane mit Wachtmeister Studer enthält: Wachtmeister Studer / Matto regiert / Die Fieberkurve / Der Chinese / Krock & Co. ISBN 978-3-257-06881-8

1934, als Insasse der Nervenheilanstalt Waldau, erdachte Friedrich Glauser die Figur des Wachtmeister Studer. Der bärbeißige »Fahnderwachtmeister bei der Kantonspolizei Bern« ist ein massiger Typ mit Schnurrbart und Brissago, grundsätzlich gutmütig und meist auf der Seite der kleinen Leute. Außenseiter sind ihm sympathisch, die Obrigkeiten dafür umso weniger, zumal er kurz vor der Pensionierung steht. Mit einem Nachwort von Hugo Loetscher.

240 Seiten, Pappband ISBN 978-3-257-24238-6 Auch als Diogenes E-Book

Ein havariertes Hausboot auf dem Rhein. Ein verschwundener Intendant. Ein handfester Theaterskandal. Eine unwahrscheinliche Liebe. Und ein paar alte Rechnungen. Peter Hunkeler vom Kriminalkommissariat Basel ermittelt.

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Immerhin werden Kriminalromane heute im Literaturbetrieb stärker wertgeschätzt als noch zu Glausers Zeiten, nicht wahr? Leider nein. Und das, obschon ein wichtiger Teil der großen Schweizer Literatur Krimis sind, denken wir eben nur an Dürrenmatt oder Glauser. Für mich ist selbst Dostojewskijs Schuld und Sühne ein Krimi – und zugleich einer der besten Romane, die je geschrieben wurden. Ich mache da keine Unterschiede, für mich gibt es einfach spannende und langweilige Literatur. Die Kritik aber tut sich noch immer schwer mit Krimis: Von meinen acht Hunkeler-Büchern wurde jedenfalls noch keines im Literaturclub des Schweizer Fernsehens diskutiert. Auch auf die Short List des Schweizer Buchpreises hat es keiner geschafft. Aber ich habe mich längst daran gewöhnt und lebe gut außerhalb dieses Literaturbetriebs. Glauser ging es wohl gleich. Was Sie ebenfalls mit Glauser verbindet: Auch er kürte Basel zur Wahlheimat. So arbeitete er eine Zeitlang als Handlanger in einer Liestaler Gärtnerei. Und kam 1938 in die Klinik Friedmatt zu einer Entziehungskur. Vergeblich versuchte er hier auch seine langjährige Partnerin Berthe Bendel zu heiraten. Ja, eine verrückte Geschichte. Bendel war Deutsche. Und zu dieser Zeit hätte sie Glauser nur heiraten können, wenn sie einen Ariernachweis vorlegte. Doch diesen zu beschaffen war ein mühsames Unterfangen. Weshalb die beiden nach Nervi reisten, bei Genua – denn im faschistischen Italien wäre es einfacher gewesen zu heiraten. Einen Tag vor der Hochzeit fiel Glauser ins Koma. Und wachte nicht mehr auf. Wie erklären denn Sie sich seinen frühen Tod? Er starb 42-jährig. Glauser hatte zuvor schon Schwächeanfälle. Er führte kein gesundes Leben, war nicht nur Morphinist, er rauchte auch wie ein Schlot und trank gerne. Dann schrieb er auch noch bis zu 14 Stunden am Tag. Ich glaube, er lebte einfach so intensiv, dass sein Herz nicht mehr mithalten konnte.

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Lieblingskrimis Diogenes Krimiautoren verraten ihre Lieblings-Diogenes-Krimis. Doppelt spannend!

Es muss 1990 gewesen sein: Ich stand in einem Buchladen in Manhattan in der Schlange vor der Kasse, als mein Blick auf einen Ständer mit Sonderangeboten fiel: Jedes Buch kostete bloß zwei Dollar. Die grellbunten Umschläge mit spärlich bekleideten Frauen und harten Jungs erinnerten mich an die pulp novels der fünfziger Jahre – nicht, dass ich genau wusste, was das war. Als Teenager hatte ich ein bisschen was von Mickey Spillane gelesen und war ein Fan des Film noir aus den Vierzigern und Fünfzigern, aber einen Noir-Krimi aus der Zeit hatte ich bis dato noch nicht gelesen. Nun ja, bei zwei Dollar pro Buch konnte man ja wohl nicht viel falsch machen, und so kaufte ich Eine klasse Frau von Jim Thompson. Ich bin ein relativ langsamer Leser, und normalerweise brauche ich mindestens eine Woche für ein Buch, aber diesen Roman habe ich in einem Rutsch verschlungen. Es war anders als alles, was ich bisher

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gelesen hatte: ein klarer, rasanter Schreibstil, der sich selbst nicht so furchtbar wichtig nahm, ein wenig eklig und gleichzeitig zum Lachen komisch, mit einem so köstlich gemeinen Unterton, dass man sich zwar irgendwie mies, aber dennoch gut fühlte. Dieses Buch gehörte ganz bestimmt nicht zu der Sorte, die man gleich wieder vergisst, wenn man sie aus der Hand gelegt hat. Als ich Eine klasse Frau entdeckte, machte ich gerade einen Master als Dramatiker, und so las ich zu der Zeit viele Theaterstücke. Davor, auf der Highschool und auf dem College, hatte ich mich ausschließlich mit den Klassikern und literarischen Werken beschäftigt, die mir im Unterricht vorgesetzt wurden. Wenn ich in der Freizeit ein Buch in die Hand nahm, im Sommer und in den Ferien, dann las ich auch wieder Ähnliches, ich kannte ja nichts anderes. Als ich dann auf dem College anfing, Kurz-

Diogenes Taschenbuch detebe 22508, 240 Seiten

geschichten zu schreiben, versuchte ich – wie jeder angehende Schriftsteller der achtziger Jahre – den Stil von Hemingway und Carver nachzuahmen. Nichts gegen diese beiden literarischen Meister, aber ich finde es falsch, dass die Studenten in den Lehrgängen für Kreatives Schreiben immer nur dazu ermuntert werden, die Art Geschichten zu schreiben, die der New Yorker gern veröffentlicht, und dass Genreliteratur belächelt wird. Aber zurück zu Jim Thompson . . . Mit meinem Master-Abschluss entkam ich nach 18 Jahren endlich der literarischen Bildungshaft und las weiter Kriminalromane. Ich stromerte in Manhattan herum, pleite, arbeitslos und mit einem Krimi der BlackLizard-Reihe in der Hosentasche. In dieser Zeit las ich fast alles von Thompson, darunter meine Lieblingsromane Ein Satansweib und Der Mörder in mir. Aus dem Amerikanischen von Ulla Kösters

Illustration: © Paul Flora; Foto: © Regine Mosimann / Diogenes Verlag

Jason Starr


Petros Markaris Was ist dieses Concarneau? Ein kleines Nest, irgendwo in der Provinz. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es die Stadt wirklich gibt. Es könnte auch eine fiktive Stadt sein, so wie Vigatta in den Romanen von Andrea Camilleri. Maigret sitzt im Café Amiral, raucht seine Pfeife und zerbricht sich den Kopf über einen

gelben Hund, ein Untier, so ähnlich wie der Hund der Baskervilles, der plötzlich in dieser Provinzstadt erschienen ist und den Bewohnern Angst einflößt. Kritiker sagen oft, dass Simenon die kleinen Leute mit Mitgefühl behandelt. Wenn das stimmt, und es stimmt weitgehend, dann

Fotos: © Regine Mosimann / Diogenes Verlag

Hans Werner Kettenbach Im Katalog steht er unter dem Kennwort ›Kriminalliteratur‹. Ob Jack London dorthin gehört, darüber lässt sich streiten. Auf mich allerdings hat er seit je einen ähnlichen Reiz ausgeübt wie ein Kriminalroman der Extraklasse: zwischen Gut und Böse abwägen zu müssen; mich Zug um Zug und begierig einer Lösung nähern zu können; gleichwohl unschlüssig zu bleiben, ob ich mit dem Guten oder dem Bösen sympathisiere. Zum ersten Mal las ich Jack Londons Seewolf, als ich zwölf Jahre alt war. Meine gleichaltrige Freundin von nebenan hatte ihn mir heimlich aus dem Bücherschrank ihres Vaters geborgt. Dort stand er, zwischen den Edgar Wallaces und S. S. Van Dines, in der zweiten, der hinteren Reihe. Manchmal bekam man diese Bücher und

andere, ähnliche, in ihren zerfledderten Umschlägen auch zu sehen, an Samstagnachmittagen, wenn der Vater es sich mit seiner Lektüre auf dem Sofa im kleinen Wohnzimmer (es gab auch ein großes) bequem gemacht hatte, daneben auf dem niedrigen Tisch eine Tasse Kaffee und eine goldfarbene Blechschachtel mit KhediveZigaretten. Es hatte etwas Lasterhaftes, etwas von einer Freiheit, die sich nicht jeder herausnehmen konnte und herausnahm. Ich wäre gern so tierisch stark gewesen wie dieser skrupellose Segelschiffskapitän Wolf Larsen und zugleich so gebildet, so klug wie sein Widerpart Hump, der Literat Humphrey van Weyden, den er schiffbrüchig vor San Francisco aus dem Meer gefischt hatte und zwang, als Schiffsjunge mit ihm

176 Seiten, Pappband ISBN 978-3-257-23806-3 Auch als Diogenes Hörbuch

ist dieser Roman eine Ausnahme. Denn Maigret empfindet nicht nur Mitgefühl für die kleinen Leute von Concarneau, sondern auch Wut und Abscheu. Maigret und der gelbe Hund ist nicht nur ein spannender Kriminalroman, sondern auch ein Meisterwerk der Beschreibung von kleinen Leuten.

