Standortporträt Balingen

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Balingen


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Politik • Standort Balingen

Lothar Pallaske will mit seinem Geschäftsmodell von Balingen aus neue Höhen erklimmen

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Foto: Jigal Fichtner


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Gipfelstürmer Den Niederungen des Strukturwandels hat die Stadt Balingen hinter sich gelassen. Inzwischen stehen die Investoren Schlange. Zu verdanken haben die Bürger das ihrem eigenen Weg

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atürlich hat Lothar Pallaske vor Beginn seines Kletter­ abenteuers auf die Landkar­ te geschaut. Auch wenn er sich nur entlang der vorgeformten Griffe an der Hallenwand bewegt. „Beim Blick auf die Karte war mir klar: Genau hier ist der richtige Standpunkt“, sagt der 53­Jährige. Das Klettern gehört bei Pallaske zum Geschäftsmodell: Unter dem Namen Berolino Kinderwelt be­ treibt er bereits zwei Indoorspiel­ plätze mit Kletterzentrum. Pallas­ ke: „Eine ideale Kombination, weil für Eltern und Kinder etwas gebo­ ten wird.“ In Balingen investiert er vier Millionen Euro in seinen dritten Standort: „Die Rahmenbe­ dingungen sind bestens. Die An­ bindung nach Tübingen, Reutlin­ gen und Rottweil erschließt ein Gebiet mit 500 000 Einwohnern.“ Pallaske ist nicht der Einzige, der den Standort Balingen in ho­ hen Tönen lobt, die Zahlen zu Pendlersalden, Kaufkraft und Zen­ tralität sind entsprechend. Und Investoren gibt es derzeit reichlich. „Bei uns drehen sich die meisten Baukräne in der Region“, erklärt Balingens Wirtschaftsförderer Mathias Demmer selbstbewusst. Zu den Investoren zählt die Stadt selbst: Direkt am Eingang zur Fußgängerzone entsteht die neue Torbrücke. Es ist für Balinger

Verhältnisse eine eher kleine Bau­ stelle. Aber eine wichtige. Dem­ mer: „Der Stadteingang erhält ein neues Gesicht.“ An einer Art Face­ lifting arbeitet auch die Sparkasse Zollernalb. Sie hat Gebäude in der Innenstadt gekauft und schmiedet Pläne für Abriss und Neubau. Zumindest der Rohbau steht bei einer anderen öffentlich­rechtli­ chen Baustelle bereits: Das Zollern­ albklinikum saniert und erweitert für 70 Millionen Euro den Stand­ ort Balingen. Dabei hat sich die Kreisstadt als Mittelzentrum bei der Neustrukturierung der Klini­ ken gegen andere durchgesetzt. Auch der Großhändler für Sani­ tär­ und Heizungstechnik WS Weinmann & Schanz hat Bagger für den Neubau von Tausenden Quadratmetern für Verwaltung, Ausstellung sowie Kunden­ und Logistikzentrum auffahren lassen. Ende 2010 wird WS als erster In­ vestor im Gewerbegebiet „Rote Länder“ den Betrieb aufnehmen. Die Vorzüge Balingens gewich­ tete zudem der Projektentwickler Activ­Group. Und befand sie für gut. Mit der Wohnbaugenossen­ schaft Balingen will man die Pläne der Werkgruppe Lahr für die Eyach­Arkaden angehen: Auf 5000 Quadratmetern finden Läden und Büros Platz, auch Wohnungen sind geplant. Laut Activ­Group

zeigen potenziellen Mieter „gro­ ßes Interesse“. Das ist wenig verwunderlich. Immerhin schließt das Projekt nicht nur mit der Bebauung des ehemaligen Strasser­Areals eine städtebauliche Wunde. Die Arka­ den schmiegen sich auch an die Innenstadt an. Und die hat ohne­ hin eine besondere Eigendynamik ohne Leerstände.

