Wer ist iwan wyrypajew

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­— 36 ­— Iwan Wyrypajew

Vom inneren lebendigen Impuls ausgehen Ein Gespräch mit dem Autor Iwan Wyrypajew, dessen Auftragsstück Unerträglich lange Umarmung in den Kammerspielen von der Regisseurin Andrea Moses uraufgeführt wird.

Nikolai Berman: Wer ist Iwan Wyrypajew? Iwan Wyrypajew: Ich bin einer, der sich mit vielen Dingen beschäftigt: Ich bin künstlerischer Leiter des Moskauer Theaters Praktika und Regisseur und Schauspieler und Produzent. Na, und ganz grundsätzlich, wenn Sie mich fragen, wer ich bin, in Wirklichkeit, richtig und ganz ernsthaft, mache ich nur eins – Stücke schreiben. Ich fühle mich allerdings als ein Dramatiker, der gezwungen ist, viele andere, unterschiedliche Dinge zu machen, nur um überleben zu können. Hätte ich die finanziellen Möglichkeiten, nur Stücke schreiben zu können und mich mit Studenten zu beschäftigen, dann würde ich weiter nichts anderes machen. Wenn ich Stücke schreibe, bin ich vollkommen bei mir, da bin ich am rechten Ort. Was muss ein einfacher sibirischer Kerl machen, damit seine Stücke am Deutschen Theater Berlin inszeniert werden? Es liegt ein langer Weg hinter mir. Aber Karriere habe ich nie gemacht, ich habe mich auch nie damit beschäftigt – mit dem, was allgemein mit diesem Wort in Verbindung gebracht wird, sprich: Ich habe einfach keine gemacht. Was am meisten zählt ist wahrscheinlich das, was du ehrlich machst. Man kann eh keinem was vormachen. Wenn du anfängst jemandem etwas vorzumachen, riskierst du im Nirgendwo zu landen. Besser oder talentierter wirst du davon auch nicht. Du wirst einfach nur versuchen irgendeiner Richtung oder Strömung entsprechen zu wollen, und dabei

wirst du haufenweise Zeit verschwenden. Ständig wirst du raten müssen, in welche Richtung es weiter geht, und merken wirst du, dass das alles nicht stimmt. Ich leite nur ein kleines Kellertheater, ich bin kein Hollywoodstar. Aber ich habe Arbeit. Heutzutage, besonders in Russland, ist das schon mal ganz ordentlich. Sie schreiben schon zum vierten Mal ein Auftragswerk für ein Theater in Deutschland. Was macht diese Art von Arbeit so besonders? In den letzten Jahren arbeite ich wirklich viel für deutsche Theater. Die Stücke Illusionen und Sommerwespen im November sind für das Schauspielhaus in Chemnitz entstanden, Betrunkene habe ich für das Düsseldorfer Schauspielhaus geschrieben. Vier Stücke in vier Jahren, das ist eine ganze Menge, und eigentlich schreibe ich nicht so oft ein Stück. Bisher sind eine Menge meiner Texte in Deutschland, aber auch in Polen aufgeführt worden. Auftragswerke sind für mich sehr praktisch. Kein Theater hat mir je ein Thema vorgegeben, man hat mir jeweils einfach nur ein Angebot zu schreiben gemacht. Und weil ich eh Stücke schreibe, egal ob ein Angebot kommt oder nicht, ist das natürlich eine großartige Art von Arbeit: Für das, was du eh machen willst, bekommst du noch extra Geld... Das treibt einen natürlich an und diszipliniert. Früher habe ich manchmal ewig geschrieben, oder habe etwas nicht fertig gemacht. Auftragswerke geben einen Zeitplan vor. Ich arbeite gern „auf


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