Diogenes Taschenbuch detebe 21509, 384 Seiten

auf Robbenfang zu gehen. Und natürlich animierte mich, ebenso wie diese beiden, die schöne, zarte Maud Brewster mit den großen braunen Augen, die sie im Pazifik aus Seenot retteten. Dass dies keine Sex-and-Crime-Story war, sondern dass der Abenteurer Jack London sich in seinem Roman sehr lesbar mit den anthropologischen Theorien der Jahrhundertwende auseinandergesetzt hatte, verstand ich erst später. Mein erstes eigenes Exemplar des Sea Wolf fiel mir nach dem Kriegsende in den Schoß. Es war eine Pocket-Book-Ausgabe in Englisch, die mir ein amerikanischer Soldat überließ. Ich hüte sie, neben der Diogenes-Ausgabe von 1987, noch immer. Es ist ein solide gebauter, gut geschriebener, es ist ein großer Roman. Diogenes Magazin

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Bei jedem neuen Krimi von Donna Leon frage ich mich voller Bewunderung: Wie macht sie das nur? Der Roman Tierische Profite beginnt mit einem schockierenden Bild, wie wir es in vielen Filmen und bereits bei Rembrandt gesehen haben: eine Leiche auf dem Seziertisch. Und schon schafft es Donna Leon, dass wir sofort in die Handlung einsteigen und auch beim 21. Fall unsere hohe Meinung von der intelligenten und behutsamen Ermittlungsweise des Commissario bestätigt wird. In diesem Kriminalroman geht es um die Gier, das häufigste Motiv der Täter; an den seelischen Abgründen könnte Brunetti fast verzweifeln, doch trotz aller Widrigkeiten erreicht er am Ende sein Ziel. Über kurz oder lang verfällt jeder dem Zauber Venedigs, leidet aber gleichzeitig an der Bedrohung der fragilen Schönheit durch

menschliche Habsucht. Auch Brunetti betrachtet mit gelegentlicher Wehmut seine geliebte Heimat, in der viele Geschäfte der guten alten Zeit spurlos verschwinden, gigantische Kreuzfahrtschiffe für Touristenströme sorgen und fragwürdige Eingriffe in das Ökosystem der Lagune den allmählichen Untergang der Serenissima vorantreiben. Der Commissario, der sich von Berufs wegen ständig mit Verbrechen beschäftigt, sehnt sich nach heiterem Leben unter freiem Himmel, muss sich aber in einem abscheulichen Schlachthaus mit Tierquälerei und den skrupellosen Machenschaften industrieller Fleischverwerter auseinandersetzen. Diesen Guido Brunetti muss man einfach mögen. Nicht nur, weil man ihn als liebevollen Familienvater und unbestechlichen Polizisten mit einem großen Herzen kennt,

Christian Schünemann Es regnet in La Rochelle. Sechs alte Frauen sind ermordet worden, erdrosselt mit einer Cellosaite. Was treibt den Hutmacher, Monsieur Labbé, durch die nächtlichen Straßen, und was hat seine Frau Mathilde mit den Morden zu tun? Die schaurigen Ereignisse werden überdeckt von der tägli-

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che Routine: im Kamin Feuer machen, die Holzläden von den Fenstern nehmen, Hüte ausdämpfen. Warum schiebt der Hutmacher jeden Abend im Dunkeln den Holzkopf vor das Rollo? Verstohlen sind die Blicke durch den Spalt im Fensterladen, die Gedanken quälend, die Enthüllungen so

336 Seiten, Leinen ISBN 978-3-257-06858-0 Auch als Diogenes Hörbuch / E-Book

sondern auch, weil er Gefühle zeigt, kein Übermensch ist und zum Beispiel geregelte Dienstzeiten etwas lässig handhabt. Oft wendet er der Questura zum Zweck des Kaffeetrinkens und Mittagessens den Rücken zu, den Start am frühen Morgen zögert er ganz gern hinaus. Doch auch die clevere Signorina Elettra und den treuen Vianello wissen wir Leser zu schätzen, und sogar für Vice-Questore Patta mit seinen durchschaubaren Schwächen und Eitelkeiten hegen wir eine gewisse Sympathie – wie für einen exzentrischen und unverbesserlichen Verwandten. Nach der Lektüre werden sich viele Leser vornehmen, ihren Fleischkonsum zu reduzieren, und damit hat Donna Leon nicht nur einen spannenden Roman geschrieben, sondern genau wie Guido Brunetti ein weiteres Ziel erreicht.

224 Seiten, Pappband ISBN 978-3-257-24127-3

ungeheuerlich wie beiläufig. Die Fantome des Hutmachers. Sie verfolgen Monsieur Labbé und treiben ihn Schritt für Schritt in den Abgrund. Er hatte nur getan, was getan werden musste. Danke, Monsieur Simenon, für dieses Buch.

Foto oben: © Isolde Ohlbaum; Foto unten: © Jens Schünemann

Ingrid Noll


Diogenes Taschenbuch detebe 20207, 384 Seiten Auch als Diogenes Hörbuch

Bernhard Schlink

Foto oben: © Isolde Ohlbaum; Foto unten: © Bastian Schweitzer / Diogenes Verlag

In Der lange Abschied ist Philip Marlowe er selbst wie in keinem anderen Roman von Raymond Chandler. Er hat keine Illusionen über die Welt von Geld und Glamour, Geschäft und Verbrechen, in der er lebt, und bleibt doch Romantiker, ist moralisch aus Eigensinn, loyal aus Selbstachtung, steckt mit Gleichmut ein, wenn es sein muss, und teilt, wenn es sein muss, mit Gleichmut aus, akzeptiert die Einsamkeit des Lebens und ist dank seines Witzes selbst dann mit sich im Reinen, wenn er nicht mit sich im Reinen ist. Auch Raymond Chandler ist er selbst wie in keinem seiner anderen Romane. Die Handlung ist ein bisschen wirr, wie stets bei ihm, aber es stört nicht, weil Beginn und Ende des

langen Abschieds alles überwölben. In keinem der anderen Romane sind die Beobachtungen so klar und scharf, die Kommentare so trocken und böse, die Pointen so treffend. Der Abschnitt über die blonden Frauen – unübertrefflich, unvergesslich. Der lange Abschied ist Raymond Chandlers letzter Roman. Zwar folgen noch Playback und Einsame Klasse, der erste ein abgelehntes, umgeschriebenes Drehbuch und der zweite unvollendet, und man muss sie lesen, weil man Philip Marlowe und Linda Loring aus Der lange Abschied wiederbegegnen will. Aber Der lange Abschied ist Chandlers letztes als Roman komponiertes und vollendetes, sein reifstes, sein Alters- und Abschiedswerk.

Claus-Ulrich Bielefeld Das gibt’s: einen einzigen Roman in 75 Bänden. Mit einem Hauptdarsteller: Kommissar Maigret. Und obwohl ich von der ersten bis zur letzten Seite alles schon gelesen habe, folge ich dem schwerfälligen Stoiker immer wieder einmal – in die dunklen Straßen am Montmartre, über das Kopfsteinpflaster kleiner Städte in der Vendée und der Normandie oder durch die Gassen mondäner Orte an der Côte d’Azur. Die Kriminalfälle sind nicht aufregend (ja, um ehrlich zu sein: Sie sind manchmal recht wirr und in der Auflösung oft wenig überzeugend). Und die Figur Mai-

Ein taffer Privatdetektiv mit einer lockeren Einstellung zu Frauen und lockeren Sprüchen über sie – ein Buch für Männer? Zögern Sie nicht, das Buch Ihrer Freundin zu geben, auch wenn es immer so eine Sache ist, der Freundin die Lieblingsbücher zu geben und die Lieblingsfilme zu zeigen. Sie wird das Buch nicht als Männerphantasie und Ihre Liebe zu ihm nicht als Männersehnsucht abtun. Nein, sie wird das Meisterwerk mögen, das die Genres des Buchs für Männer oder des Hardboiled-Thrillers oder des Kriminalromans sprengt. Es gibt nur ein Genre, in das Der lange Abschied gehört – der große amerikanische Roman.

192 Seiten, Pappband ISBN 978-3-257-23801-3 Auch als Diogenes Hörbuch

gret selbst ist entschieden holzschnittartig angelegt. Aber rund um diesen tapsigen Pfeifenraucher und kernigen Trinker (wie viele Hektoliter Calvados, Bier und herbe Weiße von der Loire mögen wohl durch seine Leber gelaufen sein?) erschafft Simenon in wenigen lakonischen Sätzen eine Welt aus Gerüchen, Geräuschen und Gesten, die eine ganz eigene Magie entfaltet. Kein anderer Autor kann so leicht und so intensiv Atmosphäre schaffen. Paris im Winter, Paris im Frühling, Paris im Schnee, Regen oder Sonnenschein, das Paris der kleinen Leute und

192 Seiten, Pappband ISBN 978-3-257-23875-4

der großen Bourgeoisie – ohne Maigrets speziellen Blick kann ich mir das gar nicht mehr vorstellen. Und der Einstieg ist jederzeit möglich: Maigret als möblierter Herr zeigt den Kommissar in Bestform. Auf der Suche nach einem Täter zieht er inkognito in die kleine Pension der kugelrunden und stets gut gelaunten Mademoiselle Clément in der Rue Lhomond ein. Und schon bald ist der Leser in einem Mikrokosmos aus Geheimnissen und Lügen, aus gutem Willen und bösen Taten verstrickt. Diogenes Magazin

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Eigentlich wollte ich Martin Suters Der Koch zu meinem Lieblingsbuch erklären, weil ich für gutes Essen ein Faible habe. Seine Beschreibungen der Gerichte und ihrer Zubereitung sind hinreißend, detailliert und lustvoll zugleich, die Rezepte im Anhang ein zusätzlicher Bonus. Ein Buch, das alle Sinne anspricht. Aber dann fiel mir wieder ein anderes Werk Suters ein, eines, das mir nicht aus dem Kopf geht: Small World. Es erzählt die Geschichte eines Mannes, der dem Alkohol verfallen ist und gezwungen wird, trocken zu bleiben, der sich verliebt und gleichzeitig an Alzheimer erkrankt. Suters Beschreibung, wie sich das eine wie