„Ein Blick auf die Landkarte hat gezeigt: Das Einzugsgebiet macht die Stadt zum richtigen Standpunkt“, so Lothar Pallaske Dafür ist ein anderer Investor mitverantwortlich: Möbel Rogg. Das größte Möbelhaus der Region zieht Besucher in Scharen an und die schlendern gerne durch die Innenstadt. Manch potenzieller Möbelkäufer flaniert auch zuerst, bevor er probesitzt. Zwölf Millio­ nen Euro investiert das Familien­ unternehmen, baut seine Fläche um 15 000 Quadratmeter aus. Dieser Gipfelsturm Balingens ist bis vor wenigen Jahren kaum ab­ sehbar. Denn auch die Stadt muss Verkehr und Strukturwandel ertra­ gen. Doch der Reihe nach. Im Jahr 1255 erhält Balingen Stadt­ 9/2010

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Politik • Standort Balingen

Möbel Rogg investiert zwölf Millionen Euro. Und ist ein Garant für den Erfolg Balingens

rechte, nach dem für die Zeiten üblichen Hin und Her geht es dennoch aufwärts. Da können auch zwei Stadtbrände den Eifer der Bewohner nur kurz stoppen. Im 19. Jahrhundert festigt sich schließlich die wirtschaftliche Stär­ ke der Stadt: Die Bewohner haben sich als Waagenhersteller ebenso einen Namen gemacht wie in der Trikotweberei. Zu den prominen­ testen Unternehmen aus dieser Zeit zählt Bizerba. Im Jahr 1866 von Andreas Bizer als Waagenhersteller gegründet, hat sich das Unternehmen heute zu einem Technologiekonzern mit Schwerpunkten im Bereich der Lebensmittelwägung und ­verpa­ ckung entwickelt. Mit gut 1000 Mitarbeitern (3000 insgesamt) ist man noch immer einer der wich­

Einwohner davon weiblich davon über 18 Jahre davon über 65 Jahre Kaufkraft Steuerkraft je Einw. Zentralitätskennziffer Beschäftigung Arbeitsplätze

34 049 17 433 5990 7401 186,8 Mio. 994 168 15 192

tigsten Arbeitgeber in der Stadt. Dabei dominiert Bizerba zwar mit seinen Gebäudekomplexen op­ tisch. Nicht aber wirtschaftlich.

Aufstellung. Reitemann: „Wir ha­ ben uns bewusst nicht einer Clus­ ter­Politik unterworfen.“ Der Lohn: Auch in Balingen stürzt die

„Wir haben uns bewusst nicht einer ClusterPolitik unterworfen“, sagt Helmut Reitemann Balingen hat sich seit dem tief grei­ fenden Strukturwandel der 1980er Jahre konsequent umgebaut. OB Helmut Reitemann nennt es „den Balinger Weg“. Die wichtigs­ ten Elemente: Familienfreundlich­ keit und ein äußerst breites Bil­ dungsangebot, dazu die Positionie­ rung als Kulturstadt sollen für Fachkräfte attraktiv machen. Dazu kommt die breite wirtschaftliche

Produz. Gewerbe Dienstleister Handel/Verkehr/Gastgewerbe Land/Forst

5178 5580 4406 28

Einpendler Auspendler

8889 5410

Steuern Gewerbesteuer

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Gewerbesteuer von 17 Millionen Euro im Jahr 2008 auf 10 Millio­ nen in 2009. Doch hat sich diese Einnahmequelle bereits wieder stabilisiert, ja steigt sogar an. Angesiedelt hat sich in der Kern­ stadt mit ihren zwölf Stadtteilen ein ganzes Füllhorn an Unterneh­ men: Uhlsport, ein Ausrüster für Fuß­und Handballer, gehört eben­ so dazu wie der Gebäudedienst­

Grundsteuer A Grundsteuer B Wasser/Abwasser pro Kubikmeter

320 360 2

Freie Gewerbeflächen Rote Länder 25 ha dazu noch Restflächen in weiteren Gewerbegebieten Bangraben, Grund und Hauptwasen Preise pro Quadratmeter 40 bis 50

leister Hectas und KNT Telecom. Der IT­Spezialist bezog jetzt neue Räume mit 1000 Quadratmetern Fläche. Dazu das Atelier Türke, eine Familienagentur, die für inter­ nationale Firmen Werbung gestal­ tet und Messestände baut. Und die Kunstausstellungen in der Stadt­ halle Balingen ins Licht rückt. Die Relatio­Gruppe realisiert daneben großflächige Photovoltaikprojekte. Klar, dass sich Investor Pallaske in einer solchen Fülle wohlfühlt. Auch wenn die Balinger in Sachen Sport bislang ihrem Handball­ Erstligisten HBW Balingen­Weils­ tetten zujubeln. Dirk Werner

www.balingen.de

Verkehrsinfrastruktur Autobahn A81, A8 Bundesstraßen Knoten B27, B463 Bahnhof Regionalbahn Flughafen Stuttgart, 40 Min. Parkplätze, kostenlos 3000 Besonderheiten Betreuungsangebote für unter Dreijährige, vielschichtige Bildungseinrichtungen Foto: Jigal Fichtner


