Standortporträt Albstadt

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Albstadt


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Politik • Standort Albstadt

Von der Schafzucht zum Standort der Global Player: Irgendwie haben die Albstädter immer richtig gelegen, wenn es um die Entwicklung ihrer Stadt ging. Ein Gang durch die Geschichte

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lbstadt, eine Mittelstadt mit knapp 50 000 Einwohnern auf der Schwäbischen Alb, ungefähr auf halbem Weg zwischen der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Bodensee. Felder und Wälder rundherum, ein idyllisches Fleckchen. Dass ausgerechnet hier an einer Schule Chinesisch unterrichtet wird, mag auf den ersten Blick abstrus erscheinen. Möglichweise sogar auf den zweiten. Wer braucht auf der Schwäbischen Alb diese Sprachkenntnisse?

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Der Chinesisch-Unterricht an der Schlossberg-Realschule ist freiwillig. Zweimal in der Woche üben sich die Schüler an der für einen Mitteleuropäer ziemlich fremden Sprache. Finanziert werden die Stunden vom örtlichen Nadelhersteller Groz-Beckert in der Hoffnung, so qualifizierten Nachwuchs für das Unternehmen zu gewinnen. Groz-Beckert produziert Werkzeuge und Systeme zur Herstellung von Textilien: Stricken und Wirken, Weben, Filzen, Tuften

und Nähen. Die KG wurde 1852 in Albstadt gegründet. Heute hat das Unternehmen weltweit Produktionsstätten – unter anderem eben auch in China. Auf der Schwäbischen Alb, wo die Wiege des Erfolgs steht, arbeiten auch heute mehr als 2000 Mitarbeiter. Im Zollernalbkreis ist Groz-Beckert damit der größte Arbeit­ geber. Hier entdeckt man noch die Anfänge in Form von Fertigungsstätten aus der Jahrhundertwende. Im Innern finden sich dann modernste Maschinen und

Anlagen. Aktuell investiert das Unternehmen 60 Millionen Euro in ein neues Forschungs- und Servicezentrum. Groz-Beckert scheint die Zeichen der Zeit immer richtig zu deuten. So auch heute, mit dem Chinesisch-Unterricht für potenzielle Führungskräfte der eigenen Niederlassung in China. Wirft man einen Blick auf die Geschichte von Albstadt, macht es den Eindruck, als ob die Einwohner dieser Stadt schon immer die besondere Gabe hatten, aus

Fotos: Michael Bode, Stadt Albstadt


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der Not eine Tugend zu machen. Zuerst züchteten sie Schafe, da die kargen Böden auf der Schwäbischen Alb einen Ackerbau so gut wie gar nicht zuließen. Da lag es natürlich nahe, sich verstärkt des dabei anfallenden Rohstoffs gleich vor Ort zu widmen, anstatt die Wolle aus Albstadt hinaus zu befördern. Bereits im 18. Jahrhundert gewannen Berufe in der Textilverarbeitung wie Färber, Weber oder Strumpfwirker in Albstadt an Bedeutung. Später gründeten die Stadtbewohner dann Firmen, die die anfallenden Rohstoffe weiterverarbeiteten. Vermutlich wäre ihnen die Produktion wärmender Kleidungsstücke sonst nicht schnell genug gegangen: Während nämlich rundherum jedes Jahr der Frühling einkehrt, ist Albstadt noch fest in der Hand des Winters. In Albstadt wurde sogar die offiziell tiefste Temperatur in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen überhaupt gemessen: minus 36,1 Grad Celsius! Zurück zur Stadtentwicklung. Irgendwann hatten die Schafe als Wolllieferanten ausgedient, der neue Trend war Kleidung aus Baumwolle. Es kam die Trikotwarenproduktion, der schon bald die feinmechanische Industrie folgte, die die nötigen Maschinen und Werkzeuge für die Weiterverarbeitung schuf. Auch heute noch sind Namen wie Mey, Conta, Mayer & Cie oder Mettler-Toledo fest mit Albstadt verbunden. „Bei uns in Albstadt sind echte schwäbische Tüftler daheim“, freut sich Oberbürgermeister Dr. Jürgen Gneveckow über den Industriestandort Albstadt. Auch Forschung und Bildung haben hier durch die Textilindustrie einen Platz in Form der Hochschule Albstadt-Sigmaringen University gefunden. Im Oktober beginnt hier ein neuer Studiengang, der – wie könnte es anders sein – das Altbewährte mit dem