Diogenes Taschenbuch detebe 23088, 336 Seiten Auch als Diogenes Hörbuch / E-Book

das andere auf je eigene Weise psychisch niederschlägt, ist äußerst sensibel und kenntnisreich. Ich kenne Leidtragende sowohl dieser als auch jener schrecklichen Krankheit, die beide um den Verstand bringen, Erinnerung rauben und eine Person verändern. Suters Behandlung dieses Themas kommt der auch von mir erfahrenen Wirklichkeit so nah, dass ich sie fast wie eine Dokumentation lese. Und dann noch dieser raffinierte Dreh: Was erinnert ein Alzheimer-Patient, wenn sein Gedächtnis erodiert? Welche tief in ihm verborgenen Geheimnisse können noch zum Vorschein treten? Nach Diabetes ist Alzheimer die sich weltweit am schnells-

Friedrich Dönhoff Waren Sie schon einmal in Belgrad? Nein, ist die typische Antwort, wenn man sich in Deutschland umhört. Dabei ist Belgrad eine der ältesten Städte Europas, von Deutschland oft schneller zu erreichen als Rom oder Madrid, London oder Stockholm, und wunderschön gelegen, dort, wo

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die Save in die Donau fließt. Das Buch Kornblumenblau öffnet die Tür zu einer spannenden Welt. Die eigenwillig-sympathische Hauptfigur Milena Lukin nimmt den Leser bei der Hand, führt ihn zu sich nach Hause, zu ihrer Familie, ihren Freunden, und bis in die entlegenen Winkel von

Diogenes Taschenbuch detebe 23999, 320 Seiten Auch als Diogenes Hörbuch / E-Book

ten ausbreitende Krankheit und, weil die allgemeine Lebenserwartung zunimmt, ein wachsendes Risiko für alle. Vor diesem Hintergrund ist Small World von größerer Relevanz als die meisten Thriller. Und sein Autor versteht es meisterlich, einen vom Alkohol gestörten Verstand ins Bild zu setzen, der sich kurzfristig erholt, dann aber unaufhaltsam schwindet und nur noch Bruchstücke der Erinnerung vorfindet, die zu einem überraschenden, großartigen Ende führen. Small World ist mehr als ein intelligenter Krimi; es ist ein bemerkenswerter Roman über das menschliche Bewusstsein.

368 Seiten, Leinen ISBN 978-3-257-06833-7 Auch als Diogenes E-Book

Belgrad. Nebenbei lernt man die Menschen gut kennen und erfährt viel über die dramatische und wechselhafte Geschichte Serbiens. Hier liegt auch die Ursache für den Doppelmord, zwei im Wald getötete junge Elitesoldaten. Milena Lukin hat ihren ersten Fall, und ich hatte eine schlaflose Nacht.

Foto oben: Klaus Einwanger / KME-Studios / © Diogenes Verlag; Foto unten: © Marvin Zilm

Martin Walker


Serie

Transhelvetica Schweizer Magazin für Reisekultur

KrimiLesefrüchtchen Schicken Sie uns bitte Ihre Lieblingssätze aus einem Diogenes Buch. Jedes veröffentlichte Zitat wird mit einem Bücherpaket im Wert von € 50.– honoriert. Bitte per E-Mail an msc@diogenes.ch oder auf einer Postkarte an: Diogenes Magazin, Sprecherstr. 8, 8032 Zürich, Schweiz »Erst um acht Uhr abends, als die Gaslaternen die Perspektive der Straßen rund um den Arc de Triomphe mit einem Hohlsaum aus Lichtern nachzeichneten und Maigret nicht mehr viel Hoffnung hatte, kam er mit der Wirklichkeit, die er suchte, in Berührung.« Georges Simenon, ›Maigrets erste Untersuchung‹ (detebe 23830). Eingeschickt von Susanne Kerl, Schmallenberg »Dann kam er auf mich zu und legte mir das kalte Lineal unters Kinn. ›Also?‹ Es gab nur zwei Möglichkeiten. Ich wählte die falsche.« Jakob Arjouni, ›Mehr Bier‹ (detebe 21545). Eingeschickt von Matthias Nicolai, Alsfeld

Illustration: © Tomi Ungerer

»Der Fußboden kam hoch und prallte gegen mich.« Raymond Chandler, ›Der König in Gelb‹ (detebe 20752) »Die Treppen zu seiner Wohnung waren gewöhnlich ein genauer Gradmesser für seinen Seelenzustand. Wenn er sich gut fühlte, schienen sie kaum vorhanden, wenn er müde war, zählten seine Beine jede einzelne der 94 Stufen. Heute Abend hatte offenbar jemand welche dazugemogelt.« Donna Leon, ›Endstation Venedig‹ (detebe 22936). Eingeschickt von Fred Pilz, Frankfurt am Main

»Ich lag still und versuchte, mir Höhe, Ton und Modulation der Stimme einzuprägen, damit ich sie zu gegebener Zeit wiedererkannte. Sie war weich und flüssig wie Sirup mit einem klangvollen, eitlen Beben darin. Eine Stimme wie das billige Zeug, das einem Friseure in die Haare schmieren, ehe man sie daran hindern kann.« Ross Macdonald, ›Unter Wasser stirbt man nicht!‹ (detebe 20322). Eingeschickt von Holger Lukaszewski, Hamburg »In zwanzig Minuten kann man ein Schlachtschiff versenken, drei oder vier Flugzeuge runterholen, eine Doppelhinrichtung vollstrecken. Man kann sterben, heiraten, rausgeschmissen werden und einen neuen Job finden, man kann sich einen Zahn ziehen oder sich die Mandeln rausnehmen lassen. In zwanzig Minuten kann man sogar morgens aus dem Bett kommen. Du kannst in einem Night Club ein Glas Wasser kriegen – vielleicht.« Raymond Chandler, ›Lebwohl, mein Liebling‹ (detebe 20312) »›Halt’s Maul, Schlaukopf‹, sagte ich und hörte auf, mit mir selbst zu reden.« Raymond Chandler, ›Lebwohl, mein Liebling‹ (detebe 20312) »Ich brauchte einen Drink, ich brauchte eine hohe Lebensversicherung, ich brauchte Urlaub, ich brauchte ein Häuschen auf dem Land. Was ich hatte, waren eine Jacke, ein Hut und eine Pistole. Das legte ich an und verließ das Zimmer.« Raymond Chandler, ›Lebwohl, mein Liebling‹ (detebe 20312) Alle Zitate von Raymond Chandler: Eingeschickt von Jürg Noll, Hamburg

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Eine Autorin – Eine Stadt

Wien mit Petra Hartlieb

Wer in einer Touristenstadt wie Wien lebt, noch dazu nicht mitten im Zentrum, kommt selten an die in den Reiseführern beschriebenen Orte. Manchmal führt einen der Weg zufällig vorbei an Graben, Stephansdom oder Hundertwasserhaus, eher genervt weicht man dem Touristenstrom aus, schließlich ist man nicht zum Spaß hier. Einen Platz allerdings gibt es in der Innenstadt, den suche ich auf, wann immer ich in der Nähe bin: den Judenplatz. Wenn ich Gäste hinführen möchte, finde ich ihn oft nicht auf Anhieb, dann wiederum betrete ich ihn unverhofft, von einer stillen Gasse heraustretend, und immer muss ich kurz stehen bleiben, um die Atmosphäre, die dieser Ort ausstrahlt, in mich aufzunehmen. Menschenleer, jenseits der Trampelpfade und Fiakerrouten und doch mitten in der Stadt. Ein paar Lokale rundherum, das Jüdische Museum, eine Lessing-Statue und als großer, grauer Kubus in der Mitte – das Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa. Eigentlich sollte jeder Wienbesucher diesen Ort aufsuchen, und doch ist es schön, dass die meisten ihn nicht zu finden scheinen. Judenplatz, 1010 Wien

Eisenwaren Riel und Stein Solche Läden gibt es eigentlich nicht mehr. Unzeitgemäß und kaum rentabel. Und doch ist die Eisenwarenhandlung Riel und Stein ein nicht wegzudenkender Bestandteil des Bezirks. An die 30 000 Artikel sind hier lagernd, einzelne Schrauben, Kaffeekannen, Geschirr, Schneeschippen, Blumenkästen, Pflanzensamen, Putzmittel – alles, was man im Haushalt braucht, wird hier auf engstem Raum gelagert, und das Ehepaar Riel und Stein weiß immer, wo was ist. Was sie nicht lagernd haben, braucht man auch nicht, ist ihr Motto. Seit vielen Jahren kaufen wir Reißzwecken, Schrauben, Klobürsten, Hundenäpfe usw. in dem Laden gegenüber unserer Buchhandlung, und nun suchen die beiden verzweifelt einen Nachfolger, der das Geschäft in ihrem Sinne weiterführt. Leider sieht es schlecht aus – wie gesagt, unzeitgemäß und kaum rentabel. Währinger Str. 107, 1180 Wien

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Foto oben: © Christian Fischer / fischerfoto.com; Foto Mitte: © Michaela Bruckberger; Foto unten: © photo 5000 – Fotolia.com

Judenplatz

In München geboren, verbrachte Petra Hartlieb ihre Kindheit in Oberösterreich eher ländlich und ließ sich bei einem Schulausflug nur zu gern vom Großstadtflair Wiens verzaubern. Heute sucht sie in der Stadt aber eher die Ecken jenseits der Touristenströme und findet nicht nur gegenüber ihrer eigenen Buchhandlung in der Währinger Straße, die sie seit 2004 betreibt, noch interessante Läden und Orte. Inspiration genug in jedem Fall für hoffentlich noch viele weitere Fälle für Anna Habel und Thomas Bernhardt – das Ermittlerduo, welches Petra Hartlieb zusammen mit ClausUlrich Bielefeld zuletzt mit Nach dem Applaus auf die Krimibühne schickte.