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Hectas ist auf Gebäudeund Sicherheitsdienstleistungen spezialisiert und in Balingen präsent

Fotos: Hectas, Jigal Fichtner

Leistungen Hectas deckt mit seinen Dienstleistungen die ganze Palette rund um Gebäudereinigung und -service sowie Sicherheitsdienste ab. „Unser Spektrum umfasst das komplette infrastrukturelle Gebäudemanagement“, erläutert der Vertriebsverantwortliche Wolfgang Hödl. Zu den Kunden zählen Industrieunternehmen, Logistiker und Lebensmittelverarbeiter ebenso wie Verwaltungen, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser sowie Privatleute.

Standort Balingen

Saubere Arbeit Der Gebäudedienstleister Hectas betreut von Balingen aus Unternehmen, Kliniken und Privatleute im Südwesten. Das Motto: Alles in Ordnung!

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er Teppich ist ein echter Hingucker. Tiefblau ist den mit Sonderaufträgen pro Jahr.“ Die Tendenz zeigt er in der Niederlassung Balingen des Gebäude­ klar nach oben: „Allein in diesem Jahr haben wir schon dienstleisters Hectas verlegt. Als Muster pran­ um acht Prozent zugelegt“, so der Betriebsleiter. gen Pinguin­Gruppen drauf. „Das entspricht genau Der Grund für den Aufschwung ist Marc Schober unserer Philosophie“, erläutert Betriebsleiter Marc klar: „Wir sind an langjährigen Kundenbeziehungen Schober: „Pinguine leben im Rudel und sind sehr so­ interessiert.“ Das spiegelt sich auch im Verhältnis zial. Durch ihren Lebensraum in Eis und Schnee sind zu den eigenen Mitarbeitern wieder. Viele sind seit sie in einer sauberen Umgebung.“ langen Jahren dabei. Wolfgang Hödl: „Erfahrene Sauberkeit und Dienstleistungen sind zusammen Mitarbeiter sind für uns ein wichtiges Kapital.“ Doch auch die Langjährigen haben längst nicht mit Sicherheit das Hauptgeschäft von Hectas. „Wir können den Kunden Paketlösungen von der einfachen mehr den Feudel ihrer Anfangstage in der Hand. Büroreinigung bis hin zu komplexen Wartungs­ und „Die Branche wandelt sich stetig. Deshalb schulen wir unsere Mitarbeiter beispielsweise in den aktu­ Aufsichtsverträgen bieten“, erläutern die Vertriebsver­ ellen Reinigungstechniken“, erläutert Marc Scho­ antwortlichen Kerstin und Wolfgang Hödl. Das reicht bis hin zur Notrufnummer, ber. Dabei setzt Hectas die 365 Tage im Jahr er­ immer wieder Standards: reichbar ist. Wolfgang So hat das Unternehmen Hödl: „Denn dem Kunden ein exklusives Desinfekti­ nützt es nichts, wenn am onsmittel für den Einsatz Samstag das Wasser in sei­ im Gesundheitsbereich ner Produktion steht, der im Einsatz. Und die Liefe­ Dienstleister aber erst am ranten müssen beispiels­ Montag erreichbar ist.“ weise im Bereich Green­ 120 feste Kunden wer­ Cleaning die Nachhal­ tigkeit der Produkte den allein von Balingen aus im Südwesten regelmäßig nachweisen. Marc Scho­ betreut. Marc Schober: ber: „Das passt genau zu „Hinzu kommen mindes­ Marc Schober sowie Kerstin und Wolfgang Hödl unserem Motto: Alles in tens 150 zusätzliche Kun­ sind die Hectas-Ansprechpartner in Balingen Ordnung.“ 9/2010

Die Niederlassung Balingen betreut mit 300 Mitarbeitern Kunden im Süden Baden-Württembergs zwischen Karlsruhe, Lörrach und dem Bodensee. „Zu vielen Kunden pflegen wir eine jahrelange Beziehung“, betont Betriebsleiter Marc Schober. Die Niederlassung blickt auf eine lange Tradition zurück und kam Anfang der 1990er Jahre zu den Hectas Gebäudediensten.