Hochmodernen verbindet. „Textile Produkttechnologie – Technische Textilien“ beschäftigt sich mit Design, Entwicklung und Verarbeitung technischer Textilien. Verwendet werden die Produkte beispielsweise als Textil­ beton oder in der Raumfahrt. Die Entwicklung von Albstadt lief nicht immer reibungslos. Eine schwierige Zeit erlebte die Stadt in den 1980er-Jahren, als die Textilindustrie nach Fernost abwanderte. Damals fand in Albstadt ein enormer Strukturwandel statt. Aber auch in diesem Fall waren die Einwohner so klug mitzuziehen. Heute produzieren einige der Albstädter Unternehmen in China; Know-how, Forschung und Entwicklung sind jedoch auf der Schwäbischen Alb geblieben. Und mit dem Unterricht der chinesischen Sprache an der Albstädter Schlossberg-Realschule arbeitet man auch gleich am Wissen für morgen. Apropos morgen: Auch die Stadtväter planen eine Entwicklung von Albstadt. OB Gneveckow möchte die Stadt für die Bürger „zukunftsfähig“ machen. Als Mittelzentrum mit hoher Kaufkraft – die ungebundene Kaufkraft liegt in Albstadt je Einwohner rund 4000 Euro über dem Landesdurchschnitt – hat auch der Handel Albstadt entdeckt: C&A und H&M haben sich hier niedergelassen, im Winter eröffnet eine Filiale der Buchhandelskette Osiander. H&M ist erst kürzlich in das neue sogenannte Stadthaus eingezogen. Zuvor hat ein neues Verkehrskonzept den Durchgangsverkehr aus der Stadt herausbefördert: Die Innenstadt ist untertunnelt. Oben drüber ist nun die Umgestaltung in vollem Gange. Nein, wenn man sich in Albstadt umschaut, sieht man, dass die nicht gerade zentrale Lage ohne direkte Fernverkehrsanbindung der Stadt nicht geschadet hat. Ganz im Gegenteil. Neben der Textilindustrie und Feinme-

chanik findet sich viel Natur mit hohem Freizeitwert. „Albstadt bietet vieles, wodurch gewisse Nachteile in der Verkehrsanbindung relativiert werden“, erklärt der OB. „Im Übrigen verbessert

sich mit jedem Kilometer, den die B 27 vierspurig wird, unsere Anbindung.“ Hoffentlich verliert Albstadt so nicht ihre ganz eigenen besonderen Gaben … Natalie Butz

Albstadt rüstet sich für die Zukunft Herr Dr. Gneveckow, wie hat der Strukturwandel in Albstadt zur Entwicklung der Stadt beigetragen? ➤ Dr. Jürgen Gneveckow: Der Strukturwandel der Textilindus­trie seit den 1980er-Jahren war eine echte Herausforderung und hat etliche Gewerbebrachen hinterlassen. Viele wurden reaktiviert und werden neu genutzt, beispielsweise für den Standort der Hochschule. Die Hochschule Albstadt-Sigmaringen ist heute eine Quelle für neues Wissen sowie für den Führungskräftenachwuchs. Die heimische Wirtschaft braucht beides und bietet im Gegenzug Arbeitsplätze. Das im vergangenen Jahr eröffnete Studentenwohnheim ist ebenfalls auf einer Brache entstanden. Der Strukturwandel schafft also auch neue Möglichkeiten. Aber es sind weiterhin kräftige Anstrengungen notwendig. Wir sind bei dieser Jahrhundertaufgabe auf Unterstützung von Land, Bund und EU angewiesen. Welchen Effekt hat der Strukturwandel auf die Stadtfinanzen? ➤ Gneveckow: Albstadt ist durch den hohen Besatz an Industrie stark konjunkturabhängig. Im Konjunkturabschwung haben wir weniger Einnahmen. Der strukturell bedingte Einwohnerrückgang hat zusätzlich zu geringeren Einnahmen aus dem kommunalen Finanzausgleich geführt. Über mehrere Jahre hinweg haben wir dennoch mit Disziplin die Perso-

nal- und Sachkosten im städtischen Haushalt stabil gehalten, um Investitionen vornehmen zu können. Was bedeuten die Investitionen in Form von baulichen Veränderungen für Albstadt? ➤ Gneveckow: In das neue Stadthaus ist die Modekette H&M eingezogen. Derzeit wird die Tiefgarage fertiggestellt. In der City gibt es mit C&A, dem MediaMarkt sowie ab November der Buchhandlung Osiander weitere Anziehungspunkte. Neben der Umgestaltung der Ebinger Innenstadt – die Arbeiten sind in vollem Gange – setzen wir ein modernes Verkehrskonzept um, das durch den Bau des Westtangenten­ tunnels möglich wurde. Albstadt wird so zukunftsfähig. naz

Dr. Jürgen Gneveckow ist seit Juni 1999 Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt Albstadt

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