Café Bräunerhof Da gibt es diesen Kellner mit dem Vollbart und der runden Brille. Wahrscheinlich ist er nicht viel älter als ich, obwohl ich das Gefühl hab, er war immer schon da. Er sieht zumindest so aus wie einer von den Kellnern, die mir in meiner Studentinnenzeit immer ein wenig Angst eingeflößt haben, aber wahrscheinlich gibt es so einen in jeder Generation. Nicht so berühmt wie das Hawelka, nicht so mondän wie das Museum – das Bräunerhof muss man ein bisschen suchen, aber wenn man es gefunden hat, kann man dort gut den ganzen Tag verbringen. Für mich ist das Bräunerhof untrennbar mit meinem Co-Autor Claus-Ulrich Bielefeld verbunden. Seit wir uns kennen, also seit fast zwanzig Jahren, kommen wir immer wieder gemeinsam hierher, einige Portionen Gulasch und viele Achterl haben wir hier konsumiert, mehrere Szenen zwischen unseren beiden Protagonisten Anna Habel und Thomas Bernhardt entworfen. Und jedes Mal wenn wir hier sitzen, fällt irgendwann unser Blick auf das vergilbte Thomas-Bernhard-Plakat am Fenster, und Claus erzählt mir zum x-ten Mal die Geschichte von damals. Vom misanthropischen österreichischen Dichter, der hierher zum Zeitunglesen kam. Damit ihm ja kein anderer den Lesestoff wegschnappte, saß Bernhard immer auf einem Packen Zeitungen. Ich weiß bis heute nicht, ob die Geschichte wahr ist, ist eigentlich auch egal, es ist eine gute Geschichte, und ich höre sie immer wieder gern.

Foto oben: © XtravaganT – Fotolia.com; Foto unten: © www.stadtbekannt.at

Stallburggasse 2, 1010 Wien

Naschmarkt Ich war nicht ganz sechzehn, da fuhren wir mit der Schule für einen Tag nach Wien. Ein paar Stunden durften wir allein durch die Hauptstadt – für uns Provinzschüler damals ein echtes Abenteuer. Und da saß ich dann mit meiner Freundin Michi auf einer Betonstufe, aß meinen ersten Döner und wusste: Hier will ich wohnen. Der Plan: Schnell die Schule zu Ende, und dann ab in die große Stadt, wo endlich mein richtiges Leben beginnen würde. Inzwischen kenne ich Berlin, Hamburg, Paris, Istanbul, Rom, London, Hanoi und noch ein paar Städte mehr, aber der Naschmarkt ist immer noch etwas ganz Besonderes. Ein paar Jahre habe ich sogar hier gewohnt, direkt neben dem Theater an der Wien. Mein täglicher Weg zur Arbeit ging über den Markt, vorbei an Marktschreiern und knipsenden Touristen, nachts querten Ratten und Mäuse meinen Heimweg. Auch wenn sich viel verändert hat seit damals – die alten Gemüsestände werden inzwischen von schicken Esstempeln eingerahmt –, ist für mich der Naschmarkt immer noch das Herz der Stadt. Zwischen Linke Wienzeile und Rechte Wienzeile, 1060 Wien

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Foto: © Philippe NN Matsas/ Opale

Sławomir Mrożek letztes Stück Karneval und sein Tagebuch 1962 – 1969 erscheinen am 28.5.2014 bei Diogenes.


Nachruf

Sławomir Mroz˙ek 1930 – 2013 Er war zeitlebens ein scharfer Analytiker der osteuropäischen Nachkriegsgeschichte, er war ein glänzender Erzähler, und er war ein Dramatiker, der mit seinen absurd-genialen Stücken wie Der Elefant, Tango und Polizei Weltruhm erlangte. Mit 83 Jahren ist Sławomir Mrożek, »Becketts Bruder aus Polen« (Die Presse, Wien), am 15.8.2013 in Nizza gestorben. Letzter Tango absurdo – ein Nachruf der Journalistin, Übersetzerin und gebürtigen Krakauerin Marta Kijowska.

Ü

ber fünf Jahrzehnte lang und mit viel satirischem Biss hat er unserer Wirklichkeit zu Leibe zu rücken versucht, nun ist er für immer verstummt, der polnische Dramatiker und Erzähler Sławomir Mrożek. Die Müdigkeit war ihm schon seit langem anzumerken, daran konnten auch seine letzten Erfolge in Polen nichts ändern: die freundliche Aufnahme der mehrbändigen Ausgabe seiner Briefe und Tagebücher oder die erst wenige Wochen zurückliegende Warschauer Uraufführung seines letzten Theaterstückes Karneval oder Adams erste Frau. Seit er seine Autobiographie mit dem rätselhaften Titel Balthasar (auf Deutsch 2007 erschienen) geschrieben hatte, sozusagen als eine Art Selbsttherapie nach einem schweren Gehirnschlag, verhielt er sich, als hätte er sich von seinen Lesern und seinem früheren Ich verabschiedet: Er fühle sich nicht mehr imstande, auf die polnische Realität mit der alten satirischen Schärfe zu reagieren. Das war einmal anders. Schauplatz seiner ersten Triumphe war Krakau, die Stadt, in deren Nähe er 1930 zur Welt kam. Ursprünglich wollte er Architekt werden, reüssierte als satirischer Cartoonist und tummelte sich bald im Feld der dramatischen Literatur. Seine erste Geschichtensammlung Der Elefant (1957) und sein Bühnenerstling Die Polizei (1959), in dem die Polizei, Frucht einer per-

fekten Diktatur, sich selbst verhaftet, machten ihn auf Anhieb zu einem Wortführer einer oppositionellen Generation, die mit den Mitteln absurder Logik Kritik an absurden Verhältnissen übte. Und als er Anfang der Sechziger mehrere Einakter schrieb, etwa die Trilogie Striptease (zwei Gefangene verschwinden im Nichts), Auf hoher See (Freiwillige werden verspeist) und Karol (erschossen wird, wer Karl heißt), war sein Ruf als Meister des »Theaters der logischen Phantasie« begründet. Dennoch beschloss er 1963, das Land zu verlassen, er ließ sich in Chiavari an der italienischen Riviera nieder. Seinen Stil hatte das aber nicht verändert. Dessen Grundprinzip blieb die Anhäufung absurder Situationen, die anschließend mit eiserner Irrsinnslogik und grotesker Konsequenz gelöst wurden: gegen eiserne und irrsinnige (diktatorische) Verhältnisse. So war auch sein berühmtestes Schauspiel, Tango (1965), eine poetisch-grotesk verfremdete Analyse bürgerlicher Verhaltensmuster in einem von »Chaos, Anarchie und Gesetzlosigkeit« beherrschten Haus und handelte einerseits von der Verführbarkeit des Menschen und dem Verfall traditioneller Werte, andererseits von den Mechanismen der Revolution und der Diktatur. Seine ideale Umgebung schien Mrożek erst in Paris gefunden zu

haben, wo er 1968 aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings um politisches Asyl bat. Die polnischen Behörden, die ihn in der sogenannten vorausgegangenen Tauwetterperiode noch geduldet hatten, reagierten sofort, verboten die Aufführung seiner Stücke und ließen seine Bücher aus Bibliotheken entfernen. Dies blieb nicht ohne Folgen für sein Werk: Die Stelle des »Theaters der logischen Phantasie« nahmen Stücke ein, die auf konkrete politische Ereignisse oder deren sozialpsychologische Folgen zurückgriffen, wie in Emigranten (1974), an dessen Protagonisten, einem Intellektuellen und einem Gastarbeiter, er zwei Modelle der Unfreiheit demonstrierte. Der Einakter gehörte neben Tango und der Polizei auch in Deutschland eine Zeitlang zu Mrożeks meistgespielten Stücken. Danach schienen aber die deutschen Theater die Lust auf ihn verloren zu haben. So dass Mrożek, der mit der Diktatur auch seinen Gegner einbüsste, das Interesse nicht nur am deutschen, sondern am europäischen Publikum verlor. Er zog mit seiner zweiten Frau nach Mexiko, von wo er wieder nach Krakau heimkehrte, um nach seiner schweren Krankheit nach Nizza auszuweichen, wo er jetzt im Alter von dreiundachtzig Jahren gestorben ist. Zuerst erschienen in der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹ am 16.8.13

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Auszeichnung

Übergabe der Medaille durch den Präsidenten des Goethe-Institutes, Klaus-Dieter Lehmann (links)

Christiane Schlötzers Laudatio für Petros Markaris

Goethe-Medaille 2013 E

s ist gut zehn Jahre her, da hat mir ein griechischer Freund den ersten Kriminalroman von Petros Markaris in die Hand gedrückt: Hellas Channel. »Lies das!«, hat er gesagt. »Dann verstehst du unser Land besser.« So habe ich Kommissar Kostas Charitos kennengelernt, einen mürrischen Mordermittler mit zarter Seele, der gegenüber Vorgesetzten buckelt, ihre Anweisungen dann aber behände ignoriert. In diesem von mediterraner Hausmannskost abhängigen Antihelden habe ich schon bald ein Alter Ego des Autors vermutet. Weit gefehlt. Petros Markaris bugsiert keinen klapprigen Fiat Mirafiori durch den Athener Stau, der mit der Krise inzwischen auch nur noch Legende ist. Markaris fährt gar kein Auto. Er hat den Athener Großstadtdschungel zu Fuß erobert. Ja, per pedes, me ta podia! Der Autor ist ein Großstadtflaneur, der wie Karl Kraus das Spazierengehen professionell betreibt. Wie ungriechisch! Aber Markaris ist ja auch kein griechischer Kleinbürger wie sein Kommissar, ja nicht einmal Grieche, jedenfalls nicht im landläufigen Sinne. Auf die Spur kommt man diesem Mann, der stets in Bewegung scheint, denn auch am besten, wenn man sich