Das Unternehmen Die Hectas Gebäudedienste Stiftung mit Hauptsitz in Wuppertal beschäftigt rund 12 000 Mitarbeiter in neun europäischen Ländern. Gegründet wurde Hectas 1974 als Tochtergesellschaft der Vorwerk-Gruppe. Das zertifizierte Unternehmen setzt immer wieder Standards beim nachhaltigen und umweltfreundlichen Einsatz von Reinigungsmitteln und -zubehör.

Kontakt Hectas Gebäudedienste Stiftung & Co. KG Heisenbergstraße 8 72336 Balingen m.schober@hectas.de www.hectas.de Telefon: 0 74 33/40 41 Telefax: 0 74 33/3 47 94

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Politik • Standort Balingen

„Uns geht es gut!“ Für OB Helmut Reitemann ist Balingen eine Insel der Glückseligen. Nur bei der Helmut Reitemann, 50, ist seit Juni 2007 OB in Balingen. Der Allgäuer wurde zunächst Bankkaufmann, bevor er eine Laufbahn in der Verwaltung einschlug. Nach Stationen unter anderem beim Landratsamt Bodenseekreis bewarb sich der Familienvater in Balingen.

Verkehrsanbindung hapert es. Noch

Foto: Jigal Fichtner

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elmut Reitemann ist ein Freund klarer Worte. Des­ halb hebt der Balinger OB im Econo­Interview nicht nur die Vorzüge seiner Stadt hervor. Er bezieht auch Position in Sachen Verkehrsinfrastruktur: „Wir brau­ chen eine Maut für alle.“ Glückwunsch, Balingen hat beste Kennzahlen. Wie erreicht man die inmitten des eher schwachen Zollernalbkreises? ➤ Helmut Reitemann: Danke. In Balingen wird seit Jahren eine konsequente Politik zugunsten des Einzelhandels gemacht. Zu­ dem verfügt Möbel Rogg über eine hohe Anziehungskraft. Aber auch ohne diesen Magneten ha­ ben wir eine attraktive Innen­ stadt, auch die 3000 kostenlosen Parkplätze sind ein Pfund. Man kann es so sehen: Balingen saugt Kaufkraft und Investitionen aus dem Umland ab …

➤ Reitemann: Das lasse ich so nicht stehen. Die Kunden ent­ scheiden eben mit den Füßen, wo sie gerne einkaufen. Zudem haben wir als Mittelzentrum auch Zentralitätsfunktionen und halten eine entsprechende Infra­ struktur vor. Unsere Schulen sind auf dem aktuellen Stand, wir bie­ ten vielfältige Betreuungsange­ bote selbst für Kleinkinder und sind kulturell attraktiv aufgestellt mit Stadthalle und Messe. Dieses Paket hilft uns beim Wettbewerb um Fachkräfte für die Betriebe. Balingen ist also eine Insel der Glückseligen. Mal ehrlich: Wo drückt der Schuh? ➤ Reitemann: (lacht) Nun ja, in Sachen Einzelhandel sind wir wohl eine Insel. Wir haben bei­ spielsweise keinen Leerstand. Zudem bestehen im Bahnhofs­ bereich und dem Strasser­Areal Flächen für Entwicklungen.

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Ich habe als Antwort das Stichwort Infrastruktur erwartet. ➤ Reitemann: Das ist in der Tat ein wunder Punkt. Der Ausbau der Anbindung in Richtung Tübin­ gen und Stuttgart ist auf gutem Wege. Aber in Richtung Rottweil und der A81 bestehen klare Defi­ zite, ebenso im Bereich der Schie­ ne. Deshalb arbeiten wir auch in verschiedenen Initiativen mit, um die Situation zu verbessern. Die Vorteil einer ertüchtigten Ost-West-Anbindung beispielsweise der B 462 zwischen Offenburg und Balingen liegen klar auf der Hand. Warum bewegt sich dennoch kaum was? ➤ Reitemann: Es sind eben di­ cke Bretter, die gebohrt werden müssen. Und man muss eines be­ denken: Dazwischen verläuft die Grenze zwischen den Regierungs­ präsidien Freiburg und Tübingen. Das ist manchmal wie eine Demar­

kationslinie, der Kontakt zwischen hüben und drüben ist eher gering. Aber das ändert sich gerade massiv, beispielsweise durch die Notge­ meinschaft Querspange Kinzigtal­ Schwarzwald­Zollernalb. Aber es fehlt auch an Geld. ➤ Reitemann: Klar, das ist na­ türlich ein wichtiger Aspekt. Die Budgets werden kaum wachsen. Sind Sie für alternative Finanzierungskonzepte? ➤ Reitemann: Für Großprojek­ te kann das sinnvoll sein, unser Lückenschluss auf der B 27 wäre zu klein. Was ist mit der Maut? ➤ Reitemann: Eine allgemeine Maut halte ich für sinnvoll, wenn das Geld in die Infrastruktur fließt. Denn Mobilität ist für uns mitten in Europa ein zentrales Thema, egal ob mit Verbren­ nungsmotoren oder Elektroan­ trieben. Dirk Werner