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an seine Fersen heftet, beispielsweise mit der Lektüre seines Stadtführers Quer durch Athen. Ich bezweifle, dass ein anderer Autor einer anderen europäischen Hauptstadt in jüngster Zeit ein so liebevolles und lehrreiches Porträt geschenkt hat. Entlang der Elektrikos, der über hundert Jahren alten Stadtbahn, bereist Markaris Zentrum und Vororte Athens. Begeistern kann er sich nur für jene Bezirke, in denen die Gegensätze ins Auge stechen, wo »Kunstlederjacken und Pelzmäntel« nebeneinander spazieren, wo zwischen Bürgervillen billige Amüsierschuppen und die gedrungenen Häuser der Flüchtlinge aus Kleinasien überlebt haben. Wo alles glatt ist, da langweilt sich Markaris. In den Welten der Widersprüche fühlt er sich dagegen wohl. Da sucht er in Athen mit der Seele seine Heimatstadt. Istanbul. Heimatluft nennt er das, was er zwischen Sofokleous- und Evripidou-Straße erschnuppert, im noch immer orientalischen Herzen Athens, wo Gewürze oder das Salzgemüse Tursu in offenen Auslagen dargeboten werden, ohne schützende Plastikhäute. Der Stadtwanderer Markaris ist zwar in Athen unterwegs, wo er seit Mitte der 60erJahre lebt, aber er hat stets einen zwei-

ten unauslöschlichen Stadtplan im Kopf. Die Landkarte Istanbuls. Dort hat Petros Markaris, für den Armenisch die Vatersprache und Griechisch die Muttersprache war, im österreichischen St.-Georgs-Kolleg sein südlich gefärbtes Deutsch gelernt. Der Weg zum Gymnasium führte ihn durch das Viertel Kuledibi, wo man fast ausschließlich Ladino, die Sprache der Sepharden, der spanischen Juden, hörte. In Kurtulus, wo die Familie wohnte, wurde Türkisch und Griechisch gesprochen und ein wenig Armenisch. Istanbul war, wie es der Autor formuliert, »ein Sonderfall der Multinationalität«. Der Begriff »Istanbullu«, der Istanbuler, hat für ihn daher weder etwas mit der Herkunft zu tun, noch ist er eine exakte Ortsbezeichnung. Er ist ein Ausdruck für das Leben in Vielfalt. Menschen, die ihren Geburtsort so beschreiben, können nur Weltbürger sein. Für sie hat die Welt zwar ein imaginäres Zentrum, aber mit diesem Wissen können sie andernorts Wurzeln schlagen. Nur: Sie bewahren sich zur Wahlheimat stets eine gewisse Distanz. Dieser innere Abstand ist es wohl, der den Büchern von Petros Markaris den ironischen, sarkastischen Ton verleiht und der den Autor in Grie-

Foto: © Goethe-Institut / Maik Schuck

Am 28. August 2013 wurde Petros Markaris, dem Weltbürger, hellsichtigen Kommentator und Erschaffer des wunderbar knurrigen Athener Polizisten Kostas Charitos, die Goethe-Medaille verliehen.


chenland zu einem so hellsichtigen Kommentator der Krisenjahre gemacht hat. Der schlichte patriotische Reflex funktioniert bei ihm nicht. »Ich halte es mit Brecht«, sagt er. »Statt meine Heimat zu lieben, beschreibe ich ihren Charakter.« So wurde Markaris zu einem Mittler zwischen den Fronten, einem Botschafter ohne Portefeuille, in einer Zeit des grassierenden Missverständnisses und Missmuts. Seit mehr als einem halben Jahrhundert hat es zwischen Deutschen und Griechen nicht solche Schimpfkanonaden gegeben, so viel gegenseitiges Nichtverstehen. Markaris fragt sich selbst, wieso Deutsche für viele Griechen auf einmal wieder Nazis sind, wo sie doch jüngst noch mit offenen Armen empfangen wurden, und warum umgekehrt deutsche Boulevardblätter so unverblümt gegen die »Faulenzer« im Süden hetzen. Wer mit ihm darüber spricht, weiß, wie ihn das persönlich schmerzt und wie er um Erklärung ringt. Privat erläutern viele Griechen gern, was in ihrem Land schiefläuft, sie schimpfen über Politikerversagen und schamlose Profiteure. Aber vor fremden Ohren dominiert die Selbstverteidigung. Markaris nennt die Suche nach Sündenböcken ein Balkan-Phänomen und den Nationalismus auch eine Krankheit der Region. Ein Übel, das der 1937 geborene Autor nur zu gut kennt, aus seiner Jugend am Bosporus. Ein schäumender Nationalismus hat sein multinationales Istanbul vernichtet. Deshalb macht er sich auch große Sorgen angesichts des atemberaubenden Aufstiegs einer rechtsextremen, neonazistischen Partei in Griechenland, die gegen alles Fremde hetzt. Immer wieder erinnert er die Griechen daran, dass Millionen ihrer Landsleute selbst Flüchtlinge aus Kleinasien waren. Und die Deutschen bittet er, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. »Es wäre beiden Seiten sehr geholfen«, schrieb Markaris, »wenn man den Griechen in ihren Gefühlen ein bisschen Vernunft einflößen würde und den Deutschen in ihrer Vernunft ein bisschen Mitgefühl.« Die Geschichte von Griechen und Deutschen ist eine Geschichte des Vergessens. Viele Deutsche haben vergessen, was in deutschem Namen jenem

Land angetan wurde, das sie zu allen Zeiten »mit der Seele« suchten und in dem sie, ihren Goethe im Tornister, die größten Verwüstungen hinterließen. Die deutsche Besatzung in Hellas, so scheint es mir, wurde erst mit der Krise ins Gedächtnis zurückkatapultiert. Dass Griechen zu den ersten Gastarbeitern in Deutschland gehörten, die seit den 60er-Jahren mit für das deutsche Wirtschaftswunder sorgten, erscheint vor dem historischen Hintergrund wie ein Wunder. Auch viele Griechen wollten vergessen, sie hatten auch kaum eine andere Wahl. Die Armut zwang sie zur Auswanderung, wie fast zu allen Zeiten. Oder es war die Politik von Verfolgung und Diktatur. Richtig gut ging es Griechenland erst nach dem Beitritt zur EU 1981. Jahre der Stabilität und des Aufschwungs folgten. Ein hungriges Nachholen in einer verspäteten Demokratie. Petros Markaris sagt: Die Griechen beherrschten die »Kultur der Armut« sehr gut. Was ihnen gefehlt hat, »war die Kultur des Reichtums«. Deutsch hielt der Vater von Petros Markaris, ein Kaufmann, im Istanbul von 1948 (!) für die Sprache der Zukunft. Der Vater »irrte gewaltig«, meint Markaris. Aber die Schul- und Sprachwahl führte ihn später nach Wien, wo er sich für das Griechische als Literatursprache entschied mit der Begründung, das elegante Deutsch der Wiener könne er nie imitieren. In Griechenland haben viele Markaris erst entdeckt, als seine Romane in deutscher Übersetzung schon Bestseller waren. Dass er zuvor hocherfolgreiche Theaterstücke und TV-Serien verfasste oder als kongenialer Co-Autor seines Freundes, des Filmregisseurs Theo Angelopoulos, fungierte, war weniger bekannt. Ganz zu schweigen von der Übersetzung von Goethes Faust I und II, für die Markaris, wie er sagt, fünf Jahre seines Lebens geopfert hat. So schrittsicher wie Petros Markaris durch Athen wandert, so bewegt er sich zwischen den Professionen. Vom Volkswirt zum exquisiten Übersetzer, der schon in der Schulzeit Gottfried Keller und Theodor Storm übertrug. Als Krimiautor nennt er Georges Simenon und Ed McBain seine Vorbil-

der. Sie sahen die Chancen des Genres ebenfalls in der Gesellschaftkritik. Schon seine Vor-Krisen-Romane trafen die Aktualität und ließen die jüngere Geschichte anklingen, vom Bürgerkrieg bis zur Obristendiktatur. Wer sie liest, lernt wirklich viel über Griechenland. Bevor Markaris über Istanbul schrieb, musste er sich erst herantasten an die Erinnerung. Im Blick auf das Istanbul von heute sagt er: »Leider geht in Ländern wie der Türkei und Griechenland die Modernisierung immer mit der Zerstörung des Alten, Schönen und Historischen einher.« Nach den Protesten gegen die Vernichtung des kleinen Istanbuler Gezi-Parks hat er nun »die stille Hoffnung, dass durch diese Erfahrung die Vernunft stärker wird«. Petros Markaris scheint die Hoffnung nie aufzugeben. Er sagt: »Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, dann sehe ich, dass ich in Ländern gelebt habe, die immer wieder am Scheideweg standen, was heißt, dass sie immer wieder neu angefangen haben.« Wie Markaris selbst. Lieber Petros, ich gratuliere Dir herzlich zur GoetheMedaille.

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Buchtipp

320 Seiten, Leinen ISBN 978-3-257-06873-3 Auch als Diogenes E-Book

Griechenland, 2014: Der Staat liegt am Boden, die Drachme wird wieder eingeführt. Sind die Helden von einst verantwortlich für die Misere von heute? 40 Jahre nach dem Aufstand gegen die Militärdiktatur will sich einer holen, was die klingenden Parolen der Studentenbewegung damals versprachen, und geht dabei über Leichen.

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Literarisches Kochen

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evor Brunetti antworten konnte, kam ein Kellner an ihren Tisch. Er hatte weder Block noch Stift dabei, ratterte die Speisekarte in Windeseile herunter und forderte ihre Bestellungen ein. Doch als Navarro erklärte, die Herren seien Freunde von ihm, sagte der Kellner die Speisekarte noch einmal langsam auf, diesmal ergänzt durch kleine Kommentare, ja sogar Empfehlungen. Man einigte sich auf spaghetti vongole als ersten Gang. Der Kellner gab augenzwinkernd zu verstehen, dass die Muscheln garantiert, wenn auch vielleicht illegal, fangfrisch aus der Lagune kämen. Brunetti bestellte als Hauptgericht rombo, während Vianello und Navarro sich beide für coda di rospo entschieden. »Patate bollite?«, fragte der Kellner abschließend. Alle drei bejahten. Unaufgefordert brachte ihnen der Ober je einen Liter Mineralwasser und Weißwein, bevor er in der Küche verschwand, wo sie ihn ihre Bestellungen ausrufen hörten. So ungezwungen, als sei ihr Gespräch gar nicht unterbrochen worden, knüpfte Brunetti mit der nächsten Frage an. »Was wissen Sie über De Cal? Sind Sie womöglich bei ihm angestellt?« »Nein«, entgegnete Navarro, den die Frage sichtlich überraschte. »Aber ich kenne ihn. Wie jeder hier. Er ist ein Scheißkerl.« Navarro riss ein Päckchen grissini auf, schob sich eine Stange in den Mund und knabberte sie so zügig weg wie ein Kaninchen im Zeichentrickfilm seine Mohrrübe. »Heißt das, es ist schwer, mit ihm zu arbeiten?«, fragte Brunetti. »Sie haben’s erfasst. Zurzeit hat er zwei maestri, die an die zwei Jahre bei ihm sind: meines Wissens nach der absolute Rekord in seiner fornace.«

»Und woran liegt das?«, fragte Vianello, der gerade allen dreien Wein einschenkte. »Na, weil er ein Scheißkerl ist!« Aber Navarro merkte offenbar selbst, dass er sich mit seinem Argument im Kreis drehte, denn er fügte hinzu: »Der nutzt jeden faulen Trick, um die Leute übers Ohr zu hauen.« (. . .) »Was ist mit seiner Tochter?«, fragte Brunetti. Bevor Navarro darauf antworten konnte, wurde die Pasta aufgetragen, und während sich alle drei über die Spaghetti hermachten, stockte die Unterhaltung fürs Erste. Der Kellner kam noch einmal an ihren Tisch und brachte drei leere Teller für die Muschelschalen. »Peperoncini«, sagte Brunetti mit vollem Mund. »Gut, was?«, meinte Navarro. Brunetti nickte, trank einen Schluck Wein und widmete sich wieder seinen Spaghetti, die besser waren als gut. Er nahm sich vor, Paola von den Peperoncini zu erzählen, die der Koch hier reichlicher verwendete als sie, gleichwohl aber mit schmackhaftem Resultat. Als ihre Teller leer, die für die Schalen dagegen voll waren, eilte der Kellner herbei und räumte den Tisch ab. Auf seine Frage, ob sie gut gegessen hätten, antworteten Brunetti und Vianello mit wahren Lobeshymnen; Navarro als Stammgast sah sich zu keiner Äußerung genötigt. Gleich darauf kam der Fisch: Brunettis Steinbutt war bereits filetiert. Als der Kellner eine Schüssel Kartoffeln auf den Tisch stellte, bat Navarro um Olivenöl, und der Ober brachte eine Flasche von sichtlich bester Qualität. Alle drei träufelten sich Öl auf den Fisch, aber nicht über die Kartoffeln, die ohnehin schon in einer kleinen Lache schwammen. Wieder ruhte das Gespräch für ein Weilchen. Erst als Vianello die letzten Kartoffeln aus der Schüssel löffelte, kam Brunetti auf seine Frage zurück: »Also, was De Cals Tochter angeht – wissen Sie über die auch so gut Bescheid?« Aus: Donna Leon, Wie durch ein dunkles Glas

Im nächsten Magazin: Zabaione à la Meir Shalev 58

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Foto: © Regine Mosimann / Diogenes Verlag

Seeteufel in Tomatensauce à la Donna Leon


Zubereitung ockenen, waschen, tr Den Fisch putz tupfen. hicheine große besc Das Olivenöl in , Salz en, Knoblauch tete Pfanne gieß ano zugeben und und Peperoncin d die un n ge aten zufü schwitzen, Tom e ck tü hs n. Die Fisc Sauce ei nkoche d n, ei nlegen un leicht bemeh le bei chel n la ssen , da 25 M inuten kö den. ab und zu wen eit die nde der Kochz E r vo 5 Minuten zugeben. glatte Petersilie Heiß servieren.

Zutaten für vier Personen: – 1,4 kg Seeteufel, 4 Stücke à ca. 350 g – 2 gehackte Knoblauchzehen – eine Handvoll Kräuter: Rosmarin, Thymian, Majoran – 1 Bund glatte Petersilie, gehackt – 2 Teelöffel Salz – 8 Esslöffel Olivenöl extravergine – 1 Stück Peperoncino, zerkleinert – 500 g Sugo-Tomaten, geschält und kleingeschnitten – Mehl zum Bestäuben

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Fotos: © Coulon / Madame Figaro / laif

288 Seiten, Pappband ISBN 978-3-257-06728-6

Köstliches mit und ohne Kalorien: 91 Rezepte, wie sie Paola in den Brunetti-Romanen kocht, aufgezeichnet von Donna Leons Freundin und Lieblingsköchin Roberta Pianaro. Als kalorienfreier Zwischengang sechs kulinarische Geschichten von Donna Leon sowie wunderschöne Vignetten von Tatjana Hauptmann.

Jetzt scannen, lesen und Probeabo bestellen. Oder direkt unter www.brandeins.de

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Serie

Lukas Hartmann auf der einsamen Insel Jeder kennt die Frage: »Welches Buch würden Sie auf die einsame Insel mitnehmen?« Das Diogenes Magazin macht es ein wenig spannender (und bequemer), und Lukas Hartmann darf mehr als nur ein Buch mitnehmen. Mit Inseln kennt er sich aus: Sein neuer großer historischer Roman Abschied von Sansibar spielt zum Teil auf dem Archipel im Indischen Ozean. Hartmann erzählt darin die erschütternde Lebensgeschichte einer arabischen Prinzessin, die der Liebe wegen ihre Heimat verlässt, um einem deutschen Kaufmann nach Hamburg zu folgen.

Getränk (alkoholisch) Italienischer Rotwein, am liebsten Amarone

Roman Leo Tolstoi, Anna Karenina; Gottfried Keller, Der grüne Heinrich Sachbuch Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit; Dora Sobel, Längengrad

Gemälde Jan Vermeer, Der Maler und sein Modell

Lyrik Bertolt Brecht, Frühe Gedichte

Foto Henri Cartier-Bresson, Ein Mann hüpft über eine Pfütze

Theaterstück Anton Čechov, Die Möwe Erzählung Heinrich von Kleist, Michael Kohlhaas Zeitung Die Zeit Zeitschrift Emma (immer wieder an- und aufregend)

Musikinstrument Ein Cello Sängerin Elīna Garanča Sänger Christoph Prégardien

Möbelstück Ein Schreibtisch aus massivem Holz

Oper Das Quartett aus dem 1. Akt von Beethovens Fidelio

Technisches Gerät Eine italienische Kaffeemaschine

Kammermusik Franz Schubert, Streichquartett in d-Moll, Der Tod und das Mädchen, D. 810

Kleidungsstück Ein Strohhut

Jazz Jan Garbarek, Molde Canticle

Spiel Schach

Pop / Rock Björk, I’ve seen it all

Lebenspartner Ja

Essen (nicht süß) Ein indisches Thali

Lebensretter Ja, vor dem ersten Sturm

Essen (süß) Pistazieneis

Briefpartner Meine Freunde

Parfum Der Duft des Sommers

TV-Sender arte

Website Perlentaucher.de, infosperber.ch Film Stanley Kubrick, Barry Lyndon

Haustier Zwei Schafe

TV-Serie Keine Schauspieler Ulrich Mühe Schauspielerin Judy Dench

Getränk (nicht alkoholisch) Mineralwasser mit Kohlensäure

Im nächsten Magazin: Christoph Poschenrieder

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Was würden Sie noch mitnehmen? Hausapotheke, zwanzigjährigen Single Malt

Illustration: © MOSE; Foto: © Bernard van Dierendonck

Radiosender SRF 2


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Das Diogenes Magazin erscheint 3 × im Jahr (Januar / Mai / September)

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So können Sie das Diogenes Magazin abonnieren: per Abo-Postkarte per E-Mail: diogenesmagazin@diogenes.ch per Fax +41 44 252 84 07 auf www.diogenes.ch

Magazin

Das Diogenes Magazin gibt es nicht am Kiosk, sondern nur im Buchhandel – oder im Abo bequem frei Haus.

Ich abonniere das Diogenes Magazin, ab Nr. 16 Ich bestelle den Diogenes Magazin Leerschuber (85000) Ich bestelle den Diogenes Magazin Schuber gefüllt mit 9 Ex. (84999) Name Vorname Geburtsdatum Straße / Hausnummer Land / PLZ / Ort Telefonnummer / E-Mail

Drudel-Test 1 Doppelter Dry Martini. Auf den Kopf gestellt heißt der Drudel: Typisches Mitglied des Ku-Klux-Klan 2 Leerer Amazon-Warenkorb

Illustration: © Bosc; Sudoku: Puzzle Company GmbH für Diogenes Magazin

Die drei ??? 1) Tomi Ungerer 2) Andrea De Carlo 3) Anton Čechov 4) Georges Simenon

5) F. Scott Fitzgerald 6) Alexandre Dumas 7) Jerome K. Jerome 8) Friedrich Glauser

Ich zahle per Rechnung (weitere Länder auf Anfrage) für 3 Hefte € 10.– (D / A) oder sFr 18.– (CH) für 1 Leerschuber € 7.– (D / A) oder sFr 10.– (CH) zzgl. Versandkosten für einen gefüllten Schuber € 25.– (D / A) oder sFr 40.– (CH) zzgl. Versandkosten Abweichende Lieferadresse: Name Vorname Straße / Hausnummer Land / PLZ / Ort Telefonnummer / E-Mail

Bilderrätsel

Ich möchte von Diogenes weitere Informationen per E-Mail oder schriftlich (nicht telefonisch) erhalten. (Ihre Daten dienen ausschließlich internen Zwecken und werden nicht an Dritte weitergeleitet.) Abo-Service: Abo-Service: Schwarzbach Graphic Relations GmbH, Tegernseer Landstraße 85, 81539 München, Deutschland, Telefon +49 (0)89 64 94 36-6, Fax +49 (0)89 64 94 36-70 E-Mail: diogenesmagazin@diogenes.ch Widerrufsrecht: Die Bestellung kann ich innerhalb von 2 Wochen ohne Begründung schriftlich widerrufen. Das Abonnement verlängert sich automatisch. Kündigung bis 8 Wochen vor Ende Bezugszeitraum möglich. Die Preise sind inkl. Versandkosten, Preisänderungen vorbehalten. Stand August 2013