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Politik • Standort Balingen

Verwöhnen mit Niveau Balingens Innenstadt floriert. Events, Händler und Parkplätze locken Kunden. Leerstände? Fehlanzeige. Dafür stehen Investoren Schlange. Nur noch ein i-Tüpfelchen fehlt zum Glück

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orgens, halb zehn in Ba­ lingen. Es ist ein ganz normaler Wochentag. Und die Innenstadt füllt sich. In den Cafés wird geplaudert, vom evangelischen Kirchturm leuchtet im Großformat ein modernes Kunstwerk herab. Dazwischen geben sich in Modegeschäften, Haushaltswarenläden und bei Op­ tikern Kunden die sprichwörtliche Klinke in die Hand. Ein solches Treiben an einem schlichten Wo­ chentag in einer Stadt mit knapp 34 000 Einwohnern ist durchaus bemerkenswert. „Zu mir haben mal Leute gesagt: ‚Nach Balingen kann man immer gehen, da ist immer etwas los.‘ Da ist schon etwas dran“, lacht Peter Blechmann. Als Geschäftsführer des Stadtmarketingvereins Balin­ gen aktiv sowie des Handels­ und Gewerbevereins laufen bei ihm die Fäden zusammen. Er organisiert mit, wenn zum „Afrikanischen

Markt“ geladen wird und zur „Thüringer Woche“. Wenn Hun­ derte sich beim „Firmen­ und Be­ hördenlauf“ joggend durch die Innenstadt bewegen, angefeuert von einem Vielfachen des Starter­ pulks. Ach ja, Rockgruppen wie „Silbermond“ dürfen auch in Balin­ gens Fußgängerzone spielen. Wi­ derstand dagegen? Kaum hörbar. Dieses Zusammenspiel aus ge­ wachsenem, gehobenem Handel, kostenfreien Parkplätzen und Ver­ anstaltungen sichert Spitzenplätze: Die Zentralitätskennziffer beträgt rekordverdächtige 168 Punkte. Und Balingen ist zum dritten Mal laut einer Umfrage von MF Con­ sulting Dieter Grett unter 132 Städten zur einkaufsfreundlichsten deutschen Stadt gewählt worden. Doch der Erfolg hat in der Stadt keine lange Tradition. Blechmann: „Erst seit zwölf Jahren haben wir die Fußgängerzone.“ Davor schnitt die Bundesstraße durch Balingen.

Balingens Innenstadt bietet Einzelhandel, Kunst und Bachlauf, aber keinen Leerstand

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22 000 Fahrzeuge quälten sich täglich über die Friedrichstraße, eine gesichtslose Durchquerungs­ zone. Heute ist sie die Haupt­ einkaufsstraße, ein wichtiger Teil der Fußgängerzone. Hier stehen Kunstwerke, und Einzelhändler umgarnen Kunden. Ein Bächlein

haber aufhört, ist sofort Ersatz gefunden“, so der Wirtschaftsför­ derer. Bei bestimmten Ladenge­ schäften warten Investoren sogar jahrelang. Und das gerne. Balingen, das Paradies aller Ein­ zelhändler? Peter Blechmann sagt es so: „Nun ja, fast.“ Natürlich

Die neue Stadthalle Balingen

Aus der gesichtslosen Durchgangsstraße wurde eine quirlige Fußgängerzone samt Wasserspiel plätschert. „Na­ türlich bedeutet ein Bachlauf Un­ terhaltungsaufwand“, kennt der Balinger Wirtschaftsförderer Ma­ thias Demmer die Bedenken: „Da­ für ist das Flair mit einem solchen Bächlein ganz besonders.“ Dank besagtem Flair kennt Demmer nämlich eines nicht: Sor­ gen wegen Leerständen in der In­ nenstadt. „Wenn mal ein Ladenin­

gebe es auch „Herausforderun­ gen“, einheitliche Öffnungszeiten beispielsweise. Blechmann: „Aber da muss man einfach mal einen mutigen Schritt gehen und erst Einzelne mitziehen. Die anderen kommen dann schon, wenn sie merken: Es bringt was.“ Das war bei der Fußgängerzone nicht an­ ders. Die wollte in der Planungs­ phase auch nicht jeder. wer