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Impressum

Kino & TV

Ausstellungen

Doris Dörrie hat zu ihrem Roman Alles inklusive eine Drehbuchfassung entwickelt und diese als Regisseurin kürzlich abgedreht. Mit Hannelore Elsner, Nadja Uhl und Hinnerk Schönemann in den Hauptrollen. Produktion: Olga Film GmbH in Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk und der ARD Degeto. Verleih: Constantin Film. Kinostart: 6.3.2014. Patricia Highsmith. Regisseur und Drehbuchautor Hossein Amini ist in der Postproduction für die Verfilmung von Die zwei Gesichter des Januars. Mit Kirsten Dunst, Viggo Mortensen, Oscar Isaac. Produktion: Timnick Films, StudioCanal, Working Title Films. Verleih: StudioCanal. Kinostart: Anfang 2014. Anthony McCarten. Im März 2014 wird Regisseur und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg den Roman Englischer Harem umsetzen. Produktion: Black Forest Films, SAT1.Pro7 Media AG. Kinostart: Herbst 2014. Bei der Verfilmung von Dennis Lehanes Roman Live by Night wird Ben Affleck Regie führen. Dieser hatte bereits 2007 Lehanes Roman Gone Baby Gone adaptiert. Hauptdarsteller: Ben Affleck, Lindsay Lohan. Produktion: Warner Bros. Kinostart: 2014. Donna Leon. Erstausstrahlung Reiches Erbe, der 20. Fall Commissario Brunettis. Neben dem bewährten Team um Uwe Kockisch spielen diesmal auch David Rott, Lisa Wagner, Bernd Michael Lade, Renate Delfs und Tilo Prückner mit. Regie: Sigi Rothemund. Drehbuch: Florian Iwersen. Produktion: teamWorx im Auftrag der ARD Degeto für das Erste in Zusammenarbeit mit dem BR. Ausstrahlung: Mai 2014 im Ersten. Martin Suters Krimireihe Allmen wird als Fernsehserie umgesetzt. Teamworx in Zusammenarbeit mit der ARD Degeto drehten im Herbst die erste Folge mit Sebastian Koch in der Hauptrolle als Allmen. Regie: Philipp Kadelbach. Drehbuch: Daniel Nocke. Geplante Ausstrahlung: 2014.

Loriot. Ausstellung Spätlese im Literaturhaus München vom 20.9.2013 bis 12.1.2014 mit vielen Exponaten aus den beiden Büchern. Danach wandert die Ausstellung in die Galerie Stihl in Waiblingen weiter, 24.1. bis 21.4.2014, im Anschluss daran nach Hannover. Alfred Andersch. Anlässlich des 100. Geburtstages (4.2.2014) Sie macht etwas im Raum, ich in der Zeit – Alfred und Gisela Andersch im Museum Strauhof, Zürich, 11.12.2013 bis 2.3.2014. Eröffnungsrede: Hans Magnus Enzensberger. Die Ausstellung wird anschließend in Ascona, Museo Comunale d’arte moderna, zu sehen sein, vom 16.3. bis 18.5.2014. Alfred Andersch als Fotograf im Deutschen Literaturarchiv Marbach, 30.1. bis 16.6.2014. Friedrich Dürrenmatt. In einer Reihe zum Thema Labyrinth zeigt die Ausstellung Balades avec le Minotaure das Werk Dürrenmatts im Vergleich mit verschiedenen Künstlern wie Paul Klee, Pablo Picasso, Varlin und weiteren. Centre Dürrenmatt, Neuchâtel, 5.12.2013 bis 9.3.2014. Luis Murschetz. Ausstellung zum Kinderbuch-Klassiker Lesen macht Spaß! Maulwurf Grabowski und 22 Heinzelmännchen im Karikaturmuseum Krems, Krems-Stein, 29.11.2013 bis 23.3.2014.

Diogenes Magazin

SINN UND FORM Herausgegeben von der Akademie der Künste

GEORGES HYVERNAUD Anonymität · JULIA SCHOCH Vom Auftauchen und Verschwinden des Georges Hyvernaud · ANTONIO TABUCCHI Meine Straßenbahnfahrt durch das 20. Jahrhundert · TOMÁS GONZÁLEZ Reise an die Küste · DETLEV SCHÖTTKER, ANJA S. HÜBNER Der brasilianische Korrespondent · OTTO STORCH Briefe an Ernst Jünger · RALPH SCHOCK Ein Exil, das kein Ende nahm. Über David Luschnat · Gedichte von ZBIGNIEW HERBERT, DAVID LUSCHNAT und HANS GEORG BULLA · MARC AUGÉ Alter, Zeit und Gedächtnis · MEIKE FESSMANN Vom Aufbewahren der Erinnerungen. Über Marica Bodrožić · FLORIAN WELLE Ein Gespräch über das Gespräch mit STEN NADOLNY · GEORG KLEIN Die Melodika · INA HARTWIG Über den Vermeidungsartisten Georg Klein · RICHARD PIETRASS Rolf Haufs, Dichter offener Wunden

Heft 5 /2013 für 9 € · Zwei Probehefte für 10 € bestellung@sinn-und-form.de Tel. 030 / 423 66 06 · Fax 42 85 00 78 www.sinn-und-form.de

Verleger: Philipp Keel Geschäftsleitung: Katharina Erne, Ruth Geiger, Stefan Fritsch, Winfried Stephan Redaktion dieser Ausgabe: Daniel Kampa (kam), Cornelia Künne (ck) Endredaktion: Renata Teicke (tei@diogenes.ch) mit Nicole Griessmann (ng) und Martha Schoknecht (msc) Grafik-Design: Catherine Bourquin, Anne Klimkait Webausgabe: Susanne Bühler (sb@diogenes.ch) Korrektorat: Franca Meier, Dominik Süess Bildredaktion: Nicole Griessmann, Regina Treier Anzeigenleitung: Martha Schoknecht (msc@diogenes.ch) Abo-Service: Christine Baumann (diogenesmagazin@diogenes.ch) Für ein Abonnement benutzen Sie bitte die auf Seite 61 eingedruckte Abokarte. Abonnementspreise: € 10.– für drei Ausgaben in Deutschland und Österreich, sFr 18.– in der Schweiz, andere Länder auf Anfrage. Beim Gewinnspiel sind MitarbeiterInnen des Diogenes Verlags von der Teilnahme ausgeschlossen. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Die Preise sind nicht in bar auszahlbar. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Alle Angaben ohne Gewähr. Redaktionsschluss: 31.8.2013 / ISSN 1663-1641 Diogenes Magazin Sprecherstr. 8, 8032 Zürich, Schweiz Tel. +41 44 254 85 11, Fax +41 44 252 84 07 Über unverlangt eingesandte Manuskripte kann keine Korrespondenz geführt werden.

Gewonnen haben Schreibtisch-Gewinnspiel aus dem Diogenes Magazin Nr. 13: Den Hauptpreis, eine DVD-Box Donna Leon – Krimi Collection zusammen mit einem 250Euro-Diogenes-Büchergutschein, hat Wolfgang Hesse aus Olpe gewonnen. Je eine DVD-Box haben außerdem gewonnen: Ingrid Ertle aus Hamburg, Jan Theunissen aus Nimwegen (NL), Lewis Gropp aus Köln, Emmy Lais aus Hemmingen, Beat Müller aus Bern (CH), Christa Möde aus Hannover, Katrin Seidel-Mießner aus Bremen, Jürgen Schirrmann aus Darmstadt und Christine Fuchs aus Koblenz. Herzlichen Glückwunsch!

Illustration: © Tomi Ungerer

Vorschaufenster


Schreibtisch

Gewinnspiel

Fotos: © ddp images

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ngewöhnlich lässt sich der Werdegang der von uns gesuchten »Meisterin des hintergründigen Humors und bitterböser Kriminalfälle« (Augsburger Allgemeine) durchaus nennen. Schließlich kam sie erst mit 54 zwischen Bügelbrett, Bratpfanne und dem Aushelfen in der Arztpraxis ihres Mannes auf die Idee, hundsgemeine Geschichten aufzuschreiben, in denen sie gern und mit Vorliebe graue Mäuse in mehr oder minder kriminelle Raubtiere verwandelt, die Fassaden von scheinbar heilen Familien einreißt und so manche Intrige entlarvt. Dabei hat die Mutter dreier Kinder so gar nichts Hinterhältiges an sich – sie liebt ihren Garten und sagt über sich, ihre Geburt in Shanghai sei das einzig Exotische an ihr. Auch ihr wohlgeordneter und eher schlichter Schreibplatz mit Blick in das geliebte Grün lässt nichts Boshaftes ahnen. Oder vermuten, dass bereits fünf ihrer mittlerweile elf Romane sehr erfolgreich verfilmt wurden.

Schicken Sie die Antwort bis zum 31. Mai 2014 per Post oder per E-Mail (gewinnspielmagazin@diogenes.ch) an:

Lösung Diogenes Magazin Nr. 13:

Georges Simenon

Wer schreibt hier?

Diogenes Verlag Gewinnspiel ›Wer schreibt hier?‹ Sprecherstr. 8 8032 Zürich · Schweiz

Als Hauptpreis verlosen wir einmal die komplette 50-bändige Ausgabe der Ausgewählten Romane von Georges Simenon. Außerdem werden fünf Büchergutscheine à 100 Euro verlost.

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Mag ich – Mag ich nicht

Martin Suter

Das nächste Diogenes Magazin erscheint im Mai 2014 und wird voraussichtlich ein wenig anders aussehen als bisher: Expect the unexpected.

Mag ich nicht:

Erster Gast in einem stillen, weißgedeckten Restaurant. Pinienschatten voller Grillen neben menschenleerem Strand.

Lederäpfel, Pfirsichhäute, Trams, wo es nach Big Macs stinkt. Ein paar ungenannte Leute, Song, wenn Titanic versinkt.

Kleine Hitze, Eisenguss, Zwiebeln glasig werden lassen. Kalter Cava, Zungenkuss, Milchkaffee aus großen Tassen.

Psychiatrie und Psychiater, gleich ob heutig oder Freudsch. Morgens auf mit einem Kater, Rap, ob englisch oder deutsch.

Morgens etwas liegenbleiben, abends etwas überhocken. Tage keine Zeile schreiben, Schnee in großen, leichten Flocken.

Nachts in einem Einzelzimmer irgendwo am Niederrhein. Durch die Wand das Lustgewimmer derer, die nicht so allein.

Maßanzüge und Krawatten, Gartenbeizen, Wurstsalat, kurze Hosen, Hängematten, no inclusions, zwei Karat. Bloody Marys über Wolken, kaltes, frischgezapftes Bier. Milch von Ziegen, frisch gemolken, und Gedichte (nicht von mir).

Betteln gehn um ein paar Franken Kontoüberzugslimit bei den Schnöseln alter Banken, deren Ton ich mir verbitt. Autofahren, Offiziere, Boulevardpresse, Löschpapier. Kalte Weine, warme Biere und Gedichte (die von mir).

Dieses ›Mag ich, mag ich nicht‹ in Gedichtform schrieb Martin Suter 1999. Sein letzter Roman Allmen und die Dahlien ist der dritte Fall des extravaganten und finanziell stets klammen Gentleman-Ermittlers (und -Gauners) Johann Friedrich von Allmen. Der Roman erschien im Sommer 2013 – und schon rufen die Fans: Mehr!

Im nächsten Magazin: Thomas Meyer 64

Diogenes Magazin

Illustration: © Tomi Ungerer; Foto: © Christian Kaufmann Foto: © NN

Vorschau

Mag ich:


Man munkelt Als Jugendlicher war Daniel Keel, der 1952 im Alter von nur 23 Jahren den Diogenes Verlag gründete, in seinem Innerschweizer Heimatort Einsiedeln Redakteur der lokalen Pfadfinderzeitung Haarus. Die beliebteste Rubrik der Zeitschrift, die der junge Redakteur höchstpersönlich schrieb, hieß ›Man munkelt‹. Hier wurden Interna aus der Pfadfindergruppe Einsiedeln ausgeplaudert. Diese Tradition wollen wir nun im Diogenes Magazin fortführen, versteckt hinter dem Lesezeichen auf der letzten Heftseite. Denn die Indiskretionen, die hier ausgeplaudert werden, sollen ja nicht von jedem gelesen werden.

Dank & Abschied

Goldene Diogenes Eule

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Daniel Kampa

4 Euro / 7 Franken

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Tonne

Doris Dörrie ist im September in Zürich mit der Goldenen Diogenes Eule ausgezeichnet worden. Bei der Zeremonie im Büro des Verlegers Philipp Keel unterhielt die Ausgezeichnete die Runde unter anderem mit herrlichen Anekdoten vom Filmset zu Alles inklusive in Torremolinos. Bisherige Eulenträger: Ian McEwan, Dick Francis, Urs Widmer, Martin Suter, Patrick Süskind, Donna Leon, John Irving, Ingrid Noll, Henry Slesar, Bernhard Schlink, Paulo Coelho, Tomi Ungerer, Barbara Vine, Jakob Arjouni, Leon de Winter und Martin Walker.

»Lesen ist ein großes Wunder. Was hast du vor dir, wenn du ein Buch aufschlägst? Kleine schwarze Zeilen auf hellem Grunde. Du siehst sie an, und sie verwandeln sich in klingende Worte, die erzählen, schildern, belehren.« Marie von Ebner-Eschenbach

Leserbrief

1964 – dieses Jahr ist ein ganz besonderes. Nein, die Deutschen wurden nicht Fußballweltmeister, sie flogen auch nicht zum Mond. Aber sie bekamen 1 357 304 Kinder – ein Rekord, der seit der Nachkriegszeit bis heute ungebrochen ist. Im Jahr 2014 wird dieser Jahrgang 50 Jahre alt – genauso wie Jan Josef Liefers, Ilse Aigner, Kai Diekmann, Johannes B. Kerner, Caroline Link, Nicole und viele andere Prominente. Zeit für ein Buch zum Fest, für eine Zeitreise und eine erste Bilanz. Mit Geschichten, Gesprächen, nostalgischen Betrachtungen und überraschenden Einsichten.

Jochen Arntz Stellvertretender Ressortleiter Seite Drei Theodor-Wolff-Preisträger 2013

Der Namensgeber des Verlags war ein großer Befürworter des einfachen Lebens, er lehnte jede Art von Besitz ab und warf seinen Becher fort, um bloß noch aus der hohlen Hand zu trinken. Und so war auch seine Behausung äußerst schlicht: Er schlief in einem Weinfass. Ein Trendsetter, wie es scheint: Seit einiger Zeit ist diese Übernachtungsart wieder sehr in Mode: so zum Beispiel in Fasshotels in Salgeschoder, einem Weindorf im Wallis; im südsteirischen Weingut Kögl; im Hotel Lindenwirt in Rüdesheim am Rhein oder in Campingparks in Bad Dürkheim und in Pleinfeld (siehe kleines Foto oben). Diogenes war auch Inspirationsquelle für ein weiteres Bauprojekt: Der berühmte italienische Architekt Renzo Piano hat seine ganz eigene Version der Diogenes-Tonne realisiert, auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein. Piano nennt diese Wohneinheit mit einer Grundfläche von 6 m² ›das kleinste Haus der Welt‹, ein hochkomplexes Gebilde, das in punkto Nachhaltigkeit und Energieeffizienz vorbildlich sei und »alle elementaren Funkionen temporären Wohnens unter einem Dach vereint«. Ab 2014 ist Pianos »Diogene« in drei verschiedenen Varianten bei Vitra erhältlich.

Zahl

1328 Seiten von und über Diogenes Autoren sind im Diogenes Magazin bis zur Ausgabe, die Sie in den Händen halten, erschienen. Als Chefredakteur dafür verantwortlich war Daniel Kampa (siehe nächste Spalte). Ab Mai 2014 wird das Diogenes Magazin unter der Verantwortung eines neuen Chefredakteurs erscheinen, gestaltet von einem neuen Grafikverantwortlichen. Wir freuen uns auf viele weitere abwechslungsreiche, amüsante, informative, verblüffende und kreative Diogenes Magazin Seiten.

Er hat über 100 erfolgreiche Anthologien herausgegeben, etliche Vor- und Nachworte zu Klassikern verfasst, das Haus immer wieder mit genialen Ideen verblüfft, die Treppen im Verlag durch sein Hoch- und Runterrasen zum Beben gebracht, die Kollegen zum Lachen und die ihn Suchenden schon mal zur Verzweiflung. Und er hat – nicht zuletzt – das Diogenes Magazin zum Leben erweckt. Nun hat Daniel Kampa den Diogenes Verlag gen hohen Norden verlassen. Bei Hoffmann und Campe (noch nicht Hoffmann und Kampa, aber das kann ja noch werden) tritt er als Verleger an. Zu seinem Abschied überreichte ihm das Haus mit Stolz sein ganz eigenes Magazin: das Daniel Magazin. Die Idee zu diesem Gesamtkunstwerk, an dem sich fast das ganze Haus mit Abschiedsworten, Erinnerungen, Zeichnungen und Rätseln beteiligte, hatten Catherine Bourquin und Cornelia Künne (Foto: die beiden bei der Arbeit, Cornelia Künne links), die beide ebenfalls mit großer Leidenschaft das Diogenes Magazin gestalteten und füllten und nun in neue Lebensbereiche aufgebrochen sind. Wir wünschen euch in Nah und Fern nur das Beste – vergesst die Sprecherstraße nicht und vergesst uns nicht!

Da wir umziehen mussten, also gezuegelt sind, war es notwendig am neuen Ort eine Buchhandlung zu finden, als geistige Heimat, wie ich sie in der frueheren Gegend hatte. Dort wurde mir auch immer das neueste Diogenesmagazin ausgehaendigt, das mir schon immer sehr gut gefallen hat und welches ich unbedingt wieder haben wollte. Ich besuchte also auf der Spur nach einer neuen Buchhandlung einen Laden in der Landkreishauptstadt, um nach der neuesten Ausgabe zu fragen. Die Buchhaendlerin antwortete mir nur kurz angebunden: »Wir bekommen nur 10 Exemplare«. Ich antwortete: »Ich will ja nur eines.« Also das war nichts. Tage spaeter fand ich an einem kleineren, fremdengewohnten Ort eine andere Buchhandlung und ich erkundigte mich nach der neuesten Ausgabe des Diogenesmagazin. Die freundliche Dame zeigte mir ihr Exemplar und wollte es mir uebers Wochenende ausleihen, ploetzlich sagte sie jedoch: »Sie koennen es auch behalten; es werden schon noch einige Exemplare bald mal nachkommen.« Nun hatte ich endlich mithilfe des Diogenesmagazin meine neue Buchhandlung gefunden. Mit freundlichen Gruessen nach Zuerich Siegfried Volkwein

Illustration: © Paul Flora

Ein Fest für Deutschlands stärksten Jahrgang.

Illustration: © Paul Flora; Fotos oben rechts und Mitte: © Diogenes Verlag; Foto links: © Bildquelle: © Steiner; Foto Cover Daniel Kampa Magazin: © Kilian Kessler

Sehr geehrter Herr Daniel Kampa,

Für 19,64 € überall im Handel, unter sz-shop.de oder 089 – 21 83 18 10 13_II_diomag15_lehane_umschlag.indd 5-8

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Diogenes

Magazin In (fast) jeder Ausgabe des Diogenes Magazin als kleines Geschenk (und zum Sammeln):

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Reportagen, Weltgeschehen im Kleinformat. Jeden zweiten Monat neu. Erhältlich im Buchhandel, an grossen Kiosken und im Abonnement. www.reportagen.com Zeichnung von Paul Flora

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Diogenes Magazin

Lesestoff für Entdecker

John Banville Friedrich Dönhoff Friedrich Dürrenmatt Friedrich Glauser Petra Hartlieb Lukas Hartmann Patricia Highsmith Dennis Lehane Petros Markaris Sławomir Mrożek Christian Schünemann Georges Simenon

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Nr.15 Frühling 2014

Diogenes

Magazin

Dennis Lehane Der Krimistar aus den USA

»Beim Krimiautor ist das Böse in guten Händen.« Loriot Krimi-Spezial mit Ingrid Noll, Martin Walker, Friedrich Dönhoff, Christian Schünemann, Patricia Highsmith und vielen anderen

Georges Simenon Zum Erscheinen von Band 50 der Ausgewählten Romane

4 Euro / 7 Franken

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