Das moderne Tagungsund Kulturzentrum – flexibel nutzbar, für jeden Anlass

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Politik • Standort Balingen

Schneller informiert Die aktuellsten Nachrichten von Econo täglich unter

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Der Hallenm Ulrich Klingler leitet seit 28 Jahren erfolgreich die Stadthalle Balingen. Der Bau wurde jetzt saniert. Und Klingler erhält weitere Aufgaben

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ch ja, die Stadthalle Balin­ gen. Beinahe mit Ehrfurcht spricht man unter Hallen­ managern der Region über das Haus. An 350 Tagen im Jahr sind hier Veranstaltungen, 60 Prozent davon Tagungen und Seminare. Von diesen Werten träumen ande­ re. Dazu locken alle zwei Jahre große Kunstausstellungen Zehntau­ sende, heuer wird Klimt gezeigt. „Wir können sehr zufrieden sein“, resümiert Ulrich Klingler, Ge­ schäftsführer des städtischen Ei­ genbetriebs Stadthalle Messe Kul­ tur, das Standing seines Hauses. Indes, so erfolgsverwöhnt Kling­ ler in den 28 Jahren Stadthalle auch ist, auch für ihn gibt es Her­

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ausforderungen. Eine davon: die Volksbankmesse. Seit zwei Jahren ist die Mehrzweckhalle auf dem Balinger Messegelände in Betrieb. Klingler: „Der Start war nicht so, wie wir es uns erhofft haben. Wir mussten mitten in der Krise mit der Halle an den Markt gehen.“ Da nützen einem dann auch die besten Kontakte nicht mehr viel. Doch jammern gilt nicht. Dafür ist der Geschäftsführer auch der Falsche. Er sieht weiterhin die Chancen durch die breitere Auf­ stellung mit gediegener Stadthalle und rauer Messehalle. Klingler: „Bislang hatten wir beispielsweise für größere Konzerte keinen Raum. Schließlich passen ein Rockkon­ Foto: Jigal Fichtner


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Ulrich Klingler, Geschäftsführer der Stadthalle Balingen, vor dem Beethovenfries von Klimt

anager zert und die Stadthalle nicht zu­ sammen.“ Bis zu 3000 Leute fasst die Messehalle, und wie gut das funktioniert, erlebten bereits die Besucher des jährlichen Hardrock­ spektakels Bang Your Head. Klingler entwickelt das Areal aber generell weiter. So führt er Gespräche mit einem Veranstalter für eine neue Verbrauchermesse, die alte schwächelte arg. Klingler: „Jetzt bieten wir mit Halle und Frei­ gelände beste Bedingungen.“ Eine ganze Reihe weiterer Messen und Konzerte hat Klingler für 2011 ohnehin schon gebucht. Mit dem Jugendblasorchester­ wettbewerb BW­Musix, einer Ver­ anstaltung des Militärmusikdiens­ tes der Bundeswehr und des In­ strumentenherstellers Yamaha, hat der Hallenmanager zudem eine jährlich wiederkehrende Veran­ staltung in der Halle: „Wir erwar­ ten im Oktober mehr als 1000 Teilnehmer. Besser geht es nicht.“

Mittelfristig, so Klinglers Ein­ schätzung, wird das Messegelände samt Halle zu einem ebenso gro­ ßen Renner werden wie die Stadt­ halle. Wobei er auch schon auf die benachbarte Sparkassenarena schielt: Die Heimat des Handball­ Erstligisten HBW Balingen­Weil­ stetten würde Klingler nämlich gern in sein Nutzungskonzept ein­ bauen: „Passen würde es gut.“ Zurück zur Stadthalle. Bei der passt nun auch wieder alles: 8,7 Millionen Euro flossen in die um­ fassende Sanierung, nach 14 Mo­ naten Bauzeit sind die Handwer­ ker seit dem Sommer raus. Kling­ ler: „Und bis Weihnachten sind wir mit Veranstaltungen auch schon wieder ausgebucht.“ wer

www.stadthalle.balingen.de www.volksbankmesse.de

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